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Full text of "Altpreussische Monatsschrift"

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Altpreussische 

Monatsschrift 

aeae  Folge. 

Der 

Heuen  Prtusisehen  Proräiiol-Blatter 

vierte  Folge. 


Herausgegeben 


von 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Vierzehnter  Band. 

Der  Proyinrial- Blätter  LXXX.  Band. 


Mit  Beiträgen 


toh 


Aiger,  M.  Beheiw-Sehwarzbacb,  A.  Benenberger,  B.  Bobrik,  M.  Curtze,  F.  Dann, 
A.  Ewald,  F. Heyer,  K.  Höhlbaum,  H.Hofflnaitn,  F.Hoppe,  W.  KetrzyAeki,  C.  Lohweyer, 
R.  Müller,    6.  H.  F.  Neaeelmaan,    M.  Peribaoh,    A.  Renson,    A.  Rone,    F.  Schultz, 

J.  StrebHzki,    B.  Saphan,    M.  Toeppea,    Tb.  Wlebert 

und  Ungenannten. 


0* 

Königsberg  i.  Fr. 

Ferd.  Beyer'a  Verlag. 

1877. 


%\    - 

AUG30I880 


Alle  Rechte  bleibeu  vorbehalten. 

.    t  .    .  .  • 

Heraiisgeber  und  Hitarbeiter. 


Inhalts-Verzeichniss. 


"  V*N-  ~W^-~ 


L  Abhandlungen. 


Colonisatorisches  aus  Ostprenssen.  Von  Dr.  Max  Beheim-Schwarzbach.    1—37. 
Ortsnamen  der  Provinz  Preussen.  IV.  V.    Von  F.  Hoppe.    38—46.  39!»— -418. 
Johann  Arnos  Comenius  in  Elbing.    Von  Prof.  Dr.  Alb.  Keusch.    47 — 50. 

Der  ländliche  Grundbesitz  im  Er m Lau  de  von  der  Eroberung  Preussens  durch  den  deut- 
schen Bitterorden  bis  zum  Jahre  1375.  Von  Hermann  Ho  ff  mann.  51—100. 
193—250. 

Urkunden  zur  Geschichte  der  ständischen  Versammlungen  in  Königsberg  im  Januar  und 
Februar  1813,  betreffend  die  -Errichtung  der  Landwehr.  Nach  den  Akten  der 
08tpreu8sischen  General-Landschaft  und  des  Oberpräsidiums  der  Provinz  Preussen 
herausgegeben  von  Robert  Müller.  (Portsetzung).    101—161.  318—339. 

Urprenssen  (aas  erste  Buch  aus  dem  Manuscript  einer  Kircheugeachichte  der  Provinz 
Preussen  probeweise  mitgetheilt)  von  Adolf  Rogge.    251—296. 

Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg.  Nach  den  Papieren  des  Ministers  Theodor  v. 
Schon  und  dem  Tagebuch  des  Landhofmeisters  v.  Auerswald.    297—3(7. 

Aus  der  Correspondenz  Herzog  Albrechts  von  Preussen  mit  dem  Herzog  Christoph 
von  Wirtemberg.    Von  Dr.  Theodor  Wiehert.    385—398. 

Die  älteste  litauische  Chronik.  Aus  dem  Bussischen  Übersetzt  von  F.  Neumann. 
Herausgegeben  von  Dr.  M.  Toppen.    419—458. 

Eine  neugelundene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578.  Von  Adalbert  Bezzen- 
berger.    459-475. 

Neue  Copernicana  aus  Upsala.  Vortrag,  gehalten  im  Coperoicua -Verein  zu  Thorn 
am  4.  Juni  1877  von  Maximilian  Curtze.    476—482. 

Einiges  über  vorstädtische  Gerichtsbarkeit  von  Dr.  Franz  Schultz.    521—535. 

Der  grosse  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525.  Von  Dr.  Johannes  Strebitzki. 
536-566. 

Ueber  die  Verleihung  Pommerellens  an  Herzog  Przemvslaw  von  Gross -Polen  1282. 
Von  Dr.  W.  Ketrzyriski.    567—571. 

Friedrich  der  Grosse,  »ein  Mehrer  des  Reichs*  im  Osten.  Rede  von  ' Bernhard 
Suphan.    572—584. 

Der  preussische  Landberg,  das  älteste  Romowe.    Von  AdolfBogge.    585 — 592. 

Immanuel  Kant's  Ansichten  Über  das  weibliche  Geschlecht.  Tischrede  an  Kant's  Ge- 
burtstage in  der  Königsberger  Kant  -  Gesellschaft  von  Dr.  Benno  Bobrik. 
593—612. 

Ueber  die  Lage  von  Truso  und  über  die  Möglichkeit,  dieselbe  wieder  aufzufinden. 
Vortrag  von  Dr.  Anger.    613—622. 

IL  Kritiken  und  Referate. 

Dr.  Franz  Hipler,  Christliche  Lehre  und  Erziehung  in  Ermland  und  im  preußi- 
schen Ordenastaate  während  des  Mittelalters.    162—165. 
Derselbe,  Die  Chorographie  dea  Joachim  Rheticus.    166—167. 


IV  Inhalts-Verzeichniss. 

Dr.  Franz  Schultz,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm.  Von  M.  Perl- 
bach.   340—349. 

Prot  A.  Keusch,  Wilhelm  Gnapheus,  der  erste  Bector  des  Elbinger  Gymnasimus. 
349—352. 

F.  Hoppe,    Ortsnamen  des  Regierungsbezirks  Gnmbinnen.    Von  Adolf  Rogge. 

352—353. 

Dr.  Hans  Prutz,  Quellenbeitrage  zur  Geschichte  der  Kreuzzüge.  Von  M.  Perl- 
bach.   354—355. 

Volke  1  und  Thomas,  Taschenwörterbuch  der  Aussprache  geographischer  und 
historischer  Namen.    Von  )    355—360. 

Carl  A.  Krüger,  Geschichtsbilder  für  Volksschulen..  Von  Eaca.    483—484. 

G.  A.  von  Mülverstedt,   geschichtliche  Nachrichten  aus   dem  Geschlechte    von 

Gaudecker.    Von  Dr.  M.  Toppen.    623— ü25. 

Wilh.  Mannhardt,  Wald-  und  Feld-Kulte.  Thl.  1.  2.  Von  Felix  Dahn.  626—629. 

Der  Verein  für  hansische  Geschichte  und  die  Bedeutung  seiner  Publicationen  für 
die  Provinz  Preussen.    Von  M.  P.    168—176. 

Jahresbericht  des  Vereins  für  die  Geschichte  der  Provinz  Preussen  für  das  Vereins- 
jahr von  Ostern  1876  bis  Ostern  1877.    360—362. 

Anthropologische  Gesellschaft  zu  Danzig.  (B.  S.  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete 
der  Alterthumskunde  der  Provinz  Westpreussen.)    484—488.  629—634. 

Alterthumsgesellschaft  in  Elbing.    363—365.  634—639. 

Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg.  176—187.  365—371.  488—499. 
640-670. 

ffl.  Mitthdlungen  und  Anhang. 

Zwei  Masariscbe  Volkslieder.    Von  Dr.  Frans  Hey  er.    188—189. 

Zwei  den  preußischen  Geschichtschreiber  Lucas  David  betreffende  Briefe.  Mitge- 
theilt  von  Prof.  Carl  Lohmeyer.    372—375. 

Zu  Drumann's  Biographie.  Nach  Mittheilung  des  Prof.  A.  Ewald  veröffentlicht 
von  Prof.  Carl  Lohmeyer.    500—503. 

Mittheilungen  über  eine  Ausmessung  des  Seeteiches  bei  Dambitzen.    503—505. 

Vorläufige  Mittheilung  über  eine  Preussenfahrt  des  Fürsten  von  Hennegau  im  vier- 
zehnten Jahrhundert.    Zon  Dr.  Konst  Hohl  bäum.    671—672. 

Die  Partitur  zu  Geore  Simon  Lohlein's  ,Todtenfeierc.    672—673. 

Zu  Joh.  Gottl.  Fichte  s  erstem  Aufenthalt  in  unserer  Provinz.    673. 

Em  Gedicht  von  Schiller  in  littauischer  Uebersetzun?.  Mitgetheilt  als  literarisches 
Vermächtnis»  eines  theuern  Verstorbenen  von  G.  H.  F.  N  e  ss  e  1  m  a  n  n.    673—674. 

Uebersicht  der  bei  dem  Landheer  und  der  Marine  in  den  Ersatzjahren  1874 — 77 
eingestellten  Preussischen  Mannschaften  mit  Bezug  auf  ihre  Schulbildung.    674. 

Topographische  Karte  von  Preussen.    675. 

Umversitats-Chrouik  1877.    189.  505—506.  675—676. 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1876/77.    506. 

Altpreussische  Bibliographie  1876.    506—515.  676—692. 

Periodische  Literatur  1876/77.    190—192.  376—384.  693—695. 

Nachrichten.    376.  515.   695-696. 

Kaufs  Buhestätte  (Aufruf).    384. 

Zu  Herrn  Dr.  Perlbach's  Kritik.    Von  Dr.  Fr.  Schultz.    515—516. 

Entgegnung  von  Voelkel  und  Thomas.    517—520. 

Briefkasten  der  Bedacüon.    520. 

Berichtigungen  und  Zusätze.  696. 


Colonisatorisches  ans   Ostprenssen 

▼on 

Dr.  Max  Beheim-Schwarzbaeh. 

I.    Aus  der  Zeit  des  Kurfürsten  Georg  Wilhelm.1) 

Wenn  eine  eigentliche  „  Geschichte  der  Hohenzollernschen  Coloni- 
sationen,*  insofern  rationelle  und  systematische  Colonisirung  in  Betracht 
kommt,  erst  mit  der  Zeit  des  grossen  Kurfürsten  anzunehmen  ist,  so 
haben  doch  auch  schon  seine  Vorgänger  vereinzelte  derartige  Experi- 
mente vorgenommen,  versucht,  oder  doch  geduldet.  Auch  Georg  Wilhelm 
ist  unter  diesen  letzteren  Gelegenheitscolonisatoren  zu  nennen.  In  den 
letzten  Jahren  seines  Lebens  weilte  er  hauptsächlich  im  Herzogthum. 
War  Ostpreussen  auch  von  den  eigentlichen  Verwüstungen  jenes  Krieges 
nicht  so  unmittelbar  getroffen,  so  lag  doch  auch  hier  unter  Steuerdruck 
und  ungerechter  Vertheilung  der  Steuern  und  mancher  anderen  Last 
seit  vielen  Decennien  Ackerbau  und  Industrie  im  Argen;  besonders 
schlimm  sah  es  in  Litthauen  aus.  Aber  es  wurde  kein  energisches 
Mittel  angewendet,  um  hier  zu  helfen,  ja  ßs  fehlte  auch  ein  eklatanter 
Nachweis  der  einzelnen  Schäden,  es  fehlte  an  eingehenden  Vorschlägen, 
wie  am  besten  und  nachdrücklichsten  geholfen  werden  könnte.2) 


')  Akten  des  Staatsarchivs  in  Königsberg. 

2)  In  Litthauen  waren  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  die  Feldflaren  ver- 
messen worden,  nicht  nur,  wie  Johan  Lasitins  (a.  1580)  berichtet,  um  die  Abgaben 
zu  reguliren,  sondern  auch,  um  die  Bauern  in  Ordnung  zu  halten  und  an  feste  Wohn- 
sitze und  Gemeinden  zu  binden.  Aber  wo  war  dieses  Landbuch?  War  es  zu  diesem 
Zweck  brauchbar?  Wo  ist  es  jetzt?  Neuerdings  hat  Max  Duncker  letztere  Frage  wie- 
der aufgeworfen  und  sich  Mühe  gegeben,  diesen  Kataster  aufzufinden;  verfasst  war 
das  Landbuch  1560—1665  von  Jan  Laskowski  zu  Crottingen  und  soll  nach  mancherlei 

Altpr.  lfonfttMohrift  Bd.  XIV.  Hft.  1  u.  3.  1 


2  Colonisatorisches  tos  Ostpreussen 

Eine  Basis  war  aber  für  die  Regulirung  der  bäuerlichen  Verhält- 
nisse dringend  geboten.  Was  wollten  vereinzelte  kleine  Colonisirungen 
besagen?  So  war  z.  B.  erst  kürzlich  unter  Georg  Wilhelm  von  dem 
Amtsschreiber  in  Tilsit,  wie  es  scheint,  eine  Colonie  von  drei  holländi- 
schen Dörfern  etablirt  worden.  Der  Bericht  an  den  Kurfürsten  erwähnt 
hierüber  den  Namen  Neu- Vogelahnen  (?),  „welches  ich,  sagt  der  Gründer 
auch  Ew.  Ch.  Gn.  nebenst  noch  zwei  Dörfern  ausz  Morästigem  Ortt 
vrbahr  gemacht  und  von  die  hübe  30  Thlr.  Zinse.* 

Wenn  energisch  geholfen  werden  sollte,  so  bedurfte  es,  wie  ge- 
sagt, erst  des  genauen  geographischen,  lokalen  Nachweises.  Und  eine 
solche,  wenn  auch  nur  allgemeine  Aufzeichnung,  wurde  im  Jahre  1638 
von  einem  viel  bewanderten,  speculativen  Privatmann,  Cornelius  Vy  nck 
(oder  Vincke),  Doctor  beider  Hechte,  versucht  Viacke  wandte  sich  an 
den  Churfursten  mit  dem  Vorschlag,  er  wolle  unterschiedliche  wüste 
Hufen  mit  holländischen,  flämischen,  westphälischen  und  anderen  Kolo- 
nisten besetzen,  die  Gegenden  urbar  machen,  die  Sümpfe  und  Moräste 
trocken  legen  u.  s.  w.  Hierzu  verlangte  er,  in  richtiger  Erkenntniss 
der  Sachlage,  gar  keine  Geldunterstützung,  zunächst  nur  Vorschub  bei 
Aufsuchung  und  Auffinden  dieser  wüsten  Stellen  und  später  bei  An- 
setzung  der  (Monisten  anderweitige  staatliche  Hülfe. 

Gern  ging  Georg  Wilhelm  auf  die  erste  Forderung  ein.  Vynck 
wurde  mit  einem  Pass  resp.  einer  Instruction  des  Churfursten  und  einem 
Mandat  des  Lehnsherrn  versehen,  der  Oberjägermeister  gab  ihm  ausser- 
dem einen  Befehl  an  die  » Wildnissbereitter*  mit,  ihm  die  wüsten  Stellen 
in  ihrem  Bezirke  zu  zeigen  und  ihm  mit  jeglicher  gewünschten  Aus- 
kunft und  Unterstützung  hülfreich  an  die  Hand  zu  gehen.  So  begab 
sich  denn  der  intelligente  Mann  auf  die  Beise,  die  geeigneten  Plätze 
für  seine  Colonisten  ausfindig  zu  machen.    Er  wandte  sich  natürlich 


Schicksalen  endlich  in  den  ersten  Jahrzehnten  dieses  Jahrhunderts  ans  Privatbesitz 
SA  die  Kftnigl.  Regierung  zu  Qumbinnen  gelangt  sein,  doch  ist  heute  keine  Spar 
davon  mehr  aufzufinden,  keine  Behörde  weiss  davon,  kein  Archiv,  keine  Registratur, 
keine  Bibliothek  kann  darüber  Auskunft  geben.  Vielleicht  gelingt  es  dem  gedruckten 
Wort  eher  als  brieflichen  Anfragen,  die  Spar  zu  ermitteln  and  an  die  Adresse  des 
etwaigen  Katesterbeaitien  an  gelangen. 


von  Dr.  Max  BeheSm-Schwarsbach.  3 

meist  an  die  ihm  angegebenen  Adressen  der  Wildnissbereitter,  ferner 
an  die  Landschöppen,  Amtsscholzen,  Hausvoigte  etc.,  ein  Mal  sogar  an 
den  Präceptor,  der  in  Abwesenheit  seines  Herrn  den  Führer  abgiebt 
nnd  die  Bescheinigung  ausstellt.  Von  jedem  lässt  er  sich  nämlich  be- 
scheinigen, dass  er  dort  gewesen  sei,  was  er  gesehen  habe  und  welcher 
Qualität  die  gemeinsam  inspicirten  Ländereien  seien.  Er  war  über  ein 
Vierteljahr  auf  dieser  Wanderung  und  hat  namentlich  Litthauen  und 
ziemlich  den  ganzen  Norden  von  der  Linie,  die  Königsberg  und  Stallu- 
pönen  mit  einander  verbinden  würde,  durchzogen.  Sein  Augenmerk 
richtete  sich  zunächst  auf  die  Niederungen  und  Sümpfe,  „welche,  wie 
ein  späteres  Patent')  des  Ghurfursten  sagt,  bis  annoch  keinen  nuzen 
gebracht  und  durch  holländisch-flämische  leute  urbahr  gemacht* 
werden  können;  ferner  nahm  er  auch  die  „Höhungen*  wahr,  „woselbst 
viel  wüste  hüben  angetroffen,  so  durch  Niedersächsische  und  hoch- 
deutsche leute  wiederumb  besetzet  und  angerichtet  werden  können;* 
Ueberdies  hat  er  auch  solche  Gegenden  ins  Auge  gefasst,  deren  naturae 
sich  zum  Torfetich  eignen  und  die  auf  Seeburgsche  und  Cöllnische  Art 
bearbeitet  werden  könnten.  Auch  alle  möglichen  Arten  von  Lehm  und 
Thon  will  er  gefunden  haben  und  auf  Vynck's  Vorschläge  hin  sah  der 
Churförst  im  Geiste  schon  „Italienisch  Tischgeschirr,  Livomischen  weissen 
oder  blawen  Porcellan*  gewonnen.  Viertens  wurden  die  wasserreichen, 
zu  Fischerei  und  Entenjagd  auf  holländische  Art  etc.,  geeigneten  Sümpfe 
inspicirt,  von  welchen  des  Churförsten  Jagdliebhaberei  sich  auch  Grosses 
versprach.  Endlich  sollten  die  hohen  Sandberge  in  Angriff  genommen 
werden,  so  im  Memelschen,  Bagnitschen,  „welche  nicht  allein  natura 
sua  steriles,  sondern  auch  die  nächst  umbliegenden  lande,  durch  die 
vom  windt  nnd  stürm  Überfahrten  Staubichten  Sandt*  beschädigen  und 
mehr  oder  minder  unfruchtbar  machen;  hier  will  Vynck  das  Land  art- 
bar und  fest  machen.  Ueberall  wird  natürlich  darauf  Bedacht  genommen, 
dass  durch  eine  etwaige  Ansiedelung  nicht  den  „Wildtnüssen,  Wildt- 
bahnen  und  jagten*  Schaden  und.  Nachtheil  erwachsen  könne;  auch 
die  Bescheinigungen  sprechen  fast  jedes  Mal  sich  hierüber  aus. 


*)  Vom  21.  Septbr.  1688. 


4  Colonifatorisches  aus  Ostpreussen 

Solcher  Bescheinigungen  sind  noch  achtzehn  resp.  neunzehn  vor- 
handen, 4)  darunter  drei  von  Hans  von  Duben,  dem  Landschöppen,  dem 
älteren  und  dem  jüngeren.  Die  ersten  Atteste  waren  höchst  ausführ- 
lich, die  letzteren  mehr  summarisch  gehalten. 

Am  ausführlichsten  wird  über  ihn  und  sein  Vorhaben  vom  Tilsiter 
Amt  aus  berichtet,  von  jenem  oben  bereits  erwähnten  Gründer  der  drei 
Holländerdörfer.  Um  Einiges  daraus  mitzutheilen.  In  dem  Schreiben  *) 
an  den  Churfursten  sagt  der  Unterzeichnete :  „ich  habe,  weilen  der  Dr. 
Com.  Vynck  seine  intention  zu  vernehmen  gegeben,  dass  er  ein  vieles 
Volk  und  ezliche  1000  Mann  gedächte  hereinzubringen,  morästge  Orter 
zu  bewohnen  und  urbahr  zu  machen,  ihm  dazu,  weil  mir  bewusst,  wie 
man  in  Holland  Morast  und  Brücher  hat  urbahr  gemacht,  ferner  An- 
leitung gegeben  und  gute  Hoffnung,  ihm  auch  gesagt,  wo  er  sich  ferner 
hinbegeben  soll,  dessen  er  sich  gefreuet,  habe  ihm  auch  einen  Mann 
mitgegeben,  der  hierin  guten  Verstand  und  der  beste,  der  hier  anzu- 
treffen, selbte  seindt  wieder  zurückgekommen  and  eine  gute  Relation 
gethan."  (Folgt  die  Beschreibung,  wo  Vynck  gewesen,  nämlich  in  der 
Gegend  zwischen  Russ  und  dem  kurischen  Haff)  „Da  nun,  fährt  der 
Bericht  fort,  dieser  Herr  Doctor  viel  volcks  brechte,  könnte  Ew.  Churf. 
Gn.  wohl  ein  grosser  Nuzen  geschaffen  werden,  wenn  solche  leute  nur 
einen  glitten  directorium  oder  commissarium  hetten,  der  das  wohl  ver- 
stehet und  an  den  sie  sich  halten  möchten  und  Ihnen  anfangs  rath, 
That  und  Vorschub  möchte  gethan  werden,  durch  allerlei  Mittel.  *  Er 
beschreibt  ferner,  was  auf  jenem  Grund  und  Boden  am  fuglichsten  von 
den  Colonisten  geschaffen  werde,  „dass  sie  alsdann  zu  gutter  nahrung 
•werden  kommen  können,  dessen  werde  ihnen  3,  4,  5  oder  6  Jahre, 
nachdem  man  mit  ihnen  wird  handeln  können,  frei  müssen  gegeben 
werden.  Und  weil  vermuttlich  es  völcker  von  2,  3  religionen,  so  cal- 
vinisch etc.  sein  werden,  deswegen  Zeiger  dieses  Doctor  privilegia  umb 
Exercirung  der  religion  wird  suchen  wollen,  wehre  dieses  hier  auf  mein 
Bedenken,  blosz  zu  antworten,  gleich  wie  die  gleiche  religion  auch  in 
Königsberg  genugsamb  vorhanden,  sie  auch  nicht  verfolgt  werden.* 

*  •  ■* 

4)  Eb  fehlen  jedenfalls  mehrere  solcher  Bescheinigungen, 
ft)  Vom  30,  Juli  1638. 


von  Dr.  Max  Beheim-Schwarsbach.  5 

Er  hat  hierzu  die  beste  Hoffnung,  da  auch  in  seinen  drei  Dörfern 
teben  solche  Völker  gewesen  seindt,  selbte  aber  sich  nunmehr  aüdoch 
zu  Unserer  Evangelischen  Kirche  halten;  Gott  wird  seine  Kraft  (und 
hierzu  Gnade)  auch  geben.  *  Zunächst  möchte  ihnen  ein  hölzernes  Haus 
als  Kirche  gebaut  werden,  die  umwohnenden  Pfarrherrs,  ja  auch  die 
yon  Tilsit  und  Bagnit  müssten  „umbzech  dorthin  reisen  und  mit  ge- 
linden, annehmlichen  kürtzen  predigten  einen  Anfang  machen.  Da  sich 
dann  ohn  alle  Zweifel  Völker  zur  Predigt  würden  finden  und  dann  her- 
nach auch  zur  Communion,  wenn  man  nun  sehe,  dass  eine  gemeine 
von  50,  100,  200  sich  samblen  wollten,  wurden  sie  denn  wohl  etwas 
zusammenlegen  und  selbst  einen  Pfarrherr  unterhalten,  wenn  bloss  an- 
fangs Ew.  Churf.  Gn.  eine  200  G.  darzulegen  wollten.  Gott  wird  her- 
nach weiter  seinen  Segen  geben.  *  Er  hofft,  es  werde  eine  Oapitulation 
mit  Vynck  zu  Stande  kommen,  und  verspricht  sich  hiervon  recht  viel, 
„dafern  der  Anfang  nur  gemacht,  getraue  ich  mir  dann  mehr  landt  zu 
finden;*  er  verspricht  sich  von  den  einzelnen  Hüben  immer  grössere 
Erträge,  „Anfangs  nur  15,  30,  60, 90  und  später  120  und  vom  Morgen 
4  Thaler.11 

Zunächst  erwartete  der  Churfurst  den  ausführlichen  Bericht  von 
Vynck,  ehe  er  sich  auf  die  empfohlene  „  Oapitulation  ■  einliest  Diese 
Darlegung  erfolgte  gleich  nach  Beendigung  der  Reisen.  Unmittelbar 
hierauf  erfolgten  wohl  die  Erklärungen  des  Ghurfursten,  so  dass  wir 
die  Abfassung  jenes  datumlosen  Schriftstückes  von  Vynck  auf  die 
Mitte  September  desselben  Jahres  (1638)  zu  verlegen  haben.  Dieses 
in  vielen  Beziehungen,  besonders  für  die  Geschichte  des  Bodens  höchst 
interessante  Schriftstück  lautet  nun  folgendermassen: 

Lande  und  Niedrigungen  durch  Mich  Unten  beschrie- 
benen im  Herzogthumb  Preuszen,  mandato  Illustrium 
Duorum  Begentium  untersuchet  und  perlustriret  so  na- 
tura loci  bequem  seindt,  umb  mit  Holländischen  colonis, 
pauern  und  vieh  besetzet  zu  werden.8) 


•)  Zu  erwähnen  sind  die  altertümlichen   Ortebezeichnungen,  wie  ich  denn 
glaubte,  die  ganze  Schreibweise  Vinckes  wiedergeben  zu  müssen. 


g  ColoniMtoritches  aas  Ostpreamn 

1.  Im  Ambt  Schacken,  Sindt  ohngefehr  hundert  wüste  haben, 
gelegen  so  im  Bosenpusch,  alsz  andern  vnterschiedlichen  örtern,  die 
ohn  schaden  Churfurstl.  Wildtnüsz  besezet  können  werden,  secundnm 
testimonium  Christophori  Beckners  Wildtnflszbereiters  in  selbigem  Ambtt; 
dienet  allhier  —  pro  memoria.7) 

2.  Unterm  Ambtt  Labiaw  Sindt  über  zwanzig  haben  wüst, 
gelegen  in  districta  Laszen,  nicht  weit  von  Meere  im  Strohm,  die  mitt 
wenig  Kosten,  sonder  nachtheill  Chnrf.  Wildn.  laut  dem  gezeugnüsz 
Jonas  Schillers,  Wildtnüszbereiters  im  selbigen  Ambtt,  gleichfalls  alsz 
oben,  können  besetzet  werden,  d.  a.  p.  m. 

3.  Unterm  Ambtt  Tillsitt  sind  Einvnd  Neunzig  wüste  hüben, 
gelegen  in  der  beschwommenen  Pagilie  zwischen  dem  neuen  auszge- 
grabenen,  vndt  altem  Bilisstrohm,  da  durch  Dämme,  Schleusen,  Graben 
vndt  Wassermühlen  dasz  Wasser  kan  abgefuhret  werden.  Welche  Vn- 
kosten  in  Zeitt  von  zwei  Jahren  aus  dem  seichten,  lemichten  gründe, 
durch  säen  von  allerhand  saat  vndt  Korn  können  eingebracht  vndt  wie- 
der eingenommen  werden,  d.  a.  p.  m. 

Diese  pagilie  ligt  immer  fort  vnter  wasser,  welches  theils  der  Nord- 
westenwind verursachet,  so  ausz  dem  Cührischen  Haabe  (Kur.  Haff) 
ausz  dem  Biliszstrohm  hereindringet,  alsz  auch  durch  schmelzen  des 
Schnees  im  Groszfurstenthumb  Littawen,  welches  Schneewasser  den 
Bilisstrohm  schnell  herunterkombt  und  vorgesagtes  Haabwasser  mit 
einfeilt,  dann  aloo  aufsteigt,  das  es  die  vorgeschriebene  Pagilie  vnter 
Waszer  sezet  und  beschwemmet,  dieses  alsz  merkwürdig  p.  m. 

4.  Im  Ambtt  Bagnitt  Sindt  vngefehr  sechzigk  wüste  hüben, 
in  vnterschiedlichen  orten  gelegen,  bequem  umb  mitt  holländischen 
pauern  besetzet  zu  werden,  d.  p.  m. 

5.  Im  Ambtt  Mümmel  (Memel).  Im  Kammer  Ambtt  Busze  ist 
eine  treffliche  niederung,  die  erst  bestehet  von  zweihundert  wüsten 
hüben,  so  die  littaw'sche  pauern,  allsz  vnlandtt  für  wenig  geldt  arren- 
diren,   auch  einige  Ort  von  derselben  Niederung,   ohn  bezahlnng,  mit 


*)  Da  dieser  Schhussats  ach  fast  jedes  Mal  wiederholt,  so  diene  hierfür  die 
Abkürzung  d,  a,  p,  m. 


N    von  Dr,  Hu  B«heim-8eliwanba«h«  7 

Vieh  besezen,  lieget  bey  vndt  zwischen  den  Dörffern  Sackowen,  Usz- 
nogowen,  Spocken  vndt  Laiben;  noch  seindt  dahernmb  500  wüste  hnben, 
bestehen  in  Gestränch  und  Kleinholz,  darinnen  kein  wildt  vorhanden 
ist,  gelegen  zwischen  zweien  Ströhmen  Alkemen  und  Allgerau  bei  und 
zwischen  den  Dörfern  Laiben,  Tuxlin  und  Jekischken,  welche  Niedrigung 
über  die  Maszen,  fort  von  grnnd,  auch  sonderlich  bequem  dienet  p.  hl 

6.  Im  groszen  Ambttlnsterburg  Bestehen  die  Lande  meisten- 
teils in  fruchtbaren  Bergen,  vndt  hohen  durchgehenden  ebenen,  die 
sonderlich  bequem  sindt,  vmb  mit  Oosterichen,  deutschen  colonis  oder 
pauern  besezet  zu  werden,  derer  ich  haufenweise  gesehen  vndt  viel 
hundert,  durchs  kriegswesen  verpflogen  sindt,  in  die  Fürstenthümer 
Schleszwick,  Hollstein,  Stormar  vndt  Ditmarschen,  auch  in  Holland, 
Brülligen  vndt  Frieszland  vndt  herumbs  die  Städte  Lübeck,  Hamburg, 
Bremen,  Staden  und  anderswo,  d.  a.  als  merkw.  p.  m. 

7.  Im  Schulzenamt  Petrisie  unters  Insterburgsche  Amt  ge- 
hörig, habe  ich  durch  trewe  anweisung  Hans  von  Düben  des  eitern, 
hundert  wüste  hüben  gefunden,  so  gelegen  sindt  in  vestibulo  oder 
eingang  des  Waldes  Packldiene,  bei  dem  Flüszchen  Pissa,  beinahe  den 
Dörffern  Grosz-  und  Klein-Ischüdigne,  die  über  die  maszen  von  die 
hollandische  Colonen  bequem  seindt,  a.  m.  p.  m. 

8.  Unterm  Schulzenamt  Mathesische,  mit  im  Amt  Insterburg 
gelegen,  in  districtu  Mollische  genanndt,  zweihundert  wüste  hüben,  so 
gelegen  sind  in  guter  fetter  Niedrigung,  keiner  Wasserflut  vndt  Be- 
schwemmung  vnterworffen;  die  ersten  hundert  hüben  werden  genannt 
Iszdack  bei  dem  plüschen  Bewer.  Die  anderen  hundert  wüsten  hnben 
bestehen  in  einem  anderen  Iszdack,  an  der  Salve  gelegen,  bis  an  die 
Wittendürsche  Grenzen;  beide  zum  Acker  und  holländischem  Yiehe 
bequem,  d.  a.  merkw.  p.  m. 

9.  Noch  ein  trefflicher  Ortt  der  Brandt  genannt,  perlustriret, 
allda  viel  tausend  halbverbrannte  und  niedergefallene  Bäume  bey  ein- 
ander liegen,  daselbst  sind  ezliche  hundert  wüste  hüben,  keiner 
Ueberschwemmung  unterworfen,  welche  lande  und  niederringen  im 
respectiven  Schulzenamt  Petrisie  und  Mathesischen  vndt  in  specie  so- 
woll  die  Iszdack  alsz  der  Brandt  genannt,  in  districtu  Mollische  ge* 


g  ColonigatoriecheB  aus  Ostprenflaen 

legen,  sich  in  longitudine  über  drei  deutsche  Meilen  erstrecken,  natura 
loci  bequem  seindt,  ohn  hindernüsz  Churf.  Wildtnüs.  NB.  mit  holländi- 
schen pauern  vndt  vieh  besezet  zu  werden,  d.  a.  annotirenswürdig  p.  m. 

Secundum  testimonia  Friderici  Etmans  vndt  Hans  Hammerschmidts, 
Wildnüszbereiters  in  den  respectiven  Schulzenämtern  Petrisie  und 
Mathesische. 

Memoriae  von  sicheren  Moszbrüchern,  durch  mich 
unten  beschriebenen  in  Churf.  PreuszischenÄmbtern  per- 
lustriret. 

,  (10.)  Im  Ambte  Tilsit Ueber dem  Strohm  Memell  ein grosz  Moosz- 
brach  gesehen,  bestehet  in  sumpfichtem  Grunde,  zu  Torf  bequem,  All- 
hier  generiren  vndt  werfen  die  Wulffe  jährlich  ihre  Jungen,   d.  p.  m. 

(11.)  Im  Ambte  Bagnit  hab  ich  perlustriret  die  Kotsche  Balie, 
gross  nach  gedünken  300  hüben,  bestehet  meistenteils  von  Mosz  auf 
Wasser  rastende,  etzliche  örter  sindt  von  guter  fester  erde.  Noch  etz- 
liche  Meilen  davon  sindt  zwei  Moszbruche  gelegen,  jeder  gross,  nach 
bedüncken  meiner  Führer  150  Hüben,  meist  von  Moos  auffm  Wasser, 
wenig  orte  davon  von  sumpfichten  leichtem  Grunde  bestehende ;  d.  p.  m. 

Noch  im  selbigen  Ambt  Bagnit,  einige  Moszbrücher,  doch 
nicht  gross,  perlustriret,  mehrentheils  von  sumpfichtem  leichtem  Grunde 
zu  Torf  bequem,  d.  p.  m. 

(12.)  Im  Ambt  Müm eil  hab  auch  einerseits  der  Stadt  Mümmell, 
an  der  Churländischen  Grenze  in  vnterschiedlichen  Orten,  nicht  weit 
von  einander  gelegen,  hundert  wüste  hüben  perlustriret,  bestehen  in 
Gesträuch,  von  ziemlicher  guter  erden,  meistentheils  sumpfichter  Grundt, 
zu  Torf  bequem,  d.  p.  m. 

(13.)  Noch  die  Jakischkischk  Heide  gesehen,  gross  nach  Be- 
dunken  eines  deutschen  pauern,  der  mich  allda  geleitet,  von  600  hüben, 
überein  Knie  hoch  mit  Mosz  besezet,  hat  an  vielen  Orten  guten,  sumpfich- 
ten grundt,  mit  schwarzer  Erde  vermenget  solte  wol  können  durch- 
graben werden  und  das  Wasser  abgeführet,  darnach  mit  vieh  besezet 
und  Sommerkorn  darauf  zu  bauen  bequem  gemacht  werden. 

So  zu  verstehen,  nicht  überall,  sondern  wo  kein  Mosz,  dann  gutter 
sumpfichter  grundt  oder  schwarze  erde  ist,  dasselbe  könte  mit  geringen 


▼oo  Dr.  Max  Beheim-8chwarsbaoh.  9 

Unkosten  geschehen,  umb  das  Wasser  abzufahren,  alldieweil  solcher  Ortt 
an  der  einen,  nahe  bey  dem  Strohm  Nimmig,  an  der  anderen  Seiten 
bei  dem  Ghnrischen  Haaff  gelegen.  Allhier  kommen  jährlich  holländische 
und  andere  Palkenirer,  so  ihre  stellen  zum  Falckenfang  anrichten,  d.  p.  m. 

Diese  weitte  Heyde  ist  natura  sua  weich  von  grundt. 

(14.)  Nicht  weit  vom  vorbeschriebenen  .  Jakischkischen  Heyde  liegt 
noch  ein  anderer  Moszbruch  die  Eindtsche  Heyde,  grosz,  nach  be- 
dunken des  vorbemelten  pauers,  von  zweihundert  hüben,  bestehet  auch 
meist  im  Mostigen  Bruche,  an  ezlichen  ortten  sumpfichter  Grundt, 
könte  bequem  gebraucht  werden,  alsz  oben.  Ist  gelegen  ein  Viertel 
Uhr  gehens  von  dem  Minnig  Strom,  eine  Uhr  von  dem  Churischen  Haff; 
diese  Heyde  ist  härterer  Ungrundt,  d.  p.  m. 

(15.)  Der  dritte  Moszbruch  ist  genannt  die  Stamkische  Heyde, 
lieget  nahe  bey  dem  Churischen  Haabe,  gross,  nach  bedunken  als  oben, 
zweihundert  hüben,  von  oben  Mosz  undt  sumpfichter  grundt,  einige  Orte 
daselbst  bequem  alsz  oben,  d.  p.  m. 

(16.)  Im  groszenAmbttlnsterburg.  Im  Schulzenamt  Eattenau 
ist  ein  Moszbruch,  grosz,  nach  bedunken,  hundert  hüben,  bestehet  von 
lauterem  Mosz,  so  aufm  Waszer  rastet,  sonder  einige  fundamentalerde. 
Auch  abgelegen  von  Waszer  Ströhmen,  Nirgends  zu  bequem  alsz  zu 
bösem  leichtem  Torffe,  d.  p.  m. 

Die  übrigen  Moszbrücher  werden  in  der  Insterburgschen  Lateini- 
schen relation  gedacht,  ausbenommen  ezliche  wenige  kleine  Moszbrächern, 
die  als  von  geringer,  importantz  anzuzeichnen  vnwürdig  sindt,  d.  p.  m. 

Die  Brucher  oder  Heyden,  so  von  lauter  Mosz  undt  in  Waszer 
bestehen  sindt:  (ut  adsidua  foetidaque  aquarum  putredine  labefacta) 
nirgends  zu  bequem,  dann  nur  leichter  Torff  daraus  zu  stechen.  Oder 
da  dieselbe  bei  Strömen  liegen,  können  sie  mit  geringen  Kosten,  durch 
Schleusen  vndt  Canalen  mit  eingelassenem  Wasser  besezet  vndt  zu 
fischereyen  gebraucht  werden,  d.  p.  m. 

Die  Brücher,  die  in  leichtem  sumpfichtem  gründe  bestehen,  vndt 
zum  Torff  dienlich  sindt,  können  mit  geringen  vnkosten  zu  Acker,  vndt 
so  folgig  zum  Wach8zthumb  der  Sommerfrüchte  bequem  gemacht  werden. 

NB.   Ich  hab   an  vnterschiedlichen  ortten  in   den  Ämbtern  des 


20  Colonirotorisehefl  ans  Oftpreuaen 

Herzogthumbs  Preuszen,  See  oder  still  stehende  Waszer  gesehen,  die 
natura  sua  vndt  durch  häufigen  Vogelzug,  so  sich  allda  befindet,  be- 
quem sindt,  vmb  Vogel  Heerde,  quae  latine  aucupia  enecupantur,  allda 
anzulegen,  darin  man  viel  tausend  Enttvogels,  ohn  schaden  der  Ghurf. 
Jacht  vndt  Vogelfangs  auf  die  Holländische  Art  können  gefangen  wer- 
den. Solches  hat  vor  diesem  Hertzog  Henricus  Julius  von  Brunschwieg, 
hochlöblicher  Oedächtnäs,  durch  einige  holländische  pauren,  die  mir 
wol  bekannt,  in  vnterschiedlichen  ortten  seiner  lande  anstellen  laszen 
vndt  noch  heutigen  Tags  ist  daszelbe  bey  Eönigl.  Majest.  in  Denne- 
marck,  Wie  auch  bei  dem  regierenden  Hertzog  von  Holstein  zu  werck 
gestellet,  welches  eine  Subtile  invention,  nützliche  und  ergötzende  Jacht 
ist,  Wodurch  die  Vnterthanen  im  Prisen  viel  können  bedienet  werden. 
Diese  artt  Heerde  zu  machen  und  Kunst,  die  Vogels  haufensweise  zu 
fangen,  kann  durch  eine  perszohn  mit  einem  jungen  verrichtet  und 
volnzogen,  deszen  die  preuszische  pauern  von  den  holländischen  in  Eurtzer 
Zeit  vnterrichtet  werden.    Dienet  mit  als  considerabel  p.  m. 

Hab  ich  gefunden  in  specie  von  Weiszer  und  Bohter  Lehm  Erden, 
instar  terrae  sigülatae,  bequem  umb  Seeburgsche  Töpffe  und  Erdene 
Eruser  auf  die  Seeburgsche  und  Eöllnische  artt  daraus  zu  machen, 
auch  bequem,  Italienisch  Erd  Tischgeschirr  gleich  dem  Liwornischen 
weiszen  oder  blauen  percelin  darvon  zu  machen,  daran  gut  Vortheile 
vndt  profit  henget,  Womit  ein  handel  durch  die  Eönigsbergsche  parti- 
cipanten  könte  getrieben  werden,  gereichende  zum  beneficio  der  Ghurpr. 
Dominien,  zum  Besten  und  dienst  der  Lande  vndt  Leute,  d.  mit  p.  m. 

Ich  habe  auch  ein  ander  ortt  von  Lehmgrundt  gefunden,  um  davon 
pfeiler  auf  die  Marmorartt  zu  machen,  so  dienstlich  sind  zum  Ornamenten 
der  Schornsteine,  auch  zu  portalen  in  frontispiciis  architecturarum,  in 
Kirchenbau,  Palatyshäusern,  statuen  vndt  anderswasz  zumachen,  die 
auf  die  Italianische  artt,  hart  gebrandt,  gepoliret  und  durch  kunstreiche 
Arbeiter  bereitet  werden,  daszelbe  in  Hollandt,  vndt  in  specie  zu  Amster- 
dam, auch  ins  Ghraffen  Hagen  (residentz  Platen  des  Printzen  von  oranien, 
zusambt  den  Herren  Staden)  viel  gebraucht  wirdt,  d.  m.  als  anmerk.  p.  m. 

Ich  hab  an  vnterschiedlichen  ortten  treuge,  leichte  vndt  fette  Mor- 
grundt  gesehen  vndt  vntersucht,  womit  vnterschiedliche  Chr.  pr.  Vnter- 


von  Dr.  Max  Beheim-Bchwanbach.  \\ 

thanen,  so  wenig  holtz  haben,  sonderlich  so  in  Prise  fär  ihren  hausz- 
haltung  zu  zurichten,  alsz  die  Stuben  warm  zu  mach,  können  bedienet 
werden,  auch  solte  der  GhurfursÜ.  Begierung  daszelbe  zu  gutte  kommen, 
umb  auf  die  holländische  Weise  aufs  Torff  stechen,  einen  Ghurf.  Grundt- 
zinsz,  den  die  nutzem  deszen  ertragen,  zulegen,  d.  b.  p.  m. 

Hab  auch  so  in  den  Ämbtern  Mtimmel  vndt  Bagnitt,  alsz  anders- 
wo im  Herzogthumb  Preuszen,  viel  Sandige  Berge,  inHollandt  Duynen 
genant,  gesehen,  die  nicht  allein  natura  loci  steriles  sindt,  sondern  auch 
die  nähest  vmbliegende  gutte  fruchtbare  Lande,  durch  den  vbersteben- 
den  Sandt,  verderben.  Dagegen  ein  gutt  mittel  ist,  dasz  man  aut  die 
holländische  Manio^die  Sandige  Berge  mit  gewiszem  Kraut,  in  Hollandt 
Helm  genant,  bepnmtzet,  dadurch  das  Verwehen  des  Sandes  benommen 
wirdt,  d.  m.  als  Anmerk.  p.  m. 

Dasz  solches  geschehen  kan  vndt  wahrha^ig  ist,  ist  merklich  zu 
sehen  an  den  holländischen  Seekusten,  welche  mit  einander  von  Duynen, 
hohen  vndt  niedrigen  Sandtbergen,  bestehen,  vndt  mit  vorbeschriebenem 
Kraut,  Helm  genant,  bepflanzet  werden.  So  dienlich  ist  zu  erhaltung  der 
vorgedachten  Sandtberge,  deswegen,  damit  dieselben  nicht  verwehen  vndt 
vernutzet  werden,  So  folgig  Hollandt  mit  dem  Seewaszer,  durch  groszen 
Windt  vndt  Vngewitter,  bedeckt,  vndt  in  Waszer  gesetzt  werden  möchte. 

Diesz  ist  das  Jenige,  Wasz  durch  mich  Vntenbeschriebenen  per- 
lustrando,  mandato  Hlustr.  EicelL  Yrarum.  in  Electorali  Borussia,  ge- 
merckt,  vndt  als  denkwürdig  aufgezeichnet  worden.  Worinnen  sonst 
weiter  ad  emolumentum  sermi  Elect.  dienen  kan,  sollen  dieselben  mich 
allezeit  vmb  dasselbe  nach  vermögen,  effectuirlich  zu  verrichten  treu 
vndt  aufrichtig  befinden  Meinem  gebietenden  Herrn 

zu  vnterthänigen,  Willigen 
4vdt  treuen  Diensten  bereitwilliger 

Cornelius  Vynck. 

Stellen  wir  die  definitiven  Angaben  der  wüsten  Hüben  und  Bräche 
im  Auszug  noch  einmal  zusammen,  so  ergiebt  sich  folgendes  Bild.  Er 
hat  in  den  Niederungen,  auf  den  Höhen,  in  den  Haiden  und  in  den  Moos- 
brachen  folgende  Wüsteneien  vorgefunden,  die  mit  Colonisten  besetzt 
zu  werden  verdienten: 


12  ColoniMtoriflcheg  ans  Ostprenssen 

1.  Im  Amt  Schacken 100  Hufen, 

2.  —   —   Labiau 20     — 

3. Tilsit 91     — 

4t.   —   —   Bagnit 60     — 

5.  —    —   Memel: 

a)  im  Kammeramt  Rusz 200     — 

b)  an  anderen  Stellen 500     — 

6.  Im  gross.  Amt  Insterburg  sind  viele  Berge 
und  hohe  Ebenen  zu  besetzen, 

7.  Im  Amt  Petrisie 100     — 

8.  —   —  Mathesische 200     — 

4.  Der  Brand  (AmtPetris.)  etliche  Hundert  in 

districtu  Mollische  3  deutsche  Meilen, 

10.  Im  Amt  Tilsit  grosse  Mosbrüche, 

11.  —   — -   Bagnit: 

a)  Eotsche  Balie 300  — 

b)  Einige  Meilen  davon 300  — 

c)  Noch  einige  kleinere  Mosbrüche, 

12.  Im  Amt  Memel 100  — 

13.  In  der  Jakischkischen  Haide 600  — 

14.  Eindtsche  Haide 200  — 

15.  Stamkische  Haide 200  — 

16.  Im  Qross-Amt  Insterburg, 

Schulzenamt  Eatenau 100     — 

ausserdem  sehr  viele  andere  grosse  Bruche. 

Das  ergiebt  als  Minimum  eine  Anzahl  von  3071  wüsten  Hufen; 
um  vieles  beträchtlicher  würde  sich  die  Zahl  gestalten,  wenn  alle  jene 
Brüche  hinzuaddirt  werden  könnten,  die  hier  einfach  als  »gross*  auf- 
geführt sind  und  von  denen  er  sagt,  dass  sie  sich  Meilen  lang  erstrecken ! 

Dem  Churförsten  klang  diese  Sprache  mit  den  vielverheissenden 
Aussichten  sehr  verlockend;  er  zögerte  auch  keinen  Augenblick,  ernannte 
Vynck  zu  seinem  Agenten  und  stattete  ihn  sofort  mit  einem  Patent 
aus,  das  den  Zweck  einer  Legitimation  haben  sollte.  Denn  Vynck 
wollte  jetzt,  nach  Genehmigung  des  Ghurfursten,  ohne  Zaudern  auf  die 


von  Dr.  Max  Beheim-Sehwanbach.  J3 

Heise  gehen,  die  Colonisten  zu  suchen  und  herbeizuschaffen;  es  war 
nöthig,  dass  er  sich  diesenr  gegenüber  mit  Vollmachten  ausweisen  konnte. 

In  diesem  Patent9)  fasste  Georg  Wilhelm  zunächst  noch  ein  Mal 
alle  die  Gründe  zusammen,  die  es  wfinschenswerth  erscheinen  Hessen, 
mit  grösseren  Golonisirungen  vorzugehen: 

«Nachdem  in  Unserem  Herzogthumb  Prenszen  sich  viel  örter  be- 
finden, welche  bisher  theils  garnicht  urbar  gemacht  und  unfruchtbar 
liegen  blieben,  dasz  darausz  kein  "Nutzbarkeit  gehoben,  theils  durch 
Kriegsruin,  Pestilentz  und  andere  Ungelegenheiten  gantz  wüste  und  Öde 
verlassen  und  noch  nicht  besetzet  werden  konnten,  derowegen  nicht 
unbillig  darauf  zu  denken,  wie  solches  Landt  so  cultiviret  und  wieder- 
umb  mit  besetzten  bauern  in  aufihahme  gebracht,  dasz  darausz  nutz 
und  frommen  geschafft  undt  die  Intrados  verbessert  und  vermehret 
werden  mögen  und  weilebey  dasz  der  Hochgelarte  beider  Rechten 
Doctor  Cornelius  Yynck  diese  loca  steiflia  und  desolata  zu  unter- 
suchen und  fremde  colonias  herein  in  Unser  Herzogthumb  Prenszen  zu 
führen,  welche  besagte  örter  durch  fleiszige  Arbeit  undt  dienliche  Mittel 
fruchtbar  zu  machen  und  die  wüsten  hüben  auf  Ihre  eigenen  Vnkosten 
besetzen  möchten  (vnd  auch  einige  Umsuchung  gethan).  Als  haben 
wir  fl.  D.  Gor.  Yynck  die  gebotene  perlustration  und  Untersuchung  zu 
seinem  Intent  bequemes  Landes  in  Uns.  Herzogthumb  Prenszen  allhie 
nicht  allein  gnedigst  bewilligt,  sondern  demselben  auch  hierzu  vor 
unsern  Agenten  von  hausz  ausz  verordnen  wollen,  dasz  er  mit  Zuziehung 
Unsrer  Beambten  und  Wildniszbereitern  dienliche  Örter  in  Augenschein 
nehme  und  exploriren  möge/  . . .  darauf  wird  aufgezählt,  was  alles  der 
Doctor  bisher  untersucht,  wie  er  es  gefunden  habe  und  was  er  für  die 
Zukunft  durch  seine  Colonisten  daraus  zu  machen  gedachte.  «Weil 
dann  mehr  besagter  Agent,  geht  der  vorsichtige  Wortlaut  weiter,  das 
vnterthänigste  Anerbieten  auf  seinen  eigenen  Impens  und  Unkostep 
(dieser  Passus  wird  häufig  hervorgehoben!)  ohne  Ynsere  Zuthuung  oder 
dasz  Ynser  Agent  Gel  dt  auf  Ynseren  Namen  oder  andere  Mittel  Vnsret- 
wegen  zu  gebrauchen  befugt  sein  soll,  ausz  Holland,  Frieszland,  West* 


•)  Vom  21.  Sepibr,  1638, 


14  Colonifatorisches  ans  Ottpreufaen 

falen  und  andere  lande  tüchtige  Leute  zu  Anrichtung  und  Betreibung 
abgesetzter  stücken  in  Ynseren  Herzogthumb  Preuszen,  einzuführen,  So 
haben  wir  mit  diesem  Unserem  öffentlichen  Patent  und  Bewilligung  Ihn 
hiermit  gnedigst  versehen  wollen,  auch  den  neuen  colonien  und  Leute, 
10  Er  hereinbringen  wirdt,  gewisse  conditiones,  Wasz  wir  von  Ihnen  zu 
erwarten  und  sie  zu  thun  verpflichtet,  worauf  sie  sich  herein  begeben 
und  Wasz  sie  zu  genieszen  haben  sollen,  Unter  Vnserm  eigenen  handt 
und  Churf.  Innsiegel  In  Gnaden  ertheilen  wollen  .  .  .  .* 

Auch  diese  conditiones  wurden  Vynck  gleich  mitgegeben,  damit 
er  dieselben  den  Anzuwerbenden  gleich  zeige.  Diese  Conditiones  sind 
im  Allgemeinen  liberal  gehalten,  nur  in  einer  wichtigen  Frage  ist  der 
ursprüngliche  Entwurf  dieser  Bedingungen  vom  Churffirsten  nicht  un- 
wesentlich abgeändert  und  eingeengt  worden.  Im  Entwurf  wurde  näm- 
lich, wie  in  jenem  oben  erwähnten  Vorschlag  Seitens  des  Tilsiter  Amts 
unbedingte  Religionsfreiheit  empfohlen;  die  Einschränkung  durch  Georg 
Wilhelms  wohl  eigenhändige  Marginalbemerkung  sei  als  Note  unter  den 
Text  erwähnt 

Hier  die  „Conditiones*  mit  ihren  fünfzehn  Punkten.  Conditiones: 
mit  welchen  der  durchlauchtigste  Hoch  geb.  Fürst  und  Herr,  Herr  Georg 
Wilhelm  Marggraf  zu  Brandenburg  etc.  Alle  und  jede  Holländer, 
auch  andere  Ackersleute,  welche  sich  des  Ackerbaues  halber  in  das 
ChurfDratL  Theil  Preuszen  begeben  werden,  begaben  will. 

Erstlich  alle  und  jede  Holländer  und  andere  Ackersleute,  welche 
sich  in  das  ChurfBrstL  Theil  Preuszen  begeben  werden,  sollen  ")  ohne 
Inquisition  und  ohne  einige  Beunruhigung  des  eiercitii  Ihrer  Religion 
zu  genieszen  haben,  wenn  nur  in  ihren  Häusern,  ohne  einige  ärgernis, 
dieselbe  verbleibt 

Vors  andere  sollen  gedachte  Ackersleute,  nach  Berechnung  eines 
gewissen,  viel  Jahre  inhaltenden  Termins  Jahr  Jährliches  eine  gewisse 
flummam  Geldes  zur  Ermiethung  der  Hüben  auszahlen  und  soll  ein 


**)  Die  Margmalbemerkong  kniet:  »sollen  diejenigen,  welche  roter  der  Evan- 
gelischen religion  begriffen,  ungescheut  verbleiben,  die  sectariy  aber,  welche  in  den 
▼ier  ersten  Genertl-Coneflüs  und  in  der  Augsburguchen  Confesnon  verworfen  and 
nicht  geduldet  werden,  sollen  hiervon  aufgeschlossen  »ein. 


tob  Dr.  Max  Behetm-Sehvanbach.  15 

jedweder  seines  Interesse  oder  Parts  halber  verobligiret  sein;  da  denn 
auch  eines  jedweden  Landes  oder  orts  frucht  oder  Verfruchtbarkeit  in 
Acht  genommen  und  also  nach  Gültigkeit  und  wehrt  der  Acker  eine 
rechtmäszige  wardirung  der  Miethsgelder  halben  gesetzet  werden  soll. 
Drittens.  Nachdem  der  erste  terminus  der  Yermiethungsjahr  ver- 
flossen, soll  der  ander  termin  auf  dergleichen  Jahre  und  fernere  Ver- 
handlungen continuiret  oder  gehalten  werden:  die  benannten  Ackers- 
leute aber  sollen  ein  gewisz  Auskaufgeld  S.  Ghurf.  Gn.  als  ein  hono- 
rarum  an  barem  Gelde  einzuliefern  schuldig  sein,  welches  dann  nach 
Untersuchung  der  Ackerwürdigkeit  undt  Fruchtbarkeit  des  Landes  fug- 
licher geschehen  wirdt. 

4.  Diejenigen,  welche  wüste  Äcker  orbar  machen  sollen  oder  wer- 
den, denen  wird  S.  Churf.  Gn.  gewisse  Jahr  zinsfrei  geben,  hernacher 
aber  sollen  sie  vor  solche  Länder,  wie  recht  undt  billig,  ablegen. 

5.  wirdt  S.  Churf.  Gn.  auch  überdasz  gedachten  Ackerleuten,  mit 
notwendiger  Holzung,  zu  Verfertigung  ihrer  Gebäude,  darin  die  Landes- 
früchte behalten  bleiben  sollen,  dann  auch  ihrer  Stuben  und  Häuser 
erbauung,  auch  anderer  nothdurft  willfahren;  Welches  Holz  dann  in 
Sr.  Churf.  Gn.  angrentzenden  Wäldern,  deren  Sie  ohne  ihre  Unkosten 
zu  genieszen  haben  mögen,  ihnen  angewiesen  werden  soll ") 

6.  Sollen  sie  von  allen  Amtspflichten,  sonst  Scharwerken  genannt, 
wie  auch  von  allen  anderm  Personal  und  real  Dienstbarkeiten  frey  und 
ausgeschlossen  sein,  ausgenommen  Wenn  Contributiones  in  allgemeinen 
Landtagen  beliebet  werden.    (Marginalveränderungen). 

7.  Sollen  sie  auch,  vermöge  des  Churf.  Antheils  Preussen  Statuten 
vollkommen  macht  haben,  über  ihre  Gfltter,  vermittelst  testamenten, 
Legaten,  Codicillen,  Donation  unter  Lebendiger  oder  Todeshalber,  alsz 
ihre  Köllmische  Gfltter  zu  disponiren,  dergestalt,  dasz  die  Götter  eines 
verstorbenen  Unterthanen  oder  Ackermanns  (dafern  kein  Erbe  auszer 
testaments  vorhanden  were)  dem  Fisco  nicht  unterworfen  sein  und  hin- 
gegen der  verstorbenen  Gütter  an  ihre  Erben  ohne  testament,  es  sei 
in  aufsteigender,  niedersteigender  oder  seit  linien,  gelangen  sollen. 

")  Marginalbemerkong:  »Mit  dem  Brennholts  aber  soll  es  vermöge  abgetauter 
Bottaordnuug  gehalten  werden.4 


16  ColoniMftorisehet  ans  OstprenMen 

8.  Mehr  gemelte  Ackersleute  sollen  befugt  sein,  ihre  Gütter  oder 
fruchte,  so  sie  auf  ihrem  Lande  oder  Acker  erbauet,  zu  verkaufen  und 
abzuführen,  in  welcherlei  Stadt  oder  Dorf  es  ihnen  gefallen  oder  ge- 
lieben wirdt. 

9.  Es  sollen  obengedachte  Pauern  sich  ausz  diesem  Herzogthumb 
Preuszen  allemahl,  so  offt  es  Ihnen  gefellig,  wan  Sie  Ihrer  Churf.  Gn. 
den  gebürlichen  Zins  etc.  gezahlet  und  entrichtet,  weg  zu  begeben 
frey  haben. 

10.  Es  wirdt  Ihnen  auch  den  Pauern  hiermit  zugesagt,  dasz  Sie 
in  dem  Durch-  und  Ausziehen  ausz  diesem  Herzogthumb  Preuszen  an 
allen  Päszen  und  Zöllen  ungehindertt  und  zollfrey  mit  Ihrem  bei  sich 
habenden  Gesinde  und  mobilien  durchgelaszen  werden,  auszbenommen 
die  Eauffmannszwaaren  und  alle  anderen  Sachen  so  verzollet  werden, 
welche  hierunter  nicht  sollen  verstanden  undt,  eximiret  und  gleich  an- 
derer Leuten  waare  verzollet  werden. 

11.  Und  damit  Sie,  die  Pauern  in  ihrer  Wirtschaft  und  Nuzbar- 
keit  nicht  gehindert  werden  möchten:  So  wollen  Ihr.  Churf.  Gnaden 
Ihnen  ausz  gnade  hiermit  nachgegeben  und  zugelassen  haben,  dasz  sie 
unter  sich  in  Grabung,  und  Haltung  der  Graben,  Schleusen  und  Dämme 
auch  Wassermühlen  gutte  ordinantz  zu  machen  frei  haben  sollen,  gleich 
wie  allhier  in  der  Marienwerderschen  Niederung  gehalten  wirdt  damit 
also  die  Früchte  der  Erde  könnten  vor  gefahr  gesichert  werden:  Soll 
demnach  umb  desto  viel  mehr  alle  die  wiederspenstigen  und  Ungehor- 
samen mit  einer  gewissen  Straffe  zu  belegen  und  wieder  Sie  wurklich 
zu  exequiren  Ihnen  frey  stehen. 

12.  Es  soll  auch  oft  gedachten  Pauern  in  allen  Sachen  tarn  civili- 
bus  quam  criminalibus  allemahl  das  Recht  vermöge  dem  Pr.  Landt 
Bechtt,  welchem  Sie  sich  zu  submittiren,  ungesäumt  und  unverzüglich 
gepflogen  werden. 

13*  Dann  sollen  sie  auch  die  sämmtlichen,  so  wohl  Holländische 
Elammische  als  Hoch-  undt  Niederdeutsche  Pauern  den  anderen  ein- 
heimischen undt  in  diesem  Herzogthumb  Preuszen  geborenen  Pauern 
in  allen  beneficieü  gleichgehalten  werden,  doch  so  viel  das  Landt 
Bechtt  zulasset. 


von  Dr.  Max  Beheim- Schwarzbach.  27 

14.  Endlich,  obgleich  die  Hochdeutschen  Pauern  gewohnet  sindt, 
Scharwerk  und  Dienste  zu  thun:  So  wollen  doch  Ihre  Churf.  Gn.  in 
hoc  casu  den  Hochdeutschen  gnedigst  vergönnen,  dasz  Sie  kein  Schar- 
werk thun  sollen  und  nur  zur  recognition  desto  höheren  Zinsz  von  den 
arrendirten  Hüben  zu  geben  sollen  schuldig  sein. 

lö.  Diese  Conditiones,  welche  gedachten  Ackersleuten  aus  sonder- 
lichen Gnaden  verstattet  worden,  sol  (dafern  hierin  etwas  ausgelaszen 
wer)  S.  Churf.  Gn.  nach  erheischung  der  noht,  und  auff  künftige  be- 
gebende fälle,  oder  nach  Gelegenheit  der  perszonen,  zu  vermehren  und 
zu  auffnemen  des  gemeinen  bestens  zu  corrigiren,  auch  hinfüro  zu  er- 
weitern, frey  stehen. 

Zu  mehrerer  Uhrkundt  sindt  diese  Conditiones  etc.  von  S.  Churf. 
O.  eigenhändig  unterschrieben  unndt  mit  dem  herzogl.  Siegel 

23.  Septbr.  1638.  Sermus  Elector  subscr. 

II.  Ansiedelung8fbrmen  nach  der  Pest  auf  Grund  der  Patente  von 

1710-1740. 

Der  Hauptgrund,  warum  grossartige  Versuche  der  ersten  Könige 
Preussens,  Friedrichs  I.  und  namentlich  Friedrich  Wilhelms  I.  gemacht 
wurden,  starke  Colonisationen  nach  Ostpreussen  hinzulenken,  war  be- 
kanntlich die  durch  die  fürchterliche  „Contagion*  des  Jahres  1709  ent- 
standene „Evacuirung*  des  Landes;  es  waren  durch  die  Pest  grässliche 
Lücken  in  der  Bevölkerung  gerissen.  ") 

„Die  verschiedenen  örther  im  Königreiche,  klagt  ein  Anonymus, 
welche  sonsten  ein  Ueberflusz  an  Menschen  gehabt,  sind  davon  so  sehr 
entblösst  worden,  dasz  die  schönsten  und  fruchtbarsten  Ländereien  aus 
Mangel  der  nöthigen  Kultur  zur  Einöde  und  Wüste  geworden.* 

Friedrich  I.  liess  noch  in  dem  Jahre  der  Pest  ernsthaft  untersuchen, 
was  geschehen  müsste,  um  hier  energisch  zu  helfen  (so  d.  31.  Juli  1709). 
Aber  die  Kammern  wussten  nicht  viel  zu  rathen;  was  sie  riethen,  war 
an  und  für  sich  gut,  aber  schwer  durchführbar  und  nicht  von  radikaler 


lf)  Vgl.  u.  a.  den  interessanten  Aufsatz  von  Schmoller   »die  Verwaltung  Ost- 
preuss.  unt.  Fried.  Wilh.  I «    Histor.  Zeitschr.  v.  Sybel  XXX,  S.  40—72. 

AJtpr.  Mon»U»«hrlft  Bd.  XIV.  Hft,  1  o.  2.  2 


Ig  Colonisatoritches  aus  Ostpreassen 

Wirkung.  Hauptsächlich  wurden  grössere  Colonisationen  vorgeschlagen, 
(29.  August  1709).  Das  war  auch  die  Ansicht  jenes  Anonymus,  der 
ein  grösseres  Schriftstück  aufsetzte,  um  Mittel  anzugeben,  wie  der  zu- 
nehmenden Entvölkerung  am  Besten  Einhalt  gethan  werden  könnte;1*) 
nur  war  er  anderer  Meinung  über  die  Art  und  die  Bedingungen  der 
Etablirung,  die  „  Conditiones  mussten  noch  favorabler  gemacht  und  durch 
Patente  überall,  besonders  bei  den  Armeen  publicirt  werden,  da  dann 
bei  erfolgtem  Frieden  und  Reduktion  der  Miliz  sich  nicht  wenige  finden 
dürften,  welche  dergleichen  propositiones  goutiren  und  etwas  hauptsäch- 
liches bei  Besetzung  der  wüsten  Hüben  entrepreniren  würden.8  ")  Es 
wurden  die  verschiedenen  Räthe  zur  Begutachtung  dieser  Pläne  ange- 
gangen; ")  sie  waren  natürlich  getheilter  Ansicht.  Warm  tritt  Dohna 
hiefür  ein;  auch  er  ist  für  grössere  Colonisationen,  aber  im  anderen 
Style  als  bisher,  auch  seine  Meinung  ist  „ein  Potentat  wird  nicht  durch 
die  grosse  &endue  der  Länder,  sondern  durch  die  Menge  der  Unter- 
thanen  gross  und  mächtig, tf  die  nächste  und  wohlfeilste  Hülfe  schiene 
natürlich  aus  den  eigenen  Ländern  und  Provinzen  herzukommen,  da- 
durch würde  aber  die  Anzahl  der  königlichen  Unterthanen  nicht  ver- 
mehrt, sondern  es  finde  nur  eine  Versetzung  der  alten  Statt,  also  — 
colonisiren;  er  lobt  die  Schweizer,  in  gleicher  Weise  muss  fortgefahren 
werden;  ,so  lange  man  gute  arbeitsame  Bauersleute  aus  fremden  Oertern 
bekommen  kann,  thut  man  gut,  selbe  nach  Preussen  zu  schicken;*  vor 
Allem  räth  er  „die  Leute  aus  der  Kastellanei  von  Beyssell  nicht. zu 
negligiren,  maszen  diese  Leute  nicht  aus  Uebermuth,  sondern  aus  Noth 
ihre  sonsten  zureichenden  Güter  anhero  zu  bringen  wünschen  und  also 
bei  ihnen  keine  Leichtsinnigkeit,  sondern  beständige  Etablissements  zu 
vermuthen.* 

Wie  weit  die  Ansichten  des  Anonymus,  der  Bäthe,  speciell  Dohnas, 


n)  Unvorgreifliche  Gedanken  wegen  repeuplirung  derer  durch  die  Contagion 
desolirten  Orther  im  Königreich  Prenssen.  Unterschrieben  salvo  meliori.  (ohne  Datum, 
aber  wohl  1712  oder  1713). 

14)  »Viel  von  die  Armee  lassen  sich  wohl  an  and  werden,  obs  Gott  will,  das 
ihrige  prestiren*  (Dohna). 

»)  den  17.  Febr.  1713. 


von  Dr.  Max  Beheim-ßchwarsbach.  29 

die  Entscheidung  des  Königs  beeinflusst,  sei  dahingestellt,  doch  kommen 
von  nun  an  die  Kolonistenpatente  in  schneller  Aufeinanderfolge  vor. 
Wenn  bis  zu  jener  Zeit  nur  vereinzelte  Edicte  an  Fremde  ergangen 
waren,  sich  in  Ostpreussen  niederzulassen,  so  erscheinen  jetzt  solche 
fast  in  jedem  Jahre,  oft  mehrere.  Das  Schlimme  war  nur,  zu  um- 
fassenden Colonisationen  waren  höchst  unzulängliche  Mittel  vorhanden ;  wie 
Dohna  sagt,  waren  „bei  damaliger  grosser  depense  zu  dem  Kriege  und 
übrigen  splendeur  bei  Hofe  keine  grossen  Geldsummen  zu  dem  Etablisse- 
ment, ohne  Confusion  in  die  Kassen  zu  bringen,  zu  erwarten.*  Aber 
an  Versuchen  zu  grösseren,  möglichst  billigen  Colonisationen  wurde 
rüstig  Hand  angelegt,  zunächst  also  in  einladenden  Patenten.  Diese 
Patente  und  Edicte  sind  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Colonisation 
Ostpreussens;  sie  haben  nicht  nur  Leute  aus  allen  möglichen  Landen 
herbeigezogen,  sondern  sie  ermöglichen  auch  eindringende  Blicke  in  den 
Zustand  des  Landes,  in  die  Arten  und  Formen  der  Ansiedelungen,  das 
Wesen  der  Colonisten,  die  Intention  der  Monarchen  und  zum  Theil 
auch  die  Folgen  der  Colonisationen.  Es  sei  gestattet,  das  Zusammen- 
gehörige und  Wichtigste  aus  diesen  einzelnen  Patenten,  so  weit  solche 
erreichbar  waren,  heraus-  und  nebeneinander  zu  stellen.  Es  sind  27 
resp.  17  unten  nummerirte  und  mit  Titeln  angegebene  Patente  ,8)  heran- 
gezogen, wobei  zu  bemerken,  dass  die  auf  die  Salzburger  Colonialver- 
hältnisse  bezüglichen  Patente  absichtlich  ausser  Acht  gelassen  sind, 
weil  diese  Colonie  in  vielen  Beziehungen  eine  Separatstellung  einnimmt. 


")  Folgende  Patente  sind  für  diese  Zusammenstellung  herangezogen  worden: 

1)  16.  April  1711.  Conditiones,  worauf  die  wüsten  Erbe  eingeräumt  werden  sollen. 

2)  24.0ktob.  1711.  Conditiones  für  Ackerleute,  Knechte,  Mägde,  Handwerker  etc. 

3)  8.  Not.  1712.  Conditiones  für  Beamte,  Arrendatoren,  Müller  etc. 

4)  31.  März  1713.  Warnung,  die  Colonisten  nicht  zu  beunruhigen. 
6)    6.  Aprü  1713.  Ermahnung  an  die  Colonisten. 

lö.Septb.  1713.  Verordnung,   dass  die  aus  dem  Culmschen  und  die  Mennoniten 

frei  Ton  aller  Werbung  etc.  sein  sollen. 
6)  17.  Okt.  1713.  Die  Ordre  vom  16.  Septbr.  gedruckt. 
(ll.Septbr.  1714.  Eigenhändige  Verfügung  K.  Wilh.  über  Ansetzung  von  Colonisten 

in  Lithauen). 
(15.  März  1718.  Edict  über  Vergünstigungen    der  von  ihren  Renten  lebenden  in 

den  Städten  sich  niederlassenden  Colonisten). 

2* 


I 


20  ColonisatoriBch.es  aus  Ostpreussen. 

Es  ist  zunächst  fast  in  allen  Patenten  eine  gewisse  Gleichförmig- 
keit nicht  zu  verkennen;  zuerst  wird  kurz  der  Grund  erwähnt,  wes- 
halb und  wo  colonisirt  werden  soll;  darauf  werden  die  Adressen  ange- 
geben, welche  Klassen  von  Leuten  hauptsächlich  gewünscht  werden, 
schliesslich  folgen  die  „Conditiones."  Dabei  herrscht  jedoch,  je  nach 
dem  augenblicklichen  Dafürhalten  des  Monarchen  und  der  Käthe  Mannig- 


7)  21.  Nov.  1718.  Patent  vor  die  Neu  Anziehende,  welche  sich  im  Königreich  Preussen 

näus8lich  niederlassen  wollen.  (Von  nun  an  haben  die  Patente  meist  Titel.) 
(10.  Juli  1719.  Aufhebung  der  Leibeigenschaft  in  Preussen). 
(23.  Nov.  1719.  Schlesische  Emigranten  (Seidenwirker)  werden  nach  Pr.  eingeladen). 
(lO.Dec.  1720.  Edict  wider  die  Zigeuner). 

8)  5.  Febr.  1721.  Patent  vor  die  Neu  Anziehende,  welche  sich  im  Königr.  Preussen 

in  denen  Littauischen  Aemtern  niederlassen  wollen. 

9)  6.  März  1721.  Wiederholtes  Patent,  dass  S.  K.  Maj.  den  Zustand  dero  Preußi- 

schen Immediat  Unterthann  auf  alle  Weise  zu  verbessern  und  dieselbe  zu 
conserviren  sich  allergn.  angelegen  seyn  lassen. 
(21.  April.  Aufforderung  an  die  Mennoniten  nach  Pr.  zu  kommen). 

10)  30.  Decemb.  1721,  Patent  worin  S.  K.  M.  Allergn,  bekannt  machen,  Was  Sie  so- 

wohl dero  Unterthanen,  so  bereits  im  Königr.  Pr.  etablirt  seyn,  als  denen, 
So  sich  daselbst  annoch  zu  etabliren  Willens  seyn,  vor  Gnade  angedeihen 
lassen  wollen. 

11)  6.  April  1722.  Patent  betreffend  die  Immunitäten  und  Freiheiten,   So  S.  E.  M. 

denenjenigen,  welche  sich  in  den  Preussischen  Städten  StaUupönen,  Tapiau, 
Ragnitt,  Biala  und  Nicolayken  possessionirt  machen  wollen,  zu  aecordiren 
allergnäd.  gemeinet  sind. 

12)  14.  April  1722.  Edict  wegen  Wiederbesetzung  der  wüsten  Köllmischen  Hüben  im 

Königr.  Preussen. 

13)  10.  April  1723.  Edict,  dass  Niemand  mit  Gewalt  nach  Pr.  zu  gehen  angehalten 

werden  soll,   und  was  diejenigen,  So  freywillig  dahin  ziehen  wollen,  Vor 
Beneficia  zu  gemessen  haben. 
(10.  Aug.  1723.  Gegen  Juden  und  andere  böse  Leute). 

14)  2.  Febr.  1724«  Wiederholtes  Patent,  dass  noch  mehrere  Handwerker  von  aller- 

hand Possessionen,  wie  auch  400  Familien  arbeitsamer  Leute  So  des  Acker- 
baues und  der  Viehzucht  kundig,  nach  Pr.  verlanget  werden  und  was  sie 
vor  douceurs  gemessen  sollen. 
(2.  März  1724.  keine  Polen  in  Lithauen  ansetzen). 
(24.  März  1724.  keine  Szamaiten,  Judden  oder  Polen  als  Colonisten  ansetzen). 

15)  26.  Juni  1726.  Patent»  dass  S.  K.  M.  denen  in  Lithauen  angesetzten  Colonisten 

und  Bauern  die  Höfe  und  Wohnungen  sammt  der  Hofwehre  zu  schenken 
allergnäd.  gesonnen  wäre  und  dass  selbige  dannenhero  um  so  viel  mehr 
sich  müS8ten  angelegen  sein  lassen,  ihre  Höfe  in  gutem  Stande  zu  erhalten. 

16)  30.  März  1734.  Patent  wegen  Ansetzung  mehrern  Unterthann,  Hausleute,  Leine- 

weber und  Spinner  in  und  bei  den  Dörfern. 
(1739,  3.  Oktob.  Die  Colonisten  sollen  truppweise  nach  Pr.  ziehen). 


von  Dr.  Max  Beheim- Schwartbach.  21 

faltigkeit  in  den  einzelnen  Theilen,  oft  wird  diese,  oft  jene  Qualität  an 
den  Colonisten  gewünscht,  oft  werden  günstigere,  oft  niedrige  Bedingungen 
gestellt,  einige  Patente  füllen  kaum  eine  halbe  Seite  (Nr.  5,  6,  1),  an- 
dere umfassen  vier  Blatt,  7—8  Seiten  (7,  10,  14).  Nur  geschäfts- 
mässig  klingen  die  ersteren  Patente,  lebhafter  und  entschieden  von 
Friedrich  Wilhelm  I.  selbst  beeinflusst,  wenn  nicht  gar  dictirt,  ist  der 
Wortlaut  nach  den  Reisen  des  Monarchen  in  Lithauen,  wo  er  mit  eigenen 
Augen  das  Elend  hat  schauen  können,  besonders  1718,  vor  Allem  1721. — 
So  lauten  die  Motivirungen  der  Patente  unter  Friedrich  I.  ganz  einfach 
als  Wünsche  „zur  Wiederbesetzung  der  in  einigen  Aemtern  wüst  ge- 
wordene Erbe*  (1),  oder  auch  fast  lockend:  „nachdem  es  Gott  gnädigst 
gefallen  hat,  unser  Königreich  Preuszen,  von  der  Contagion,  welche 
daselbst  insonderheit  verschiedene  gegen  Lithauen  gelegene  Aemter  sehr 
betroffen,  völlig  zu  befreien,  haben  wir  nach  herzlichster  Dankbarkeit 
vor  solcher  Göttlichen  Barmherzigkeit  Unsere  Landesväterliche  Vorsorge 
darauf  gerichtet,  die  durch  die  Pest  wüst  gewordene  örter  mit  Ein- 
wohnern wieder  zu  besetzen.*  (2)  Diese  Wendung  „dass  das  Land 
Preussen  von  der  Contagion  schon  vor  etlichen  Jahren  durch  Gottes 
Gnaden  wieder  befreit  sei, Ä  findet  sich  öfters  vor  (3).  Auch  wird  wohl 
der  Zusatz  gemacht,  dass  immer  „noch  viel  geschickte*  Beamte,  Ver- 
walter und  namentlich  „bemittelte*  Leute,  nöthig  sind. 

Viel  anschaulicher  ist  es  schon,  wenn  Friedrich  Wilhelm  I.  sagt, 
dass  er  bei  seiner  letzten  Anwesenheit  in  Preussen  den  Zustand  des 
dortigen  Landes  in  eigener  Person  untersucht  und  befunden  habe, 
„dass  viele  eingegangene  Höfe  annoch  unbesetzet  und  wüste  liegen,*  (7) 
dass  er  deshalb  resolvirt  habe,  „diese  mit  guten  und  austräglichen 
Ländereien  versehene  unbesetzte  Höfe  hinwiederum  anzubauen.  *  (7)  Er 
drückt  lebhaft  seinen  Wunsch  aus   „die  Conservation  der  Preussischen 


17)  10.  Jan.  1740.  Patent,  dass  allen  Fremden,  so  sich  in  Preussen  ansetzen  and 
unbebaute  Hafen  annehmen  wollen,  2,  3—4  degl.  Hafen  za  freien  Rechten 
and  noch  überdem  mit  6  Freijahren  sollen  verschrieben  werden.  —  Im 
Text  ist  stets  auf  die  vorgesetzten  Nummern  von  1 — 17  Bezug 
genommen;  erwähnt  sei  noch,  dass  mehrere  dieser  nomerirten  Patente  in 
den  »HohenzoU.  Colonisationen*  nicht  enthalten  sind.  Die  namerirten  Pa- 
tente sind  aas  dem  Königsberger  Staatsarchiv. 


22  ColonisAtorfeches  aus  Osipreussen 

Untertbanen  und  Verbesserung  ihres  jetzigen  schlechten  Zustandes  auf 
alle  Weise  zu  befördern,  auch  alles  Mögliche  beizutragen,  damit  das 
von  denünterthanen  jetzt  merklich  entblößte  Land  wiederum 
peuplirt  werden  möchte*  (9).  Und  klingt  es  nicht  fast  wie  ein  jäher 
Schrecken  aus  den  Worten  heraus,  wenn  er  selbst  sagt,  „er  habe  bis- 
her ja  schon  oft  durch  Druck  bekannt  machen  lassen,  dass  er  gern  das 
durch  die  Pest  und  andere  Unglücksfälle  zurückgekommene  Preussen 
wieder  in  Aufnahme  bringen  möchte,  aber  so  schlimm  habe  er  sich  den 
Schaden  doch  nicht  gedacht,  noch  niemals  habe  er  den  eigentlichen 
Zustand  der  Preussischen  Länder  so  genau  als  bei  seine  in  diesem 
Jahre  (1721)  gethanen  letzten  Reise  in  Augenschein  genommen.*  (10) 
Nichts  suche  er  mehr,  sind  seine  eigenen  rührenden  Worte,  nichts 
wünsche  er  mehr,  als  Unsere  Preuss.  Lande  und  Unterthann 
wieder  in  vollkommenen  Flor  zu  sehen.  (10) 

Es  ist  bekannt,  dass  er  nach  jener  Reise  die  grosse  Domäne  n- 
Gommission  einrichtete.  Der  Zweck  dieses  Instituts  war,  „ damit  nicht 
nur  alle  Mängel  und  Lasten,  wodurch  Unsere  Unterthanen  bisher  be- 
drücket worden,  abgestellt,  sondern  auch  gedachte  Unterthanen,  auf 
solchen  Fuss  gesetzt  werden  mögen,  dass  sie  auf  keinerlei  Weise,  weder 
durch  ungebührliche  exeeutiones  von  verschiedenen  Cassen  beschwert, 
noch  durch  Aufbürdung  mehrerer  Lasten,  als  sie  zu  tragen  vermögen, 
ausser  dem  Stand  gesetzt  werden  mögen,  dass  sie  sich  ehrlich  und  wohl 
ernähren  können/  (10.) 

Verschieden  ist  die  Gattung  und  Qualität  der  Gesuchten.  Zunächst 
die  Nationalität.  In  den  ersten  Patenten  werden  vornehmlich  die  ein- 
gebornen  aber  aus  den  Provinzen  „ausgetretenen  Unterthanen  reclamirt, 
vindicirt  und  zurückgerufen*  (1,2)  und  auch  die  Unterthanen,  die  in  an- 
deren Provinzen  leben,  werden  aufgefordert,  nach  Preussen  zu  ziehen 
(2),  so  dass  erst  im  zweiten  Treffen  die  „Frembden  und  Benachbarte* 
kommen,  die  ins  Land  eingeladen  werden,  „so  sie  sich  in  Preussen 
niederzulassen  vorhaben*  (1,2);  eigene  Patente  werden  an  die  Schweizer 
gerichtet,  auch  derer  aus  dem  Bischofthum  Gulm  und  der  Mennoniten 
aus  Graudenz  wird  besonders  gedacht  (S);  im  Allgemeinen  aber  ergeht 
lediglich  an  die  Bewohner  der  „benachbarten  Lande*    überhaupt  der 


von  Dr.  Max  Beheim-Schwaribach.  23 

Einladungsruf  (9);  nur  Polen,  Szamaiten  und  Juden  will  der  König 
durchaus  nicht  ansiedeln  (13a,  14a,  6)  ihnen  traut  der  Monarch  u.  a. 
auch  zu,  dass  sie  als  böse  Leute  die  anderen  Colonisten  wieder  auf- 
wiegeln (13a).  Auch  in  Betreff  der  Religion  hat  Friedrich  Wilhelm, 
von  dem  ja  fast  ausschliesslich  zu  sprechen  ist,  keinerlei  Beschränkung 
auferlegt,  doch  scheint  er  es  als  selbstverständlich  zu  betrachten,  dass 
nur  Lutherische  und  Reformirte  ins  Land  kommen,  ihnen  versichert 
er,  „dass  er  alle  Veranstaltung  getroffen  habe,  dass  sowohl  in  Städten 
als  attffm  Lande  wegen  des  Gottesdienstes  unterschiedene  neue  Evan- 
gelische, Lutherische  und  ßeformirte  Kirchen  angelegt  wurden8  (14). 
Die  Glaubensbedrückungen  in  anderen  Ländern,  die  sehr  gut  für  die 
Colonisirungen  hätten  verwerthet  werden  können,  wie  es  ja  später  auch 
Friedrich  II.  in  sehr  ergiebiger  Weise  that,  hat  Friedrich  Wilhelm  in 
seinen  Patenten  nicht  vorgeschoben,  ausser  bei  der  Salzburger  Colonie. 
Wohl  aber  wird  auf  den  grossen  materiellen  Vortheil  hingewiesen, 
dessen  sich  die  Colonisten  selbst  in  Preussen  zu  erfreuen  hätten.  Alle, 
die  bisher  angesiedelt  sind,  heisst  es,  sind  „sonderlich  mit  ihren  ange- 
wiesenen Gütern,  Bedienungen,  Gehalt  und  andern  Verrichtungen  zu- 
frieden8 (2);  sie  finden  überhaupt  für  sich  und  die  ihrigen  „ein  Heh- 
reres, als  zu  ihrer  Unterhaltung  und  Abführung  der  darauf  haftenden 
Prästationen  erforderlich8  ist  (7).  Sie  werden  hier  so  gestellt,  „dass  sie 
ihre  Nahrung  ruhig  treiben,  auch  was  sie  nöthig  haben,  fuglich  ver- 
dienen können8  (9).  Der  König  „lebte  der  allergnädigsten  Hoffnung,  es 
werden  sich  so  viel  eher  Leute  finden,  dass  sie  sehen  und  spüren  können, 
Wie  er  ihnen  nicht  nur  jeder  Zeit  allergnädigst  Schutz  leiste,  sondern 
auch  an  jedem  Ort  ein  gutes  Auskommen  angedeihen  lassen8  (10). 

Aber  dafür  verlangte  er  denn  auch  nur  „tüchtige,  fleissige,  kundige 
Leute,8  welcher  Beschäftigung  sie  auch  obliegen  möchten.  Das  wird 
fast  in  jedem  Patent  wiederholt;  er  fordert  Zeugnisse  für  ihr  bis- 
heriges  Wohlverhalten,  die  frühere  Obrigkeit,  unter  welcher  die  Wander- 
lustigen bisher  gelebt,  musste  bescheinigen,  dass  diese  sich  bishero 
redlich  gefuhret,  auch  mit  derselben  Vorwissen  abgereist  seien  (7); 
später  wird  jedoch  hievon  Abstand  genommen,  der  Mangel  an  Colonisten 
war  zu  fühlbar,  es  musste  ihnen  jeglicher  Zuzug  eben  erleichtert  werden. 


24  Colonißstorisches  aus  Ostpreussen 

Auch  wird  in  der  ersten  Zeit  ausdrücklich  betont,  dass  „nur  den  freien 
und  keinen  mit  Dienstbarkeit  behafteten  Leuten  einige  wüste  Bauererbe 
eingeräumt  werden  sollen.*  (1)  —  Es  wurden  Colonisten  fast  jeglichen 
Standes  und  jeglicher  Beschäftigung  verlangt.  Aber  fast  in 
allen  Patenten  wird  vor  Allem  dringend  der  Landmann  gewünscht, 
in  allen  Variationen,  mit  allen  möglichen  Bezeichnungen  und  Titulaturen : 
„des  Ackerbaues,  der  Gärtnerei  kundige"  (2),  besonders  wer  als  Arren- 
dator  kommen  will  und  ein  guter  Wirth  ist,  (2,  3)  „Verwalter,44  „des 
Ackerbaues  und  der  Viehzucht  erfahrene,  auch  der  übrigen  Landnahrung 
erfahrene  Bauersleute44  (7, 8),  „Bauern44  (3),  „Schäfer,44  „Schafknechte,44 
„Tagelöhner44  etc.  etc.  Da  die  Bedingungen  für  diese  Art  Leute  die 
besten  waren,  so  war  die  Nachfrage  gross,  aber  bald  fand  sich,  dass 
oft  unerfahrene  Menschen  sich  allzuviel  Acker  hatten  geben  lassen,  sie 
wurden  damit  nicht  fertig,  alles  verfiel  wieder,  sie  liefen  wohl  selbst 
in  heller  Verzweiflung  fort,  daher  ergeht  die  scharfe  Weisung,  keinen, 
der  nicht  des  Ackerbaues  kundig  ist,  auf  königliche  Kosten  anzusetzen, 
sondern  sie  sollen  erst  als  Knechte  dienen,  bis  sie  ihre  „habende  Wissen- 
schaft von  der  Haushaltung  zeigen,44  oder  aber  Sicherheit  stellen  für 
das,  was  sie  empfangen  (5).  „Besatz44  ist  immer  nur  auf  eine  Hufe  hin 
zu  geben,  selbst  wenn  der  Betreffende  zwei,  drei  oder  mehr  Hufen 
empfangen  hat  (5) ;  oft  zeigten  sich  nämlich  die  Leute  „innoportun,44  und 
verlangten  Verdoppelung  des  Besatzes  auf  Grund  der  Schweizerpatente. 

Für  die  Städte  werden  Handwerker  aller  Art  gesucht,  „Künstler 
und  Handwerker,  als  Wundärzte,  Schmiede,  Bademacher,  Maurer,  Zimmer- 
leute, Böttcher,  Schneider,  Schuster,  Tischler,  (2,  3),  namentlich  ist 
öfters  Nachfrage  nach  Wasser-  und  Windmüller  (3,  13)  ferner  Ziegel- 
streicher, Lehmer,  Handwerksbursche  und  Gesellen  (13),  Hausleute, 
Leineweber,  Spinner,  Zeug-,  Friess-,  Strumpf-,  Hutmacher,  Lohgerber, 
Grob-,  Klöinschmiede,  Glaser,  Töpfer  etc.44  (16),  kurz  „Handwerker  aller 
Profession44  (14,  16). 

Es  wird  Allen,  Ackersleuten  oder  Handwerkern,  genau  bedeutet, 
wie  und  wo  sie  ihre  Gesuche,  als  Colonisten  aufgenommen  zu  werden, 
anbringen  sollen.  Im  Allgemeinen  sollten  diejenigen,  die  Berlin  passirten, 
sich  beim  General-Finanz-Directorium  melden,  wer  durch  Stargard  oder 


▼ob  Dr.  Max  Beheim-Schwaribach.  25 

Küstrin  kam,  bei  der  betreffenden  Hinterpommerschen  oder  Neu-Märki- 
schen Kammer,  nach  der  Ankunft  in  Lithauen  bei  der  Amtskammer  in 
Tilsit  (7).  Später  hiess  es,  sollten  diejenigen,  die  Geldunterstützungen 
für  die  Reise  beanspruchten,  sich  beim  König  per  memoriale  melden, 
oder  beim  General-Finanz-Directorium  und  nun  abwarten,  ob  ihrem 
Gesuch  willfahrt  würde  (8);  hie  von  wurde  jedoch  bald  wieder  Abstand 
genommen  und  schliesslich  sollte  jeder  Beamte  Colonisten  annehmen 
dürfen,  und  gleich  nach  Königsberg  über  die  Angenommenen  berichten, 
damit  sie  an  geeigneten  Orten  angesetzt  werden  könnten  (9),  allen 
Schulzen  wurde  sogar  solch  Colonistenengagement  zur  Pflicht  gemacht, 
der  König  hegte  zu  ihnen  das  Vertrauen  „gleichwie  sie  sich  bei  Er- 
richtung ihrer  Dörfer  verbindlich  gemacht,  die  wüsten  Stellen  in  ihren 
Dörfern  zu  besetzen/'  dafür  genossen  sie  ja  auch  bishero  verschiedene 
Vortheile;  sie  hatten  dafür  zu  sorgen,  „bemittelte  Leute  zu  Bebauung 
wüster  Stellen  anzufirischen.u  Wenn  sie  hierbei  sorgfältig  und  fleissig 
sich  finden  Hessen,  so  wollte  der  Monarch  ihnen  alle  Gnade  erweisen, 
wenn  sie  aber  nachlassig  blieben,  so  will  er  „es  gewiss  ernstlich  ahnden* 
(10).  Auch  an  den  Adel,  die  Magistrate  und  andere  Partikuliers  wendet 
sich  des  Königs  Aufforderung  für  Colonisten  zu  sorgen  (16).  Kamen 
bemittelte  Beamte  und  Arrendatoren,  die  sich  verpflichteten,  mehrere 
Colonisten  mitzubringen  und  anzusiedeln,  so  sollen  sie  sich  ebenfalls 
in  Berlin  melden  oder  bei  dem  K.  Vice-Kammer-Präsidenten  in  Preussen 
(v.  d.  Osten)  und  gleich  angeben,  was  vor  Leute  vor  allem  in  den  Pa- 
tenten genannten  Gonditionibus  sie  mitbringen  könnten  und  was  dieser 
oder  jener  an  Vermögen  hat,  im  Vertrauen  eröffnen  (3).  Des  Königs 
Patente  sollten  gewissenhaft  verbreitet  und  bekannt  gemacht  werden, 
sie  waren  öffentlich  auszurufen,  anzuheften  und  von  den  Kanzeln  zu 
verlesen  (7, 12)  auch  wurden  sie  in  das  Ausland,  an  die  Residenten  in 
den  verschiedenen  Städten  geschickt.  Drei  Klassen  von  Colonisten 
wurden  gewöhnlich  unterschieden.  Zunächst  gab  es  solche,  die  auf 
eigne  Faust  die  Beise  unternahmen,  d.  h.  die  Zehrkosten  bestritten  und 
sich  auf  eigne  Kosten  ansiedeln  konnten,  also  die  in  keiner  Weise  die 
Chatoulle  des  Monarchen  in  Anspruch  nahmen.  Das  waren  selbstredend 
die  gesuchtesten,  aber  auch  seltensten.    Andere  wieder  konnten  zwar 


26  ColonUatorischea  aus  Ostpreussen 

wohl  die  Reisekosten  bestreiten,  nicht  aber  das  Etablissement  selbst 
und  schliesslich  wollte  der  grosse  Hänfen  sowohl  Reiseentschädigungs- 
kosten als  auch  die  Ansetzung  aus  königlicher  Tasche  bestritten  wissen. 
Nach  dieser  Klassificirung  richteten  sich  auch  die  Freijahre  und  alle 
übrigen  „Conditiones,"  hierbei  gilt  der  Grundsatz,  dass  die  ein  Mal 
angegebenenen  Bedingungen  in  Kraft  bleiben,  bis  sie  durch  ein  anderes 
Patent  ausdrucklich  entweder  erweitert  oder  begrenzt  werden  sollen; 
Schweigen  ist  Bestätigung.  —  An  Reisekosten  wurden  denen,  die 
königliche  Unterstützung  forderten,  in  erster  Zeit  dem  „Wirth"  und 
seiner  Ehefrau  täglich  je  zwei  gute  Groschen  bewilligt,  jedem  übrigen 
Familienglied  sechs  Dreier  (7),  später  erhielt  jede  Mannsperson  4  g.  Gr. 
jede  Weibsperson  3  g.  Gr.,  jedes  Eind  2  g.  Groschen,  von  dem  Tage 
der  Abreise  an,  bis  zur  Ankunft  (14).  Die  Reise  selbst  sollte  für  alle 
frei  sein,  ob  zu  Lande  oder  zu  Wasser  (13).  Als  Reisezeit  wurde 
„ein  für  alle  Male11  der  Monat  Mai  angesetzt  (7)  „weil  alsdann  der 
Neuanziehende  nicht  nur  überall  Gräsung  vors  Vieh,  besonders  auch  den 
Sommer  durch  nothdürftiges  Heufutter  zusammen  bringen,  die  Braach  zur 
künftigen  Wintersaat  frühzeitig  stürzen,  auch  zur  Abauchstung  oder  Erndte 
des  Sommer  Getreides,  welches  die  Preussische  Lithauische  Amtskammer 
denselben  zu  gut  aussäen  lassen  wird,  behörige  Anstalt  machen  kann;" 
(7),  in  späteren  Edicten  wird  auch  der  Ausgang  April  oder  Anfang  Mai 
als  besonders  günstige  Reisezeit  empfohlen  und  angesetzt.  (13,  14) 

Gleich  von  vorneherein  werden  die  Reisenden  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  sie  ihr  Geld  für  Freussen  umwechseln,  allwo  nichts  an- 
deres als  nur  Dukaten  und  Greuztbaler  oder  Polnische  currente  Münze 
gang  und  gebe  ist;  das  Wechseln  geschah  ohne  jeglichen  Schaden  für 
die  Betheiligten  bei  dem  Hof-Rentamt  in  Berlin,  sie  erhielten  gewöhn- 
lich für  das  abgelieferte  Geld  Wechsel  entweder  an  Kaufleute  in  Königs- 
berg, oder  Assignaten  an  die  Rente  in  Preussen  (3,  7).  Ausführlich 
wird  hierüber  in  einem  andern  Patent  gesprochen  (14  §  12)  „wie  denn 
auch  ein  jeder  seine  mit  dahin  zu  nehmende  Barschaften,  wann  solche 
in  specibus,  Kayser  oder  Frantz  Gelde  bestehen  (maszen  in  Preuszen 
die  Dukaten  so  wenig  als  die  Species  Thaler  in  so  hohem  Werthe  als 
hier  zu  Lande  ausgebracht  werden  können,   andere  Münz-Sorten  aber, 


von  Dr.  Max  Beheim-Sobwarebach.  27 

ausser  Brandenburgschen,  Sächsischen  und  Lüneburgschfen  2/3  und  Vi  2 
oder  2  Gr.  Stücken  daselbst  garnicht  gangbar  sind)  allhier  zu  Berlin 
bei  dem  Rentmeister  Albrecht,  oder  bei  der  nächsten  königlichen  Provinz, 
ans  welcher  er  sein  domicilium  transferiret  und  der  darin  befindlichen 
Kriegs-  und  Domänenkammer  gegen  ein  Schein  abzugeben  hat;"  sofort 
wird  ihm  in  Preussen  ungekürzt  in  dort  gangbarer  Münze  ausgezahlt 
werden.  Als  Hauptvortheil  dieses  Verfahrens  wird  auch  gerühmt  die 
,  Sicherheit  vor  der  Gefahr  von  Diebstahl  oder  andern  Verlust  (Ver- 
prassen) währender  Reise." 

Die  „Hausgeräthe  und  Mobilien"  Aller  sind  zollfrei,  zu  diesem 
Zwecke  bedarf  es  natürlich  eines  besondern  Passes,  auf  den  sie  wieder 
verwiesen  werden.  Des  Vorspanns  wegen  verfügen  die  betreffenden 
Kammern  „die  Nothdurft"  (7,  4). 

Was  nun  die  beneficia,  oder  douceurs  etc.  betrifft,  welche  die 
Colonisten  zu  gewärtigen  hatten,  so  waren  aller  Zeit  Unterschiede  ge- 
macht  zwischen  jenen  drei  Klassen;  selbstverständlich  lagen  die  Sachen 
wieder  anders  für  die  Handwerker;  ein  weniges  ist  beiden  gemeinsam. 
Zunächst  die  Ackersleute.  In  drei  Worten  fassen  sich  alle  Ver- 
günstigungen derselben  zusammen:  Freijahre,  Hufen  und  Besatz. 

Auch  bei  der  Gabe  von  Beneficien  findet  im  Laufe  der  Jahre  eine 
kleine  Wandlung  Statt.  Man  gab  in  den  Jahren  Friedrichs  nur  zögernd, 
später  mit  volleren  Händen,  bis  die  Ueberzeugung  gewonnen  zu  sein 
schien,  jetzt  könnte  wieder  Halt  gemacht,  könnten  die  Zügel  der  Frei- 
gebigkeit wieder  straffer  gezogen  werden,  um  dann  wieder,  wenn  die 
Erkenntniss  durchbrach,  dass  noch  viel  zu  wenig  geschehen  sei,  das 
Füllhorn  lebhafter  zu  schwingen  und  auszuschütten.  Die  letzte  Periode 
umfasst  wiederum  die  Zeit  von  1718  und  von  1721  an. 

Was  zuerst  die  Freijahre  anbelangt,  so  verstanden  die  ersten 
Patente  darunter  Befreiung  von  allem  Zins,  Gontributionen  und  allen 
öffentlichen  Lasten  (1),  doch  hielt  man  es  nöthig,  die  Scharwerksdienste 
noch  besonders  zu  erwähnen,  die  fuglich  mit  Geld  abgelöst  werden 
konnten,  doch  so,  dass  immerhin  noch  einiges  gewisse  Scharwerk,  etwa 
an  Holz  nnd  Getreidefuhr,  oder  was  sonst  gerade  nöthig  war,  geleistet 
werde  (1).  Solcher  Freijahre  sollten  anfangs  demjenigen,  der  ein  wüstes 


28  Colonisatorischea  «im  Ostpreussen 

Bauererbe  annehmen  wollte  und  seine  Ansetzung  vollständig  aus  eigenen 
Mitteln  bestreiten  konnte,  drei  bewilligt  werden,  denjenigen,  die  „Saat, 
Brot,  auch  Besatz44  erheischten,  wurde  nur  ein  freies  Jahr  zugestanden, 
wobei  allerdings  der  dehnbare  Ausspuch  gethan  wurde,  dass  den  aus 
den  benachbarten  Landen  Anheroziehenden,  nach  Umständen  der  Sache, 
noch  favorablere  Bedingungen  eingeräumt  werden  könnten  (1). 

Im  zweiten  Patent  wird  das  Wort  Freijahre  nicht  weiter  definirt, 
wohl  aber  wurde  die  Anzahl  derselben  bereite  erweitert,  die  Bemittel- 
ten erhalten  sechs  Freijahre,  diejenigen,  die  nur  die  Reise  bestreiten 
können,  nicht  aber  das  Etablissement,  drei,  die  ganz  aus  der  Tasche 
des  Monarchen  von  Anfang  an  bis  zu  vollendeter  Ansiedelung  erhalten 
werden  müssen,  nur  ein  Freijahr.  Die  Gossäthen,  oder  Gärtner,  die 
zu  unerfahren  sind,  um  selbst  ein  Bauerngut  zu  verwalten,  sollen  nebst 
einem  Haus,  Garten  und  einigen  Aeckern  sich  gleichfalls  eines  leidlichen 
Tractaments  zu  erfreuen  haben.  Für  Knechte  und  Mägde  wird  eben- 
falls keine  andere  Freiheit  in  Aussicht  gestellt,  als  dass  sie  auf  den 
neu  errichteten  Vorwerken  über  die  hiesige  Gesinde-Ordnung  3— 4,  resp. 
2— 3Thlr.  jährlichen  Lohn  mehr  zu  erwarten  hätten. 

Im  Patent  III.  (1712)  wird  garnicbts  specielleres  erwähnt;  dasselbe 
zeichnet  sich  durch  seinen  sehr  allgemein  gehaltenen  Wortlaut  aus,  die 
bemittelten  Bauern  sollen  gewisse  Freijahre  erhalten,  die  Unbemittel- 
ten sind  wieder  Gossäthen  und  Gärtner,  die  Knechte  und  Mägde  haben 
„mehrersu  Lohn  zu  erwarten.  In  den  übrigen  Patenten  wird  von  Frei- 
jahren nichts  erwähnt,  bis  plötzlich  Friedrich  Wilhelm  im  Jahre  1718 
(21.  Nov.  VII)  nach  eigener  Anschauung  der  lithauischen  Hufen  wieder 
den  Golonisten  grössere  Wohlthaten  zukommen  lassen  will.  Die  Pa- 
tente sind  von  nun  an  auch  schon  äusserlich  anders,  mit  vollständigem 
Titelblatt  versehen  und  entschieden  für  weite  Fernen  bestimmt.  Nach 
den  Erklärungen  in  diesem  Patent  erhält  der  bemittelte  fremde  Golonist, 
der  also  für  sich  allein,  was  Reise  und  Ansiedelung  betrifft,  sorgen 
kann,  neun  „Freijahre,  von  allen  Prästandis."  Die  bemittelten  Ein- 
heimischen, die  nach  Ostpreussen  verziehen  wollen,  sechs,  die  ganz 
unbemittelten  fremden  Golonisten  zwei,  die  einheimischen  Zuzügler  ein 
Freijahr,  mit  dem  Zusatz  „wiewohl  S.  K.  Majestät  sich  noch  Allergn. 


von  Dr.  Mai  Beheim-Sohwaribftcb.  29 

vorbehalten,  ihnen  bei  vorkommenden  Umständen  dero  Gnade  auch 
weiter  angedeihen  zu  lassen/1  Wir  sehen,  hier  leuchtet  bereits  ein  ganz 
anderes  wirtschaftliches  Princip  hervor.  Uebrigens  erhoben  sich  gegen 
diese  ungleiche  Vertheilung  der  Freijahre  vielfach  Bedenken  von  com- 
petenter  Seite,  so  äusserte  Dohna  z.  B.,  dass  nach  seiner  Ansicht  der 
arbeitsame  Mann  durch  Unglück  in  Armuth  gerathen  sein  könne;  und 
dass  diese  Armuth  doch  noch  kein  Zeichen  von  Liederlichkeit  und  Ver- 
kommenheit sei,  und  doch  erhielten  diese  Leute  die  geringeren  Freijahre. 
Die  Vermögenderen  jedoch,  die  sich  also  füglich  selbst  etabliren  könnten 
und  nicht  aus  Noth  getrieben,  ihr  Vaterland  zu  verlassen  brauchten,' 
das  sie  vielleicht  nur  aus  Unruhe  und  Querköpfigkeit  im  Stich  Hessen, 
diese,  auf  „deren  beständiges  Etablissement  kein  Etat  zu  machen  ist,* 
erhielten  die  gunstigsten  Bedingungen,  die  meisten  Freijahre. 

Eine  kleine  Einschränkung  in  der  Zahl  der  Jahre  enthält  das  nächste 
Patent  (8,  1721),  das  höchstens  sechs,  und  nur  nach  wohl  befundenen 
Umständen  neun  Freijahre  von  allen  Amts-  und  Kriegs-Prästanden,  an 
Schoss,  Gontribution  und  wie  es  sonsten  Namen  haben  mag,  den  Be- 
mittelten gewährt,  den  anderen  nur  zwei.  Später  (13, 1723)  wird  wie- 
der auf  neun  Jahre  zurückgegangen,  in  denen  die  Bemittelten  frei  sein 
sollen  von  allen  Amts-  und  Kriegsprästanden  an  Schoss,  Gontribution, 
Reuter- Verpflegung,  Einquartdrung,  Diensten,  Scharwerken  und  wie  es 
sonst  Namen  haben  mag,  die  Unbemittelten  .können  sich  nicht  ent- 
brechen,  mit  drei  Freijahren  von  allen  obengedachten  Amts-  und  Kriegs- 
oneribus  vergnüget  zu  sein  und  nach  Ablauf  solcher  drei  Jahre  die 
Prästationes  ihren  Nachbarn  gleich  zu  entrichten.  ■  Und  ähnlich  lautet 
das  nächste  Patent,  das  von  neun,  drei  und  zwei  Freijahren  spricht, 
wieder  mit  dem  Gnade  verheissenden  Zusatz.  Erst  im  allerletzten  Pa- 
tent des  Königs  (17)  ist  nur  von  einer  bestimmten  Klasse  von  Frei- 
jahren die  Bede,  indem  Allen  gleichmässig  ihrer  sechs  bewilligt  werden, 
doch  müssen  sie  sich  dafür  auf  ihre  Kosten  anbauen  und  den  Acker 
in  Kultur  setzen. 

Die  Colonisten  fanden,  wenn  sie  die  beschwerliche  Reise  zurück« 
gelegt  hatten,  anfangs  besonders  hierzu  angestellte  Commissarien  vor  (2)t 
die  angewiesen  waren,  das  Ansetzungsgeschäft  in  die  Hände  zu  nehmen! 


30  Coloniialoriflobes  aas  Oftprenssea 

später  waren  die  betreffenden  Ortsbehörden  selbst  hiermit  beauftragt, 
wie  denn  der  König  allen  Regierungen  und  Kammern  »befehligte,  sich 
umzuthun  um  zu  Bezeugung  allerunterthänigster  Treue,  monatlich,  was 
sie  vor  Personen  anschaffen  könne,  eine  Gonsignation  einzuschicken.  *  (3) 
Fast  jedes  Mal  wird  ihnen  anempfohlen,  in  jeder  Beziehung  den  Colo- 
nisten  bei  ihrer  Ansetzung  Hülfe  zu  erweisen. 

Die  ankommenden  Ackersleute  mussten  nun  mindestens  zwei  Hufen 
übernehmen  wohl  auch  mehr,  die  Patente  sprechen  auch  von  drei  und  vier 
Hufen,  (15)  man  kann  entschieden  in  einzelnen  Fällen  viel  höher  greifen. 
Die  Hufe  war  zu  30  Morgen,  der  Morgen  zu  300  Rheinländischen  Ruthen 
berechnet.  Die  Bemittelten  waren  verpflichtet,  das  Bauergehöft,  wozu 
ihnen  jedoch  das  freie  Bauholz  geliefert  wurde,  anzubauen,  als  auch 
sich  selbst  den  .Besatz8  an  Vieh,  Pferde,  Acker-  und  Hausgeräth,  wie 
nicht  weniger  die  Saat  und  das  Subsistenz  Getreide  anzuschaffen  und 
selbst  zu  besorgen  (7).  Die  anderen,  die  den  Besatz  von  der  Regierung 
empfingen,  hatten  denselben  in  folgender  Gestalt  zu  erhoffen :  24  Thlr. 
ffir  4  Pferde,  24  Thlr.  für  4  Ochsen,  15  Thlr.  für  3  Kühe,  3  Thlr.  50  Gr. 
Preuss.  (oder  13  Gr.  9  Pf.  dtsch.  Geld)  für  4  Schafe,  4  Thlr.  für  4  Schweine, 
48  Gr.  Preuss.  (12  Gr.  9  Pf.)  4  Gänse,  48  Gr.  8  Hühner,  24  Thlr.  Acker- 
und  Hausgeräth,  13  Thlr.  30  Gr.  Pr.  (13  Thlr.  8  Gr.)  an  30  Scheffel 
Aussaat  Roggen,  4  Thlr.  an  12  Scheffel  Gerste,  5  Thlr.  30  Gr.  (5  Thlr. 
8  Gr.)  24  Scheffel  Hafer,  1  Thlr.  70  Gr.  4  Scheffel  Erbsen,  17  Thlr. 
70  Gr.  für  4  Scheffel  Subsistenz  Gerste  auf  4  Personen,  10  Thlr.  zu 
Salz,  Licht  und  anderm  zur  Haushaltung  nöthigen  Unterhalt,  also  in 
Summa  147  Thlr.  76  Gr.  Pr.  (oder  20  Gr.  7  Pf.  deutsch)  und  das 
soll  der  Empfänger  nicht  nur  zu  rechter  Zeit  und  auf  ein  Mal  erhalten, 
sondern  es  soll  ihm  auch  ein  eigenes  Besatzbuch  gegeben  werden,  in 
welches  Alles  genau  eingeschrieben  wird,  was  er  empfangen  hat  (7). 

Aehnlich  lautet  die  Bestimmung  über  den  Besatz  auch  in  anderen 
Patenten  (14),  wo  nur  das  Inventar  statt  des  Geldes  angegeben  ist, 
als  4  Pferde,  4  Ochsen,  3  Kühe  und  5  Wispel  an  allerhand  Getreide 
zur  Saat,  wie  auch  die  nöthige  Subsistenz  ffir  seine  Familie  auf  ein 
Jahr  und  ausserdem  das  nöthige  Ackergeräth  an  Wagen,  Pflügen, 
Sensen  und  dergleichen. 


you  Dr.  Ifax  Beheim-8cbwar*b»cb.  3} 

Anfangs  kommen  nur  diejenigen,  die  anf  ihre  Kosten  und  durch 
ihren  Fleiss  das  angenommene  Out  in  Stand  gebracht  haben,  dasselbe 
auch  auf  ihre  Kinder,  Schwiegerkinder,  Vettern  und  ihre  ganze  Familie 
vererben  (7),  so  dass  diesen  die  von  ihnen  angewandten  befindlichen 
Meliorationen  zu  Gute  kämen  (7,  8, 14);  nachdem  aber  im  Jahre  1719 
die  Leibeigenschaft  in  den  Aemtern  Freussens  aufgehoben  wurde,  so 
dass  die  früher  leibeigenen  Bauern  ihre  Erbe  und  Bauergründe  eigen- 
tümlich gebrauchen  dürften,  wenn  sie  das  Erbe  und  die  Gebäude 
in  gutem  Stand  hielten  etc.,  erschien  auch  später  im  Jahre  1726  das 
Patent  15,  das  ausdrücklich  allen  in  Lithauen  angesetzten  Golonisten 
und  Bauern  die  Höfe  und  Wohnungen  sammt  der  Hofwehr  schenkte, 
damit  dieselben  nicht  auf  die  Gedanken  kommen  könnten,  dass  um  aller 
solcher  ihnen  geschehenen  Wohlthat  willen  (der  Besatz  etc.)  man  mit 
ihnen  als  Leibeigenen  umzugehen  nicht  unterlassen  werde,  so  lange  sie 
ihre  Höfe  nicht  zu  bezahlen  oder  das  Genossene  nicht  wieder  abzutragen 
im  Stande  wären/  Es  wird  ihnen  kund  gethan,  dass  ihnen  solche  (neu 
erbaute  Höfe)  geschenket  und  niemals  weder  an  sie,  noch  an  ihre  Erben 
deshalb  einige  Anforderung  gemacht,  auch  ihnen  selbige  mit  Vorbewusst 
und  Einwilligung  des  Amtes  an  einen  tüchtigen  Gewährsmann  weiter 
zu  verkaufen,  oder  auf  andere  Art  zu  veräussern  allezeit  frei  gelassen 
werden  solle,*  jedoch  wird  wieder  ausdrücklich  und  als  einzige  Bedingung 
Torbehalten,  dass  das  Erbe  und  die  Hofwehr  und  die  Gebäude  in  gutem 
Stand  gehalten  und  die  Abgaben  richtig  bezahlt  würden,  denn  „schlimmen 
Wirthen"  sei  man  nicht  gesonnen  Anlass  oder  freiere  Hand  zu  geben, 
um  mit  demjenigen,  so  sie  aus  Gnaden  empfangen,  noch  übeler  zu 
gebahren. 

Was  die  Leistungen  nach  Ablauf  der  Freijahre  betrifft,  so  sind 
auch  diese  genau  vorgesehen  (7),  der  Zins  von  recht  gutem  Lande  sollte 
14  Thlr.,  von  mittelmässigen  12,  von  schlechtem  10  Thlr.  pro  Hufe 
gezahlt  werden,  »wobei  jedoch  bei  den  nächst  gelegenen  Vorwerken  die 
Abaugst-  oder  Abbringung  eines  Morgens  in  jedem  Felde,  und  auch 
eines  Morgens  von  den  Wiesen,  wie  nicht  weniger  einen  Tag  Mist  zu 
fahren,  reservirtwird,*  in  allem  Uebrigen,  in  oneribus  und  Contributionen 
sollen  sie  den  übrigen  Unterthanen  gleich  gehalten  sein.   Es  wurde  für 


g2  Colonisatorisches  aas  Ostpreussen 

gut  befanden,  dass  die  Abgaben  nicht  immer  in  baarem  Gelde  erfolgten, 
sondern  „theils  durch  Früchte  des  Feldes,  theils  durch  leidliche  Dienst- 
leistungen. *  Es  wurde  eine  General- Vermessung  der  Lithauischen  Aecker 
vorgenommen  (10, 14),  auf  denen  die  Colonisten  angesetzt  werden  sollten, 
mit  dem  Bedeuten,  dass  ein  Jeder  durchschnittlich  zwei  Freussische 
Hufen  empfange;  es  wurde  aber  die  Hufe  reinen  Saatlandes  so  taxirt, 
dass  alle  Frästationes  miteingeschlossen,  derjenige,  welcher  Aecker  von 
solcher  Güte  empfängt,  dass  es  das  fünfte  Korn  und  darüber  trägt,  die 
Hälfte  von  dem  Ertrage  an  die  Kammer  abzuführen  hatte;  von  dem 
Acker  jedoch,  der  viertes  bis  fünftes  Korn  trug,  war  der  dritte  Theil, 
von  dem  Lande,  das  drittes  bis  viertes  Korn  brachte,  der  vierte  Theil 
und  von  noch  geringerm  Boden  der  fünfte  Theil  abzuliefern.  Dabei 
sollte  aber  die  damalige  Güte  des  Ackers,  wie  sie  bei  der  Schätzung 
vorgefunden  wurde,  für  immer  massgebend  bleiben;  wurde  der  Boden 
verbessert,  so  hatte  nur  der  Besitzer  davon  Gewinn,  nicht  die  Kammer; 
nicht  in  Anschlag  kam  so  viel  Wiesenland,  als  zur  Ausfütterung  des 
Viehbestandes  nöthig  war.  Was  an  Prästanden  einem  Wirthe,  sei  es 
in  natura,  sei  es  in  Diensten,  auferlegt  wurde,  sollte  von  jenem  An- 
schlag abgezogen  werden,  ebenso  der  Zins  an  Geistliche  und  andere, 
auch  wurde  die  Hut,  die  Trift,  die  Holzung  und  Fischerei  obeneingegeben. 

Und  damit  nicht  doch  noch  einige  von  den  Leistungen  zurück- 
schreckten, wurde  noch  zuweilen  von  „erkleklichem"  Steuererlass  ge- 
sprochen, wenn  sie  die  Domänenkassen  durchaus  nicht  befriedigen  könnten, 
auch  war  im  Patent  VII  die  ratio  casuum  fortuitorum  in's  Auge  ge- 
fasst,  wenn  sowohl  in  den  Freijahren  ein  genereller  Misswachs  oder  Vieh- 
sterben vorkäme,  dann  sollten  noch  besondere  Resolutionen  gefasst 
werden,  als  auch  hätten  nach  Ablauf  der  Freijahre  bei  Unglücksfällen 
die  Colonisten  sich  dessen  zu  getrösten,  was  S.  Majestät  sodann  dem 
ganzen  Lande  zu  Statten  kommen  Hesse. 

Die  Scharwerksdienste,  die  im  Patent  X  aufgeführt  werden,  gehen 
nur  auf  die  übrigen  Bauern,  nicht  sowohl  auf  die  Colonisten,  obwohl 
der  Titel  des  Patents  Zweifel  hierüber  aufkommen  lassen  könnte.  Dem 
Wortlaut  nach  wären  diese  Scharwerke  »ganz  leidlich  angesetzet,"  und 
ist  dem  Bauer  nicht  mehr  aufgebürdet,  als  was  er  ohne  Versäumniss 


von  Dr.  Max  Beheim-Schwarzbach.  33 

seiner  eignen  Wirtschaft  mitbestellen  kann  etc.  Es  soll  einünterthan 
nur  48  Tage  im  Jahre  scharwerken  und  zwar  soll  ein  Bauer  im  Januar 
einen  Tag  Holzfuhren  leisten,  im  Februar,  März,  April  ebenfalls  je 
einen  Tag,  im  Mai,  Juni  und  Juli  je  4  Tage,  im  August  und  September 
je  12  Tage  und  zwar  wöchentlich  3  Tage,  im  Oktober  6  Tage,  im  No- 
vember und  December  je  einen  Tag;  ausserdem  sind  jährlich  2  Reisen 
nach  Königsberg  mit  Getreidefuhren  zu  machen.  Bürdet  ein  Arrendator 
oder  Beamter  mehr  auf,  so  hat  er  für  jeden  Tag  einen  Thaler  Strafe 
zu  zahlen.  Herrschaftliche  und  Postfuhren  sind  nur  auf  Königliche 
Scheine  hin  zu  stellen,  widrigenfalls  soll  ihm  jedes  Pferd  nach  Um- 
ständen bezahlt  werden.  In  Geldleistungen  soll  nicht  höher  gestiegen 
werden,  als  der  Bauer  fuglich  aufbringen  kann,  dann  soll  er  es  aber 
nicht  erst  auf  Eiecution  ankommen  lassen,  denn  „Wir  gönnen  es  ihm 
gern,  wenn  er  vor  sich  und  die  Seinigen,  nicht  nur  Lebensunterhalt, 
sondern  auch  einen  Nothpfennig  erwirbt." 

Die  Handwerker  waren  in  ähnlicher  Weise  bedacht,  wie  die 
Ackersleute,  doch  wurden  einzelne  Handwerke  mehr  als  andere  protegirt. 
Alle,  die  auf  eigene  Kosten  ankamen  und  sich  etablirten,  und  selbst- 
verständlich „ geschickte  Leute"  waren,  sollten  nicht  nur  „frei  zu  den 
Meister-  und  Bürgerrechten  gelangen,  sondern  auch  von  allen  Gontri- 
butionen  und  Auflagen*  befreit  bleiben  und  zwar  die  Schmiede  auf 
sechs  Jahre,  die  Bademacher,  Stellmacher,  Tischler,  Zimmerleute, 
Böttcher  auf  vier  Jahre,  die  Schuster  und  Schneider  erhielten  am 
wenigsten,  nur  drei  Preijahre  (2),  den  Müllern,  „wenn  sie  auch  zum 
Bauen  geschickt  sind,*  werden  gute  Mühlen  um  billige  Pacht  versprochen, 
oder  wenigstens  Stellen  für  Mühlen  (3);  in  späteren  Jahren  (1723) 
werden  die  Tuch-,  Rasch-,  Zeug-,  Priess-,  Strumpf-  und  Hutmacher- 
Gesellen  besonders  gewünscht  (13)  ebenso  die  Weber.  Einige  Male 
wird  ihnen  freigestellt,  ob  sie  in  den  Städten  oder  auf  dem  Lande  sich 
niederliessen  (3, 16),  andere  Mal  wird  ihnen  nur  die  Stadt  bewilligt  (11). 
Diejenigen,  die  sich  in  den  oben  genannten  neuen  Städten  als  Meister 
niederlassen  und  anbauen  wollten,  wurden  ebenfalls  mit  dem  freien 
Bürger-  und  Meisterrecht  begabt,  und  erhielten  ausserdem  einen  Platz 
für  ein  Haus,  nebst  Gartenland  je  nach  Gelegenheit  des  Ortes,  ferner 

▲Itpr.  Moiwtotehrift  Bd.  XIV.  Hft.  US.  3 


34  ColonisatorUchea  aas  Oatpreassen 

wurden  zum  Neubau  gewisse  Baufreiheitsgelder  bis  30%  bewilligt, 
wenn  Sicherheit  gestellt  werden  konnte,  oder  doch  mit  dem  Bau  be- 
gonnen wurde,  und  schliesslich  drei  Freijahre  von  der  Accise  und  ihrer 
sechs  von  Einquartirung,  Servis  und  allen  bürgerlichen  Lasten,  im 
nächsten  Jahre  (1723)  wird  in  diesem  Falle  die  Anzahl  der  Freijahre 
(d.h.  von  allen  die  königlichen  Kassen  nicht  alterirenden  Abgaben)  auf 
neun  erhöht  (13).  Der  Handwerker,  der  vom  Lande  nach  der  Stadt 
zieht  und  sich  hier  einmiethet,  empfangt  drei  Freijahre;  sind  es  Woll- 
arbeiter, so  wird  ihnen  Arbeit  verschafft  werden  (11,  13).  Für  später 
werden  auch  noch  mehr  Krüge  in  Aussicht  gestellt,  besonders  für  die, 
wie  es  aufmunternd  heisst,  die  „dazu  die  bequemste  und  vor  Feuers 
Gefahr  sicherste  Häuser  erbaut  haben  werden;*  (11).  Wo  auch  immer 
in  den  ostpreussischen  Städten,  den  alten  wie  neuen,  sich  die  Hand- 
werksgesellen von  allen  Professionen  wüste  Stellen  zum  Bau  über- 
nehmen, werden  ihnen  die  dazu  gehörigen  Materialien  unentgeltlich 
angewiesen,  und  nebst  freiem  Bauholz  entweder  die  nöthigen  Mauer- 
und  Dachsteine,  wie  Kalk,  oder  15%  nach  der  Taxe  des  Hauses  aus 
der  Accisekasse  des  Ortes  baar  gezahlt  werden  (13).  Haben  sie  den 
Bürgereid  geleistet,  sind  sie  Meister  geworden  und  haben  sie  geheirathet, 
so  bleiben  sie  noch  ein  ganzes  Jahr  von  aller  Consumtions- Accise,  von 
Einquartirung,  Servis  und  allen  andern  bürgerlichen  Lasten  ganz  frei. 
Den  Webern  werden,  wenn  sie  auf  eigene  Kosten  gekommen  sind, 
Stühle  geschenkt.  Die  anderen  erhalten  wenigstens  einen  Vorschuss 
hierzu,  der  in  vier  Jahren  ohne  Zinsen  zurückzuerstatten  ist  (13).  Einige 
Patente  handelten  fast  ausschliesslich  über  die  Handwerker,  doch  sind 
die  meisten  Bedingungen  nur  Wiederholungen  der  bereits  früher  aus- 
gesprochenen (11,  14).  Ebenso  wendet  sich  das  XVI.  Patent  haupt- 
sächlich an  die  Hausleute,  Leineweber  und  Spinner. 

Allen,  ob  Ackersleuten,  ob  Handwerkern,  ist  oft  zugesichert  worden: 
Befreiung  von  jeglicher  Leibeigenschaft,  damit  sie  gestellt  seien, 
wie  die  Unterthanen  in  der  Churmark  und  anderen  Provinzen,  allwo 
die  Leibeigenschaft  nicht  eigefuhrt  ist  (7),  später  nach  Aufhebung  der 
Leibeigenschaft  in  Lithauen  verstand  sich  jene  Bedingung  fast  von 
selbst.    Ebenso  ist  mehrere  Male  ausdrücklich  die  Befreiung  von  den 


von  Dr.  Max  Beheim- Schwarzbach.  35 

Werbungen  ausgesprochen  (3),  auch  wohl  mit  dem  Zusatz,  dass 
weder  sie  selbst,  noch  ihre  Kinder,  noch  ihr  Gesinde  wider  den  eigenen 
guten  Willen  zu  Soldaten  genommen  oder  geworben  werden  sollen  (7); 
doch  mag  wohl  zuweilen  gegen  dieses  Gebot  von  Seiten  der  Militär- 
behörde gefehlt  sein,  denn  es  wird  im  folgenden  Patent  (8)  geboten, 
es  möchte  sich  doch  Niemand  abschrecken  lassen,  wenn  hier  und  da 
Colonisten  zu  Soldaten  gepresst  wurden,  das  sei  entschieden  gegen  des 
Königs  Willen  geschehen ;  alle  Generale,  kommandirende  Offiziere  hätten 
hierauf  bezügliche  Ordres  empfangen.  Die  Colonisten  „  hätten  nichts 
zu  besorgen  und  sollten  beständig  unangefochten  bleiben.*  Auch  scheint 
es  mitunter  ziemlich  eigenmächtig  mit  der  Anwerbung  von  Colo- 
nisten fürPreussen  hergegangen  zu  sein,  denn  es  erschien  ein  eigenes, 
dies  Thema  behandelndes  Patent,  „Niemand  solle  mit  Gewalt  nach 
Preussen  zu  gehen  angehalten  sein"  und  es  kommen  bedenkliche  Wen- 
dungen vor.  „  Nachdem  Wir  zu  dem  Anbau  der  vielen  Mühlen,  Vor- 
werke und  Dörfer,  auch  einiger  Städte  in  Preussen  einer  ziemlichen 
Anzahl  Müller,  Zimmerleute  etc.  unentbehrlich  benöthigt  gewesen,  so 
haben  sich  zwar  die  meisten  dazu  freiwillig  gemeldet,  einige  jedoch 
haben  erst  hierzu  aufgehoben  werden  müssen.*  Das  Patent  spricht 
dann  die  Verwunderung  aus,  „dass  aus  diesem  Vorgang  Uebelgesinnte 
Gelegenheit  genommen  hätten,  auszusprengen,  als  wenn  auch  die  Hand- 
werker und  Unterthanen  in  Städten  und  aufm  platten  Lande  würden 
gezwungen  werden,  eine  gewisse  Anzahl  Familien  unter  sich  durchs 
Loos  aufzubringen,  welche  nach  Preussen  abgeschickt  werden  sollen." 
Dem  ist  aber  nicht  so  und  der  König  äussert  sein  höchstes  Missfallen 
über  einige  Beamten,  die  bei  der  bisherigen  Lieferung  der  nach  Preussen 
abzusendenden  Colonisten  gar  gröblich  excediret  und  verschiedene  mit 
Gewalt  aufgegriffen  und  mit  fortgeschickt  haben  sollen."  Eine  strenge 
Ahndung  dieser  Beamten  wird  in  Aussicht  gestellt,  die  Untersuchung 
ist  dem  officio  fisci  bereits  aufgetragen  (13).  Noch  ein  Mal  ergeht  des- 
halb an  die  Beamten  „alles  Ernstes"  der  strenge  Befehl,  bei  Strafe  der 
Kassation  und  anderer  Beahndung,  dass  keiner  „sich  a  dato  weiter 
unterstehen  soll,  einigen  Menschen,  er  sei  wer  er  wolle,  wider  seinen 

Willen,  um  nach  Preussen  zu  gehen,  anzuhalten  oder  zu  zwingen." 

3» 


36  Coloniaatorisches  aas  Ostpreußen 

Oft  waren  denn  auch  die  Colonisten  aus  Preussen  wieder  desertirt. 
Der  König  hielt,  wie  bereits  besprochen,  die  Juden,  Polen  etc.  für  ganz 
besonders  Schuld  hieran.  Mehrere  Patente  richten  sich  an  diese  Deser- 
teure, „es  solle  Alles  aus  dem  Wege  geräumt  werden,  was  sie  bewegen 
könnte,  etwa  ihre  Stellen  wieder  Preis  zu  geben  (9).  Andere  Patente 
versprechen  ihnen  aus  besonderer  Gnade  und  Clemenz  volle  Amnestie, 
sie  sollen  nur  wieder  kommen  und  Keue  bezeugen,  dann  würde  das 
Vergangene  pardonnirt  werden  und  sie  selbst  entweder  die  alten  Höfe 
wieder  erlangen  oder  neue  empfangen  (8,  9),  besonders  werden  die 
Schulzen  aufgefordert,  die  „  aus  blosser  ungegründeter  Furcht  gewichenen 
Leute  wieder  ins  Land  zu  ziehen"  (10),  oft  strafte  der  König  hart  für 
diese  Desertionen,  des  abschreckenden  Beispiels  halber,  doch  geht  näheres 
hierüber  aus  den  Patenten  nicht  hervor. 

So  sahen  wir  den  König  Friedrich  Wilhelm  unablässig  bemüht, 
das  entvölkerte  Land  von  Neuem  mit  tüchtigen  Menschen  zu  besetzen. 
Die  Patente  müssen  wir  als  sein  Organ  betrachten,  es  ist  die  Stimme, 
mit  welcher  er  zu  den  Fremden  spricht,  die  er  zu  seinen  neuen  Unter- 
thanen  machen  möchte;  seine  Wünsche  für  das  Wohl  seines  Landes 
haben  kaum  an  andrer  Stelle  so  treffenden  Ausdruck  gefunden,  als  in 
den  Worten  dieser  Patente.  Aber  hat  er  erreicht,  was  er  anstrebte? 
Zwar  äusserte  Friedrich  (3),  dass  er  mit  „sonderbarem  Wohlgefallen 
vernommen  habe,  dass  auf  seine  beiden  ersten  Patente  sofort  viele  ganze 
Familien  etc.  sich  eingefunden  hätten/  aber  sonst  beginnen  fast  alle 
Patente  mit  der  Wendung,  dass  immer  noch  etliche  wüste  Stellen  vor- 
handen und  zu  besetzen  sind.  Friedrich  Wilhelm  suchte  nach  Gründen, 
weshalb  die  Einwanderung  und  Kauf  der  Freigüter  nicht  recht  in  Zug 
käme  und  will  u.  a.  solche  darin  gefunden  haben,  „dass  die  alte  Bütneri- 
sche  Erhöhungszinser ,  als  auch  die  anderen  Kriegs-  und  Domänen- 
Prästande  beständig  auf  solchen  Gütern  haften  und  bisher  im  Best  ge- 
führt werden,  welche  dann  ein  weit  mehrers  ertragen,  als  die  Summe 
des  Kauf-Pretii  und  der  Werth  solchen  wüsten  Gutes  importiret.*  Er 
schafft  diese  und  alle  Kriegs-  und  Domänen-Prästanden,  nichts  ausge- 
schlossen, ganz  ab,  giebt  den  Käufern  der  Köllmischen  und  Freigüter 
vier  Freijahre  (12).    Aber  trotzdem   war  er  nicht   mit  der  Besetzung 


▼od  l)t.  Max  Beheim- Schwarzbach.  37 

der  Stellen  zufrieden,  im  Jahre  1724  verlangt  er  u.  a.  noch  400  Bauer- 
Familien,  die  des  Ackerbaues  und  der  Viehzucht  kundig  seien,  für 
Preussen  (14)  und  noch  im  letzten  Patent  hebt  er  fast  klagend  an, 
er  hätte  s  wahrgenommen,  dass  die  Unterbringung  der  noch  unbebauten 
Hufen  im  Königreich  Preussen  noch  nicht  nach  Wunsch  von  Statten 
geht  und  dass  die  bisher  in  solcher  Absicht  emanirten  Patente,  worinnen 
denjenigen,  welche  dergleichen  Hufen  zu  bebauen  annehmen  wollen, 
ansehnliche  Freijahre  und  andere  Beneficia  versprochen  worden,  den 
verhofften  Effect  nicht  gehabt,  sondern  dennoch  viele  Hufen 
unbebaut  geblieben."  So  will  er  denn  noch  ein  Mal  seine  Stimme  er- 
heben und  den  Ruf  über  die  Lande  erschallen  lassen,  Colonisten  in 
sein  geliebtes  Preussen  einzuladen.  Dieses  Patent  stammt  aus  dem 
Todesjahr  des  Königs,  es  ist  der  letzte  Grass  der  Sorge  an  seine  Lieb- 
lingsprovinz. 

Von  nun  an  hören  die  Specialpatente,  oder  wie  Friedrich  II.  sie 
lieber  nennt,  „Edicte*  für  Ostpreussen  auf.  Der  Edicte  Friedrichs  giebt 
es  eine  Unzahl,  ich  habe  keins  gefunden,  das  sich  ausschliesslich  mit 
diesem  Ostlande  beschäftigt. 


Ortsnamen  der  Provinz  Preussen. 

Von 

F.  Hoppe, 

Gymnasial  »Oberlehrer  in  Gumbinnen. 

(S.  Altpr.  Monatsschr.  XII,  289—298.  548—564.  XIII,  563—586.) 

IV. 

Der  3.  unter  den  litauischen  Wegeberichten  (Scriptor.  rer. 
Prussic.  Bd.  II  S.  667)  lautet:  „von  der  Menye  sint  III  deine  mile  uff 
die  Wewerse,  do  liet  man  die  andir  nacht,  do  czwischin  liet  eyn  cleyn 
vlys,  das  ist  eyne  myle  von  der  Menye  und  heist  die  Ayse;  von  der 
Wewerse  sint  III  cleyne  mylen  bis  uff  eyn  flys,  das  heist  die  Graw- 
manape,  do  liet  man  die  dritte  nacht,  do  czwisschin  geet  ouch  eyn 
flys,  das  heist  die  Sweisna.  Von  Grawmanap  ist  dry  mile  uff  die  Jure.* 
Nach  Th.  Hirsch  Menye  =  Minge,  Wewerse  =  Wewersze  (davon 
Wewershany  =  Leute  an  der  Wewersze),  Ayse  =  Aisse,  Sweisna 
(S.  664  —  Swexte)  =  Bach  bei  Szweksznie. 

An  der  Aisse  liegen  Ayssehnen  G.  Memel,  Oisjany  in  Russland 
(=  Leute  an  der  Aisse,  Oise),  Aschpurwen  —  purvas  Kot,  wie  auch 
in  russ.  Purwaitschen  —  D.  Memel,  auch  Poeszeiten.  Die  Grawmanape 
(Compositum  von  ape  Fluss,  Wasser),  welche  Th.  H.  nicht  nachweist, 
entspricht  dem  Gromena  =  Bach  östlich  von  Szweksznie,  welcher 
in  die  Scholpja,  Nebenfl.  der  Wewirsze,  geht;  rechts  davon  liegt 
Boreikjany  d.  i.  feit  Bareykin  (S.  664).  Im  2.  W.  S.  665  heisst  es: 
„das  4.  nachtleger  III  milen  uf  der  Meinie  .  .  .  ;  das  5.  uf  Bareyken- 
fell  und  ist  V  milen,  .  .  .  man  mus  bruken  obir  die  Weywirs  und  sust 
obir  eyn  dein  flys  mit  strüche;  von  dannen  vort  uf  die  Jure  hat 
man  III  mile,   do   czwischen  ist  eyn  grawde."     Das   „cleyn  flys  mit 


Ortsnamen  der  Provinz  Preuesen  von  F.  Hoppe.  39 

strüche11  scheint  auf  den  Gromena-Bach  zu  weisen  (=  Krumynas 
Gesträuch);  der  Grawde,  nach  Th.  H.  eine  besondere  Art  von  Waldung, 
bietet  vielleicht  denselben  Sinn  wie  S.  667  „hertis  gutis  waldes« 
(grudau,  grudzinu  härten).  Derselbe  gelehrte  Forscher  bemerkt  zum 
15.  W.  S.  674,  Santacka  (=0.  Sontoki  am  Zusammenfluss  der  Hansza 
und  Szeszuwa)  scheine  Zusammenfluss  zu  bedeuten,  und  stellt  den 
Namen  zu  lit.  s^taika,  sutaikau;  doch  ist  die  Ableitung  des  Namens 
von  teketi  laufen,  fliessen,  sutakas  Zusammenfluss  (*sq,takas) 
evident;  vgl.  Santaka  an  der  Szeszuppe  —  Kirsna,  Sontocken  an  der 
Minge  und  §antok  bei  Toppen  bist.- comp.  Geogr.  S.  99.  Bei  Sontoki 
liegt  das  Land  Crasyen,  bei  Santaka  Krasno.  Der  Name  des  grossen 
Patekim  in  der  Schneckenschen  Forst  (*  patekimas)  gehört  ebenfalls 
zu  teketi.  Die  Präposition  s$-,  su-  findet  sich  auch  im  poln.  sqsiad 
Nachbar  (siadatf),  s^siek  Scheuerfach  zu  beiden  Seiten  der  Tenne  (pasieka), 
stok  der  Zusammenfluss  (tok  Lauf,  Gang);  von  letzterem  sind  benant: 
Wittstock  (auch  3  in  Westpreussen),  Bialystock,  Eohnstock  D.  G.  Bolken- 
hayn  in  Schlesien,  von  tok  Rostock. 

Der  16.  W.  S.  674  besagt:  „das  erste  nachtleger  vom  habe  uf  dem 
Welbin,  das  ander  uf  der  Meletow,  das  3.  uf  demGresen  (=Greis- 
sonen  und  Gröszpelken  —  pelke  Torfbruch  —  D.  Tilsit;  vgl. 
Groeszen  und  Gröszuppen  —  upe  Fluss  —  D.  Memel).  Die  Meletow 
ist  nach  Th.  H.  an  der  Memel  in  der  Nähe  von  Eagnit  zu  suchen;  es 
ist  der  Bach  Malette,  an  welchem  Pamletten  (Präposition  pa  — ) 
liegt.  Zu  dem  Namen  Welbin  vgl.  Welpin  G.  D.  Konitz;  sollte  nicht 
der  Welm- Teich  damit  bezeichnet  sein? 

Im  42.  W.  S.  684  wird  die  Helledompne  erwähnt;  Th.  H.  ver- 
mutet ihre  Lage  südöstlich  von  Baitschen;  Nesselmann  thes.  ling.  Pruss. 
S.  34  erklärt  dumpne  (dummis)  mit  „Tal,  Sumpf \  Wer  erinnert  sich 
nicht  sofort  an  die  Pakladim  bei  Puspern  (Altpr.  Monatsschr.  1875, 
S.  556),  die  vom  Volke  „Höllenbruch*  genannt  wird;  pakladim  ist 
demnach  aus  pakladimme,  pakladumme,  pekladumpne  verstummelt,  und 
bedeutet  Höllensumpf,  Höllengrund,  Höllenbruch;  pekla  Hölle. 

Der  75.  W.  S.  697  führt  das  „feit  Molwat*  (S.  689  flis  Molwat) 
an,  welches  Th.  H.  mit  dem  Omalwa  Bruch  identificiert  (daher  auch 


40  Ortsnamen  der  Provinz  Preussen 

ein  Ort  Omalwiszki) ;  diese  Formen  geben  meiner  Erklärung  von  Mall- 
wischken und  Mulwien  (mulve  ein  von  oben  verwachsener  Sumpf,  der 
noch  nicht  überhält;  vgl.  Omulef  =  Malien)  eine  neue  Stütze. 

Im  88.  W.  S.  702  wird  der  Swansee  zwischen  den  Nachtlegem 
„czu  Licke  und  czu  Prywiske"  erwähnt;  Th.  H.  setzt  ihn  in  die  Nähe 
des  Eaygrod;  nordöstlich  von  diesem  liegt  die  Ortschaft  Labentnik, 
deren  Name  vom  poln.  labgdi  der  Schwan  herzuleiten  ist,  wie  Laben z 
D.  Kulm,  sechs  L.  im  Begier ungsbezirk  Köslin,  labenz  lacus  bei  Nesselm. 
a.  0.  S.  87,  Labens  G.  Alienstein,  Labendzowo  D.  Rössel;  die  von 
lit.  gulbe  der  Schwan  abgeleiteten  Ortsnamen  sind  in  der  Altpr.  Monats- 
schrift 1875,  S.  557  besprochen;  der  deutsche  Name  Schwansee  ist 
analog  den  folgenden  „Creutz,  aufm  Sande,  krummer  See". 

Th.  H.  bemerkt  zum  94.  W.  S.  706,  dass  der  in  der  Nähe  von 
Odelsk  fliessende Nebenfl.  desSwislocz  wohl  Lassassa  geheissen  habe; 
doch  westlich  von  Odelsk  fliesst  ja  die  Losogna,  Nebenfl.  des  Bobr- 
Memel;  an  derselben  liegen  zwei  Orte  Lososna  (altpr.  lasasso,  lit. 
laszis  Lachs). 

Der  5.  W.  S.  667  erwähnt  Mirgalyn  (=  S.  674  uf  der  Mirgla), 
d.  i.  der  Mirglon-Bach,  welcher  oberhalb  von  Meischlauken  in  die 
Sziesze  fällt;  der  13.  W.  S.  673  die  Asarune  d.  i.  die  Eseruna,  Ab- 
fluss  des  Drauden-Sees  (eieras  See);  der  42.  W.  S.  685  zwischen  Sche- 
schuppe  und  Memel  die  Sassene  =  Sosna,  Nebenfl.  der  Scheschuppe 
bei  Sargucie,  wonach  Sosnowa  benannt  ist,  Pobalxte  =  Pawa  — 
balxne,  Zufluss  der  Pilwa  (?),  Jusse  =  Jesie,  woran  Jesiotraki  und 
Pojesze  liegen ;  (in  der  Nähe  Ilgowangi,  das,  wie  Alschwangen  bei 
Goldingen  =  Alexwangen,  Nesselm.  a.  0.  S.  199  unter  wangus,  überdies 
S.  56  unter  ilga  nachzutragen  ist),  Swyntowe  (S.  552  heisst  so  ein 
Nebenfl.  der  Wilia),  Wyte;  der  43.  W.  S.  685Milow  d.  i.  die  Melawa, 
nach  welcher  Melauken  (nicht  componiert  mit  laukas  Feld)  und  Mela- 
wischken  D.  Labiau  benannt  sind;  —  über  die  Suffixe  —  ka  und 
—  iszkas  vgl.  Schleicher  I.  125,126;  —  Wosse  (nach  Th.  H.  =  Ossa), 
Taure  d.  i.  der  Taurut-Bach  (Deminutivform),  dem  Gross-  und 
Klein-Taurothenen  den  Namen  verdanken. 

S.  708  wird  eine  Burg  in  der  Wildnis  bei  InsterburgSwaygube, 


von  F.  Hoppe.  41 

S.  639  Sweygruwen  (ann.  1390)  erwähnt;  wer  denkt  da  nicht  sofort 
an  Schwaegerau?  Das  „fliez  Irmenow*  S.  709  entspricht  dem 
Bache,  an  welchem  Ormianiszki  liegt,  östlich  von  Kawaliczki. 

S.  92  erklärt  Ernst  Strehlke  Malowe  =  Malaini  (?)  in  der  Nähe 
von  Poniewiei;  an  diesen  Namen  erinnern  auch  Malupie  links  von  der 
Dubissa  nordwestlich  von  P.,  Melowiany  östlich  von  Plytynie 
(=  Pluten),  welches  nordwestlich  von  Worny,  nordöstlich  von  Miedyn- 
giany  liegt  (S.  &6  werden  Pluten,  Malowe,  Warnen,  Medeniken  zugleich 
aufgeführt),  am  wahrscheinlichsten  Melowiay  nördlich  von  Widukle. 
Auf  Opithen  S.  99  =  üpita  (S.  78  Opythen)  weist  Opytelaken  = 
Opitoloki  links  von  der  Nawese  hin. 

Sollte  der  Flussname  Gresaude  S.  571  nicht  mit  Grawze,  0.  an 
einem  Nebenfluss  der  Szaltuna,  oder  mit  dem  südlich  davon  gelegenen 
Gruzdo  zusammenhängen;  ein  Nebenfl.  der  Sziesze  heisst  Gruzdupp. 

Toppen  stellt  in  seiner  hist.-comp.  Geogr.  S.  120  die  Grenze  zwischen 
Löbau  und  Sassen  fest;  nach  demselben  hiess  der  bei  Görlitz  in  die 
Drewenz  fliessende  Bach  Griselanos  oder  Grisla;  derselbe  Name  ist 
auch  in  Gry  zun  G.  Löbau,  welches  rechts  von  der  Drewenz  an  einem 
Bache  liegt,  erhalten.  Erinnert  vielleicht  das  Vorwerk  von  Montowo 
Bialoblotto  =  Weissbruch  an  Lichtenheide  (nach  Toppen  a.  0. 
S.  121  =  Gronowo)  ? 

Königsberg  ist  auf  einem  bewaldeten  Hügel  tw angst  (Nesselm. 
a.  0.  S.  193)  gegründet  worden;  denselben  Namen  zeigt  Wangst 
D.  Bössei,  in  dessen  Nähe  Porwangen  liegt;  also  wangus  = 
twangus?  — 

Nesselm.  bemerkt  a.  0.  S.  192:  Tupadel,  nom.  viri,  1264  Ver- 
teidiger von  Welau;  merkwürdiger  Weise  findet  sich  heute  ein  Dorf 
Tupadel,  aber  im  Kreise  Neustadt,  im  nördlichsten  Teile  vonPomme- 
rellen.  Ich  meine  nun,  dass  der  Ortsname  Tupadel,  früher  Tupadly,  auf 
den  Ursprung  der  Familie  Tupadel  weist;  überdies  liegt  ein  Ort  Tupadly 
zwischen  Lipno  und  Dobrzyü,  D.  Schulin  und  2  G.  Inowraclaw;  vgl. 
Dummadel  in  Pommern,  Kosiadel,  Nassadel,  Tampadel  in  Schlesien.  Zu 
dem  Artikel  Damerau  (Nesselm.  a.  0.  S.  27)  bemerke  ich,  dass  in  der 
Provinz  Pommern  20  Ortschaften  Damerow,  in  Brandenburg  vier 


42  Ortsnamen  der  Proviue  Preussen 

dess.  Nam.  liegen;  ausserdem  Dammerau  in  Schlesien,  Oslawdamerow 
in  Pommern. 

Wieviel  die  Erklärung  der  Ortsnamen  unserer  Provinz  aus  der  Durch- 
forschung der  Gründungsurkunden  gewinnt,  habe  ich  in  meiner  Schrift 
»Ortsnamen  des  Regierungsbezirks  Gumbinnen  1877*  erwiesen.  Für  den 
Kreiß  Lyk  kann  ich  noch  folgendes  beibringen.  Statzen  gründen  1482 
Stank  und  JanStatzko.  —  Alt-Krzy  wen  wird  1472  am  krummen  See 
(Krzywy  krumm)  angelegt.  —  Krzysewen  verleiht  der  oberste  Spittler 
und  Comthur  von  Brandenburg  Veit  von  Gich  „auf  Creutz  genannt  im 
Gebiet  Brandenburg  und  im  Kammeramt  Lötzen  gelegen  *  (Krzyz 
Kreuz)  15  Hufen  1471  am  Freitag  nach  Martini  an  Bogdan  (an  diesen 
Personennamen  erinnern  Bogd ahnen  3  D.  Niederung,  Bogdainen 
D.  Allenstein,  Bogdanken  G.  Graudenz).  Hierzu  vgl.  Toppen  a.  0. 
S.  30  über  das  Territorium  Kirsau  der  Landschaft  Sudauen:  Kirsau 
ist  nach  Hennenberger  Kryssowa,  nach  Hennig  Kryssowen  nordöstlich 
von  Bialla,  nach  Voigt  Krzywen  3  D.  zwischen  Oletzko  und  Arys  west- 
lich vom  Laszmiaden-See  (ein  D.  dess.  Namens  auch  nordöstlich  davon), 
nach  Toppen  vielleicht  Krzysewen  östlich  vom  Scoment-See  oder 
Krzyzewken  östlich  von  Oletzko.  Ich  bemerke  hierbei,  dass  nordöstlich 
von  Krzyzewken  ein  „krummer  See"  liegt,  nördlich  von  Filipowo  Krzy- 
wulka  am  Krzywne-See,  südöstlich  von  Kalwary  2  0.  Kirsna,  Kirsnionce, 
nordöstlich  davon  Krzywa.  Doch  auf  das  Territorium  Kirsau  deutet 
entweder  Krzywen  im  Kirchspiel  Pissanitzen  am  Krzywer  See  oder 
Krzyz,  Krzywo  südöstlich  von  Suwalki.  Ein  anderes  Territorium  hiess 
Krase  (Dusburg  Krasine ?) ;  Toppen  bezieht  darauf  Krasno,  Krasnopol, 
(Krasnybor);  vgl.  Krasne  nordöstlich  von  Knyszyn,  Krasna  zwischen 
Kalwary  und  Zimno,  besonders  aber  Okrasin  links  von  der  Wysa 
nicht  weit  von  ihrer  Mündung.  Nördlich  von  Serrey  liegt  Seyluny 
(Selien,  Syllones?).  Die  Furt  Gewelta  an  der  Szeszuppe  findet  sich 
wieder  in  dem  Ortsnamen  Gewaltowa  östlich  von  Pilwiszki  (nach 
dem  Fluss  Pilwa  benannt).  An  das  Land  Weyzze  (Toppen  =  Wyzayn 
bei  Wistyten)  erinnert  das  Kirchdorf  Weysze,  zwischen  Seen  gelegen, 
mitten  anf  dem  Wege  von  Seyny  nach  Liszkowo;  davon  ist  der  Name 
des  südlich  gelegenen  Powieszniki  (wie  von  Serrey  Paserninki)  abgeleitet. 


von  F.  Hoppe.  43 

Piasken  giebt  der  oberste  Spittler Bernhard  von  Balzhofen  zum  deutschen 
Dorf  am  Lassemundt  (Laszmiaden  See)  „aufm  Sande"  (piasek,  piasku 
Sand)  zwischen  Stradaunen  und  Czeissen  d.  i.  Zeysen  (1472  gegründet) 
1474  am  Tage  Bartholomaei.  —  Rumeyken  ist  nach  seinem  Be- 
gründer Stenzel  Kumeyke  1472  benannt.  —  Makoscheyen  gründen 
Woiciech  Mayko,  Jacob  Prostka,  Jan  Gronstay,  Jan  Brodowski  1483; 
Brodowen  ist  vermutlich  von  einem  Brodowski  (vgl.  Grontzken  in 
„Ortsnamen  des  Regierungsbezirks  Gumbinnen  1877*  S.  9),  Prostken 
von  einem  Prostka  angebaut  worden.  —  Bydzewen  erhalten  Pawel 
und  Stenzel  von  Rizoff  sky  aus  der  Masau  zwischen  Kessel  (=  Koczolek 
See;  Kociolek  ein  Kessel)  und  Kukowa  (=  Przytuller  oder  Gonsker 
See  nach  der  Karte  von  F.  A.  von  Witzleben,  1859)  1526;  vorher  be- 
sass  das  Land  Stanislaff  Szembritka.  —  Marczynowen  giebt  der  oberste 
Spittler  Veit  von  Gich  dem  Martin  Warsche  und  Jacob  seinem  Ohm 
30  Hufen  auf  Seh  wart zen  im  Gebiet  Brandenburg  1472  am  Donners- 
tag vor  Reminiscere;  czarny  schwarz;  daher  der  Bach  Czarna.  — 
Dluggen  ist  1491,  Gingen  1471,  Grabnik  1484,  Jebramken  1495, 
Kowahlen  1471  (von  Stenzel  Littau)  und  Maaschen  1494  —  beide 
auf  dem  Pohubel,  Nikolayken  =  Mik.  1475,  Przykopken  1515, 
Rostken  am  See  Kraucksten  (Krakstein)  1483,  Skomentnen  1486, 
Socien  1493,  Szelassen  (Siel.)  1569,  Thalussen  1476,  Thu- 
rowen  1473  verliehen  worden;  Gurkeln  D.  Sensburg  1477,  Sumken 
D.  Johannisburg  1442.  —  Das  R.  Theer wisch  Kr.  Orteisburg  hiess 
nach  einer  freundlichen  Mitteilung  des  Herrn  Landschaftsrats  Kunze  — 
Heinrichsdorf  früher  T a r g o w i e s  (fundus  familiae  de  Targowies), 
und  hat  demnach  nichts  mit  der  Theerfabrikation  zu  schaffen.  —  Ein 
Teil  in  der  Tzulkinuer  Forst  (Wiesenterrain)  führt  den  Namen  Kugim- 
ballis  d.  h.  ein  Biuch  (bala,  balis),  auf  dem  grosse  Heuhaufen  stehen 
blieben  (Kugis  ein  grosser  Heuhaufen,  *  Kugimas).  —  Permauern 
D.  Labiau  =  hinter  der  Mauer,  über  die  M.  hin  (Praeposition  per  — ), 
wie  Perkallen  =  jenseits  des  Berges,  über  den  Berg  hin;  Perkappen 
D.  Friedland  (auch  G.  Labiau)  =  über  die  Damerau  Berge  hin  (kape 
Hügel).  Auf  Loschen  D.  Eylau  weist  das  südöstlich  davon  gelegene 
Poschloschen  (Posluschnen  nördlich  von  der  Schalpia)  hin.  — 


44  Ortsnamen  der  Provins  Preussen. 

Eine  Urkunde  über  Koslau  Kr.  Sensburg,  ausgestellt  am  Montag 
nach  omnium  sanctorum  1483,  erwähnt  Heinrich  vonSeben  (Seeben) 
als  Hauskomthur  zu  Königsberg;  derselbe  ist  1490  nach  Voigts  Namen- 
Codex  der  deutschen  Ordens-Beamten  S.  37  Comthur  zu  Memel,  und 
ist  vermutlich  identisch  mit  Heinrich  von  Sehwen,  seit  1485  Bischofs- 
vogt zu  Samland  (a.  0.  S.  78);  vgl.  die*  Laufbahn  des  Bischofsvogts 
Heinrich  von  Richtenberg.  Nach  einer  Urkunde  über  Salpkeim  D.  dess. 
Kreises  war  Werner  von  Harren,  welcher  (S.  93)  als  Pfleger  zu 
Lyk  1494  und  1518  aufgeführt  wird,  auch  1490  mit  diesem  Amt  be- 
traut gewesen.  —  Konrad  von  Nothaft  (Conrath  Nothhaff),  Pfleger 
zu  Barten  1482—1484  (S.  83),  nennen  die  Urkunden  über  Gingen,  Ko- 
wahlen,  Krzysewen  Kr.  Lyk,  ausgestellt  am  Freitage  nach  Martini  1471, 
die  über  Marcinowen  (Marczynowen),  ausgestellt  am  Dienstage  vor  Be- 
miniscere  1472  (=  Conrath  Nothaft  von  Weiszenstein),  und  über  Thu- 
rowen  D.  dess.  Kr.,  ausgestellt  am  Tage  der  Bekehrung  Pauli  1473, 
Hauskomthur  des  obersten  Spittlers  von  Gich;  Ludwig  von  Ho rnheim, 
Pfleger  zu  Neidenburg  1477—1484  (S.  95)  wird  in  Urkunden  über  Niko- 
layken,  Stradaunen  (1475)  und  Czymochen  (1476)  Kr.  Lyk  Hauskomthur 
des  obersten  Spittlers  von  Balzhofen  zu  Brandenburg  genannt;  derselbe 
ist  einfacher  Zeuge  bei  der  Verschreibung  von  Gingen  (1471)  und 
Marczynowen  (1472);  Ruprecht  Bartner  von  Lützeldorf  (?)  ist 
nach  der  Urkunde  über  die  Mühle  Klein  Skomentnen  (nom.  propr. 
Scoment)  1486  Hauscomthur  des  obersten  Spittlers  von  Tiefen,  Adam 
von  Halle,  Pfleger  zu  Insterburg  1495—1497  (S.  88),  nach  der  Ur- 
kunde über  Dluggen  1491  und  Maaschen  1494  Hauscomthur  des  obersten 
Spittlers  von  Schwansdorf. 

M.  Perlbach  erwähnt  in  seinen  trefflichen  Preussischen  Regesten 
(Altpr.  Monatsschr.  1874,  S.  18,  Nr.  1222)  zuerst  unter  den  Dörfern, 
die  Graf  Syro  um  Kulm  besass,  Samek,  welches  Kgtrzyüski  (a.  0. 
1875,  S.  578)  auf  Zamek  bei  Thorn  bezieht.  Ein  Kulmer  Dorf  heisst 
Podzammek  =  Podzamek  (auch  eine  Vorstadt  von  Bliesen);  ent- 
weder ist  nun  P.  das  alte  Samek  oder  letzteres  lag  in  seiner  Nähe 
(Zamek  Schloss).  Pomszyno  erinnert  wohl  zunächst  an  Mszyn  G. 
Löbau,  Nedalyno  an  Duliniewo  D.  Thorn.   Altkirch  beiGuttstadt 


▼od  F.  Hoppe.  45 

(Nr.  1208)  hiess  früher  carapus  prayslitte  (Nesselm.  a.  0.  S.  141;  Prä- 
Position  pray  — ),  womit  der  Heilsberger  Dorfname  Schlitt  zusammen 
zu  stellen  ist;  imlit.  heisst  szlitte  eine  Kornhocke,  zehn  Paar  zusammen- 
gestellter Garben  auf  dem  Felde. 

Die  Chronik  Wigands  von  Marburg  (Scriptor.  rer.  Prussic.  II,  518) 
meldet:  »tertia  pars  (Lithwanorum)  iussu  regis  transeunt  flumenTacte 
et  intrant  terram  Kaymen."    An  die  Tacte  (Schütz:  Katte)  erinnert 
die  Tactausche  Bek  bei  Tactau  G.  Labiau.  —  M.  Toppen  erwähnt 
in  seiner   ausgezeichneten  Geschichte  Masurens  (Einleit.   S.  XIII)  den 
Wonsz  See,   welcher  mit  dem  Spirding  durch  das  Schlangenfliess 
(nach  der  Handfeste  von  Sastrosnen  1477)  oder  durch  das  Wensoffker 
Fliess  (nach  der  Handfeste  von  Wensoffken  1539)  in  Verbindung  steht; 
der  Name  Schlangenfliess   rechtfertigt  die   Zusammenstellung   des 
Namens  Wonsz  mit  „w%£,  w§za  die  Schlange;11  demnach  dürfte  wohl 
auch  der  Name  des  Gutes  Wensöwen,   welches  1484  Matthes  Wen- 
sowski  erhält,  mit  dem  Adjectivuin  wgzowy  zusammenhängen.  —  Bei 
Plaschken  D.  Tilsit  liegen  die  Kunigischker  Wiesen  =  Pfarrwiesen 
(Eunigiszkas  =  Kuningiszkas);   Brödlauken  und  Warrupönen  D. 
Pillkallen  haben  auch  den  Beinamen  Kunnigischken,  letzteres  wohl 
deshalb,  weil  es  der  Pfarrer  zuWilluhnen  Christian  Sperber  1685  er- 
hielt; Eunigehlen  D.  Darkemen  ist  von  dem  Deminutivum  Kunigelis 
=  Kuningelis  abzuleiten.  —  Zu  Milchbude  G.  Tilsit  gehört  (am  Wege 
nach  Winge)  die  Jeworien,  nach  der  Pappel  javoras  benannt  (unter 
javoras  versteht  man  in  jener  Gegend  nur  die  Pappel,  nicht  den  Ahorn) ; 
im  Lexicon  ist  javorynas  der  Pappelwald  nachzutragen.  —  Zwei  Weide- 
plätze bei  Perwalkischken  G.Niederung  nennt  man  Glosnien  von  der 
dort  wachsenden  salix  alba;  glosnynas  ein  Weidengebüsch ;  hier  ist  auch 
ein  alter  Memellauf  Szernut  (Deminutivum  von  szernas  Eber?).  — 
Zwischen  Enskemen  und  P atiischen  D.  Stallupönen  fliess t  ein  Bach 
zur  Rausch we,  der  früher  vielleicht  Tilie  hiess;   C.  Marold,  Lehrer  an 
der  hiesigen  höheren  Bürgerschule,  leitet  P.  von  „tiltas  die  Brücke* 
ab,  also  =  patilczei;  auf  dem  Wege  vonE.  nach  P.  passiert  man  eine 
Brücke  über  jenen  Bach;   an  demselben  liegt  das  Wiesenstück  Paupis 
(fast  zweisilbig  auszusprechen;  Präpos.  pa-,  upe  Fluss);  ausserdem  ge- 


46  Ortsnamen  der  Provinz  Preussen  von  F.  Hoppe. 

hören  zu  Enskemen:  die  Wiese  Lankas,  das  Feldstück  Laukelis 
(Deminutivum  von  laukasFeld),  diePerapines  (pempynas  ein  an  Kie- 
bitzen reicher  Art;  noch  in  den  dreissiger  Jahren  war  gerade  dieser  Bruch 
mit  Kiebitzen  stark  bevölkert),  die  Nendrines  (nendrynas  Rohrbruch). 
M.  Toppen  spricht  in  seiner  Geschichte  Masurens  S.  38  über  Z  a- 
meczek  (Scblösschen)  und  Jebour  in  der  Johannisburger  Forst  zwischen 
Mucker-  und  Baldahn-See;  dazu  bemerkt  derselbe:  „In  dem  Hand- 
festenbuche des  Amtes  Khein  Fol.  B.  16  des  Königsb.  Archivs  Fol.  33a 
findet  sich  die  Notiz:  Geburge  ist  auch  ein  Neudorf,  hat  keine  Hand- 
feste, besitzt  44  Hufen  zu  kölmischen  Rechten.  —  Ob  dieses  offenbar 
untergegangene  Dorf  G  e  b  u  r  g  e  mit  Jebour  am  Kruttingfluss  indentisch 
ist?"  —  Diese  Frage  ist  zu  verneinen;  denn  das  Dorf  Geburge  ist 
nicht  untergegangen,  sondern  es  hat  nur  den  polnischen  Namen  an- 
genommen, nämlich  Gurra  (gtfra  =  Berg;  vgl.  „Ortsnamen  des  Reg. 
Bez.  Gumbinnen"  S.  8).  Markgraf  Albrecht  verlieh  an  Paul  Karath 
(Kanath)  44  Hufen  im  Gebiet  Arys  zu  kölmischen  Rechten  zu  einem 
Dorf  Geburge  genannt  am  15.  Mai  1541  zu  Königsberg;  K.  war  ver- 
pflichtet alljährlich  zu  Martini  von  jeglicher  Hufe  „auf  das  Haus  Rhein" 
eine  Mark  gewöhnlicher  Münze  zu  zahlen  und  ein  Viertel  Roggen,  ein 
Viertel  Weizen,  einen  Scheffel  Hafer,  2  Huhner  zu  liefern.  Das  neue 
Dorf  grenzte  an  Mikossen  (nach  einem  Besitzer  vor  1468  benannt), 
den  Tirklo  See,  das  neue  Dorf  Türkei,  das  Gut  des  „Zedwizers," 
Pianken  (1452  Wolfs dorf  genannt).  —  T.  berichtet  a.  0.  S.  94, 
dass  Philippus  Wildenau  seinem  getreuen  Diener  Heinrich  Hasenberg(er) 
32  Hufen  1399  verlieh;  nach  diesem  Besitzer  ist  Hasenberg  D.  Osterode 
benannt;  —  S.  101,  dass  Ulrich  von  Jungingen  1401  das  Freigut 
Petzendorf  (=  Peitschendorf,  Kr,  Sensburg)  an  Petzym  von  Musch- 
kake  (45  Hufen)  und  Jocusch  von  Rademin  (15  Hufen)  gab;  Petzen- 
dorf  ist  also  das  Dorf  des  Petzym;  —  S.  164,  dass  Niklasdorf  oder 
Nicolaiken  seinen  Namen  von  der  Kirche  Sancti  Nicolai  hat,  wie 
Claussen  D.  Lyk  wohl  von  der  Clausula  Mariana  auf  einer  weithin 
sichtbaren  Höhe  zwischen  drei  Seen. 


Johann  Arnos  Comenins  in  Elbing. 

Von 

Prof.  »r.  Alb.  Renseh. 

Es  ist  bekannt,  dass  Comenius  imOctober  1642  nach  Elbing  kam 
und  hier,  von  Ludwig  de  Geer  freigiebig  unterstfitzt,  sechs  Jahre  lang, 
mit  mehreren,  oft  wechselnden  Gehülfen  hauptsächlich  an  didactischen 
Schriften,  daneben  aber  auch  an  einem  weit  aussehenden  und  nie  vol- 
lendeten Werke,  der  Pansophie,  arbeitete.  Genauere  Nachrichten  über 
diese  Jahre,  grossen  Theils  nach  Briefen  des  Comenius  selbst,  verdanken 
wir  Gindely,  der  1855  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie 
der  Wissenschaften,  Philosophisch-historische  Klasse,  B.  15,  p.  482  ff.  eine 
Abhandlung  über  des  Comenius  Leben  und  Wirksamkeit  in  der  Fremde 
veröffentlicht  hat.   Neuere  Schriften  haben  nichts  erhebliches  hinzugefügt. 

Ob  aber  Comenius  an  dem  Elbinger  Gymnasium  unterrichtet  hat, 
lässt  sich  aus  Gindely's  Schrift  nicht  mit  voller  Klarheit  erkennen.  Er 
sagt  allerdings,  p.  499,  der  Ruhm  desselben  habe  viele  Schüler  an  das 
Elbinger  Gymnasium  gezogen,  aber  gleich  darauf  lesen  wir,  Comenius 
habe  auf  den  Vorwurf  Geer's,  dass  er  durch  Nebenbeschäftigungen  den 
gedeihlichen  Fortgang  seiner  literarischen  Unternehmungen  beeinträchtige, 
am  18.  September  1644  geantwortet,  er  ertheile  allerdings  dem  Sohne 
eines  angesehenen  Privatmannes  einige  Unterrichtsstunden,  doch  ge- 
schehe dies  nur  auf  dringendes  Bitten  des  Elbinger  Raths,  —  eine 
Entschuldigung,  die  offenbar  voraussetzen  lässt,  dass  Comenius  an  einer 
öffentlichen  Schule  nicht  thätig  war.  Leider  theilt  Gindely  den  Text 
dieses  Briefes  nicht  mit  und  bemerkt  über  den  Widersprach  nichts. 
In  einem  spätem  Schreiben  an  Geer  vom  1.  December  1644  berichtet 
Comenius,  der  Senat  von  Elbing  habe  ihm  für  die  Zukunft  —  nvan 
sieht  nicht,  aus  welchem  Grunde  —  die  Miethe  seines  Hauses  geschenkt. 
Seyffarth  wiederholt  in  seinem  Buche  über  Comenius,  Leipzig  1871,  die 
Angaben  Gindely's,   Baur  in  der  Schmidscben  Encyklopädie  des  Er- 


48  Johann  Arnos  Comenins  in  Elbing 

ziehungs-  und  Unterrichtswesens  und  Lindner  in  der  Einleitung  zu  des 
Comenius  grosser  Unterrichtslehre,  Wien  1877,  haben  es  vorgezogen 
die  unklaren  Beziehungen  desselben  zu  dem  Elbinger  Gymnasium  und 
Rath  mit  Stillschweigen  zu  übergehen. 

Nun  enthält  aber  das  hiesige  Archiv  einige  Stücke,  die  es  ausser 
Zweifel  setzen,  dass  Comenius  vom  Juli  1644  bis  zum  Juli  1645  als 
Professor  extraordinarius  am  Elbinger  Gymnasium  in  acht  wöchentlichen 
Stunden  Philosophie  gelehrt  hat,  und  dass  die  freie  Wohnung  zu  den 
Emolumenten  seines  Amtes  gehörte.  Bei  der  Bedeutung  des  Mannes 
wird  ein  vollständiger  Abdruck  dieser  Stücke  wohl  gerechtfertigt  scheinen, 
Sie  befinden  sich  in  einem  der  Sammelwerke,  an  denen  unser  Archiv 
reich  ist,  Jacob  Boule  Elbingensia,  tom.  I,  sind  aber,  wie  die  Unter- 
schriften zeigen,  aus  den  Becessus  causarum  publicarum  jener  Zeit,  die 
leider  verloren  sind,  abgeschrieben. 

p.  607.    Revisio  Gymnasii  Elbingensis. 

Sr.  Ehrenfesten  Herrl.  H.  Bürgermeister  Koy  referirt,  wie  dass  die 
H.  Deputirte,  Eines  Ehrb.  Baths- Verlasz ')  nach,  wegen  unseres  Gym- 
nasii, wie  selbes  in  bessern  Zustand  gebracht  werden  möge,  zweimal 
zusammen  gewesen,  und  darin  viel  Mängel  befunden,  welche  billig  zu 
revidiren  sein;  unter  welchen  man  wohl  gesehen,  dass  solche  theils  an 
unserm  H.  Bectore  liegen,  welcher  stets  nicht  in  der  Schulen,  auf  welche 
er  die  Inspection,  wie  billig,  haben  soll,  theils  auch  an  unserm  H. 
Conrectore,*)  und  an  denen,  so  ihm  nicht  contradiciren  dörfen,  liegen, 
dahero  diese  gemeinen  Querelen,  so  theils  von  den  unsrigen  als  auch 
unsern  benachbarten  hören  müssen,  entstehen  und  mit  groszen  Schaden 
die  unsrigen  empfinden  müssen,  dasz,  wie  mit  ihnen  nur  allhier  die 
instrumentales  artes  und  keine  realia  getrieben  werden,  sie  erst  auf 
Universitäten  Philosophiam  hören,  und  wenn  sie  nachmals  ad  facultatem 
aliquam  schreiten,  oder  dieselbe  fortsetzen  sollten,  sie  alsdann  wegen 
der  grossen  Spesen  und  Unkostungen  sich  nach  Hause  begeben  müssen. 
Dahero  diesem  allen  besser  vorzukommen  der  H.  Deputirten  Bedenken 


*)  Veriasz,  wohl  Veranlassung. 

■)  Rector  war  Michail  Mylius,  Conrector  Johann  Gramer, 


Ton  Prof,  Dr.  Alb.  Benseh.  49 

ist,  dass  wie  allhier  die  Mängel  und  Obstacula  bei  der  Schalen  zuvorn 
revidirt  werden  müssen,    nebenst  denen  allhier  Philosophia   oder  pars 
ejns  per  Extraordinarium  gelesen  werden  müsse,  und  ist  von  ihnen  H. 
Comenius  und  Babius,  ein  gelehrter  Mann  aus  Dänemark, 3)  zum  extra- 
ordinario  professore  vorgeschlagen  worden,  wie  aber  Babius  ein  Fremder 
und  H.  Comenius  ein  Jahr  etzliche  bei  uns  sehr  berühmt  ist  und  ge- 
lebt hat,  und  seinetwegen  etzliche  von  Adel   schon  aus  Polen  anhero 
geschickt  worden,   und  durch  ihn   unser  Gymnasium  berühmt  werden 
möchte,  als  gingen  ihre  Gedanken  auf  H.  Comenium,   ihn  zum  extra- 
ordinario  professore,  doch  dasz  die  aemulationes  verhütet  vorzuschlagen, 
Solches  ihr  Bedenken  haben  sie  E.  Erb.  Bath  einbringen  wollen,  dem- 
selben anheim  stellende,   da  derselbe  diesen  ihren  Vorschlag   vor  gut 
befinden  sollte,   ob  mit  ihm  desfalls,   dass  er  diese  Provinciam  extra- 
ordinariae  professionis,  Philosophiam   oder  dessen  partem  publice   zu 
lesen  auf  sich  nehmen  wollte,  zu  reden,  und  da  ex  solches  thun  wollte, 
was  ihme  hergegen  zum  recompens  gegeben  werde  sollte.  —  Wie  nun 
dies  alles,  ob  es  itzo  rathsam  sei,  statum  scholae  nostrae  zu  evertiren 
und  einen  extraordinarium  professorem,  wodurch  aemulationes  und  dis- 
sensiones  entstehen  möchten,  zu  schaffen,  die  Unkostungen  auch  hierzu 
sehr  schwer  fallen  wurden,  wohl  erwogen,  und  die  Meinunge  auch  nicht 
gewesen  statum  scholae  nostrae  zu  immutiren,  sintemal  H.  Bector  und 
Conrector  bei  dem  allen,  was  schon  ihnen  auferleget  und  gesetzet  wor- 
den, verbleiben,  dieses  auch  nichts  neues  ist,  sintemal  solches  auf  Uni- 
versitäten und  in  unsern  benachbarten  Städten  Thorn  und  Danzig  bis- 
hero  dergestalt  in  Acht  genommen,   und  keine  aemulationes   desfalls 
hieraus  zu  befahren,  sintemal  der  Extraordinarius  mit  dem  H.  Bectori 
nichts  zu  thun  habe,  als  hat  pluralitas  votorum  der  H.  Deputirten  Vor- 
schlag dergestalt  approbiret,  dass,  ehe  mit  H.  Gomenio  hievon  geredet 
würde,  die  H.  Deputirte  solches  zuvorn  mit  H.  Bectore  und  Conrectore, 
dasz  E.  Erb.  Bath  zu  Bemedirung  .der  gemeinen  Querelen  auf  einen 


*)  Johann  Kaue  ans  Berlin,  damals  Lehrer  an  der  Bitterakademie  zu  Soroe. 
Er  wurde  1645  Professor  extraordinarius  zu  Danzig  (Praetorius,  Athenae  Gedanenses, 
p.  94),  und  ist  wohl  der  Ravius,  den  Comenius  als  Mitarbeiter  nach  Elbing  ziehen 
wollte  (Gindely.  p.  500). 

Altpr.  Monate»«hrift  Bd.  XIV.  Hfl.  Inj.  4 


50  Johann  Arnos  Comentas  in  Eibin;  Ton  Prof.  Dr.  Alb.  Reusen. 

extraordinarium  professorem,  H.  Comenium  nennende,  gehe,  reden  und 
ihnen  communiciren  wollen.  Wenn  solches  geschehen,  kann  alsdann 
mit  H.  Comenio  auch  hiervon  geredet  werden.  Gott  wolle  dieses  gute 
Werk  zu  seiner  Ehre  befordern  lassen,  vide  Bec.  caus.  publ.  die 
15.  Julii  1644,  p.  79. 

p.  608.  Sr.  Ehrenf.  Henri.  H.  Bürgermeister  Koy  referiret,  wie  dass 
sie  in  Gegenwart  des  H.  Syndici  dem  H.  Comenio  wegen  seiner  angenom- 
menen Extraordinar-Profession  400  fl.,  freie  Wohnung  und  zwei  Buthen 
Holz  im  Namen  E.  Ehrb.  Baths  zugesaget,  welcher  solches  mit  diesen 
Worten,  gratis  accepistis-,  gratis  date, *)  auch  angenommen,  doch  mit  dieser 
Gaution,  dass  er  sich  nicht  auf  eine  gewisse  Zeit  verobligiren  könnte, 
sondern,  da  er  in  Polen  Gelegenheit  kekommen  sollte,  dass  er  alsdann  da 
hin  müsste,  ist  auch  mit  dem  H.  Bectore  der  Introduction  wegen  geredet 
worden,  welcher  sich  erklärt,  dass  er  gerne  sehe,  dass  H.  Comenius 
als  ein  Extraord.  Professor  diese  provinciam  auf  sich  genommen,  auch, 
wenn  es  E.  Ehrb.  Bath  gelieben  würde,  introducirt  werde,  nur  allein 
gebeten,  dass  er  ihm  auch  die  ordinarios  labores  lassen  wollte,  worauf 
H.  Comenius  zur  Antwort  gegeben,  dass  er  mit  seinen  laboribus  so  viel 
zu  thun  habe,  dass  er  anderer  Sachen,  welche  ihn  nichts  angingen, 
wohl  vergässe,  vice  versa  H.  Comenius  auch  gebeten,  dass  niemand  von 
seinen  studiis  anders  judiciren  wolle,  bis  dass  sie  das  Ende  gesehen, 
welches  beide  Theil  einander  sich  zugesaget  und  also  mit  gutem  Willen 
von  einander  gangen.  H.  Comenius  soll  lesen  4  Tage  in  der  Woche 
von  1  Uhr  des  Mittags  bis  3.  Gott  gebe  hierzu  seine  Gnad  und  Seegen. 
ibid.  die  20  Julii.  p.  83. 

p.  608.  Auf  Anhalten  des  H.  Comenii,  dass  er  seiner  Extraordinair- 
Profession,  weil  er  auf  das  Colloquium  charitativum  in  Thorn  erscheinen 
soll  und  derselben  Profession  nicht  abwarten  kann,  erlassen  [sein]  wolle, 
hat  E.  Ehrb.  Bath,  weil  er  gern  los  sein  will,  ihn  zu  dimittiren  ge- 
schlossen,   ibid.  die  9  Julii  1645.  p.  303. 


4)  Matth.  10.  8.  Comenius  hielt  also  seine  Besoldung  für  sehr  gering.  Der 
polnische  Golden  hatte  damals  den  Silberwerth  von  etwa  einem  halben,  den  realen 
Werta  von  etwa  einem  ganzen  Thaler.  cf.  Altpr.  Monatsschrift  1868,  p.  48.  ff. 


Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

von  der  Eroberung  Preussens  durch  den  deutschen  Eitterorden 

bis  zum  Jahre  1375. 

Von 

.4  

Hermann  Hoflfmann. 

Ueber  das  Verhältniss,  in  welchem  in  den  ersten  Jahrhunderten  der 
Ordensherrschsft  die  einzelnen  Klassen  der  Landbevölkerung  Preussens 
zu  dem  Landesherrn,  und  in  welchem  Yerhältniss  sie  unter  einander 
standen,  ist  man  heute  zu  Tage  noch  lange  nicht  so  genügend  orientirt, 
als  es  für  die  Geschichte  unseres  engsten  Vaterlandes  zu  wünschen  wäre. 

Der  erste,  der  hierüber  eine  ausfuhrliche  und  aus  urkundlichem 
Material  geschöpfte  Darstellung  gegeben  hat,  ist  Johannes  Voigt, 
besonders  im  dritten  und  im  sechsten  Band  seiner  Geschichte  Preussens. 

Toppen  in  seinem  Excurse  über  die  Verschreibungen  des  Ordens 
für  Stammpreussen  im  13.  Jahrhundert  sagt  hierüber  sehr  richtig:  !) 

Diese  Untersuchungen  gehören  jedenfalls  zu  den  werthvollsten  Ab- 
schnitten des  ganzen  Werkes  und  sind  bis  dahin  fast  überall  mit  dem 
unbedingtesten  Vertrauen  entgegen  genommen.  Allein  seine  Auffassung 
dürfte  nicht  überall  die  richtige  und  der  weiteren  Erforschung  der 
ständischen  Verhältnisse  nicht  überall  günstig  sein. 

Hierauf  zeigt  er  dann,  dass  die  Eintheilung,  die  Voigt  getroffen, 
auf  einem  unrichtigen  Eintheilungsgrunde  beruht,  und  dass  Voigt  über 
das  Verhältniss  zwischen  Zehnten  und  Bischofsscheffel  nicht  im  Klaren  ist. 

Hierzu  kommt  nun  aber  noch  ein  anderer  Umstand,  der  auch  wol 


*)  Script,  rer,  Press.    Bd.  I,  p.  254. 

4* 


52  Der  ländliche  Grundbesita  im  Ermlande 

zu  beachten  ist,  dass  Voigt  nämlich  seine  ganze  Darstellung  fast  nur 
aus  Verschreibungen  geschöpft  hat,  die  sich  auf  Samland  beziehen. 
Die  grosse  Masse  der  ermländischen  Verschreibungen  ist  ihm  grössten- 
teils unbekannt  gewesen. 

Wir  haben  daher  vor  allen  Dingen  nicht  das  Hecht,  die  Darstellung 
Voigts,  wenn  sie  an  und  für  sich  auch  ganz  richtig  wäre,  für  alle  Theile 
unserer  Provinz  gelten  zu  lassen. 

Endlich  ist  hiebei  nicht  zu  übersehen,  dass  die  Verhältnisse  der 
deutschen  Ansiedler  in  der  Darstellung  Voigts,  besonders  für  die  älteste 
Zeit  ungemein  knapp,  fast  oberflächlich  behandelt  sind,  ein  Umstand, 
der  darin  seinen  Grund  hat,  dass  die  samländischen  Verschreibungen 
zum  grössten  Theil  für  Stammpreussen  ausgestellt  sind. 

Die  zweite  Arbeit,  die  hier  in  Betracht  kommt,  ist  die  schon  er- 
wähnte Abhandlung  von  Toppen:  „Excurs  über  die  Verschreibungen 
des  Ordens  für  Stammpreussen  im  13.  Jahrhundert."  Es  ist  diese  Arbeit 
wegen  der  kritischen  Schärfe  und  des  klaren  Verständnisses  der  Ver- 
hältnisse sehr  schätzbar.  Leider  beschränkt  sie  sich  nur  auf  die  Ver- 
schreibungen für  Stammpreussen  und  auch  nur  auf  "die  aus  dem  13ten 
Jahrhundert.  Da  sich  unter  den  ermländischen  Verschreibungen  aus 
dieser  Zeit  nur  sehr  wenige  befinden,  die  für  Stammpreussen  ausge- 
stellt sind,  hat  Toppen  besonders  die  samländischen  Verschreibungen 
benutzt,  weshalb  das  von  ihm  Gesagte  auch  vorzüglich  für  Samland  gilt. 

Als  drittes  Werk  ist  endlich  noch  zu  nennen  Bender:  „Ermland's 
politische  und  nationale  Stellung  innerhalb  Preussens.* 

Es  beruht  diese  Arbeit,  so  weit  sie  die  Standes- Verhältnisse  berührt, 
vollständig  auf  den  ermländischen  Verschreibungen,  wie  sie  im  Codex 
diplomaticus  Warmiensis  edirt  sind. 

Doch  giebt  Bender  keine  detaillirte  Untersuchung  über  die  ein- 
zelnen Punkte,  sondern,  wie  es  dem  Zweck  seines  Werkes  entspricht, 
nur  eine  allgemeine  Uebersicht. 

Unter  diesen  Umständen  habe  ich  es  für  keine  überflüssige  Arbeit 
gehalten,  eine  Special-Untersuchung  über  den  ländlichen  Grundbesitz 
im  Ermlande  anzustellen. 

Ich  habe  hiezu  gerade  Ermland  gewählt,  weil  dieses  wegen  seiner 


▼on  Hermann  Hoffmann.  53 

unabhängigen  Stellung  die  meisten  Eigentümlichkeiten  in  diesen  Ver- 
hältnissen aufweisen  dürfte,  und  weil  das  Material  für  diese  Unter- 
suchung im  Codex  diplomaticus  Warmiensis  (von  Woelky  und  Saage) 
trefflich  geordnet  und  jedem  zugänglich  gemacht  ist,  während  das  Ma- 
terial für  eine  gleiche  Untersuchung  für  die  übrigen  Landestheile 
Preussens  zum  grössten  Theil  nicht  publicirt  ist,  sondern  noch  in  den 
verschiedenen  Archiven  verborgen  ruht. 

So  weit  die  Verschreibungen,  die  sich  auf  andere  Landestheile  be- 
ziehen, im  , Codex  diplomat.  Prussicus*  von  Voigt,  bei  Kreuzfeld: 
.Ueber  den  Adel  der  alten  Preussen,"  in  der  Abhandlung  Rogge's: 
„Das  Amt  Balga«  (Altpreussische  Monatsschrift  für  1867,  1869,  1870 
und  1871)  und  an  anderen  Stellen  veröffentlicht  sind,  sind  sie  natürlich 
zur  Vergleichung  oder  auch  zur  Bestätigung  des  Gesagten  herbeige- 
zogen worden. 

Wir  haben  dieses  Letzte  ruhig  thun  können,  weil  die  Fundamente 
der  ständischen  Verfassung  in  dem  Ordensgebiet  und  in  den  einzelnen 
Bisthümern  ganz  dieselben  sind.  Erst  im  weiteren  Ausbau  finden  sich 
Verschiedenheiten,  wie  sie  durch  die  localen  und  persönlichen  Verhält- 
nisse herbeigeführt  worden  sind. 

Da  unser  Material  erst  mit  dem  Jahre  1261  beginnt,  werden  'wir 
sofort  mitten  in  die  neuen  Verhältnisse  hineingeführt. 

Um  die  neue  Ordnung  der  Dinge  in  Preussen  recht  verstehen  zu 
können,  ist  es  nöthig,  einen  Blick  auf  die  Verhältnisse  zu  werfen,  unter 
denen  der  deutsche  Orden  die  Eroberung  Preussens  begann  und  zu  einem 
glücklichen  Ende  führte. 

Von  Kaiser2)  und  Papst3)  begünstigt  und  mit  dem  zu  erobernden 
Lande  schon  im  Voraus  belehnt,  begann  der  Orden  den  schwierigen 
Kampf  gegen  die  Heiden,  der  ihm  dadurch  allerdings  ungemein  erleich- 
tert wurde,  dass  er  es  mit  wenigen  Ausnahmen  immer  nur  mit  einer 
Landschaft  zu  thun  hatte,  während  die  übrigen  ihren  bedrängten  Stammes- 
genossen nicht  die  nöthige  Hülfe  leisteten,  sondern  ruhig  warteten,  bis 
sich  das  siegreiche  Schwert  des  Ordens  auch  gegen  sie  wandte. 


*)  Voigt,  Cod.  <L  Pr.  I,  Urk.  35.    »)  v.  Dreger,  Cod.  Pomeraniae  I,  Urk.  296, 


54  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlatide 

Nach  den  Anschauungen  der  damaligen  Zeit  war  nun  der  Orden 
in  den  unterworfenen  Landschaften  sowol  vollständig  Herr  über  den 
Grund  und  Boden,  wie  über  dessen  bisherige  Besitzer.  Durch  die  An- 
nahme des  Christentums  von  Seiten  der  Preussen  änderte  sich  dieses 
Verhältniss  allerdings  insofern,  als  die  Neubekehrten  dem  Orden  nicht 
mehr  als  Feinde  der  katholischen  Kirche  gegenüber  standen,  vielmehr 
als  Glieder  derselben  unter  den  Schutz  des  römischen  Stuhles  traten. 
Dieser  nahm  sich  ihrer  auch  an,  indem  er  den  Orden  anwies,  sie  milde 
zu  behandeln  und  ihnen  die  Freiheiten  zu  lassen,  die  sie  vor  ihrer  Be- 
kehrung gehabt  hatten. 

In  einer  unserer  Hauptquellen  für  die  älteste  preussische  Geschichte, 

der  Chronik  Peters  von  Dusburg,  findet  sich  nur  eine  ganz  kurze  Notiz 4) 

über  die  Freiheiten,  die  den  Preussen  verliehen  wurden.   Es  heisst  hier : 

„Et  secundum  pacta  et  libertates,  quae  ipsis  (Pomesanis)  tunc 

dabantur,  alii  neophiti  postea  regebantur! 

Wir  ersehen  hieraus  aber  nur,  dass  zwischen  dem  Orden  und  den 
schon  unterworfenen  Preussen  Verträge  geschlossen  worden  sind,  in 
welchen  den  Preussen  gewisse  Bechte  zugestanden  wurden.  Welcher 
Art  diese  waren,  und  welchen  Umfang  sie  hatten,  lässt  sich  nicht 
mehr  bestimmen. 

Wenn  man  sich  aber  die  Gefährlichkeit  des  Kampfes  für  den 
Orden  vergegenwärtigt,  sowie  seine  immer  nur  temporäre  Unterstützung 
durch  Kreuzfahrer  aus  Deutschland,  die  nach  Erfüllung  ihres  Gelübdes 
wieder  heimzogen,  so  darf  man  wol  mit  Becht  annehmen,  dass  die  Be- 
handlung, die  der  Orden  den  bekehrten  Preussen  zu  Theil  werden  liess, 
eine  verhältnissmässig  sehr  gelinde  gewesen  sein  wird.  Vor  allen  wird 
der  Orden  sie  jedenfalls  in  ihrem  alten  Besitz  belassen  haben.  Ebenso 
ist  es  fast  unzweifelhaft,  dass  die  Bangunterschiede,  die  wir  bei  Dns- 
burg angeführt  finden,5)  bestehen  blieben;  wenigstens  werden  in  der 
Friedensurkunde  vom  Jahre  1249  ausdrücklich  preussische  Edle  erwähnt, 
die  mit  dem  Bittergürtel  umgürtet  werden  können.  Indess  bei  einem 
Volke,  das  soeben  durch's  Schwert  überwunden,  und  dem  seine  heiligsten 


4)  Script,  rer.  Pr.  I,  p.  60.    •)  Script,  rer.  Pr.  I,  p.  53—54. 


▼on  Hermann  Hoffmann.  55 

Güter,  Religion  und  Freiheit  entrissen  waren,  konnte  der  Orden,  auch 
wenn  er  ihm  die  günstigsten  Bedingungen  stellte,  auf  grosse  Treue 
nicht  rechnen.  Er  bedurfte  einer  anderen  Stütze,  eines  Gegengewichts 
gegen  die  Unzuverlässigkeit  der  Neubekehrten,  und  dieses  fand  er  in 
den  deutschen  Ansiedlem. 

Ueber  die  ersten  Einwanderungen  deutscher  Kolonisten  berichten 
unsere  Quellen  sehr  wenig.  Dusburg  erzählt,6)  dass  nach  der  Unter- 
werfung von  Ermland,  Natangen  und  Barthen  viele  Burgen  zum  Schutz 
dieser  Landschaften  gebaut  wurden,  und  fährt  dann  fort:  „Mehrere  an- 
dere Burgen  bauten  Edle  und  Lehnsleute,  welche  von  Deutschland  her 
mit  ihrem  Hause,  ihrer  Familie  und  Verwandschaft  zur  Unterstützung 
des  genannten  Landes  gekommen  waren,  deren  Namen  Gott  allein  weiss. " 

An  einer  andern  Stelle,7)  bei  Erzählung  des  ersten  Aufstandes  der 
neubekehrten  Preussen,  berichtet  derselbe  Chronist  weiter:  „Und  sie 
(die  Preussen)  tödteten  elendiglich  alle  alten  Christen,  welche  aus 
Deutschland  zur  Unterstützung  des  Landes  Preussen  gekommen  waren, 
und  schleppten  die  Frauen  und  Kinder  in  ewige  Gefangenschaft.11  Ganz 
dasselbe,  nur  kürzer,  besagt  noch  eine  Stelle  in  der  älteren  Chronik 
von  Oliva.8) 

Aus  diesen  wenigen  Stellen,  den  einzigen,  die  wir  darüber  in  un- 
seren Quellen  haben,  erfahren  wir  nun,  dass  aus  Deutschland  Kolonisten 
mit  ihrem  ganzen  Hause  und  ihrer  Verwandschaft  nach  Preussen  ge- 
kommen sind.  Sehr  zahlreich  scheinen  diese  indess  in  der  ersten  Zeit, 
besonders  in  den  östlichen  Landschaften  nicht  gewesen  zu  sein.  Dass 
diese  Deutschen  dem  Orden  im  höchsten  Grade  erwünscht  kamen,  ist 
natürlich.  Sie  kehrten  nicht  nach  Ablauf  einer  bestimmten  Zeit  in  ihre 
Heimath  zurück,  sondern  blieben  in  Preussen,  um  in  dem  Lande,  das 
sie  mit  dem  Schwerte  bezwungen,  auch  deutsche  Cultur  und  deutsche 
Sitte  heimisch  zu  machen. 

Die  Lage  dieser  ersten  deutschen  Ansiedler  in  Preussen  war  aber 
keineswegs  beneidenswerth.   Dusburg9)  erzählt  uns,  dass  sie  an  Speise, 


•)  Scr.  rer.  Pr.  I,  p.  65.     7)  Scr.  rer.  Pr.  I,  p.  69.     8)  Scr.  rer.  Pr.  I,  p.  680. 
•)  Scr.  rer.  Pr.  I,  p.  66. 


gg  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Trank  und  Kleidung  vieles  entbehren  mussten.  Wenn  sie  die  Aecker 
bestellen  wollten,  konnte  dieses  nur  zur  Nachtzeit  geschehn,  und  was 
sie  unter  Gefahr  und  Anstrengung  säeten,  ernteten  andere. 

Unter  diesen  Umständen  war  der  Orden  natürlich  gezwungen,  den 
deutschen  Kolonisten,  die  er  in  möglichst  grosser  Anzahl  herbeizuziehen 
suchte,  grössere  Rechte  und  Freiheiten  zu  gewähren,  als  sie  in  Deutsch- 
land besassen,  da  ohne  sichere  Aussicht  auf  Verbesserung  seiner  Lage 
Niemand  das  Gewisse  aufgab,  um  mit  Weib  und  Kind  einer  unsichern 
und  gefahrdrohenden  Zukunft  entgegenzugehn. 

Welches  diese  Rechte  gewesen  sind,  und  ob  dieselben  schon  da- 
mals immer  genau  fixirt  wurden,  lässt  sich  nicht  sagen.  Nach  einer 
Urkunde,  die  aus  dem  Jahre  1285  stammt, ,Q)  und  in  der  auf  specielle 
Bitte  einer  Anzahl  von  Lehnsleuten,  deren  Rechte  und  Pflichten  genau 
bestimmt  werden,  da  sie  noch  keine  Verschreibung  darüber  erhalten 
hatten,  scheint  es,  als  ob  eine  genaue  Fixirung  der  einzelnen  Rechte 
und  Pflichten  in  der  ältesten  Zeit  gar  nicht  stattgefunden  hat. 

Den  ersten  genaueren  Aufschluss  über  das  Yerhältniss  der  unter- 
worfenen Preussen  zu  dem  siegreichen  Orden  giebt  uns  die  sogenannte 
Friedensurkunde  ")  aus  dem  Jahre  1249  d.  h.  der  Vertrag,  der  nach 
Ueberwältigung  des  ersten  Aufstandes  der  Preussen  zwischen  diesen 
und  dem  Orden  abgeschlossen  wurde. 

Alle  seine  einzelnen  Bestimmungen  hier  anzuführen,  ist  für  unsern 
Zweck  nicht  nöthig;  es  genügt,  die  Hauptpunkte  zu  erwähnen. 

Ausser  dem  freien  Erwerbsrecht  räumte  der  Orden  den  Preussen 
zunächst  ein  sehr  weit  gehendes  Erbrecht  ein.  Während  früher  nur  die 
Söhne  erbberechtigt  waren,  wurden  es  nun  auch  die  Töchter.  In  Er- 
mangelung von  Kindern  fiel  das  Gut  an  die  Eltern,  und  wenn  diese  auch 
schon  todt  waren,  an  die  Enkel.  War  von  diesen  allen  Niemand  mehr 
am  Leben,  so  erbten  die  Brüder,  und  für  den  Fall,  dass  auch  diese  schon 
gestorben  waren,  deren  Söhne.  Lebte  von  allen  diesen  Erbberechtigten 
keiner  mehr,  so  fiel  das  unbewegliche  Eigenthum  an  den  Herrn  (Orden) 


,0)  C.  W.  I,  U.  71.     ")  C.  W.  I,  Urk,  19  und  v.  Dreger,  Cod.  Pomcraniae 
I,  Urk.  191, 


Ton  Hermann  Hoffmaon.  57 

zurück,  das  bewegliche  nur  dann,  wenn  darüber  keine  weitere  Bestimmung 
des  letzten  Besitzers  existirte. 

Ueber  ihr  bewegliches  Eigenthum  besassen  die  Prenssen  unbe- 
schränktes Veräusserungsrecht.  Das  unbewegliche  durften  sie  auch  ver- 
kaufen, mussten  aber  eine  dem  Werth  des  Besitzthums  entsprechende 
Caution  stellen,  dass  sie  nicht  zu  den  Feinden  des  Ordens  fliehen  würden. 

Testamentarisch  konnten  sie  über  das  bewegliche  wie  unbewegliche 
Eigenthum  verfügen,  wobei  nur  die  Beschränkung  bestand,  dass,  wenn 
eine  Kirche  oder  kirchliche  Person  zum  Erben  von  Grundbesitz  einge- 
setzt war,  diese  selbigen  binnen  Jahresfrist  den  Erben  des  Verstorbenen 
oder  anderen  zu  verkaufen  gezwungen  war,  widrigenfalls  er  an  den 
Orden  fiel.   Bei  allen  Verkäufen  hatte  der  Orden  aber  das  Vorkaufsrecht. 

In  Betreff  ihrer  sonstigen  Rechtsstellung  wurden  die  Preussen  als 
vollständig  frei  und  selbstständig  betrachtet,  so  dass  sie  vor  jedem 
weltlichen  oder  geistlichen  Gerichte  ihre  Sache  selbst  führen  konnten. 
Die  Sprösslinge  edler  Geschlechter  können  sogar  mit  dem  Rittergürtel 
umgartet  werden.  Alle  diese  Rechte  sollen  sie  aber  verlieren,  so  wie 
sie  wieder  zum  Heidenthum  abfallen. 

Was  das  weltliche  Gericht  anbetrifft,  so  überliess  ihnen  der  Orden 
die  Wahl,  worauf  sie  sich  das  polnische  Recht  erbaten. 

Es  folgen  nun  die  Bestimmungen  über  Todtenbestattung,  Ehe, 
Taufe,  Bau  von  Kirchen,  Unterhaltung  der  Geistlichen,  Beobachtung 
des  katholischen  Cultus  und  andere,  die  für  unsern  Zweck  unwichtig 
sind.  Was  endlich  die  Leistungen  anbetrifft,  zu  denen  die  Preussen 
dem  Orden  gegenüber  verpflichtet  wurden,  so  sind  diese  zweierlei  Art. 

Einmal  sind  die  Preussen  gehalten,  dem  Orden  den  Zehnten  in 
seine  Scheuern  zu  liefern,  und  dann  müssen  sie  an  allen  Kriegsreisen 
je  nach  ihren  Verhältnissen  bewaffnet  Theil  nehmen.  Wird  bei  einer 
solchen  Gelegenheit  einer  von  ihnen  gefangen,  so  hat  der  Orden  nach 
Kräften  für  dessen  Befreiung  zu  sorgen. 

Dieses  sind,  kurz  gefasst,  die  Bestimmungen,  die  laut  Vereinbarung 
zwischen  dem  Orden  und  den  Preussen  für  letztere  gelten  sollten.  Wenn 
sie  uns  auch  über  sehr  viele  wissenswerthe  Dinge  keinen  Aufschluss 
gewähren,  so  geben  sie  uns  doch  ein  ungefähres  Bild  der  damaligen 


5g  Der  ländliche  Grundbesits  im  Ermlande 

Verhältnisse  und  berechtigen  uns  zu  der  Behauptung,  dass  die  Lage 
der  unterworfenen  Preussen  keineswegs  eine  sehr  traurige  gewesen  ist. 

Ob  in  der  Lage  der  deutschen  Einwanderer  in  Folge  der  ersten 
Empörung  der  Preussen  eine  Aenderung  eingetreten  sei,  lässt  sich  nicht 
bestimmen ;  dagegen  wissen  wir,  dass  die  Deutschen  im  Laufe  der  zweiten 
Empörung  eines  ihrer  Hauptrechte  erworben  haben,  nämlich  die  Ver- 
pflichtung nur  zum  gemessenen  Kriegsdienst. 

Wer  sich  damals  nicht  in  eine  Burg  flüchten  konnte,  wurde  er- 
schlagen oder  in  Gefangenschaft  geschleppt,  die  Besitzungen  der  deutschen 
Ansiedler  mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet.  Von  den  Burgen  selbst 
wurden  die  meisten  erstürmt  und  zerstört,  nur  wenige  waren  es,  in 
denen  sich  die  Ordensritter  mit  den  Besten  der  Landbevölkerung  zu 
halten  vermochten. 

Vielleicht  um  diese  deutschen  Kolonisten  zu  noch  grösserer  That- 
kraft  anzuspornen,  vielleicht  auch  von  ihnen,  die  sich  ihrer  vorteilhaften 
Stellung  dem  Orden  gegenüber  wol  bewusst  waren,  gedrängt,  gab  der 
Orden  im  Jahre  1267  seinen  Lehnsleuten  von  Ermland  und  Natangen 
das  Versprechen, 1S)  dass  sie  nach  Niederwerfung  des  Aufstandes  nur 
zu  dem  sogenannten  gemessenen  Kriegsdienst,  d.  h.  innerhalb  der  Land- 
schaften Samland,  Natangen,  Ermland,  Barthen  und  Pogesanien  bis  zur 
Weichsel  verpflichtet  sein  sollten.  * 

Während  so  die  deutschen  Einwanderer  im  Verlauf  der  zweiten 
Empörung  eines  ihrer  Hauptprivilegien  erwarben,  wurde  die  Lage  der 
Preussen  durch  sie  vollständig  verändert. 

Jene  Bestimmung  aus  dem  Friedensvertrage  von  1249,  dass  die 
Preussen  aller  dort  aufgeführten  Bechte  verlustig  gehen  sollten,  wenn 
sie  wieder  zum  Heidenthum  abfallen  würden,  wurde  nun  im  strengsten 
Sinne  des  Wortes  zur  Ausfuhrung  gebracht.  Alle  alten  Standesunter- 
schiede wurden  über  den  Haufen  geworfen,  das  Verhalten  gegen  den 
Orden  allein  war  es,  was  für  die  neue  Stellung  massgebend  wurde. 


»)  C.  W.  I,  ü.  60. 

*)  In  der  Verschreibung  für  diese  Lehnsleute  (C.  W.  I.  71.)  heisst  es,  sie  haben 
den  gemessenen  Kriegsdienst  zu  leisten  in  Samland,  Natangen,  Ermland,  Barthen, 
Pogesanien  und  Pomesanien. 


von  Hermann  Hoffmann«  59 

Früher  Freie  und  Edle,  die  sich  an  der  Empörung  betheiligt  hatten, 
wurden  in  die  Klasse  der  Hörigen  versetzt,  während  umgekehrt  früher 
Hörige,  die  sich  um  den  Orden  Verdienste  erworben,  die  Freiheit 
erhielten. 13) 

Was  bis  jetzt  über  das  Verhältniss  der  deutschen  Einwanderer  und 
der  neubekehrten  Preussen  zu  dem  Orden  gesagt  ist,  gilt,  wo  nicht 
specielle  Local- Verhältnisse  eine  Aenderung  herbeigeführt  haben,  für 
alle  dem  Orden  damals  schon  unterworfenen  Landestheile. 

Vom  Anfang  der  sechsziger  Jahre  des  13ten  Jahrhunderts  datiren 
nun  aber  unsere  ersten  Verleihungs-Urkunden,  die  sich  speciell  aufErm- 
land  beziehen  und  bald  so  zahlreich  werden,  dass  sie  uns  ein  wenigstens 
in  vielen  Stücken  sicheres  und  unantastbares  Bild  der  Verhältnisse  geben. 

Auf  eine  ausführliche  Kritik  dieser  Urkunden  an  dieser  Stelle  ein- 
zugehen, ist  unmöglich. 

Da  wir  es  nur  mit  officiellen  Copieb  zu  thun  haben,  ist  deren  Echt- 
heit ausser  allem  Zweifel.  Es  bliebe  daher  nur  zu  untersuchen  übrig, 
ob  diese  Urkunden  auch  mit  der  Genauigkeit  und  Sorgfalt  ausgestellt 
sind,  die  wir  bei  ihnen  nicht  entbehren  können,  wenn  sie  uns  ein  in 
jeder  Beziehung  klares  und  deutliches  Bild  der  Verhältnisse  geben  sollen. 

Alle  die  tausendfaltigen  Unregelmässigkeiten,  Auslassungen  und 
überflüssigen  Zusätze,  die  sich  in  unseren  Urkunden  finden,  hier  zu  er- 
wähnen, würde  zu  weit  führen;  auf  die  meisten  derselben  wird  im  Laufe 
der  Untersuchung  hingewiesen  werden. 

Hier  kann  nur  die  Behauptung  ausgesprochen  werden  —  und  jeder, 
der  die  Urkunden  genauer  kennt,  wird  dieser  Behauptung  beipflichten  — 
dass  unsere  Urkunden  durchaus  nicht  immer  so  genau  und  correct  sind, 
als  es  wünschenswerte  wäre. 

Da  wir  das  culmische  Recht,  das  den  meisten  Verschreibungen  zu 
Grunde  liegt,  genau  kennen,  da  ferner  das  preussische  Recht,  wie  es 


13)  Dustrarg,  Scr.  rer.  Pr.  I,  p.  146,  erzählt:  »Unde  multi  sunt  neophiti  in 
terra  Prussie,  quornm  progenitoree  fuerunt  de  nobili  prosapia  exorti,  ipßi  vero  propter 
suam  maUciam,  quam  contra  fidem  et  christifldeles  exercuerunt,  ignobiles  estimati 
sunt;  alii  vero,  quornm  parentes  erant  ignobiles,  donafci  sunt  propter  fidelia  servitia 
fidei  et  firatribus  exhibita  libertati/ 


60  Der  Kindliche  Grundbesite  im  Ermlande 

sich  allmählig  entwickelte,  in  seinen  Hauptpunkten  auch  klar  und  deut- 
lich erkennbar  ist,  sind  wir  in  den  Stand  gesetzt,  den  Werth  der  ein- 
zelnen Urkunden  beurtheilen  zu  können. 

Einzelne  Punkte  werden  oft  mit  Stillschweigen  übergangen,  zuweilen 
vielleicht  aus  Nachlässigkeit,  meistens  aber  wol,  weil  deren  specielle 
Erwähnung  för  die  damalige  Zeit  überflüssig  erschien.  Andere  Be- 
stimmungen sind  wieder  so  allgemein  gehalten  (secundum  terre  con- 
suetudinem  etc.),  dass  sie,  für  die  damalige  Zeit  allgemein  verständlich, 
heute  oft  mit  Sicherheit  kaum  zu  deuten  sind.  Ueber  einzelne  Punkte 
endlich  finden  sich  hin  und  wieder  genaue  Bestimmungen,  die  in  dem 
allgemeinen  Rechtstitel,  unter  dem  der  Besitz  verliehen  wird,  schon 
notwendiger  Weise  enthalten  sind,  in  ihrem  vereinzelten  Auftreten  also 
leicht  zu  Irrthümern  und  Missdeutungen  Veranlassung  geben  können. 

Wir  werden  daher,  so  werthvoll  diese  Urkunden  für  uns  auch  sind, 
sie  immer  mit  einer  gewissen  Vorsicht  zu  behandeln  haben,  wir  werden 
sie  nicht  immer  wörtlich  nehmen  dürfen. 

Für  die  Beurtheilung  unserer  Urkunden  ist  aber  noch  ein  anderer 
Punkt  von  der  grössten  Wichtigkeit. 

Wie  schon  früher  gesagt,  war  der  Landesherr  auch  unumschränkter 
Eigenthümer  seines  Territoriums,  mit  dem  er,  durch  die  allgemein 
geltenden  Grundsätze  nur  in  gewisser  Hinsicht  gebunden,  nach  seinem 
Belieben  schalten  konnte. 

Bei  jeder  Landverleihung  wurde  daher  zwischen  dem  verleihenden 
Landesherrn  und  dem  zu  beleihendenden  Vasallen  ein  besonderer  Vertrag 
geschlossen,  dessen  Bedingungen  je  nach  den  localen  und  persönlichen 
Verhältnissen  verschieden  sein  konnten.  Wir  sehen  hier  also  Festhalten 
an  gewissen  Grundrechten  und  willkührliche  Modificationen  vereinigt. 

Durch  das  culmische  und  preussische  Becht  wird  eine  gewisse 
Summe  von  Rechten  garantirt;  es  sind  dieses  die  Hauptpunkte,  die  wir 
in  den  meisten  Urkunden  finden,  oder  wo  sie  fehlen,  als  selbstverständ- 
lich voraussetzen  müssen.  In  dem  Belieben  des  Landesherrn  steht  es 
dann  aber,  diese  Rechte  noch  zu  vermehren,  oder  die  sonst  üblichen 
Lasten  zu  erleichtern.  Da  nun,  wo  eine  solche  Begünstigung  stattfindet, 
dieses  nicht  immer  besonders  erwähnt  wird,  wird  die  Beurtheilung  de? 


toq  Hermann  Hoffmann,  ßj 

Urkunden  dadurch  zuweilen  sehr  erschwert,  indem  man,  vorzüglich  wo 
die  Leistungen  geringer  sind  als  gewöhnlich,  nicht  wissen  kann,  ob 
hier  eine  Begünstigung  stattgefunden  hat,  oder  ob  die  Unregelmässigkeit 
auf  eine  Nachlässigkeit  bei  der  Ausstellung  der  Urkunde  zu  schieben  ist. 

Nach  dem  uns  vorliegenden  Material  haben  wir  nun  bei  der  länd- 
lichen Bevölkerung  Preussens  zwei  Hauptclassen  zu  unterscheiden,  Freie 
und  Unfreie  (die  ignobiles  bei  Dusburg).  Zu  der  letzten  Klasse  gehören 
diejenigen  Preussen,  die  in  Folge  des  zweiten  Aufstandes  in  den  Stand  der 
Hörigkeit  versetzt  wurden,  oder  in  demselben  blieben,  zu  der  ersten 
alle  anderen  Preussen  und  sämmtliche  deutsche  Kolonisten.  Die  unter- 
scheidenden Hauptmerkmale  der  beiden  Klassen  sind  die  Lieferung  des 
Decems  und  die  Leistung  der  Scharwerksdienste,  von  welchen  Lasten 
der  Stand  der  Freien  durchgängig  befreit  ist.  An  die  Stelle  des  Decems 
tritt  bei  ihm  das  Pflugkorn  oder  Bischofsscheffel,  der  (2  Scheffel  Ge- 
treide für  jede  beackerte  Hufe)  eine  bedeutend  geringere  Abgabe  ist 
als  der  eigentliche  Decem.*) 

In  der  Klasse  der  Freien  unterscheiden  wir  dann  die  culmischen 
und  preussischen  Besitzer,  d.  h.  diejenigen,  die  ihre  Besitzungen  zu 
cuhnischem  Becht  und  diejenigen,  die  sie  zu  preussischem  Recht  er- 
halten haben. 

Der  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Klassen  ist  natürlich  ein 
ganz  anderer,  wie  der  zwischen  den  Freien  und  Hörigen.  Grösserer 
Umfang  und  grössere  Freiheiten  in  Betreff  des  Erb-  und  Veräusserungs- 
rechts,  sowie  des  Kriegsdienstes  zeichnen  die  culmischen  Güter  vor  den 
preussischen  aus. 

Innerhalb  dieser  Besitzungen  muss  man  endlich  noch  diejenigen 
unterscheiden,  die  für  sich  unabhängig  und  selbstständig  dastehn,  und 
diejenigen,  die  zu  einem  Dorfverbande  gehören,  d.  h.  die  freien  Güter 
und  die  bäuerlichen  Besitzungen. 

Interessant  ist  es  noch  zu  sehen,  dass  ungefähr  bis  zum  Jahre  1300 
sich  fast  nur  Verschreibungen  zu  cuhnischem  Becht  finden.    Mit  dem 


*)  In  Schlesien  findet  sieb  das  Pflagkorn,  oder,  wie  es  dort  heisst,  das  Herzogs- 
körn  meistens  mit  dem  Decem  zusammen,  cf.  Tzschoppe  und  Stenzel:  »Urkunden- 
buch  ffir  Schlesien.«  Einleit.  p.  164. 


gg  Der  ländliche  Grandbesita  im  Ermlande 

Anfang  des  14  Jahrhunderts  beginnen  dann  die  Dorfgründungen,  die 
bald  immer  zahlreicher  werden  und  ungefähr  seit  1340  im  Verein  mit 
den  seit  dieser  Zeit  sehr  häufigen  Yerschreibungen  zu  preussischem 
Recht  die  Yerschreibungen  zu  culmischem  Recht  fast  ganz  verdrängen. 

Der  Grund  dafür,  dass  erst  mit  dem  Anfange  des  14.  Jahrhunderts 
die  Dorfgründungen  beginnen,  ist  wol  der,  dass  erst  seit  dieser  Zeit 
grössere  Massen  von  kleinen  deutschen  Freien,  die  ja  den  Hauptbestand- 
theil  der  preussischen  Bauernschaft  bildeten,  nach  Ermland  kamen. 
Die  Erklärung  für  die  zweite  Erscheinung,  dass  sich  von  1340  ab  so 
auffallend  viele  Yerschreibungen  zu  preussischem  Rechte  finden,  ist  viel 
schwieriger.  Wahrscheinlich  ist  es,  dass  die  grosse  Masse  der  kleinen 
preussischen  Freien,  denen  der  Orden  und  die  Bischöfe  ihre  alten  Be- 
Sitzungen  gelassen  hatten,  dieselben  lange  Zeit  besassen,  ohne  dass 
ihnen  vom  Landesherrn  eine  Yerschreibung  darüber  ausgestellt  war. 
Dass  alle  diese  Yerschreibungen  sich  auf  neu  verliehene  Güter  bezogen 
haben,  ist  unglaublich,  weil  man  nicht  ersehen  kann,  von  wo  alle  diese 
Preussen  auf  ein  Mal  hergekommen  sein  sollen. 

Allerdings  sind  zuweilen,  wie  dieses  aus  einzelnen  Urkunden  klar 
hervorgeht, ")  Preussen,  die  ursprünglich  Hörige  waren,  aus  nicht  mehr 
erkennbaren  Gründen  in  den  Stand  der  Freien  erhoben  und  mit  kleinen 
Besitzungen  zu  preussischem  Recht  belehnt  worden,  doch  sind  diese 
Fälle  so  selten,  dass  sie  die  eben  ausgesprochene  Yermuthung  nicht 
umstossen  können. 

Guter  zu  culmischem  Recht. 

Betrachten  wir  nun  zuerst  die  Güter  culmischen  Rechts. 

Das  culmische  Recht  ist  ja,  wie  bekannt,  ursprünglich  ein  deutsches 
Recht,  das  mit  den  nöthigen  Modificationen,  wie  sie  die  territorialen 
Verhältnisse  erforderten,  im  Jahre  1233  vom  deutschen  Ritterorden  den 
Städten  Gulm  und  Thorn  verliehen  wurde.  Bald  wurde  es  indess  auch 
auf  die  ländlichen  Verhältnisse  übertragen,  es  wurde  so  gewissermassen 
die  magna  Charta,  die  den  mit  ihm  Beliehenen  gewisse  Rechte  garantirte. 

Natürlich  konnte  aber  das  culmische  Recht,   das  ja  zunächst  ein 


")  C.  W.  n,  90,  91. 


von  Hermann  Hofiniann.  ß3 

Stadtrecht  war,  nicht  ohne  Weiteres  auf  die  Verhältnisse  des  platten 
Landes  übertragen  werden,  es  musste  zunächst  bedeutende  Aenderungen 
erleiden,  es  musste  den  neuen  Verhältnissen  angepasst  werden. 

Diese  Abänderungen  festzustellen,  wird  bei  Betrachtung  der  Be- 
sitzungen zu  culmischem  Becht  unsere  Hauptaufgabe  sein  müssen.  Was 
zunächst  die  Besitztitel  anlangt,  unter  denen  die  culmischen  Güter  ver- 
liehen werden,  so  sind  diese  sehr  verschieden.  Das  einfache  „Jure 
Culmensi11  findet  sich,  besonders  in  der  ältesten  Zeit,  am  seltensten, 
meistens  wird  noch  perpetuo  possidendum  hinzugefügt. ")  Hin  und 
wieder  heisst  es  auch  „Jure  sepedicte  civitatis"  ")  oder  «Jure,  quod 
habent ,7)  (folgt  der  Name  eines  anderen,  der  sein  Out  zu  culmischem 
Becht  besitzt)  oder  „Jure  Culmensi  cum  omnibus  suis  juribus."  ") 
Ausser  diesen  Besitztiteln  giebt  es  nun  aber  noch  eine  ganze  Beihe 
anderer,  die  durch  alle  möglichen  Gombinationen  von  Jure  Culmensi, 
Jure  hereditario  und  in  feudum  gebildet  sind.  Die  hauptsächlichsten 
sind  folgende: 

Jure  Culmensi  in  feudum  *•) 

Jure  Culmonsi  in  feudum  perpetuo  possidendum'0) 

Jure  Culmensi  libere  et  in  feudum11) 

Jure  Culmensi  perpetuo  et  jure  hereditario M) 

Jure  Culmensi  et  hereditario13) 

Jure  Culmensi  cum  omnibus  suis  juribus  perpetuo  ac  jure  here- 
ditario ") 

Cum  omni  jure  Culmensi  in  feudum  perpetuo  possidendum M) 

Jure  Culmensi  et  jure  hereditario  in  feudum  perpetuo  possi- 
dendum lf) 

Jure  Culmensi  et  jure  hereditario  ac  jure,  quo  ceteri  nostri  feodales 1T) 

Jure  Culmensi  proprietatis  titulo  libere  ac  absolute  possidendum  ") 

In  feudum  perpetuum  accedente  Jure  Culmensi19)  etc. 


»)  C.  W.  I,  60,  66,  79,  80,  101  etc.    ")  C.  W.  I,  75.    ")  C.  W.  I,  76. 
■■)  G.  W.  I,  88.     ,9)  C.  W.  I,  89,  100,  141,  201,  216,  282.    so)  C.  W.  I,  136. 
•»)  C.  W.  I,  200.    w)  C.  W.  I,  64.    ")  C.  W.  I,  65.    f4)  C.  W.  I,  70. 
»)  C.  W.  I,  86.    »•)  C.  W.  I,  90.    a7)  C.  W.  I,  95.    »•)  C.  W.  I,  67. 
*•)  C.  W.  I,  89. 


64  Der  ländliche  GrondbesUs  im  Ermlande 

Nichts  wäre  aber  irriger  als  die  Ansicht,  dass  in  den  Urkunden, 
in  denen  in  feudum  steht,  etwa  noch  besondere  Bestimmungen  aus  dem 
Lehnsrecht  enthalten  seien,  oder  dass  bei  den  Urkunden,  in  denen  »jure 
hereditario"  steht,  besondere  Bestimmungen,  die  das  Erbrecht  betreffen, 
vorwalten. 

Eine  Vergleichung  dieser  Urkunden  zeigt  uns  klar  und  deutlich, 
dass  sie  in  allen  wesentlichen  Stücken  ganz  gleichen  Inhalt  haben. 
Alle  diese  verschiedenen  Besitztitel  drücken  nur  den  Inbegriff  einer 
Anzahl  von  Rechten  und  Pflichten  aus,  die  man  unter  einen  einzigen, 
sie  genau  und  umfassend  bezeichnenden  Titel  zu  bringen  versäumt  hat, 
sie  bezeichnen  nichts  weiter  als  das  einfache  Jure  Gulmensi. 

Gewöhnlich  geschah  die  Verleihung  nun  von  Seiten  des  Bischofs 
mit  Zustimmung  des  Domcapitels, 30)  häufig  wird  dessen  Zustimmung 
aber  auch  nicht  erwähnt31)  Das  Domcapitel  verleiht  seine  Güter 
meistens  allein, ")  nur  sehr  selten  wird  gesagt,  dass  es  mit  dem  Rathe 
und  der  Zustimmung  des  Bischofs  geschehe.33)*) 

In  der  späteren  Zeit  tritt  an  die  Stelle  des  Bischofs  resp.  des 
Domcapitels  gewöhnlich  der  betreffende  Vogt. 


*>)  C.  W.  I,  70,  79,  80,  83,  85  etc.    »«)  C.  W.  I,  84,  96,  148,  174,  183  etc. 

")  C.  W.  I,  76,  86,  109,  111  etc.    M)  C.  W.  I,  121,  181. 

*)  Bender  in  seinem  Boche:  »Ermlands  politische  and  nationale  Stellung  inner- 
halb Preussens*  p.  26  sagt,  dass  der  Bischof  in  seinem  eigenen  Gebiete  bei  allen 
landesherrlichen  Handlangen,  also  auch  bei  der  Oolonisation  nur  mit  Zustimmung  des 
Domcapitels,  das  ihm  als  berathende  Behörde  znr  Seite  stand,  handeln  durfte,  wahrend 
dieses  in  dem  ihm  überwiesenen  Landestheile  als  unbeschrankter  Landesherr  ohne 
den  Bischof  schalten  konnte.  Hieraas  erkläre  es  sich  dann,  dass  der  Bischof  immer 
mit  Zustimmung  des  Domcapitels,  dieses  dagegen  ohne  die  Zustimmung  des  Bischofs 
colonisire. 

Im  Allgemeinen  ist  dieses  nun  entschieden  richtig.  In  einer  Verschreibang  aas 
dem  Jahre  1261,  die  ein  Stellvertreter  des  Bischofs  ausstellt,  heisst  es  sogar  aus- 
drücklich, der  Bischof  solle  jliese  spater  bestätigen  ,sui  capituli  consensu  ut  decet 
requisito  (G.  W.  I,  42). 

Doch  finden  sich  so  viele  Abweichungen,  die  sich  durch  diese  Annahme  durch- 
aus nicht  erklären  lassen,  dass  eine  Special-Untersuchung  über  diesen  Punkt  sehr 
wünsohenswerth  wäre.    Bender  selbst  sagt  schon  in  einer  Anmerkung  (p.  26): 

»Allerdings  giebt  es  Ausnahmen.  So  liegt  eine  Anzahl  Urkunden  von  Bischof 
Eberhard  aus  den  Jahren  1315—25  vor,  worin  derselbe  ohne  Zustimmung  des  Ka- 
pitels handelt.   Die  Erklärung  dürfte  in  dem  Umstände  zu  finden  sein,  dass  Eberhard 


von  Hermann  Hoffmann.  ßg 

Die  Grösse  des  verliehenen  Landes  wird  in  der  ältesten  Zeit  ge- 
wöhnlich nicht  angegeben,  meistens  heisst  es  nur,  es  wird  ein  Feld, 
(campus)  oder  ein  Theil  eines  Feldes  verliehen.34)  Später  wird  die 
Zahl  der  verliehenen  Hufen  fast  immer  genannt.  Dieselben  sind  aber 
nicht  genau  vermessen,  weshalb  wir  zuweilen  Bestimmungen  darüber 
finden,  was,  wenn  bei  einer  späteren  Vermessung  mehr  oder  weniger, 
als  die  bestimmte  Zahl  von  Hufen  gefunden  wird,  hiemit  geschehen  solle.3') 

Zuweilen  wird  auch  noch  die  Sitte  des  Umreitens  erwähnt.  (C.  W. 
I,  86b;  II,  8). 

Die  Grenzen  dieser  Güter  sind  meistens  genau  bestimmt.  Hiebei 
war  es,    wenigstens  in  der  älteren  Zeit  Sitte,   dass  der  Verleiher  mit 


damals  in  Heilsberg,  fern  vom  Kapitel  residirte.  In  diesen  Fällen  haben  wir  aber 
eine  besondere  Zeugenschaft  ans  dem  Landadel  and  hervorragenden  Ortsangehörigen 
nnd  dem  Vogte.  Seine  in  Braunsberg  und  Frauenburg  ausgestellten  Urkunden  er- 
halten den  Consens,  wenn  es  sich  nicht  um  kleinere  Tafelgüter,  um  Mühlen  und 
Krüge  handelt.* 

Hierauf  ist  zunächst  zu  erwidern,  dass  wir  auch  in  den  Verschreibungen,  in 
denen  der  Bischof  mit  Zustimmung  des  Domcapitels  verleiht,  meistens  einige  ange- 
sehene Vasallen  als  Zeugen  aufgeführt  finden. 

Ferner  haben  wir  einige  Verschreibungen,  die  schon  vor  dem  Jahre  1315  aus* 
gestellt  sind,  in  denen  die  Zustimmung  des  Domcapitels  nicht  erwähnt  wird.  (C.  W# 
I,  84,  96,  148.) 

Von  diesen  sind  zwei  in  Braunsberg  ausgestellt  (C.  W.  I,  96,  148.)  Dass  es 
sich  hier  nicht  um  kleinere  Tafelgüter  handelt,  zeigt  die  Verschreibung  für  den 
Bitter  Ruprecht  (C.  W.  I,  96),  der  100  Hufen  erhält. 

Hiezu  kommt  noch,  was  Bender  übersehn  zu  haben  scheint,  dass  das  Dom- 
capitel  zwei  Male  auch  mit  Zustimmung  des  Bischöfe  verleiht. 

Zu  beachten  ist  auch  noch,  dass  in  einer  Menge  von  Verschreibungen,  die  der 
Bischof  mit  Zustmmung  des  Domcapitels  ausstellt,  das  Siegel  des  letzteren  fehlt 
(d.  h.  nicht  erwähnt  wird).    C.  W.  I,  62,  66,  67,  69,  89,  90  etc. 

Als  eine  auffallende  Form  ist  schliesslich  noch  zu  erwähnen,  dass  in  einigen 
Verschreibungen  aus  dem  13.  Jahrhundert  (C.W.  I,  73,  83)  es  heisst:  »Wir Bischof, 
Präpositus,  Decanus  und  das  ganze  Kapitel  verleihen  etc.,*  wobei  doch  noch  später 
des  gewöhnliche  capituli  nostri  consensu  steht. 

Wahrscheinlich  ist  dieses  aber  nur  aus  Nachlässigkeit  geschehen. 

In  den  samländischen  Verschreibungen  findet  sich  auch  gewohnlich  die  Zu- 
stimmung des  Domcapitels  erwähnt  (Voigt,  Cod.  dipl.  Pr.  II,  58;  III,  %  3,  4  etc.) 
Doch  treffen  wir  auch  da  Verschreibungen,  in  denen  der  Bischof  allein  verleiht, 
(Voigt,  Cod.  dipl.  Pr.  II,  61,  113  etc.) 

M)  C.  W.  I,  54,  57,  60,  65,  76,  77,  90,  93  etc. 

w)  C.  W.  I,  96,  147. 

AJtpT.  Monatatcbrift  Bd.  XIV.  Hft.  1  a.  2,  5 


* 


ßg  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

dem  Beliehenen  und  einigen  Grenznachbarn  die  Grenzen  umging, ")  zu- 
weilen sogar  mit  eigener  Hand  die  Grenzzeichen  (granicae)  anbrachte. 37) 
Einige  Male  wird  bei  Verleihungen  von  Seiten  des  Bischofs  auch  die 
Anwesenheit  der  Domherrn  erwähnt,  was  wol  so  zu  erklären  ist,  dass 
die  zu  verleihenden  Güter  an  das  Allode  des  Domcapitels  stiessen. ") 

Ueber  die  Ursachen  der  Verleihungen  geben  uns  unsere  Urkunden, 
besonders  in  der  älteren  Zeit  meistens  genügenden  Aufschluss.  Der 
gewöhnliche  Grund  sind  die  vielen  Verdienste,  die  sich  dieser  oder  jener 
um  das  Land  und  die  Kirche  erworben  hat,  und  die  nun  durch  eine 
Land- Verleihung  belohnt  werden  sollen. 39) 

Ebenso  häufig  indess  wird  auch  nur  gesagt,  dass  die  Diöcese  durch 
die  Einfälle  der  Heiden  zum  grössten  Theil  verödet  sei,  und  zum  Nutzen 
des  Landes  und  der  Kirche  deutsche  Einwanderer  in  möglichst  grosser 
Anzahl  herbeigezogen  und  beliehen  werden  müssen.40) 

Die  Grösse  der  culmischen  Güter  ist  natürlich  sehr  verschieden. 
Güter  von  100  Hufen  und  mehr  finden  sich  ziemlich  häufig. 4  ')  Im  13ten 
und  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts,  als  an  unbebautem  Lande  noch 
grosser  Ueberfluss,  an  deutschen  Ansiedlern  dagegen  noch  Mangel  war, 
wurden  im  Allgemeinen  natürlich  grössere  Güter  zu  culmischem  Becht 
verliehen,  als  später.*) 

Von  einem  Verkauf  der  culmischen  Güter  von  Seiten  der  Landes- 
herrschaft finden  wir  Anfangs  keine  Spur.  Erst  aus  späterer  Zeit,  als 
der  Werth  des  Landes  zu  steigen  begann,  haben  wir  einige  Beispiele, 
dass  culmische  Güter  von  der  Landesherrschaft  verkauft  werden.41) 
Ebenso  sehen  wir,  dass  später  sich  herausstellende  Uebermasshufen  zu- 
weilen verkauft  werden.43) 

Die  Verleihung   der  culmischen  Güter  geschieht  in   den  meisten 


3Ö)  Dieselbe  Sitte  findet  sich  in  Schlesien  cf.  Tzschoppe  &  Stenzel.  Urkunden- 
buch  von  Schlesien,  Einleitung  p.  149.    37)  C.  W.  I,  86b,  100.    3I)  C.  W.  I,  95, 99. 

")  C.  W.  I,  57,  77,  135,  147,  208  etc.    40)  C.  W.  I,  79,  83,  95,  200  etc. 

«»)  C.W.  1,79,  83.  96,  102  etc. 

*)  In  der  Mark  Brandenburg  ist  die  gewöhnliche  Grösse  der  Rittergüter 
4 — 6  Hufen  (cf.  Korn,  »Geschichte  der  bäuerlichen  Rechtsverhältnisse  in  der  Mark 
Brandenburg/    Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  B.  XI,  Heft  I,  p.  13  ff.) 

4S)  C.W.  I,  278;  II,  405.    4>)  C.W.  I,  201. 


von  Hermann  Hoffmann.  g7 

Fällen  an  einzelne,  doch  finden  wir  auch  ziemlich  häufig,  dass  2  auch 
3  und  mehr  Personen  zusammen  ein  Gut  erhalten.  Es  waren  dieses 
naturlich  immer  nahe  Verwandte,  die  dann  zusammen  wirtschafteten. 
Ein  Recht,  die  Besitzung  unter  sich  zu  theilen,  besassen  sie  unzweifel- 
haft, wir  haben  sogar  einen  Fall,  in  dem  ein  Gut  gleich  bei  der  Ver- 
leihung unter  die  Zusammenbelehnten  getheüt  wird.44)  Auffallend  ist 
es  hiebei  nur,  dass  die  Rechte  und  Leistungen  nicht  für  die  einzelnen 
Theile,  sondern  nur  für  das  Ganze  bestimmt  werden.*) 

Die  Zusammenbelehnung  der  ganzen  Verwandschaft  mit  einem  Gute 
ist  auch  später  noch  ganz  gewöhnlich,  es  scheint  sogar,  als  ob  sich 
dieses  zu  einer  festen  Regel  ausgebildet  hat.  Hierauf  deuten  wenigstens 
die  Bestimmungen,  die  wir  in  einer  Reihe  von  Verschreibungen  finden, 
in  denen  alle  Verwandte,  auch  die  Bruder  und  Schwestern,  ausdrück- 
lich yon  der  Belehnung  ausgeschlossen  werden.  Nur  im  Fälle,  dass 
der  Beliehene  ohne  Nachkommen  stirbt,  sollen  die  Verwandten  nach 
dem  culmischen  Recht*  erben. 45) 

Das  Erbrecht,  das  den  culmischen  Besitzern  durch  die  culmische 
Handfeste  gegeben  wurde,   war  das  flämische  (hereditas  flamingicalis). 

Der  22.  Paragraph  der  culmischen  Handfeste  sagt  hierüber  nur, 
dass  nach  diesem  Erbrecht  die  Erben  beider  Geschlechter  zur  Erbfolge 
berechtigt  sind.*) 

")  C.  W.  I,  62. 

*)  Es  entstehen  hiebei  natürlich  sofort  eine  Anzahl  von  Fragen,  anf  die  uns 
unsere  Urkunden  die  Antwort  schuldig  bleiben. 

Wenn  die  zusammen  Belehnten  zusammen  wirtschafteten,  so  bildeten  sie  gewisser« 
massen  eine  Familie,  einen  Hansstand,  in  dem  jeder  von  ihnen  gleichberechtigt  war. 
Ans  den  Verschreibungen  ist  nun  durchaus  nicht  zu  ersehen,  ob  vielleicht  einer  von 
ihnen  zum  Vertreter  aller  dem  Landesherrn  gegenüber  erwählt  wurde,  dem  die  an- 
deren sich  dann  unterordneten,  und  an  den  im  Falle  der  Pfiichtversäumniss  sich  der 
Landesherr  hielt,  der  gewissermassen  also  der  Familienvater  war,  oder  ob  sie  nach 
aussen  hin  ohne  jede  gemeinsame  Vertretung  waren,  ob  jeder  für  sich  selbst  eintrat. 

Besonders  fraglich  ist  es  ferner,  in  welcher  Weise  sie  der  Kriegspflicht  genügten. 
Wahrscheinlich  geschah  dieses  ganz  nach  Privat-Uebereinkommen,  so  dass  entweder 
die  Kriegspflicht  auf  allen  ruhte  and  in  bestimmter  Reihenfolge  von  jedem  erfüllt 
wurde,  oder  so,  dass  nur  die  jüngsten  und  rüstigsten  dazu  bestimmt  wurden,  die 
dann  vielleicht  auf  andere  Weise  entschädigt  wurden. 

*•)  C.  W.  II,  177,  225,  267,  268,  386. 

*)  In  den  meisten  Verschreibungen  wird  dieses  Erbrechts  gar  nicht  gedacht, 
da  es  als  selbstverständlich  vorausgesetzt  wird,  *  + 


ßg  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Wie  bekannt,  bestimmte  das  flämische  Erbrecht  nun  aber  genauer, 
dass  beim  Tode  eines  Mannes  die  Frau  die  eine  Hälfte  aller  Güter,  die 
Kinder  die  andere  Hälfte  erhalten  sollten,  und  zwar  waren  hiebei  Söhne 
und  Töchter  gleich  berechtigt.  Waren  keine  Nachkommen  vorhanden,  so 
fiel  die  zweite  Hälfte  an  die  nächsten  Verwandten.  Starb  die  Frau  zuerst,  so 
behielt  der  Mann  die  eine  Hälfte,  während  die  andere  an  die  Kinder  fiel. 

Ueber  sein  Gut  hatte  der  Besitzer  ganz  freie  Verfügung.  In  der 
culmischen  Handfeste  heisst  es  in  Betreff  dieses  Punktes  §28: 

»Wir  gestatten  ihnen,  dass  sie  ihre  Güter,  die  sie  von  unserem 
Hause  besitzen,  solchen  verkaufen  dürfen,  die  dem  Lande  und  unserem 
Hause  gut  passen,  so  dass  diejenigen,  die  sie  kaufen,  sie  aus  den  Händen 
der  Brüder  empfangen  und  uns  zu  demselben  Rechte  und  demselben 
Dienst  verpflichtet  sein  sollen,  den  uns  jene  leisten  mussten.  Und  wir 
müssen  ihnen  diese  ohne  alle  Schwierigkeiten  geben. u 

Diese  Bestimmungen  über  das  Verkaufs-  und  Erbrecht  zeigen  uns 
nun  klar  und  deutlich,  dass  die  culmischen  Güter  nicht  mehr  in  die 
Reihe  der  Lehnsgüter  zu  stellen,  sondern  wol  schon  fast  ganz  und  gar 
zu  den  Alloden  zu  rechnen  sind.  Wenn  in  der  eben  angeführten  Be- 
stimmung über  das  Verkaufsrecht  die  Bedingung  gestellt  wird,  dass 
der  Käufer  dem  Lande  und  Orden  gut  passen  müsse,  so  ist  dieses 
wol  nur  eine  Formel,  die  aller  praktischen  Bedeutung  entbehrt. 

Ebenso  bedeutungslos  ist  die  Ceremonie,  die  bei  Kauf-  und  Tausch- 
Geschäften  veranstaltet  wurde.  Vor  dem  Landesherrn,  der  von  einer 
Anzahl  seiner  Vasallen  umgeben  war,  mussten  der  Verkäufer  und 
Käufer  erscheinen. 


Trotz  der  klaren  Bestimmung  in  der  culmischen  Handfeste  heisst  es  aber  in 
einer  ganzen  Anzahl  von  Verschreibungen,  die  Güter  werden  ihnen  und  ihren  Erben 
beiderlei  Geschlechts  (utriusque  sexus)  verliehen  (C.  W.  I,  75,  88,  131,  168  etc.) 
Da  wir  nun  in  keinem  Falle  annehmen  können,  dass  in  den  Verschreibungen,  in 
welchen  dieser  Zusatz  nicht  besonders  erwähnt  wird,  das  Erbrecht  beider  Geschlechter 
auch  nicht  gegolten  habe,  da  dieses  mit  den  betreffenden  Paragraphen  der  culmi- 
schen Handfeste  in  offenem  Widerspruch  stehen  würde,  so  sind  diese  Zusätze  voll- 
ständig überflüssig,  und,  da  sie  verhältnissmassig  selten  erscheinen,  ganz  dazu  ange- 
than,  im  ersten  Augenblick  zu  verwirren,  und  zu  einer  falschen  Ansicht  zu  verleiten. 

Ganz  dasselbe  gilt  auch  von  dem  freien  Verkaufsrecht,  das  sich  ebenfalls  einige 
Male  ausdrücklich  erwähnt  findet  (C.  W.  I,  54,  70,  73,  83  etc.) 


von  Hermann  Hoffmann.  gQ 

• 

Ersterer  verzichtete  dann  feierlich  auf  alle  Ansprüche  an  sein  bis- 
heriges Gut  in  die  Hände  des  Landesherrn,  es  diesem,  als  dem  eigent- 
lichen Eigenthümer  gleichsam  zurückgebend. 

Hierauf  wurde  dann  der  Käufer  mit  dem  neuen  Gute  belehnt  und 
ihm  eine  neue  Verschreibung  darüber  ausgestellt. 

Späterhin  wurden  diese  Geschäfte  vor  dem  Landgericht  (landding) 
abgeschlossen. 48) 

Der  ganze  Ertrag  des  Gutes  gehörte  dem  Besitzer;  er  erhielt  es, 
wie  es  heisst,  „cum  Omnibus  proventibus.*  Ausgenommen  hievon  war 
nur  dasjenige,  was  sich  der  Orden  durch  das  ganze  Land  reservirt  hatte. 

Nach  der  culmischen  Handfeste  (§  23)  waren  dieses  die  Seen,  Biber, 
Salzquellen,  Gold-  und  Silber-Gruben  und  alle  Arten  von  Metall  ausser 
dem  Eisen.  Für  den,  der  Gold  findet,  heisst  es  in  §  24  desselben 
Privilegs  weiter,  oder  den  Eigenthümer  des  Gutes,  auf  dem  es  gefunden 
wird,  gilt  das  schlesische  Kecht,  für  den  Finder  von  Silber,  oder  den, 
auf  dessen  Gut  es  gefunden  wird,  gilt  Freiberger  Recht. 

Dass  diese  Bestimmungen  auch  im  Ermland  Geltung  hatten,  be- 
weisen uns  mehrere  Urkunden,  in  denen  Metall  und  Salz,  Biberjagd 
und  Bergbau  ausdrücklich  reservirt  werden.47)  In  einem  Falle  sehen 
wir  auch,  dass  der  Kalk  dem  Landesherrn  vorbehalten  bleibt. 48) 

Eines  der  Hauptrechte  der  culmischen  Handfeste  ist  in  den  Be- 
stimmungen über  die  Jurisdiction  enthalten. 

Sie  selbst,  so  wie  ihre  Familien  wurden  von  ihren  Standesgenossen 
im  Landgericht  unter  dem  Vorsitz  des  Vogtes  gerichtet.*) 


46)  C.  W.  I,  224;  H,  122,  148.  Ueber  die  Competenzen  des  landdings  vergl. 
Bender,  »Ermlands  politische  und  nationale  Stellung  innerhalb  Prcussens  p.  23—25. 

47)  C.  W.  I,  64,  65,  71,  84;  II,  290  etc. 
**)  C.  W.  II,  215. 

*)  Höchst  auffallend  ist  in  dieser  Hinsicht  eine  Verschreibung  für  den  Lithauei 
Mauste  aus  dem  Jahre  1321  (C.  W.  I,  208.) 

Obwohl  dieser  sein  Gut  zu  culmischem  Recht  besitzt,  sollen  doch  er  sowol 
wie  seine  Erben,  wenn  einer  von  ihnen  ein  Verbrechen  begeht,  vom  Vogte  gerichtet 
werden,  nnd  zwar  nach  preussischem  Becht. 

Ans  welchem  Grunde  ihm  das  Vorrecht  des  culmischen  Rechts,  nach  deutschem 
Recht  gerichtet  zu  werden,  vorenthalten  wird,  ist  nicht  ersichtlich. 


70  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Ueber  ihre  Hintersassen  hatten  sie  gewöhnlich  die  hohe  nnd  niedere 
Gerichtsbarkeit.  *) 

Unsere  culmische  Handfeste  hat  hierüber  in  ihrem  2.  Paragraphen 
folgende  Bestimmung: 

„Wir  überlassen  den  Richtern  für  immer  den  3.  Theil  der  Ge- 
richtsbussen, die  für  grössere  Verbrechen  verhängt  werden.   Die  Strafe 


*)  Voigt  im  6.  Bande  seiner  Geschichte  Preussens  p.  621  sagt: 

»Zuvörderst  nemlich  hatte  der  Komthur  oder  Vogt  eines  Bezirks  das  Gericht 
über  die  in  seinem  Kreise  wohnenden  Preussen  oder  Nichtdeutsche,  sofern  sie  nicht 
ausdrücklich  irgend  einem  anderen  Gerichte  untergeben  waren,  denn  der  Orden  er- 
laubte nie,  dass  deutsche  Schultheissen  oder  deutsche  Einwanderer  die  Gerichtsbar- 
keit über  Preussen  ausüben  durften.  Wenn  also  der  Meister  die  hohe  und  niedere 
Gerichtsbarkeit  verlieh,  so  nahm  er  immer  ausdrücklich  die  Preussen  davon  aus,  sie  unter 
das  Gericht  des  Ordens  d.  h.  des  zunächst  sitzenden  Komthurs  oder  Vogtes  steDend.* 

Nach  seiner  Ansicht  haben  also  die  deutschen  Besitzer  culmischer  Güter,  denen 
die  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Hintersassen  verliehen  ist,  dieselbe 
nur  in  so  fern,  als  die  Hintersassen  Deutsche  sind.  Wie  weit  nun  die  Behauptung 
Voigts,  dass  sich  der  Orden  bei  solchen  Verleihungen  die  Gerichtsbarkeit  über  die 
Preussen  ausdrücklich  vorbehielt,  richtig  ist,  lässt  sich  nicht  bestimmen,  da  uns  das 
Material,  das  er  benutzt  hat,  zum  grössten  Theil  nicht  vorliegt. 

In  unseren  erml&ndischen  Verschreibungen,  unter  denen  sich  verhältnissmassig 
viel  mehr  Verschreibungen  zu  culmischem  Becht  finden,  die  für  Deutsche  ausgestellt 
sind,  als  unter  den  samländischen,  treffen  wir  von  dieser  theilweisen  Beservirung  der 
Gerichtsbarkeit  keine  Spur. 

Wenn  wir  nun  forner  erwägen,  dass  auf  den  grossen  culmischen  Gütern  wol 
nur,  oder  doch  mindestens  zum  grössten  Theil  Preussen  als  Hintersassen  sassen,  die 
entweder  gleich  mit  dem  Gute  zusammen  verliehen  oder  nachher  darauf  angesiedelt 
wurden,  wenn  wir  ferner  in  Betracht  ziehen,  dass  bei  den  Gütern  culmischen  Rechts, 
besonders  in  der  älteren  Zeit,  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit  fast  regelmässig 
verliehen  wurde,  so  ist  die  Wahrscheinlichkeit  wol  sehr  gross,  dass  da,  wo  die  Juris- 
diction überhaupt  verliehen  wird,  sie  sich  auch  auf  die  preussischen  Hintersassen 
erstreckt  hat,  weil  im  anderen  Falle  die  Verleihung  der  Gerichtsbarkeit  fast  ganz 
illusorisch  gewesen  wäre. 

Die  einzige  Verschreibung,  die  wir  unter  unseren  Urkunden  haben,  in  der  eines 
preussischen  Hintersassen  gedacht  wird,  (C.  W.  I,  105)  bestätigt  unsere  Ansicht 
vollständig. 

Es  werden  hier  nemlich  zwei  Deutschen  zuerst  20  Hufen  verliehen  »cum  judiciis 
majoribus  et  minoribus  jure  Culmensi  perpetuo  possidendos.*  Ausserdem  erhalten 
sie  noch  6  Hufen,  auf  denen  ein  Preusse  Namens  Sadeluke  sitzt  »cum  omni  utilitate 
et  jure  suprascripto.* 

Dass  hier  der  Ausdruck  »jure  suprascripto*  so  zu  verstehen  ist,  dass  die  deut- 
schen Herrn  über  den  Sadeluke  auch  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit  besitzen 
sollen,  ist  wol  unzweifelhaft. 


von  Hermann  Hoffmann.  71 

för  kleinere  Verbrechen,  welche  die  tägliche  genannt  wird,  12  Nummi 
und  darunter,  überlassen  wir  ihnen  gänzlich,  so  dass,  was  der  Bichter 
im  Wege  der  Gnade  von  solchen  erlässt,  von  4  Solidi  und  darunter, 
dieses  auch  von  Seiten  unseres  Hauses  erlassen  wird.  Von  grossen  Ver- 
brechen, als  da  sind  Mord,  Blutvergiessen  und  Aehnliches,  soll  der 
Bichter  ohne  Zustimmung  unserer  Brüder  nichts  erlassen." 

Diese  Bestimmungen,  die  für  ein  städtisches  Bichter-Collegium 
galten,  mussten  natürlich  bedeutend  geändert  werden,  um  für  die  Ver- 
hältnisse des  platten  Landes  zu  passen.  Glücklicher  Weise  sind  wir 
in  der  Lage,  diese  Modificationen  genauer  zu  kennen,  da  uns  in  jener 
äusserst  wichtigen  Verschreibung  für  gewisse  Lehnsleute  aus  Ermland 
und  Natangen,  die  für  die  Verhältnisse  der  culmischen  Güter  überhaupt 
fest  eben  so  wichtig  ist,  wie  die  culmische  Handfeste  selbst,  ausführ- 
liche Bestimmungen  über  die  Gerichtsbarkeit  enthalten  sind. ") 

Es  heisst  daselbst: 

„Wir  verleihen  ihnen  die  grossen  und  kleinen  Gerichte,  welche  sind 
Enthauptung,  Verstümmelung  und  Geldstrafen.  Die  Gerichte  auf  den 
öffentlichen  Strassen  und  Wegen,  welche  von  Dorf  zu  Dorf,  von  Stadt 
zu  Stadt,  von  Burg  zu  Burg  führen,  reserviren  wir  unserm  Hause.  Wenn 
aber  Leute,  die  in  den  Dörfern  wohnen,  oder  Fremde,  die  in  den  Dörfern 
sich  vorübergehend  aufhalten  (si  moram  in  ipsis  villis  fecerint),  wenn 
diese  auf  den  öffentlichen  Strassen  im  Dorfe  selbst  ein  Verbrechen  be- 
gehen, so  soll  dieses  vor  das  Gericht  der  betreffenden  Lehnsleute  gehören. 

Wenn  aber  Beisende,  die  direct  das  Dorf  passiren  wollen,  seien 
es  Beiter  oder  Fussgänger,  wenn  sie  in  den  Krügen  oder  anderwärts 
im  Dorfe  sich  nicht  aufhalten,  wenn  diese  nun  von  Jemand  ein  Unrecht 
erleiden  oder  Jemand  ein  Unrecht  zufügen,  so  werden  hierüber  unsere 
Brüder  richten. 

Wir  verleihen  ferner  den  genannten  Vasallen  und  ihren  Erben,  dass 
sie  ihre  Bauern  (rustici)  und  Leute  (homines)  nach  demselben  Becht 
und  in  derselben  Weise  richten,  wie  unsere  Brüder  die  ihrigen.  Dieses 
wird  aber  ausgenommen,  dass  sie  Niemanden  richterlich  zu  Todesstrafe 


**)  C.  W.  I,  71. 


72  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ernilande 

oder  Verstümmelung  der  Glieder  verurtheilen  dürfen  ohne  das  Wissen 
unserer  Brüder.* 

Aus  den  eben  angeführten  Bestimmungen,  so  wie  einer  grossen 
Menge  anderer  Urkunden  ersehen  wir  nun,  dass  unter  den  niederen  Ge- 
richten diejenigen  verstanden  werden,  deren  Bussen  12  Nummi  oder 
4  Solidi  nicht  übersteigen.*) 

Vor  die  grossen  Gerichte  gehören  dann  alle  Verbrechen,  die  mit 
einer  Geldsumme,  grösser  als  4  Solidi,  oder  mit  Verstümmelung  oder 
dem  Tode  bestraft  werden. 

Wenn  in  den  meisten  Urkunden  die  grossen  Gerichte  so  definirt 
werden,  dass  ihre  Strafen  sich  nur  auf  Hals  und  Hand  beziehen  (judicia 
majora  ad  manum  et  collum  se  extendencia),  so  ist  dieses  ungenau;  es 
gehören  eben  auch  noch  diejenigen  Verbrechen  dahin,  die  mit  einer 
grösseren  Geldbusse  bestraft  werden. 

Ob  der  Gutsherr  nun  solche  Verbrechen,  denen  der  Tod  oder  Ver- 


*)  Vossberg,  Geschichte  der  preussischen  Münzen  und  Siegel  (p,  66,  67)  stellt 
die  Ansicht  auf,  dass  diese  12  Nummi  nicht  gleich  den  4  Solidi,  diese  vielmehr  schon 
eine  Strafe  für  schwerere  Vergehen  gewesen  seien. 

Er  sucht  seine  Ansicht  durch  den  scheinbaren  Widerspruch  zu  stützen,  der  sich 
in  §§.  1  und  2  der  culmischen  Handfeste  findet. 

In  §  1  heisst  es  nemlich,  dass  den  Richtern  die  Strafgelder  für  kleinere  Ver- 
gehen (12  Nummi)  ganz  überlassen  werden.  Was  der  Richter  dann  (§  2)  von  solchen 
Strafgeldern  (bis  4  Solidi)  erlassen  wird,  soll  auch  vom  Orden  erlassen  sein,  wahrend 
der  Richter  von  den  Geldstrafen  für  grossere  Verbrechen  ohne  Zustimmung  des  Ordens 
nichts  erlassen  soll.    Vossberg  sagt  nun: 

»Wenn  der  Orden  in  §  1  die  Strafgelder  bis  12  Nummi  den  Richtern  ganz 
überläset,  in  §  2  aber  seines  Antheils  an  den  Strafgeldern  bis  4  Solidi  gedenfct,  so 
kann  dieses  nicht  die  gleiche  Strafsumme  sein.4 

Dieser  Irrthum  ist  aber  durch  eine  falsche  Auffassung  des  §.  2  der  culmischen 
Handfeste  entstanden. 

Der  Satz  ,Ita  ut  quidquid  de  talibus  judex  infra  tribunal  indulserit,  de  quatuor 
solidis  videlicet  et  infra  id,  etiam  ex  parte  Domus  nostre  sit  indultum.* 

Heisst  einfach;  was  der  Richter  von  solchen  Strafgeldern  erlassen  wird,  kann 
er  ohne  unser  Zuthun  erlassen,  da  wir  ihm  diese  Strafgelder  vollständig  überlassen  haben. 

Hiemit  stimmt  es  vortrefflich,  wenn  es  dann  weiter  heisst: 

» Allein  von  den  Strafgeldern  für  bedeutendere  Verbrechen  soll  der  Richter  ohne 
Zustimmung  unserer  Brüder  nichts  erlassen.* 

Ein  unumstösslicher  Beweis  gegen  die  Ansicht  Vossbergs  findet  sich  ferner  in 
einer  grossen  Masse  von  Handfesten  für  Dörfer  in  denen  es  immer  ausdrücklich 
heisst,  der  Schulz  erhält  das  kleine  Gericht,  dessen  Bussen  sich  bis  zu  4  Solidi  erstrecken. 


von  Hermann  Hoffmann,  73 

stümmeltmg  oder  eine  grössere  Geldbusse  als  Strafe  folgte,  allein  richtete 
und  dann  dem  Landesherrn  das  Urtheil  zur  Bestätigung  vorlegte,  oder 
ob  er  nur  in  Gegenwart  des  Vogtes  richten  durfte,  lässt  sich  nicht  mehr 
genau  feststellen.  Es  scheint  aber,  als  ob  das  letztere  der  Fall  gewesen 
ist;  wenigstens  heisst  es  in  der  Verschreibung  für  den  Preussen  Cabilo, 80) 
er  solle  die  Gerichtsbarkeit  ausüben  dürfen,  aber  nur  im  Beisein  des 
Kapitel-Vogtes.  *) 

Der  Gutsherr  darf  das  Gericht  aber  überhaupt  nur  ausüben,  wenn 
der  Verbrecher  in  seinen  Grenzen  ergriffen  wird. 

So  wird  in  der  Verschreibung  für  die  Familie  Tüngen  bestimmt,61) 
dass  sie  nur  die  Verbrechen  richten  sollen,  die  durch  ihre  Hintersassen 
auf  ihrem  Gebiet  begangen  werden,  und  auch  nur,  wenn  sie  die  Ver- 
brecher in  ihren  Grenzen  ergreifen.  Wird  dagegen  ein  Verbrechen 
ausserhalb  ihres  Gebietes  begangen,  und  flüchtet  der  Verbrecher  in  ihre 
Grenzen,  so  sollen  sie  das  Gericht  über  ihn  nicht  haben. 

Zuweilen  wird  auch  noch  gesagt,52)  dass,  wenn  sie  einen  solchen 
Verbrecher  ergreifen  und  ausliefern,  sie  den  3.  Theil  der  betreffenden 
Gerichtsbusse  dafür  erhalten  sollen. 

Das  Strassengericht  behielt  sich  der  Landesherr  fast  immer  vor, 
nur  sehr  selten  wird  es  an  Vasallen  verliehn.53) 

Hiebei  wird  zuweilen  noch  ein  Unterschied  zwischen  öffentlichen 
Strassen  und  Privatwegen  gemacht.    So  erhält  z.  B.   der  Besitzer  des 


so)  C.  W.  I,  86a. 

*)  Toppen,  Excurs  über  die  Verschreibungen  des  Ordens  für  Stammprenssen 
im  13.  Jahrhundert  (Script,  rer.  Pruss.  I,  p.  256)  sagt: 

»Es  war  zu  fürchten,  wenn  die  Gerichtsbarkeit  über  gewisse  Familien  eben 
bekehrten  Preussen  ganz  Übertragen  wurde,  dass  ein  nicht  geringer  Best  altheidni- 
scher Willkür  in  die  Ausübung  derselben  Übergehen  möchte/ 

Er  meint  hiemit,  dass  den  Preussen  die  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Hintersassen 
nur  mit  gewissen  Einschränkungen  gegeben  wurde  und  führt  in  der  Anmerkung  (5) 
auch  die  Verschreibung  für  Cabilo  als  Beispiel  an. 

Nach  der  Verschreibung  für  die  Lehnsleute  aus  Ermland  und  Natangen,  in  der 
es,  wie  ja  schon  gesagt,  heisst,  sie  sollen  die  hohen  Gerichte  nicht  ohne  das  Wissen 
der  Brüder  ausüben,  scheint  es  aber,  als  ob  diese  Beschränkung,  die  Toppen  specioll 
für  die  Preusson  annimmt,  auch  auf  die  deutschen  Besitzer,  denen  die  hohe  und 
niedere  Gerichtsbarkeit  verliehen  wurde,  Bezug  hatte. 

")  C.  W.  I,  62.    M)  C.  W.  II,  367.    ß3)  C.  W.  I,  70,  96,  102  etc. 


J 


74  Der  landliche  GrundbeeiU  im  Ermlande 

Gates  Pocarven  bei  Brandenburg64)  das  Gericht  über  die  Verbrechen, 
die  auf  seinen  Privatwegen  begangen  werden,  während  die  Verbrechen, 
die  auf  den  öffentlichen  Strassen  Verübt  werden,  vom  Orden  gerichtet 
werden  sollen.  Auch  findet  sich  einmal55)  die  eigenthümliche  Bestim- 
mimg, dass  das  Strassengericht  verliehen  wird,  eine  Strasse  hievon  aber 
ausgenommen  ist. 

Schliesslich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  in  der  Verschreibung  für 
Alexander  von  Lichtenau  aus  dem  Jahre  1297 if)  auch  die  „venia  lar- 
giendi*  verliehen  wird,  was  wol  nichts  anderes  sein  kann,  als  das  Recht, 
die  Strafen  für  schwere  Verbrechen  zu  ermässigen  resp.  ganz  zu  er- 
lassen, ein  Recht,  das  sich  der  Landesherr  sonst  ja  immer  vorbehielt. 

Eine  sehr  schwer  zu  entscheidende  Frage  ist  hiebei  nun  die,  ob 
die  Verleihung  der  hohen  und  niederen  Gerichtsbarkeit  immer  not- 
wendig mit  der  Verleihung  des  culmischen  Rechts  verbunden  war. 

Hiefür  spricht  die  Bestimmung  über  die  Jurisdiction  in  jener  Ur- 
kunde *7)  für  die  Lehnsleute  aus  Ermland  und  Natangen,  die  gewisser- 
massen  eine  Normal- Verschreibung  ist,  hiefür  spricht  ferner  eine  Stelle 
aus  der  Verschreibung  für  den  Preussen  Schroyte  von  1284, 58)  die 
da  lautet: 

„Judicia  quoque  majora  et  minora  in  suis  campis  habebit,  quemad- 
modum  habere  dinoscuntur  alii  nostri  feodales,  quibus  Jura  Culmensia 
duiimus  conferenda.* 

Nun  besitzen  wir  aber  eine  ganze  Reihe  von  Verschreibungen,  in 
denen  der  Jurisdiction  gar  nicht  gedacht  wird. 50) 

Es  Hesse  sich  hiebei  allerdings  der  Einwand  machen,  dass  in  diesen 
Verschreibungen  die  betreffenden  Bestimmungen  aus  Nachlässigkeit 
fehlen,  oder  dass  sie  eben  als  selbstverständlich  fortgelassen  sind.  Das 
erste  ist  wol  immöglich,  weil  dazu  der  Urkunden  zu  viele  sind.  Das 
zweite  anzunehmen,  ist  aber  sehr  bedenklich,  weil,  wie  wir  gleich  sehen 


*4)  Verschreibung  Meinhards  von  Querfurt  für  das  Gut  Pocarven  bei  Branden- 
burg.   Altpr.  Monatsschrift  1874,  S.  274  n.  275. 

*')  Preuss.  Begesten  von  M.  Perlbach,  Altpr.  Monatsschrift  1875,  p.  323. 
6e)  C.  W.  I,  102.    67)  C.  W.  I,  71.    M)  C.  W.  I,  65. 
")  C,  W,  I,  69,  76,  9Q,  103,  181;  H,  108,  141  etc. 


von  Hermann  Hofimann,  75 

werden,  die  Jurisdiction  durchaus  nicht  immer  in  gleicher  Weise  ver- 
liehen wurde. 

So  sehen  wir,  besonders  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  gar 
nicht  selten  nur  die  niedere  Gerichtsbarkeit  und  ein  Drittel  des  Er- 
trages der  hohen  verliehen, ")  wir  finden  sogar,  dass  zuweilen  die  niedere 
Gerichtsbarkeit  allein  vergeben  wird. 61)  Zu  diesen  Beweisen  kommt 
dann  noch  ein  fernerer,  indem  wir  in  einigen  Yerschreibungen  aus  der 
2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  die  Gerichtsbarkeit  ausdrucklich  dem 
Landesherrn  reservirt  sehen. 62) 

Nach  dem  eben  Gesagten  dürfte  die  Behauptung  daher  wol  die 
richtige  sein,  dass  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit  nicht  zu  den 
Rechten  gehörten,  die,  wie  das  Erbrecht  und  das  freie  Verkaufsrecht 
jedem  culmischen  Besitzer  durch  die  culmische  Handfeste  garantirt 
wurden,  sondern  dass  es,  wenn  sie  auch,  besonders  in  der  älteren  Zeit 
fast  immer  verliehen  wurden,  ganz  allein  von  dem  Belieben  des  Landes- 
herrn abhing,  ob  er  sie  verleihen  wollte  oder  nicht. 

Sehr  auffallend  mu  ss  es  nun  erscheinen,  dass  alle  Verschreibungen 
in  denen  nur  die  niedere  Gerichtsbarkeit  und  ein  Drittel  des  Ertrages 
der  hohen  verliehen,  so  wie  alle,  in  denen  die  Gerichtsbarkeit  ausdrücklich 
vorbehalten  wird,  aus  der  Zeit  nach  dem  Jahre  1340  stammen. 

Da  die  Zahl  der  betreffenden  Urkunden  nur  eine  geringe  ist,  wäre 
es  voreilig,  aus  ihnen  allein  schliessen  zu  wollen,  dass  ungefähr  um  die 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  eine  allgemeine  Verschlechterung  des  cul- 
mischen Hechts  eingetreten  sei.  Die  weitere  Untersuchung  wird  aber 
nachweisen,  dass  diese  Erscheinung  sich  auch  hinsichtlich  der  anderen 
Punkte  zeigt. 

Im  Anschluss  an  das  Gerichtswesen  ist  hier  gleich  noch  die  In- 
stitution des  Wehrgeldes  zu  betrachten.  Leider  geben  uns  unsere  Quellen 
hierüber  fast  gar  keinen  Aufschluss;  upter  der  grossen  Masse  von  Yer- 
schreibungen für  Deutsche  ist  auch  nicht  eine  einzige,  die  des  Wehr- 
geldes gedenkt.    Es  hat  hienach  den  Anschein,  als  ob  das  Wehrgeld 


M)  C.  W.  II,  329,  330,  418  etc.    •')  C.  W.  I,  89. 
M)  C.  W.  II,  58,  357.  370,  388. 


76  Der  ländliche  Grundbesits  im  Ermlande 

für  die  Deutschen  entweder  gar  nicht  galt,  oder  als  ob  es  für  alle 
gleich  gross  war.*) 

Das  erste  ist  unglaublich,  da  das  Institut  des  Wehrgeldes  ja  erst 
durch  die  Deutschen  in  Preussen  eingebürgert  ist,  das  zweite  ist  un- 
möglich, da  die  Verhältnisse  der  deutschen  Ansiedler  unter  sich  doch 
sehr  verschieden  waren. 

Glücklicher  Weise  verbreitet  nun  eine  alte  Bestimmung  für  die 
eingebornen  Preussen  hierüber  einiges  Licht.  Unter  den  Jura  Pru- 
thenorum  befindet  sich  nämlich  ein  Paragraph,  der  das  Wehrgeld  be- 
stimmt, das  ein  Preusse  zahlen  muss,  wenn  er  einen  Deutschen  er- 
schlägt. 63)  Er  lautet:  „Ist  das  ein  Preusse  einen  ledigen  deutschen 
todslett,  der  da  nicht  hat  garten  noch  erbe,  man  gildet  yn  mit  VIII  marken; 
hat  er  aber  einen  garten,  man  gildet  yn  mit  XII  marken;  hat  er  aber 
erbe  in  dörffern  oder  in  stedten,  man  gildet  yn  mit  XXX  marken. 

Es  werden  die  Deutschen  hier  also  in  3  Klassen  getheilt,  solche, 
die  nichts  besitzen  (wol  Dienstboten  etc.),  solche,  die  nur  einen  Garten 
haben  (Gärtner)  und  solche,  die  als  freie  Bauern  oder  Bürger  in  Dörfern 
und  Städten  sitzen.  Die  letzten  erhalten  das  höchste  Wehrgeld,  näm- 
lich 30  Mark. 

Gegen  die  allgemeine  Gültigkeit  dieser  Bestimmung  lassen  sich 
nun  aber  gerechte  Bedenken  erheben.  Einmal  wird  in  ihr  der  culmische 
Gutsbesitzer  gar  nicht  erwähnt,  und  dann  erscheint  es  auch  durchaus 
nicht  ganz  glaublich,  dass  der  deutsche  Bürger  ein  nur  eben  so  hohes 
Wehrgeld  gehabt  haben  soll  (30  Mark),  als  es  den  kleinen  preussi- 
schen  Freien,  die  ihre  Besitzungen  zu  preussischem  Rechte  hatten,  ge- 
geben zu  werden  pflegte. 


*)  Bender,  Ermlands  politische  und  nationale  Stellung  innerhalb  Preussens 
p.  53)  scheint  der  Ansicht  zu  sein,  dass  die  Deutschen  in  Preussen  überhaupt  kein 
Wehrgeld  hatten.  Wenigstens  sagt  er  bei  der  Betrachtung  der  Rechte  der  preussi- 
sehen  Freien: 

»Von  den  Deutschen  unterscheiden  sich  die  preussischen  Freien  ferner  bestimmt 
dadurch,  dass  sie  ein  Wehrgeld  hatten/ 

Zu  dieser,  nach  dem  im  Texte  gesagten,  irrigen  Ansicht  ist  er  jedenfalls  ge- 
kommen, weil  er  in  den  Verschreibungen  für  Deutsche  das  Wehrgeld  nie  erwähnt  fand. 

C3)  P.  Laband,  Jura  Prathenorum.  Königsberg  1866.  p.  9.  Bestimmung  Nr.  18, 


von  Hermann  Hoffmann,  77 

Wir  können  daher  hieraus  nur  den  Schlnss  ziehen,  dass  das  Wehr- 
geld bei  den  deutschen  Ansiedlern  je  nach  den  besonderen  Verhältnissen 
ein  verschieden  hohes  gewesen  ist. 

In  den  Verschreibungen  für  Preussen  zu  culmischem  Recht  findet 
sich  einige  Male  ein  Wehrgeld  von  30 Mark  erwähnt.6') 

Die  Rechte,  die  bis  jetzt  behandelt  sind,  wurden  nun  mit  wenigen 
Ausnahmen  fast  allen  Besitzern  der  gewöhnlichen  culmischen  Güter  ge- 
geben. Es  findet  sich  aber  noch  eine  Anzahl  anderer,  geringerer  Rechte, 
die  ganz  allein  nach  den  Verdiensten  der  einzelnen  Ansiedler  und  dem 
Belieben  des  Landesherrn  verliehen  wurden. 

Zu  diesen  gehört  zunächst  das  Mühlenrecht. 

Der  26te  Paragraph  der  culmischen  Handfeste  sagt  hierüber 
Folgendes : 

„Wenn  ein  Bach  die  Aecker  eines  Bürgers  berührt,  so  steht  es  dem 
Besitzer  des  Ackers  frei,  eine  Mühle  an  ihm  zu  bauen. 

Ist  aber  derselbe  Fluss  passend  für  mehrere  Mühlen,  so  soll  unser 
Haus  bei  den  anderen  den  3.  Theil  der  Baukosten  tragen,  und  dann, 
auch  für  immer  den  3.  Theil  der  Einnahmen  erhalten. 

Diese  Bestimmung,  nach  der  als»  jeder  culmische  Besitzer,  durch 
dessen  Gut  ein  Bach  floss,  berechtigt  war,  eine  Mühle  zu  bauen,  ist  auf 
die  ländlichen  Verhältnisse  gar  nicht  übertragen  worden.  Das  Recht, 
Mühlen  anzulegen,  hat  der  Orden  wie  die  Bischöfe  gleich  als  Regal 
für  sich  in  Anspruch  genommen. 

Wir  finden  nun,  besonders  in  der  älteren  Zeit,  das  Mühlenrecht 
allerdings  sehr  häufig  verliehen,65)  aber  es  ist  eben  nicht  ein  Recht, 
das  jedem  culmischen  Besitzer  zusteht,  sondern  das,  wie  es  häufig  heisst 
„de  speciali  gratia*  verliehen  wird. 

In  den  späteren  Urkunden  wird  es  meistens  nicht  erwähnt,  in  der 
2ten  Hälfte  des  14ten  Jahrhunderts  sogar  gewöhnlich  ausdrücklich 
reservirt, M) 

Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Recht,  Tabernen  erbauen 


M)  C.  W.  I,   131;   H,  220,  382.      «)  C.  W.  I,  76,  83,  96,  98,  99,  102,  103, 
105,  111  etc.    M)  C.  W.  H,  243,  329,  333,  349,  357,  870  etc. 


7  g  Der  ländliche  Grandbesiti  im  Ermlande 

zu  dürfen.  Dieses  Recht  wurde,  wie  das  ja  in  der  Natur  der  Sache 
lag,  den  Besitzern  culmischer  Güter  natürlich  viel  seltener  verliehen 
als  das  Mühlenrecht,07)  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  finden 
wir  es  auch  gewöhnlich  reservirt.  •■) 

Fischerei-  und  Jagdgerechtigkeit  finden  wir  auch  schon  in  der 
Ältesten  Zeit  als  Regal,  doch  werden  sie  sehr  häufig  verliehen. 

In  den  Yerschreibungen  der  älteren  Zeit  finden  wir  gewöhnlich  das 
Recht  der  Jagd,  des  Fisch-  und  Vogelfanges  (venationes,  piscationes, 
aucupationes)  zusammen  erwähnt,  ohne  jede  weitere  Beschränkung,09) 
häufig  indess  auch  Jagd  und  Fischfang  allein. 70) 

Zuweilen  erhalten  die  Beliehenen  auch  das  Recht,  den  Honig,  den 
sie  auf  ihren  Besitzungen  finden,  für  sich  zu  verwerthen. 71) 

Allmählig  wird  die  Verleihung  dieser  Rechte  aber  immer  seltener 
und  beschränkter,  am  häufigsten  treffen  wir  später  noch  das  Fischerei- 
recht (pro  mensa  tantum  et  non  ad  vendendum),  und  auch  dieses  nur 
noch  in  bestimmten  Seen. 

Die  Fischerei  in  den  Bächen  scheint  immer  verboten  gewesen  zu 
sein. ")  Freie  Fischerei  wird  immer  mehr  eine  besondere  Begünstigung, 
die  zuweilen  sogar  einzelnen  Perionen  nur  auf  Lebenszeit  gegeben  wird, 
nach  deren  Tode  aber, 7S)  oder  wenn  das  Gut  vorher  in  fremde  Hände 
kommt,74)  aufhört. 

Die  Jagdgerechtigkeit  wird  später  sehr  selten  verliehen  und  dann 
auf  kleines  Wild  (Hasen,  Füchse  etc.)  beschränkt. 75) 

Das  Recht,  Dörfer  und  Kirchen  zu  gründen,  konnte  natürlich  nur 
den  Besitzern  grosser  Güter  gegeben  werden,  weshalb  es  sich  auch  nicht 
zu  oft  findet.70)  Mit  diesem  Recht  war  immer  das  Patronatsrecht 
oder  Präsentationsrecht  (jus  patronatus,  jus  präsentandi)  verknüpft. 

Zuweilen  wird  das  Patronatsrecht  schon  für  Kirchen  verliehen,  die 
erst  später  gebaut  werden  sollen.77) 


•7)  C.  W.  1,  153,  200.    «»)  C.  W.  II,  267,  329,  357,  388.    M)  C.  W.  I,  57,  77, 
86,  88,  103,  111,  166,  200  etc.    ™)  C.  W,  I,  62,  73,  80,  81,  83,  96,  102  etc. 
")  C.  W.  I,  84,  89,  100.    7t)  C.  W.  II,  290,  333.    73)  C.  W.  II,  8,  289. 

7«)  c.  w.  n,  357.  n)  c.  w.  n,  243, 403.  76)  c.  w.  1, 102;  11, 199,  266»  268. 

77)  C.  W.  I,  79,  96, 


von  Hermann  Hoffmann.  79 

Nachdem  wir  nun,  so  weit  unsere  Urkunden  uns  das  Material  dazu 
darboten,  gesehen  haben,  welche  Bechte  mit  der  Verleihung  des  cul- 
mischen  Hechts  verbunden  zu  sein  pflegten,  und  wie  diese  im  Laufe 
der  Zeit  immer  geringer  und  seltener  wurden,  haben  wir  noch  die 
Leistungen  zu  betrachten,  zu  'denen  das  culmische  Recht  verpflichtete. 

Diese  Leistungen  bestanden  in  Kriegsdiensten,  einer  Getreide-Ab- 
gabe und  der  sogenannten  Becognitions-Gebühr. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Hauptleistung,  nämlich  den  Kriegsdienst. 

Die  culmische  Handfeste  (§§.  31  und  32)  bestimmt  hierüber  nur, 
dass  jeder,  der  40  Hufen  oder  mehr  besitzt,  mit  allen  Waffen  und  ge- 
harnischtem Bosse,  das  für  solche  Waffen  passt,  sowie  mit  zwei  leichter 
Bewaffneten  dienen  solle.  Besitzt  er  weniger  Hufen,  so  soll  er  den 
Platendienst  leisten,  d.  h.  den  Dienst  mit  leichteren  Waffen. 

In  beiden  Fällen  haben  sie  die  Bitter  auf  ihren  Heerfahrten  gegen 
die  Preussen,  welche  Pomezanen  heissen,  zu  begleiten,  so  oft  sie  dazu 
aufgefordert  werden.  Wenn  aber  mit  Gottes  Hülfe  die  Pomezanen  nicht 
mehr  zu  fürchten  sind,  sollen  sie  von  allen  Kriegsreisen  befreit  sein, 
und  nur  zur  Verteidigung  des  Landes  zwischen  Weichsel,  Ossa  und 
Drewenz  dienen  dürfen. 

Ob  der  Orden  dieses  Versprechen  den  Vasallen  im  Culmer  Lande 
hat  halten  können,  lässt  sich  nicht  mehr  bestimmen.  Dass  aber  die 
Lehnsleute  der  anderen  Landschaften  einen  sehr  drückenden  Kriegs- 
dienst zu  leisten  hatten,  beweist  wol  das  Versprechen,  das  der  Orden 
im  Jahre  1267  seinen  Lehnsleuten  von  Ermland  und  Natangen  gab, 7>) 
dass  ihre  Kriegspflicht  nach  Niederwerfung  des  Aufstandes  sich  auf  die 
Verteidigung  der  6  Landschaften  Samland,  Natangen,  Ermland,  Barthen, 
Pogesanien  und  Pomesanien  beschränken  solle. 

Aus  der  schon  oft  angeführten  Verschreibung  aus  dem  Jahre  1285 
ersehen  wir  nun,  welcher  Art  der  gemessene  Kriegsdienst  war. 

Die  Lehnsleute  haben  hier  die  Pflicht  der  Verteidigung  der  schon 
erwähnten  Landschaften  und  zwar  auf  geharnischten  Streitrossen  (dextrarii 
falerati)  und  mit  leichten  Waffen.    Mit  schicklichen  Waffen  haben  sie 


'•)  C.  W.  I,  60.    '•)  C.  W.  1,  71. 


80  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

ferner  beim  Bau  von  Befestigungen  zugegen  zu  dein,  wenn  sie  dazu 
aufgefordert  werden. 

Ob  sie  ausserhalb  der  bestimmten  Grenzen  dienen  wollen,  das  hängt 
von  ihrem  guten  Willen  ab. 

Ihre  Hintersassen  dagegen  sind  zu  cten  Kriegsreisen  (expeditiones), 
sowie  zum  Vertheidigungsdienst  und  zur  Hülfe  beim  Burgenbau  ver- 
pflichtet und  zwar  zu  Fuss  und  Boss  (tarn  epuites  quam  pedites)  mit 
gewöhnlichen  Waffen,  so  oft  sie  dazu  aufgeboten  werden. 

Nach  der  culmischen  Handfeste  ist  der  Besitzer  eines  Gutes  von 
mindestens  40  Hufen  verpflichtet,  mit  einem  gepanzerten  Streithengst 
und  allen  Waffen  zu  dienen. 

Ausserdem  soll  er  noch  2  Leichtbewaffnete  bei  sich  haben. 

Wir  haben  nun  eine  ganze  Reihe  von  Urkunden,  in  denen  Güter 
von  100  Hufen  und  mehr  verliehen  werden,  die  man  doch  ohne  Zweifel 
in  die  Beihe  der  sogenannten  adligen  Güter  stellen  wird. 80) 

In  keiner  Verschreibung  aber  finden  wir  jene  Bestimmung  über  die 
Kriegspflicht,  vielmehr  haben  alle  Belehnten  so  und  so  viele  Dienste 
auf  leichten  Bossen  (spado)  zu  leisten,  in  2  Verschreibungen  heisst  es 
sogar  ausdrücklich,  dass  sie  auch  mit  leichten  Waffen  zu  dienen  haben. ") 

Es  scheint  darnach  jener  schwere  Bossdienst  sehr  selten  vorge- 
kommen zu  sein,  und  wird  man  ihn  durchaus  nicht  als  nothwendig  zum 
Adelsstande  gehörig  betrachten  dürfen. 

Hiemit  stimmt  es  vortrefflich,  wenn  wir  zuweilen  die  Bezeichnung 
9 adliger  Platendienst"  M)  und  „ritterlicher  Platendienst* 83)  finden. 

Die  zweite  Art  des  Kriegsdienstes,  die  im  culmischen  Becht  er- 
wähnt wird,  ist  der  Platendienst. 

Er  ist  von  denen  zu  leisten,  die  weniger  als  40  Hufen  besitzen,  und 
hat  seinen  Namen  von  dem  Bruststück  des  Harnischs,  das  Plate  hiess.  * 


•o)  C.  W.  I,  79,  96,  98,  102;  11,199  etc.  81)  C.  W.  1,102;  II,  199.  M)  Adolph 
Rogge,  Das  Amt  Balga.  Altpr.  Monat&scbr.  von  1868,  p.  132,  Anm.  46.  ta)  Adolph 
Rogge,  Das  Amt  Balga.    Altpr.  Monatsschrift  von  1870,  p.  487,  Urkunde  66. 

*)  Grunenberg,  Geschichte  und  Statistik  des  Kreises  Allenstein  (p.  23)  hat  die 
eigenthümliche  Ansicht,  dass  die  Plate  ein  Brustharnisch  sei,  der  zur  Bedeckung 
der  Rosse  diente. 


▼on  Hermann  Hoffmann.  ßj 

Die  Plate  wird  nun  aber  fast  nie  erwähnt,  sondern  heisst  es  gewöhn- 
lich, sie  sollen  mit  einem  leichten  Streitross  und  leichten  Waffen  dienen. 

Was  zu  den  leichten  Waffen  gerechnet  wurde,  zeigt  uns  eine 
Verschreibung  des  Bischofs  Eberhard  für  die  Söhne  seines  verstorbenen 
Bruders  Arnold  über  30  Hufen.  M) 

Es  wird  hier  nämlich  gesagt,  die  beiden  Brüder  sollen  der  Kirche 
dienen  „cum  uno  equo  competenti  et  viro  levibus  armis  armato,  hoc 
est  cum  Thorace  vel  Brünya,  hasta,  clipeo  et  pileo  ferreo.  *  Wir  sehen 
also,  dass  hier  an  die  Stelle  der  Plate  der  thorax  oder  die  brünya  ge- 
treten ist. 

Hiedurch  wird  die  Plate  aber  keineswegs  im  Gebrauch  verdrängt 
worden  sein;  wahrscheinlich  sind  die  einzelnen  Panzer  neben  einander 
gebraucht  worden.  *) 

Diese  Bestimmungen,  die  ganz  gleichmässig  für  die  deutschen  wie 
für  die  preussischen  Kölmer  gelten,  **)  erfuhren  im  Ermlande  aber  bald 
bedeutende  Veränderungen. 


M)  C.  W.  I,  200. 

*)  Bender  in  seinem  schon  mehrmals  citirten  Bache  (p.  51)  sagt: 

»Die  Preossen  unterscheiden  sich  auch  von  den  Deutschen  durch  die  Kriegs- 
rüstung. Die  preussischen  Wehrmänner  trugen  statt  der  Plate  die  Brunie,  ebenfalls 
ein  Panier,  aber  in  Form  und  Beschaffenheit  von  der  Plate  abweichend.  Dieses 
Waffenstück  gilt  als  wesentlich  und  unterscheidend.  Er  folgt  hierin  ganz  der  An- 
sicht Voigts. 

Auch  dieser  behauptet,  (Gesch.  Preussens  B.  VI,  p.  676—78),  dass  die  deutschen 
Kölmer  zum  Platendienst,  die  preussischen  zum  Dienst  mit  der  Brunie  verpflichtet 
gewesen  seien. 

In  einer  Anmerkung  (p.  677.  Anm.  2)  sagt  er  jedoch: 

»Dass  die  Brunie  mit  der  Plate  manches  Aehnliche  gehabt  habe,  ist  daraus  zu 
schüessen,  dass  es  dem  Kriegsmanne  mitunter  freigestellt  wurde,  ob  er  sich  zur 
Rüstung  einer  Plate  oder  statt  deren  der  Brunie  oder  eines  guten  Panzers  bedienen  wolle.* 

Die  scharfe  Sonderung  zwischen  den  beiden  Diensten  ist  bei  Voigt  sowol  wie 
bei  Bender  jedenfalls  durch  den  sich  häufig  findenden  Ausdruck  arma  Pruthenicalia 
entstanden,  dem  sie  zu  grosses  Gewicht  beigelegt  haben.  Toppen  in  seinem  bekann- 
ten Excurse  geht  im  Gegensatz  zu  Voigt  und  Bender  so  weit,  (Script  rer.  Pr.  B.  I, 
p.  266)  den  Dienst  der  preussischen  Kölmer  mit  einem  leichten  Streitross  und  preussi- 
schen Waffen  mit  dem  Platendienst  zu  identificiren. 

**)  Bender,  Ermlands  politische  und  nationale  Stellung  innerhalb  Preussens 
p.  52  behauptet,  dass  die  preussischen  Kölmer  im  Gegensatz  zu  den  deutschen 
Kölmern  zum  ungemessenen  Kriegsdienst  verpflichtet  gewesen  seien, 

Altpr.  Ifonatttohrift  Bd.  XIV.  Hft.  lo.2(  6 


82  Der  ländliche  Grundbesite  im  Ermlande 

Sehr  häufig  M)  wird  nämlich  der  Landwehrdienst  der  Art  beschränkt, 
dass  die  Vertheiciigung  sich  nur  auf  das  Bisthum  Ermland  erstrecken 
solle  (infra  terminos  diocesis  nostrae).  Bei  den  häufigen  Einfällen  der 
Lithauer,  die  bald  in  diese,  bald  in  jene  Landschaft  einbrachen,  war 
diese  Beschränkung  natürlich  eine  sehr  bedeutende  Erleichterung,  die 
deshalb  wol  auch  nur  verdienten  Männern  zu  Theil  wurde. 

Höchst  auffallender  Weise  findet  sich  unter  der  grossen  Menge 
von  Verschreibungen,  in  denen  diese  Erleichterung  gewährt  wird,  keine 
einzige,  die  für  einen  Preussen  ausgestellt  wäre. 

Der  Idee  des  Lehnsrechts  zufolge  war  der  Lehnsmann  unzweifelhaft 
selbst  zum  Kriegsdienst  verpflichtet.  Doch  gab  es  auch  hievon  Aus- 
nahmen, wie  uns  ein  Paar  Verschreibungen  beweisen,86)  in  denen  es 
heisst,  dass  der  Empfänger  des  Guts  «per  se  vel  per  alium'  zu 
dienen  habe. 

Nach  der  culmischen  Handfeste  war  nun,  wie  wir  eben  gesehen 
haben,  die  Kriegspflicht  in  ein  bestimmtes  Verhältniss  zur  Grösse  des 
Gutes  gesetzt,  es  wurde  zwischen  schwerem  Bossdienst  und  leichtem 
Platendienst  unterschieden. 

Diese  Bestimmung,  die  für  ein  Grundrecht  vorzuglich  passt,  ist 
in  Wirklichkeit,  wenigstens  in  Betreff  der  ländlichen  Verhältnisse  nie 
ordentlich  zur  Durchführung  gekommen.    Der  Bischof  wie  das  Dom- 


Er  sagt: 

Die  Preussen  (preussische  Kölmer)  sind  auch  unter  culmischem  Recht  an  dem 
angemessenen  Kriegsdienst  nach  Gewohnheit  des  Landes  (secundum  terre  consuetudinem) 
etc.  leicht  zu  erkennen. 

Da  er  keine  Belegstellen  anführt,  scheint  ihm  der  Ausdruck  »seeundum  terre 
consuetndinem4  den  angemessenen  Kriegsdienst  zu  bezeichnen. 

Nun  finden  wir  denselben  Ausdruck  aber  auch  in  einigen  Verschreibungen,  die 
für  deutsche  Kölmer  ausgestellt  sind.  (C.  W.  I,  101,  128). 

Da  wir  hier  keine  Ursache  haben,  anzunehmen,  dass  diese  deutschen  Kölmer 
zum  angemessenen  Kriegsdienst,  verpflichtet  sind,  wird  man  wol  kein  Recht  haben, 
unter  dem  Ausdruck  »secundum  terre  consuetudinem  servire*  den  angemessenen 
Kriegsdienst  zu  verstehen. 

Wenn  wir  dieses  aber  nicht  können,  liegt  auch  kein  Grund  zu  der  Annahme 
vor,  dass  die  preussischen  Kölmer  in  Betreff  der  Kriegspflicht  den  deutschen  Kölmern 
nicht  gleich  gestellt  gewesen  sein  sollten. 

•»)  C.  W.  I,  70,  79,  81,  83,  86,  86b,  88,  93,  96,  98,  102,  106,  111,  161,  163, 
167,  211.    M)  C.  W.  II,  199,  266. 


von  Hermann  Hoffmann.  83 

capitel  richteten  sich  bei  der  Bestimmung  der  Kriegsdienste  wol  stets 
allein  nach  den  persönlichen  Verhältnissen. 

Nur  so  viel  lässt  sich  im  Allgemeinen  sagen,  dass  auf  Gütern,  die 
nicht  schon  einen  bedeutenden  Umfang  hatten,  selten  mehr  als  ein 
Dienst  ruhte. 

Wie  wenig  oft  bei  diesen  Bestimmungen  die  Grösse  des  Gutes  in 
Betracht  kam,  zeigt  sich  am  klarsten,  wenn  wir  die  Zahl  der  Dienste, 
die  auf  den  grossen  Gütern  von  circa  100  Hufen  ruhten,  mit  einander 
vergleichen. 

So  sehen  wir  einmal  auf  120  Hufen  4  Dienste, ")  auf  90  Hufen 
3  Dienste  ")  ruhen.  Bei  mehreren  Gütern  von  100  Hufen  finden  wir 
einmal  4, ••)  einmal  3, 00)  einmal  2  Dienste 91)  und  einmal  1  Dienst. w) 
Diese  kurze  Zusammenstellung  zeigt  wol  zur  Genüge,  dass  hiebei  nicht 
nach  einer  festen  Norm  gehandelt  wurde. 

Wie  wir  nun  oben  gesehen  haben,  dass  die  einzelnen  Rechte  im 
Laufe  der  Zeit  immer  seltener  und  beschränkter  verliehen  wurden,  so 
wird  es  sich  hier  leicht  zeigen  lassen,  dass  die  Leistungen,  zu  denen 
das  culmische  Becht  verpflichtete,  vor  allem  die  Verpflichtung  zum 
Kriegsdienst  allmählig  immer  umfangreicher  und  drückender  wurden. 

Ungefähr  von  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  ab  wird  nämlich  sehr 
häufig  statt  des  gemessenen  der  ungemessene  Kriegsdienst  verlangt. ") 

Welches  die  Gründe  für  diese  Verschlechterung  des  culmischen 
Hechts  gewesen  sind,  lässt  sich  aus  unsern  Urkunden  nicht  feststellen. 

Wahrscheinlich  ist  es,  dass  die  immer  heftiger  entbrennenden 
Kriege  mit  den  Lithauern  eine  Vermehrung  derjenigen  Kriegspflichtigen 
wünschenswerth  erscheinen  Hess,  die  der  Ordensfahne  auch  über  die 
Grenzen  Preussens  hinaus  zu  folgen  verbunden  waren. 

Wir  finden  nun  allerdings  auch  noch  in  der  2.  Hälfte  des  14ten 
Jahrhunderts  eine  ganze  Beihe  von  Verschreibungen,  in  denen  nur  die 
Verpflichtung  zum  Landwehrdienst  auferlegt  wird,  doch  sind  diese  Ver- 
schreibungen schon  sehr  in  der  Minderzahl. 


")  C.  W.  II,  290.  ")  C.  W.  I,  98.  M)  C,  W.  I,  83.  *>)  C.  W.  I,  79.  9!)  C.  W. 
I,  96.  9J)  C  W.  II,  199.  w)  C.  W.  II,  9,  58,  108,  131,  184,  204,  215,  267, 
294,  295  etc. 

6* 


34  Der  ländlich«  Grandbesits  im  Ermlande 

Ausser  der  Verpflichtung  zum  gemessenen  resp.  später  zum  unge- 
messenen Kriegsdienst  hatten  die  kulmischen  Besitzer  aber  immer  noch 
die  Verpflichtung,  beim  Burgenbau  Hülfe  zu  leisten. 

Wie  schon  aus  der  Bestimmung  jener  bekannten  Verschreibung 
für  die  Lehnsleute  in  Ermland  und  Natangen,  dass  sie  mit  geziemenden 
Waffen  bei  dem  Bau  von  neuen  Befestigungen  zugegen  sein  sollen  (Et 
cum  armis,  sicut  condecet  interesse  novis  munitionibus  cum  requisiti 
fuerint  construendis),  deutlich  hervorgeht,  mussten  sie  nur  zum  Schutz 
der  Arbeiter  bewaffnet  erscheinen.  *) 

Es  bezog  sich  diese  Pflicht  natürlich  nur  auf  Ermland;  zuweilen 
wird  sie  sogar  noch  auf  bestimmte  Theile  Ermlands  beschränkt. ") 

Die  Hintersassen  der  culmischen  Besitzer  waren  zum  ungemessenen 
Kriegsdienst,  zur  Landesverteidigung  und  zum  Burgenbau  verpflichtet. 
Beim  Burgenbau  waren  sie  natürlich  die  Frohnarbeiter. 

Sehr  auffallend,  und  aus  unseren  Urkunden  gar  nicht  zu  erklären 
ist  nun  die  Bestimmung,  dass  sie  sowohl  zu  Boss  wie  zu  Fuss  dienen 
sollen.")  Vielleicht  richtete  sich  dieses  nach  der  Grösse  des  ihnen 
zugewiesenen  Landes.**)  . 

Neben  diesen  allgemeinen  Bestimmungen  treffen  wir  aber  zuweilen 
noch  andere,  von  jenen  vollständig  abweichende,  die  durch  die  persön- 
lichen oder  localen  Verhältnisse  bedingt  werden. 

So  erhält  im  Jahre  1294  ein  Schütze  von  Balga,  Namens  Arnold, 
eine  Besitzung ")  mit  der  Verpflichtung,  auf  einem  leichten  Bosse  mit 


*)  Bei  der  Betrachtung  der  Kriegsdienste  der  cölmischen  Besitzer  sagt  Voigt 
(B.  VI,  p.  668)  dass  die  kleineren  Kölmer  ebenso  wie  die  Bauern  und  Hintersassen 
beim  Burgenbau  nicht  zum  Schutzdienst,  sondern  zum  gemeinen  Arbeitsdienst  ver- 
pflichtet gewesen  seien. 

Wo  zieht  er  die  Grenze  zwischen  grösseren  und  kleineren  Kölmern  und  mit 
welchem  Becht  stellt  er  sie  hier  mit  den  Hintersassen  zusammen?  Den  Beweis  hie- 
fftr  ist  er  schuldig  geblieben. 

•«)  C.  W.  I,  77a,  166;  H,  204.    •»)  C,  W.  1,  62,  71. 

**)  Irrthümlicher  Weise  bezieht  Bender  diesen  Ausdruck  tarn  equites  quam 
pedites  auf  die  preussischen  Freien,  (p.  56)  obwol  es  auch  aus  der  von  ihm  citirten 
Verschreibung  für  die  Familie  Tüngen  klar  hervorgeht,  dass  darunter  nur  die  Hinter- 
sassen verstanden  sejn  können. 

M)  C.  W,  I,  93. 


von  Hermann  Hoffmann.  g5 

einer  Baliste  zu  dienen  und  die  alten  und  zerbrochenen  Balisten  wieder 
herzustellen. 

Wenn  dann,  heisst  es  weiter,  keiner  von  seinen  Erben  die  Kunst 
des  Vaters  erlernt  hat,  so  sollen  sie  nach  der  Weise  des  Landes  mit 
einem  Pferde  und  einem  bewaffneten  Mann  innerhalb  der  Grenzen  der 
Diöcese  dienen. 

Ein  anderer  Deutscher,  Heinrich  Mustatus,  wird  wieder  verpflichtet, 97) 
zur  Zeit  der  Noth  nach  Braunsberg,  zu  eilen  und  die  Stadt  vertheidigen 
zu  helfen. 

Diese  Kriegsdienste,  so  verhältnissmässig  gering  sie  in  Ermland 
auch  waren,  erschienen  den  damit  Belasteten  doch  bald  sehr  druckend. 

Wir  sehen  daher  überall  das  Streben,  die  Kriegspflicht  in  einen  jähr- 
lichen Zins  umzuwandeln,  welchem  Streben  das  eigentümliche  Schutzver- 
hältniss,  in  dem  Ermland  zum  Orden  stand,  sehr  förderlich  war.  *) 

So  treffen  wir  denn  auch  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts zuweilen  an  Stelle  der  Kriegspflicht  andere  Leistungen. 

Vorzüglich  wird  dafür  eine  bald  geringere,  bald  grössere  Wachs- 
Abgabe  entrichtet 9t)  (8  Pfund  bis  2  Stein  Wachs). 

Diese  Umwandlung  des  Kriegsdienstes  in  eine  Wachsabgabe  wird 
aber  schon  als  eine  besondere  Gunstbezeugung  angesehn,  die  sich  zu- 
weilen nur  auf  bestimmte  Personen  bezieht. 

So  muss  Gauco  v.  Hohenberg  nach  seiner  Verschreibung  aus  dem 
Jahre  1352 ")  einen  Stein  Wachs  geben,  wofür  er  vom  Kriegsdienst 
befreit  ist. 

Kommt  aber  das  Gut  in  fremde  Hände,  so  soll  der  neue  Besitzer 
statt  zu  der  Wachs-Abgabe  zu  einem  Reiterdienst  verpflichtet  sein. 

In  einer  Verschreibung  aus  dem  Jahre  1323  !0°)  wird  an  die  Stelle 
des  Kriegsdienstes  ein  Zins  von  3  Mark  gesetzt,  1344  sogar  ein  Dienst, 
der  schon  lange  besteht,  in  einen  Geldzins  umgewandelt.  101) 


")  C.  W.  I,  95. 

*)  üeber  das  Verhältniss  des  Bischofs  und  Domcapitels  von  Ermland  zum  Orden, 
so  wie  des  Bischöfe  zum  Domcapitel  handeln: 

Bender:  Ermlands  politische  und  nationale  Stellang  innerhalb  Preassens  p.  15-30. 
Brock:  De  controversiis  inter  Poloniam  et  Pmssiam  (Dissertation  1871.) 
»•)  C.  W.  I,  168,  181,  203.   ")  C.  W.  1, 177,    10°)  C.  W.  I,  215.  W1)  C.  W.  H  40, 


36  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Theilweise  Befreiung  vom  Kriegsdienst  findet  sich  nur  sehr  selten. 

So  wird  dem  Bitter  Ernst  und  seinen  Erben  von  seinen  2  Beiter- 
diensten  der  eine  erlassen. IM) 

Kommt  das  Gut  aber  in  fremde  Hände,  so  sind  wieder  2  Reiter 
zu  stellen. 

Meistens  werden  solche  Vergünstigungen  nur  für  die  Lebenszeit 
des  betreffenden  Vasallen  verliehen,  so  dass  die  Erben  wieder  in  die 
ursprünglichen  Verhältnisse  eintreten; 103)  es  sind  ganz  im  Gegensatz 
gegen  die  übrigen  Rechte,  die  an  dem  Gute  haften,  Bechte,  die  an  der 
Person  haften  und  mit  dem  Sterben  derselben  erlöschen. 

Wurde  ein  Gut  unter  die  Erben  getheilt,  so  scheint  zuweilen 
die  Zahl  der  Dienste  vermehrt  worden  zu  sein.  Hierauf  deutet  die 
Bestimmung  in  der  Verschreibung  für  das  Gut  Pocarven,  dass,  so  lange 
das  Gut  ungetheilt  ist,  nur  ein  Dienst  geleistet  werden  solle. ,04) 

Am  gleichmässigsten  und  den  wenigsten  Schwankungen  unterworfen 
sind  die  übrigen  Leistungen,  die  auf  den  culmischen  Gütern  ruhn,  der 
Bischofsscheffel  (Pflugkorn)  und  die  Becognitions-Gebühr. 

Der  Bischofsscheffel  —  von  jedem  Pfluge*)   1  Scheffel  Weizen 


102)  C.  W.  I,  307.    ,os)  C.  W.  II,  174,  225,  267.     ,w)  Urkunde  für  Pocarven. 
Altpr.  Monatsschrift  v.  1874,  p.  274,  275. 

*)  Toppen  in  seinem  Aufsatz   »Ueber  die  ZinsverfasBung  Preussens   unter  der 

Herrschaft  des  deutschen  Ordens  (Zeitschrift  für  preuss.  Geschichte  u.  Landeskunde 

1867)  sagt,  der  Pflug  (aratrum)  sei  gleich  4  Hufen,  (mansus)  gleich  6  Haken  (uncus). 

Derselben  Ansicht  sind  auch   die  Herausgeber  des  Codex  diplomaticus  War- 

miensis  (G.  W.  I,  p.  6,  Anm.  2. 

Die  betreifende  Stelle,  auf  die  sie  sich  stützen  lautet:  (C.  W.  I,  p.  6.  Anm.  2). 
,de  quibu8  libet  quatuor  mansis,  qui  eis  loco  unius  aratri  deputati  sunt, 
solvere  debent  nobis  et  nostris  successoribus  custodialea  videlicet  Wart- 
geld prout  alii  ecclesie  subditi  et  plebano  suo  annonam  missalem  videlicet 
singulis  annis  de  quolibet  aratro  unum  modium  siliginis  et  unum  roo- 
dium  avene.« 

Zunächst  liegt  hier  nicht  der  geringste  Grund  vor,  dass  das  Land,  das  an  Stelle 
eines  anderen  Besitzthums  gegeben  wurde,  auch  eben  so  gross  wie  jenes  sein  musste.  ! 

Mit  gleichem  Recht  könnten  wir  dann  annehmen,  dass  der  Haken  eben  so  gross  sein 
muss,   wie  die  Hufe,  weil  wir  in  einer  ganzen  Reihe  von  Verschreibungen  finden,  j 

daas  preussische  Reiter,  die  in  einen  Dorfverband  eintreten  müssen,  an  Stelle  ihrer 
Haken  ebensoviel  Hufen  zugetheilt  erhalten,   (quorum  cuilibet  loco  duorum  uncorum  | 

craos  dabimus  liberos  mansos  etc.)  C.  W.  II,  138,  139,  318  etc. 


von  Hermann  HoAncnn.  37 

und  1  Scheffel  Roggen,  von  jedem  Haken  ein  Scheffel  Boggen  —  der 
an  der  Stelle  des  den  Freien  immer  erlassenen  Decems  geliefert  wurde, 
war  neben  dem  später  zu  betrachtenden  Hufenzins  der  Dörfer  und  Zins- 


Ferner  ist  es  aber  geradezu  unmöglich,  dass  in  der  angeführten  Stelle  das 
antrum  eben  so  gross  ist,  wie  die  4  Hufen  weil  es  ja  am  Sohluss  der  Stelle  heisst: 
»de  quolibet  aratro*  sollen  sie  geben  etc.  Zuerst  hätten  die  4  Hufen  dann  die 
Grosse  eines  Pfluges  und  nachher  die  mehrerer  Pflöge. 

Hiezu  kommt  nun  noch,  dass  wir  in  unseren  Verschreibungeu  sehr  häufig  den 
Ausdruck  mansus  für  aratrum  (allerdings  nicht  ganz  correcter  Weise)  gesetzt  finden, 
was  doch  nnr  geschehen  kann,  wenn  beide  gleich  gross  sind. 

Die  Ansicht  Töppens  ist  nun  auch  von  den  meisten  verworfen  und  hält  man 
allgemein  die  Hofe  and  den  Pflug  für  gleich  grosse  Fläohenmasse. 

Dieses  ist  auch  ganz  richtig.  Der  Pflug  (aratum)  ist  die  Ackerfläche,  die  sich 
mit  einem  Pfluge  bestellen  lässt,  was  ja  genau  dem  Begriff  der  deutschen  Hufe  entspricht. 

Tiotzdem  bedeuten  aratrum  und  mansus  aber  durchaus  nicht  dasselbe. 

Mansus  ist  der  allgemeine  Begriff  und  bezeichnet  jedes  Stück  Land,  das  die 
Grösse  einer  Hufe  hat,  aratrum  dagegen  bezeichnet  nur  das  Ackerland  von  der  Grösse 
einer  Hufe,  nur  die  Hufe  Land,  die  unter  dem  Pfluge  ist. 

Mit  dem  Worte  Pflug  hängt  nun  das  Wort  Pflugkorn  zusammen;  est  ist  dieses 
eben  die  Abgabe,  die  von  jedem  Pfluge  zu  geben  ist. 

Allerdings  werden  wir  nicht  selten  sehen,  dass  es  heisst,  das  Pflugkorn  sei 
»de  quolibet  manso*  statt  ,de  quolibet  arairo*  zu  geben 

Es  soll  dieses  aber  durchaus  nicht  heissen,  dass  auch  von  jeder  Hufe  Wald 
oder  Wiese  oder  Sumpf  das  Pflugkorn  zu  geben  sei;  es  ist  hier  nur  ungenau  der 
allgemeine  Ausdruck  mansus  für  die  specielle  Bezeichnung  aratrum  gebraucht. 

Zu  demselben  Resultat  gelangt  man  auch,  wenn  man  die  Natur  des  Pflugkorns 
betrachtet  Es  ist  dieses  in  Preussen  bei  allen  Freien  an  die  Stelle  des  Decems  ge- 
treten (loco  et  nomine  decimarura  C.  W.  I,  71). 

Der  Decem  (natürlich  der  vom  Getreide)  ist  der  zehnte  Theil  des  Ertrages  der 
bebauten  Felder,  das  Pflugkorn  ist  aber  nichts  weiter  als  eine  Ermässigung  des  Decems. 

An  die  Stelle  der  verhältnissmässig  hohen  Quote  des  Ertrages  hat  man  nur 
eine  fest  bestimmte  niedrige  Abgabe  gesetzt,  die  von  dem  Ertrage  jeder  beackerten 
Hufe  zu  geben  ist. 

Wir  werden  deshalb  auch  nie  sehen,  dass  von  dem  aratrum  ein  Geldzins  ent- 
richtet wird,  sondern  stets  von  dem  mansus,  während,  wenn  die  Ausdrucksweise  ge- 
nau ist,  es  niemals  heisst,  das  Pflugkorn  sei  von  jedem  mansus  zu  geben,  sondern 
von  jedem  aratrum. 

Der  Haken  (uncus)  wird  gewöhnlich  gleich  zwei  Dritteln  einer  Hufe  gesetzt. 
Hiefur  spricht  besonders  eine  Verschreibung  aus  dem  Jahre  1439  (A.  Kogge:  Das 
Amt  Balga.  Altpr.  Monatsschrift  für  1870,  p.485,  Qrk.  54)  in  der  6  Haken  4  Hufen 
gleichgesetzt  werden. 

Unter  unseren  ermländischen  Verschreibungen  haben  wir  nur  zwei  aus  den 
Jahren  1335  und  1348,  in  denen  es  heisst,  die  Besitzer  der  Hufen  sollen  ,de  aratro 
live  de  unco*  1  Scheffel  Weizen  und  1  Scheffel  Boggen  geben. 


gg  Der  ländlich©  Grundbesitz  im  Ermlande 

guter  die  bedeutendste  Einnahme  des  Landesherrn,  und  wurde  deshalb 
auch  sehr  selten  erlassen. ,05) 

Zuweilen  wird  diese  Abgabe  indess  beschränkt,  indem  nicht  von 
jedem  Pfluge  2  Scheffel  Getreide  verlangt  werden,  sondern  von  jedem 
Dienst ,08)  (de  servitio).  Es  traf  diese  Begünstigung  zwei  ganz  kleine 
Güter,  auf  denen  der  Kriegsdienst  schon  schwer  genug  lastete,  und 
denen  wol  deshalb  auch  ausserdem  eine  geringere  Recognitions-Abgabe 
(statt  2  Pfund  Wachs  immer  nur  1  Pfund  —  talentum  unius  marcae 
ponderis)  auferlegt  war.  *) 

In  einer  3.  Verschreibung  werden  zwei  Dienste  und  als  Pflugkorn 
vier  Scheffel  Getreide  verlangt, ,07)  was  zu  dem  eben  Gesagten  vor- 
trefflich stimmt. 

Die  Becognitions-Gebühr  (1  cölnischer  oder  5  culmische  Denare 
und  1  Talent  =  2  Pfund  Wachs)  ist  nach  der  culmischen  Handfeste 
(§.  34)  von  jedem,  der  vom  Orden  Besitzungen  erhalten  hat,  zu  geben, 
und  zwar  zum  Zeichen,  dass  er  seine  Güter  vom  Orden  hat  und  seinem 
Gericht  unterworfen  ist  (in  recognitionem  dominii).  Diesen  Schoss  sollen 
sie  jährlich  am  Tage  des  heiligen  Martin  oder  in  den  nächsten  fünf- 
zehn Tagen  geben.  **) 

Aus  unserer  Normal- Verschreibung  vom  Jahre  1285  ,08)  ersehen 
wir  aber,  dass  hinsichtlich  dieser  Bestimmung  schon  eine  bedeutende 
Veränderung  eingetreten  ist.  Nach  dieser  Verschreibung  ist  die  ge- 
wöhnliche Recognitions-Abgabe  oder   mehr  je   nach   der  Grösse    der 


Da  sich  sonst  in  allen  anderen  Verschreibnngen  der  uncus  dem  aratrum  ent- 
gegengesetzt findet,  ist  wol  anzunehmen,  dass  in  diesen  beiden  Verschreibungen  eine 
Nachlässigkeit  im  Ausdruck  vorliegt 

l04)  C.  W.  I,  57,  80,  82,  96.     ,ofi)  C.  W.  I,  304,  305 

*)  Die  eine  dieser  beiden  Verschreibungen  (C.  W.  I,  304)  ist  noch  dadurch 
höchst  merkwürdig,  dass  in  ihr  einem  Deutschen  4  Haken  zu  culmischem  Recht  ver- 
liehen werden,  was  sonst  nie  vorkommt 

w^  C.  W.  I,  131. 

**)  Granenberg:  Geschichte  und  Statistik  des  Kreises  Alienstein  hat  über  diese 
RecognitionsgebÜhr  eine  vollständig  falsche  Ansicht.    Abgesehen  davon,   dass  er  an 
mehreren  Stellen  den  culmischen  und  cölnischen  Denar  verwechselt  (p.  19,  22,  24) 
glaubt  er,  dass  die  Abgabe  von  2  Pfund  Wachs  von  jeder  Hufe  zu  geben  sei. 
"•)  C.  W.  I,  71. 


tod  Hermann  Hoflfmann.  89 

Schenkung  zu  geben  (unum  denarium  Coloniensem  aut  quinque  Colmenses 
et  unum  talentum  cere  ad  pondus  dnarum  marcarum  aut  plnra  secundum 
eiigenciam  donacionam  ipsis  factarnm  in  recognicionem  dominii  fratribus 
no8tris  singulis  solvent  annis). 

Ganz  im  Einklänge  hiemit  finden  wir  nun  in  einer  ganzen  Reihe 
von  Urkunden  eine  grössere  Recognitions-Abgabe,  nämlich  2  Talente 
Wachs  und  2  cölnische  Denare. loa) 

Ein  flüchtiger  Blick  auf  diese  Verschreibungen  zeigt  uns  nun,  dass 
in  diesen  allen  auch  2  Reiterdienste  gefordert  werden. 

Dass  dieses  keine  zufällige  Uebereinstimmung  ist,  beweist  uns  eine 
Terschreibung  aus  dem  Jahre  1287, no)  in  der  ausdrücklich  gesagt  wird, 
sie  haben  von  jedem  Dienste  (de  quolibet  spadone)  —  und  es  werden 
zwei  Dienste  verlangt  —  1  Talent  Wachs  und  1  cölnischen  Denar 
zu  geben. 

Wenn  nun  aber  nach  dieser  Regel  auch  meistens  verfahren  wurde, 
so  finden  sich  doch  auch  mehrere  Verschreibungen, ,n)  in  denen  mehrere 
Dienste,  aber  nur  die  einfache  Recognitions-Gebühr  bestimmt  wird. 
Höchst  auffallender  Weise  findet  es  sich  einmal  sogar,  dass  nur  1  Dienst 
und  doch  die  doppelte  Recognitions-Abgabe  gefordert  wird.  "*) 

Freiheit  von  der  Recognitions -Abgabe  wird  äusserst  selten  ver- 
liehn,  und  dann  wol  auch  nie  allein,  sondern  mit  der  Freiheit  vom 
Pflugkorn  zusammen.  "') 

Schliesslich  haben  wir  hier  noch  einer  Geld-Abgabe  zu  gedenken, 
die  in  unseren  Urkunden  immer  nur  beiläufig  erwähnt  wird,  nämlich 
des  Wartegeldes  (denarii  custodiales). 

Glucklicher  Weise  sind  wir  hierüber  aber  durch  eine  Urkunde  aus 
dem  Jahre  1378  orientirt.  !l4) 

Aus  dieser  Urkunde  ersehen  wir,  dass  um  jene  Zeit  ein  Streit 
zwischen  dem  Bischof  von  Fomesanien  und  seinen  Vasallen  über  die 
Entrichtung  des  Wartegeldes  ausgebrochen  war,  und  dass  die  Vasallen 
die  Entrichtung  desselben  verweigerten,  weil  es  in  der  culmischen  Hand- 


,M)  C.  W.  I,  85,  86b,  89,  145,  153  etc.  "*)  C.  W.  I,  76.  ,n)  C.  W.  1,  79. 
81,  98  etc.  »*)  C.  W.  H,  199.  IM)  C.  W,  I,  81.  li4)  Voigt,  Cod.  dipl.  Pnus. 
m,  Urk.  128. 


90  Der  ländliche  GrnadbetiU  im  Ermla&de 

feste  nicht  bestimmt,  sondern  eine  ausserordentliche  Steuer  war,  die 
zur  Zeit  der  Noth  zur  bessern  Bewachung  der  Grenzen  gezahlt  wurde. 
Entrichtet  wurde  sie  von  jedem  Pfluge,  und  zwar  sowol  von  den  Herren 
wie  von  den  Hintersassen. 

Im  Laufe  der  Zeit  scheint  das  Wartegeld  sich  aber  zu  einer  festen 
Steuer  ausgebildet  zu  haben,  die  von  allen  Grundbesitzern  gezahlt  wurde. 

Ueber  seine  Grösse  lässt  sich  mit  Sicherheit  nichts  angeben,  wahr- 
scheinlich war  dieselbe  an  verschiedenen  Orten  eine  verschiedene. 

Da  der  grösste  Theil  der  den  Lehnsleuten  überwiesenen  Güter  aus 
uncultivirtem  Land  (Wald,  Sumpf,  Heide  etc.)  bestand,  bedurfte  es 
naturlich  erst  jahrelanger  Mühen  und  Anstrengungen,  um  den  Boden 
einigermassen  ertragfähig  zu  machen.  Zur  Erleichterung  dieser  müh- 
samen Arbeit  wurde  den  Besitzern  meistens  eine  Anzahl  von  Freijahren 
bewilligt,  d.  h.  sie  waren  für  diese  Zeit  dem  Landesherrn  zu  keinem 
Dienst  und  keinen  Leistungen  verpflichtet. 

Die  Anzahl  der  Freijahre  war  je  nach  der  Beschaffenheit  des 
Bodens,  so  wie  der  ganzen  örtlichen  Lage  natürlich  sehr  verschieden, 
meistens  sind  es  10  -12. 

Diese  Freiheit  bezog  sich,  wenigstens  in  der  älteren  Zeit,  wol  auf 
alle  Leistungen.  Zuweilen  wird  aber  auch  nur  eine  Leistung  ganz  er- 
lassen, für  die  anderen  nur  eine  Anzahl  Freijahre  gegeben. liS) 

Ebenso  finden  wir  zuweilen,  dass  für  gewisse  Leistungen  die  Frei- 
jahre keine  Geltung  haben  sollen.  Dieses  gilt  besonders  für  den  Wach- 
und  Yertheidigungsdienst,  von  dem  es  an  mehreren  Stellen  ausdrücklich 
heisst,  dass  er  auch  während  der  Freijahre  geleistet  werden  solle.  "•) 

Nicht  ganz  sicher  zu  entscheiden  ist  endlich  noch,  ob  die  Frei- 
jahre sich  auch  auf  den  Decem  oder  das  Messkorn  (annona  missalis) 
bezogen  haben,  das  dem  Pfarrer  von  jedem  Hufenbesitzer  seiner  Ge- 
meinde zu  geben  war. 

Aus  einer  Verschreibung  des  Bischofs  Eberhard  für  die  Kirche  zu 
Anißdorf  aus  dem  Jahre  1320  11T)  ersehen  wir,  dass  für  die  mit  Bauern 
besetzten  Hufen  die  Bauern  den  gewöhnlichen  Decem  (von  jedem  Pfluge 


»•)  C.  W.  I,  96.    "•)  C.  W.  ü,  96,  290.    IIT)  C.  W,  I,  198. 


tod  Herintmt  Boffmann«  91 

1  Scheffel  Weizen  und  1  Scheffel  Hafer)  zu  geben  hatten,  während  für 
die  Hufen,  die  der  Herr  unter  seinem  eigenen  Pfluge  behielt  (sab  suis 
aratris)  er  auch,  wie  die  anderen  culmischen  Lehnsleute,  von  jedem 
Pfluge  den  Decem  selbst  liefern  musste. 

Auffällig  genug  heisst  es  in  dieser  Verschreibung,  der  Herr  soll 
„de  aratro*  und  die  Bauern  sollen  „de  mansis"  den  Decem  geben. 

Da  der  Decem  an  den  Pfarrer  dem  Pflugkorn  an  den  Landesherrn 
ganz  entspricht,  sollte  man  mit  Bestimmtheit  annehmen,  dass  auch  er 
nur  vom  bebauten  Lande  und  nicht  von  jeder  Hufe  zu  geben  ist. 

Es  scheint  nun  aber,  als  ob  bei  den  Bestimmungen  über  den  Decem 
man&us  zuweilen  nicht  etwas  ungenau  für  aratrum  steht,  sondern  in 
seiner  eigentlichen  Bedeutung  gebraucht  wird. 

In  der  Verschreibung  für  Gerhard  von  Parlrithen  heisst  es  nämlich:111) 

„Insuper  quia  prius  juxta  sue  littere  tenorem  plebano  suo  de  aratro 
et  non  de  mansis  missalem  annonam  solvere  tenebantur,  Idipsum  sibi 
suisque  legittimis  successoribus  quo  ad  predictos  mansos  tantum  modo 
concedimus  et  favemus.* 

Diese  Stelle  ist  nur  so  zu  verstehen,  dass  sowol  von  der  Hufe 
wie  von  dem  Pfluge  je  nach  der  Bestimmung  der  Decem  gegeben 
werden  musste. 

Da  Gerhard  nach  seinem  früheren  Privileg  nur  von  jedem  Pfluge 

2  Scheffel  Getreide  zu  geben  hatte,  wird  ihm  dieses  auch  für  sein 
neues  Besitzthum  zugestanden. 

Dass  nun  überall,  wo  es  heisst,  der  Decem  sei  „de  aratro*  zu 
geben,  er  von  jedem  Pfluge  zu  entrichten  war,  ist  nach  dem  früher  Ge- 
sagten wol  selbstverständlich;  dass  aber  überall,  wo  es  heisst,  der 
Decem  sei  „de  manso"  zu  geben,  —  und  wir  werden  solche  Stellen 
besonders  in  den  Dorfs-Handfesten  zahlreich  genug  finden  —  das*  er 
da  wirklich  von  jeder  Hufe  zu  geben  war,  wagen  wir  nicht  zu  behaupten. 

Diese  Stelle  steht  so  vereinzelt  da  und  widerspricht  so  sehr  der 
Gleichförmigkeit,  die  wir  fast  überall  durchgeführt  finden,  dass  wir  ihr 
unmöglich  den  Werth  beilegen  können,  den  sie  sonst  vielleicht  verdiente. 


"•)  C.  W.  H,  220b. 


92  Der  ländliche  Grundbesits  im  Ermlande 

Zinsgüter. 

Als  eine  besondere  Art  der  Güter  culmischen  Rechts  sind  ferner 
die  Zinsgüter  zu  betrachten,  die  sich,  wie  ja  schon  der  Name  andeutet, 
von  den  gewöhnlichen  culmischen  Gütern  dadurch  unterscheiden,  dass 
die  auf  ihnen  ruhende  Hauptabgabe  ein  Hufenzins  ist. 

Die  meisten  werden  zu  culmischem  Becht  verliehen,110)  doch  finden 
sich  auch,  ganz  ähnlich,  wie  bei  den  eben  betrachteten  Gütern  culmi- 
schen Bechts,  noch  eine  Beihe  anderer  Besitztitel,120)  es  giebt  sogar 
einige  Verschreibungen,  in  denen  ganlicht  gesagt  wird,  nach  welchem 
Becht  diese  Güter  besessen  werden  sollen.121) 

Zwischen  den  einzelnen  Verschreibungen,  die  sowol  für  Deutsche 
wie  Preussen  ausgestellt  sind,  einen  wesentlichen  Unterschied  heraus- 
zufinden, ist  nicht  möglich.  Bei  allen  ist,  um  dies  gleich  hier  zu  er- 
wähnen, der  flufenzins  die  Hauptabgabe,  und  in  keiner  findet  sich  eine 
Verpflichtung  zum  Kriegsdienst  und  den  sonstigen  Leistungen  der  ge- 
wöhnlichen culmischen  Güter.  Wir  werden  deshalb  wol  mit  Becht  an- 
nehmen dürfen,  dass,  ähnlich  wie  bei  den  oben  betrachteten  culmischen 
Gütern,  auch  hier  die  verschiedenen  Besitztitel  nicht  verschiedene  Klassen 
von  Gütern  bezeichnen. 

Wie  weit  die  einzelnen  Bestimmungen  der  culmischen  Handfeste 
auf  diese  Güter  Bezug  haben,  lässt  sich  schwer  entscheiden,  da  in 
unseren  Urkunden  sehr  wenig  darüber  gesagt  wird. 

Wir  haben  indess  nicht  die  geringste  Veranlassung  anzunehmen,  dass 
den  Inhabern  von  Zinsgütern,  die,  wie  schon  bemerkt,  an  Deutsche  sowol 
wie  an  Preussen  verliehen  wurden,  das  Erbrecht  für  beide  Geschlechter 
und  das  freie  Veräusserungsrecht  vorenthalten  gewesen  sein  wird. 

Wenn  wir  an  einzelnen  Stellen  das  Erbrecht  für  beide  Ge- 
schlechter, m)  und  einmal  auch  das  freie  Verkaufsrecht ,M)  ausdrücklich 
erwähnt  finden,  so  gilt  hierfür  dasselbe,  was  wir  schon  oben  bei  Be- 
trachtung desselben  Punktes  bei  den  gewöhnlichen  culmischen  Gütern 
(Anm.  5)  gesagt  haben,  dass  es  nemlich  vollständig  überflüssige  Zusätze 


n»)  C.  W.  I,  159,  234,  278,  298,  309,  312;  II,  96,  218,  353,  405. 
,ao)  C.  W.  I,  75»  133,  210,  268  etc.     Wl)  C.  W.  I,  169;  II,  360. 
"»)  C.  W.  I,  75,  169,  268.    1M)  C.  W.  I,  75. 


toh  Hermann  Hoffinann.  93 

sind,  die  ihre  Erklärung  in  der  oft  sehr  willkührlichen  und  wenig  ge- 
nauen Abfassung  der  Urkunden  finden. 

Was  die  Verleihung  der  Gerichtsbarkeit  anbetrifft,  so  findet  sich 
in  unseren  Yerschreibungen  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Bestim- 
mungen. In  mehreren  Yerschreibungen  werden  sowol  die  hohen  wie 
die  niederen  Gerichte  verliehen,  lu)  wobei  es  in  einer  Urkunde  für  einen 
Preussen  ausdrücklich  heisst,1")  er  erhalte  die  hohen  und  niederen 
Gerichte  über  Preussen,  die  er  bei  sich  locirt;  in  anderen  wird  nur  die 
niedere  Gerichtsbarkeit  allein  "6)  oder  diese  und  ein  Drittel  des  Ertrages 
der  hohen  gegeben. 1,T) 

Zuweilen  wird  die  Jurisdiction  auch  garnicht  erwähnt, "')  oder  dem 
Vogt  ausdrücklich  reservirt, 1M)  den  Vasallen  endlich  auch  hin  und 
wieder  ein  Drittel  der  Bussen  zugesichert,  wenn  sie  einen  Verbrecher 
auf  ihrem  Grund  und  Boden  ergreifen.  13°) 

Die  anderen  Rechte,  die  wir  bei  den  gewöhnlichen  culmischen 
Gütern  so  oft  verliehen  finden,  fehlen  hier  fast  immer.  Freie  Fischerei 
wird  nur  3  Mal ,ai)  und  freie  Jagd  auf  kleines  Wild  nur  ein  Mal  erwähnt  "*) 

Der  Grund  hiefür  ist  in  den  meisten  Fällen  wol  der,  dass  die  Be- 
sitzungen zu  klein  waren,  als  dass  solche  Gerechtsame  auf  ihnen  mit 
Erfolg  ausgeübt  werden  konnten. 

Sehr  selten  finden  wir  endlich  auch  das  Recht,  in  der  Heide  Holz 
fällen ,M)  und  das  Vieh  dort  auf  die  Weide  treiben  zu  dürfen. IM) 

Was  die  Lasten  anbetrifft,  die  auf  den  Zinsgütern  ruhen,  so  sind 
diese  ganz  andrer  Art,  als  diejenigen,  zu  denen  die  Besitzer  der  ge- 
wöhnlichen culmischen  Güter  verpflichtet  waren. 

Von  einer  Verpflichtung  zum  Kriegsdienst,  zur  Lieferung  des  Pflug- 
korns und  der  Becognitionsgebübr  findet  sich  in  unseren  Verschreibungen 
über  Zinsgüter  keine  Spur.  An  ihrer  Stelle  treffen  wir  einen  Geldzins, 
der,  ganz  analog  dem  Hufenzins  der  Bauern,  von  jeder  Hufe  gezahlt  wird. 


tu)  C.  W.  I,  75,  169,  234,  298;  II,  406.     *»)  C.  W.  I,  169. 

«•)  C.  W.  H,  853.    I27)  C.  W.  I,  1Ö9,  278,  309;  II,  96. 

"•)  C.  W.  I,  133,  210;  D,  218.    «•)  C.  W.  I,  268.     18°)  C.  W.  II,  360. 

W1)  C.  W.  I,  298;  H,  863,  406.    ,M)  C.  W.  H,  406.    IM)  C.  W.  I;  298. 

,M)  C.  W.  I,  298. 


94  Der  tödliche  Grundbetita  im  Ermlande 

£8  ist  dieser  Zins  je  nach  den  Verhältnissen  natürlich  verschieden 
hoch,  doch  scheint  er  nie  eine  Mark  für  jede  Hufe  überstiegen  zu  haben; 
meistens  ist  er  eben  so  gross,  wie  der  gewöhnliche  bäuerliche  Hufen- 
zins, nämlich  1/2  Mark. 

Neben  diesem  Geldzins  wird  zuweilen  auch  noch  eine  Abgabe  von 
Wachs IM)  oder  Hühnern l3e)  von  jeder  Hufe  entrichtet. 

Ob  auf  den  Zinsgütern  ausser  diesem  Hufenzins  noch  andere 
Leistungen  ruhten,  —  und  es  ist  dieses  sehr  wahrscheinlich  —  lässt 
sich  aus  unseren  Urkunden  nicht  genau  bestimmen. 

Die  einzelnen  Ausdrücke,  sie  sollen  den  Zins  zahlen  „pro  omni 
solutione,  jure  etservitio,*1*7)  oder  „pro  omni  jure  et  servitio,* 1M)  oder 
„pro  omni  censu  servitio  et  dominii  recognicione*  uo)  sind  so  unbestimmt, 
dass  wir  .  aus  ihnen  keinen  sichern  Schluss  ziehen  können.  Mit  Be- 
stimmtheit können  wir  nur  sagen,  dass  auf  ihnen  noch  zuweilen  die 
Verpflichtung  zum  Scharwerksdienst  lastete. 

Die  erste  Verschreibung,  in  der  diese  Verpflichtung  vorkommt,  ist 
ans  dem  Jahre  1326  und  vom  Domcapitel  für  seinen  Vogt  Ernst  aus- 
gestellt.140) Er  wird  von  dieser  Last  aber  frei  (ab  omni  jugo  cujus 
vis  servitutis)  sobald  er  den  Zins  bezahlt.  In  einer  anderen  Ver- 
schreibung für  den  Preussen  Susangen  aus  dem  Jahre  1334  UI)  wird 
einfach  gesagt,  dass  er  in  jedem  Jahre  4  Tage  zum  Scharwerksdienst 
verpflichtet  sein  solle. 

Es  scheint  indess,  als  ob  die  Scharwerkspflicht  nur  ausnahmsweise 
auf  den  Zinsgütern  ruhte ;  vielleicht  ist  sie  auch  erst  im  Lauf  der  Zeit, 
als  die  Bedingungen,  unter  denen  man  Güter  verlieh,  überhaupt  drücken- 
der wurden,  dazu  gekommen. 

Den  Deeem  an  den  Pfarrer  hatten  die  Besitzer  der  Zinsgüter  wol 
in  derselben  Weise  zu  entrichten,  wie  die  Besitzer  gewöhnlicher  culmi- 
scher  Güter.1") 

Für  den  Hufenzins  wurden  auch  hier  meistens  Freijahre  bewilligt.  "*) 


•»)  C.  W.  I,  210.    »•)  a  W.  I,  268,  312;  U,  96,  860.    »")  C.  W.  I,  75. 
1M)  C.  W.  H,  853.    «•)  C.  W.  I,  405.    ua)  C.  W.  I,  281   Ul)  C.  W.  I,  268. 
"*)  C.  W.  Ip  298.    "')  C.  W.  I,  69,  75,  138,  268,  309,  312;  II,  96,  860. 


tob  Hermann  HoAnonn«  96 

Höhlen-  und  Krug-Grundstücke. 

Eine  den  Zinsgütern  sehr  ähnliche  Stellung  nahmen  dann  die  Mahlen- 
and  Krug-Grundstücke  ein,  die  nicht  zu  einem  Dorfverbande  gehörten, 
auch  nicht  Bestandteile  eines  grösseren  Guts  waren,  sondern  als  kleine, 
selbstst&ndige  Besitzungen  vom  Landesherrn  oder  einem  Vasallen  ver- 
geben wurden.  Verhältnissmässig  häufig  finden  wir  hier,  dass  Grund- 
stücke dieser  Art  nicht  einfach  verliehen,  sondern  verkauft  werden. 144) 

Merkwürdiger  Weise  verkauft  der  Bischof  sogar  einige  Male  einen 
Theil  von  einzelnen  seiner  Mühlen,146)  während  er  umgekehrt  wieder 
Theile  von  ^verliehenen  Mühlen  für  den  Gebrauch  seines  Tisches  zu- 
rückkauft. I48) 

Gar  nicht  selten  finden  wir  auch,  was  ja  für  die  damaligen  Ver- 
hältnisse vortrefflich  passte,  dass  das  Mühlen-  und  Tabernenrecht  zu- 
sammen verliehen  wird.147) 

In  den  meisten  Fällen,  besonders  in  der  älteren  Zeit,  ist  die  Mühle 
und  Taberne  natürlich  erst  zu  erbauen.  Die  Ländereien,  die  zu  den 
Mühlen  und  Tabernen  verliehen  werden,  sind  fast  immer  sehr  klein, 
sehr  selten  ist  es,  dass  1  Hufe  oder  noch  mehr  gegeben  wird. 

In  der  Verschreibung  für  den  Müller  Heinemann  aus  dem  Jahre 
1313  wird  noch  hinzugefügt,  dass, "')  wenn  daselbst  ein  deutsches  Dorf 
gegründet  werden  wird,  er  eine  Hufe  von  der  Dorfmark  gegen  den  ge- 
wöhnlichen Zins  erhalten  solle. 

Sehr  auffallend  ist  es  nun,  dass  alle  Verschreibungen,  die  sich  im 
Codex  dipl.  Warm,  über  Mühlen  und  Krüge  finden,  für  Deutsche  aus- 
gestellt sind.  Es  hat  das  unzweifelhaft  seinen  Grund  darin,  dass  die 
Deutschen  sowol  im  Mühlen-Handwerk  bedeutend  erfahrner  und  ge- 
schickter waren  als  die  Freussen,  als  auch,  dass  sie  sich  besser  auf  den 
Handel  verstanden,  als  jene,  und  die  deutschen  Kolonisten,  was  sie 
brauchten,  auch  lieber  von  ihren  Landsleuten  kauften  als  von  den 
Emgebornen. 

Die  Nachricht,  die  uns  Schütz  in  seiner  Chronik  Preussens,  "*)  und 


•")  C.  W.  II,  443,  446,  Ö06.    "•)  G.  W.  H,  77,  78.    "•)  €.  W.  II,  1b,  28. 

"»)  C.  W.  i  144,  166  etc.    "•)  C.  W.  I,  186. 

"•)  Schütz,  Chronik  von  Preussen  p.  63  .  .  .  .  »Item,  dass  kein  Ptauae  in  ir 


96  Der  ländliche  Grundbesite  im  Ermlande 

ebenso  Hartknoch,  v Altes  und  Neues  Preussen* ,so)  giebt,  dass  kein 
Preosse  in  einer  Stadt  oder  einem  Dorfe  ein  Amt  haben,  auch  keinen 
Krug  etc.  halten  dürfe,  ist  entschieden  unrichtig.  Wie  wir  später  sehen 
werden,  treffen  wir  preussische  Schulzen  in  deutschen  Dörfern  sehr  häufig, 
und  auch  dass  einem  Preussen  die  Kruggerechtigkeit  verliehen  wird, 
lässt  sich  durch  eine  Yerschreibung  beweisen.151) 

Unter  den  verschiedenen  Besitztiteln  sind  besonders  „Jure  Culmensi*  l") 
und  ,Jure  hereditario* 16S)  zu  merken.  Dass  dieses  „Jure  hereditario* 
nicht  mit  dem  später  zu  betrachtenden  „Jure  hereditario  Pruthenico* 
identisch  ist,  folgt  einfach  daraus,  dass  es  sich  immer  in  Verschreibungen 
findet,  die  für  Deutsche  ausgestellt  sind.  Es  besagt  eben,  so  weit  die 
Verschreibungen  uns  darüber  überhaupt  Aufschluss  gewähren,  durchaus 
nichts  anderes  als  „Jure  Culmensi.* 

Ueber  das  Erbrecht  und  das  freie  Yeräusserungsrecht  lässt  sich 
wenig  Bestimmtes  sagen. 

Das  erste  findet  sich  2  Male,1")  das  letzte  ein  Mal161)  besonders 
erwähnt  Wahrscheinlich  haben  auch  hier  die  Bestimmungen,  wie  wir 
sie  in  der  ciümischen  Handfeste  finden,  gegolten,  wenngleich  der  Unter- 
schied zwischen  diesen  und  den  gewöhnlichen  Gütern  cnlmischen  Rechts 
schon  ein  sehr  grosser  ist. 

Die  Bechte  und  Begünstigungen,  die  sich  in  unseren  Verschrei- 
bungen finden,  sind  sehr  verschiedenartig,  beziehen  sich  aber  natürlich 
fast  immer  speciell  auf  die  Müllerei  und  die  Schankwirthschaft. 


keinem  Gebiet,  Stad,  Schloss  oder  Dorffe  zu  ir  keinem  Ampt  verstattet  werden, 
auch  keine  Krahm  noch  Krug  treiben,  sondern  alle  dieselben  zum  Ackerbaw  und 
Viehzucht  gehalten  werden  sollen.* 

15°)  Hartknoch,  Altes  und  Neues  Preussen  p.  567,  §.  4.  »Wir  setzen  und  ge- 
bieten, dass  in  Städten  und  Vorstädten  in  Teutschen  Dorffern,  Höfen,  Krügen  und 
Kindelbieren  kein  Preuss  zu  einem  Regiment  soll  gesetcet  werden  und  soll  auch 
nicht  Bier  schenken  weder  Fraue  noch  Mann,  sondern  sie  soUen  die  wüsten  Erbe 
wüste  Hüben  reumen  und  bewohnen  und  die  wüsten  Aecker  bauen  bei  Verlust 
3  guten  Marken. € 

15 »)  Qebser,  Geschichte  der  Domkirche  in  Königsberg  p.  135,  136. 

»")  C.  W.  H,  203,  206,  234  etc. 

»»)  C.  W.  I,  177,  185,  222;  U,  346,  443,  506.    164)  C.  W.  I,  186,  220. 

l«)  C.  W.  H,  443. 


tod  Hermann  Hoffmann.  97 

Wie  es  bei  den  Mühlen  wol  natürlich  ist,  —  es  ist  hier  immer 
an  Wassermühlen  zu  denken  —  wurde  den  Müllern  immer  freie 
Fischerei  für  ihren  Bedarf  im  Mühlenteich  gestattet;168)  wo  dieses  nicht 
besonders  erwähnt  wird  —  es  ist  dieses  sehr  selten  der  Fall  —  ist 
wol  anzunehmen,  dass  es  nur  durch  Nachlässigkeit  nicht  geschehen 
ist.  Zuweilen  wird  auch  gesagt,  dass  der  Müller  und  der  Landesherr 
allein  fischen  dürfen.157)  In  einer  Verschreibung  "■)  finden  wir  sogar 
eine  Abgabe,  die  auf  die  Fischerei  gelegt  ist,  indem  der  Müller  die 
kleinen  Fische  alle  behalten  darf,  von  den  grossen  aber  den  3.  Theil 
dem  Bischof  resp.  dem  Vogt  abgeben  muss. 

Auch  bei  einer  Taberne,  die  ausserhalb  eines  Dorfes  liegt,  finden 
wir  ausser  mehreren  anderen  Begünstigungen  freie  Fischerei  mit  sechs 
Keusen  erwähnt.189) 

Eine  der  Hauptbegünstigungen  ist  nun  ohne  Zweifel  wol  die,  dass 
den  Inhabern  solcher  Besitzungen  häufig  versprochen  wird,  es  solle 
innerhalb  bestimmter  Grenzen  keine  andere  Mühle,  resp.  Taberne  an- 
gelegt werden  dürfen.  16°)  Dann  wird  ihnen  auch  oft  gestattet,  ein 
zweites  Bad  in  der  Mühle  einzurichten,161)  ebenso  einen  Damm  zu 
bauen l8a)  und  einen  Oberteich  zu  bilden. ,M)  Bisweilen  wurde  ihnen  so- 
gar ein  besonderes  Stück  Land  zugewiesen,  von  dem  sie  die  Erde  zum 
Damm  nehmen  durften.164) 

Da  es  dem  Landesherrn  natürlich  auch  darauf  ankommen  musste, 
dass  die  Mühlen  und  Tabernen  am  passenden  Orte  lagen,  gestattete  er 
es  auch,  dass  Mühlen  und  Tabernen  verlegt  wurden,  "*)  ebenso  wurde  ein- 
mal auch  erlaubt,  eine  Schneidemühle  in  eine  Mahlmühle  umzuwandeln.  "*) 

Den  Schaden,  der  durch  den  Mühlenteich  anderen  verursacht  wird, 
haben  die  Müller  selbst  zu  tragen,167)  dagegen  sehen  wir  einmal,  dass 
der  Lehnsherr  sich  verpflichtet,  bei  eventuellem  Ausbruch  des  Mühlen- 
teiches hülfreiche  Hand  zu  leisten.148) 


»*)  C.  W.  I,  144,  165,  185;  ü,  234,  345  etc.    167)  C.  W.  I,  128,  129. 

»•)  C.  W.  I,  286.     IM)  C.  W.  I,  222.     "°)  C.  W.  I,  166,  185,  220,  247,  286. 

I61)  C.  W.  I,  220;  E,  24,  292.    1M)  C.  W.  I,  185;  H,  183,  445. 

'•*)  C.  W.  I,  185;  H,  445.    164)  C.  W.  II,  292,  445.    IW)  C.  W.  II,  24,  206. 

IM)  C.  W.  I,  286.    I67)  C.  W.  II,  352.    I68)  C.  W.  D,  506. 

Altpr.  Moaatot«hrift  Bd.  XIV.  Hfi.  1  u.  2.  7 


9  g  Der  ländliche  Grnndbesiti  im  Ermlande 

In  den  Mühlenteichen  haben  sie  dann  oft;  das  Beeilt,  das  Wasser 
zu  stauen,  und  wird  dieses  gewöhnlich  genau  bestimmt.  So  darf  ein 
Maller  ein  Mal  das  Wasser  bis  9  Fuss  stauen,169)  während  in  einem 
anderen  Fall  nur  eine  Stauung  von  1  Fuss  über  den  gewöhnlichen 
Wasserstand  gestattet  wird.170) 

Dann  wird  ihnen  häufig  das  Recht  gegeben,  Holz  zu  fällen,  und 
zwar  entweder  wo  sie  wollen, !71)  oder,  wie  es  auch  vorkommt,  wo  es 
ihnen  angewiesen  werden  wird.  "*)  Endlich  treffen  wir  auch  bisweilen 
die  Berechtigung,  das  Vieh  auf  des  Herrn  Weide  treiben  zu  dürfen  und 
zwar  mit  genauer  Angabe,  wie  viel  Pferde,  Kühe,  Schweine  etc.  es 
sein  dürfen.173) 

Die  Freiheiten,  die  speciell  für  die  Tabernen  galten,  bieten  nicht 
viel  Besonderes.  Es  wird  den  Inhabern  derselben  nur  das  Recht  er- 
theilt,  die  gewöhnlichen  Gebrauchs-Artikel,  als  da  sind  Brod,  Fleisch 
und  Bier,  verkaufen  zu  dürfen. l74) 

Zuweilen  wird  ihnen  aber  auch  ausdrücklich  die  Erlaubniss  gegeben, 
dass  sie  das  Brod  selbst  backen  und  das  Vieh  selbst  schlachten  dürfen. IT&) 

In  einer  Yerschreibung  aus  dem  Jahre  1336 176)  erhält  auch  ein 
Müller  das  Recht,  Bier  zu  brauen,  obwol  keine  Schenke  mit  der  Mühle 
verbunden  ist;  es  galt  diese  Erlaubniss  also  jedenfalls  nur  für  seinen 
eigenen  Bedarf. 

Eine  sehr  wichtige  Bestimmung  treffen  wir  dann  in  einer  Yer- 
schreibung aus  dem  Jahre  1370. 177)  In  derselben  werden  nämlich  der 
Burg-Mühle  bei  Rössel  3  Dörfer  zugewiesen,  deren  Bewohner  in  ihr  ihr 
Getreide  mahlen  lassen  müssen. 

Wenn  nun  später  in  einem  bestimmten  dieser  Dörfer  eine  Mühle 
gebaut  wird,  so  sollen  4  Männer  den  Schaden  abschätzen,  der  dem 
Burgmüller  durch  die  Anlegung  der  neuen  Mühle  entstanden  ist,  und 
diese  Summe  wird  ihm  von  dem  Zins  abgezogen  werden. 

Diesen  Mahlzwang   finden  wir  auch   in   einer  Yerschreibung   des 


"•)  c.  w.  n,  302.  "°>  c.  w.  n,  345.  m)  c.  w.  1,  222,  286;  n,  47, 345. 

"*)  C.  W.  II,  448.     17S)  C.  W.  I,  2*2;  II,  44a 

"4)  C.  W.  I,  222,  247;  U,  474  etc.     "•)  C.  W.  I,  222.    1T8)  C.  W.  I,  275. 

>")  C.  W.  II,  443. 


von  Hermann  Hoffinann.  99 

Ordens  für  die  Mühle  in  Reimannsfelde,178)  in  welcher  dieser  Mühle 
5  Dörfer  zugewiesen  werden. 

In  den  Fällen,  in  denen  der  Bischof  einzelne  Theile  seiner  Mühlen 
verkauft,  resp.  einzelne  Theile  anderer  Mühlen  für  den  Gebrauch  seines 
Tisches  ankauft,  sind  noch  die  Bestimmungen  zu  merken,  dass  ein  jeder 
für  seinen  Theil  selbst  zu  sorgen,  d.  h.  ihn  in  gutem  Zustande  zu  er- 
halten hat;  ebenso  wird  dabei  genau  bestimmt,  welchen  Antheil  jeder 
an  der  Schweinezucht  haben  solle. 

Interessant  ist  es,  hiebei  auch  die  Bedingungen  zu  betrachten,  unter 
denen  der  Bischof  einmal  den  vierten  Theil  einer  Mühle  kauft. 179) 

Die  Kaufsumme  beträgt  90  Mark.  Diese  werden  aber  nicht  aus- 
gezahlt, sondern  es  wird  dem  Verkäufer  dafür  ein  Zins  von  9  Mark 
jährlich  verschrieben,  den  er  so  lange  behalten  soll,  bis  der  Bischof 
ihn  wieder  für  90  Mark  zurückkauft. 

Bevor  wir  nun  zu  der  Betrachtung  der  Leistungen  übergehn,  die 
auf  den  Mühlen-  und  Krug-Grundstücken  ruhten,  sei  noch  erwähnt, 
dass  Freijahre  äusserst  selten  verliehen  werden.  Nur  zwei  Mal  werden  sie 
erwähnt  und  dann  sind  es  auch  immer  nur  2  Jahre. "°)  Daneben  finden 
wir  aber  auch,  dass  der  Zins  in  dem  ersten,  resp.  in  den  ersten  Jahren 
niedriger  ist  als  später,  dass  also  eine  Steigerung  desselben  eintritt. "') 

Der  Zins  selbst  ist  ein  Geldzins,  zu  dem  sich  zuweilen  noch  ein 
Naturalzins  (Hühner)  gesellt.  Gezahlt  wird  er  fast  immer  von  der 
Mühle  und  dem  Lande,  oder  von  dem  Kruge  und  dem  Lande,  oder 
von  der  Mühle,  dem  Kruge  und  dem  Lande  zusammen. 

Die  Grösse  des  Zinses  ist  natürlich  sehr  verschieden.  Als  niedrigsten 
Zins  finden  wir  in  unseren  Urkunden  1  Mark, 1>9)  als  höchsten  6  Mark, 1M) 

Dieser  Zins  wird,  wie  es  heisst, '")  gezahlt  „pro  omni  jure,  censu 
et  servitio*  und  ist  ausser  dem  Wartegeld  die  einzige  Leistung,  die 
wir  in  unserer  Periode  wirklich  nachweisen  können. 


"•)  C.  W.  n,  86. 

'")  C.  W.  II,  28  .  .  .  Ganz  ähnlich  in  II  15,  wo  für  120  Mark  ein  Zins  von 
12  Mark  gegeben  wird. 

1M)  C.  W.  I,  286;  II,  203.    181)  C.  W.  I,  129,  144,  165;  II,  170. 
lw)  C.  W.  I,  112.    1M)  C.  W.  II,  445.    IM)  C.  W.  I,  166. 

7* 


100  Der  Itadltah«  Grnodbeiits  im  Ermlande 

Dass  aber  noch  andere  Leistungen  verlangt  wurden,  folgt  wol  un- 
zweifelhaft aus  einigen  Stellen,  die  leider  allgemein  und  unbestimmt, 
wie  meistens,  uns  keinen  sichern  Schluss  gestatten. 

So  heisst  es  in  einer  Urkunde  aus  dem  Jahre  1359, ,w)  sie  sollen 
den  Zins  zahlen: 

„et  talia  servitia,  qualia  alii  molendinatores  ratione  molendi- 
norum  fecerint,  facere  tehebuntur.* 

In  einer  anderen  Urkunde  aus  dem  Jahre  1375  heisst  es;1")  sie 
sollen  den  Zins  zahlen: 

„und  dynen  davon  wen  yn  geboten  wirt  gleich  andern  molnern 
in  disem  Bisch  turne" 

Einen  allerdings  sehr  geringen  Aufschluss  darüber,  was  dieses  be- 
deuten soll,  gewährt  uns  eine  Verschreibung  aus  dem  Jahre  1871. U1) 

Zwei  Lehnsleute  haben  hier  einem  Müller,  den  sie  ihren  t  und  er- 
sasze  nennen,  eine  Mühle  mit  einer  Taberne  und  etwas  Land  gegeben 
und  zwar  zu  culmischem  Recht,  und  haben  ihm  versprochen,  ihn  von 
Scharwerk,  Herrendienst  oder  Reisen  frei  zu  halten.  Ausser  dem  Warte- 
geld und  dem  Decem  für  den  Pfarrer  soll  er  jährlich  nur  5  Mark  zahlen 
„vor  den  zinsz,  scharwerk  und  alles  das  gutt." 

Hienach  scheint  es,  als  ob  die  Müller  ausser  zu  dem  Zins  und 
Wartegeld  anch  noch  zu  Scharwerk  und  zu  Kriegsreisen  verpflichtet 
gewesen  sind.  Ueber  den  Umfang  und  die  Art  dieser  Leistungen  lässt 
sich  aber  nichts  mehr  feststellen.  Dass  sie  dem  Pfarrer  den  Decem 
zu  geben  hatten,  ersehn  wir  auch  noch  aus  einer  andern  Verschreibung, 189) 
in  der  bestimmt  wird,  dass  von  einer  Mühle,  einer  Taberne  und  zwei 
Hufen  Land  als  Decem  2  Scheffel  Mehl  zu  liefern  sein. 


>•*)  C.  W.  H,  281.    1M)  C.  W.  ll,  506.    Il7)  C.  W  H  448. 
"•)  C.  W.  H  183. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Urkunden  znr  Geschichte 
der  ständischen  Versammlungen  zu  Königsberg 

im  Januar  und  Februar  1813 

betreffend 

die  Errichtung  der  Landwehr. 

Nach  den  Akten  der  Ostprenssischen  General-Landschaft  und  des  Oberprasidiums 

der  Provinz  Prenssen 

herausgegeben  von 

Bob.  Müller. 

Fortsetzung, 
22*  Fol.  29. 

Die  uns  von  Ew  Exzellenz  und  der  Hochverehrten  Committe  [sie] 
Gesthern  gemachte  Mittheilungen  des  Herren  General  Gouverneur 
Exzellenz  hat  in  uns  Wünsche  erregt  welche  wir  im  Geiszt  der  ganzen 
Versandung  in  der  Anlage  ausgesprochen  zu  haben  uns  scbmeichlen. 

Indem  wir  solche  hiemit  Ew  Excellenz  gehorsamst  einreichen, 
unterlagen  wir  sie  HochDero  richtigem  prüfung,  mit  beifügung  der 
gehorsamen  Bitte,  dasz  wenn  wir  für  selbige  Er  Exzellenz  Zustim- 
mung und  Beifall  gewinnen,  Er  Exzellenz  geruhen  möchten  solche 
der  Versandung  zur  Deliberation  hochgeneigst  vortragen  zu  laszen. 
Mit  Verehrung  und  Ergebenheit  beharren 

wir  Er  Exzellenz 

ganz  gehorsamste 
Eönigsbg  d  6  Febr  Die  Deputirte  der  Adlichen  Guths 

1813.  Besitzer  des  Tapiauschen  Kreises 

[Ohne  Adresse.]1)  WBolschwing     Zychlinski 

TJngedrnckt.    »)  Die  Eingabe  war  sicher  an  den  Vorsitzenden  der  Committee, 
den  Staatsminiflter  Grafen  Alexander  Dohna  gerichtet.  [gl 


102      Urfcnnden  >*r  Geechichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

23,  Fol.  30-31. 

Der  Herr  General  Gouverneur  von  Yorck  Exzellenz  haben  in  Ihrer 
Gesthern  an  uns  so  kurzen  als  energischen  Anrede ,  mit  so  vieler  Wärme 
unser  mitwirken  und  unsere  Anstrenggunggen  zur  Verteidigung  des 
Vaterlandes,  zur  Oenugthuung  gegen  den  Feind  unsers  Königs  und 
unsers  Vaterlandes,  und  zu  seiner  Entfernung  bis  an  den  Bhein  aufge- 
fordert; wornach  wir  eine  gröszere  Forderung  zur  augenblicklichen 
Verstärkung  der  Streitkraft  erwarten  muszten,  als  Sie  in  Ihrer  unsrer 
Hochverehrten  Committe  vertrauten  Forderung  ausgesprochen  haben. 

Hiezu  gehört  nicht  die  von  Sr  Exzellenz  bereits  volzogene  Aushebung 
zur  complettirung  und  Verstärkung  der  unter  Ihrem  commando  stehen- 
den Truppen,  denn  dieses  war  von  Ihnen  schon  befohlen  und  geordert. 

Es  ist  nach  des  Herren  General  Gouverneur  Exzellenz  gemachten 
Forderung,  zur  augenblicklichen  Streitkraft,  nur  allein  die  bestirnte  An- 
zahl der  Freiwilligen  von  330  Mann  Cavaüerie  und  400  Mann  Infanterie 
zu  rechnen.  Die  geforderte  Landwehre  ist  nur  für  ein  Erfordernisz 
ungunstiger  Ereignisze  anzunehmen. 

Hinfolglich  scheint  es  uns  aus  der  so  sehr  gemäszigten  Forderung 
des  Herren  von  Yorck  Exzellenz  hervorzugehen,  dasz  Sr  Exzellenz  durch 
Ihrem  [sie]  Talent  als  commandirender  General  die  augeblicklich  not- 
wendig zu  vergröszerrende  Streitkraft  zu  ergänzen  beabsichtigen,  um 
das  Land  möglichst  zu  schonen. 

Ohnleichbar  [sie]  scheint  es  uns  aber,  dasz  einem  Commandirenden 
General  //wenn  wir  uns  des  vergleichniszes  erlauben  dürfen;/  wie 
einer  groszen  Kaufmannschen  Spekulation,  ein  ohnerwarteter  gröszerer 
Föns  oder  Gredith  das  gelinggen  und  einen  gröszeren  Gewinn  sehr  be- 
günstigt; die  vergröszerung  der  Streitkraft  zur  Disponiblen  um  so  er- 
wünschter und  wilkomner  sein  musz,  wenn,  wie  es  hier  der  Fall  ist, 
die  Disponible  Streitkraft  um  ein  Drittel  aus  neu  eingezogne  Re- 
kruthen besteht. 

ich  glaube  dahero,  dasz  wir  diesem  würdigen  Helden,  Der  Sich 
durch  Seine  FeldHerren  Talente  sowohl  Seinen  Gegner  als  auch  uns 
achtungswerth  und  verehrt  gemacht  hat,  den  sprechensten  Beweisz  des 
Vertrauens  und  die  gröszte  Würdigung  Seiner  Gesttriegen  mündlichen 


von  Bob.  Mailer.  103 

Aufforderung  geben;  wenn  wir  Seiner  Disposition  eine  augenblicklich 
grfszere  Streitkraft  als  Er  Sie  [sie]  verlangt  hat,  gestellen.  Um  dieses 
zu  bewerkstelligen  erlauben  wir  uns  folgende  Vorschläge 

1,  Dasz  die  Versandung  die  Herren  Deputirte  der  Städte  Königs- 
berg, Elbing  Memel,  Tilsit  und  Braunsberg  die  HandlungsHäuser  dieser 
Städte  zu  einem  freiwilligen  Beitrag  zur  organisirung  eines  augenblick- 
lich zu  stellenden  Corps  Cavallerie  und  Infanterie  auffordert  und  an- 
fragt; worauf  durch  Estaffette  wehrend  unsers  Zusammenseins  die  Be- 
stimmung der  Summen  eingehen  kann. 

2,  dasz  die  Versamlung  in  der  nächsten  Montags  Zeitung  einen 
Aufruf  zur  freiwilligen  Gestellung  bey  der  Cavallerie  und  Infanterie 
macht,  und  denenjenigen  welche  sich  hiezu  melden  wollen,  die  Weisung 
giebt,  sich  Persönlich  oder  schriftlich  binnen  14  Tagen  an  die  aus 
der  Versamlung  erwählte  hochverehrte  Committe  zu  melden,  wobey  ein 
jeder  sich  erklären  musz  ob  Er  bey  der  Cavallerie  oder  Infanterie  an- 
gestelt  sein  will,  und  ob  Er  mit  eigner  Kleidung,  und  Pferd  bey  der 
Cavallerie  sich  gestellen  kann. 

3,  dasz  durch  die  LandBäthe,  Beamte  und  Förschter  der  aus  der 
Versamlung  erwählten  hochverordneten  Committe  eine  genaue  Liszte 
derjenigen  Wildschützen  und  Jäger  eingereicht  wird,  welche  zu  Jäger 
im  Felde  tauglich  sind,  und  dasz  solche  eingezogen  und  zur  Disposition 
der  General-Commission  eingesant  werden. 

Von  den  freiwilligen  Beiträgen  der  HandlungsHäuser  der  erwähnten 
Städte,  wurden  die  eingezogne  Jäger,  und  Diejenige  die  sich  frei- 
willig gemeldet  zu  equipiren  sein,  welche  es  aus  eignen  Mitteln  zu 
thun  ausser  Stande  sind. 

4,  Die  Armatur  für  das  zu  gestellende  Corps  Freywilliger,  würde 
am  Schnellesten  dadurch  zu  bewerkstelligen  sein,  wenn  ebenfals  in  der 
nächstens  [sie]  Montags  Zeitung  ein  jeder  Bewohner  Preuszens  aufge- 
fordert und  verpflichtet  wird,  alle  fürs  Militair  taugliche  schiesz  und 
seiten  Gewehre  binnen  14  Tagen  an  den  LandBath  oder  an  der  Stadt- 
Obrigkeit  abzuliefren,  wozu  vorzüglich  Büchsen  gehören. 

Sobald  nach  14  Tagen  die  Anzahl  des  zu  stellenden  Corps  der 
Freiwilligen  bekant  ist,  müszte  die  einberufung  und  Bestimmung  des  Orts, 


104     Urkunden  zur  Geschichte  der  atänd.  Versammlungen  in  Königsberg 

wo  dieses  Corps  organisirth  werden  soll,  ebenfals  durch  die  Zeitunggen 
geschehen.  Die  Organisation  wäre  sodann  durch  die  General  Com- 
mission  und  deren  erwählten  Anfuhrer  zu  volziehen. 

Diesen  ersten  Schritt,  um  eine  gröszere  Gestellung  zur  augenblick- 
lichen Vermehrung  der  Streitkraft,  als  sie  gefordert  ist,  ist  unsers 
Erachtens  die  Versandung  zur  Ehre  der  Provinzen  die  sie  vertritt 
verpflichtet,  um  einestheils  der  Erwartung  des  Buszischen  Kaysers»  zu 
entsprechen,  dass  diese  Provinzen  die  zuerst  durch  die  Buszen  von  den 
Franzosen  befreit  sind,  denen  andern  Provinzen  desPreuszs  Staats  und 
ganz  Deutschland  ein  Beispiel  geben ;  anderrentheils  dasz  der  Entusias- 
mus  für  König  und  Vaterland  mehr  zu  thun  vermocht  hat,  als  der 
General  Gouverneur  verlangt  und  erwartet  hat,  und  dasz  es  nicht  eine 
blosze  Folge  der  an  den  Ständen  ergangnen  Aufforderung  ist. 

Die  Deputirte  des  Tapiauschen  Kreises 
Zychlinski       WBolschwing 

Ungedruckt.    Gehört  als  Beilage  zu  [81.  [82 

U.  Fol.  32. 

Königsberg  den  7.  t.  Februar  1813. 

Als  bei  der  heutigen  Verhandlung  der  Stände  von  Ost  u  West- 
preuszen  und  Litthauen  das  aufgenommene  Protocoll  verlesen  wurde  und 
es  zweifelhaft  schien,  ob  aus  dem  Inhalte  nicht  gefolgert  werden  könnte, 
dasz  die  versammelten  Stände  die  Anstrengungen  des  Landes  nur  nach 
dem  Wunsche  Sr  Majestät  des  Kaisers  von  Buszland  übernähmen,  nahm 
der  von  den  Ständen  erwählte  Herr  Präsident  der  Herr  Staatsminister  Graf 
von  Dohna  Excellenz  das  Wort  u  sprach  Nahmens  der  Versammlung. 

Die  bisherige  Verhandlung  habe  zur  Genüge  bewiesen,  dasz  des 
Kaisers  von  Buszland  Majestät  *)  loyal  genug  gedacht  und  der  Provinz 
allein  überlaszen  hätten,  alles,  was  sie  für  möglich  hielte,  zum  Besten 
ihres  Königs  u  Vaterlandes  zu  thun.  Dieser  Gesichtspunkt  habe  alle 
anwesende  Stände  beseelt  u  deshalb  hätten  sie  sich  allein  auf  diese 
Sache  eingelassen  und  sich  gern  an2)  des  Herrn  Generallieutenant 
von  York  Excellenz,  als  dem  höchsten  Stellvertreter  des  Königs  in 
Militairsachen  und  dem  treuesten  Diener  Sr  Majestät  und  heiligstem 
Verehrer  des  Vaterlandes  gewandt. 


von  Bob  Möller.  JQ5 

Nur  der  Gedanke,  dem  Könige  u  Vaterlande  treu  zu  dienen,  Gut 
u  Blut  für  die  Erhaltung  des  Königs  u  Vaterlandes,  welche  unzertrenn- 
lich verbunden  wären,  hinzugeben,  belebe  die  Versammlung. 

Der  Herr  Präsident  sprachen8)  nun  mit  einer  solchen  Herzlichkeit 
u  Wärme  von  der  Anhänglichkeit  der  Stände  und  der  durch  sie  ver- 
tretenen Provinzen  an  den  König,  unsern  guten  und  allverehrten  Landes- 
vater, dasz  nicht  blosz  aus  der  Bede  wahre  Herzlichkeit,  treue  Anhäng- 
lichkeit an  König  u  Vaterland  u  heiliger  Eifer,  für  diese  heilige 
Verbindung  alles  zu  thun,  zu  ersehen  war,  sondern  diese  Empfindungen 
von  allen  Anwesende/«*?/4)  getheilt  wurden.  Und  so  erscholl,  als 
dHE  Präsident  mit  einem  herzlichen:  Gott  erhalte  den  König,  es  lebe 
der  König !  schlosz,  eine  tief  im  Innern  gefühlte  Wiederhohlung  dieses 
herzlichen  Wunsches. 

Aufs  Neue  vereinte  sich  also  die  Versammlung  der  Stände  zur 
Treue  u  Anhänglichkeit  an  König  und  Vaterland. 

Dies  ist  von  mir  als  dem  von  den  hochverehrten  Ständen  er- 
wähltem [stc]  Secretair  niedergeschrieben. 

Heidemann. 6) 

Gedr.  bei  Dr.  II,  8.  304  f.  No.  8.  and  Gerwien  S.  12.  ')  Die  hier  folgenden 
Worte:  »u  deszen  Bevollmächtigte  dHE  Minister  von  Stein  Ex- 
cellenz* sind  später  ausgestrichen.  *)  Konnte  allerdings  leicht  für  »mit* 
gelesen  werden,  wie  auch  bei  Droysen  gedruckt  ist  Gerwien  hat  richtig:  »an*. 
3)  ?  sprechen?  4)  Heidemann  hatte  hier  zuerst  geschrieben:  »sondern  diese 
Empfindungen  auf  alle  Anwesende  übergingen.  Bei  der  Abänderung 
Übersehen,  liess  er  »Anwesende*  in  der  Accusativform;  also  steht  jetzt:  »son- 
dern diese  Empfindungen  von  allen  Anwesende  getheilt  wurden/ 
*)  Vgl.  hiezu  Joh. Voigt:  Das  Leben  des  ...  Alezander  ...  Grafen  zu  Dohna- 
Schlobitten  .  .  .  8.  24.  [$3 

85.  Fol.  33-34. 

P.  M. 

Der  Entwurf  zu  dem  Reglement  für  die  zur  allgemeinen  Landes- 
verteidigung zu  organisirenden  [sie]  Landwehr,  enthält  die  vorläufige 
Festsetzung,  dasz  ein  jedes  männliche  Individum  [sie]  von  bestimmten 
Alter,  ohne  Unterschied  der  Beligion,  u  also  auch  Mennonitön  u 
Bekenner  der  mosaischen  Beligion  an  der  Verteidigung  persönlichen 
Anteil  nehmen  oder  einen  qualificirten  Stellvertreter  stellen  mtiszen. 

Die  Bürger  Königsbergs  haben  mir  durch  vertrauensvolle  Wahl  den 


106     Urkunden  zur  Geschichte  der  stttnd,  Versammlungen  in  Königsberg 

Vorzug  eingeräumt  den  Berathungen  Er  hochverehrlichen  Versammlung 
beizuwohnen.  Es  ist  demnach  meine  Pflicht  den  [sie]  Vortheil  meiner 
Committenten  möglichst  förderlich  zu  seyn,  wenigstens  aber  das- 
jenige [sie]  vorzubeugen  was  ihnen  nachteilig  werden  kann.  Hiezu 
rechne  ich  die  obige  Festsetzung  vorzuglich  in  Beziehung  auf  die 
Mennoniten,  und  nehme  mir  die  Erlaubnisz  ein  schriftliches  Votum  über 
diesen  Gegenstand  zu  den  Akten  zu  geben. 

Die  Keligionsverfaszung  der  Mennoniten  ist  mir  um  so  genauer 
bekannt,  als  ich  selbst  unter  sie  gehöre,  u  ich  kann  es  demnach  um 
so  mehr  versichern,  dasz  dieselbe  mit  der  persönlichen  Verteidigung 
des  Vaterlandes  durchaus  nicht  vereinbar  ist. 

Die  Führung  der  Waffen  ist  ihnen  nach  den  Glaubens  Artikuln, 
welche  Höchsten  Orts  die  erfoderliche  Bestätigung  erhielten,  verboten, 
u  der  Mennonit  welcher  mit  Zwang  angehalten  werden  würde  Kriegs- 
dienste zu  thun,  würde  in  dem  Augenblik  aufhören  es  zu  seyn. 

Das  Gnadenprivilegium  welches  unsere  Vorfahren  erhielten  als  sie 
ins  Land  berufen  wurden,  u  welches  von  einer  Reihe  erhabener  Be- 
herrscher des   Preuszischen  Trohnes,  so  wie  von  des  jezt  lebenden 
Königs  Majestät  allerhöchste  Bestätigung  empfing,  sichert  den  Menno- 
niten völlig  freie,  Glaubensübungen,  Gewiszensfreiheit  sowie  die  Cantons- 
freiheit  zu,  u  unterwirft  sie  in  Hinsicht  auf  die  lezte  Begünstigung 
einer  jährlichen  Abgabe  von  5000  j^'.  an  das  Culmsche  Gadettenhaus. 
würde  es  diesemnach  nicht  ein  Eingriff  in  das  Eönigl  Privilegium 
seyn,  wenn  durch  die  oben  angeführte  Festsezung  auch  die  Men- 
noniten gehalten  seyn  sollen  an  der  Verteidigung   persönlichen 
Anteil  zu  nehmen? 
Es  ist  zwar  die  Alternative  gestellt,  dasz  man  sich  dazu  eines  Stellver- 
treters bedienen  könne;  Dieses  würde  jedoch  nur  auf  den  bemittelten 
Theü  Anwendung  finden,  u  der  ärmere  Mennonit,  der  die  Kosten  eines 
Stellvertreters  nicht  aufzubringen  vermag,  gezwungen  seyn,  den  Glauben 
seiner  Väter  zu  entsagen,  welches  wohl  den  so  gerechten  als  milden 
Gesinnungen  unseres  edlen  Monarchen  nicht  zusagen  dürfte  [sie] 

Sollte  endlich  die  Maasregel  der  allgemeinen  Vertheidigung  in 
Ausübung  kommen,  wodurch  den  Städten  u  dem  Lande  zum  Betriebe 


von  Bob.  Malier.  107 

der  innern  Geschäfte  viel  Hände  entzogen  werden,  so  könnten  zur  Ver- 
sorgung bürgerlicher  Anstalten,  zum  Feuerlösch  -  dienst ,  Pflege  der 
Kranken  &  etc.  die  Mennoniten  gebraucht  werden,  die  aus  Schuldigkeit 
u  Bärgerpflicht  sich  gerne  jedem  andern  Geschäfte  anszer  den  Kriegs* 
dienst,  unterziehen  n  bereitwillig  jedes  Opfer  bringen  werden,  welches 
die  Anstrengung  jezt  gebietet. 

Ich  trage  diesemnach  ganz  ergebenst  darauf  an 

die  Mennoniten  auszer  der  Verpflichtung  zu  setzen  an  dem 
activen  Kriegesdienst  Theil  zu  nehmen,  u  bitte  ganz  ergebenst 
gegenwärtiges  Votum  dem  Protokoll  beifügen  zu  laszen. 
Uebrigens   füge  ich  noch   wiederholentlich  hinzu,  dasz  es  nicht 
Mangel  an  Burgersinn,  u  Patrioüsmusz,  sondern  Anhänglichkeit  an  den 
Glauben  seiner  Väter  ist,  welches  den  Unterzeichneten  zu  dieser  Er- 
klärung veranlaszt. 

Koenigsberg  den  8'  Febr.  1813 

Zimmermann 

Ungedruckt.  [84 

36.  Fol.  35—36.  p  d  8  Febr.  13 

Erhaben,  u  der  Achtung  der  Nachwelt  würdig,  spricht  sich  in 
diesem  hochwichtigen  Moment,  im  Königreich  Preuszen,  der  Geist  der 
Liebe  und  Treue  gegen  Monarch  u  Vaterland,  durch  die  Repräsentanten 
der  Nation  aus.  Bereit  kein  Opfer  zu  scheuen,  wodurch  dem  Vater- 
lande seine  Selbständigkeit,  das  Palladium  der  privat  Wohlfahrt  wieder- 
gewonnen werden  kann,  sehe  ich  mich  nicht  allein  kräftig  unterstfitzt  in 
meinem  Wirken,  sondern  erhalte  auch  noch  Anerbietungen,  welche  das 
Gepräge  des  reinsten  Patriotismus,  der  edelsten  Selbstverleugnung  tragen. 
Wie  sollte  nun  mein  Vertrauen  zu  einer  Nation,  die  des  Ruhms 
und  Glücks  ihrer  Väter  eingedenk,  jttes  daran  zu  setzen  fest  ent- 
schlossen ist,  jenen  von  neuen  [*ic]  zu  befestigen,  dieses  von  neuem 
zu  gewinnen,  die  den  erhabenen  Beruf  erkennt,  Deutschland  u  Europa, 
das  erste  Beispiel  wahrer  Vaterlandsliebe  durch  Thaten  zur  Nachahmung 
aufzustellen,  einen  Augenblick  wanken?  — 

In  diesem  Vertrauen  daher,  mit  dem  vollen  Glauben  an  Wille  u 
Kraft,  eröfhe  ich  der  edlen  u  hochgeehrten  Comitrf  [sie]  des  Landtages 


108       Urknnden  snr  Geschichte  der  stand«  Versammlungen  in  Königsberg 

die  Unzulänglichkeit,  der  mir  zu  Gebote  stehenden  Mittel  die  benötigte 
Cavallerie  zu  bilden.  Ich  übergebe  ihren  weisen  Berathungen  zum 
weitern  Vortrage  den  Entwurf,  zur  Formation  eines  Begiments  Preussi- 
scher  National  Cavallerie,  aus  den  freiwillig  sich  sammelnden  Söhnen 
des  Vaterlandes,  u  erfreue  mich  des  Glaubens,  dasz  dies  eine  Gelegen- 
heit darbieten  wird,  wo  auch  weniger  Bemittelte  Beweise  der  Treue, 
und  Liebe  zu  König  u  Verfassung,  an  dem  Altar  des  Vaterlandes,  als 
Opfer  niederlegen  können. 

Es  würde  demnach  ein  Corps  preussischer  National  Cavallerie  von 
1000  Mann  u  1000  Pferden,  aus  Ostpreussen  u  Litthauen  zu  for- 
miren  sein. 

Jeder  der  hinzutritt  bringt  ein  gutes  Husarenpferd,  versehen  mit 

1,  einer  Trense 

2,  einem  Woilach  u  Uebergurt 

3,  einem  Ungarischen  Sattel  mit  Halfter,  Hinterzeug  u  Zubehör 

4,  einer  Ueberdecke  von  schwarzem  Schaaffell  mit. 

Was  auf  diesem  Wege  zur  Complettirung  nicht  erlangt  würde, 
könnte  durch  Beiträge  nach  der  Hufenzahl  bewirkt  werden. 

Für  die  Bekleidung  der  Mannschaft,  u  was  an  der  des  Pferdes 
nooh  fehlt,  sorgt  der  Staat. 

Die  Kopfzahl  von  1000  Mann  Cavallerie,  wird  von  der  zur  Formation 
neuer  Corps  bereits  als  bedürftig  angegebenen  Mannschaft  abgerechnet. 

Die  Officierstellen  werden  von  Sr  Majestät  dem  Könige  besetzt 
jedoch  bleiben  eine  gewisse  Anzahl  offen,  für  junge  Leute,  welche  jetzt 
den  schönen  Kampf  für  Freiheit  und  Becht,  den  friedlichen  Beschäfti- 
gungen vorziehen 

Talente  u  ausgezeichnetes  Verdienst,  werden  nicht  weniger  stets 
höhere  Chargen  offen  finden,  und  nicht  unanerkannt  bleiben 

Das  Corps  wird  den  Nahmen  des  ersten  preussischen  National 
Cavallerie  Corps  führen,  um  wenn  Vaterlandsliebe  oder  Notwendigkeit 
gebieten,  ein  zweites  ihm  zur  Seite  zu  stellen,  es  als  erstes  Kennzeichen 
des  Patriotismus  seinen  Bang  behaupte 

Sobald  sich  nun  der  Wille  der  Bewohner  Preussens  sonst  glück- 
lichen, u  segensreichen  Fluren,  durch  das  Organ  ihrer  Bepraesentanten 


ron  Bob.  Müller.  JQQ 

ausgesprochen  hat,  behalte  ich  mir  vor  das  Nähere  wegen  Zeit  u  Ort 
der  Formation,  u  alle  übrigen  nötigen  Bastimmungen  bekannt  zu  machen 
Mit  hoher  Achtung  wird  die  Mit  u  Nachwelt,  mit  freudigem 
Herzen,  ob  der  Liebe  u  Treue  der  Monarch,  mit  erhebendem  Gefühl 
über  das  Vertrauen  der  edlen  Preussen,  werde  ich  alles  dasjenige  er- 
kennen, was  die  reinsten  Motive  sie  [sie]  zu  leisten  vermögen,  u  die 
Preussens  Bewohner  von  je  her  so  ruhmwürdig  auszeichneten. 

Königsberg  am  8"  Februar  1813. 

k  v  Torck 

An 

Eine  [sie]  Hoch  u  Hochwohlgeborne  Comitä  des  Landtages  Preussens 

Gedr.  in  der  AnsserordenÜ.  Beil.  zu  No.  28  der  KönigBberger  (Hartangsehen) 
KönigL  Prensz.  Staats-,  Krieges-  und  Friedens-Zeitung  von  1813,  im  Beiheft 
zum  Militair- Wochenblatt  pro  Novbr.  u.  Dezbr.  1845,  S.  485,  in  der  anonymen 
Schrift:  Zur  Gesch.  des  ehemal.  ostpr.  National-Gayallerie-Begiments  (Leipz.  1846) 
S.  357  ff.,  bei  Dr.  II,  S.  307,  No.  10,  unvollständig  und  ungenau  auch  bei 
A.  Witt:  Der  preusz.  Landtag  im  Febr.  1813  (Progr.  d.  Eneiphöf.  Stadt-Gymnas., 
Königsberg  1856,  S.  22  f.  und  Räumer:  Historisches  Taschenbuch,  III.  Folge, 
VIII.  Jahrg.,  Leipzig  1857,  S.  586  t)  [fö 

87,  Fol.  35.  Vermerk 

HE  Graf  v  Lehndorff-  Steinorth  erhielt  von  der  ständischen  Ver- 
sammlung den  Auftrag,  den  HE  Gouverneur  v  York  Exe.  zu  ersuchen, 
dasz  die  Ehre,  in  dieses  National  Corps  eintreten  zu  können,  auch  auf 
Westpreuszen,  dies-  und  jenseits  der  Weichsel  ausgedehnt  werde. 

[Undatirt.]  Scheltz' 

Ungedmckt.  Befindet  sich  anf  dem  Bande  des  vorigen  Schreibens  [85*  fol.35 
links  oben.  [86 

»♦  Fol.  37-38.  p.  M. l) 

Auf 'Befehl  Si-  Eicellence  des  Herrn  Staats  Hinister  v  Stein  sind 
auch  wir  als  Deputirte  vom  Oletzkoschen  Kreise  gew&hlt  und  herge- 
kommen um  den  Zweck  dieses  Landtages  zu  erfahren. 

Auswahl  der  besten  Mittel  zur  Verteidigung  des  Vaterlandes 
ist  nach  der  Bekanntmachung  der  Zwek  der  Versandung. 
Und  diese  Mittel  haben  uns  hierauf  Sl-  Eicellence  des  Herrn  General- 
Lieutenant  und  Gouverneur  v  Jork. 

auf  Befehl  Sfc  Majestät  des  Königes  von  Preuszen 


110     Urkunden  sar  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

theils  mündlich  in  der  Versandung,  theils  schriftlich  im  Detail  durch 
die  erwählte  Comitt£e/Wc/  bekannt  zu  machen  geruhet. 

Sämtliche  Hochzuehrende  Herren  Deputirte  und  auch  wir  haben 
uns  aus  dem  Vortrage  Sl-  Excellence  des  würdigen  Staats  Minister 
Herrn  Grafen  v  Dohna,  den  auch  wir  als  einen  einsichtsvollen  Mann 
und  redlichen  Patrioten  verehren,  überzeugt  dasz  die  von  Se*  Excellence 
des  Herrn  General  Lieutenant  v  Jork.  bestimmte  Hülfsmittel  zur  Ver- 
teidigung des  Vaterlandes  weise  eingeleitet,  und  notwendig  sind. 

Nicht  nur  die  Möglichkeit  der  Ausfuhrung  dieses  Plans  des  weisen 
Feldherro,  deszen  Patriotismus  allgemein  bekannt  ist,  ist  von  sämtlichen 
Herrn  Deputirten  zugestanden,  indem  nur  durch  die  vorgewesnen  De- 
batten grösztentheils  Nebenumstände,  dem  Plane  eine  Abänderung  geben 
sollen,  sondern  auch  wir  haben  über  die  allgemein  geäuszerte  Neigung 
und  Bestreben  sämtl  Herren  Deputirten,  zu  dieser  notwendigen  Sache 
zu  würken,  tief  empfunden. 

Jetzt  kommt  es  aber  darauf  an:  Wem  ist  die  Ausführung  dieses 
Plans,  dem  sämtliche  Herren  Deputirte,  der  Notwendigkeit  und  Zwek- 
mäszigkeit  wegen  ihren  Beyfall  gegeben  haben,  zu  übertragen? 

Hiebey  müszen  wir  folgendes  bemerken. 

Unsere  Constituenten  haben  uns  bey  der  Wahl  den  ausdrüklichen 
Auftrag  gemacht,  darauf  anzutragen, 

dasz,  bey  Leistungen  von  Opfern  jeder  Arth,  sie  mögen  von  Sl 

Buszisch  Kayserlichen  Majestät  oder  S|  Majestät  des  Königes  von 

Preuszen  angeordnet  seyn, 

es  unserer  gesezzmäszig  bestehenden  Regierung  überlassen 
bleiben  mflszte,  diese  Forderungen  im  gewöhnlichen  Gange 
nach  den  höhern  Bestimmungen  leisten  p  zu  laszen. 

Wir  haben  für  unser  Theil  an  der  Spizze  unserer  Regierung  einen 
kraft-  und  einsichtsvollen  Mann,  einen  Mann  deszen  redlicher  Patrio- 
tismus allgemein  anerkannt  ist  den  Geheimen  Staatsrate  v.  Schoen. 
Wir  müszen  um  so  mehr  darauf  antragen  dftsz  diesem  edlan  Manne  die 
weitere  Ausfuhrung  des  modificirtea  Plans  Sj-  Excellence  des  Herrn 
General  Lieutenants  v  Jork.  in  Absicht  des  littfaauschen  Departements 
überlaszen  wird,  als  derselbe  noch  dazu  adel.  Guthsbesizzer  ist 


von  Bob.  Mflller.  'IVL 

Wir  wenigstens  sind  überzeugt,  dasz  durch  diesen  Weg  die  Aus- 
führung des  gedachten  Plans  am  geschwindesten  und  zwekmäszigsten 
vollfahrt  werden  wird 

Wir  haben  uns  unserer  Pflicht  nach  dem  [sie]  Auftrage  hiedurch 
entledigt,  und  versichern  übrigens,  dasz  auch  unser  Kreis  nach  dem 
Maasze  seiner  erschöpften  Kräfte  alles  zur  Ausführung  des  Plans  bey- 
tragen  wird 

Die  Deputirte  der  adel.  Güter 

Oletzkoischen  Kreises 

Bieberstein.  Bergan. 

Unpdruckt    ')  Vgl.  [73  Awn.  t.  [87 

»>♦  Fol.  39. 

Allerdurchlauchtigster  Groszmächtigster  König  I 
Allergnädigster  König  und  Herr! 

Treue  und  Anhänglichkeit  an  König  und  Vaterland!  das  sind  die 
Tugenden,  welche  jeder  Preusze  von  zarter  Kindheit  an,  sich  zueignet, 
stets  in  der  treuen  Brust  nährt  und  nie,  auch  nicht  in  den  schwersten 
Drangsalen,  verleugnet. 

Mit  diesen  heiligen  Gesinnungen  versammelten  wir  uns  im  Auf- 
trage der  Provinzen  Ostpreuszen,  Westpreuszen  vom  rechten  Weichsel- 
ufer u  Litthauen  in  gesetzlicher  Form,  um  zu  berathen,  welches 
Opfer  wir  Ew  Königl  Majestät  und  dem  theuern  Vaterlande  bringen 
könnten,  um  in  der  jetzigen  Lage  der  Dinge  unsre  Treue  u  Anhäng- 
lichkeit an  König  und  Vaterland  nicht  in  Worten  zu  zeigen,  sondern 
in  Thaten  übergehen  zu  laszen.  Wir  wandten  uns  an  Ew  Königl 
Majestät  höchsten  Stellvertreter  im  Militair,  den  hochverehrten  Gteneatf- 
lieutenant  v.  Tork,  den  treuesten  Diener  Ew  Königl  Majestät,  den 
wärmsten  Vertbeidiger  des  Vaterlandes.  Gern  und  willig  schlug  er  uns 
die  Mittel  vor,  dem  Vaterlande  zu  nützen  und  unter  diesen  die  Errich- 
tung einer  Landwehr  zur  Vermehrung  der  Streitkräfte  und  Verteidi- 
gung des  Landes. 

Wir  können  uns  mit  edlem  Stolze  rühmen,  duz  heiliger  Eifer  für 
die  gute  Sache,  treue  Ergebenheit  gegen  Ew  KönigL  Majestät  erhabene 
Person  und  reiner  patriotischer  Sinn  fürs  Vaterland  uns  beseel«  ud 


112      Urkunden  rar  Geschichte  der  stand.  Versammlangen  in  Königsberg 

so  übernahmen  wir  nicht  blosz,  was  wir  nur  mit  der  gröszten  An- 
strengung zu  leisten  für  möglich  hielten,  sondern  vereinigten  uns  auch 
mit  dem  hochverehrten  Generallieutenant  von  York  in  Hinsicht  des  uns 
vorgelegten  Entwurfes  zur  Organisation  einer  Landwehr.  Seinen  Händen 
haben  wir  diesen  Entwurf  anvertraut,  dasz  er  durch  ihn  Ew  Königl 
Majest&t  hoher  Bestimmung  übergeben  werde.  Nur  was  unser  all- 
geliebte Landesvater  will,  wollen  wir;  nur  unter  seiner  erhabenen  Lei- 
tung Preuszens  und  Deutschlands  Schmach  rächen,  für  die  Selbständig- 
keit unsers  theuren  Vaterlandes  kämpfend  siegen  oder  sterben. 

Immer  war  unser  erhabene  Regent  Vater  ds  Landes:  Er  wird 
es  ferner  seyn,  und  mit  gnädigem  Wohlwollen  die  Opfer  betrachten, 
welche  treue  Preuszen  mit  heiligem  Sinne  darbringen. 

In  diesem  Sinne  und  der  tiefsten  Ehrfurcht  ersterben  wir  als 

Ew  E.  Majestät 

untertänigste 

die    versammelten    Stände    von 
Kgsbg    9  t.  Ostpreuszen,  Westpreuszen  vom 

Febr.  1813.  rechten  Weichselufer  u  Litthauen 

Gedr.  bei  Dr.  H,  S.  311  f.,  No.  14,  Witt  a.  0.  (Programm  S.  25  und  Raumer 
S.591f.  Vgl.  [85  Anm.),  Gerwien  S.Ub— 15»-  E.  Lange  II.:  »Geschichte  der 
Preusz.  Landwehr  seit  Entstehung  derselben  bis  zun  Jahre  1866»*  (Berlin  1857), 
ebenso  B.  Brauner:  »Geschichte  der  preusa.  Landwehr.*  (Berlin  1863)  geben 
die  Adresse  nach  Gerwien  und  vollständig.  —  Nur  im  Auszüge  steht  sie  bei 
C.  Friedas  »Zur  Geschichte  der  Errichtung  der  Landwehr  in  Ost-,  Westpreuszen 
und  Litthanen  im  Jahre  1813*  (Königsberg  i.  Pr.  1863)  S.  19  und  auch  bereits 
in  der  »Geschichte  des  Krieges  in  den  Jahren  1813  und  1814*  von  eben- 
demselben (Altenburg  1843)  auf  Seite  86. —  Der  hier  bei  den  Akten  liegende 
Entwurf  ist  von  Heidemann  geschrieben.  [88 

SO*  Fol.  40. 

Zu  den  Acten  der  ständischen  Versammlung  im  Febr.  18i3 l) 
Allerdurchlauchtigster 
-"  Groszmächtigster  König! 

Allergnädigster  König  u  Herr! 

Ew  Königl.  Majestät  haben  wir  durch  den  Generalgouverneur  dieser 

Provinz  einen  Entwurf  zur  Organisation  einer  Landwehr  unterthänigst 

eingereicht.    Mit  ihm  steht  die  untertänigste  Bitte,  welche  wir  jetzt 

vorzutragen  wagen,  in  genauester  Verbindung.  m 


Ton  Rob.  Maller.  H3 

Ew  Königl  Majestät  gaben  durch  ds  Allerhöchste  Gesetz  vom 
30t.  Jul.  1812  dem  Lande  zu  einer  Zeit,  als  zügellose  Menschen 
unsre  Provinz  durchzogen2)  eine  Gensd'armerie.  Jetzt,  da  Euhe  u 
Ordnung  hergestellt  ist,  so  wie  im  Zustande  ds  Friedens,  gewährt  sie 
uns  nicht  nur  keinen  Nutzen,  sondern  wird  durch  manches  Eingreifen 
in  die  gewohnten  Formen  lästig  u  schädlich.  Mag  ein  Begent,  der 
seinen  Thron  für  schwankend  hält,  der  Gensd'armerie  bedürfen.  Ein 
Vater  seines  Volks,  den  Liebe  Treue  u  Gehorsam  umgeben  kann 
ihrer  entbehren. 

So  wagen  wir  die  gehorsamste  Bitte,  die  Gensd'armerie  und  was 
in  dem  höchsten  Gesetze  vom  30  t.  Jul  1812  damit  in  Verbindung 
steht,  Allergnädigst  aufzuheben  u  sie  nebst  ihren  bedeutenden  Fond's 
der  Landwehr  einzuverleiben,  wo  sie  den  mangelnden  Stamm  der  höchst 
noth wendigen  Cavallerie  bilden  u  die  Einzelnen  als  Unterofficiere  in  der 
Landwehr  den  gröszten  Nutzen  stiften  können.  Den  würdigen  Officieren 
kann  es  in  der  jetzigen  Zeit  nicht  schwer  werden  in  der  Armee  oder 
der  Landwehr  einen  Platz  zu  finden,  wo  sie  mit  Würde  u  Kraft  fiir 
König  u  Vaterland  wirken  können. 

Geruhen  Ew.  K.  Majestät  die  Empfindungen  der  tiefsten  Ehrfurcht 
anzunehmen,  in  welcher  wir  ersterben  als 

E    K    M. 

unterthänigste 
K.  d  9t  Febr  1813  d.  Stände  von  Ostpreuszen 

Westpreuszen  vom  rechten 
Weichselufer  u  Litthauen 

Gedr.  bei  Gerwien  8. 15,  Witt  a.  0.  S.  26,  bezw.  593  f.  Vgl.  [85  Anm.  Auch 
der  Entwarf  dieser  Adresse  hier  in  den  Akten  stammt  ans  Heidemanns  Feder. 
*)  Ist  von  Scheltz.  am  Bande  vermerkt.  *)  Die  Worte:  »zu  einer  Zeit, 
als  zügellose  Menschen  unsre  Provinz  durchzogen*  sind  mit  Koth- 
stift  unterstrichen.  [$9 

31.  Fol.  41. 

[Ohne  Adresse.] x)  ps  d  9  Febr 

Eine  mir  zngestoszene  Krankheit  macht  es  unmöglich,  der  hoch- 
verehrten Versammlung  heute  beyzuwohnen. 

▲Itpr.  Moutaschrift  Bd.  XIV.  Hft.  1  u.  2.  g 


114      Urkunden  sar  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

Ew.  Hochwohlgebohren !)  verfehle  ich  nicht  die  schuldige  Anzeige 

hievon  zu  machen,   und  bitte  in  dieser  ßüksicht  meines  Ausbleiben 

wegen  um  geneigteste  Entschuldigung  gantz  gehorsamst 

Rosenow*) 
Königsberg  den  9t.  Febr.  1813.  aus  Graudentz 

üngedrackt.  !)  Das  Schreiben  ist  wol  an  Brandt  gerichtet  gewesen:  Dohna 
wäre  »Excellenz*,  und  Scheltz  »Wohlgeboren*  titulirt  worden.  —  Vgl.  [47, 
[48>  [49  und  [91  Anm.  1.  [90 

32»  Fol.  42.  ps.  d  9  Febr. 

Ew.  Excellenz  werden  verzeihen,  wenn  ich  mich  wegen  Uebel- 
befinden  aus  der  Versammlung  entferne. 

HE.  Major  v  Gostkowski  [sie]  als  zweiter  Deputirte  des  Kreise  [sie] 
den  wir  die  Ehre  zu  vertreten  haben,  wird  das  Votum  in  meinem 
Nahmen  abgeben1) 

Ich  habe  die  Ehre  mich  gehorsamst  zu  empfehlen 

Eulenburg 
Sr.  Excellenz  HE  Staats  Minister  Grf  zu  Dohna 

Ungedruckt.  !)  Dass  eine  Uebertragung  des  Stimmrechte  statthaft  war,  ergiebt 
sich  auch  noch  aus  Urkunde  [56  am  Ende,  [71  al.  2,  [72  al.  2.  —  Rosenow 
in  [90  Übertrag  seine  Stimme  nicht.  [91 

33*  Fol.  43.  n     . 

Copia 

Des  Herrn  Staats  Ministers  Freyhern  von  Stein  Excellenz,  Beauf- 
tragter S|  Majestät  des  Kaisers  von  Ruszland  besteht  darauf,  mit  ver- 
trauenswerthen  Personen  aus  den  von  den  Kaiserlichen  Trouppen  be- 
reits besetzten,  und  in  deren  Militair  Gewalt  befindlichen  Provinzen  und 
Gegenden  vom  ö^Febr:  c:  an,  in  Königsberg  in  Conferenz  zu  treten. 

Da  nach  dem  von  Höchstgedachter  Sj  Kaiserlichen  Majestät  aus- 
gesprochenen Grundsatze,  dasz  in  den  von  Ihren  Trouppen  besetzten 
preuszischen  Staaten,  auszerhalb  der  auf  den  Krieg  sich  beziehende 
Verhältnisze,  weder  in  der  Verwaltung,  noch  in  der  Verfassung  etwas 
alterirt  werden  soll,  der  Gheff  des  Königl  Westpreusz:  Regierungs 
Gollegii  sich  vollkommen  überzeugt  hat,  dasz  die  geordnete  Confe- 
renz nichts  zum  Gegenstande  hat,  was  mit  der  Sl  Majestät 
unserm  Könige,  schuldigen  unverbrüchlichen  Treue  und 
Unterthanen  Eide  unvereinbarlich  wäre;  vielmehr  es  von  Wichtig- 


Ton  Bob.  Müller.  115 

keit  ist,  dasz  Röcksicht  der  für  die  Armee  zu  fordernde  Kriegs- 
Bedürfnisze  unterrichtete  und  zuverläszige  Personen  aus  allen  Provinzen 
und  Gegenden  befragt  und  gehört  werden ;  so  haben  wir  nicht  Anstand 
gefunden,  Ew:  Hochwohlgebor  hierdurch  aufzutragen,  nach  genommener 
Privat  Bücksprache  mit  den  achtbarsten,  und  dem  Staats  Oberhaupt 
vorzüglich  ergebenen  Ritterlichen  GuthsBesitzern  des  Marienwerderschen 
Kreises,  zwei  aus  deren  Mitte  zu  vermögen,  dasz  sie  zu  dem  hieraus 
sich  ergebenden,  und  in  seinen  Schranken  näher  bezeichneten  Zweck, 
unverzüglich  nach  Königsberg  sich  verfügen,  und  des  Weitern  halber, 
bei  dem  Herrn  Justiz  Rath  Schelz  persönlich  melden. 

Da  auch  Si  Excellenz,  der  Herr  Staats  Minister  von  Stein,  Personen 
aus  allen  Ständen  vor  sich  zu  sehen  wünschen;  so  werden  Sie  auf 
ähnliche  Weise  für  die  Auswahl  und  Absendung  eines  Mimischen 
Grundstücks  Besitzers  nach  Königsberg  sorgen. 

Was  die  Städte  anlangt,  so  ist  deshalb  besondere  Verfügung  ge- 
troffen, da  eine  Konvokation  derselben  nicht  mehr  möglich  ist.  Die 
Kürze  der  Zeit  kann  die  Sache  nicht  verhindern,  da  Sie  an  keine  Form 
gebunden  sind,  indem  Repräsentation  und  Vertretung  nicht  stattfinden. 

Uebrigens  versteht  es  sich,  dasz  ReiseKosten  und  Defrayirung  von 
den  Kreis  Eingesessenen  aufgebracht  werden  müszen. 

Von  Befolgung  dieses  Auftrages  erwarten  wir  Ihre  Anzeige. 
Marienwerder  d  30*u  Jan.  1813 

Königl:  Westpreusz  Regierungs  Präsidium 
!)  Wuertz    Marthins a) 
f)An  den  Herrn  Landrath  v.  Besser 

Hochwohlgeborn.  zu  Brausen 

Gedr.  bei  Lehmann  S.  333  f.  nach  den  Akten  des  Geh.  Staats -Archivs  zu 
Berlin.  —  Diese  Copia  hier  in  den  Landschafts- Akten  ist  eine  Beilage  zu 
dein  als  [93  folgenden  Protokoll  einer  in offici eilen  Versammlung.  Sie 
weicht  in  manchen  Kleinigkeiten,  in  der  Orthographie  n.  s.  w.  von  der  bei 
Max  Lehmann  gedruckten  Urkunde  ab.  Es  ist  wahrscheinlich  auch  nur  eine 
Copie  der  Begierungsverfugung  an  den  Landrath  v.  Besser  (Lehmann  schreibt 
Landrath  Besser)  und  Begierungsrath  Boscius,  die  Lehmann  im  Berliner  Staats- 
Arehiv  gefunden  hat.  Die  oben  IV,  No.  38  erwähnte  Aftercopie  in  den 
Oberpräsidial- Akten  ist  nach  vorliegender  Abschrift  gemacht,  nur  hie  und  da 
etwas  modernisirt  in  der  Orthographie.  f)  Bei  Lehmann  fehlen  die  unterzeich- 
neten Namen,  auch  die  Adresse.    *)  Vgl.  [36  Anm.  1,  [Qjg 

8* 


116     Urkunden  cur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg; 

34.  Fol.  44-45. 

[Protokoll  einer  inofficiellen18)  ständischen  Versammlung.] 

^Königsberg  den  9.  t.  Februar  1813. 
In  der  gestrigen  und  heutigen  Versammlung  der  achtbaren  Stände 
von  Ostpreuszen,  Westpreuszen  vom  rechten  Weichselufer  und  Litthauen 
wurde  es  zur  Sprache  gebracht,  dasz  in  Marienwerder  erzählt  seyn  solle, 
die  Provinz  Ostpreuszen  nähme  sich  durchaus  nicht  ihren  Ver- 
hältniszen  gegen  des  Königs  Majestät  angemeszen  u  habe  die 
Provinz  durch  Deputirte  des  Kaisers  von  Ruszland  Majestät1) 
angetragen. 
Die  ganze  Versammlung,  voll  Treue  u  Anhänglichkeit  gegen  den 
allverehrten  Landesvater  erfällt,  empfindet  den  höchsten  Unwillen  bei 
dieser  Nachricht  u  hat  nie  geglaubt,  dasz  irgend  ein  Preuszischer  Unter- 
than  sich  so  tief  erniedrigen  könne,  ein  so  herabwürdigendes  Urtheil 
über  eine  achtbare  Provinz,  welche  bisher  den  Ruf  ihrer  Treue  Ehre 
u  Pflicht  unbefleckt  erhalten  hat,  zu  fällen.   Die  Versammlung,  welche 
den  Abscheu  verdienenden  Verleumder  der  rächenden  Justitz  überliefern 
will,   beschlieszt,   dasz   eine   nähere  Vernehmung   der  Herren   Baron 
von  Schleinitz  u  Baron  von  Hindenburg  u  des  Graf  von  Finkenstein,9) 
welche   von   dem   oben  genannten  Gerüchte   nähere  Kenntnisz   haben 
sollen,  veranlaszt  werde,  worauf  der  Comitte4)  der  Stände  von  Ost- 
preuszen u  Litthauen  die  Sache  weiter  ausfahren  wird. 

6)Mit  Schmerz  erfährt  auch  die  Versammlung,  dasz  die  Deputirten 
der  Stadt  Elbing,  welche  wegen  Geschäfte  sich  schon  wegbegeben  haben, 
durch  ein  Pro  memoria  haben  versuchen  wollen,  hinterher  zu  erklären, 
dasz  sie  den  Verhandlungen,  welche  in  ihrer  Gegenwart  gepflogen  sind, 
ihre  Zustimmung  nicht  gegeben  hätten,  sondern  diese  noch  der  Prüfung 
und  Genehmigung  der  Elbingsehen  Stadtbehörde  unterwürfen. 

So  wenig  die  Versammlung  sich  auf  diesen  Antrag  einlaszen  kann 
u  so  wie  sie  daher  beschloszen  hat,  dies  Pro  memoria  nicht  zu  den 
Acten  zu  nehmen;  so  hat  es  ihr  doch  wehe  gethan,  dasz  dadurch  ein 
Misztrauen  gegen  den  rechtlichen  Sinn  der  Versammlung  ausgesprochen 
wird,  welches  um  so  mehr  der  Fall  ist,  als  die6)  den  Westpreusz  Städten 
gegebenen  Instructionen  u  Authorisationen 7)  die  Glausel  enthalten  sollen 


von  Rob.  Möller.  XI 7 

8)dasz   die  Deputirten  nur  solchen  Verhandlungen   beitreten 
dürften,  welche  nicht  gegen  ihre  Unterthanenpflichten  gingen. 

Die  Versammlung  fühlt  tief  das  Beleidigende,  dasz  man  es  für9) 
nöthig  achtet,  solche  Clausel  einem  Deputirten  besonders  zu  empfehlen, 
der  zu  einer  Versammlung  der  unter  öffentlicher  Autorität  zusammen- 
getretenen Stände  geht. 

Sie  beschlieszt,  nähere  Eenntnisz  von  dem  Grunde  dieser  auffallen- 
den Begebenheit  einzuziehen  u  beauftragt  den  Comitte4)  der  Stände, 
wenn  diese  Sache  von  einer  Behörde  ausgegangen  seyn  solle, l0)  deshalb 
Beschwerde  bei  des  Königs  Majestät  zu  fuhren.  Einer  Versicherung 
der  besondern  Treue  u  Anhänglichkeit  bedarf  es  nicht,  da  die  Ver- 
sammlung in  ihrem  Innern  die  heilige  Stimme  gegen11)  König  und 
Vaterland  fühlt  u  des  edlen  Stolzes  ist,  dasz  unser  allverehrte !J) 
König  sie  kenne  u  zu  würdigen  wisze. 

Dies  Protocoll  ist  von  der  Versammlung,  nach  geschehener  Vor- 
lesung, genehmigt  u  unterschrieben.13) 

Bei  der  Vorlesung  erklärt  der  Herr  Deputirte  aus14)  Marienburg 
^  HE  Kaufmann  Nitikowski,  [sie]  dasz  in  seiner  Vollmacht7)  dergleichen 
§,  nicht  stände  u  die  Sache  vielleicht  ein  leeres  Gerücht  seyn  könne, 
1  welches  die  Versammlung  in  Hinsicht  der  übrigen  Städte  Westpreuszens 
I*  genau  untersuchen  wolle. 

|      18)Dohna[-Schlobitten]    Schimmelfennig    Gr  v  Lehndorff  Steinorth 
^  Bieberstein     Leitner     Forster     Kist.     Ziehe.     FEngel.     v  Kannacher 
£  Hippel  Bosenberg  Dohna  [-Brunau]  Rittberg  Marquardt.  —  Sierakowsky 
'*"  Schimmelpenink      Nitykowski      Fademrecht      Bergau      Heidemann. 

A  Schüeben     v  Krafft.     v  Knobloch    Klinkowstroem     ABrandt.    Surau. 

r 

£  I      Schlimm.    Lilienthal.    Richau     v  Bardeleben     Lehndorff  L :  keim. 


<* 


>.*- 


s- 


Gedr.  bei  Dr.  II,  S.  313  f.,  No.  16,  und  bei  Gerwien  S.  15  b— 16»,  bei  beiden 
fast  überaU  in  gleicher  Weise  lücken-  und  fehlerhaft:  die  weiter  unten  ange- 
führten Unterschiede  zwischen  G.  und  D.  sind  unwesentlich.  Hier  bei  den  Akten 
befindet  sich  das  Ton  Heidemann  niedergeschriebene  Original-Protokoll  welches 
wesentlich  von  dem  bei  G.  und  D.  gedruckten  abweicht.  Entweder  haben  beide 
Heransgeber  dieselbe  fehlerhafte  Abschrift  —  etwa  aus  den  Papieren  Yorks  — 
bezw.  deren  Aftercopieen  zum  Abdruck  gebracht,  oder  der  Text  bei  Droysen  (1852) 
stammt  aus   Gerwien  (1846).      f)  Droysen  schreibt:  »Actum  Königsberg, 


118      Urkunden  zur  Geschiente  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

den  9.  Februar  1813/  Im  Original-Protokoll  und  bei  Gerwien  steht  das 
Wort  »Actum*  keineswegs.  *)  Bei  Droysen  heisst  es:  »dem  Kaiser  von 
Ruszland  Majestät4:  Gerwien  hat  richtig,  wie  das  Original- Protokoll :  »  d  e  s 
Kaisers  von  Euszland  Majestät4.  3)  Gerwien  und  Droysen  schreiben 
hier:  »des  Herrn  Baron  v.  (bezw.  von)  Hindenburg  und  des  Grafen 
y.  (bezw.  von)  Finkenstein4,  lassen  also  beide  aus:  »Baron  vonSchleinitz4, 
verändern  »der  Herren4  in  »des  Herrn4,  »Graf4  in  »Grafen4.  4)  Co- 
mitte  nicht  K(C)omite%  wie  G.  und  D.  haben.  5)  G.undD.  fahren  hier  fort: 
»Ferner  sollen  die  von  den  Westpreuszischen  Städten  gegebenen 
»Instruk(c)tionen  und  Autorisationen  die  K(C)lausel  enthalten: 
»dasz  die  Deputirten  nur  solchen  Verhandlungen  beitreten 
»dürften,  welche  nicht  gegen  ihre  Unterthanenpflichten 
»gingen.*, 
lassen  also  die  ganze  »Elbing4  betreffende  Stelle  aus.  Zufallig  kann  dies 
nicht  geschehen  sein:  denn  zufolge  der  fortgelassenen  Stelle  ist  zu  Anfang 
des  Absatzes  die  Uebergangspartikel  »Ferner4  hinzugesetzt.  *)  Bei  G.  und  D. 
ist  hier  ein  »von4  eingeschoben.  7)  In  der  Aufschrift  des  Aktenbandes  A.  7. 1* 
der  Ostpr. General-Landschaft  heisst  es:  »Von  den  Vollmachten  sind  be- 
sondere Acten  gefertigt.4  (Vgl.  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XUf.  S.  513.) 
Sie  scheinen  nicht  mehr  vorhanden  zu  sein.  *)  Hier  hat  Scheltz  auf  den 
Band  geschrieben: 

Vermerk 
Ex  post  ist  das  Ausschreiben  des  Kön.  Westpr.  ßegier.  Prae- 
sidii  producirt,  und  wird  hier  beigefügt.  Die  neben  benannte 
Clausel  ist  darin  In  der  gedachten  Axt  nicht  enthalten. 
°)  In  beiden  vorgenannten  Abdrücken  fehlt  »für4.  10)  Gerwien  und  Droysen 
haben:  »sollte4.  n)  Dieselben  schieben  hier  auch  »den4  ein.  1S)  Droysen 
schreibt:  »allverehrter4,  Gerwien  richtig:  »allverehrte4.  !3)  Nach  G.  und 
D.  sollen  hier  die  Unterschriften  folgen.  Das  ist  falsch:  die  Unterschriften 
stehen  erst  unmittelbar  hinter  den  Schlussworten  des  folgenden  Absatzes: 
».  .  .  .  Westpreuszens  genau  untersuchen  wolle.4  ")  »aus4  nicht 
»von4  wie  bei  G.  und  D.  ")  Bei  den  Unterschriften  fehlen  die  Namen  fast 
aller  derjenigen  städtischen  Abgeordneten,  welche  schon  unter  dem  3ten  Pro- 
tokoll vom  8.  Febr.  vermisst  wurden:  nur  Forster-Memel  und  Nitykowski- 
Marienburg  sind  von  diesen  zugegen  gewesen.  10)  Diese  Versammlung  ist  ganz 
offenbar  keine  officielle,  sondern  eine  der  inoffieiellen  oder  Privatversammlungen 
gewesen,  wie  sie  für  die  Nachmittagsstunden  laut  [66  beschlossen  waren: 
a)  Bei  den  Unterschriften  stehen  voran  —  nicht  die  Namen  der  Mitglieder  des 
ständischen  Comite,  wie  unter  den  officiellen  Protokollen,  sondern:  Dohua, 
Schimmelfennig,  Gr  v  Lehndorff-Steinorth,  nämlich  der  »Präses  oder  Vorsteher4 
und  die  »Censoren  oder  Gehülfen4  für  die  Privatversammlungen.  (Vgl.  [66  a.  E.) 
Später  erst  mitten  unter  den  übrigen  Namen  finden  wir:  Kist,  Schlieben, 
v  Krafft,  v  Knobloch,  Klinkowstroem.  b)  Der  Direktor  des  ständischen  Co- 
mites,  Geh.  Justizrath  v.  Brandt  hat  gar  nicht  unterzeichnet  —  »ABrandt4  ist 
die  Unterschrift  des  Landschaftsrath  v.  Brandt  aus  dem  Brandenburgschen 
Kreiee  —  also  der  Versammlung  wol  nicht  beigewohnt,  am  wenigsten  präsidirt. 


Ton  Rob.  Möller.  U9 

c)  Das  Protokoll  ist  Dicht  vom  Justmath  Scheltz,  dem  amtlichen  Protokoll- 
führer der  officiellen  ständischen  Versammlungen,  sondern  von  Heidemann,  dem 
»Secretario*  der  Privatversammlungen ,  geschrieben.  Heidemann  hat  seinen 
Namen  zwar  nicht  zu  Anfange  gleich  nach  Lehndorff-Steinorth,  sondern  erst 
später  gesetzt:  das  that  er  aber  oft  auch  bei  den  officiellen  Protokollen,  trotz- 
dem er  zu  den  Mitgliedern  des  standischen  Comite's  gehörte.  —  Aus  dem 
Vorstehenden  erklärt  sich  auch  der  Zusatz: 

»Nachgesellen  und  richtig  befunden. 

Scheltz* 
der  neben  das  letzte  Alinea  auf  den  Band  geschrieben  ist.  Es  hat  hiedurch 
nachträglich,  wie  es  mir  scheint,  dies  Protokoll  einer  ständischen  Privat- 
versammlung eine  Art  officiellen  Charakters  erhalten  und  ist  Folge  dessen 
auch  bei  den  amtlichen  Papieren  aufbewahrt  worden.  Vgl.  Altpr.  Monatsschrift 
Bd.  XIII.  S.  526,  Abs.  1  und  [74  Anm.  4.  Nehmen  wir  an,  d&ss  diejenige 
Sitzung,  von  der  Urkunde  [74,  das  lte  Protokoll  vom  9.  Februar  abgefasst 
wurde,  wie  doch  wahrscheinlich,  schon  am  Vormittage  stattfand,  so  ist  auch 
diese  Privatversammlung  hier  am  Vormittage  abgehalten  worden,  aber  —  in 
der  Art  einer  inofBciellen  Nachmittagszusammenkunft.  [93 

35.  Fol.  46. 

In  dem  Protokoll,  welches  die  versammelten  Stände  von  Preussen, 
über  das  was  ich  in  dieser  Versamlung,  mündlich  eröfnet,  haben 
aufnehmen  lassen,  ist  ein  fehlerhafter  Ausdruck  eingeschlichen,  den  ich 
ad  marginem  im  Protokoll  abgeändert,  und  mit  meines  Nahmens  Unter- 
schrift bezeichnet  habe.1) 

Ich  wiederhole  den  versammelten  Deputirten  der  Stände  von  Preuszen 
hierdurch  nochmals  schriftlich,  dasjenige  was  ich  mündlich  eröfnet. 

Als  General  Gouverneur  von  Preuszen  u  Litthauen,  als  treuster 
Unterthan  Sr:  Majestät  unseres  Allergnädigsten  Königs  trete  ich  bei 
Gelegenheit  der  Versamlung  der  Stände  unter  Sie,  um  ihre  Treue  u 
Anhänglichkeit  an  König  u  Vaterland  in  Anspruch  zu  nehmen,  und  sie 
aufzufordern,  meine  Vorschläge  zur  Bewafnung  des  Landes,  und  zur 
Verstärkung  der  Armee  auf  das  kräftigste  zu  unterstützen. 

Da  gegenwärtig  die  Gommunication  mit  Sr  Majestät  gehemmt  ist, 
so  kann  ich  nur  nach  den  Zeitumständen,  u  unter  der  Autorität,  die 
Sr  Majestät  der  König  mir  als  General  Gouverneur  verliehen,  und 
kraft  dieser  im  Nahmen  Sr  Majestät  handeln,  welches  ich  auch  ferner 
mit  aller  Treue  u  Ergebenheit  thun,  und  Sr  Majestät  für  alle  meine 
Schritte  verantwortlich  bleiben  werde. 


120     Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

Meine  Pläne  u  Vorschläge  kann  ich  der  gesamten  groszen  Ver- 
sandung nicht  specialiter  vorlegen,  u  wünsche  daher,  dasz  dieselbe  eine 
Comitö  [sie]  wählen  möge,  welche  meine  Vorschläge  anhöre,  ihre  Be- 
merkungen hinzufuge,  u  dann  so  discutirt  der  Versandung  vortrage. 

Königsberg  am  9"  Februar  1813. 
N.  S.  Uebrigens  finde  ich  gegen  die  mir 

vorgelegten  Verhandlungen  nichts  v  Torck 

zu  erinn: 

v  Torck 

An 

die  Versamlung  der  Hoch  u  Hochwohlgebornen 

Stände  Preussens  p 

Gedr.  bei  Dr.  II,  S.  300  f.,  No.  6.     !)  Vgl  [<J7  Anm.  1.  [94 

36*  Fol.  47- 48. 

Promemoria  im  Namen  des  Schackenschen/Wc/ 

Kreises1)      % 

Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dasz  die  mehresten  Städtischen  sowohl 
als  Ländlichen  Grundbesitzer  durch  die  Ereignisze  von  1806  bis  zum 
heutigen  Tage,  auszer  Stande  gesetzt  worden  sind,'  aus  ihrem  Grund- 
eigenthume  genug  zu  erwerben,  um  den  Ansprüchen  ihrer  Gläubiger  ein 
Gnüge  zu  leisten. 

Der  Verlust  des  Eigenthums,  oder  wenigstens  des  Besitzes  ihrer 
Grundstücke  ist  die  Folge  davon  gewesen,  und  schon  sehen  wir  bedeu- 
tende Güther,  und  bedeutende  Häuser,  aus  den  Händen  achtbarer  Fa- 
milien in  die  Hände  derjenigen  übertragen,  welche  durch  Umstände  in 
die  Lage  versezt  worden  sind,  Allein  aus  den  Ereigniszen  des  letzten 
Quincennii  Vortheil  zu  ziehen.  Wie  viel  mehr  würden  diese  Fälle 
gegenwärtig  eintreten,  wo  die  Erhaltung  unserer  unschätzbaren  Inde- 
pendenz  den  Grundbesitzer  laut  den  heutigen  Beschlüszen  zu  den 
gröszesten,  und  höchst  möglichsten  Anstrengungen  auffordert;  wenn  mit 
diesen  auszerordentlichen  Maszregeln  zugleich,  der  gewönliche  Gang 
der  Justiz  in  so  fern  er  die  Verhältnisze  des  Grundbesitzers  zu  seinen 
Gläubigern  betrifft,  ohne  Modificationen  bestehen  bliebe. 

Könnte  der  daraus  ohnfehlbar  entstehende  Wechsel  des  Grund- 


tod  Hob.  Müller.  121 

eigenthums  dem  State  nützlich  seyn?  Wäre  er  gerecht,  da  laut  den 
Beschlüszen  der  Hochgeehrten  Versammlung  die  Lasten  der  neuen 
auszerordentlichen  Maszregeln  nicht  den  Capitalisten  (denn  von  baaren 
Geldleistungen  ist  nicht  die  Bede),  sondern  den  Grundeigentümer  treffen. 
Die  bisher  bestehenden  Gesetze  zum  Vortheil  des  Grundeigen- 
tümers in  obgedachten  Verhältniszen,  sind  bey  so  auszerordentlichen 
Maszregeln  wie  die  gegenwärtigen,  nicht  hinlänglich,  um  dem  vorher 
erwähnten  Uebelstande  vorzubeugen,  und  wir  tragen  demnach  darauf  an: 

1,  dasz  bey  S.  M.  dem  Könige  allerunterthänigst  darum  gebeten 
werde,  dasz  die  bestehenden  gesetzlichen  Bestimmungen  zum  Vortheil 
des  Grundeigentümers  in  seinen  Verhältniszen  zum  Gläubiger,  so  lange 
die  gegenwärtigen  auszerordentlichen  Anstrengungen  bestehen,  bedeu- 
tender zum  Bezsten  des  Ersten  ausgedehnt  würden. 

2,  dasz  bis  zur  Rückkunft  der  Allerhöchsten  Resolution  über  diesen 
Gegenstand,  der  Chef  unsrer  Justiz  disseits  der  Weichsel,  im  Namen 
der  Stände  und  in  Bezug  auf  die  gegenwärtigen  Verhältnisze,  ersucht 
werde  mit  der  möglichsten  Schonung  gegen  den  Grundeigenthümer  in 
diesen  Gegenständen  verfahren  zu  laszen. 

Koenigsberg  8  Februar  1812  [nie] 

Gr.  Lehndorff    v  Bardeleben    Bichau    Schoen 

üngedruckt.    «)  Vgl.  [96.  [$> 

87.  Fol.  49— 50.  v*  ■    u       ^     flin,         10-0 

Königsberg  den  8  t  Februar  1813. 

In  Beyseyn  2)Die  nebenbemerkten  Mi t- 

des  Herrn  Landraht  Grafen  v.  Lehndorf,  glieder  der  ständischen  Ver- 

Gutsbesitzer  Kist.  Sammlung,  welche  durch  die 

Bürgermeister  von  Kannacher  Wahl  derselben  zu  einem  Co- 

Bichau    cöllmischen   Gutsbe-  mite  ernannt  waren,  um  über 

sitzers  den  Antrag  zu  berathen, 

des  Oberbürgermeisters  Heidemann  *)  in  wie  fern  dem  Gutsbe- 

sitzer, der  für  die  Land- 
wehr Aufopferungen  leistet,  Erleichterung  in  anderer  Hinsicht 
zu  verschaffen  seyen 
hatten  sich  deshalb  heute  versammelt. 


122     Urkunden  zur  Geschichte  der  stKud»  Versammlungen  in  Königsberg; 

Zuvörderst   war  man   der   Meinung 

i 

dasz  nur  die  ländlichen  Qutseigenthümer  und  diejenigen  städti- 
schen Grundeigentümer,  welche  eine  bedeutende  Landwirt- 
schaft treiben,  an  der  projectirten  Erleichterung  Theil  nehmen 
könnten 
da  man  von  dem  Satze  ausgeht, 

dasz  nur  die  genannten  Landwirtschaft  treibenden  Grund- 
eigenthümer  deshalb  durch  die  Einrichtung  der  Landwehr 
leiden,  weil  viele  ihrer  Leute,  welche  zur  Cultur  des  Landes 
nothwendig  gehören,  dadurch  ihnen  entzogen  werden,  u  so  die 
Cultur  des  Landes  zurückgesetzt  wird. 

Die  Begünstigung,  welche  der  Comite  für  die  genannten  Grundeigen- 
tümer anwendbar  hält,  besteht  in  Folgendem: 

1,  Es  kann  gegen  solchen  Gutseigenthümer  kein  Personalarrest 
wegen  Schulden  verfügt  werden 

2,  Es  findet  keine  neue  Subhastation  seines  Guts,  so  wenig  als 
Execution  gegen  das  nothwendige  Mobiliar  u  das  Gutsinven- 
tarium  statt.    Eine  Execution  findet  also  nur  statt 

a,  wenn  der  Gläubiger  einen  andern  Gegenstand  der  Execu- 
tion nachweiset,  als  das  Grundstück 

b,  wenn  die  Revenuen  zur  Befriedigung  des  Gläubigers  ge- 
nügen, nach  Abzug  der  nöthigen  Wirthschafts  u  Unter- 
haltungskosten. 

3,  Es  findet  keine  neue  Sequestration  statt;  vielmehr  musz  der 
Gläubiger  zufrieden  seyn,  dasz  der  Gutseigenthümer  ihm  eine 
vollständige  Rechnung  vorlegt.  Nur  wenn  der  Gläubiger  den 
Schuldner  eines  unredlichen  oder  unwirtschaftlichen  Ver- 
fahrens überführen  kann,  verliert  der  Schuldner  diese  und  alle 
oben  genannten  Yortheile. 

4,  Sequestrationen,  welche  schon  schweben  bleiben  in  ihrem 
Gange,  sowie  auch  schwebende  Subhastationen.  Eine  Sub- 
hastation wird  schwebend  genannt,  wenn  die  Verkaufstermine 
schon  öffentl  bekant  gemacht  sind. 


tod  Bob.  Müller.  123 

5,  Wenn  die  Landwehr  gegen  den  Feind  marschiert,  wird  jeder, 
der  sich  darin  befindet,  als  eine  gegen  den  Feind  marschierende 
Militairperson  behandelt,  weshalb  auch  die  den  Militairpersonen 
in  solchem  Falle  gegebenen  Begünstigungen  Anwendung  finden. 

aus. 

Lehndorff  L:keim.       Kannacher 

Richau 
Eist.      Heidemann 

Ungedruckt.    ')  Heidemann  hat  das  Protokoll  verfasst   s)  Vgl.  [95  n.  [76.  [96 

88*  Fol.  51.  pst  d  9  Febr  1813 

Abends1) 
Ad  Acta,  da  die  Versammlung  schon  auseinander  gegangen  ist 
Königsberg  d  10  Febr  13 

v  Brandt 

Ewr  Hochwohlgebohrnen 

gebe  ich  mir  die  Ehre  anbey  das  mir  von  den  Deputirten  der  Städte 
Königsberg,  Elbing,  Memel  und  Tilsit  so  eben  zugestellte  Votum  zu 
überreichen,  deszen  Einreichung  sie  sich  in  dem  gestrigen  Protokoll 
reservirt  haben1) 

Die  Gegenstände  (welche  von  den  einzelnen  Mitständen  einzeln 
zur  Sprache  gebracht  u  bekanntlich  durch  die  Pluralität  beseitigt  sind) 
haben  so  grosze  Wichtigkeit  und  der  Wunsch,  diese  Punkte  höchster 
Prüfung  und  Entscheidung  zu  unterwerfen,  ist  so  sehr  billig,  dass  ich 
diesem  Voto  meine  Zustimmung  nicht  versagen  darf. 

Hochachtungsvoll  hat  die  Ehre  sich  zu  zeichnen 

Ewr  Hochwohlgebohren 
Kg  d  9  Fbr  1813  gehorsamster  Diener 

Hörn 

[Adresse] 

Herrn  Geheimen  JustizRath  v  Brandt 

Hochwohlgebohren 

Ungedruckt    <)  Vgl.  [71  Anm.  9.    ')  Von  Brandt  vermerkt.  [97 


124      Urkunden  cur  Geschichte  der  stand,  Versammlungen  in  Königsberg' 

39.  Fol.  52-55. 

Votum  zu  dem  in  der  Versammlung  der  hochachtbaren 

Stände  Preuszens  unterm  7"  Februar  d.  J.  concludirten  Plan 

einer  allgemeinen  Landes-Bewafnung1) 

Die  hochachtbare  Versammlung  der  Stände  Preuszens  hat  in  dem 
Plan  zur  allgemeinen  Landes  Bewafnung  durch  Stimmen  Mehrheit  den 
Beschlusz  gefaszt 

dasz  zur  Landwehr  die  ganze  Mannschaft  von  18  bis  45  Jahren 
dienstpflichtig  sey  mit  alleiniger  Ausnahme,  derer  welche 
geistliche  oder  Lehrämter  bekleiden. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dasz  die  unbedingte  Anwendung  dieses 
so  scheinend  allgemeinen  Satzes  in  vielen  Fällen  zu  einer  Härte  und 
durch  den  Beitritt  anderer  Umstände  zu  Bedrükungen  führen  kann, 
welche  gewisz  nicht  dem  Willen  Sr  Majestät  des  Königs,  welcher  alle 
seine  Unterthanen  mit  gleicher  Liebe  umfaszt  entsprechen  und  die 
unterzeichnete  Deputirten  der  hochachtbaren  Versammlung  der  Stände 
nehmen  sich  daher  die  Brlaubnisz,  einige  Bescheidene  Bemerkungen  zu 
den  Acten  zu  geben  um  dar  zu  thun,  wie  nothwendig  es  sey,  auf  Mittel 
zu  sinnen,  dasz  jene  Bestimmung  in  einzelnen  Fällen  diejenigen  Modi- 
ticationen  erhalte,  von  denen  jeder  Unbefangene  im  einzelnen  Fall  ur- 
theilen  dürfte,  dasz  sie  den  Grundsätzen  der  Gerechtigkeit  entsprechen. 

Es  darf  als  anerkannt,  vorausgesezt  werden,  dasz  bey  dem  Gefühl 
des  heiligen  Patriotismus,  welches  alle  Einwohner  und  jeden  Stand 
Preuszens  beseelt,  gar  nicht  davon  die  Bede  sey  oder  seyn  könne,  irgend 
einen  Einzelnen,  noch  weniger  irgend  einen  Stand  von  der  Verpflichtung 
zu  entnehmen,  dem  Vaterlande  zu  leisten,  was  er  nur  zu  leisten  ver- 
mag, Es  ist  vielmehr  nur  davon  die  Bede,  die  Aufopferungen  des  Ein- 
zelnen, welche  als  gesetzliche  Pflicht  ausgesprochen  werden,  in  die  Wege 
zu  leiten,  dasz  sie  nicht  in  einzelnen  Fällen  und  bey  einzelnen  Individuen 
in  Opfer  übergehen,  welche  die  LeistungsFähigkeit  übersteigen  und  so 
sey  es  denn  erlaubt,  folgendes  ehrerbietigst  zu  bemerken 

lstens,  wie  sehr  die  oben  angegebene  Kegel  der  Dienstpflichtigkeit 
bey  der  Landwehr,  Modifikationen  bedürfe  und  wie  sehr  sie  zu  uner- 
warteten Anwendungen  führen  könne,  zeigt  das  in  der  heutigen  Ver- 


von  Rob   MQUer.  ]25 

Sammlung  schon  zur  Sprache  gekommene  Beispiel  der  Mennoniten. 
Da  Religion  das  heiligste  ist,  was  der  Mensch  auf  Erden  besitzt,  da 
durch  Religion,  Vaterlandsliebe  und  Etusiasmus  [sie]  fürs  Vaterland, 
die  stärksten  Belebungen  erhalten,  so  scheint  es  nicht  nur  hart,  son- 
dern auch  in  andern  Beziehungen  höchst  bedenklich  Individuen  gegen 
die  ihnen  heiligen  Grundsätze  ihrer  Religion  zu  den  Waffen  zu  ver- 
pflichten. Jeder  directe  oder  indirecte  Zwang  /;zu  dem  Letztern  ge- 
hörte der  Anspruch  auf  Equivalente  die,  die  Kräfte  und  das  Verhältnis« 
fibersteigen;/  würde  wehe,  sehr  wehe  thun  und  es  ist  hier  schon  ein 
Fall  eintretend,  in  welchem  die  Anwendung,  jenes  ausgesprochenen 
allgemeinen  Satzes  über  die  Dienstpflichtigkeit,  zu  einer  Härte  führt, 
zu  welcher  er  nach  der  Absicht  nicht  führen  soll. 

2tens:  Ein  fernerer  Fall  dieser  Art  ist,  wie  uns  dünckt,  die  Lage 
der  Bürgerschaften  in  den  Gewerb  und  Handels-Städten.  Die  Lage 
derselben  ist  von  der  der  Landbewohner  und  der  Bewohner  der  Acker- 
städte wesentlich  verschieden.  Der  Landbau  erfordert  nicht  diejenige 
stete  persönliche  Anwesenheit,  nicht  diejenige  ununterbrochene  ange- 
strengte Aufmerksamkeit,  als  das  Gewerbe  des  Bürgers  und  nahment- 
lich  des  Kaufmanns  in  der  Handels  Stadt.  Sobald  gewisze  Verrich- 
tungen beym  Landbau  vollzogen  sind,  thut  die  Natur  ihr  Werk  und 
der  Landmann  hat  in  der  Zeit  von  der  Ackerbestellung  bis  zur  Erndte, 
so  wie  von  der  Zeit  der  vollzogenen  Erndte  bis  zur  neuen  Ackerbestellung 
hinreichenden  Baum  zu  andern  Beschäftigungen  und  es  ist  seine  stete 
Anwesenheit  zur  Erhaltung  seines  Eigenthums  nicht  schlechterdings 
nothwendig.  Ganz  anders  ist  die  Lage  des  Bürgers  in  der  Gewerb 
und  Handels  Stadt.  Die  Erhaltung  seiner  und  aeiner  Familie,  die  Er* 
haltung  des  ganzen  Erwerbstandes  der  Stadt  erfordert  stete  Persönlich- 
keit und  Aufmerksamkeit  und  es  dürfte  in  der  Erfahrung  beruhen,  dasz 
oft  sehr  kurze  Abwesenheiten,  des  Gewerbsherrn,  nicht  blos  den  Wohl- 
stand, sondern  die  bürgerliche  Existenz  ganzer  Familien,  auf  immer 
vernichteten.  Ereignisze  dieser  Art  sind  im  Gemeinwesen,  um  so  mehr 
wichtig,  als  die  bezeichneten  Städte  diejenigen  Puncte  sind,  von  welchen 
der  Staat,  oft  Hülfs-Leistungen  anderer  Art,  mit  Recht  erwartet  und 
fordert.    Dasz  die  unbedingte  Anwendung  jedes  allgemeinen  Satzes  der 


126      Urkunden  sar  Geschichte  der  stund.  Versammlungen  in  Königsberg. 

Dienstpflichtigkeit  zur  Landes  Bewafnung  bey  dieser  Lage  der  Dinge 
auch  in  vielen  einzelnen  Fällen  dieser  Art  Opfer  erheischen  werden, 
welche  die  LeistungsFähigkeit  übersteigen,  scheint  uns  gegründete  Be- 
sorgnisz  zu  seyn. 

3ten.  [sie]  Ein  dritter  Fall  dieser  Art,  ist  unseres  Bedünkens  die 
Lage  des  Staats  und  öffentlichen  Beamten.  Es  ist  hier  nicht  die  Bede 
von  freiwilliger  Aeuszerung,  auszerordentlicher  Anstrengung  und  Opfer, 
an  welchen  es  gewisz  auch  hier  nicht  fehlen  wird.  Es  ist  die  Bede 
blosz,  von  einer  Festsezzung  des  projektiven  Reglements  und  ihrer 
Anwendbarkeit  in  einzelnen  Fällen,  welche  auch  in  Absicht  des  Staats 
und  öffentlichen  Beamten  groszen  Schwierigkeiten  und  Härten  zu  unter- 
liegen scheint.  Bedarf  es  zu  irgend  einer  Zeit,  kräftig  würkender,  mit 
heroischen  Muth  ausgerüsteter  Civil  -  Beamten ,  so  ist  es  gerade  zur 
Zeit  derjenigen  Noth,  wo  eine  Landwehr  in  Thätigkeit  treten  musz. 
Ihre  Entbehrlichkeit  aussprechen,  hiesze  in  derThat  erklären,  dasz  mit 
dem  Eintritt  der  Landwehr,  die  ganze  öffentliche  Verwaltung  aufhöre, 
ein  Gedancke,  den  die  Unterzeichneten  sich  nicht  erlauben.  Das  [ric] 
ein  Civil-Beamter,  der  mit  gewissenhafter  Hingebung  ganz  dem  Könige 
seinem  Herrn,  dem  Vaterlande  und  seinen  Mitbürgern  dient,  nicht  gleich- 
zeitig die  Waffen  führen  könne,  scheint  ausgemacht  zu  seyn.  Hiezu 
kommt,  dasz  das  Capital  des  Beamten  ein  rein  persönliches  ist  und 
mit  deszen  Erhaltung  selbst  die  physische  Existenz  seiner  und  seiner 
Familie  unzertrennlich  verbunden  ist.  Das  [sie]  die  Anwendung  des 
Landwehr  Dienstes  auch  hier  zu  beyspiellosen  und  auszerordenüichen 
Härten  führen  musz,  halten  wir  für  unzweifelhaft.  Der  sachkundige 
Verfaszer  des  Aufsatzes 

was  bedeutet  Landsturm  und  Landwehr 
ist  in  Absicht  dieses  Puncts  mit  uns  gleicher  Meynung. 

Es  ist  uns  nicht  genügend,  dasz  in  allen  diesen  Fällen,  die  Absendung 
eines  Stellvertreters  nachgelaszen  ist,  denn  dieses  Mittel  wird  so  schwierig 
und  so  kostbar  seyn,  dasz  es  nicht,  als  equivalent,  für  die  Festsezzung 
eines  Reglements  angesehen  werden  kann,  an  welches  mit  Becht,  der 
Anspruch  gemacht  wird,  dasz  es  Leistungen,  welche  in  die  Authoritaet 
des  Gesetzes  übergehen,  mit  Gleichheit  und  Gerechtigkeit  regulire. 


Ton  Rob.  Müller.  127 

Die  Unterzeichneten  bitten  unterthänigst  gehorsamst,  diese  be- 
scheidenen Urtheile  bey  Sanction  des  projectirten  Reglements  einer 
Bemerkung  zu  würdigen.  Sie  bitten  ehrerbietigst  modificirende  Fest- 
sezzungen  zu  treffen,  welche  den  ad  1.  2.  und  3  geäuszerten  nicht  un- 
gegründeten Besorgnisze  [sie]  begegnen. 

Sie  enthalten  sich  absichtlich,  aller  speciellen  Vorschläge  hierüber, 
um  auch  den  entfernsten  Anschein  zu  vermeiden,  als  ob  es  die  Absicht 
wäre,  in  einer  so  hoch  wichtigen  Sache,  unbillige  Exemptionen  zu  wün- 
schen, da  die  Absicht  doch  nur  ist,  Festsezzungen  zu  erhalten,  nach 
welchen  der  Dienst  zur  Landwehr  nicht  bey  Einzelnen  zahlreichen  In- 
dividuen ungleich  gröszere  Opfer  erheische,  als  bey  andern,  und  als  er 
erheischen  soll  und  darf.  Dürften  die  Unterzeichneten  sich  wenigstens 
für  den  Fall,  dasz  Abändernde  allgemeine  Festsezzungen  unbesiegbare 
Schwierigkeiten  Anden  einen  Vorschlag  erlauben,  so  ginge  er  dahin 

dasz  in  jeder  Stadt  Comune  ein  Comitä  der  Einwohner  bestellt 
werde,  welcher  berechtigt  sey,  in  einzelnen  Fällen,  von  der 
persönlichen  Verpflichtung  zum  Landwehrdienst,  wegen  ganz 
besonderer  Umstände,  des  concreten  Falles  zu  entbinden,  und 
dagegen  das  Equivalent  zu  bestimmen,  welches  der  solcher- 
gestalt nicht  leistungsfähige  hiefür  zu  gewähren  habe. 
Der  Vorschlag  scheint  deshalb  nicht  unangemeszen,  weil  das  Interesse 
des  Staats  hiedurch  nieht  beeinträchtigt  wird,  indom  die  einzelne  Comune, 
das  sie  treffende  Contingent  leisten  musz.    Das  eigene  Interesze  der 
Comune  sichert  gegen  jeden  Misbrauch  dieses  Rechts  und  es  wird  da- 
durch übergroszem  Druck  und  Härte  in  Einzelnen  nicht  wohl  vorher 
zu  würdigenden  Fällen  vorgebeugt. 
Königsberg  den  8"  Februar.  1813. 

Forster.  Lutterkorth   Zimmermann   Speichert.   Eawerau  Hörn   Becker 
Ungedeckt    ')  Anlage  zu  [97.  [£g 

40.  Fol.  56. 

Zweite   Gopie   von   Steins   russischer   Vollmacht, 
datirt  Raczky  den  6.  Januar  (a.  St.)  1813. 

Vgl.  [21  Anm.    Ist  diese  Abschrift  auch  sicher  von  derselben  Hand  gemacht, 
der  wir  oben  [21  in  der  Gopie  der  Obexpi&ndUUkten  begegneten,  so  weist  sie 


128      Urkunden  sar  Geschichte  der.  stKad.  Versammlungen  in  Königsberg 

doch  einige  Abweichungen,  andere  Schreibfehler  u.  dergl.  auf.  Vgl  oben  [21: 
es  steht  Seite  441  Zeile  1:  Premier  für  Premier;  Z.  4:  la  für  la;  Z.  14: 
franfaises  für  fran^ises;  Z.  16:  propriet^s  für  proprieWs;  Seite  442 
Z.  4:  mesures  für  mesures;  Z.  12:  provisions  für  provinces;  Z.  13: 

partle  für  parole;  Z.  17  schliesst  sich  ohne  Absatz  an  Z.  16.  Sonst  stimmt 
vorliegende  Abschrift  genau  mit  [21.  —  Ich  verbessere  hierbei  zwei 
Druckfehler  in  [21:  Z.  8  ist  hinter  „Jes  autorit^S*  einzufügen: 
„provinciales*,  Z.  15  für  „fiddlitd"  zu  schreiben:  „fidelitd". 

4L  Fol.  57-58. 

Dritte  Copie  von  Steins  russischer  Vollmacht 
mit  daneben  stehender  deutscher  Uebersetzung. 

Diese  Copie  unterscheidet  sich  von  der  zweiten  vorgenannten  auf  Fol.  50  ste- 
henden nur  in  Kleinigkeiten.    Für  Empereur  S.  441  Z.  1  (ich  citire  wieder 

nach  [21)  steht:  Empereur;  Z.  4:  etant  für  etant;  Z.  10:  ist  ausgelassen: 

de  TOrdre ;  Z.  18  steht  cTapres  für  cTapres ;  S.  442  Z.  4 :  nous  für  Hous ; 

Z.  6  umgekehrt:  Hos  für  nos  und  Z.  10:  Hous  für  nous;  Z.  8:  suspectes 

für  suspectus;  Z.  u  heisst  es:  de  Prusse:  alors  für  de  Prasse.  Alors; 
Z.  12/13:  retournera  für  retournera;  Z.  13:  parole  für  partle;  Z.  18: 
Regne  la  treizieme  annde  für  Rigne  la  treizieme  Annle. 

Die  letzten  8  Zeilen  von  [21  lauten  in  der  hier  befindlichen  Abschrift  über- 
haupt wie  folgt: 

conclu  un  arrangement  d^finitif  avec  le  Roi  de  Prusse:  alors  l'admi- 
nistration  de  ces  provisions4)  lui  sera  rendue  et  le  Baron  de  Stein 
retournera  de  Nous. 

Au  reste  Nous  promettons  sur  Notre  parole  Imperiale  d'agr£er 
tout  ce  qui  en  vertu  du  präsent  Pleinpouvoir  aura  6t6  arretä  et  executä 
par  lui.  En  foi  de  quoi  Nous  avons  signd  ce  Notre  Pleinpouvoir  et  y 
avons  fait  apposer  Notre  Sc&u  priv&  Fait  k  Raczky  le  six  Janvier  de 
Fan  de  grace  Mil  huit  cent  treize,  de  notre  Regne  la  treizieme  ann£e. 

Alexandre. 

Neben  dem  französischen  Text  steht  folgende  deutsche  Uebersetzung: 

Wir  Alexander  der  Erste 
Von  Gottes  Gnaden,  Kaiser  und  Selbstherrscher 

aller  Reussen  p  p  p 

Thun  hiedurch  kund  u  zu  wissen,  dasz,  nachdem  Ost  u  Westpreussen 
durch  ünsre  Truppen  in  Besiz  genommen  (occupirt)  u  hiedurch  von 


von  Rob.  Müller.  129 

Centro  ihres  Gouvernement's  getrennt  sind,  die  Verhältnisse  mit  Sr.  Ma- 
jestät dem  König  von  Preussen  aber  noch  unentschieden  sind,  Wir  es 
für  unerlaszlich  noth wendig  erachtet  haben  diejenigen  Maasregeln  der 
Vor-  n  Umsicht  vorläufig  zu  nehmen,  welche  erforderlich  sind  um 
sämmtliche  Provincialbehörden  zum  Vortheil  der  guten  Sache  zu  leiten 
u  zu  gleichem  Zweck  die  Nationalfonds  Preussens  zu  benutzen. 

Demzufolge  haben  wir  ernannt  u  ernennen  hiedurch  den  Freiherrn 
Heinrich  Friedrich  Carl  von  Stein,  Rittern  des  rothen  Adler  Ordens, 
um  sich  nach  Königsberg  zu  begeben,  von  der  Lage  des  Landes 
Eenntnisz  zu  nehmen,  und  sich  damit  zu  beschäftigen  alle  Militär-  und 
Geld-kräfte  des  Landes  zur  Unterstützung  Unsrer  Operationen  gegen 
Frankreich  in  Wirksamkeit  zu  setzen.  Wir  beauftragen  ihn  überdem 
dafür  zu  wachen,  dasz  alle  öffentlichen  Einkünfte  des  occupirten  Landes 
treu  verwaltet  u  für  den  erwähnten  Zweck  verwandt  werden,  alles 
französische  Eigenthum  u  das  ihrer  Aliirten  unther  Sequester  gesezt, 
die  Bewafnung  des  Militärs  u  der  Nation  nach  dem  von  Sr.  Majestät 
dem  Könige  von  Preussen  im  J.  1808  entworfnen  u  bestätigten  Plan 
so  schleunig  als  möglich  organisirt,  u  dafür  gesorgt  wird  dasz  alle 
Lebens-  u  Transportmittel  u  sonstige  Armeebedürfhisse  so  schleunig 
als  möglich  u  mit  Ordnung  herbeigeschafft  werden. 

Zu  dem  Ende  bevollmächtigen  Wir  den  Freiherrn  v  Stein  zu  allen 
Maasregeb,  die  die  Vollziehung  dieses  Unsers  Auftrages  nothwendig 
machen  sollte,  Wir  beauftragen  ihn  Mittelspersonen  zur  Vollziehung 
desselben  nach  seiner  Kenntnisz  ihrer  Tauglichkeit  anzunehmen ,  sie 
bei  der  Ueberzeugung  von  der  ihnen  mangelnden  Fähigkeit  oder 
gutem  Willen  zu  suspendiren  oder  abzusetzen,  u  verdächtige  Personen 
unter  specielle  Aufsicht  stellen  u  selbst  in  gefängliche  Haft  bringen 
zu  lassen. 

Wir  ertheilen  ihm  das  Eecht  seine  Vollmacht  auf  einen  andern, 
der  sein  vollständiges  Vertrauen  besizt,  zu  transferiren. 

Sein  Geschäft  ist  in  dem  Augenblick  beendigt,  dasz  Wir  mit  dem 
Könige  von  Preussen  ein  definitives  arrangement  getroffen  haben  werden, 
alsdann  ihm  die  fernere  Verwaltung  zurück  gegeben  u  der  Freiherr 
v  Stein  zu  Uns  zurückkehren  wird. 

Altpr.  MonatMchrift  Bd.  XIV.  Hit.  1  u.  2.  9 


130      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

Was  er  kraft  dieser  General -Vollmacht  thun  oder  lassen  wird, 
versprechen  Wir  schlieszlich  bei  Unserm  kaiserlichen  Wort  völlig  ge- 
nehm zu  halten;  zu  Urkund  dessen  Wir  diese  Unsre  General- Vollmacht 
eigenhändig  unterschrieben  u  Unser  Privat-Insiegel  haben  beifugen  lassen 

Geschehen  zu  Baczky  den  6^  Januar,  im  Jahre  1813  nach  Christi 

Geburt,  u  dem  13*ü  Unsrer  Eegierung. 

Alexander 

Hierauf  folgt: 

Vorstehende  Abschrift  der  französisch  abgefassten  Vollmacht  stimmt 
mit  dem  mir  vorgelegten  Exemplar1)  wörtlich  überein,  auch  kann  ich 
nach  der  mir  beiwohnenden  Kenntnisz  der  französischen  Sprache  die 
Uebereinstimmung  der  Uebersetzung5)  mit  dem  Original8)  attestiren, 
musz  jedoch  pflichtmässig  bemerken,  dasz  ich  die  im  Original2)  mit 
Puncten  bezeichneten  Worte  de  ces  provisions  ohnübersezt  gelassen  habe. 
Sie  können  nach  dem  Wortverstande  ebensowol  durch: 

Verwaltung  der  Vorräthe  u  Bestände 
als  durch 

fernere  Verwaltung  dieser  interimistischer  Maasregeln 

übersezt  werden;  beides  scheint  mit  dem  Geiste  der  Urkunde  nicht  zu 
stimmen  u  macht  einen  Schreibfehler  wahrscheinlich,  indem  es  statt 
provisions  vielleicht  im  Original3)  heissen  mag:  provinces.4)  Um  jedoch 
dem  Original3)  keinen  ihm  fremden  Sinn  zu  unterlegen,  habe  ich  diese 
Worte  völlig  ohnübersezt4)  lassen  müssen. 

Königsberg  den  7üü  Februar  1813. 

Carl  Ludwig  Manitius 
Justiz  Bath  u  erster  Landschafts  Syndicus 

Ungedruckt.  ')  Das  »Exemplar*,  von  dem  Manitius  hier  spricht,  ist  wahr- 
scheinlich die  vorhin  nach  No.  40  Fol.  56  des  vorliegenden  Aktenbandes  be- 
schriebene Copie,  mit  der  ja  die  hier  auf  Fol.  57  stehende  Abschrift  fast  ganz 
übereinstimmt,  in  der  nnter  Anderm  auch  schon  der  Schreibfehler  »provisions* 
für  »provinces4  sich  findet.  2)  »Original*  bedeutet  hier  nur  so  viel  als 
»französischer  Text4,  nicht  etwa  »Originalurkunde*.  3)  Aus  vorstehenden  beiden 
Stellen,  in  denen  im  Gegensatz  zu  den  beiden  eben  in  Anm.  2  erwähnten  unter 
»Original*  die  »Originalurkunde*  verstanden  wird,  ergiebt  sich,  dass  die  Bussische 
Vollmacht  für  Stein  im  Original  Manitius  gar  nicht  vorgelegen  hat.  Vgl.  den 
Abdruck  derselben  bei  Pertz,  Leben  Steins  III,  S.  644  f.  4)  Genannter  Abdruck 
der  Original- Vollmacht  hat  natürlich  an  dieser  Stelle:  »de  ces  Provinces*, 


von  Bob.  Maller.  131 

ebenso  wie  auch  in  derCopie  [21  in  den  Oberpräsidialakten  »de  ces  provinces* 
zu  lesen  ist.  Abgesehen  von  kleinen  Verschiedenheiten  der  einen  oder  andern 
oder  aller  drei  Copieen  von  dem  Abdruck  des  Originals  bei  Pertz  constatire  ich 
folgende  vier  bedeutendere  Abweichungen,  die  gleichzeitig  alle  drei  Abschriften 
aurweisen:  a)  Zeile  4  auf  Seite  441  (ich  citire  wieder  nach  Urkunde  [21)  heisst 
es  »trouyant*  nicht  »trouvenf;  b)  S.  442  Z.4  hat  die  Originalurkunde:  »Nous 
aurisons  le  dit  Baron  de  Stein*;  c)  ebenda  Z.  13  muss  es  richtig  heissen: 
»retournera  aupres  de  Nous*;  d)  Z.  17  steht:  »Baczki*  nicht  »Racsky*.  — 
Z.  8  auf  S.  442  hat  der  Originalabdruck:  ,les  personnes  suspectea*  wie  die  dritte 
Copie,  nicht  »suspectus*  wie  fehlerhaft  Abschrift  I.  und  II.  *)Dass  dieüeber- 
setzung  im  »Leben  des  ...  .  Stein4  III,  S.  270  f.  von  Pertz  selbst  herrührt, 
war  schon  oben  in  der  Anm.  zu  [21  erwähnt.  [99 

4&  Fol.  59-60. 

P.  M.1) 

Die  Unterzeichnete  Deputirte  der  Stadt  Elbing  finden  sich  not- 
gedrungen, folgende  Erklärung  abzugeben. 

Aufgefordert  durch  ein  Comissorium  des  Polizey  Directors  und 
Stadt  Präsidenten  HE  Bax  und  dHErrn  Ober  Bürgermeisters  Marenski, 
welches  sich  auf  eine  Verfügung  der  Königl  Regierung  von  West  Preuszen 
gründete,  begaben  wir  uns  am  4ten  c  hierher,  um  derBerathung  einer 
auszerordentlichen  Versamlung  der  höchstachtbaren  Stände  und  Depu- 
tirten  der  Städte  von  Ost  und  West  Preuszen  und  Litthauen,  rücksicht- 
lich der  für  die  Königl.  Armeen  zu  fordernden  Eriegsbedürfnisze,  wie 
solches  gedachte  Verfügung  der  Königl.  Regierung  von  West  Pr:  be- 
stimmt und  einschränckt,  bey zuwohnen;  in  welchen  Comissorio  wir 
zugleich  angewiesen  wurden  uns  damit  zur  Legitimation  an  dHErrn 
Justitz  Rath  Schelz /*/<?/  zu  wenden,  welcher  selbiges  zu  den  Acten 
zurückbehielt. 

Seitdem  haben  wir  diesem  Auftrage  gemäsz,  den  Berathungen  der 
höchstachtbaren  versamelten  Ständen  beygewohnt,  und  haben  der  Plu- 
ralität  in  den  Beschlüszen  wegen  der  Organisation  einer  Landwehr  zur 
Verteidigung  des  Vaterlandes,  nur  in  so  fern  beytreten  können,  als 
hierzu  die'  formliche  Zustimmung  unserer  Comittenten  vorbehalten 
bleiben  müsze. 

Zur  Bewürckung  dieser  Zustimmung,  und  da  uns  dringende  Ge- 
schäfte nöthigen  noch  heute  Abend  diesen  Ort  verlaszen  zu  müszen, 
tragen  wir  sub missest  darauf  an,   von  den  bis  jetzt  geschehenen  Ver- 

9* 


132      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

handlungen  der  höchst  achtbaren  Versandung  der  Stände  eine  Abschrift, 
unseren  Comittenten  dHErren  Stadt  Präsidenten  Bax,  und  Ober  Bürger- 
meister Marenski  in  Elbing  auf  das  schleunigst  möglichste  zuzufertigen, 
damit  selbige  das  ferner  nöthige  dieserhalb  sogleich  veranlaszen  können'. 
Schlieszlich  bitten  wir  dieses  Pro  memoria  zu  unserer  Legitimation 
den  Akten  beyzufügen,  und  dass  es  geschehen  in  dem  Verhandlungs 
Protokoll  hochgeneigst  zu  vermerken. 

Koenigsberg  den  8!  Pebr  1813. 

Die  Deputirte  der  Stadt  Elbing 

Speichert    Kawerau 
üngedruckt.    ')  Vgl.  [73  Anm.  2  u.  3,  [76  Anm.  2,  [93  Anm.  5.  [100 

43.    Fol.  61. 

An 
des  Eönigl:  Preusz:  Landhofmeistern  Geheimen 
Staats  Bath,  und  Begierungs  Chef  Präsidenten, 
auch  des  groszen  rothen  Adler  Ordens  Bittern 

Herrn  v  Auerswald 

Excellenz 

Ew:  Excellenz  überreiche  ich  in  weitern  Verfolg  meiner  Mitteilungen 
vom  6.  d  M. ')  die  fortgesezten  und  Schlus  Verhandlungen  in  den  an- 
gelegten Acten1)  mit  der  ganz  gehorsamsten  Anzeige,  dass  ich  Sr:  Ex 
den  HErrn  Staats  Minister  Grafen  zu  Dohna  schriftlich  ersucht  habe 
vor  Absendung  des  von  ihm  zu  wählenden  Deputirten  Ew:  Excellenz 
Eröfhungen  über  diese  Verhandlungen  zu  entnehmen,  und  hiernach  den 
an  Sr  E  Majestät  abgeordneten  Deputirten  zu  instruiren,  weil  ich  früher 
nicht  im  Stande  gewesen  bin  Ew :  Excellenz  darüber  vollständige  Kentnis 
zu  geben. 

Königsberg  d  9  Febr.  1813. 

Gedr.  oben  als  [45  nach  der  Reinschrift  in  den  Akten  des  Oberpräsidiums.  Der 
Abdruck  beiDroysen  II,  S.  317,  No.  20  istwol  nach  dem  hier  vorliegenden  eigen- 
händigen Entwürfe  Brandt,  aber  nicht  ganz  genau  gemacht:  z.  B.  fehlt  hier  im 
Concept  Brands  Unterschrift,  u.  dergl.  —  ')  Vgl.  [68,  [70,  [44,  aber  auch  [46,  [47. 
*)  Vgl*  [45,  Anm.  2.  —  Entwurf  und  Reinschrift  unterscheiden  sich  übrigens 
auch  durch  das  hier  fehlende  P.  S.    Vgl.  [45,  Anm.  3, 


▼on  Rob.  Möller.  133 

44.  Fol.  6|a-b. 

An 
des  König:  Preusz:  Geheimen  Staats  Minister 
Herrn  Burggrafen  und  Grafen  zu  Dohna 

Excellenz 

Ew:  Excellenz  gebe  ich  mir  die  Ehre  bey  Mitteilung  der  für  Sr. 
Excellenz  den  Herrn  General  Gouverneur  bestirnten  Abschriflft  der  Ver- 
handlungen zugleich  anzuzeigen,  dasz  ich  eine  gleichmäszige  dem  HErrn 
Landhofmeister  v  Auerswald  Excellenz  überreicht  habe,  und  da  der  Herr 
Landhofmeister  hiedurch  zuerst  die  vollständige  Kentnis  von  den  ge- 
samten Verhandlungen  erhalten  hat,  so  ersuche  Ew :  Excellenz  ich  ganz 
gehorsamst,  vor  Absendung  des  von  Hochdenenselben  zu  wählenden  De- 
putaten an  Sr  Majestät  den  König,  die  Eröfhungen  des  HErrn  Land- 
hofmeister v  Auerswald  Excellenz  über  die  Verhandlungen  zu  entnehmen 
und  hiernach  den  abgeordneten  Deputirten  zu  instruiren. 
Königsberg  d  9  Febr.  1813 

v  Brandt 

Ungedruckt.  [101 

45.  Fol.  62. 

md  u  abgg  d  22  ej 
An  H 

dHE.  Landhofmstr  v  Auerswald 

Excell. 
Ew  werden  aus  den,  von  mir  dem  Geh.  Just,  fiath  v  Brandt  unterm 
9  Febr  c.  eingereichten  Acten  geneigtest  ersehen  haben,  dass  die  stän- 
dische Versammlung  eine  baldige  gedruckte  ^Abschrift  der  Verhandlungen 
dringend  gewünscht  hat  2)und  dasz  in  den  Acten  auch  Gegenstände 
zur  Sprache  gekommen  sind,  icelche  auf  eine  weitere  Bearbeitung  durch 
den  Comite  der  Stände  ausgesezt  sind.1)  Damit  *)nun  diesem  allen 
genügt*)  werden  könne:  so  bitten  Ew  wir*)  um  gütige  Bücksendung 
der  bemeldten  Acten  und  *)um  geneigte  Bezeichnung  der  zum  Abdruck 
genehmigten  Piecen.*) 

Königsberg  d  17  März  1813 

Com.  der  0.  u  L.  B. 
V  Brandt 


134     Urkunden  zur  Geschichte  der  stand»  Versammlungen  in  Königsberg 

Ungedruckt.  Der  Entwurf  ist  von  Scheltz  geschrieben;  das  in  dem  Schreiben 
cursir  gedruckte  hat  jedoch  Brandt  entweder  am  Rande  hinzugefügt  oder  sonst 
in  den  Entwurf  hinein  corrigirt.  !)  Vgl.  [74  Anm.  8.  *)  In  Scheltz  Entwurf 
fehlt  diese  Stelle  noch  ganz.  Gemeint  hat  Brandt  wol  den  Indult  für  den  Grund- 
besitz. Vgl.  [76,  [95,  [96.  *)  Hiefür  hatte  Scheltz  geschrieben:  »dieser  An- 
trag, obwol  spät,  erfüllt.4  4)  Im  Entwurf:  »wir  Ew.4  *)  Nach  dem 
Concept  des  Syndikus  lautete  die  Stelle:  »die  Genehmigung  des  Abdrucks 
g  ghrst.  [102 

46*  Fol.  63.  p8t  d  29  Mart  13 l) 

Dem  Hochlöblichen  Comitd  erwiedere  ich  auf  das  Schreiben  vom 

17^  d.  Mts.*)  wegen   der  gefälligst  verlangten  Verhandlungen  über 

die  Errichtung  der  Landwehr  ergebenst,   dasz  ich  solche  der  General 

Commission  zur  Besorgung  des  Abdrucks3)  zugesandt  habe. 

Ich  kann  jedoch  nicht  bestimmen,  wie  weit  es  damit  gediehen  ist. 

Königsberg  den  26,!  März  1813. 

Auerswald 
An 

den  Hochlöbl.  Comitä   der  Ostpreusz  und 

Litth  Stände 

hier. 

*)  Vid:  das  Protocoü  vom  7  April  13*) 

v  Brandt 

Ungedruckt.  s)  Vgl.  [102.  s)  Von  Brandt  vermerkt.  3)  Erwähntes  Protokoll 
habe  ich  in  den  Akten  der  General-Landschafts-Direktion  nicht  gefunden.  Ein 
gleichzeitiger  Abdruck  ist  mir  trotz  alles  Nachforscheiis  in  den  Katalogen 
der  hiesigen  Bibliotheken  u.  s.  w.  nicht  zur  Hand  gekommen.  [103 

47*  Fol.  64.  überschickt  eod. 

Scheltz. 
Königsberg  den  6.  August  1813. 
Man  legt  dem  Herrn  Rittmeister  v  Soden  auf  Sommerau,  nach  dem 
mit  Bitte  der  Rückgabe  urschriftlich  beigefügten  Schreiben  vom  22. 
v.  M. ')  zur  Last,  dasz  er  sich  zu  dem  am  4.  Februar  c.  statt  gefun- 
denen Landtage  als  Deputirter  aufgedrungen  habe.  Sr.  Excellenz,  der 
Herr  Staatsminister  p  p  Graf  zu  Dohna  wissen  sich  zu  erinnern,  dasz 
Herr  p  v  Soden  in  der  gedachten  Eigenschaft;  förmlich  gewählt  und 
eingeführt  worden  und  wünschen,  um  denselben  beruhigen  zu  können, 
die  hierüber  sprechenden  Verhandlungen  einzusehen. 


▼on  Rob.  Müller.  235 

ich  bin  beauftraget,  Ew.  Wohlgebornen,  wie  hiemit  geschiehet,  um 
deren  gefallige  Mittheilung  ganz  ergebenst  zu  ersuchen. 

Brostowski 
expedirender  Sekretär  im  Bureau 
des  König.  Civil-Gouvernements  von  Pr. 
[Adre88e:J    An 

den  König.  Justitz  Bath  und  General-Land- 
schafts Syndikus,  Herrn  Schelz  [sie] 

Wohlgebornen 
ltissime. 

TTngedruckt.    f)  Das  erwähnte  Schreiben  vom  22.  Juli  liegt  nicht  mehr  bei,  ist 
also  wol  zurückgegeben.  [104 

48*  Fol.  65.  [ohne  Adresse] 

Nach  der  Aeuszerung  Sr.  Excellenz  sind  die  beygehend  zurück  er- 
folgenden Acten  nicht  die  rechten  indem  darin  die  Verhandlung  fehlt 
worauf  in  dem  gleichfalls  beyliegenden  Schreiben  dHE  v  Soden  Bezug 
genommen  wird.  Eine  beglaubte  Abschrift  dieser  Verhandlung  wird 
daher  beizufügen  gebeten.    Die  Acten  selbst  sind  entbehrlich. 

Herold 
Ganzley  Director  im 
Bureau  des  Civilgouvernements 
Extract  6/8. 

aus  den  Protocollm  vom  5  und  7  Febr.  <\ 

und  Abschrift 
vom  Attest  des  HE  Praesident  v.  Schimmelf ennig 

erteilt 

d  11  Aug  13 

Sckeltz 
ÜDgedruckt.  [105 

49.  Fol.  66. 

abgeschickt  ps  d  15  Dec.  13 

eod.  um  6  Uhr. x)  um  6  Uhr  Nachm. l) 

Ew  Wohlg 
ersuche  ich  ganz  ergebenst  die  Gefälligkeit  zu  haben   mir  noch  heute 
ein  namentliches  Verzeichnisz  der  Deputirten  zukommen  zu  laszen,  welche 


136       Urkunden  zur  Geschichte  der  stand,  Versammlungen  in  Königsberg 

im  vorigen  Monat  Februar  bei  der  hiesigen  landständischen  Versamm- 
lung anwesend  waren. 

Dohna 
[Adresse:]    Des 

Herrn  Generallandschaftssyndicus  Justizraths  Schelz  [sie] 

Wohlg. 

Ungedruckt.     Brief  and  Adresse  sind  von  Dohna  eigenhändig  geschrieben. 
')  Von  Scheltz  vermerkt.  [106 

50.  Fol.  67a. 

Des  Königs  Majestät  haben  unterm  17ten  d.  ein  Gesetz,  die  Or- 
ganisation der  Landwehr  in  der  gesammten  Monarchie  betreffend,  zu 
vollziehn  geruhet,  wovon  anbei  mehrere  Exemplare  erfolgen,  und  zugleich 
haben  Sr.  Majestät  mittelst  der  Allerhöchsten  anliegenden  Cabinetsordre 
vom  17ten  h.  an  die  Stände  von  Preuszen  befohlen,  dasz  die  in  dem 
Bezirk  dieses  Militair-Gouvernements  bereits  getroffenen  Anordnungen 
der  Organisirung  der  Landwehr  nicht  unterbrochen  werden  sollen. 

Dem  unterzeichneten  Militair-Gouvernement  ist  es  zur  vorzüglichsten 
und  dringendsten  Pflicht  gemacht  worden,  unter  Berücksichtigung  der 
bereits  getroffenen  Einleitungen  und  der  Local- Verhältnisse  mit  dem 
gröszten  Nachdruck  dahin  zu  wirken,  dasz  in  der  kürzesten  Frist  die 
Landwehr  vollständig  organisirt  wird. 

In  Gemäszheit  dieses  Allerhöchsten  Befehls  setzen  wir  folgendes  fest: 

1)  Die  General-Commission  für  die  Preuszische  Landwehr  und 
die  fünf  Special-Commissionen  bleiben  bis  auf  die  weitere  Be- 
stimmung Sr.  Königl.  Majestät  in  Thätigkeit,  und  haben  die 
Behörden  deren  Verfügungen  in  Angelegenheiten,  die  Landwehr 
betreffend,  die  schleunigste  Folge  zu  leisten. 

2)  Hiernach  finden  die  §§.  1.  2.  3.  des  Gesetzes  über  die  Orga- 
nisation der  Landwehr  vom  17ten  huj.  bis  künftig  ein  anderes 
bestimmt  werden  wird,  fürs  erste  in  dem  Bezirk  dieses  Mili- 
tair-Gouvernements keine  Anwendung. 

3)  Ueber  die  Ausführung  der  §§.  5.  und  6.  des  oftgedachten  Ge- 
setzes erfolgt  anbei  sub  Litt.  A  eine  von  der  General-Com- 
mission für  die  Landwehr  ausgefertigte  erläuternde  Anleitung, 
durch  welche  dem  Allerhöchsten  Befehl  Sr.  Königl.  Majestät 


von  Bob.  Maller.  237 

gemäsz  die  besonderen  Verhältnisse  dieses  Landes,   und  die 

bereits  getroffenen  Anordnungen  berücksichtigt,  möglichst  mit 

dem  unterm  17tenhuj.  emanirten  Gesetz  in  Uebereinstimmung 

gebracht,  und  vor  allen  Dingen  nur  darauf  gesehn  worden  ist, 

die  Organisirung  der  Landwehr  aufs  äusserste  zu  beschleunigen 

Die  Special-Commission  erhält  anbei  mehrere  Exemplare  von  dieser 

Anleitung,  es  wird  derselben  zur  dringendsten  Pflicht  gemacht,  darnach 

aufs  eiligste   die  nöthigen  Anordnungen  Behufs   der  Organisation   der 

Landwehr  dergestalt  zu  treffen,  dasz  die  Verloosungen  ganz  unfehlbar 

am  6.  April  c.  ihren  Anfang  nehmen  und  spätestens  mit  dem  15.  April  c. 

beendigt  sind,  damit  am  15.  April  c.  ganz  unfehlbar  die  Gestellung 

der  Landwehrmänner  auf  den  noch  zu  bestimmenden  Sammelplätzen 

erfolgen  kann. 

Die  Einhaltung  dieser  Fristen  ist  durchaus  ganz  unerlaszlich  not- 
wendig, es  können  dagegen  keine  Einwendungen  angenommen  werden. 
Sämmtliche  Behörden  und  Eingesessene  werden  vielmehr  Angesichts  dieses 
durch  Tag  und  Nacht  die  äussersten  Anstrengungen  anwenden  müssen, 
um  sicher  binnen  dieser  Frist  den  Zweck  ganz  vollständig  zu  erreichen. 
Um  die  möglichste  Beschleunigung  zu  bewirken,  sind  eine  verh&ltnisz- 
mäszige  Anzahl  von  Exemplaren  dieser  Verfügung  nebst  deren  Beilage 
an  die  Special-Commissionen,  an  die  Landräthe  und  an  die  Magisträte 
der  gröszern  Städte  Königsberg,  Memel,  Tilsit,  Gumbinnen,  Insterburg, 
Wehlau,  Bartenstein,  Braunsberg,  Heilsberg,  Pr.  Holland,  Elbing,  Marien- 
burg, Graudenz  directe  von  hieraus  gesandt  worden,  damit  alle  diese  Be- 
hörden eiligst  für  die  Publication  sorgen  und  Alles  dergestalt  vorbereiten 
können,  um  auf  den  ersten  Wink  der  betreffenden  Special-Commission, 
und  sobald  der  Contingent  jeder  einzelnen  Behörde  feststeht,  augenblick- 
lich die  Verloosung  und  die  wirkliche  Gestellung  bewirken  zu  können. 

4)  Die  Beilage  Litt.  B.  weiset  nach,  wie  viel  Landwehrmänner 
eine  jede  Special-Commission  und  darunter  wie  viel  an  Ca- 
vallerie,  nach  Cosakenart  beritten,  zu  gesteilen  haben  wird, 
desgleichen  wie  viel  in  die  Reserve  gesetzt  werden  darf. 

5)  Bei  der  ausserordentlichen  Armuth,  in  welche  das  Land  zwischen 
der  russischen  Grenze  und  der  Weichsel  versunken  ist,  hat 


138       Urkunden  aur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

das  unterzeichnete  Militair-Gouvernement  sich  für  verpflichtet 
gehalten,  in  Bücksicht  der  Kleidung  solche  Modificationen  zu 
treffen,  wodurch  die  möglichst  gröszte  Ersparung  bemerkt  wird. 

Die  Beilage  C.  enthält  die  von  der  General-Commission  für  die 
Preuszische  Landwehr  ausgefertigte  erläuternde  Anleitung  über  die  Aus- 
führung des  §.  13.  des  Gesetzes  die  Landwehr  betreffend;  nach  dieser 
Anleitung  musz  pünktlich  verfahren  werden,  dadurch,  dasz  man  sich 
auf  die  Litewkas  als  Hauptkleidungsstück  beschränkt,  die  Anfertigung 
derselben  von  Wand  und  die  graue  Farbe  nachgelassen,  und  die  An- 
fertigung der  Mäntel  ganz  ausgesetzt  hat,  ist  das  Aeuszerste  geschehen, 
um  die  Bekleidung  der  Landwehrmänner,  unbeschadet  der  Brauchbar- 
keit, so  einfach  und  wohlfeil  als  möglich  zu  machen.  Diese  Modifi- 
cationen entsprechen  auch  umsomehr  der  Allerhöchsten  Intention  Sr. 
Majestät,  da  bereits  auf  den  Grund  der  Verfugungen  der  General-Com- 
mission für  die  Preusz.  Landwehr  vom  19ten  und  25sten  Februar  c. 
viele  Einleitungen  zur  Anschaffung  von  grauen  Mänteln  gemacht  waren, 
welche  nunmehr  sehr  leicht  zu  Litewkas  umgeändert  werden  können. 
Wir  müssen  bei  dieser  stattgefundenen  groszen  Erleichterung  in  Rück- 
sicht der  Bekleidung  daher  um  so  unbedingter  verlangen,  dasz  am  löten 
April  c.  ganz  unfehlbar  die  Landwehrmänner  mit  Litewkas,  Mützen, 
Patrontaschen,  Ränzel  und  Beil  oder  Spaten  nach  Vorschrift  der  Bei- 
lage G.  versehen,  gestellt  werden. 

Die  Special-Commission  erhält  anbei  mehrere  Exemplare  dieser  Ver- 
fügung, um  auch  ihrerseits  für  die  eiligste  Publication  derselben  in  den 
Dominien,  Städten  und  Domainen-Aemtern  und  Intendanturen  zu  wirken. 

Jedem  redlichen  Patrioten  müssen  wir   die  allerschleunigste  Aus- 
führung der  Landwehr-Angelegenheit  dringendst  empfehlen.   Die  höchste 
Eile  bei  der  Erlassung  aller  hierauf  Bezug  habenden  Maaszregeln  können 
wir  nicht  angelegentlichst  und  nachdrücklichst  genug  verlangen. 
Königsberg,  den  27.  März  1813. 

Königl.  Militair-Gouvernement. 
4n  v.  Massenbach.        Dohna. 

sämmtliche  Special-Commissionen  für  die 
Preusz.  Landwehr,  an  jede  besonders. 


von  Rob  Müller.  139 

Die  Urkunden  [107— [109 k  liegen  gedruckt  vor  in  einem  zusammenhängenden 
Circnlar  von  4  Foliobogen,  das  als  Fol  67—74  dem  Aktenbande  A.  7.  1.  der 
Ostpr.  General-Landschaft  einverleibt  ist.  Gerwien  hat  diese  Urkunden  abge- 
druckt aber  —  von  einander  getrennt.  Vorstehende  Urkunde  [107  befindet  sich 
bei  Gerwien  S.  88a— 89a.  [107 

51.  Fol.  67b. 

Abschrift. 

Ich  erkenne  die  Treue  meiner  Stände  in  Preuszen  und  Litthauen 
darin,  dasz  sie  freiwillig  sich  zur  Vertheidigung  der  Provinz  erboten 
haben  und  keine  Aufopferungen  zur  Erreichung  dieses  Zwecks  scheuen. 
Ich  will  aus  diesen  Gründen,  dasz  Ihre  getroffenen  Anordnungen 
der  Organisirung  der  Landwehr  nicht  unterbrochen  werden, 
ungeachtet  sie  von  denen,  welche  Ich  für  die  übrigen  Provinzen  fest- 
gesetzt habe,  abweichen.  Ich  bestätige  daher  vorläufig  die  von  den 
Ständen  für  die  Organisation  der  Landwehr  gewählte  General-Com- 
mission.  Jedoch  soll  nach  und  nach  die  Landwehr  in  Preuszen  die 
Verfassung  derer  der  übrigen  Provinzen  erhalten,  und  es  soll  die  Ge- 
neral-Gommission  diesen  Uebergang  leiten,  damit  die  dortige  Landwehr 
keine  von  der  Einrichtung  des  Ganzen  abweichende  Gestalt  erhalte. 
Breslau,  den  17.  März  1813. 

(gez.)  Friedrich  Wilhelm. 
An 

die  Stände  von  Preuszen  und  Littauen. 

Vgl.  [107.  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  30a.  [106 

58-  Fol.  68-74. 

*l  ***-  Verordnung 

über 

die    Organisation 

der 
Landwehr. 


De  dato  Breslau  den  17.  März  1813. 

Königsberg, 
gedruckt  in  der  Hartungschen  Hofbuchdruckerei. 
Vgl.  [107  Anm,    Abdruck  bei  Gerwien  S.  77*  [IM 


140     Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 
Fol  $3b. 

Ein  vor  Augen  liegendes  Beispiel  hat  gezeigt,  dasz  Gott  die  Völker 
in  seinen  besondern  Schutz  nimmt,  die  ihr  Vaterland  in  unbedingtem 
Vertrauen  zu  ihrem  Beherrscher  mit  Standhaftigkeit  und  Kraft  gegen 
fremde  Unterdrückung  vertheidigen.  — 

Preussen!  würdig  des  Nahmens,  theilt  Ihr  dies  Gefühl!  Auch  Ihr 
hegt  den  Wunsch,  von  fremdem  Druck  Euch  zu  befreyen.  Mit  Rührung 
werde  Ich  die  Beweise  davon  gewahr,  in  dem  Eifer,  mit  welchem  die 
Jünglinge  aus  allen  Ständen  zu  den  Waffen  greifen  und  unter  die 
Fahnen  Meines  Heeres  sich  stellen;  in  der  Bereitwilligkeit,  mit  welcher 
gereifte  Männer,  voll  Verachtung  der  Gefahr  sich  zum  Kriegs-Dienst 
erbieten;  und  in  den  Opfern,  mit  welchen  alle  Stände,  Alter  und  Ge- 
schlechter wetteifern,  ihre  Vaterlandsliebe  an  den  Tag  zu  legen. 

Ein  mit  Muth  erfülltes  Heer  steht  mit  siegreichen  und  mächtigen 
Bundesgenossen  bereit,  solche  Anstrengungen  zu  unterstützen.  Diese 
Krieger  werden  kämpfen,  für  unsere  Unabhängigkeit  und  für  die  Ehre 
des  Volkes.  Gesichert  aber  werden  beyde  nur  werden,  wenn  jeder  Sohn 
des  Vaterlandes  diesen  Kampf  für  Freiheit  und  Ehre  theilt! 

Preussen!  zu  diesem  Zweck  ist  es  noth wendig,  dasz  eine  allge- 
meine Landwehr  aufs  Schleunigste  errichtet,  und  ein  Landsturm 
eingeleitet  werde.  Ich  befehle  hiemit  die  Erstere,  und  werde  den 
Letztern  anordnen  lassen.  Die  Zeit  erlaubt  nicht,  mit  meinen  getreuen 
Ständen  darüber  in  Berathung  zu  treten.  Aber  die  Anweisung  zur  Er- 
richtung der  Landwehr  ist  nach  den  Kräften  der  Provinzen  entworfen. 
Die  Regierungen  werden  selbige  den  Ständen  mittheilen.  Eile  ist  nöthig. 
Der  gute  Wille  jedes  Einzelnen  kann  sich  hier  zeigen.  Mit  Recht 
vertraue  ich  auf  ihn. 

Mein  getreues  Volk  wird  in  dem  letzten  entscheidenden  Kampfe 
für  Vaterland,  Unabhängigkeit,  Ehre  und  eignen  Heerd,  Alles  anwenden, 
den  alten  Nahmen  treu  zu  bewahren,  den  unsre  Vorfahren  uns  mit  ihrem 
Blute  erkämpften. 

Wer  aber  aus  nichtigen  Vorwänden  und  ohne  Mangel  körperlicher 
Kraft  sich  Meinen  Anordnungen  zu  entziehen  suchen  sollte,  den  treffe 
nicht  nur  die  Strafe  des  Gesetzes,  sondern  die  Verachtung  Aller,  die 


von  Bob.  Müller.  241 

für  das  was  dem  Menschen  ehrwürdig  und  heilig  ist,  das  Leben  freudig 
zum  Opfer  bringen. 

Meine  Sache,  ist  die  Sache  Meines  Volkes,  und  Aller 
Gutgesinnten  in  Europa! 

Gegeben  Breslau  den  17ten  März  1813. 

Friedrich  Wilhelm. 

Vgl.  [107  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  28»-  [109* 

Foi  6$a—b. 

Die  Stände  errichten  gemeinschaftlich  die  Landwehr.  Ich  und  alle 
Prinzen  Meines  Hauses  stehen  an  ihrer  Spitze. 

Die  Landwehr  einer  Provinz  steht  unter  dem  unmittelbaren  Ober- 
befehl der  Militair-  und  Civil-Gouverneurs  derselben. 

Jeder  Kreis  errichtet  eine,  der  Bevölkerung  angemessene  Landwehr- 
Abtheilung,  ohne  Verbindung  mit  andern  Kreisen.  Wieviel  Landwehr- 
Männer  in  jedem  Kreise  gestellt  werden,  wird  die  Regierung  den  Kreisen 
bekannt  machen. 

Alle  wehrbaren  Männer,  welche  nicht  zur  Landwehr  gezogen  werden, 
bilden  einen  Landsturm,  welcher  den  Feind  im  Kreise  erwartet.  Bis 
zu  diesem  Augenblick  bleiben  die  bürgerlichen  Gewerbe  und  häuslichen 
Verhältnisse  ungestört. 

Den  Ständen  bleibt  die  Errichtung  der  Landwehr  überlassen,  es 
wird  dabei  jedoch  folgende  allgemeine  Verfassung  hiermit  festgesetzt: 

§.  1.  Zum  Betrieb  der  Aushebung  und  Formirung  der  Landwehr, 
bestimmt  jeder  Kreis  einen  Ausschusz,  welcher  aus  2  Deputirten  von  den 
adelichen  Gutsbesitzern,  einem  von  den  Städten  und  einem  vom  Bauer- 
stande besteht,  welche  letztere  beide  von  der  Regierung  gewählt  werden. 

§.  2.  Um  alle  streitigen  Fälle  zwischen  den  Kreisen  und  den  ver- 
schiedenen Behörden  zu  schlichten,  und  die  Punkte  zu  entscheiden, 
welche  von  den  Ständen  und  dem  Ausschusz  nicht  entschieden  werden 
können,  wird  in  jeder  Provinz  ein  General-Commissarius  von  den  Ständen, 
und  einer  von  Mir  gewählt. 

§.  3.  Die  Städte  Berlin,  Breslau  und  Königsberg  in  Preuszen  er- 
richten ihre  Landwehr  ohne  Verbindung  mit  dem  Kreise,  in  welchem 
sie  liegen. 


142      Urkunden  zur  Geschichte  der  «tänd.  Versammlungen  in  Königsberg 

§.  4.  Mit  Errichtung  der  Landwehr  werden  die  Bürgergarden  in 
den  Städten  aufgelöset,  die  Landwehr  versieht  ihren  Dienst.  Es  wird 
jedoch  den  städtischen  Landwehr-Männern  nachgelassen,  die  Uniformen 
der  Bürgergarden  zu  tragen. 

§.  5.  Die  Landwehr  besteht  aus  Freiwilligen ,  und  zunächst  aus 
den  wehrbaren  Männern  vom  17ten  bis  zum  40sten  Jahr  einschliesslich, 
welche  zur  Ergänzung  der  Freiwilligen  auf  die  bestimmte  Anzahl  Land- 
wehr-Männer, ohne  Rücksicht  auf  Stand  und  Bedienung,  mit  der  §.  10. 
vorgeschriebenen  nähern  Bestimmung,  nach  den  Jahrgängen  durchs 
Loos  bestimmt  werden.    Die  erste  Beilage  ergiebt  das  Nähere. 

§.  6.  Dem  Kreis-  oder  städtischen  Ausschusz  steht  frei,  jedem, 
dessen  ämtliche,  häusliche  oder  andere  Verhältnisse  eine  Ausnahme 
erfordern,  oder  eine  Abwesenheit  aus  dem  Kreise  nicht  erlauben,  diese 
Ausnahme  zu  gestatten,  welche  nach  sorgfaltiger  Prüfung  und  Berück- 
sichtigung aller  Umstände  bestimmt  wird. 

§.  7.  Die  Landwehr  besteht  aus  Infanterie  und  Kavallerie,  letztere 
nach  Kosacken-Art,  der  löte  bis  8te  Mann  ist  Reuter.  Die  Formirung 
ergiebt  die  zweite  Beilage. 

§.  8.  Die  Officiere  werden  von  dem  Ausschusz  der  Kreise,  bis 
einschlieszlich  den  Gompagnie-  und  Schwadron-Chef,  ohne  Rücksicht 
aufs  Alter,  aus  der  ganzen  Volksmenge  gewählt,  und  Mir  zur  Bestäti- 
gung vorgeschlagen.  Bis  diese  erfolgt,  bleibt  die  Anstellung  nur  vor- 
läufig. Die  Bataillons-Chefs,  Brigadiers  und  Divisionaire  werden  von 
Mir  gesetzt;  Ich  werde  jedoch  gern  auf  die  Wahl  des  Ausschusses 
Rücksicht  nehmen. 

§.  9.  Die  Gensd'armen-Officiere  mit  ihren  Unter  -  Offieieren  und 
Gemeinen  sind  verpflichtet,  zur  Uebung  der  Landwehr-Männer,  so  lange 
es  erforderlich  ist,  in  die  Landwehr  einzutreten.  Trift  die  Officiere  die 
Wahl  zu  Offizierstellen  nach  ihren  Graden,  die  Unter-Officiere  und 
Gemeinen  aber,  zu  Feldwebel  und  Unterofficiere,  so  verbleiben  sie  in 
der  Landwehr,  auszerdem  aber  treten  sie,  nach  beendigter  Uebung,  in  ihr 
Verhältnisz  zurück,  und  schlieszen  sich  demnächst  dem  Landsturm  an. 

§.  10.  Sollten  Besitzer  adlicher  Güter  oder  Königliche  Bediente 
in  der  zum  Dienst  bestimmten  Landwehr,  in  der  Reihe  der  Gemeinen 


von  Hob.  Mnller.  X43 

oder  Unter -Officiere,  nach  der  geschehenen  Wahl  der  Officiere  ver- 
bleiben, so  werden  sie  in  den  Landsturm  versetzt;  denn  Ich  will  nicht, 
dasz  die  polizeilichen  nnd  bürgerlichen  Verhältnisse  gestört  werden, 
bevor  der  Landsturm  eintritt. 

§.  11.  Die  Unter-Officiere  werden  von  den  Officieren  gewählt,  und 
von  den  Brigadiers  bestätigt.  Aus  den  Unter-Officieren  wird  der  Ab- 
gang der  Officiere  mit  einigen  Ausnahmen  ersetzt. 

§.  12.  Die  Officiere,  Unter-Officiere  und  Gemeine  leisten  den 
gewöhnlichen  Eid  des  stehenden  Heeres,  und  stehen  mit  diesen  in 
gleichem  Bange,  in  gleichen  Vorrechten,  und  daher  auch  in  gleichen 
Verpflichtungen. 

§.  13.  Die  Landwehr-Männer  kleiden  sich  selbst  oder  sie  werden 
von  den  Ständen  oder  Communen  gekleidet,  nachdem  es  die  Umstände 
erfordern.    Die  dritte  Beilage  ergiebt  das  Nähere. 

§.  14.  Die  Landwehr  erhält  ihre  Waffen  und  Munition,  so  weit 
solche  nicht  in  den  Kreisen  angefertigt  werden  können,  aus  dem  Zeug- 
Hause  auf  Kosten  des  Staats.    Das  Nähere  ergiebt  die  vierte  Beilage. 

§.  15.  Die  Landwehr  erhält  keine  Besoldung,  so  lange  sie  im 
Kreise  bleibt;  es  bleibt  den  Ständen,  Gemeinden  und  Städten  über- 
lassen, ob  sie  die  Landwehr-Männer  nach  Umständen  entschädigen 
wollen.  Wird  die  Landwehr  im  Kreise  zu  ihrer  Uebung  zusammen- 
gezogen, so  sorgt  der  Kreis  für  die  Verpflegung. 

§.  16.  Die  Landwehr  tritt  in  die  Besoldung  und  Verpflegung  der 
stehenden  Truppen,  sobald  sie  auszerhalb  ihres  Kreises  gebraucht  wird. 

§.  17.  Die  Landwehr  ist  der  Disciplin  des  stehenden  Heeres  unter- 
worfen, und  wird  bei  Vergehungen  nach  den  Kriegs-Artikeln  derselben 
[sie]  gerichtet. 

§.  18.  Die  Uebung  der  Landwehr  geschieht  nach  Anleitung  der 
fünften  Beilage. 

Alle  pensionirten  Officiere  und  verabschiedeten  Soldaten,  wenn 
solche  nicht  schon  als  Officiere  gewählt,  oder  zur  Landwehr  gezogen 
sind,  sollen  mit  den  GenscTarmen  in  der  Landwehr  eine  Zeit  lang  die 
jungen  Männer  üben,  wenn  frre  Körper-Kräfte  dies  gestatten. 

%.  13.  Wenn  die  Landwehr  Abgang  hat,  oder  wenn  von  derselben 


144      Urkunden  mr  Geschichte  der  stand»  VerMimolangeii  in  Königsberg 

zum  Ersatz  der  im  Felde  stehenden  Trappen  einzelne  Ersatz-Mannschaften 
gestellt,  oder  ganze  Bataillone  zur  Armee  gezogen  werden,  so  wird  der 
Abgang  aus  den  zurückgebliebenen  Landwehr-Pflichtigen  sogleich  wie- 
der ergänzt. 

§.  20.   Die  Einrichtung  des  Landsturms  geschieht  erst,  wenn  die 
der  Landwehr  beendiget  ist. 

Gegeben  Breslau  den  17ten  März  1813. 

Friedrich  Wilhelm. 
Vgl.  [107  Anin.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  77» -78*-  [109*» 

Fol  roa.  Erste  Beilage. 

Anweisung  zur  Pormirung  der  Landwehr. 

1.  Sobald  der  Kreis  zur  Formirung  der  Landwehr  seinen  Ausschusz  ge- 
wählt hat,  und  der  Tag  dazu  bestimmt  ist,  überlegt  der  Ausschusz, 
ob  das  Geschäft  an  einem  Orte,  oder  an  mehreren  Orten  im  Kreise, 
geschehen  müsse.  Letztern  Falls  theilen  sich  die  Ausschüsse  nach 
den  Umständen  so,  dasz  das  Geschäft  im  ganzen  Kreise  zu  einer 
und  derselben  Zeit  geschehen  kann.  Der  Ausschusz,  dem  die  im 
Kreise  zu  stellende  Anzahl  Landwehr-Männer  von  der  Regierung  be- 
kannt gemacht  ist,  bestimmt  nach  Verhältnisz,  wie  viel  an  jedem 
einzelnen  Orte  gestellt  werden  müssen.  Gleiche  Anordnungen  treffen 
in  den  Städten  Berlin,  Breslau,  Königsberg,  die  städtischen  Aus- 
schüsse. In  den  übrigen  Städten  geschieht  die  Aushebung  durch 
den  Kreis-Aus8chusz. 

2.  Zur  Gestellung  selbst,  berufen  die  Commissarien  zur  bestimmten  Stunde : 

a)  alle  im  Kreise  befindlichen  Officianten,  mit  Auschlusz  der  im 
wirklichen  Königl.  Dienst  stehenden  Präsidenten  und  Direktoren; 

b)  die  Forstbedienten  mit  ihren  Gehülfen  und  Söhnen,  so  weit  sie 
nicht  schon  zur  Verteidigung  der  Festungen  abgetheilt  sind; 

c)  sämmtlich  gewesene  Soldaten,  die  nicht  Krüppel  oder  Greise  sind; 

d)  alle  wehrbaren  Männer,  vom  17ten  Jahre  an  gerechnet. 

3.  Wenn  alles  beisammen  ist,  versammelt  der  Commissarius  die  An- 
wesenden in  einen  Kreis  um  sich,  eröffnet  ihnen  in  wenigen  kräftigen 
Worten  den  Zweck,  sucht  ihre  Vaterlandsliebe  und  ihr  Pflichtgefühl, 


von  Bob.  Möller.  145 

für  den  Zweck  zu  erwärmen,  und  fordert  dann  die  Freiwilligen  auf, 
sich  nach  geöffnetem  Kreise  besonders  zu  stellen,  und  zwar  so,  dasz 
diejenigen,  welche  zu  Pferde  dienen  wollen,  und  ein  Pferd  stellen 
können,  besonders  treten.  Er  eröffnet  ihnen,  dasz  die  Freiwilligen 
den  Bang  eines  Gefreiten  erhalten,  und  dasz  bei  eintretendem  Avance- 
ment auf  sie  vorzüglich  gerücksichtigt  werden  soll. 

4.  Nach  geöfhetem  Kreise  rangirt  der  Gommissarius  die  vorgetretenen 
Freiwilligen,  und  wenn  sich  aus  Eifer  für  die  Sache,  Männer  darunter 
finden,  welche  zum  Feidienst  nicht  mehr  Kräfte  genug  besitzen:  so 
musz  er  sie  auf  eine  zweckmäszige  Art  zum  Austritt  zu  bewegen 
suchen,  und  sie  zum  Landsturm  verweisen. 

Hierauf  stellt  er  die  nicht  als  Freiwillige  vorgetretenen  Landwehr- 
pflichtigen Männer  nach  den  Jahrgängen  des  Alters  und  überschlägt, 
wie  viel  zur  Ergänzung  der  Anzahl  noch  durchs  Loos  zu  bestimmen 
sind.  Diese  werden  dann  aus  den  Männern  vom  17ten  bis  40sten 
Jahre,  aus  jedem  Jahrgange  nach  gleichem  Verhältnisz  gestellt. 

5.  Findet  sich  unter  den  Freiwilligen  nicht  die  hinreichende  Anzahl 
Beuter,  so  werden  solche  aus  den  gestellten  Männern  so  bestimmt, 
dasz  die  Wohlhabendem  dazu  gewählt  werden. 

6.  Sobald  dies  Geschäft  beendiget  ist,  werden  die  Landwehr -Männer 
rangirt  und  ortweise  aufgezeichnet.  Findet  es  sich  hierbei,  dasz  das 
Loos  zum  Theil  auf  körperlich  Unfähige  gefallen  ist,  oder  dasz  nach 
§.  6  der  Organisation  Ausnahmen  Statt  finden  müssen;  so  werden 
die  Ausscheidenden  sofort  aus  den  Zurückgebliebenen  wieder  ersetzt 

Wenn  alles  beendiget  ist,  und  die  vorher  schon  gewählten  Offiziere 
zugetreten  sind;  so  föhic  der  Commissarius  des  Ausschusses  die 
Landwehr-Männer  in  die  nächste  Kirche.  Der  hierzu  schon  beauf- 
tragte Prediger  hält  eine  kurze,  herzliche  Anrede  an  die  neuen  Ver- 
teidiger des  Vaterlandes,  legt  ihnen  das  Ehrenvolle  und  Rühmliche 
ihres  Berufs  ans  Herz,  und  sucht  dadurch  ihren  Muth  und  Eifer  zu 
entflammen.  Nach  beendigter  Bede  läszt  der  Gommissarius  die 
Landwehr-Männer  den  gewöhnlichen  Soldaten-Eid  schwören  und  ent- 
läszt  sie  hierauf,  bis  auf  weitere  Ordre,  in  ihre  Wohnungen. 

Vgl.  [107  Anna.    Abdruck  bei  Gerwien  S,  78* -79--  [109* 

AJtpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  BfL  1  u.  2.  \Q 


146      Urkunden  inr  Geschieht«  der  stund*  Versammlungen  in  Königsberg. 

m  fM  Zweite  Beilage. 

Anweisung  zur  Organisirung  der  Landwehr. 

1.  Die  Landwehr  soll  in  Gompagnien  und  Schwadronen  dergestalt  ein- 
geteilt werden,  dasz  160  bis  200  Mann  Fuszvolk  eine  Compagnie, 
und  72  bis  96  Mann  Beater  eine  Schwadron  bilden. 

2.  Das  Fuszvolk  wird  von  12  zu  12  Mann  nnd  die  Reuter  von  8  zu 
8  Mann  in  Corporalschaften  eingetheilt.  Die  Compagnie  oder  Schwa- 
dron erhält  so  viel  Unterofficiere,  als  sie  Corporalschaften  enthält. 
Auszerdem  bekömmt  jede  Compagnie  oder  Schwadron  einen  Feld- 
webel oder  Wachtmeister. 

3.  Jede  Compagnie  Infanterie  erhält  einen  Hauptmann  und  4  Lieute- 
nants, und  theilt  sich  demnach  in  Officier-Abtheilungen  zu  30  bis 
40  Mann  ein.  Eine  Schwadron  erhält  einen  Rittmeister,  und  nach 
Verhältnisz  ihrer  Stärke,  2— 3  Lieutenants,  so  dasz  eine  Officier- 
Abtheilung  nicht  über  24  Mann  stark  wird. 

4  Nach  dieser  Bestimmung  überschlägt  der  ständische  Ausschusz  die 
erforderliche  Anzahl  Officiere  und  wählt  diese  schon  vor  der  Ver- 
lockung der  Landwehr-Männer  aus  der  Gesammtheit  des  Kreises  und 
der  darin  befindlichen  Gensd'armerie  aus.  Ein  Gleiches  geschieht  in 
den  Städten  Berlin,  Breslau  und  Königsberg  durch  den  städtischen 
Ausschusz. 

Die  Wahlen  der  Officiere  werden  Sr.  Majestät  dem  Könige  zur 
Bestätigung  eingereicht,  und  letztere  sind  verpflichtet,  die  Stellen 
anzunehmen,  wenn  nicht  besondere  von  dem  Kreis-Ausschusz  aner- 
kannte Hindernisse  Statt  finden. 

Sr.  Majestät  der  König  haben  das  Vertrauen,  dasz  die  Kreis- 
Ausschüsse  ohne  alle  Parteilichkeit  ihre  Wahl  auf  Männer  richten 
werden,  die  sich  durch  mehrere  Bildung,  durch  Rechtlichkeit  und 
durch  das  Vertrauen,  welches  sie  im  Kreise  oder  in  der  Stadt  be- 
sitzen, dazu  am  besten  qualificiren. 

Wenn  Officiere  abgehen,  oder  neue  Bataillons  in  der  Folge  formirt 
werden,  so  werden  die  Officiere,  jedoch  mit  Ausnahmen,  aus  den 
ünterofficieren  der  Landwehr  einer  jeden  Provinz,  durch  das  Avance- 


Ton  Bob.  Müller«  147 

ment,  nach  der  Wahl  der  Officiere  ersetzt.   Die  Wahlen  werden  durch 
den  Brigadier  Sr.  Majestät  dem  Könige  zur  Bestätigung  vorgelegt 

5.  Die  Unterofficier  -  Stellen  werden  durch  die  Wahl  der  Officiere  aus 
den  Landwehr-Männern  bestimmt.  Es  musz  dabei  nach  Möglichkeit 
darauf  gesehen  werden,  diese  Stellen  mit  solchen  Männern  zu  be- 
setzen, welche  mit  dem  Dienst  nicht  unbekannt  sind,  weshalb  die 
Gensd'armes  und  gewesenen  Soldaten  dazu  gewählt  werden  können, 
wenn  ihre  moralische  Aufführung  dazu  geeignet  ist,  und  sie  das 
Vertrauen  ihrer  Mitbürger  besitzen.  Vorzüglich  musz  dies  bei  den 
Feldwebeln  oder  Wachtmeistern  der  Fall  seyn,  wozu  Männer  zu 
wählen,  die  zugleich  der  Feder  ziemlich  gewachsen  sind. 

6.  Bei  der  Eintheilung  in  Corporalschaften  und  Compagnien,  musz  darauf 
gesehen  werden,  dasz  die  Leute  nach  Möglichkeit  so  zusammen  bleiben, 
wie  sie  in  einem  Orte  oder  nahe  bei  einander  wohnen. 

7.  Sobald  die  Landwehr  in  Compagnien  und  Schwadronen  formirt  ist, 
sollen  je  vier  und  vier  Compagnien  in  ein  Bataillon  zusammenge- 
zogen werden  und  einen  Commandern:  erhalten,  zu  dessen  Wahl  die 
Stände  Sr.  Majestät  dem  Könige  einige  Subjecte  vorschlagen  können. 

8.  Vier  Bataillons  mit  der  zu  ihnen  gehörenden  Reuterei,  sollen  eine 
Brigade,  die  Beuter-Schwadronen  derselben  ein  Regiment  Beuter  bil- 
den, und  je  drei  und  drei  Brigaden  eine  Division  formiren.  Sr.  Majestät 
der  König  behalten  Sich  die  Ernennung  der  Brigadiers  und  Divisio- 
naire  vor;  es  bleibt  jedoch  den  Ständen  überlassen,  ihre  Vorschläge 
auch  hierzu  abzugeben,  welehe  Allerhöchst-Dieselben  nach  den  Um- 
ständen berücksichtigen  wollen. 

Vgl  [107  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  3.  79» -79»-  [109* 


roi  tu  Dritte  Beilage. 

Anweisung  zur  Bekleidung  der  Landwehr. 

l)Die  Bekleidung  eines  Landwehr-Mannes  musz  einfach  und  der  Ge- 
sundheit zuträglich  seyn.  Sie  kann  bestehen  in  einer  Ijtowka  utti 
blauem   oder  schwarzem  Tuch  mit  farbigem  Kragen  der  Provinz, 

langen  weiten  leinenen  Hosen,  Stiefeln  oder  Schuhen  mitfaran  leüfenen 

10* 


148      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

Stiefeletten,  einer  Mütze  von  dem  Tuch  der  Litewka,  mit  dem  Tuch 
des  Kragens  unten  besetzt. 

2)  Die  Freiwilligen,  welche  den  Bang  eines  Gefreiten  haben,  werden 
durch  einen  schmalen  weiszen  Band,  und  die  Unterofficiere  durch 
einen  schmalen  schwarzen  Band  um  den  Aufschlag  ausgezeichnet. 

3)  Die  Officiere  tragen  die  Interims-Uniform  der  Stände,  jedoch  ohne 
alle  Stickerey  und  eine  ähnliche  Mütze,  wie  die  Landwehr-Männer. 
Sie  unterscheiden  sich  durch  die  Achselklappen  eben  so,  wie  die 
Officiere  der  Armee,  mit  denen  sie  gleichen  Bang,  gleiche  Vorrechte 
und  gleiche  Verpflichtungen  haben  sollen. 

4)  Den  städtischen  Landwehr-Männern  bleibt  es  überlassen,  die  Uni- 
formen der  Bürgergarden  zu  tragen,  in  so  fern  sie  eine  ganze  Com- 
pagnie  oder  Schwadron  formiren. 

5)  Jeder  Landwehr-Mann  wird  als  solcher  durch  ein  Kreuz  ven  weiszem 
Blech  mit  der  Inschrift: 

mit  Gott  für  König  und  Vaterland 
bezeichnet,  welches  vorn  an  der  Mütze  angeheftet  wird. 

6)  Jeder  Landwehr-Mann  ist  verpflichtet,  sich  selbst  zu  kleiden.  Dies 
wird  ihn  um  so  weniger  drücken,  als  dem  guten  Ueberrock  des  Land- 
mannes leicht  die  Form  einer  Litewka  gegeben  werden  kann.  Wo 
der  einzelne  Mann  seine  Bekleidung  nicht  selbst  beschaffen  kann, 
wird  der  Kreis  dafür  sorgen,  wobei  vorausgesetzt  wird,  dasz  die 
Stände  auf  anständige  Bekleidung  und  Uniformität  sehen  werden, 
damit  die  Landwehr-Männer  nicht  dem  Gespötte  blosz  gestellt  werden. 

7)  Ein  Mantel  ist  gegen  die  rauhe  Witterung  dem  Landwehr- Mann  so 
unentbehrlich,  dasz  die  Kreise  oder  Städte,  wo  derselbe  solchen  nicht 
selbst  beschaffen  kann,  dafür  Sorge  tragen  werden. 

Vgl.  [107  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  79b— 80*-  [109« 

ibz.  m-m.  Vierte  Beilage. 

Anweisung  zur  Bewaffnung  der  Landwehr. 

l)Die  Landwehr,  welche  sich  bei  der  Infanterie  jederzeit  in  drey  Glie- 
dern stellt,  wird  im  ersten  Gliede  mit  Piken,  in  den  beiden  hintern 
Gliedern  mit  Flinten  bewaffnet. 


von  Rob.  Müller.  149 

2)  Die  Flinten  und  die  dazu  gehörige  Munition  liefert  die  Regierung. 
Die  Piken,  welche  an  S  Fusz  langen  Stangen  mit  6  Zoll  langen  spitzen 
Beschlägen  versehen  seyn  müssen,  wird  der  Kreis  anfertigen  lassen. 

3)  Die  Unterofficiere  erhalten  eine  Flinte  und  ein  Seitengewehr. 

4)  Die  Waffen-Rüstung  eines  Reuters  soll  aus  einer  Pike  von  der  Länge 
der  Uhlanen-Piken,  einem  Säbel  und  einer  Pistole  bestehen;  letztere 
beyde  liefert  die  Regierung.  Pike  und  Pferd  nebst  Sattel  und  Zeug 
schafft  in  der  Regel  der  Reuter  selbst  an,  wo  dies  nicht  geschehen 
kann,  sorgt  der  Kreis  dafür. 

5)  Die  Reuter-Sättel  müssen  gute  lederne  Sättel,  mit  tüchtigen  Steig- 
bügeln versehen  und  gut  ausgefüttert  seyn,  oder  eine  gute  Decke 
zur  Unterlage  haben,  damit  sie  die  Pferde  nicht  drücken. 

6)  Jedes  Pferd  musz  einen  besondern  Halfter  und  einen  tüchtigen 
Stangen-Zaum,  wenigstens  eine  gute  Wasser-Trense  mit  Knebel,  zur 
Führung  haben. 

7)  Zur  guten  Aufbewahrung  der  Munition  musz  jeder  Infanterist  und 
Reuter  mit  einer  einfachen  Patronen-Tasche  von  schwarzem  ordinairen 
Leder,  in  Form  der  Cartuschen,  versehen  werden,  welche  mit  einem 
Deckel  gegen  den  Regen  geschützt,  so  grosz  ist,  dasz  sie,  bei  dem 
Infanteristen  60  Patronen  in  Bunden,  und  bei  den  Cavalleristen 
20  Patronen  fassen  kann,  und  mit  einem  schwarzen  ledernen  Riemen, 
über  die  Schulter  zu  tragen,  versehen  seyn  musz.  Für  deren  An- 
schaffung werden  die  Kreise  sorgen. 

8)  Jeder  Landwehr-Mann  zu  Fusz  musz,  auszer  seiner  Rüstung,  noch 
mit  einem  starken  Beil  oder  leichten  Spaten  versehen  seyn. 

9)  Die  nöthigen  Trommeln,  Trompeten  und  Signal-Hörner  müssen  von 
den  Kreisen  baldmöglichst  herbeigeschafft  werden. 

Vgl.  [107  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  80» -80*-  [10JK 


^i  7ib.  Fünfte  Beilage. 

Anweisung  zur  Uebung  der  Landwehr. 

1)  Jeder  Landwehr-Mann   musz   zum  Felddienst   unterrichtet  werden, 

« 

wozu   eine   besondere   Instruction  ertheilt  werden  wird.    Bis  nach 


150     rfrkanden  zur  Gesohichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

dieser  Instruction  im  Ganzen  exercirt  werden   kann,  welches  nicht 
eher  geschehen  musz,  als  bis  die  Uniformirung  beendiget  ist,  sollen 

2)  die  Landwehr-Männer  alle  Woche  zweimal,  und  zwar  am  Sonntag 
nnd  Mittwoch,  in  ihren  Officier- Abtheilungen  versammelt,  und  die 
Infanterie  in  der  Stellung,  Richtung,  den  Wendungen,  im  Marschiren 
nach  dem  Geschwindsahritt,  vorzüglich  aber  in  Behandlung  des  Ge- 
wehrs und  der  Pike  geübt  werden.  Vorzüglich  musz  das  Schieszen 
nach  dem  Ziele  geübt  werden,  welches  Anfangs  das  Wesentlichste 
der  ganzen  Bildung  ist.  Es  sollen  dazu  auf  jeden  Mann  20  scharfe 
Patronen,  und  auf  die,  welche  Piken  führen,  10  Patronen  gut  ge- 
than  werden. 

3)  Die  Officiere,  Unterofficiere  und  Gemeinen  der  Gensd'armerie,  so  wie 
die  gewesenen  Officiere  und  Soldaten  eines  jeden  Kreises,  welche  in 
die  Landwehr  nicht  eingestellt  sind,  müssen  sich  so  vertheilen,  dasz 
sie  die  Officiere  in  diesen  Uebungen  nach  Möglichkeit  unterstützen 
können. 

4)  Liefert  ein  Ort  allein  keine  Officier- Abtheilung,  und  beträgt  die  Ent- 
fernung bis  zu  den  benachbarten  Ortschaften  über  eine  Meile,  so 
können  die  Officiere  nach  den  Umständen  solche  abgelegenen  Orte 
bereisen  und  ihre  Mannschaften  in  den  Waffen  üben,  wenn  sie  nicht 
durch  vorgedachte  Officiere  und  Unterofficiere  so  unterstützt  werden 
können,  dasz  sie  in  getheilten  Abtheilungen  die  Uebungen  bewirken 
können. 

5)  Sobald  die  Landwehr  eingekleidet  ist,  soll  sie  zunächst  8  Tage 
Compagnieweise,  und  demnächst  14  Tage  vom  ganzen  Kreise  Ba- 
taillonsweise geübt  werden.  Nach  diesen  Uebungen  sollen  die  Brigade- 
Abtheilungen  in  einem  schicklichen  Ort  einer  jeden  Brigade  zu- 
sammengezogen und  dort  in  der  ganzen  Brigade,  nach  der  hierüber 
noch  zu  ertheilenden  besonderen  Vorschrift,  geübt  werden. 

Vgl  [107  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  80*-  [109* 


Ton  Bob.  M6I1er,  151 

*«-**  Beilage  A. 

Erläuternde  Anleitung 

rar  Ausführung  der  §§.  5  und  6.  und  der  ersten  Beilage  des  Gesetzes 
Tom  17ten  Man  1813,  die  Errichtung  der  Landwehr  betreffend. 

Da  nunmehr  des  Königs  Majestät  durch  die  Allerhöchste  Verordnung 
vom  17.  März  die  Organisation  der  Landwehr  und  zugleich  durch  den 
unter  demselben  dato  erlassenen  Aufruf  vorzügliche  Eile  in  dieser  wich- 
tigen Angelegenheit  befohlen  haben;  so  ist  nöthig,  das  bei  der  Ver- 
loosung  der  zur  Landwehr  bestimmten  Mannschaft  zu  beobachtende  Ver- 
fahren näher  anzugeben  und  dies  um  so  mehr,  als  des  Königs  Majestät 
unter  andern  mittelst  der  Allerhöchsten  Cabinets-Ordre  vom  17.  März  c. 
geruht  haben,  zu  erklären,  dasz  die  Landwehr- Angelegenheit  in  Preuszen 
auf  dem  rechten  Weichselufer  ungehindert  ihren  bisherigen  Gang  beibe- 
halten, und  diese  Sache  erst  allmählig  der  Verfassung  der  übrigen 
Provinzen  gleichgestellt  werden  solL 

Wir  haben  daher  die  allerhöchste  Verordnung  vom  17.  März  zum 
Grunde  gelegt,  und  nach  der  uns  Allerhöchst  gegebenen  Erlaubnisz  nur 
da  eine  Abweichung  zugelassen,  wo  durch  die  frühern  Ankündigungen 
gewisse  Verhältnisse  bereits  eingeleitet  sind,  deren  Aufhebung  oder  Zer- 
stöhrung  den  Einzelnen  zu  nachtheilig  seyn  würde,  oder  wo  eine  Modi* 
fication  nöthig  ist,  um  den  besondern  Verhältnissen  dieses  Landes  ange- 
messen, und  zugleich  mit  der  allerhöchsten  Schleunigkeit  zu  verfahren. 

Die  wegen  Gestellung  der  zur  Landwehr  nöthigen  Mannschaft  statt 
findenden  Grundsätze  sind  folgende: 

§.  1. 
Es  werden   aus   bewegenden   Gründen   die   historischen  Tabellen 

pro  1811  zum  Grunde  gelegt,  zumal  die  nach  dieser  Zeit  eingetretenen 
Veränderungen  alle  Theile  der  Provinz  beinahe  gleich  getroffen  haben 
und  einzelne  auffallende  Abweichungen  nach  den  unten  vorkommenden 
Bestimmungen  ausgeglichen  werden  können. 

§.  2. 
Nach  den  genannten  Tabellen  stellt  die  Generalcommission  die 
Summe  der  in  den  einzelnen  Spezialcojnmissionen  befindlichen  Seelenzahl 


152     Urkunden  zur  Geschichte  der  stund.  Versammlungen  in  Königsberg 

zusammen,  nachdem  sie  zuvor  die  Seelenzahl  der  Mennoniten  abgezogen 
hat.  Die  hienach  aufzubringende  Summe  wird  anzeigen,  der  wievielste 
Theil  der  Seelenzahl  nöthig  ist,  um  eine  Mannschaft  von  20000  Mann 
Landwehr  und  10000  Mann  Beserve  aufzubringen.  Durch  diese  Quote 
stellt  nunmehr  die  General-Commission  fest,  wie  viele  Männer  auf  die 
Seelenzahl  der  einzelnen  Spezialcommission  treffen. 

§.  3. 

Die  Spezialcommissionen  ziehen,  sobald  sie  das  auf  sie  repartirte 
Quantum  kennen,  die  Herren  Landräthe  der  ihnen  zngetheilten  Creise, 
und  bei  groszen  Städten,  welche  dem  landräthlichen  Officio  nicht  unter- 
worfen sind,  ein  Mitglied  der  Gantonsbehörde  und  ausserdem  einige 
Gutsbesitzer  und  Städter,  welche  das  besondere  Zutrauen  ihrer  Mit- 
stände besitzen,  zu,  und  verth eilen  mit  diesen  gemeinschaftlich  das  er- 
forderliche Quantum  auf  die  einzelnen  Creise.  Als  Basis  der  Verth  ei lung 
werden  die  obenerwähnten  historischen  Tabellen  von  1811  und  zwar 
nach  der  gesammten  Seelenzahl  zum  Grunde  gelegt,  jedoch  in  einzelnen 
Fällen,  wo  dadurch  eine  besondere  Härte  für  einen  einzelnen  Creis 
oder  grosze  Stadt  entstehen  würde,  eine  Abweichung  gestattet.  Bei 
allen  Vertheilungen  und  Subrepartitionen  haben  die  Spezialcommissionen 
und  Creisbebörden  darauf  zu  sehen,  dasz  einer  jeden  Stadt,  einem  jeden 
Dominio  und  einem  jeden  Domainen-Amte  oder  Intendantur  deutlich 
gesagt  wird,  wie  viel  Mannschaft  jede  Behörde  zum  activen  Dienst  der 
Landwehr  zu  stellen  hat,  und  wieviel  dieselbe  in  die  Beserve  stellen  darf. 

Wenn  das  von  dem  einzelnen  Creise  zu  gestellende  Quantum  fest- 
steht; so  zieht  der  Landrath  zur  Subrepartition  die  schon  vorher  (§.  3.) 
zugezogenen  Gutsbesitzer  und  Städter,  welche  das  Zutrauen  der  andern 
haben,  zu.  Bei  dieser  Subrepartition  auf  einzelne  Dominien,  Städte  und 
Gemeinen  werden  ebenfalls  die  historischen  Tabellen  pro  1811  der  ge- 
sammten Seelenzahl  noch  als  Basis  gebraucht,  jedoch,  wo  die  indivi- 
duellen Umstände  es  nöthig  machen,  nach  dem  pflichtmässigen  Ermessen 
der  oben  genannten  Personen  Abweichungen  gestattet.  Beschwerden 
hierüber  gelangen  an  die  Specialcommissionen,  und  wenn  der  Beschwerde- 
führer dadurch  nicht  zufrieden  gestellt  ist,  an  die  Generalcommission. 


▼od  Rob.  Müller.  153 

§.  5. 

Sobald  es  feststeht,  wie  viele  Mannschaft  von  der  einzelnen  Stadt, 
dem  Dominio  oder  dem  Domainenamte  zu  gesteilen  sind ;  so  geschieht  die 
Verlosung,  [sie]  wobei  jedoch  ausdrücklich  feststeht,  dasz,  wenn  auch  noch 
Differenzien  bei  Bestimmung  des  Quanti  zu  entscheiden  sind,  die  Verloosung 
dadurch  nicht  aufgehalten  wird,  sondern  rasch  ihren  Anfang  nimmt. 

§.  6. 

Die  Verloosung  geschieht  in  den  einzelnen  Städten,  Dominien  und 
Domainen-Aemtem,  in  jedem  besonders.  Jedoch  wird  es  diesen  über- 
lassen, die  Verloosung  in  mehrern  einzelnen  Abtheilungen  geschehen 
zu  lassen,  wo  dann  bei  der  Subrepartition  das  oben  angegebene  Ver- 
fahren eintritt.  Eine  Abtheilung  oder  Ort,  welcher  für  sich  allein  loosen 
soll,  musz  mindestens  100  Seelen  enthalten. 

§.  7. 
Die  Direction  der  Verloosung  hat 
a)  in  den  Städten  der  Magistrats-Dirigent,  welcher  sich  dazu  der  Hülfe 
der  Magistratsmitglieder,  Stadtverordneten,  Bezirksvorsteher  und  an- 
derer achtbarer  Bürger  bedienen  darf,  auch,  wenn  die  Polizei-Behörde 
vom  Magistrate  verschieden  ist,  von  derselben  den  kräftigsten  Bei- 
stand zu  erwarten  hat. 
b)Bei  adlichen  Dominien,  Altpreusz.  Cöllmern  und  Freien,  in  so  fern 
deren  Besitzungen  ganze  Dorfschaften  ausmachen,  der  Gutsherr  mit 
Zuziehung  des  Schulzenamtes  oder,  wenn  dies  nicht  vorhanden  ist, 
anderer  zuverläsziger  Männer, 
c)  Bei  Intendantur-  oder  Domainenämtern   der  Beamte  mit  Zuziehung 
des  Schulzenamtes   oder  anderer  rechtlichen  Männer.    Ist  das  Amt 
zu  grosz  und  in  besondere  Abtheüungen  getheilt,   so  überträgt  der 
Beamte  dies  Geschäft  andern  zuverläszigen  Leuten,  wenn  er  es  nicht 
selbst  bestreiten  kann. 

§.  8. 
Jede  Behörde,  welche  den  Wahlactus  dirigirt,  hat  sich  zuvörderst 
eine  genaue  Liste  sämmtlicher  Männer  vom  17ten  bis  zum  vollendeten 
40sten  Jahre,  mit  Ausnahme  der  ihrer  Körperlichkeit  wegen  zum  Mili- 
tair  unbrauchbaren  Personen,  der  im  wirklichen  Königl.  Dienst  stehen- 
den Präsidenten  und  Directoren,  der  Mennonisten,  [sie]  Geistlichen  und 


154      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

Schullehrer,  zu  beschaffen,  auch  eine  zweite  genaue  Liste  dieser  aus- 
genommen Personen  zu  besorgen.  In  Hinsicht  beider  Listen  musz  die 
möglichste  Genauigkeit  eintreten,  daher  besonders  darauf  zu  sehen  ist, 
dasz  niemand  ein  unrichtiges  Alter  angiebt  oder  ohne  Grund  ein  körper- 
liches Unvermögen  vorschützt.  Taufscheine,  ärztliche  Atteste  und  dergJ. 
können  hier  nur  allein  Gewiszheit  verschaffen,  welche  daher  in  allen 
zweifelhaften  Fällen  zu  erfordern  sind.  Jede  unrichtige  Angabe  wird 
vom  EönigL  Militair-Gouvernement  mit  der  äuszersten  Härte  gerügt; 
überdiesz  wird  durch  eine  angemessene  öffentliche  Bekanntmachung  der- 
jenige, welcher  sich  eine  dergleichen  Angabe  hat  zu  schulden  kommen 
lassen,  der  allgemeinen  Verachtung  Preis  gegeben  werden. 

§.  9. 
Die  wehrbaren  Männer,  worunter  die  nicht  ausgenommenen  Männer 
vom  17ten  bis  zum  vollendeten  40s ten  Jahr  zu  verstehen  sind,  werden 
auf  eine,  den  Ortsverhältnissen  angemessene  Art  zum  Wahltage  und 
Wahlacie  berufen.  Wenn  alles  beisammen  ist,  versammelt  der  Com- 
missarius  die  Anwesenden  in  einen  Greis  um  sich,  eröffnet  ihnen  in 
wenigen  kräftigen  Worten  den  Zweck,  sucht  ihre  Vaterlandsliebe  und 
ihr  Pflichtgefühl  für  den  Zweck  zu  erwärmen  und  fordert  dann  die 
Freiwilligen  auf,  sich  nach  geöfhetem  Creise  besonders  zu  stellen,  und 
zwar  so,  dasz  diejenigen,  welche  zu  Pferde  dienen  wollen  und  ein  Pferd 
stellen  können,  besonders  treten.  Er  eröffnet  ihnen,  dasz  die  Freiwilligen 
den  Bang  eines  Gefreiten  erhalten,  und  dasz  bei  eintretendem  Avance- 
ment auf  sie  vorzüglich  gerücksichtigt  werden  soll. 

§.  10. 
Nach  geöfhetem  Greise  rangirt  der  Commissarius  die  angetretenen 
Freiwilligen,  und  wenn  sich  ans  Eifer  für  die  Sache  Männer  darunter 
finden,  welche  zum  Felddienste  nicht  mehr  Kräfte  genug  besitzen;  so 
musz  er  sie  auf  eine  zweckmäszige  Art  zum  Austritt  zu  bewegen  suchen, 
und  sie  zum  Landsturm  verweisen.  Die  Verloosung  selbst  geschieht 
in  der  Art,  dasz  so  viele  Loose,  als  Personen,  mit  Eins^usz  derer, 
welche  den  listen  nach  hätten  erscheinen  sollen,  aber  nicht  erschienen 
sind,  vorhanden  sind,  gemacht  werden  und  auf  so  viele,  als  Landwehr- 
jninner  gebraucht  werden,  der  Name  Landwehrmann  geschrieben  wird, 


von  Rob.  Müller.  155 

wogegen  die  andern  keine  Bezeichnung  haben.  Jeder  Gegenwärtige 
zieht  selbst  das  Loos.  Für  die  Ausgebliebenen  zieht  der  Wahlcom- 
missarius.  Dasz  der  Wahlcommissarius  das  Resultat  der  Yerloosung 
genau  aufschreibt,  versteht  sich. 

§.  11. 
Nach  beendeter  Verloosung  wird  ein  Drittel  der  Summe  der  Frei- 
willigen und  Ausgelösten  in  die  Reserve  gestellt.  Die  Bestimmung, 
wer  in  die  Reserve  zu  stellen  sei,  hängt  von  dem  Vorschlage  der  Orts- 
behörde und  der  Bestätigung  der  Special-  Commissionen  ab.  In  den 
Städten  macht  diesen  Vorschlag  der  Magistrat,  in  den  adelichen  und 
andern  selbstständigen  Gütern  der  Gutsherr  mit  Zuziehung  des  Schulzen- 
amtes, oder  in  Ermangelung  dessen  zweier  zuverlässiger  Männer.  Dieser 
Vorschlag  musz  dadurch  motivirt  werden,  je  nachdem  der  Einzelne 
eher  oder  weniger  entbehrlich  ist.  Es  sind  da,  wo  die  Umstände, 
es  erfordern,  zwei  Classen  in  der  Reserve  zu  machen:  1)  die  der  unbe- 
dingt Unentbehrlichen,  2)  die  der  bedingt  Unentbehrlichen. 

§.  12. 
Zu  der  ersten  Classe,  nämlich  zu  den  unbedingt  Unentbehrlichen, 

welche  durchaus  in  die  Reserve  zu  stellen  sind,  gehören  diejenigen, 
deren  ämtliche,  häusliche  oder  andere  Verhältnisse  nach  sorgfältiger 
Prüfling  und  Berücksichtigung  aller  Umstände  es  durchaus  unmöglich 
machen,  in  die  Landwehr  zu  treten,  demnächst  die  Mitglieder  und  Offi- 
cianten  bei  den  Communalverwaltungen,  welche  ohne  Ruin  dieser  Ver- 
waltungen nicht  entbehrt  werden  können,  ferner  ländliche  Grundeigen- 
tümer von  Einer  Hube  Magdeburgisch,  wenn  sie  kein  männliches  Ge- 
sinde haben,  einzige  Söhne  von  Wittwen  auf  dem  Lande,  welche  die 
Wirthschaft  der  Mutter  führen,  wenn  sie  kein  männliches  Gesinde  hat, 
und  die  nöthigen  Wirthschaftsofficianten,  nämlich  der  Wirthschafts- 
inspector,  wenn  der  Gutsherr  von  seinem  Gute  entfernt  seyn  musz,  Hof- 
männer, Brenner  und  Schäfer.  Ebenmäszig  werden  alle  Königl.  Offi- 
cianten,  wenn  sie  nicht  zu  Officieren  gewählt  sind,  deshalb  in  der  Reserve 
als  unentbehrlich  notirt,  weil  sie  nach  der  ergangenen  Königl.  Ver- 
ordnung zum  Landsturm  verwiesen  werden  sollen,  die  Landwehr  mithin 
nicht  auf  sie  rechnen  kann. 


156      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

§.  13. 

Wenn  von  den  genannten  Personen  von  der  ersten  Classe,  nemlich 
unbedingt  Unentbehrlichen  nicht  so  viele  vorhanden  sind,  als  die 
ßeserve  beträgt,  so  können  auch  solche  Personen  in  die  Reserve  gesetzt 
werden,  welche  zu  den  bedingt  Unentbehrlichen  zu  rechnen  sind,  und 
deren  Verhältnisz  sich  den  im  §.  12  genannten  nähern  musz. 

§.  14. 

Wenn  die  oben  genannten  Ortsbehörden  die  Listen  der  in  die  Reserve 
zu  stellenden  Leute  eingesandt,  und  die  Special-Commissionen  diese 
bestätigt  haben;  so  steht  fest,  wer  in  die  Landwehr  tritt.  Aus  diesen 
werden  die  Wohlhabenden  als  Reuter  gewählt,  wenn  aus  den  Freiwilligen 
nicht  die  nöthige  Anzahl  hervorgegangen  ist.  Die  nach  §.  12.  als  un- 
bedingt unentbehrlich  in  die  erste  Classe  der  Reserve  gestellten  Per- 
sonen sind  von  der  Landwehr  befreit  und  können  nur  zum  Landsturm 
treten.  Die  nach  §.  13.  als  bedingt  unentbehrlich  in  die  zweite  Classe 
der  Reserve  gestellten  Personen  treten  ein,  so  bald  die  Landwehr  einer 
Ergänzung  bedarf. 

§.  15. 

Wenn  in  einem  Orte,  welcher  für  sich  wählt,  unter  denen,  die  das 
Loos  getroffen  hat,  nach  §.  12.  so  viele  unbedingt  Unentbehrliche  sich 
finden,  dasz  die  Zahl,  welche  zur  activen  Landwehr  des  Orts  gehört, 
nicht  erfüllt  wird;  so  müssen  diejenigen,  welche  das  Loos  noch  nicht 
getroffen  hat,  noch  einmal  loosen,  bis  die  auf  den  Ort  repartirte  Zahl 
der  Landwehrmänner  complett  ist;  indem  jede  Behörde  durchaus  und 
ganz  unfehlbar  vollständig  das  auf  dieselbe  repartirte  Contingent  au 
activen  Landwehrmännern  aufbringen  musz. 

§.  16. 
Da  durch  die  früheren  Verfügungen  mehrere  veranlaszt  seyn  wer- 
den, für  Stellvertreter  gesorgt  zu  haben;  so  wird  es  für  jetzt  nachge- 
lassen, dasz  die  in  die  Landwehr  Tretenden  für  sich  Stellvertreter  schicken 
können,  vorausgesetzt,  dasz  ein  solcher  Stellvertreter  die  Eigenschaften 
eines  tüchtigen  Landwehrmannes  hat,  und  ein  unbescholtener  zuver- 
läsziger  Mann  ist  Immer  aber  musz  derjenige,  der  den  Stellvertreter 
gegeben  hat,  dafür  einstehen,  dasz  er  wenigstens  Ein  Jahr  in  der  Land*- 


ton  Bob.  Müller.  157 

wehr  diene,  wenn  er  nicht  durch  Tod,  Krankheit  oder  Verwundung  früher 
aus  der  Landwehr  genommen  wird.   v 

§.  17. 

Die  Landwehrmannschaft  wird  dem  Bataillons-Chef  oder  den  von 
ihm  dazu  kommandirten  Officieren  übergeben.  Finden  sich  darunter 
körperlich  Unfähige,  so  bringt  der  Bataillons-Chef  dies  bei  der  Special- 
Commission  zur  Sprache,  welche,  wenn  die  Angabe  gegründet  ist,  dafür 
sorgt,  dasz  an  deren  Stelle,  wo  möglich  von  der  Behörde,  welche  den 
Unfähigen  gestellt  hat,  ein  brauchbares  Subject  geliefert  wird. 

§.  18. 

Der  Ersatz  der  Landwehr  geschieht  zuvörderst  aus  den  in  die 
Reserve  gestellten  bedingt  Unentbehrlichen.  Jede  Special-Coramission 
hat  deshalb  eine  vollständige  Liste,  und  läszt  die  Einzelnen  aus  den 
besondern  Ortschaften  nach  Verhältnisz  eintreten.  Wenn  alle  in  die 
Reserve  gestellten  Entbehrlichen  einer  Special-Commission  in  die  Land- 
wehr getreten  sind,  geschieht  Behufs  des  Ersatzes  zur  Landwehr  eine 
neue  Verloosung. 

§.  19. 

Ueber  die  Vereidigung  der  Landwehrmänner  wird  eine  besondere 
Verfugung  erscheinen. 

Es  versteht  sich  ganz  von  selbst,  dasz  auch  vor  erfolgter  Vereidi- 
gung die  Landwehrmänner  als  verpflichtet  für  den  Dienst  des  Vater- 
landes angesehen  werden,  und  dasz  auch  vor  der  Vereidigung  im  ein- 
tretenden Fall  gegen  dieselben  in  eben  der  Art  verfahren  werden  soll, 
als  ob  dieselben  bereits  wirklich  den  Eid  abgeleistet  hätten. 

Indem  wir  dies  bekannt  machen,  fordern  wir  zugleich  alle  die 
Behörden,  die  es  angeht,  auf,  sich  strenge  darnach  zu  achten,  und  den 
gröszten  Eifer  und  vorzügliche  Thätigkeit  zu  beweisen. 

Königsberg,  den  27sten  März  1813. 

Die  General-Commission  für  die  Landwehr  von  Preussen. 

v.  Massenbach.    Dohna. 

Vgl,  [107  Anm.    Abdruck  bei  Gerwien  S.  89*- $2»-  [109b 


158      Urkunden  SQr  Geschichte  der  stand.  Versammlongen  in  Königsberg 


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von  R»b.  Mülier.  1&9 

jw.  r*.  Beilage  C. 

Erläuternde  Anleitung 

cur  Ausführung  de»  §.  13.  des  Gesetzes  vom  lTten  März  o.,  betreffend 

die  Bekleidung  der  LandwehnnAnner. 

Die  auszerordentliche  Armuth  dieser  Provinz  und  die  bereits  unterm 
19ten  und  25sten  Februar  e.  getroffenen  Anordnungen  machen  es  not- 
wendig, in  Gemäszheit  der  Allerhöchsten  Cabinetsordre  vom  17ten  huj. 
folgende  Modificationen  des  §.  13.  und  der  dritten  Beilage  des  Gesetzes, 
die  Landwehr  betreffend  vom  17ten  huj.,  und  insbesondere  der  Nro.  1. 
der  gedachten  Beilage  zur  wesentlichen  Erleichterung  des  Landes  und 
zur  Beschleunigung  der  Landwehreinrichtung  statt  finden  zu  lassen. 

1)  Die  Litewka  musz  als  das  Haupt-Kleidungsstück  der  Landwehr- 
männer angesehn,  und  auf  deren  Anfertigung  die  vorzuglichste  Sorgfalt 
verwendet,  dieselbe  auch  aufs  alleräußerste  beeilt  werden.  Es  kann 
die  Litewka  auch  von  grauem  Tuch  oder  litthauischem  Wand  seyn.  Es 
ist  sicher  anzunehmen,  dasz  auf  diese  Weise  die  Bekleidung  auf  die 
möglichst  schleunigste,  tüchtigste  und  wohlfeilste  Weise  in  dieser  Pro- 
vinz bewirkt  werden  wird.  Sollte  man  in  einer  Gegend,  welches  jedoch 
unwahrscheinlich  ist,  die  blaue  Farbe  vorziehn,  so  kann  auch  diese1  ge- 
wählt werden;  es  versteht  sich  jedoch  ganz  von  selbst,  dasz  ein  Ba- 
taillon durchaus  immer  eine  Farbe  der  Kleidung  haben  musz. 

Wenn  die  graue  Farbe  gewählt  wird:  so  ist  es  gut,  dieselbe  mög- 
lichst dunkel  zu  wählen,  und  dahin  zu  sehen,  dasz  wo  möglich  in  einem 
Bataillon  nicht  grosze  Verschiedenheit  der  Nuancen  vorkommen.  Das 
Tuch  oder  der  Wand  musz  aufs  aeuszerste  gekrumpen  seyn,  die 
Aermel  müssen  recht  lang  und  weit,  die  Knöpfe  dergestalt  gesetzt  seyn, 
dasz  der  Unterleib  gut  bedeckt  und  recht  warm  gehalten  wird,  die 
Litewka  musz  weit  genug  seyn,  um  warme  Kleidungsstöcke  darunter 
zu  ziehn.  Modelle  zu  Litewka's  und  zu  Mützen  werden  mit  der  nächsten 
Post  an  die  Special-Commissionen  verschickt  werden. 

2)  Der  Mantel  kann,  da  es  gegen  den  Sommer  geht,  vor  der  Hand 
noch  ausgesetzt  bleiben,  und  bleibt  die  Anschaffung  der  Mäntel,  sowie 
die  Anschaffung  der  warmen  Handschuhe  beim  Eintritt  des  künftigen 
Winters  vorbehalten* 


160      Urkunden  mr  Geschichte  der  stand,  Versammlungen  in  Königsberg 

3)  Das  in  den  früheren  Verfügungen  angegebene  Trink-  und  Koch- 
Geschirr  fällt  weg,  da  wir  wegen  der  bei  einem  eintretenden  Marsche 
notwendigen  Kessel,  uns  das  Weitere  vorbehalten. 

4)  Die  Patrontasche,  die  Kanzel  und  Brotbeutel  bleiben  wie  sie 

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früher  anzuschaffen  angeordnet  sind. 

5)  Es  wird  genügen,  wenn  auf  sechs  Landwehrmänner  ein  Beil 
und  ein  Spaten  gerechnet  wird. 

Da,  wenn  Mäntel  schon  angefertigt  sind,  diese  theils  nicht  über- 
flüszig  sind,  sondern  künftig  gebraucht  werden,  theils  leicht  in  Litewka's 
verwandelt  werden  können,  die  Trink-  und  Koch-Geschirre  auch  noch 
nicht  angeschafft  sind;  so  wird  diese  veränderte  Bestimmung  keine 
Verlegenheit  herbeiführen.  Uebrigens  verbleibt  es  bei  unserer  an  die 
Special-Gommissionen  erlassenen  Verfügung,  dasz  wir  von  hier  aus  für 
die  Trommeln  der  ganzen  Landwehr  sorgen  werden.  Ein  Gleiches 
werden  wir  in  Rücksicht  der  Kreuze  thun,  welche  von  weiszem  Blech 
an  den  Mützen  getragen  werden  sollen,  und  werden  auch  diese  sehr 
bald  von  uns  den  Special-Gommissionen  ebenfalls  unentgeltich  zuge- 
fertigt werden. 

Königsberg,  den  27sten  März  1813. 
Die  General-Gommission  für  die  Landwehr  von  Preussen. 

v.  Massenbach.        Dohna. 

Vgl.  [107  Annu    Abdruck  bei  Gerwien  S.  92b— 93*  [1<KM< 

SS,  Fol.  75. 

An 
dHE.  Geh.  Begier.  Bath  Flottwell 

Hochwohlg  in  Danzig 

H.  LandwehrS. 

Hiebei  ein  Packet  Acten  in  grau  Pap. 
Sign.  G.  B.  F. 

Ew 
habe  die  Ehre,  im  Auftrage  des  General  Ldsch.  Directoris,  HE.  Staats 
Minister  Grafen  zu  Dohna  Excell.  beigehend  1  Actenstück,  des  stän- 
dischen Comitl 

die  Errichtung  der  Landwehre  1813  betr. 


von  Bob.  Maller.  JßJ 

ganz  ergbst.  zu  übersenden  and  bitte  um  die  baldmöglichste  Bück- 
sendung derselben. 

Königsberg  d  10  März  1820 

Scheltz 

Ungedruckt.  [HO 

M*  FoL  76'  pa  d  18  April  20. 

Die  durch  Euer  Wohlgebornen   mir  gefälligst  zugestellten  Akten 
des  Ständischen  Kommittes,  die  Errichtung  der  Landwehr  im  Jahre  1813 
betreffend,   ermangele   ich   nicht  Denenselben  in  der  Anlage  mit  dem 
ganz  ergebensten  Danke  zu  remittiren. 
Danzig,  den  31"  Maertz  1820. 

Schön 
An 
den  General-Landschaft  Syndikus 
Herrn  Justiz-Bath  Schelz  [sie] 
Wohlgebornen. 
Ungedrucfct.  —  Mundum.  [111 

(Fortsetzung  folgt.) 


iltp.  ifraaUftobrlfc  Ö<L  *IV.  Utu  i  u.  *.  11 


Kritiken  und  Referate. 

Christliche  Lehre  und  Erziehung  in  Ermland  und  im  preussischen 
Ordensstaate  während  des  Mittelalters.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Katechismus  von  Professor  Dr.  Franz  Hipl  er. 
Braunsberg  1877.  Verlag  von  fluye's  Buchhdlg.  (Emil  Bender). 
106  S.   8°  mit  2  Holzschnitten.   Preis  2  Mark. 

Die  so  eben  erschienene  Abhandlung  des  um  die  Kulturgeschichte 
Preussens,  speciell  Ermlands,  so  hochverdienten  Verfassers  wird  von 
Fachmännern  verschiedener  Wissenschaften  mit  Freuden  begrüsst  wer- 
den. So  rüstig  auch  und  erfolgreich  die  Geschichte  Preussens  nach 
verschiedenen  Eichtungen  seit  längerer  Zeit  vielseitig  durchforscht  ist 
(und  die  Mitglieder  des  ermländischen  historischen  Vereins,  zu  dessen 
Vorstand  Herr  Hipl  er  gehört,  haben  auch  ihr  Schärflein  zur  Förderung 
dieses  Zweckes  redlich  beigetragen),  so  ist  die  preussische  Kirchen- 
geschichte seit  dem  verdienstvollen  Hartknoch  im  Ganzen  vernach- 
lässigt worden;  eine  kirchliche  Archäologie,  wie  solche,  ältere  und 
neuere,  aus  verschiedenen  Theilen  Deutschlands  existiren,  fehlt  für 
Preussen  noch  ganz.  Ein  höchst  willkommener  Beitrag  dazu  liegt  in 
der  Abhandlung  des  Herrn  Professor  Hipler  uns  vor,  der  den  Theologen, 
besonders  den  Katecheten  jeder  christlichen  Confession,  nicht  minder 
interessiren  wird,  als  den  speciellen  Erforscher  des  preussischen  Alter- 
thums  in  Bezug  auf  die  älteste  Geschichte,  auf  die  Germanisirung  des 
Landes,  besonders  auch  in  Hinsicht  der  Sprache. 

Wenn  auch  das  Hauptziel  der  ganzen  Abhandlung  im  Titel  deut- 
lich vorgezeichnet  ist,  so  genügt  derselbe  aber  nicht,  um  die  Menge 
der  gewonnenen  Resultate  im  Einzelnen  erkennen  zu  lassen.  Desshalb 
eben  wollen  wir  einige  Einzelnheiten  hervorheben. 

Auf  S.  12  bekommen  wir  eine  merkwürdige  urkundliche  Nachricht 


Dr.  Franz  Hipler,  Christlich«  Lehre  und  Erziehung  in  Ermland.         Jgß 

über  das  Grab  des  h.  Adalbert  (d.  i.  über  die  Todesstätte  des 
Apostels  der  Preussen).  Dem  Cisterzienser  Abte  Gottfried  von  Lakene 
(Lekno  im  Keg.  Bez.  Bromberg),  erstem  (Missions-)  Bischof  in  Preussen, 
zeigt  der  Landesfürst  1206  das  Grab  des  h.  Martyrs  Adalbert,  wie 
Innocenz  III.  in  einem  erst  neuerdings  herangezogenen  Schreiben  bezeugt 
(Migne,  Patr.  Lat.  t.  225  p.  1009).  Diess  älteste  Zeugniss  also  weist 
auf  Pomesanien  hin.  Wegen  des  Inhalts  von  Adalberts  Missionspredigt 
wird  S.  6  auf  ein  Gedicht  bei  Dobner  (Mon.  hist.  Boem.  II,  45)  hin- 
gewiesen, welches  bald  nach  Adalberts  Tode  entstanden  und  von  Capa- 
narius  aus  den  Versen  in  schlechte  Prosa  gebracht  zu  sein  scheint. 

Ueber  das  Heidenthum  der  Preussen,  besonders  aber  über  deren 
Bekehrung  zum  Ghristenthum  erhalten  wir  vielfache  Belehrung  und  Auf- 
klärung. Die  Bekehrungen  konnten  der  Natur  der  Sache  nach  nur 
Massenbekehrungen  sein;  desshalb  war  auch  die  Spendung  des  Sakra- 
ments der  Wiedergeburt  eine  Massentaufe.  Hierüber  erhalten  wir 
ein  Bild  aus  der  Art  und  Weise  wie  1124  der  h.  Otto  die  Pommern 
(durch  Untertauchen)  getauft  hat  (S.  8).  So  hat  ohne  Zweifel  vor  ihm 
auch  Adalbert  verfahren.  Dieses  Verfahren  des  Apostels  der  Preussen 
konnte  Otto  v.  Bamberg,  der  in  Gnesen  war,  nicht  unbekannt  sein ;  es 
war  wohl  überhaupt  dem  damaligen  kirchlichen  Bitus  entsprechend. 
(In  Ermland  lässt  sich  die  Infusionstaufe  erst  im  Cromer'schen  Bituale 
von  1572  nachweisen,  wie  Hipler  S.  31  anführt). 

Die  Schilderung  der  Missionspredigt  und  Taufe  und  der  darauf 
nothwendig  folgenden  christlichen  Lehre  und  Erziehung  führt  den  Ver- 
fasser auf  eingehende  Besprechung  der  Sprachverhältnisse  Preussens, 
auf  das  Verhältniss  der  preussischen  zur  deutschen  Sprache;  wie  das 
Preussische  der  Neophyten  wegen  von  der  Kirche  sorgfältig  geschont  und 
gepflegt  ward;  desshalb  die  Forderung  in  den  nächsten  Jahrhunderten, 
dass  in  gemischten  Gemeinden  die  Pfarrer  beider  Idiome  mächtig  sein 
mus8ten;  bis  die  allmählige  Germanisirung  des  Landes  diese  Forderung 
nicht  mehr  nothwendig  sein  Hess.  Zeugniss  für  die  Schonung  der  Nationa- 
lität und  der  Sprache  der  preussischen  Bevölkerung,  für  den  sich  allmählig 
vollziehenden  Verschmelzungsprocess  der  Preussen    mit  den  Deutschen 

legen  die  Diöcesanstatuten  und  die  Satzungen  der  spätem  Synoden  ab. 

11* 


164  Kritiken  und  Referate. 

Das  Kapitel  III,  S.  44  ff.  „die  katechetischen  Hauptstücke*  giebt 
uns  Aufschluss  über  die  Geschichte  des  mittelalterigen  Kate- 
chismus. Das  IV.  Kap.  S.  62  ff.  „Katechismus  und  Beichte" 
(Beichte  gleich  Beichtspiegel  d.  i.  Anleitung  zur  Gewissenserforschung) 
bereitet  uns  in  der  Besprechung  der  vom  Verf.  benutzten  königsberger, 
pelpliner,  wiener  und  heidelberger  Handschriften  vor  auf  die  den  zweiten 
Theil  der  Abhandlung  (von  S.  67  bis  Ende)  bildende  Edition  der  „Beichten 
der  seligen  Dorothea  von  Montau.8  —  Beim  Lesen  der  hier  edirten 
Stücke  können  wir  eine  Ermunterung  an  die  Germanisten  nicht  unter- 
drücken, die  mittelalterige  Litteratur  bei  uns  immer  mehr  und  eingehen- 
der zu  berücksichtigen,  als  es  bisher  geschohen  ist.  Stoff  bieten  unsere 
preuss.  Bibliotheken  und  Archive  in  Fülle  dar.  Höchst  merkwürdig  ist 
auch  auf  S.  34—36  der  Auszug  aus  der  Pädagogik  des  Conrad 
Bitschin,  dessen  Werk  —  eine  wahre  Riesenarbeit  —  wohl  verdient, 
immer  mehr  durchforscht  und  verwerthet  zu  werden.  —  Aufmerksam- 
keit verdient  auch  der  Hinweis  auf  die  Bilderkatechismen  in  den 
Wandgemälden  der  mittelalterigen  Kirchen,  wie  der  Verf.  Spuren  eines 
solchen  in  Arnau  an  den  Seitenwänden  der  Kirche  gefunden  hat,  der 
gewiss  verdiente  ganz  aufgedeckt  zu  werden.  Wir  haben  dieselbe  Be- 
obachtung auch  in  andern  Landkirchen  Preussens  gemacht,  wenn  auch 
dergleichen  Wandgemälde  neuern  Ursprungs  zu  sein  schienen.  Welch" 
prächtiges  pädagogisches  Mittel  ist  das  nicht  für  den  Unterricht  und 
die  Erbauung  der  einfältigen  Christen? 

Fragen  wir  nun,  wie  wurde  von  Anfang  an  in  Preussen  katechetisch 
unterrichtet,  oder  welches  sind  die  katechetischen  Hauptstücke, 
so  erfahren  wir  auf  S.  49  ff.,  dass  es  die  uralten  der  christlichen  Kirche 
sind.  Nämlich  1.  Credo,  2.  Pater  Noster,  3.  der  Dekalog,  4.  die  Sakra- 
mente. In  der  Synode  von  1442  (bei  Jacobson,  Quellen  des  Kirchen- 
rechts 1, 130)  ist  als  nothwendige  Vorbereitung  zur  Firmung  schon  die- 
selbe Ordnung  angegeben,  in  der  der  lutherische  Katechismus  die 
Hauptstücke  abhandelt.  1.  Decalogus,  2.  Articuli  fidei  (Symbolun) 
3.  ecclesiastica  sacramenta.  Auch  ist  in  den  bekannten  Katechismen 
in  preussischer  Sprache  von  1545  und  1561  ein  Umstand  merkwürdig, 
auf  den  schon  Nesselmann  „die  Sprache  der  alten  Preussen*  S.  XXX  auf- 


Dr.  Franz  Hipler,  Christliche  Lehre  und  Erziehung  in  Er  ml  and.  JßÖ 

merksam  gemacht,  nämlich  die  Abweichungen  der  preussischen  Ueber- 
setzung  von  dem  beigedruckten  deutschen  Texte.  Dem  Katechismus 
von  1545  fehlt  die  charakteristische  Eigenthümlichkeit  des  Lutherischen 
Katechismustextes :  die  Doxologie  am  Schlüsse  des  Vaterunsers  und  die 
geänderte  Eintheilung  und  Fassung  des  Dekalogs.  In  dem  Katechismus 
von  1561  „der  Kleine  Katechismus  Doctor  Martin  Luthers  Deutsch  vnd 
Preussisch  u.  s.  w.tf  hält  sich  der  preussische  Text,  wenigstens  in  den 
eigentlichen  Gebetsformularen  und  im  Dekalog,  regelmässig  an  die  Vul- 
gata  aus  der  katholischen  Zeit,  so  dass  der  beigefugte  Text  des  deut- 
schen lutherischen  Katechismus  oft  merkwürdig  genug  davon  abweicht. 
Sollten  dem  Bearbeiter  des  preuss.  Katechismns  nicht  ältere  katholische 
Formulare  in  preussischer  Sprache  vorgelegen  haben,  von  denen  in  den 
alten  Satzungen  die  Rede  ist?  denn  warum  sollte  der  Bearbeiter,  wenn 
er  neu  übersetzte,  den  lutherischen  Text  verlassen  und  den  katholischen 
zu  Grunde  gelegt  haben? 

Die  von  S.  67  an  abgedruckten  .Beichten"  der  „ selige  vrowe 
Dorothea  czu  Marienwerdir*  lassen  tief  in  das  Seelenleben  dieser  gott- 
begnadigten Frau  hineinblicken.  Der  Inhalt  ihrer  Herzensergiessungen 
wird  freilich  unsere  Zeit  im  allgemeinen  fremd  berühren  und  wenig 
verständlich  sein.  Mancher  aber  wird  sich  auch  heute  noch  an  der 
einfachen,  edeln  und  leicht  verständlichen  Sprache  erfreuen  und  am 
Inhalte  sich  erbauen. 

Das  S.  67  gegebene  Bildniss  der  sei.  Dorothea  ist  als  der  älteste 
preussische  Holzschnitt  eine  höchst  willkommene  Beigabe.  Diess  Denk- 
mal der  Xylographie  ist  nur  in  einem  einzigen  Exemplare  der  1492  in 
Marienburg  im  Druck  erschienenen  Biographie  Dorotheas  erhalten,  das 
sich  in  der  kaiserlichen  Bibliothek  zu  Petersburg  befindet. 


An  die  im  Vorstehenden  besprochene  jüngste  Arbeit  des  Herrn 
Verfassers  schliessen  wir  noch  eine  Besprechung  einer  zweiten,  in  an- 
derer Hinsicht  höchst  interessanten,  ebenfalls  im  vorigen  Jahre  erschie- 
nenen Abhandlung  an; 


166  Kritiken  und  Referate. 

Die  Chorographie  des  Joachim  Rheticus.  Herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  P.  Hipler.  Mit  einer Pigurentaf.  Gedruckt  bei  B.  G.Teubner 
in  Dresden  1876.  Verlag  von  Huye's  Buchhdlg.  (Emil  Bender) 
in  Braunsberg.    28  S.  gr.  8°  Preis  1  Mark. 

Diese  Abhandlung  bespricht  in  der  Einleitung  das  Verhältniss  Rheti- 
cus' zu  Copernicus,  unter  dessen  Augen  gleichsam  das  hier  edirte  Werk- 
chen von  seinem  begeisterten  Verehrer  und  besten  Schüler  entstanden  ist. 
Die  darin  hervortretenden  Kenntnisse  des  Bheticus  aus  der  Mathematik 
und  Physik,  namentlich  die  Kenntniss  des  Erdmagnetismus,  waren 
also  ohne  Zweifel  ebenso  das  Eigenthum  des  grossen  Astronomen.  — 
In  der  Einleitung  giebt  Hipler  das  Leben  des  Rheticus  (Georg 
Joachim  von  Lauchen)  aus  Feldkirch  im  alten  Bhätierlande.  Rhe- 
ticus widmete  diese  seine  Chorographie  1541  dem  Herzog  Albrecht 
von  Preussen.  Seitdem  entwickelte  sich  zwischen  beiden  ein  sich  auf 
mathematische  und  physikalische  Fragen  beziehender  Briefwechsel,  der 
nach  den  Originalen  oder  Copiebüchern  des  königsberger  Staatsarchivs 
auf  S.  4  flf.  mitgetheilt  wird.  Diese  Briefe  sind  neben  der  Chorographie 
die  einzigen  deutsch  geschriebenen  Stücke,  die  uns  von  Rheticus  (in 
ziemlich  ausgeprägtem  vorarlbergischen  Dialekt)  erhalten  sind. 

Aus  einem  der  Briefe  erfahren  wir,  das»  Rheticus  eine  Landkarte 
oder  Landtafel  von  Preussen,  „ain  chorographicam  tabulam  auff  Preussen 
vnd  etliche  vmbliegende  lender, "  entworfen  hat,  die  er  mit  einer  Wid- 
mung im  August  1541  dem  Herzog  Albert  übersandte.  (Copernikus 
selbst  arbeitete  schon  1529  an  einer  „Mappa  terrarum  Prussiae*). 

Rheticus'  Chorographie  befindet  sich  im  Autographon  des  Verfassers 
selbst  auf  der  Königsberger  Universitäts-  Bibliothek  und  ist  in  vorliegen- 
der Arbeit  zum  ersten  Male  von  Hipler  edirt.    Der  Titel  lautet: 

Chorographia  |  tewsch.  |  Durch  Georgiü  Joachimü  Rheticü  |  Ma- 
thematik, vnd  der  Vniuersitet  Vitenberg  Pro-  |  fessorem  zwsamenge- 
bracht  |  vnd  an  den  tag  geben  |  MDXLj. 

In  der  Widmung  spricht  Rheticus  von  der  Wichtigkeit  der  Geo- 
graphie und  Chorographie  und  der  Chorographicae  tabulae  „so 
man  lands  tafflen  nennen  mocht"  für  alle  Potentaten. 

Cap.  1.    „Was  do  seye  Geographia  vnd  Chorographia,   vnd  durch 


Dr.  Franz  Hipler,  die  Ghorographie  des  Joachim  Bheticus.  167 

wie  uilerlai  art  manChorographicas  tabulas  machen  konde."  Das 
letztere  ist  eigentlich  der  Inhalt  des  ganzen  Werkchens,  wie  man  Land- 
tafeln zu  verfertigen  hat.  Die  folgenden  Kapitel  geben  die  ver- 
schiedenen (vier)  Arten  und  Weisen  der  Anfertigung  von  Landkarten 
an:  zuerst  durch  Bestimmung  der  Länge  und  Breite  eines  Ortes,  welche 
Weise  man  den  Mathematikern  lassen  muss;  die  übrigen  Methoden 
kann  jeder  verständige  Mann  gebrauchen.  „Die  erst  bedarff  nicht  mehr 
als  ain  itinerarium  des  landes,  das  ist  wie  vil  meilen  es  von  einer  stat 
zw  der  andren  seye  vnd  wie  weit  ain  ort  auff  das  gerichtist  von  dem 
andern  lige.  —  Die  ander  weiss  geht  zw  durch  ain  Instrument  oder 
Compas  so  sunderlich  darzw  verordnet  vnd  gemacht  wurt.  —  Zwm 
dritten  sindt  die  Chorographicae  tabulae  auch  zw  machen  auff  dass 
ainfeltigist,  durch  die  strich  des  Compas  sampt  dem  Itinerario,  vnd 
durch  disse  weiss  werden  die  sehe  oder  Compas  Charten  gemacht."  — 
Nun  geht  er  kapitelweise  jede  Art  und  Weise  besonders  durch.  Geo- 
metrische Figuren  sind  zur  Erklärung  in  den  Text  beigezeichnet  (auf 
der  lithogr.  Figurentafel  unserer  Edition  beigelegt).  —  Cap.  V  handelt: 
„Wie  man  die  mittag  linien  auf  ainer  ligenden  ebne  finden  solle."  — 
Am  interessantesten  erscheint  uns  Cap.  VI.  „Wie  man  die  Magneten 
probieren  vnd  die  schippercompas  recht  machen  solle."  Hier  giebt  er 
interessante  historische  Notizen  und  theilt  als  Erfahrung  mit,  dass  er 
einen  Magneten  in  ein  entsprechend  grosses  hölzern  Schüsselchen  ge- 
legt und  dann  das  Schusselchen  in  einen  Eimer  Wasser  gesetzt  habe.  „So 
befinde  ich  ain  sehr  schon  spectakel  der  natur,  dan  er  wendet  sich  vnd 
schussel  vmerdaren  so  lang  herumb  biss  des  stains  nord  kand  in  nord 
sthet  vnd  swder  kand  in  swd  u.  s.  w."  Nun  zeigt  er,  wie  nach  auf- 
gefundener Nordkant  mit  gewissen  Instrumenten  die  Tafel  entworfen  und 
gerissen  wird.  Zum  Schluss  weist  er  auf  die  weitern  Kräfte  und  Tugen- 
den des  Magneten  hin;  er  wundert  sich,  dass  man  «zw  vnsrenzeitten" 
nicht  weiter  sucht,  „dieweilman  doch  sieht,  dass  alwegenGott  der  herre 
ainem  Ding  mehr  alss  nur  ain  tugend  vnd  aigenschafft  mittailet." 


Ißg  Kritiken  und  Referate« 


Der  Verein  für  hansische  Geschichte  und  die  Bedeutung  seiner 

Publicationen  für  die  Provinz  Prenssen. 

Am  24.  Mai  1870  fand  in  Stralsund  eine  Gedächtnissfeier  des  vor 
500  Jahren  daselbst  abgeschlossenen  Friedens  zwischen  der  Hansa  und 
Dänemark  statt,  bei  welcher  sich  auf  die  Einladung  der  rügisch-pommer- 
schen  Abtheilung  der  Gesellschaft  für  pommersche  Geschichte  auch 
Vertreter  der  3  hansischen  Localvereine  eingefunden  hatten.  Man  be- 
schloss  in  Stralsund  einen  dauernden  Verein  zu  gründen  für  hansische 
Geschichte  und  Publication  ihrer  Quellen.  Zu  Pfingsten  im  nächsten 
Jahr  trat  der  Gedanke  ins  Leben,  unter  hauptsächlichster  Mitwirkung 
von  Professor  Waitz  aus  Göttingen  ward  der  Verein  constituirt,  ein 
fester  Plan  entworfen  unda  der  Weg  zur  Erlangung  der  nöthigen  Geld- 
mittel ins  Auge  gefasst. 

Seit  5  Jahren  ist  nun  der  hansische  Geschichts- Verein  in  die 
Reihe  der  deutschen  historischen  Gesellschaften  eingetreten,  aber  schnell 
hat  er  sie  sämmtlich  überflügelt.  Auf  breiter  Grundlage,  wie  einst 
der  alte  Städtebund  selbst,  sich  erhebend,  umfasst  er  die  meisten  Mit- 
glieder des  Hansabundes  von  der  Scheide  bis  zum  finnischen  Meer- 
busen, 44  Städte  und  259  Mitglieder  weist  der  letzte  (gedruckte)  Jahres- 
bericht von  1874  auf;  reiche  Mittel  stehen  dem  Verein  zu  Gebote, 
bedeutendere,  als  sie  sonst  in  Deutschland  historische  Provincial-Ver- 
eine  zu  besitzen  pflegen,  aber  weit  über  die  Grenzen  eines  Territoriums 
hinaus  erstreckt  sich  die  Bedeutung  seiner  Arbeiten,  von  Holland  bis 
Ehstland  ist  keine  deutsche  Landschaft,  deren  Geschichte  aus  den  Publi- 
cationen  des  hansischen  Geschichts- Vereins  nicht  werthvolle  Bereiche- 
rung, sei  es  durch  Erschliessung  neuen  Stoffes,  sei  es  durch  kritische 
Beleuchtung  des  bereits  Bekannten,  gewonnen  habe.  Nicht  in  letzter 
Linie  steht  in  dieser  Beziehung  die  Provinz  Preussen;  im  Mittelalter 
ein  hervorragendes  Glied  des  Bundes,  hat  sie  jetzt  ganz  besonders 
Grund  dem  Verein  für  seine  Thätigkeit  dankbar  zu  sein  und  ihn  in 
derselben  zu  unterstützen. 

Die  bisher  von  dem  hansischen  Geschichtsverein  veröffentlichten 
Schriften  zerfallen  in  3  Abtheilungen,  eine  jährlich  erscheinende  Zeit- 


Der  Verein  für  hansische  Geschieht«.  Jg9 

schrift  „Hansische  Geschichtsblätter/  von  der  bis  jetzt  4  Bände  (von 
14 — 20  Bogen)  vorliegen;  in  ihnen  tritt  neben  der  allgemein  hansischen 
Geschichte  die  der  westlichen  Bundesglieder  in  den  Vordergrund,  Ham- 
burg, Bremen  und  Lübeck  liefern  den  meisten  Stoff,  wie  ja  auch  in 
diesen  Städten  der  Verein  die  meisten  Mitglieder  (voran  steht  Bremen) 
zählt.  Unsere  Provinz  ist  in  den  hansischen  Geschichtsblättern  durch 
2  Recensionen  Karl  Koppmanns  über  Töppens  Elbinger  Antiquitäten 
(1873  p.  219—224)  und  desselben  Acten  der  Ständetage  Preussens 
(1874  p.  173—178)  vertreten;  in  der  letzteren  werden  Vorzüge  und 
Mängel  mit  gleicher  Billigkeit  gewürdigt;  von  grosser  Bedeutung  ist 
im  Jahrgang  von  1872  p.  XXVII  der  Reisebericht  der  drei  „Sende- 
boten* des  Geschichts Vereins  Koppmann,  Höhlbaum  und  von  der  Bopp, 
in  dem  sich  sehr  werthvolle  Nachrichten  über  die  Archive  von  Danzig 
und  Königsberg  finden. 

Auch  die  zweite  Klasse  der  Publicationen,  die  «Hansischen  Ge- 
schichtsquellen/ bietet  bisher  nichts  unsere  Provinz  direct  berührendes. 
Sie  enthalten  in  Band  I  das  Verfestungsbuch  der  Stadt  Stralsund,  her- 
ausgegeben von  dem  Stralsunder  Bürgermeister  Otto  Francke  und  mit 
einer  rechtshistorischen  Einleitung  von  Professor  Frensdorff  in  Göttingen 
versehen,  in  Band  II  die  Bathslinie  der  Stadt  Wismar  von  Friedrich 
Crull,  beide  Veröffentlichungen  haben  einen  mehr  localen  Gharacter, 
die  erste  enthält  auch  einen  werthvollen  Beitrag  zur  Kenntniss  des 
lübischen  Strafrechts  im  Mittelalter. 

Von  ganz  anderem  Werthe  sind  dagegen  die  beiden  grossen  Edi- 
tionsarbeiten, welche  der  Verein  als  seine  Hauptaufgabe  ansieht,  die 
Sammlung  des  urkundlichen  Materials  der  hansischen  Geschichte,  das 
hansische  Urkundenbuch  und  die  Hanserecesse  seit  1430.  Von  beiden 
sind  kurz  nach  einander  die  ersten  Bände  erschienen,  auf  die  wir  hier 
unser  Augenmerk  zu  richten  haben,  da  beide  für  unsere  Provincial- 
Geschichte  von  der  grössten  Bedeutung  sind. 

Das  hansische  urkundenbuch,  herausgegeben  von  Kostantin  Höhl- 
baum, ')   ist  bestimmt  die  ältere  Sammlung,    welche  Sartorius-Lappen- 

f)  Der  Name  wird  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  nicht  unbekannt  sein,  vgl. 
IX.  165,  472,  X.  499. 


170  Kritiken  und  Referat«, 

berg  im  2.  Bande  der  urkundlichen  Geschichte  der  Hansa  1830  ge- 
geben haben,  zu  ersetzen.  Auf  breiterer  Grundlage  angelegt,  verwerthet 
Höhlbaum's  Werk  in  vollem  Maasse  die  Erfahrungen  und  Fortschritte, 
welche  in  dem  seit  1830  verflossenen  Menschenalter  die  historische 
Editionsmethode  gemacht  hat;  es  ist  durchaus  nach  modernen  Editions- 
principien  angelegt,  zieht  seine  Grenzen  bedeutend  weiter,  als  seine 
Vorgänger,  da  es  nicht  nur  die  Urkunden  des  Bundes,  sondern  auch 
die  der  einzelnen  Glieder,  soweit  sie  für  hansische  Interessen  in  Be- 
tracht kommen,  berücksichtigt;  zumal  im  ersten  Bande,  der  im  Wesent- 
lichen sich  mit  der  Vorgeschichte  des  Bundes  (er  reicht  bis  1300)  be- 
schäftigt, treten  die  einzelnen  Communen  sehr  in  den  Vordergrund. 
Nicht  alle  Stücke  hat  der  Herausgeber  wieder  vollständig  abgedruckt, 
die  meisten  der  bereits  publicierten  finden  sich  hier  nur  in  Kegesten- 
form. An  absolut  neuem,  bisher  unbekanntem  Material  ist  der  Band 
nicht  reich,  Wohl  aber  hat  er  alles  vereinigt,  was  auf  dem  Gebiete  und 
für  den  Zeitraum,  die  er  umfasst,  ans  Licht  getreten  ist  und  ist  jeder 
einzelnen  Urkunde  bis  an  ihre  reinste  Quelle  nachgegangen. 

Preussen  hat  im  13.  Jahrhundert  im  Hansabund  nur  eine  be- 
scheidene Bolle  gespielt:  erst  am  Ende  des  Jahrhunderts  beginnen  seine 
Städte  sich  zu  fühlen  und  unter  einander  wie  mit  anderen  sich  zu- 
sammen zu  schliessen.  Dennoch  ist  Preussen  unter  den  1376  Nrn.  des 
vorliegenden  ersten  Bandes  mit  60  vertreten ;  die  Reihe  eröffnet  n.  260 
ein  Regest  aus  der  Kühner  Handfeste,  dann  folgt  n.  272  eine  Zoll- 
ermässigung Swantepolks  für  Lübeck  und  alle  Kaufleute,  die  (sie  ist 
undatirt)  der  neueste  Herausgeber  zwischen  1235  und  1240  setzt. 
N.  291  bietet  zum  ersten  Mal  einen  lesbaren  und  correcten  Text  der 
polnischen  Zollrolle  von  1238  für  das  Ordensland,  die  bisher  nur  bei 
Dogiel  IV.  n.  19  abgedruckt  war,  aus  dem  Original  im  Königsberger 
Archiv,  besonders  die  Zeugenreihe  erscheint  jetzt  verbessert,  denn  Dogiel 
las  nobiles  magistri  statt  n.  nostri,  Milesa,  Hebora  castellanus  in  Ozyowe, 
castellanus  in  Oberyz  Zbilut  statt  Milesa  castellanus  in  Ozcrowe 
(Ostrow  erklärt  H.  im  Register  Seite  500),  Nebora  castellanus  in 
Oberiz,  Sbilut.  Dagegen  liest  auch  Höhlbaum  vor  den  ersten  Zeugen- 
namen: Harum  institutionum  testes  sunt  hü  fratres  ordinis  predicti; 


Der  Verein  für  hansische  Geschieht«.  J71 

Jazco  etc.,  wofür  Eef.  Preussische  Eegesten  n.  160  ordinis  predicatorum 
vorgeschlagen  hatte;  in  dem  Königsberger  Original  steht,  nach  einer 
gütigen  Mittheilung  des  Herrn  Archivsecretairs  Dr.  Sattler  pdic,  was 
allerdings  mit  predicti  aufzulösen  ist,  aber  auch  wohl  predicatorum 
gelesen  werden  kann.  Unter  n.  293  u.  294  werden  die  beiden  zu- 
sammengehörigen Urkunden  Otto's  von  Braunschweig  und  Johanns  von 
Holstein  vom  21.  Dec.  1239  im  Hegest  angeführt,  in  denen  der  Preussen- 
fahrt  des  ersteren  Erwähnung  gethan  wird,  unter  n.  296  finden  wir  die 
älteste  Erwähnung  der  Bewidmung  Elbings  mit  lübischem  Recht  von 
1240;  n.  300  verzeichnet  eine  abermalige  Zollherabsetzung  Swantepolks 
für  Lübeck  aus  derselben  Zeit.  Aus  den  Jahren  1242  und  43  registrirt 
Höhlbaum  n.  326 — 328  die  Verträge  Heinrichs  von  Wida  mit  Eonrad 
von  Masovien  vom  1.  Oct.  und  mit  Lübeck  vom  31.  Dec.  1242,  sowie 
die  polnische  Zollrolle  für  Preussen  vom  22.  März  1243,  zu  1246  bringt 
er  unter  n.  343  den  zweiten  Vertrag  des  Ordens  mit  Lübeck  vom 
10.  März ;  358  enthält  wieder  eine  Vergünstigung  Swantepolks  für  die 
Schifffahrt  vom  30.  Jan.  1248,  n.  397  das  Zoll-Privileg  Jaromars  von 
Rügen  für  Elbing  (1249— -60).  Unter  n.  414  wird  die  zweite  Kulmer 
Handfeste  excerpirt,  in  n.  425  und  437  treffen  wir  die  beiden  Urkunden 
Bischof  Thedwards  von  Samland  vom  April  und  Juni  1252;  bei  der 
ersten  ist  im  Regest  feria  quinta  mit  Donnerstag  statt  Freitag  über- 
setzt, bei  der  zweiten  Swantepolk  III.  in  S.  II  zu  verbessern,  zwischen 
beide  fallt  noch  n.  430,  die  Zollbefreiung  Sambors  für  Kulm  vom 
30.  April  1252;  n.  461  und  462  bringen  Regesten  der  Aufhebung  des 
Strandrechts  durch  Swantepolk  (wieder  III  statt  II)  und  Mestwin,  sowie 
des  als  falsch  bezeichneten  Handelsprivilegs  Mindowe's  für  Riga,  aus- 
gestellt am  Tage  seiner  Krönung  durch  Heidenreich  von  Kulm.  Nicht 
ganz  correct  ist  das  Regest  von  n.  474,  der  Uebersendung  des  Dort- 
munder Rechts  an  Memel,  da  dieselbe  nicht  an  die  Stadt  selbst,  son- 
dern an  den  Livländischen  Landmeister  und  den  Bischof  von  Kurland 
gerichtet  ist.  In  481  wird  wieder  eine  Zollfreiheit  Elbings,  diesmal 
von  Sambor  von  Pommerellen,  notirt  (von  1255  Mai  16),  während  490 
die  Aufhebung  des  Strandrechts  durch  Erzbischof  Albert  vom  Juni  1256 
bringt  und  in  545  das  Fundationsprivileg  von  Dirschau  (von  1260)  an- 


X72  Kritiken  and  Keter«t«. 

geführt  wird  (n.  4  erwähnt  die  Verleihung  des  Thorner  Kaufhauses 
durch  Gerhard  [im  Register  S.  516  steht  Georg]  von  Hirzberg  vom 
April  1259).  587  enthält  die  Aufzeichnung  des  lübischen  Rechts  für 
Danzig  von  1263,  doch  war  die  Sigle  S.  (illustris  domini  S.  ducis  Pome- 
ranorum  (Hach,  d.  alte  Lübische  Recht  S.  185)  nach  Frensdorffs  Vor- 
gang (das  Lübische  Recht  nach  seinen  ältesten  Formen  S.  13  Anm.) 
mit  Swantopolk  statt,  wie  Höhlbaum  es  gathan,  mit  Sambor  aufzulösen. 
Unter  588  wird  der  grosse  Schiedsspruch  vom  19.  Febr.  1263 
zwischen  dem  Orden  und  Kasimir  von  Cujavien  wegen  seiner  Zoller- 
leichterungen, unter  591  eine  erneute  Aufhebung  des  Strandrechts  durch 
Swantopolc  vom  25.  April  1263  (mit  dem  obigen  Fehler)  im  Auszuge 
mitgetheilt.  643  u.  654  enthalten  Privilegien  Wartislaw's  IL  von  Pom- 
merellen  für  Lübeck  von  1267  und  1268,  708  u.  9  die  Zollbefreiung 
der  Lübecker  in  Danzig  durch  die  Brandenburger  Markgrafen  von  1272. 
Die  erste,  wenn  auch  nicht  ungedruckte,  so  doch  bisher  in  Preussen 
unberücksichtigte  Urkunde  tritt  uns  in  n.  746,  einer  Greifswalder  Zoll- 
rolle von  c.  1275  entgegen,  in  welcher  bei  einer  Befreiung  auch  Uli 

de  Elvinge  erwähnt  werden.  751,  54  u.  58  bringen  Strandrechtsauf- 
hebungen der  Rigaer  Erzbischöfe  und  das  Privileg  Rudolfs  von  Habs- 
burg für  die  Lübecker  in  Preussen  in  Livland  von  1275.  An  eine  un- 
richtige Stelle  ist  n.  841,  das  Fundationsprivileg  Braunsberg's  gerathen, 
indem  der  Herausgeber  das  Datum  Millesimo  ducentesimo  octuagesimo 
quarto  Kalendas  aprilis  mit  29.  März  1280  auflöst,  während,  wie  Bender 
in  der  Ermländischen  Zeitschrift  V,  291  nachweist,  es  nur  1284  1.  April 
heissen  kann,  da  Bischof  Heinrich  Fleming  erst  im  Juli  1282  seine 
Diöcese  betrat.  In  864  erhalten  wir  die  erste  Verbindung  einer  preussi- 
schen  Stadt  mit  der  Hansa,  es  ist  Thorn,  das  am  21.  Sept.  1280  sein 
Bedauern  ausspricht  sich  den  Beschlüssen  des  deutschen  Kaufmanns 
in  Flandern  anschliessen  zu  wollen.  Von  nun  an  mehren  sich  die  Zeug- 
nisse der  Betheiligung  Preussens  am  Bunde,  in  n.  970  erhält  neben 
anderen  Städten  auch  Elbing  ein  Privileg  Erichs  von  Norwegen;  n.  1003 
führt  wieder  eine  polnische  Handelsvergünstigung  für  Thorn  und  Kulm 
an  (vom  18.  Mai  1286),  in  1106  erhalten  wir  einen  vollständigen  Ab- 
druck der  Elbinger  Klageschrift  von  c.  1293  (im  Ermländischen  Ur- 


Der  Verein  für  hansische  Geschichte.  273 

kundenbuch  I,  n.  87  ist  sie  zu  c.  1290  gestellt),  auf  welche  im  selben 
Jahre  Herzog  Mestwin  die  Elbinger  von  Zoll  und  Strandrecht  befreite 
(n.  1107).  Neu  und  wichtig  ist  n.  1119:  der  Hochmeister  Konrad  von 
Feuchtwangen  bittet  König  Eduard  I.  von  England  den  Bürgern  Ger- 
hard von  Hattingen  und  Konrad  von  dem  Stege  aus  Preussen  Ersatz 
zu  verschaffen,  welche  ohne  alle  Ursache  und  wider  das  Recht  in  Eng- 
land ihrer  Waaren  im  Werth  von  etwa  500  Mark  Sterlingen  beraubt 
sind,  Thorn  4.  Aug.  o.  J.  Höhlbaum  reiht  diese  Urkunde,  deren  Original 
sich  im  Tower  befindet  und  von  der  er  leider  den  vollständigen  Text 
nicht  geben  kann,  zum  Jahre  1293  ein,  doch  gehört  sie  wahrscheinlich 
ins  Jahr  1295;  der  Hochmeister  war  in  Preussen  bisher  nur  vom  31.  Jan. 
bis  14.  Mai  1296  nachweisbar  (Voigt,  Gesch.  IV,  120,  n.  1,  Perlbach, 
Preuss.  Reg.  n.  1167),  zum  5.  Juli  verzeichnet  das  Graudenzer  Exem- 
plar der  Ordensstatuten  auf  der  Königsberger  Bibliothek  Msc.  1861 
seinen  Tod  (in,  Non.  Jul.  magister  generalis  frater  Chumfadus]  de 
Wanchtenwang  obiit  in  provincia  Bohemie  in  domo  Troboiz),  der  nur 
ins  Jahr  1296  fallen  kann,  da  schon  am  3.  Mai  1297  sein  Nachfolger 
Gotfried  von  Hohenlohe  gewählt  wird  (Hennig,  Ordensstatuten  120); 
es  bleibt  daher  für  die  Urkunde  vom  4.  Aug.  nur  das  Jahr  1295.  Die 
beiden  geschädigten  Kaufleute  Gerhard  von  Hattingen  und  Konrad  von 
dem  Stege  dürften  aus  Elbing  stammen,  sie  lassen  sich  zwar  unter  den 
uns  bekannten  Elbinger  Bürgern  des  13.  Jahrhunderts  (Perlbach,  Preuss. 
Regesten  S.  359)  nicht  nachweisen,  doch  klingt  einmal  Hattingen  stark 
an  den  Elbinger  Bürgernamen  Hatnick  (Cod.  Warm.  I,  n.  118, 124, 155) 
aus  den  Jahren  1284—93  an,  dann  war  Elbing  im  13.  Jahrhundert 
von  den  preussischen  Seestädten  am  meisten  entwickelt  und  hatte  end- 
lich den  Engländern  Veranlassung  zu  Repressalien  gegeben,  da  die 
Elbinger  neben  den  übrigen  Hansestädten  sich  die  Verwendung  ihrer 
Schiffe  durch  die  Franzosen  im  Kriege  gegen  England  hatten  gefallen 
lassen,  n.  1173  und  1175;  Höhlbaum  setzt  die  hierauf  bezüglichen  Ur- 
kunden, welche  das  Datum  die  cinerum  u.  dominica  ante  mediam  qua- 
dragesimam  1294  tragen,  mit  Rücksicht  auf  den  französischen  Jahres- 
anfang ins  Jahr  1295.  Im  Verkehr  mit  Dänemark  zeigt  uns  n.  1157 
das  Ordensland  Preussen,  in  1180  sehen  wir  die  erste  bekannte  Tagfahrt 


174  Kritiken  and  Referate. 

der  preussischen  Städte,  die  Höhlbaum  mit  Recht  (gegen  Toppen)  nach 
Elbing  und  auf  den  3.  April  (in  die  pasche  o.  J.)  1295  verlegt.  Unter 
n.  1176  u.  90  werden  die  Beitrittserklärungen  Danzigs  und  Elbings 
zum  hansischen  Beschluss  über  die  Appellation  von  Nowgorod  nach 
Lübeck  registrirt,  n.  1188  enthält  ein  Strandrechtsprivileg  des  Bigischen 
Erzbichofs  von  1295,  n.  1159  und  1267  die  Privilegien  Przemislaw's  und 
Wladislaw's  von  Ostpommern  für  Elbing  von  1294  und  1298,  n.  1287, 
88,  1801,  1310,  1311,  1318—20  bringen  ostpommerische  Privilegien  für 
Lübeck;  dass  n.  1331,  eine  Entschuldigung  Harderwyks  bei  Lübeck  und 
den  preussischen  Städten,  ins  Jahr  1369  gehört,  ist  in  den  Berichti- 
gungen S.  524  (vgl.  Götting.  gelehrte  Anzeigen  1876.  S.  990)  nachge- 
tragen, n.  1361  bringt  einen  undatirten  Brief  Elbings  an  Osnabrück 
über  die  Gefangenschaft  des  Elbinger  Bürgers  Conrad  Slaginduwel,  der, 
vollständig  abgedruckt,  bisher  unbekannt  war. 

Bietet  der  erste  Band  des  Hansischen  Urkundenbuchs  bei  dem  Be- 
ginn der  Verbindung  zwischen  Preussen  und  der  Hansa  für  unsere 
Provinzialgeschichte  nicht  viel  neuen  Materials,  so  bringt  uns  dagegen 
die  zweite  grosse  Publication  des  hansischen  Geschichtsvereins,  die 
Becesse,  fast  allein  Inedita.  Die  zweite  Abtheilung  der  Becesse,  welche 
der  Verein  übernommen  hat,  beginnt  mit  dem  Jahre  1431  und  knüpft 
so  an  die  von  der  Münchener  historischen  Commission  durch  K.  Kopp- 
mann herausgegebene  erste,  von  der  bisher  3  Bände  bis  1390  vorliegen, 
an:  der  erschienene  erste  Band,  herausgegeben  von  Dr.  G.  v.  d.  Kopp, 
umfasst  den  kurzen  Zeitraum  vom  10.  Januar  1431  bis  zum  Sept.  1436; 
die  Zeit  der  hansischen  Kämpfe  mit  dem  Unionskönig  Erich  von  Pom- 
mern, für  Preussen  die  trostlosen  Jahre  Pauls  von  Bussdorf,  des  Hussi- 
tensturms  und  der  ewigen  Streitigkeiten  mit  Polen.  Die  neue  Samm- 
lung schliesst  sich  nach  Editionsmethode  und  Einrichtung  ganz  genau 
der  älteren  Koppmanns  an.  Wie  stark  Preussen  an  derselben  bethei- 
ligt ist,  ergiebt  sich  schon  aus  dem  Umstände,  dass  unter  den  97  Hanse- 
tagen, deren  Becesse  hier  abgedruckt  sind,  36  in  Preussen  abgehaltene 
sich  befinden.  Demgemäss  nehmen  auch  unter  den  archivalischen 
Quellen  die  preussischen  eine  hervorragende  Stelle  ein,  die  Danziger 
iBecesshandschrift  A  (1415—50)  lieferte  (p.  XXI  ff.  der   Einleitung) 


Der  Verein  Ar  hansische  Geschichte.  275 

43  Nummern,  ausserdem  fanden  sich  inDauzig  noch  26  einzelne  Becesse 
und  142  Briefe  und  Berichte,  60  einzelne  Urkunden  ergab  das  Königs- 
berger Stadtarchiv. 

Eine  besondere  Schwierigkeit  erwuchs  dem  Herausgeber  bei  der 
Behandlung  der  preussischen  Städtetage  aus  dem  Umstände,  dass  auf 
ihnen  Gegenstände  rein  territorialer  Natur,  wie  das  wechselnde  Ver- 
bältniss  Preussens  zu  Polen,  die  Politik  der  Stände  gegen  den  Orden 
neben  hansischen  Interessen  und  untermischt  mit  solchen  zur  Sprache 
kamen.  Mit  grossem  Geschick  hat  es  Dr.  v.  d.  Bopp  verstanden,  diese 
Klippe  zu  vermeiden,  indem  er  die  nicht  hansischen  Artikel  nur  in 
Regestenform,  die  hansischen  vollständig  zum  Abdrucke  brachte:  uns 
scheint  dieses  Verfahren  demjenigen  vorzuziehen,  welches  bei  der  Her- 
ausgabe der  preussischen  Ständeacten  durch  den  Verein  für  die  Ge- 
schichte der  Provinz  Preussen  eingeschlagen  wurde,  der  Auslassung 
der  fremdartigen  (also  hier  der  hansischen)  Artikel. 

Da  es  seit  Voigts  7.  Bande,  der  im  Jahre  1836  erschien,  an  einer 
politischen  Geschichte  dieser  Zeit  für  Preussen  fehlt,  lässt  sich  das 
neue  Material,  das  durch  den  vorliegenden  Band  unserer  Provincial- 
geschichte zugeführt,  nur  schwer  übersehen.  Wenn  einst  für  das  löte 
Jahrhundert  der  Vorrath  preussischer  Urkunden  zugänglich  sein  wird, 
werden  die  Prussica  der  Hansarecesse  erst  ihre  wahre  Würdigung  er- 
fahren können.  Eine  sehr  erhebliche  Erleichterung  für  die  Ausgabe 
der  „Acten  der  Ständetage  Preussens, B  die  bisher  bis  zum  Jahre  1421 
gediehen  sind,  enthält  dieser  Band  sicherlich  und  wird  dem  Heraus- 
geber derselben  nicht  minder  willkommen  sein,  wie  die  3  Bände  der 
ersten  Abtheilung. 

Aus  dem  angeführten  ergiebt  sich  zur  Genüge,  dass  die  beiden 
grossen  Arbeiten  des  hansischen  Geschichtsvereins,  deren  rüstiger  Fort- 
gang dringend  zu  wünschen  ist,  auch  für  die  Geschichte  der  Provinz 
Preussen  von  hervorragender  Bedeutung  sind.  Der  Verein  verdient  da- 
her die  volle  Theilnahme  und  Anerkennung,  die  er  im  Gebiet  der  drei 
Hansastädte,  Mecklenburgs  und  Livlands  bereits  gefunden  hat,  auch 
bei  uns:  denn  Preussen  steht  vorläufig  noch  in  der  Reihe  der  Land- 
schaften, die  sich  für  den  Verein  und  seine  Bestrebungen  interessiren, 


176  Kritiken  «od  Referate. 

weit  zurück,  nur  5  Mitglieder  nennt  das  Mitgliederverzeichniss  von  1874 
zwischen  Weichsel  und  Niemen:  erfreulich  ist  dagegen,  dass  4  preussische 
Hansastädte  den  Verein  unterstützen  (ib.  LX),  zu  denen,  wenn  wir  recht 
berichtet  sind,  im  vergangenen  Jahre  auch  Königsberg  getreten  ist. 
Ausser  von  Braunsberg  und  Memel  ist  von  den  übrigen  Städten  der 
Provinz  der  Beitritt  wohl  kaum  zu  verlangen. 

Alljährlich  zu  Pfingsten  hält  der  Verein  an  wechselnden  Orten  eine 
General- Versammlung:  1872  tagte  er  in  Lübeck,  im  folgenden  Jahre 
vereint  mit  dem  Harz- Verein  in  Braunschweig,  1874  versammelten  sich 
seine  Mitglieder  in  Bremen,  1875  in  Hamburg,  das  vergangene  Jahr  sah 
die  „Hanseaten11  in  Köln  und  für  das  laufende  Jahr  ist,  wie  wir  hören, 
Stralsund  in  Aussicht  genommen.  Möge  der  Verein  seine  Blicke  auch 
einmal  nach  Preussen  richten:  eine  Sitzung  des  hansischen  Geschichte- 
Vereins  in  Danzig  würde  sicherlich  nicht  ohne  befruchtende  Wirkung 
für  historisches  Interesse  in  unserer  Provinz  bleiben  und  dem  Verein 
selbst  bei  uns  neue  Mitglieder,  wie  unseren  heimischen  Bestrebungen 
neue  Anregung  zuführen.    Beides  aber  ist  gleich  dringend  zu  wünschen. 

M.  P. 


Altarthuttsgtsellschaft  Prussia, 

In  der  Sitzung  am  20.  Oktober  kam  das  Resultat  der  fast  dreiwöchentlichen 
Ausgrabungen  des  cand.  med.  Hennig,  welche  derselbe  auf  dem  Ontsterritormin 
von  Löbertshof,  Er.  Labiau,  zum  Theil  im  Mai,  zum  Theil  im  August  vorgenommen 
hatte,  zur  Vorlage  und  zum  Vortrag.  Der  freundlichen  Einladung  des  Besitzers, 
Lieutenant  Biebensahm  auf  Löbertshof,  und  der  angestrengten  Arbeit  des  cand. 
med.  Hennig  war  es  zu  danken,  dass  mehr  als  800  Nummern  von  Alterthümern,  die 
als  Gesammtfund  und  durch  die  gründliche  Beobachtung  der  Umstände,  unter  denen 
sie  aufgedeckt  wurden,  einen  um  so  hohem  Werth  haben,  zu  den  Sammlungen  der 
Gesellschaft  gekommen  sind.  Auf  einem  Grandlager,  das  circa  135  Ruthen  sich  ans 
der  flachen  Labiauer  Niederung  bis  14  Fnss  an  der  höchsten  Stelle  erhebt,  hat  cand, 
med.  Hennig  ungefähr  18  D-Buthen  durchgraben,  nahe  der  Stelle,  auf  welcher  die 
Trümmer  einer  alten  Windmühle  und  der  markirte  Stein  für  die  Generalstabskarte 
sich  befinden.  Dieser  Platz  ist  schon  in  der  Zeit  der  Leichenverbrennung  benutzt 
worden.  Dafür  sprechen  kalcinirte  Knochen  und  Knochenstückchen,  mit  denen  der 
Grandboden  durchweg  gemischt  war,  ebenfalls  auch  ein  früher  gefundener  Stein« 


Altertbumsgesellschaft  Prussia.  277 

hammer  und  ein  gebrochenes  Pferdegebiss  mit  bronzenen  Ringen  (vgl.  Schriften  der 
phys.-ökon.  Ges.  Jahrg.  1876,  Taf.  II,  pag.  54).  In  diesem  Grandlager  sind  aber 
muldenartige  Vertiefungen  schwarzer  Erde  bis  5  Fass  tief  gefunden  worden,  deren 
Ränder  sich  bisweilen  nur  schwach  markirten.  In  ihnen  lagen  sowohl  Alterthümer, 
regellos  verstreut,  als  auch  mit  Sorgfalt  bestattete  Skelette  von  Menschen  und 
Pferden.  Nur  ein  Pferde-Skelett  wurde  12  Fuss  tief  in  der  reinen  Kiesschicht  ge- 
fanden. Besonders  auffallend  war  es  dem  Untersuchenden,  dass  er  die  Menschen- 
skelette, mit  Ausschluss  von  einem,  ohne  Beigaben  fand,  die  der  Pferde  reich  ausge- 
stattet mit  Schnallen,  Trensen,  Sporen  von  Eisen,  einige  auch  mit  Verzierung  von 
Bronze  und  Knochen.  Die  Aufgrabung  konnte  im  Ganzen  leicht  vollzogen  werden, 
weil  sich  keine  Steinpflasterung,  sondern  nur  hin  und  wieder  einige  sogenannte  Kopf- 
steine ohne  Begelinässigkeit  fanden.  Die  Zahl  der  jetzt  aufgenommenen  mensch- 
lichen Skelette  betrug  19,  doch  sind  schon  bei  frühern  zufälligen  Grabungen  viel- 
leicht eben  so  viele,  ohne  dass  man  ihre  Lage  beobachtete,  zu  Tage  gekommen. 
Auf  der  Ostseite  des  Hügels  ist  ihre  Buhestätte,  an  dem  westlichen  Abhang  die 
Fundgrube  für  Pferdeskelette.  Niemals  lag  ein  Menschenskelett  über  dem  andern, 
die  meisten  in  einer  Tiefe  Ton  drei  Fuss,  einige  von  5  Fuss.  17  derselben  waren 
mit  den  Füssen  noch  Südosten,  mit  dem  Kopfe  nach  Nordwesten  gelagert,  zwei  mit 
den  Füssen  nach  Südwesten  und  dem  Kopfe  nach  Nordosten.  Sie  lagen  alle  auf 
dem  Kücken  lang  ausgestreckt,  die  Unterarme  über  der  Brust  gekreuzt  und  zwar 
stete  die  linken  'Handwurzelknochen  unter  den  Knochen  des  rechten  Vorderarms. 
Unter  vier  Menschengerippen  lagen  1 — iy2Fuss  tiefer  je  ein  Pferdeskelett  und  zwar 
im  rechten  Winkel  zum  Menschenskelett,  mit  dem  Schädel  nach  Südwesten,  dem 
Steiss  nach  Nordosten.  —  Die  bei  einem  einzigen  Skelett  gefundenen  Alterthümer 
bestanden  in  einer  silbernen  Münze  und  einem  kleinen  eisernen  Messer.  Die  Münze 
lag  auf  den  Knochen  des  Unterleibes  und  gehört  nach  Professor  Nesselmann  dem 
8.  Jahrhundert  n.  Ch.  an  oder  dem  2.  Jahrhundert  muhamedanischer  Zeitrechnung. 
Auf  dem  Avers  steht  in  arabischer  Sprache:  »Es  ist  kein  Gott  ausser  Allah,  dem 
Einzigen,  der  nicht  Seinesgleichen  hat.*  Die  Bandumschrift,  welche  den  Namen  der 
Stadt»  wo  sie  geprägt  ist  und  die  Jahreszahl  in  Buchstaben  enthält,  kann  wegen 
zweimaliger  Durchlochung  zum  Durchziehen  eines  Bandes  nicht  gelesen  werden. 
Leider  hat  auf  dem  Bevers  der  Kost  den  Namen  des  Califen  unter  den  Worten: 
»Mohamed  ist  der  Gesandte  Gottes,*  ebenfalls  zerstört.  —  Nicht  dieselbe  Regel- 
massigkeit wie  bei  Bestattung  der  Menschen  findet  sich  bei  der  der  Pferde,  wohl 
möglich,  dass  die  heidnischen  Preussen  dieselbe  Sitte  vor  dem  Begräbniss  ihrer  Pferde 
hatten,  von  der  in  späterer  Zeit  Peter  Dusburg  anno  1326  bei  denLittauern  erzählt. 
Sie  hätten  ihre  Pferde  vor  der  Verbrennung  so  lange  abgetrieben,  bis  sie  nicht  mehr 
auf  ihren  Füssen  stehen  konnten.  Von  den  durch  cand.  med.  Hennig  ausgegrabenen 
27  Pferdeskeletten,  von  denen  einige  nur  l!/2  Fuss  tief  gefunden  wurden,  lagen  21 
auf  dem  Bauch  mit  untergeschlagenen  Füssen,  die  ein  wenig  seitlich  fortgestreckt 

Altpr.  MonaUsohrift  Bd.  XIV.  HfU  1  u.  2.  12 


178  Kritiken  and  Referate. 

waren,  den  Kopf  dicht  an  den  Hals  gezogen,  5  mit  der  rechten  Seite  anfliegend  und 
lang  aasgestreckten  Füssen.  Nar  ein  Skelett  lag  auf  dem  Rücken  mit  nach  oben 
gerichteten  Füssen.  —  Der  Reichthara  von  Alterthümcrn,  der,  wie  gesagt,  800  Num- 
raern  umfasst,  enthält  allein  608  Gegenstände  zur  Aasrüstung  des  Pferdes.  --  Za 
dem  oben  erwähnten  eisernen  Pferdegebiss,  aus  zwei  Stücken  bestehend,  die  an  ihren 
Enden  durch  bronzene  Ringe  verziert  sind,  ist  zu  bemerken,  dass  ein  eben  solches 
bei  Tengen,  Kr.  Heiligenbeil,  unter  deutlichen  Spuren  von  Leichenbrand,  noch  in 
den  Zähnen  eines  Pferdes  gefunden  ist.  Das  kostbarste  Gebiss  von  allen,  in  seinem 
Mundstüok  und  Ringen  aus  Eisen  gearbeitet,  ist  statt  mit  eisernen  Querstangen,  mit 
schön  geschnitzten  Knochenstäben  versehen.  (Vgl.  Liadenschmit:  Aus  unserer  heidni- 
schen Vorzeit  Bd.  II,  Hft.  10,  Taf.  5,  Fig.  5  zum  Vergleich  der  Ringe,  in  denen  die 
Querstangen  aus  Knochen  sitzen.)  Ferner  befinden  sich  unter  den  88  eisernen  Pferde- 
gebissen drei  seltene  Exemplare,  weil  sie  ohne  Bruch  noch  Querstange  sind;  die 
übrigen  muss  man  sämmtüch  »gebrochen4  nennen,  einige  einmal,  andere  zweimal. 
Unter  letzteren  erregen  zwei  Exemplare  wegen  ihrer  Reparaturen  Aufmerksamkeit. — 
Von  den  290  Steigbügeln  sind  50  mit  keinem  besondern  Loch  zum  Dutchziehen  des 
Riemens  versehen.  Für  3  Exemplare  vergl.  Montelius  antiquite's  sue'doises  tom.  2, 
fig.  523  —  3.  Periode  des  Eisenalters,  3  Stück  sind  jener  Abbildung  ähnlich,  nur 
niedriger  und  breiter,  für  2  Exemplare  vergl.  Baehr:  Gräber  der  Liven  Taf.  XVI, 
Fig.  8.  —  Wie  ein  Theil  der  Pferdegebisse  und  Steigbügel  an  den  Pferdeskeletten 
gefunden  wurde,  so  auch  einige  von  den  ausgegrabenen  72  eisernen  Schnallen,  die 
entweder  rechteckig  sind,  oder  die  Form  eines  Kreises  oder  Halbkreises  haben.  — 
Ferner  dienten  zum  Schmuck  der  Pferde  Glocken  aus  Eisenblech,  wie  sie  heutigen 
Tages  von  den  Kühen  getragen  werden.  Von  14  sind  nur  Fragmente  voihanden, 
13  haben  einen  kegelförmigen,  eine  einen  cylinderischen  Mantel.  —  Die  Sporne  sind 
einfachster  Form:  der  Dorn  sitzt  an  einem  durchschnittlich  20  mm.  langen  Halse, 
•welcher  fast  noch  in  der  Fläche  des  Bügels  liegt  und  wenig  schräge  aufgesetzt  ist. 
An  einzelnen  Spornen  (im  Ganzen  36  gefunden)  sind  noch  die  Enden  des  Bügels  er- 
halten, so  dass  in  ihnen  die  schlitzenartigen  Oeffhungen  zum  Durchziehen  des  Riemens 
gesehen  werden  können.  —  Der  selten  schöne  Bronzeschmuck,  welchen  cand.  med. 
Hennig  an  dem  12  Fuss  tief  in  der  Kiesschicht  gelegenen  Pferdeskelett  fand,  wurde 
noch  nicht  vorgelegt  und  ebensowenig  eine  Beschreibung  der  gefundenen  Skelette  von 
Pferden  und  Menschen  gegeben,  weil  ausser  den  511  Gegenständen,  die  zur  Aus- 
rüstung der  Pferde  dienten,  noch  70  Waffenstücke,  66  Geräthe  und  90  Schmuck- 
gegenstande vorgezeigt  wurden.  —  Der  Fundort  der  zuletzt  rubricirten  2*26  Alter- 
thümer  ist  die  sogenannte  Kulturschicht  in  den  muldenartigen  Vertiefungen  des 
Grandlagers,  nur  ein  kleines  Messer  aus  Eisen  lag  an  der  Seite  des  Skeletts,  auf 
dem  die  arabische  Silbermünze  gefunden  wurde.  —  Von  den  hier  gefundenen  11  Schwer- 
tern, zu  denen  auch  die  vorher  von  Lieutenant  Riebensahm  der  Gesellschaft  ge- 
schenkten zugefügt  waren,  sind  6  einschneidige  messerartige  Kurzschwerter,  Scrama- 


Alterthumsgesellschaft  Prussia.  J79 

saxe,  vergl.  Lindenschmit:   Aas  unserer  heidnischen  Vorzeit,  Bd.  I,  Heft  7,  Taf.  6, 
Flg.  1,  bei  4  derselben  bildet  der  Bücken  eine  gerade  Linie,  eine  seltenere  Art,  bei 

2  läuft  der  Rücken  in  darr  unteren  Hälfte  nach  der  Spitze  zu  der  Schneide  entgegen 
(vergl.  8chriften  der  physikal  .-Ökonom.  Geaellsch.,  Jahrg.  1876,  Taf.  I,  Fig.  f>).  Zwei 
dieser  Scramasaxe  sind  verbogen,  drei  zeigen  noch  deutlich  die  verzierende  Hohlkehle. 
5  Schwerter  sind  zweischneidig,  vergl.  Montelius  antiquitäs  su6doises  fig.  508  und 
gehören  der  dritten  Periode  des  Eisenalters  an,  wie  sie  in  Schweden  gerechnet  wird, 
vergl.  auch  Bahr,  Gräber  der  Liven,  Taf.  18,  Fig.  3  wegen  des  Knaufe  und  wegen 
der  sogenannten  Blutrinne.  Von  den  46  Speerspitzen  ist  ersichtlich,  dass  sie  den 
späteren  Jahrhunderten  der  heidnischen  Zeit  angehört  haben,  weil  keine  eine  Rippe 
oder  einen  Grat,  sondern  nur  eine  hervortretende  Linie  an  der  dicksten  Stelle  der 
lütte  der  Blattklinge  zeigt.  Für  19  Speerspitzen  vgl.  Lindenschmidt,  Bd.  I,  Heft  1, 
Taf.  6,  Fig.  26  u.  28,  für  6  Speerspitzen  mit  blattförmiger  Klinge  Lindenschmit, 
Bd.  I,  Taf.  6.  Fig  27  u.  Bd.  U,  Heft  9,  Taf.  5,  Fig.  2,  3,  6.  Für  3  rhombische 
Speerspitzen  vergl.  Lindenschmidt,  Bd.  I,  Heft  1,  Taf.  6,  No.  21,  für  9  Speerspitzen 
Lindenschmidt,  Bd.  I,  Heft  I,  Taf.  6,  Fig.  24,  für  2  harpunenartige  Speerspitzen  mit 

3  Widerhaken  vgl.  Bahr,  Gräber  der  liven,  Taf.  XVIII,  Fig.  8  u.  Fig.  10,  für  7  mit 
gewundenem  Stiel  und  einem  Widerhaken  Bahr,   Taf.  XVIII,  Kg.  9.  —  Die  beiden 
Giadbeile  aus  Eisen  erinnern,   das  grosse  an  Lindenschmidt»  Bd.  I,  Heft  2,  Taf.  7, 
Fig.  14,  das  kleinere  an  Lindenschmidt,  Bd.  1,  Heft  2,  Taf.  7,  Fig.  8,  nur  sind  die 
Schneide  und  die  Fortsätze  am  Bahnende  länger.  —  Ueberreste  von  Schwertscheiden 
sind  nicht  gefunden,  nur  zwei  Ortbände,    die  Endstücke  der  Schwertscheiden,  beide 
aus  Bronze.  —  Von  den  59  kleinen  eisernen  Messern  haben  3  die  Form  kleiner 
Rasiermesser,  10  die  der  bei  Lindenschmidt  Bd.  I,  Heft  8,  Taf.  4,  Fig.  1  abgebilde- 
ten bronzenen  Messer,  14  Stück  die  bei  Montelius  antiquite's  suädoises  Fig.  401  aus 
der  zweiten  Periode  des  Eisenalters  abgebildete  Form.  —  Ferner  sind  2  durchlochte 
stabfftrmige  Wetzsteine  aus  versteinertem  Holz  und  2  Rudimente  derselben  anzu- 
führen, die  u.  a,  zum  Schleifen  der  kleinen  Messer  dienten.  —  Zum  Abwiegen  der 
arabischen  Sübermünzen  und  feinen  Filigranarbeit  aus  Silber,  von  welcher  auf  diesem 
Begräbnissplatz  nichts  gefunden  wurde,  hatte  man  in  der  Zeit  vom  8.  bis  12.  Jahr- 
hundert auch  schon  kleine  bronzene  Waagschaalen.    Wenn  diese  auch  hier  nicht 
mehr  gefunden  wurden,  so  hat  sich  der  Waagebalken  aus  Bronze  mit  beweglichen 
Armen  hier  erhalten,  vergl.  u.  a.  Bahr,  Gräber  der  Liven,  Taf.  XX,  Fig.  14.  —  Als 
Uebergang  von  Geräthen  zu  den  Schmucksachen  können  2  cjlindrische  eiserne  Etuis 
mit  Bügeln   angeführt  werden.    Fast  konnte  man  sie  mit  feingearbeiteten  Vorlege- 
schlössern vergleichen,   die  einen  sehr  dünnen  Bügel  haben,  welcher  dem  Cylinder 
parallel  läuft,  vgl.  memoires  du  Nord,  Jahrg.  1872,  pl.  14,  Fig.  6.    Es  dürfte  nicht 
unwahrscheinlich  sein,  dass  sie  auch  als  festschliessende,  starke  Gewandnadeln  benutzt 
wurden.  —  Unter  den  90  Schmuckgegenständen  gehören  zu  den  selteneren  10  voll- 
ständige und  7  defecte  Bügel  aus  Eisen  in  Form  eines  Halbkreises  und  erinnern  m 

12* 


JgO  Kritiken  und  Referate. 

Bahr,  Gräber  der  Liven,   Taf.  5,  Fig.  13:   sie  wurden  über  den  Nacken  gelegt  und 
an  ihre  Enden  auf  der  Brustseite  eine  Kette  angehängt:  in  Lirland  wurden  sie  aus 
Bronze  gefunden.  —  Von  den  25  bronzenen  Gewandnadeirk  sind  19  hufeisenförmig, 
die  Nadel  hängt  mit  ihrem  bandartig  sich  verbreitenden  und  spiralförmig  aufgeroll- 
ten Ende  in  dem  Bügel.   Die  Bügelenden  sind  bei  12  aufgerollt  (Bahr,  Taf.  8,  Fig.  21), 
bei  4  mit  im  rechten  Winkel  aufsitzenden  Knöpfen  verziert   (vgl.  Verhandlungen  d. 
Estnischen  Gesellsch.  Bd.  VI,  1870.  Heft  1  u.  2,  p.  44,  Fig.  31,  32,  34,  36,  90  und 
Bahr,  Taf.  VIII,  Fig.  8  u.  14).    Bei  einer  hufeisenförmigen  Fibula  schliesst  das  eine 
Ende  des  Bügels  mit  rechtwinklig  aufsitzendem  Knopf,  das  andere  Ende  ist  aufge- 
rollt, die  Dicke  des  Bügels  misst  7  mm.,  der  Durchmesser  des  Gewandhalters  70  mm. 
2  hufeisenförmige  Gewandhalter  schliessen  mit  verdickten  und  verzierten  Enden  in 
der  Fläche  des  Bügels  (vgl.  Bahr,  Taf.  8,  Fig.  13),  3  Gewandnadeln  sind  ringförmig 
geschlossen,  die  Vorderseite  ist  mit  radienartig  aufgesetzten  Bippen  verziert,  die 
Bückseite  glatt  und  die  Nadel  hängt  an  einem  Stift,  der  an  zwei  rechtwinklig  auf- 
sitzenden Vorsprüngen  befestigt  ist.    Eine  Gewandnadel  bildet  eine  Platte  in  Kreis- 
form und  auf  ihrer  Bückseitc  ist  ebenso,  wie  eben  beschrieben,  die  Nadelbefestigung. 
Eine  andere  Fibula  ist  ähnlich,  nur  in  der  Mitte  mit  einer  kleinen  Oeffnung  ver- 
sehen und  der  Kopf  der  Nadel  ist  in  der  Nähe  eingewunden,  so  dass  sie  sich  be- 
wegen kann  (vgl.  Schriften  der  physikal.- Ökonom.  Gesellsch.  1872.  Taf.  5,  Fig.  7). 
Dem  flüchtigen  Beschauer  möchte  die  Meinung  erlaubt  sein,  dass  er  hier  Sachen  der 
kurischen  Nehrung  oder  aus  den  Tensha-Gräbern,  Gouvernement  Kowno,  vor  sich 
habe.   Er  wird  darin  bestärkt  beim  Anblick  einer  bronzenen  Armspange,  deren  Enden 
Drachenköpfe  vorstellen,  nur  sind  die  in  Löbertshof  gefundenen  noch  schöner,  als 
die  aus  den  Tensha-Gräbern  (Estn.  Gesellsch.  Bd.  VI.  Fig.  93).    Von  den  andern 
Armbändern  ist  eines  aus  'drei  Bronzedrähten  zusammengewunden,  wie  die  Halsringe, 
von  denen  nur  einer  in  1  y2  Windungen  erhalten  ist,  sonst  aber  noch  viel  Fragmente 
gefunden  wurden,  die  andern  Armspangen  haben  eine  Bandform  in  grösserer  und 
geringerer  Breite,  eine  zeigt  4  Windungen.  —  Auch  unter  16  Fingerreifen  sind  9 
spiralförmig  gewunden  (vgl.  Bahr,  Taf.  6,  Fig.  18),  nur  einer  geschlossen,  die  übrigen 
nach  Belieben  der  Grösse  des  Fingers  anzupassen,  darunter  auch  ein  gebuckelter 
Bing.  Seltener  sind  die  breiten  Gürtelbeschläge,  von  denen  einer  aus  Silberblech,  der 
andere  aus  Bronzeblech  hergestellt  ist  und  eine  Verzierung  in  einer  Zickzacklinie 
aufweist.    Der  Beichthum  an  Perlen  ist  für  diese  grosse  durchgrabene  Fläche  ver- 
hältnissmässig  klein :  es  sind  2  Thonperlen,  2  Glasperlen  von  blauem  Glas,  eine  kleine 
Doppelperle  und  eine  grössere  ringförmige  Perle,  6  aus  Stein  und  7  aus  Bernstein 
gefunden  worden.     Die  grösste  Bernsteinperle  misst  im  horizontalen  Durchmesser 
45  mm.,  in  der  Höhe  20  mm.    Das  einzige  erhaltene  Thongeföss,  88  mm.  hoch,  mit 
einem  Durchmesser  von  60  mm.  am  Boden,  61  mm.  an  der  Oeffnung  des  einge- 
schnürten Halses,  stimmt  in  seinem  Profil  mit  dem  kleineren  für  die  Tensha-Gräber 
abgebildeten  Gefasse.    Wollten  wir  das  Resultat  der  Untersuchungen  des  Professor 


Alterthumsgesellschaft  Prussia.  281 

Grewingk  in  Dorpat,  die  derselbe  über  die  Tensha-Graber  gemacht;  hat,  für  den 
grössten  Theil  der  bei  Löbertshof  gefundenen  Sachen  in  Betrachtung  ziehen,  weil 
eine  Uebereinstimmung  der  Fnndobjecte  theilweise  vorhanden  ist,  so  ist  Grewingk's 
Aussprach,  die  Inhaber  der  Tensha-Graber  hätten  zwischen  dem  10.  und  13.  Jahr- 
hundert gelebt,  mit  den  Nachweisen  ans  Montelius'  nnd  Bähr's  Werken  nicht  im 
Widersprach.  Eine  andere  Frage  ist  aber,  welchem  Stamme  die  Inhaber  des  Löberts- 
hofer  Leichenfeldes  angehört  haben.  Hierüber  wird  eine  genauere  Untersuchung  der 
Skelette,  Ton  denen  mehrere  wieder  im  nächsten  Sommer  in  den  Sammlungen  der 
Prussia  ausgestellt  sein  werden,  und  eine  genaue  Bearbeitung  des  Lebertshofer 
Leichenfeldes  in  einer  besonderen  Publikation  der  Prussia  durch  cand.  med.  Hennig 
Auskunft  geben. 

Die  neu  angemeldeten  Mitglieder  sind:  cand.  Ivanovius,  Rittergutsbesitzer 
Biebensahm  auf  Löbertshof,  Bittergutsbesitzer  Siegfried  auf  Jäglack,  Gymnasial- 
Lehrer  Dr.  Tribukeit  in  Bastenburg.  Ostpr.  Ztg.  1876.  Nr.  270.  (Beil.) 

Sitzung  «in  15.  November  1876.  »Die  Fortsetzung  und  der  Abschluss  der 
Ausgrabungen  im  Arys-See"  war  der  auf  der  Tagesordnung  stehende  grössere  Vor- 
trag, welchen  Professor  Hey  deck  hielt.  Er  skizzirte  in  der  Einleitung,  zu  welchen 
Resultaten  er  im  September  1873  mit  Hauptmann  v.  Streng  über  den  Pfahlbau  im 
Arys-See  bei  Werder  gekommen  war,  der  nach  Senkung  des  Spiegels  des  Arys-Sees 
behufs  Anlage  der  Arys-Mühle  zu  Tage  trat  und  von  welchem  ebenso  wie  von  dem 
Pfahlbau  im  Czarni-See  Bittergutsbesitzer  Balduhn  auf  Krczywen  1866  und  1868 
in  der  »Altpreussischen  Monatsschrift*  berichtet  hatte.  Prof.  Hey  deck  hatte  im 
Herbst  1873  feststellen  können,  dass  der  Pfahlbau  im  ^rys-See  in  Form  eines 
Rechtecks  ca.  36Fuss  lang  und  ca.  72Fuss  breit  und  durch  eine  ca.  löOFuss  lange 
Pfahlbrücke,  aus  drei  Reihen  Pfähle  bestehend,  mit  dem  Festland  verbunden  war. 
Er  war  1873  durch  Umgraben  des  Bandes  dieser  Wohnstätte  in  diesen  Maassen  auf- 
gedeckt worden.  Bei  der  Durchgrabung  des  Innern  des  Pfahlbaus  im  Septbr.  1875 
stellte  es  sich  heraus,  dass  die  Maasse  richtig,  aber  an  der  dem  Lande  zugekehrten 
Langseite  kein  Ausschnitt,  wie  er  1873  angenommen,  sondern  eine  Laufbrücke  sich 
befunden  habe  und  auf  der  dem  Lande  abgewaudten  Langseite  die  Wohnungs-  und 
auch  Stallräume  der  Bewohner  des  Pfahlbaus  lagen.  Um  so  erklärlicher  ist  aus  dem 
letzteren  Grunde,  dass  das  Rechteck  des  Wohnraums  noch  durch  einen  Kreis  von 
Pfählen  zur  Abwehr  des  Eises  geschützt  ist. 

Auch  der  horizontale  Durchschnitt,  wie  er  1873  am  Bande  des  Pfahlbaus  ge- 
funden war,  zeigte  sich  in  gleicher  Weise  im  Innern  desselben.  Nachdem  1  m.  tief 
gegraben,  wurde  die  oberste  von  3  horizontal  geschichteten  Reihen  Pfählen  gefunden, 
nur  lagen  sie  nach  der  Seeseite  zu  regelmässiger  als  nach  der  Landseite.  Die  grösste 
Länge  der  horizontal  geschichteten  Balken  betrug  8  m.  Aber  in  nicht  regelmässiger 
Entfernung  von  einander  waren  diese  horizontal  geschichteten  Balkenlagen  durch 
Pfahle  in  fast  senkrechter  Richtung  unterbrochen,    welche  bis  4  m.  28  cm.  masseu 


J82  Kritiken  and  Referate. 

und  von  denen  0,54  cm.  über  die  Rasenfläche  hinausragten.  Die  Stellung  dieser 
Pfahle  war  nach  dem  Lande  zu  geneigt.  Alle  Bemühungen,  Bindemittel  wie  z.  B. 
Weidenrnthen  zwischen  den  Balken  zn  finden,  waren  vergeblich,  nur  Einkerbungen 
zeigten  die  Pfahle.  —  Ist  so  das  Fundament  des  Hauses  beschaffen  gewesen,  so 
drängt  sich  sofort  die  Frage  nach  den  Ueberresten  des  oberen  Baues  auf.  Von  dem- 
selben sind  September  1875  Spuren  der  Feuerstatte  gefunden,  nämlich  durch  Feuer 
erhärteter  Lehm  auf  Holzlagen  und  September  1873  Strohspulen,  die  von  der  Dach- 
deckung herzurühren  scheinen.  Dass  hier  aber  nicht  bloss  Menschen,  sondern  auch 
Viehheerden  ihr  Unterkommen  hatten,  ist  durch  den  Septbr.  1873  gefundenen  Kuh- 
dünger bewiesen.  Andere  Merkmale  für  die  Bewohner  des  Platzes  werden  in  den 
Küchenabfallen,  Geräthen  und  Waffen,  welche  reichlich  in  dem  Pfahlbau  gefunden 
sind,  geboten.  Die  im  Herbst  1875  aufgenommenen  Knochen,  welche  mehr  als 
yt  Scheffel  betragen,  werden  wohl  (sie  sind  noch  nicht  untersucht  worden)  bestätigen, 
was  der  Fund  der  Kücbenabfalle  vom  Jahre  1873  besagte,  dass  die  Bewohner  des 
Pfahlbaus  von  Bind,  Schwein  und  Schaf,  vielleicht  auch  von  der  Ziege  lebten.  Bei 
der  früheren  Ausgrabung  fanden  sich  nur  Oelfrüchte  (Camelina  microcarpa),  von  denen 
nicht  festgestellt  werden  konnte,  ob  sie  wild  gewachsen  oder  von  den  Inhabern  des 
Pfahlbaus  kultivirt  worden  sind.  Die  grossen  Steine, '  die  als  Unterlage  zur  Hand- 
mühle dienten,  und  ßchon  bei  der  ersten  Ausgrabung  an  das  Tageslicht  kamen, 
zeigten,  dass  auf  ihnen  Getreide  gemahlen  worden  ist,  nur  fand  sich  kein  Getreide. 
Nur  eine  Frucht  war  in  grosser  Fülle  vorhanden,  die  Haselnuss  (corylus  Avellana).  Die 
letzte  Ausgrabung  hat  hierüber  auch  Auskunft  geschafft.  Aus  verkohlten  Körnern 
und  faserartigen  Pflanzenüberresten  (Septbr.  1875  gefunden)  muthmasst  Prof.  Cas- 
pary  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  verkohlten  Getreidekörner  verkohlte 
Hirse  (panicum  miliaceum)  und  verkohlte  Gerste  und  die  zuletzt  bezeichnete  Pflanze 
mit  parallelen  Stengeln  Flachs  (linum  usitatissiwum)  ist.  —  Zu  diesem  wichtigen  Funde 
von  Getreide,  kamen  im  letzten  Herbst  noch  neue  Fundstücke  hinzu,  die  vermöge  ihres 
Materials  einen  endgiltigen  Auftchluss  geben,  ob  die  Inhaber  des  Pfahlbaus,  die  ihre 
Hausthiere  hatten,  ihr  Getreide  bauten  und  es  auf  ihren  Handmühlen  mahlten,  der 
vtormetallischen  oder  metallischen  Zeit  angehört  haben.  Bei  der  Durchgrabung  des 
äusseren  Bandes  des  Pfahlbaues  und  einzelnen  Stellen  der  Pfahlbrücke  im  Herbst 
1873  war  kein  Stück  von  Metall  gefunden,  sondern  nur  Geräthe  aus  Knochen,  Holz, 
Thon  und  Stein.  Freilich  blieb  immer  noch  eine  offene  Frage,  wie  haben  mit  solchen 
Geräthen  die  grossen  Pfahle  bearbeitet  werden  können?  —  Durch  die  letzte  Aus- 
grabung ist  diese  Unsicherheit  gehoben:  Prof.  Heydeck  fand  eine  eiserne  kleine 
Lanzenspitze  (10,7  cm.  lang)  mit  einem  Grat  und  einer  Tülle  (1  cm.  im  Durchmesser), 
einen  grossen  bronzenen  Knopf  (die  Platte  4,5  cm.  im  Durchmesser)  mit  ein  wenig 
umgebogenem  Bande,  auf  der  einen  Seite  der  Platte  sitzt  8  mm.  hoch  eine  1  cm.  im 
horizontalen  Durchmesser  haltende  Erhebung,  auf  der  andern  Seite  7  mm.  über  der 
Platte  eine  Oese,  3  mm.  dick,  deren  Enden  auf  der  Platte  7  mm.  von  einander  ent- 


Alterthumggesellschaft  Prussia,  ISS 

fernt  ansitzen)  and  ein  Stück  Bronzeguss.  Prof.  Heydeck  hat  aber  noch  einen  andern 
Beweis  für  die  metallische  Zeit  des  Pfahlbaus  des  Arys-Sees  bei  Werder:  es  ist  der 
Fond  eines  mit  einer  Metallröhre  bearbeiteten  Steinhammers  in  dem  ]/4  Meile  vom 
Pfahlbau  im  Arys-See  entfernten  Pfahlbau  im  Czarni-See,  in  welchem  irdene  Gefasse 
derselben  Form  wie  im  Arys-See,  auch  eine  Hornaxt  und  eine  eiserne  Lanzenspitze 
in  diesem  Herbst  gefanden  worden.  Doch  ehe  ein  Bericht  über  die  Untersuchung  im 
Czarni-See  gegeben  wurde,  erfolgte  die  Aufzählung  und  Beschreibung  der  reichen 
Funde  aus  dem  Arys-See  nach  ihrem  Material.  An  Geräthen  aus  Stein  ist  nur  eine 
Ausbeute  von  5  messerartigen  Splittern  aus  Feuerstein  gemacht.  Die  Ausbeute  von 
Gerathen  oder  Werkzeugen  aus  Zähnen,  Hörn  oder  Knochen  ist  verhältnissmässig 
eine  grosse,  sie  besteht  in  einem  durchbohrten  Eberzahn,  in  3  Fragmenten  und  in 
4  vollständigen  Aezten  aus  Hörn,  Geweih  oder  Knochen,  in  11  Pfeilspitzen,  in  4 
Pfriemen,  in  2  Schabern  und  in  2  Haarnadeln  und  2  Nadeln  zum  Nähen,  welche 
letzteren  Gegenstände  fast  alle  aus  Knochen  gearbeitet  sind.  Auch  hat  sich  rohes 
Hörn  mit  bearbeiteten  Stellen  und  auch  ein  Paar  bearbeitete  Rippen-  und  Röhren- 
knochen gefunden.  Die  Fragmente  von  Aexten  aus  Hörn  oder  Knochen  sind  ein 
Stuck  Schneide,  ein  Bahnende,  an  welchem  das  ganze  rechteckige  Schaftloch  noch 
sichtbar  ist,  und  ein  Seitenstuck  zur  oberen  Schneide  (?);  an  den  übrigen  4  Aexten  ist 
nicht  durchgehend  die  Schärfe  der  Schneide  erhalten,  sondern  bei  einigen  Exemplaren 
wahrscheinlich  schon  durch  den  Gebrauch  abgenutzt.  Die  grösste  Axt  ist  16  cm. 
lang,  an  der  Bahn  6!/2  cm.  breit  und  5  cm.  dick,  diese  Axt  hat  ein  rundes  Schaft- 
loch zum  Stiel,  ebenso  wie  eine  kleine  9,3  cm.  lange  Behsprosse  mit  zugespitzter 
Schneide,  an  der  Bahn  nur  1,9  cm.  dick.  Eine  Axt,  15,2  cm.  lang  mit  zugespitzter 
Schneide,  hat  das  Schaftloch  in  der  Mitte  zwischen  Bahn  und  Schneide,  während  die 
anderen  Geräthe  es  näher  der  Bahn  haben.  Die  vierte  durchlochte  Axt  ist  9,5  cm. 
laug,  aber  das  Schneideende  ist  schon  abgebrochen;  das  Schaftloch  ist  oval.  —  Die 
1 1  Pfeilspitzen,  aus  hohlen  Knochen  gearbeitet,  die  an  einer  Seite  spitz  zugeschliffen 
sind,  haben  eine  Länge  von  7  bis  11,8  cm.  —  Die  4  Pfriemen  sind  3,5  bis  6  cm. 
lang.  —  Die  2  Schaber,  die  ersten,  welche  in  dem  Pfahlbau  gefunden  sind,  haben 
eine  annähernd  rechteckige  Form  mit  abgerundeten  Ecken,  der  eine  8,6  cm.  lang  und 
4,5  cm.  breit,  der  andere  9,9  cm.  lang  und  3,7  cm.  breit;  der  Längenausdehnung 
entspricht  die  scharfzulaufende  Schneide.  Die  dickere  Bückenseite,  mit  der  der 
Schaber  gefasst  wurde,  ist  noch  mit  zwei  kreisförmigen  Löchern,  je  einem  an  den 
abgerundeten  Ecken  der  Rücken seite,  verschen.  —  Die  zwei  Haarnadeln  haben  eine 
Länge  von  18,7  und  16  cm.  und  sind  aus  langen  dünnen  Knochen  gearbeitet.  —  Die 
2  durchlochten  Nadeln  zum  Nähen,  7,5  und  6  cm.  lang,  unterscheiden  sich  durch 
die  Lage  des  Nadelöhrs;  die  eine,  wohl  erhalten,  hat  es  an  dem  der  Nadelspitze 
entgegengesetzten  Ende,  die  andere  ist  in  der  Mitte  aufs  Neue  durchlocht  worden, 
weil  das  alte  Nadelöhr  an  einem  Ende  ausgebrochen  war.  —  Die  Betrachtung  des 
bearbeiteten  Holzes  ist  eine  viel  schwierigere,  als  die  des  anderen  Materials,  weil 


|g4  Kritiken  and  Referate. 

das  Holz  sich  fast  nicht  anders  als  im  Wasser  erhalten  läset.  Von  bearbeitetem  Holz 
war  ron  besonderer  Wichtigkeit  eine  Klammer  zum  Zusammenhalten,  pflock-  und 
keulenartige  Stücke  Holz,  auch  ein  Stamm  mit  ansitzendem  Ast,  ferner  Kieferborke, 
welche  kreisförmig  zugeschnitten  und  in  der  Mitte  durchlocht,  als  Flotthölzer  diente 
(von  der  letzten  Ausgrabung  2  Exemplare)  und  2  Quirle,  wie  dgL  auch  in  Pfahlbauten 
anderer  Länder  gefunden  sind.  Prof.  Heydeck  vermuthet,  dass  an  diese  Quirle  kleine 
kugelförmige  Steine  befestigt  wurden  und  diese  an  eine  Leine  gebunden  dazu  dienten, 
die  verlorengegangenen  Netze  aufzufischen,  wie  es  noch  heutigen  Tages  die  Fischer 
thun.  —  Von  Ueberresten  von  Gelassen  aus  Thon  lag  Prof.  Heydeck  diesmal  ein 
Vorrath  von  */A  Scheffel  Scherben  zur  Auswahl  vor.  Er  entnahm  denselben  die  durch 
ihr  Profil,  durch  ihre  Boden-  oder  Stehfläche  und  durch  ihre  Verzierungen  interessanten 
Topfscherben.  Die  Gefasse  sind  von  der  verschiedensten  Grösse,  von  6,5  bis  47  cm. 
Nach  dem  Scherbenfunde  lässt  sich  schliessen,  dass  hier  nur  Gefasse  mit  Stehflachen 
gebraucht  wurden,  einzelne  kleine  Gefasse  zeigen  einen  vollständigen  Untersatz,  ein 
kleiner  Napf  zeigt  sogar  einen  ausgehöhlten  Boden.  Ferner  sind  noch  zwei  Eigen- 
tümlichkeiten bei  den  meisten  Scherben  vorhanden,  eine  rauhe  Aussenflache  und  die 
Durch! ochung  des  Gefassrandes  zum  Durchziehen  einer  Schnur,  wie  solche  Scherben 
auch  auf  der  kurischen  Nehrung  gefunden  sind.  Prof.  Hey  deck  hat  beide  Eigen- 
schaften der  Scherben  auch  an  den  aus  Pfahlbauten  in  Baden  entnommenen  und  im 
Carlsruher  Museum  aufgestellten  Thougefässen  wahrgenommen  und  hält  sie  für 
Kochgeschirre.  Wenige  andere  Topfscherben  mit  einer  glatten  Aassenflache  tragen 
eine  Daumen-Nagel-  oder  Schnur- Verzierung,  welche  letztere  bisher  als  nur  der  voi- 
metallischen  Zeit,  wie  es  scheint  mit  Unrecht,  zugeschrieben  wurde. 

Nach  der  Betrachtung  dieses  Pfahlbaues  im  Arys-See,  der  in  Altpreussen  bis- 
her allein  eine  solche  Vollständigkeit  von  Fundobjecten  erwies  und  jetzt  der  metalli- 
schen Zeit  zugeschrieben,  aber  der  historischen  Zeit  abgesprochen  werden  muss,  so 
dass  man  ihn  nicht  als  Fliehhaus  der  Ordensleute  ansehen  darf,  berichtete  Prof. 
Heydeck  über  seine  Untersuchungen  im  Ozarni-See,  welcher  V,  Meile  nordwestlich 
vom  Pfahlbau  im  Arys-See  bei  Werder  liegt.  Nicht  so  günstig  liess  sich  im  Czarni- 
See  graben,  sondern  hier  konnte  wegen  der  Wassermenge  nur  geschöpft  werden: 
Dieselben  Urnenscherben  mit  rauher  Aussenfläche  fanden  sich  hier  wie  im  Arys-See, 
an  denen  man  noch  die  rauhen  Streichlinien  mit  der  Handfläche  und  den  Fingern 
wahrnehmen  kann  und  ebenso  die  durchlochten  Gefassränder  zum  Durchziehen  eines 
Bandes.  Von  anderen  Gegenständen,  welche  der  vormetallischen  Zeit  gewöhnlich 
zugeschrieben  werden,  sind  gefunden  worden:  das  Fragment  einer  durchlochten  Axt 
von  Geweih  und  ein  Stück  Feuersteinmesser.  Das  gefundene  Steinbeil  aus  Diorit- 
Porphyr  zeigt  durch  die  Bearbeitung  zweier  Bohrlöcher,  1)  dass  solche  Gerathe  aus 
Stein  noch  kostbar  waren;  denn  das  Steingeräth  war  früher  länger  und  trägt  an 
seiner  noch  vorhandenen  Bahn  ein  Stück  Seitenwand  des  alten  Bohrlochs;  uud  2)  an 
der  Herstellung  desselben,  wie  es  mit  einem  Metallcy linder  in  regelmässig  aufeinander 


Alterthumsgesellschaft  Prnssia.  285 

folgenden  Rillen  gearbeitet  worden  ist.  Die  cylindrische  Form  des  Bohrcylinders 
offenbart  sich  aber  noch  in  dem  Versneb  ein  neues  Bohrloch  herzustellen.  Dieses 
wurde  aber  nicht  vollendet,  sondern  es  blieb  der  Zapfen  stehen,  nachdem  wenige 
Centimeter  tief  der  Bohrcylinder  in  den  Stein  hir eingearbeitet  war.  Dieses  inter- 
essante Steingeräth  hat  die  Länge  von  8  cm.,  an  der  Schneide  eine  Höhe  von  3,9  cm., 
an  der  Bahn  2,9  cm.,  die  grösste  Breite  in  Entfernung  von  1,3  cm.  von  der  Bahn, 
wo  die  Bohrung  des  zweiten  Schaftlochs  begonnen  ist,  im  Betrage  von  4,4  cm.  — 
Yon  Gegenständen  der  metallischen  Zeit  ist  von  Bittergutsbesitzer  Bald  ahn  und 
Studiosas  We  dt  ho  ff  schon  früher  eine  eiserne  Lanzenspitze  mit  durchlaufendem 
Grat  gefunden  worden  und  im  September  1875  von  Prof.  Hey  deck  wiederum  eine 
solche  mit  sehr  schwachem  Grat,  16  cm.  lang,  deren  Tülle  im  Durchmesser  1,4  cm. 
hat.  Die  grösste  Breite  der  Klinge  beträgt  2,1  cm.  Noch  ein  anderer  Fund  wurde 
an  der  Pfahlbaustelle  im  Czarni-See  gemacht,  bestehend  in  der  Hälfte  einer  blauen 
Glasperle  mit  einem  weissgelben  Zickzackmuster,  Da  von  jedem  Pfahlbau,  von  dem 
im  Arys-See  180  Schritte  südöstlich  entfernt  und  von  dem  im  Czarni-See  450  Schritte 
ostnordöstlich  entfernt  ein  Grabhügel  liegt,  die  bei  früheren  Untersuchungen  Thon- 
gefässe  übereinstimmender  Form  und  Bearbeitung  mit  den  Thongefässen  in  beiden 
Pfahlbauten  gezeigt  hatten,  so  konnte  eine  Oefihung  von  Grabhügeln  in  der  Nähe 
des  Arys-Sees  nicht  umgangen  werden,  um  durch  diese  neue  Aufschlüsse  über  die 
Bewohner  der  Pfahlbauten  zu  erhalten.  —  Ein  Grabhügel  auf  dem  Topek'schen 
Grunde  enthielt  ein  Eistengrab  gewöhnlicher  Dimension,  l'/4  m.  lang  und  3/4  m. 
breit,  aber  keine  Urnenscherben  mehr.  —  Ein  Grabhügel  bei  Odoyen,  nordwestlich 
vom  Arys-See,  enthielt  ein  Ganggrab,  von  den  Dänen  Steinröhre  genannt  Wenn 
dasselbe  auch  schon  berührt  war,  so  konnte  Prof.  Heydeck  noch  den  interessanten 
Bau  feststellen  und  die  Uebereste  eines  Gefässes,  wie  eine  Spur  von  Bronze  auf- 
nehmen. Die  Zusammensetzung  der  Scherben  ergab,  dass  es  ein  Geftss  ohne  Steh- 
Üäche  gewesen  war.  Bei  dieser  Untersuchung  der  Pfahlbauten  und  der  genannten 
Grabhügel,  welche  länger  als  eine  Woche  dauerten  und  bei  der  in  den  Pfahlbauten 
15—20  Arbeiter  täglich  beschäftigt  wurden,  hatte  Prof.  Heydeck  die  dankenswerthe 
Hilfe  des  Studiosus  Wedthoff  und  genoss  die  Gastfreundschaft  des  Bitterguts- 
besitzers Dembowski  auf  Werder. 

Eine  gleiche  Förderung  seiner  Untersuchungen  fand  Prof.  Hey  deck  bei  Baron 
Schenck  von  Taute nburg  auf  Gr.  Partsch,  als  er  bei  Doben,  Kreis  Angerburg, 
einen  grossen  Grabhügel  öffnete,  der  auch  eine  Steinröhre  oder  ein  Ganggrab  enthielt, 
wie  es  in  Odoyen  vorhanden  gewesen  war.  Baron  Schenck  wird  die  Steinröhre,  die 
nun  ihrer  Bedeckung  von  kleinen  Steinen  und  Erde  entkleidet  ist,  zur  richtigen 
Instruction  und  zur  Erinnerung  an  die  heidnische  Zeit  so  stehen  lassen.  Der  Gang 
hatte  16  Fuss  Länge,  3  Fuss  Höhe  und  2!/2  Fuss  Breite.  Ueber  den  je  7  Steinen, 
die  die  Wände  zu  beiden  Seiten  bildeten,  lagen  plattenförmige  Steine  als  Decken. 
Die  Ausbeute  bestand  auch  hier  nur  aus  einigen  Urnenscherben.  Die  ganze  Kammer 


186  Kritiken  und  Referate. 

war  ausgefüllt  mit  weissem  Sande  and  enthielt  nur  Urnenscherben,  aber  keine  ganze 
Urne.  Eine  Art  Pflasterung,  von  einer  Lehmschicht  gebildet,  begrenzte  die  Kammer 
Ton  der  Bodenseite,  der  Eingang  in  dieselbe  lag,  wie  immer,  anf  der  Südseite,  and 
ron  hier  ans  liess  anch  Prof.  Hejdeck  das  Grab  öffnen.  Wie  derselbe  bei  seinen 
Ausgrabungen  am  Arys-  nnd  am  Czarni-See  verschiedene  Skizzen  und  Zeichnungen 
entworfen,  die  bei  dem  Vortrage  gezeigt  wurden,  so  auch  bei  der  Oefinung  dieses 
Grabes.  Dasselbe  hat  er  ertlich  vor  und  dann  nach  der  Oeffhung  bildlich  aufge- 
nommen und  zwar  von  der  Stelle  aus,  von  der  er  den  Einblick  in  den  Gang  des 
Grabes  voraussetzen  konnte.  Schliesslich  sprach  Prof.  Hey  deck  noch  über  die  unter- 
scheidenden Merkmale  der  Grabhügel  im  Gegensatz  zu  den  Steinhaufen,  die  mit  Erde 
beworfen  sind  und  über  die  Herstellung  kugelartiger  Thongefässe. 

Eingelaufene  Geschenke  waren:  Zur  Sammlung  von  Grabalterthümern  von  Ritter* 
gutsbesitzer  Steppuhn  auf  Liekeira,  Kr.  Friedland,  ein  daselbst  an  einem  Skelett 
gefundener  bronzener  Halsring  in  sieben  Spiralwindungen.  Derselbe  ist  aus  3  bron- 
zenen Drähten  hergestellt,  von  denen  der  einzelne  3  cm.,  im  Durchmesser  hat.  Die 
kleine  Oeflhung  unter  dem  Kinn  hat  12,5  cm.,  die  grosse  über  den  Schultern  20  cm. 
im  Durchmesser,  die  beiden  Endungen  sind  mit  einer  Hülse  versehen,  nur  hat  die 
eine  2,8  cm.  lange  Hülse  noch  einen  7,4  cm.  langen  bandartigen  Fortsatz.  Die 
schöne  Patina  des  Ringes  schimmert  eher  ins  Grünliche  als  ins  Röthliche,  so  dass 
die  Mischung  von  Kupfer  und  Zinn  noch  mehrere  andere  Zusätze  zu  haben  scheint.— 
Von  Gastwirth  Kemmer  im  Waldhause  Görlitz,  Kreis  Rastenburg,  mehrere  Grab- 
funde von  einem  Urnenfelde  daselbst,  nämlich  ein  geschlossener  bronzener  Ring,  ein 
kreisförmiges  Zierstück  aus  Bronze,  2,5  cm.  im  Durchmesser,  gleich  einem  Rade  mit 
5  Speichen,  gefunden  in  einer  buntgemusterten  schwarzen  Urne;  ein  eisernes  Messer 
und  eine  eiserne  Speerspitze,  die  jener  Urne  zur  Seite  lagen;  ferner  ein  bearbeitetes 
Stück  Knochen,  das  vielleicht  als  Knauf  eines  Schwertes  gedient  hat.  —  Vom  Gym- 
nasiasten B.  vonSteegen  ein  eisernes  Messer  mit  Urnenscherben  auf  einem  Hügel 
daselbst  gefunden  und  die  Hälfte  eines  durchlochten  Steinhammers  aus  einem  gneis- 
artigen Gestein  zu  Gottesgnade  bei  Gr.  Steegen  gefunden.  —  Zur  Münzsammlung 
von  Dr.  Busolt  3  Denare  aus  dem  grossen  Münzfunde  vonDorotowo,  Kr.  Alienstein, 
von  den  Kaisern  Vitellius,  Trajan  und  Domitian.  Von  Rittergutsbesitzer  v.  Schack 
auf  Kotittlack  ein  Ordensschilling  von  Winrich  von  Kniprode.  —  Zur  Sammlung  von 
Curiosen  von  Frau  Paula t  ein  Lehrbrief  des  Perlenk  als  ausgelernten  Kochs,  ihm 
nach  dreijähriger  Lehrzeit  durch  den  Koch  des  Herrn  v.  Ostau  C.  G.  Faust  am 
4.  März  1801  ertheilt  und  ein  Gedicht  an  die  zurückkehrende  Königsberg'sche  Land- 
wehr und  die  sie  begleitenden  Waffengefährten  von  ihrer  dankbaren  Vaterstadt 
Königsberg  den  *J4.  August  1814. 

Von  neu  eingegangenen  Vereinsschriften  wurden  vorgelegt  die  Hefte  des  Er- 
furter, Hennenberger,  Märkischen,  Magdeburger,  Lievländischen  und  Steiermärki- 
schen  Vereins. 


AltertliamsgeeelUcfcaft  Prassia.  Jg7 

Die  neu  angemeldeten  Mitglieder  waren:  Kaufmann  H.  F.  Magnus  und  In- 
stnuncnten-Fabrikant  Carl  Simsky. 

In  der  darauf  folgenden  General-Versammlung  erstattete  der  Vorsitzende  Dr. 
Bnjack  Bericht  über  das  verflossene  Vereinsjahr.  Der  Unterstützung  gedenkend, 
welche  die  hohen  Behörden  dem  Verein  zugewandt  haben,  und  zwar  der  Provinzial- 
Landtag,  der  Kultusminister,  der  Oberpräsident  und  die  Königliche  Regierung,  konnte 
er  nur  mit  Freuden  die  Erfolge  der  Thätigkeit  der  Vereinsmitglieder  hervorheben. 
Die  Zahl  derselben  betrug  zum  Schluss  des  Jahres  192,  von  denen  aber  drei  durch 
den  Tod  verloren  sind.  Die  Thätigkeit  der  Mitglieder  erstreckte  sich  auf  Vorträge 
und  Mittheilungen  an  den  Sitzungs-Abenden,  deren  im  Laufe  des  Jahres  neun  ge- 
halten wurden,  auf  Ausgrabungen,  Lokaluntersuchungen,  Oeffnung  der  Sammlungen 
und  Erhaltung  der  Grabalterthümer,  so  dass  sie  vor  einer  Zerstörung  durch  die  Zeit 
gesichert  sind.  Die  Ausgrabungen  übernahm  Cand.  med.  Braatz,  Cand.  med. 
Hennig,  Professor  Heydeck,  Gutsbesitzer  Seek  auf  Lobitten,  Dr.  Tribukeit  in 
Rastenburg  und  stud.  jur.  Wedthoff.  Die  untersuchten  Grabhügel,  Urnenfelder 
und  Wohnstätten  befanden  sich  im  Kreise  Fischhausen  bei  Kl,  Blumenau,  im  Land- 
kreise Königsberg  zu  Lobitten,  im  Kreise  Labiau  bei  Löbertshof,  im  Kreise  Fried- 
land bei  Dietrichswalde,  im  Kreise  Johannisburg  bei  Werder,  Odoyen  und  am  Czarni- 
See,  im  Kreise  Angerburg  bei  Doben,  im  Kreise  Bastenburg  bei  Waldhaus  Görlitz. 
Die  Untersuchung  und  Aufnahme  der  Burgwälle  in  der  Umgegend  von  Bastenburg 
übernahm  Dr.  Bujack  Die  durch  werth volle  Alterthümer  vermehrten  Sammlungen 
der  Gesellschaft  zogen  grossen  Besuch  von  Fremden  und  Einheimischen  herbei.  Für 
die  Erhaltung  einiger  der  Verrostung  ausgesetzter  Geräthe  und  Waffen  aus  Eisen 
sorgte  unter  andern  in  liberalster  Weise  der  Partikulier  G.  Dreyer.  Die  Analyse 
verschiedener  Bronzen  führte  freundlichst  im  chemischen  Laboratorium  des  Professor 
Spirgatis  Herr  Zornow  aus.  Zur  Dechargeertheilung  für  Verwaltung  der  Kasse 
wurden  nach  gehaltenem  Bericht  der  Landschafts-Syndicus  von  Buchholz  und 
Justizrath  Bülowius  erwählt.  Ferner  erfolgte  die  Wiederwahl  des  vorjährigen  Vor- 
standes und  Ausschusses.  Den  Vorstand  bilden:  Dr.  Bujack  als  Vorsitzender, 
Staatsarchivar  Dr.  Meckelburg  als  Socretair  und  Kaufmann  OttoEhlert  als 
Kassenwart;  den  Ausschuss  Geheimrath  Hagen,  Professor  Hey  deck,  Partikulier 
Prothmann  und  Professor  Zaddach. 

[Ostpr.  Ztg.  No.  15  u.  16.] 


Mittheilungen  und  Anhang. 


i  Ilasirische  Volkslieder. 

Vor  mehreren  Jahren  lernte  ich  in  dem  Dorfe  Masaren  (Kreis  Oletzko)  einen 
alten  Dorfschullehrer  kennen,  welcher  mir  interessante  Mittheilungen  über  den  Ur- 
sprung einiger  der  vielen  Masarischen  Volkslieder  machte. 

Am  Anfang  dieses  Jahrhunderts  wurde,  so  erzählte  er  mir,  ein  College  von  ihm, 
der  wegen  liederlichen  Lebenswandels  sein  Amt  verloren  hatte,  zum  fahrenden  Sänger. 
Keine  Hochzeit,  keine  Kindtaufe,  kein  Erntefest  versäumte  er;  überall  empfing  er  als 
gern  gesehener  Gast  für  seine  Lieder  gute  Bewirthung  und  entsprechendes  Honorar. 

Auf  meine  Bitte  gab  mir  der  gesprächige  Alte  zwei  Lieder,  welche  er  mit  un- 
verkennbarem Stolz  als  Erzeugnisse  der  Muse  seines  genialen  Collegen  erklärte. 
Andere  Lieder  sollte  ich  später  erhalten,  was  indessen  trotz  meiner  wiederholten 
Anfragen  nicht  geschehen  ist.  —  So  gebe  ich  hier  nur  die  zwei;  vielleicht  komme 
ich  durch  diese  Veröffentlichung  zu  weiteren  Texten. 

1* 

Sonntags  weidete  die  Schafe 


Heil  vier  Jahre,  volle  Jahre 
Dient*  dem  Bauern  ich. 
Früh  schon  stand  ich  auf  zur  Arbeit; 
Er  bezeug's  för  mich. 

Und  dies  that  ich  für  Mariechen; 
War  so  lieb  zu  mir. 
Und  wie  Theer  zog  sich  mein  Herze, 
Zog  sich  hin  zu  ihr. 

Ein  gefärbtes  Kleidchen  trug  sie, 
Selbstgewebt  so  fein, 
Und  am  Finger  einen  Ring  von 
Gold  und  Edelstein. 


Dort  im  Thale  sie, 

Auf  dem  Berg  die  Clarinette 

Spielt  ich  der  Marie. 

Sie  kommt  athemlos  gelaufen: 
»Alle  Schaf  sind  weg! 
»Sieh",  ein  Wolf  entführt  ein  Schäfchen  — 
»Ach,  ich  sterb'  vor  Schreck!* 

„Was  bekomme,  lieb  Mariechen, 
»»Denn  als  Fundgeld  ich?** 
»Wenn  Du  willst,  so  nimm  als  Fandgeld, 
»Nimm  als  Fundgeld  mich!* 


Zwei  Masarische  Volkslieder. 


189 


2. 


Guten  Tag,  mein  Flaschchen, 
Und  da  Glas  daneben! 
Hei,  zum  lust'gen  Trinken 
Seid  ihr  mir  gegeben. 

a 

Güten  Tag,  mein  Brantwein, 
Lass  dich  herzlich  grossen: 
Mochte,  süsser  Honig, 
Täglich  dich  gemessen. 

Ach,  bei  jedem  Feste 
Hört  dein  Lob  man  singen, 
Dann  machst  du  von  selber 
Aller  Beine  springen. 

Konnte  dich  nicht  hassen, 
Warst  mir  auch  gewogen; 
Hast  mich  von  der  Arbeit 
Hin  zor  Kneip1  gezogen. 


Und  kam  dann  der  Krugwirth 
Um  sein  Geld  gelaufen, 
Musst  ich  einen  Ochsen 
Dir  zu  Lieb  verkaufen. 

Doch  die  Kehl1  verlangte 
Immer  mehr  Getränke  — 
Komm1,  mein  gutes  Pferdchen, 
Führe  dich  zur  Schenke. 

Haus  und  Hof  und  Acker, 
Vieh  und  Schaf  und  Pferde  — 
Hab1  verzechet  Alles: 
Grundstück  und  auch  Herde! 

Doch  ich  kann's  nicht  lassen, 
Muss  zur  Schenke  laufen; 
Sollt  die  letzten  Hosen 
Ich  auch  noch  versaufen. 


Uebrigens  bemerke  ich,  dass  ich  das  erste  Gedicht  schon  in  einem  Aufsatze  der 
Petermann'schen  Geographischen  Mittheüungen  (Bd.  20.  S.  130  f.)  veröffentlicht  habe, 
in  welchem  ich  irrigen  Berichten  über  Masuren  entgegentrat.  Die  Uebersetzung 
desselben  ist  eine  wörtliche;  auch  konnte  ich  den  mir  mündlich  mitgetheilten  Text 
mit  dem  einer  gedruckten  polnischen  Liedersammlung  vergleichen.  Den  Text  des 
zweiten  Gedichtes  dagegen  habe  ich  in  keiner  gedruckten  Sammlung  gefanden  and 
die  Uebersetzung  aar  aas  der  Erinnerung  (also  nicht  wortgetreu)  geben  können. 

Bartenstein  im  December  1876.  Df  j^  Heyer 


liivmitÄte-Chrwiik  1877. 

18.  Jan.    Zu  d.  am  18.  Jan.  .  .  .  stattfind.  Feier  d.  Krönungstages  laden  ...  ein 

Prorect.  u.  Sen.  ...  (2  Bl.  4.)  [ohne  Abhdlg.  Preisaalgaben  f.  d.  Studircnd. 

I  J.  1877.] 
12.  Febr.  Med.  Doctordiss.  v.  Heinr.  Tiessen  (aus  Kgsbg.):  Untersuchungen  üb.  die 

Amjloid-Leber.    (32  S.  8.) 
17.  Feb.  Med.  Doctordiss.  v.  Jean  B.  Borntraeger  (auft  Gräfentonna  im  Herzogth. 

Gotha-Coburg):  Ueb.  foetale  Rhachitis,  im  Anschluss  an  einen  Fall  aas  der 

Königsberger  geburtshilfl.  Klinik.    (40  S.  8.) 
„Acad.  Alb.  Regim.  1877.  I.'4    Index  lectionam  ...  per  aestat.  anno  1877  a.  d. 

IX.Aprilis  P.P.O.  (Prorect.:  Dr.  Felix Dahn, Prof.  P.O.)  (16 S.  4.)  [Praefatus 

est  L.  Frledlaender  de  Marte  Loucetio  et  de  Junone  graeca.  (S.  3  4.)] 
Verzeichniss  der  ...  im  Sommer-Halbj.  v.  9.  Apr.  1877  an  zu  haltend.  Vorlesgn. 

u.  der  öffentl.  academ.  Anstalten«    (4  Bl.  4.) 
16.  März.  Med.  Doctor-Diss.  v.  Artur  Hennig  (aus  Kgsbg.):  Die  Einschnürungen 

und  Unterbrechungen  der  Markscheide  an  den  markhaltigen  Nervenfasern. 

(48  &  8.  m.  2  Steindr.-Taf.) 
22.  März.    Zu  d.  am  22.  März  .  .  .  stattfind.  Feier  d.  Geburtstags  Sr.  Maj.  d.  Kais. 

u.  Kgs.  laden  ein  .  ,  ,  Prorect  n.  Senat  .  .  .  (ohne  Abhdlg.) 

$ 


190  Mittheilungen  und  Anhang. 

Periodische  Literat«  1876/77. 

Zeitschrift  für  Preussische  Geschichte  und  Landeskunde,  unter  Mitwirkung 
von  Droysen,  Duncker,  L.  v.  Ledebar  und  L.  v.  Ranke,  hrsg.  von  Constantin 
Rttssler.  13.  Jahrg.  Berlin  1876.  Mittler  u.  Sohn.  Jan. -Decbr.  (No.  1—12.) 
(No.  1/2.)  D.  Zeitgn.  im  erst.  Jahrzehnt  Friedr.  d.  G.  J.  G.  Droyseu.  1—38. 
Briefwechs.  zwisch.  d.  preuss.  Minist.  Casp.  Wilh.  v.  Borke  u.  d.  Grei&walder  Prof. 
Alb.  Georg  v.  Schwartz.  Dr.  Herrm.  Müller.  39— li>6.  Zeitung  üb.  die  Einnahme 
Jülichs  1622.  Prof.  Dr.  Nordhoff.  157—159  —  (No.3/4.)  Die  Beform  d.  karfürstl. 
brandenburg.  Kammerstaats  1651/52.  8.  Isaacsohn.  161  -208  Froben-Uhle  in  der 
v.  Witzleben -Hasselsch.  Schrift  Fehrbellin.  W.  Schwartz.  209—216.  Die  Manu- 
scripta  Borussica  d.  Kgl.  Uoiv.-Bibl.  zu  Greifswald.  Dr.  Herrm.  Müller.  217—220. 
Die  Verlobg.  des  Prinz,  v.  Preuss.  Sept.  1740.  Prof.  Dr.  Grün  nagen.  220—222. 
Ein  Rückblick  auf  General  y.  Finck,  den  Capitulanten  bei  Maxen  1759.  Gr.  L.  223—23/. 
Zur  Gesch.  d.  Krieges  geg.  Frankreh.  v.  1672—74.  Dr.  Babncke.  237—249.  Max 
Lehmann,  Koesebeck  u.  Schön,  Beiträge  z.  Gesch.  d.  Frhtskriege.  Const.  Rössler. 
250 — 261.  —  (No.  5/6.)  Briefe  v.  Carl  v.  Clausewitz  an  Marie  t.  Clausewitz  ,  geb. 
Graf.  Brühl.  273— 33S.  Ber.  üb.  d.  Verein  f.  d.  Gesch.  d.  Prov.  Preuss.  Karl  Loh- 
meyer. 339—353.  Froben-Uhle  noch  einmal.  Dr.  L.  Brock.  351—357.  Nachtr. 
z.  altpr.  Namencodex.  W.  Pierson.  358—360.  Nachtr.  z.  d.  »Bückblick  auf  General 
v.  Finck.*  Gr.  L.  361—362.  —  (No.  7/8.)  Berlin.  Nachrichten  aus  d.  Beginn  der 
schle9.  Kriege.  Grüuhageu  369— :>89.  Das  Kreuz  am  Kremmer  Damm  in  d.  Sage. 
W.  Schwartz.  390—  >9i.  Münster  üb.  d.  Erwerbg.  der  Mark  Brandenburg  durch 
Friedrich  I.  W.  Schwartz  393—394.  Gesch.  d.  »Hussiten*- Ansiedelungen  unter 
Friedr.  II.  als  Mittelpkt.  d.  böhmisch.  Glaubens-Colonie  in  Preuss.  Dr.  Max  Beheim- 
Schwarzbach.  395—466.  (Schluss  No.9/10.  S.  481-559.)—  (No.9/10.)  Zur  Gesch. 
d.  Kammerstaats  Reform  von  1652.  (Actenstücke,  mitgeth.  v.  B  Erdmannsdörffer.) 
660— 590.  —  (No.  11/12.)  Zur  Gesch  d.  Belagerg.  Magdeburgs  dureh  Wallenstein 
im  J.  1629.  Dr.  Holstein.  593.  Zwei  Adress.  d.  Grosshrzgl.  Bergisch.  Staatsraths 
an  d.  Kais.  Napoleon  1.  u.  Joachim  Napoleon,  Kg.  beider  Sicilien,  1808.  621.  Die 
Katastrophe  der  Schweden  in  Schlesw.-Holst.  im  J.  1713.  Ein  Nachtrag  v.  Reinh. 
Koser.  625.  Die  französ.  Colonien  in  Oranienburg,  Köpenick  und  Rheinsberg. 
Lic.  th.  H.  Tollin.  632.  Mart.  Kerndners  v.  Landsberg  Preußische  Chronik.  Nach 
d.  einsig.  Hdschr.  in  d.  Kgl.  Univ.-Bibl.  zu  Lund.  Dr.  Herrm.  Müller.  673.  Ein 
zeitgenöss.  französ.  Urtheil  üb.  Friedr.  d.  Gr.  M.  Krnmmacher.  712.  —  Neuere 
Forscbgen  z.  preuss.  Gesch.  —  Aus  d.  Veröffentlichgn.  d.  dtsch.  Geschichts vereine. 


Die  griech.  u.  röm.  Handelsstrass.  durch  d.  Thal  d.  Oder,  Weichsel,  d.  Dniepr  u. 

ÜVjemen  an  die  Gestade  des  Balt.  Meeres,  (poln.  geschrieb.  Abhandig.  von 

J.  N.  Sadowski  vor  d.  archäol.  Commiss.  d.  Akad.  d.  Wiss.  in  Krakau  geles. 

u.  in  deren  Memoiren  (Pamietnik)  gedruckt,   11  Bog.  umfassd.,  m.  Kart.  u. 

Lithogr.    (Globus  1876.)    [Danz.  Ztg.  v.  15.  Nov.  1876.  No.  10046.] 
D.  Grabhügel  in  Litauen  u.  d.  westl.  Ruthenien.  Nach  d.  Werk  d.  Graf.  Tyszkiewicz : 

,0  Kurhanach  na  Litwie  etc.*  u.  nach  and.  Quell,  bearb.  v.  H.  Nitsehtnann. 

[Altpr.  Ztg.  1876.   274.  275.  277.] 
M.  Toppen,  Ueb.  einige  Alterthümer  auf  d.  Ostrande  d.  Marlenwerd.  Niedrg. 

(Gräbfeld.  b.  Rospitz.  —  D.  Schlossbg.  b.  Rothhof.)  [Neue  Westpr.  Mitthlgn. 

1876.  64.  (Beil.)1    D.  Schlossbg.  zu  Budzin.  [Ebd.  75.  (B.)]    D.  Schweden- 
schanze b.  Neudorf.    [Ebd.  78J 
W.  Pierson,  Nachtr.  zum  altpreuss.  Namencodex,  (s.  Bit.  7—12  d.  Jahrg.  1873 

d.  Ztschr.  f.pr.  Gesch.)  [Ztschr.  f.  preuss.  Gesch.  u.  Ldskde.  13.  Jahrg.  Hft.  5/6. 

S.  358-360.] 
D.  Mannscripta  Borussica  d.  Kgl.  Univers.-Bibl    zu  Greifewald.    Mitgeth.  v.  Dr. 

Herrm.  Müller,  (darunt.  f.  uns.  Prov.  zu  merk.  7—11.  13.  19.)  [Ebd.  Hft.  3/4. 

8.  217— 2x0.] 
Martin  Kerndner's  v.  Landsberg  preuss.  Chronik.    Nach  d.  einzig.  Hdschr.  in  d. 

Kgl.  Univ.-Bibl.  zu  Lund,  hrsg.  von  demselb.  [Ebd.  Hft.  11/12.  8.673—710.] 
M.  Perlbach«  rec.  Herqnet,  Kristan  v.  Müllhaus,  Bischof  v.  Samland  (1276—95). 

(Halle  1874.)    [Götting.  gel.  Anz.  1876.  No.  38.  S.  1207—12.] 


Periodische  Literatur  1876/77.  191 

Zwei  Briefe  v.  Georg  Wytzel.  (im  Besitz  d.  Kgl.  Geh.  Staatsarchivs  zu  Kgsbg.,  nach 
e.  v  Fräul.  Th.  v.  Miltitz  übermittlt.  Copie  mitgeth  v.  Eitner.)  1.  An  Herzog 
Albreckt  v.  Prenss.  30.  Jan.  1543.  2.  An  deneelb.  25.  Nov.  1549.  [Monats- 
hefte f.  Musik-Gesch.   VIII.  Jahrg.  1876.   Hft.  12.  S.  157—159.] 

Ein  Postprivilegium  d.  Königs  Joh.  Sobieski  v.  Polen.  [Arch.  f.  Post  u.  Telegr. 
1876.  Nr.  8.  S.  284—86] 

G.  Rathlef,  Bermkgn.  zur  Chronolog.  d.  ÜvlJind.  Ordensmstr.  im  13.  Jahrb.  u.  üb. 
d.  angebl.  Gebrauch  d.  Marienrechng.  [Mitthlgn.  aus  d.  Gebiete  d.  Gesch. 
Liv-,  Est-  u.  Kurlds.  XII.  Bd.  2.  Hft.   Riga  1876.  S.  2*1-268.] 

Hermann  Hildebrand,  Ybessergen  zu  K.  E.  Napiersky's  Russ.-LivlAnd.  Urkunden. 
[Ebd.  S.  259—94.] 

Dr.  Th.  Schiemann,  d.  piltensche  Archiv.    [Ebd.  S.  2?5— 308.] 

Zehn  Urkdn.  z.  älter.  Ilvlftnd.  Gesch  aus  Petersbg.  u.  Stockholm,  mitgeth.  v.  Dr. 
Hern.  Hildebrand.    [Ebd.  S.  367-80.] 

Victor  Diederichs,  Niflant.    [Ebd.  S.  :*81—  85.] 

Prof.  Dr.  E.  Win  ekel  mann,  Analecta  histor.  Llvonicac.    [Ebd.  S  394—96.1 

Prof.  Dr.  G.  Berendt,  Notiz  aus  d.  russ  Grenzgebiete  nördl.  d.  Memel.  [Schrift, 
d.  phjsik.-ökon.  Ges.    17.  Jahrg.   1.  Abth.   S.  47—50.] 

L.  Sobnke,   wandernde  Berge,   (kur.  Nebrg.)    [Augsb.  Allgcm.  Ztg    135.  (B.)  136.] 

Wachsen.  Ob.-Postsecret.  in  Memel,  Dunenbildg.  u.  Bernsteingewinnung  an  der 
kor.  Nehrg.    [Arch.  f.  Post  u.  Telegr.  1876.  No.  3.  S.  78—84] 

Ewald.  Ztschriften  d.  Prov.  Prenss.  (Altpr.  Monatsschrift  XI.  Bd.  1874.)  Zugl.  e. 
Rückblick  auf  ältere  Leistgn    [Histor.  Ztschr.  1876.  Bd.  XXXVI,  S.  566— 80.1 

Karl  Lohmeyer,  Bericht  üb.  d.  Verein  f.  d.  Gesch.  d.  Prov.  Prenss.  [Ztschr.  f. 
Preuss.  Gesch.  u.  Ldskde.    13  Jahrg.  Hft.  5/6.  S.  339—53.] 

Kitswunn-Darkemen,  die  Entstebg.  d.  Vorschuss- Vereine  u.  ihre  Verbreitg.  in  d. 
Prov.  Prenss.  [Genossenschafts-Correspondenz  No.  16.  hrsg.  b.  Geleght.  d. 
allgem.  dtsch.  Vereintages  zu  Danzig  v.  E.  Gutmann.   Insterbg.  1876.T 

2te  Generalvsmmlg.  d.  Fischereivereins  f.  £  Pioy,  Prenss.  20.  Dec.  1876  z.  Kgsbg. 
Prof.  Knpffer,  Vortr.  Üb.  d.  Befruchtg.  d.  Fischeier.  —  Reg.-Aasessor  Ger- 
mershausen,  Vortr.  üb.  Fischerei-Genossenschaften.  —  Ber.  üb.  d.  bisher. 
Vreinsthätigkt.  auf  dem  Gebiete  d.  künstl.  Fischzucht.  (Die  sehr  werthvolle 
Madü-Marene,  welche  früher  in  viel.  Seen  unsr.  Prov.  existirte,  jedoch  allmäl. 
ausgerott.  word.  ist,  soll  wied.  heimisch  gemacht  werden;  ferner  soll,  in  die 
Passarge  u.  den  Pregel  junge  Lachse  eingesetzt  wd.,  um  dadurch  d.  frische 
Haff  wied.  m.  Lachs,  zu  bevölk.)  —  Rttrgtsbes.  Eben- Bau  ditten,  üb.  d.  Ver- 
kauf d.  Fische,  besond.  Karpfen,  nach  Gewicht.  —  Oberforstmstr.  Malier 
(Vorsitzdr.)  empfiehlt  d.  Bepfianzg.  d.  Ufer  d.  Gewäss.  m.  Rohr  zum  Schutz 
d.  jung.  Fischbrut.  —  Nächste  Gen.-Vsmmlg.  Ende  Juni  1877  in  Elbing.  — 
Dem  Fischerei- Vereine  gehör,  jetzt  d.  Städte  Kgsbg.,  Elbing  u.  Insterbg.,  d. 
Er.  AUenstein,  die  landw.  Vereine  zu  Marggrabowa  u.  Heinrichswalde  u.  etwa 
150  Privatpersonen  an.    [Hartg.  Ztg.  1877.  2.  (Abd.-Ausg.)] 

Vorläufige  Ergebnisse  d.  letzt.  Vblkszählg.  in  d.  Prov.  Prenss.  [Ebd.  1876.  131.  (M.) 
134.  (M.)] 

Localbahnen  (in  unsr.  Prov.)    [Danz.  Ztg.  1876.  10009.] 

Die  Lokalbahnen  u.  d.  Land.  (betr.  uns.  Prov.)    [Ebd.  10091.1 

A.  Boldt-Elbing,  Zur  Einführg.  d.  Secundärbahn.  in  d.  Prov.  Prenss.  [Hartg.  Ztg. 
1876.  291.  (A.)] 

Wie  man  Wege  baut.   (Vf.  weist  nach,  dass  d.  System,  welch,  bisher  d.  gesammten 

[provinziellen  Wegebau  zu  Grunde  gelegt  word.,  nicht  mehr  ztgemäss  ist.) 
Danz.  Ztg.  1876.  10039.1 
Baurath  Steenke,  Vortr.  ȟb.  d.  projeetirte  Trockenlegg.  d.  Drausensees*  gehalt. 

27.  Nov.  1876  im  Elbing;  Gewerbeverein.  (Referat.)    [Altpr.  Ztg.  1876.  279.] 
Das  Weichseldelta  u.  seine  üeberschwemmgn.  Vortr.  v.  Oekonomierath  Hausbnrg 

gehalt.  im  Club  d.  Ldwirthe  z.  Berlin  am  11.  Jan.  1877.  (Referat)   [Insterbg. 

Ztg.  1877.  6.] 
A.  J.  Claassen-Mirau,  d.  Nogatdamm-Durchbruch.   18.  Decbr.    [Danz.  Ztg.  1876. 

10106.    Altpr.  Ztg.  298.T 
A.  Bertram,  d.  Ursachen  d.  Dammbruches  bei  Flscherscampe  u.  der.  Abstellg, 

[Danz.  Ztg.  1876.  10147.  49.] 


192  Mittheilungen  and  Anhang, 

Dr.  E.  Wie  ist  den  Nogat-  u.  Weichseldurchbrüch.  abzuhelfen?  (Vf.  schlägt  vor: 
»man  vschaffe  d.  Haffweichselausflüss.  Vorfluth  mittelst  Durchstechg.  d.  Düne 
an  der.  Westende,  da  wo  jetzt  d.  Strom  d.  Nogat  an  dieselbe  am  stärksten 
anstösst,  d.  h.  etwas  westl.  v.  Prebbernau.*)    [Altpr.  Ztg.  1877.  5.] 

Eine  Stimme  aus  dem  Elbinger  Einlagegebiete  üb.  d.  im  Decbr.  1876  stattgehabt. 
Nogat-Eisgang.    [Ebd.  9.  10.  (Beil.)] 

Elbinger  Briefe  in  Bezug  auf  d  Theilg.  d.  Prov.  Preuss.  I.  II.  [Danz.  Ztg.  1876. 
9997.  10003.] 

Beden  d.  Provinzial-Landtgs-Abgeordn.  v.  Winter-Danzig  u.  Thomale-Elbing  üb. 
d.  Trennung  Westpreuss.  u.  Ostpreuss.  nach  d.  stenogr.  Bericht  üb.  d.  Prov.- 
Ldtgs.-Vrhdlgn.  v.  3.  Oct  1876.    [Ebd.  9996.  (Beil.)] 

Otto  Steiner  (Dan zig),  die  Winileod  u.  zwei  ungedruckte  Ostpreuss.  Variant  d. 
Herderschen  Volksliedes:  »kein  schönre  Freud  auf  Erden  ist.*  [German. 
21.  Jahrg.  1876.   2.  Hft.  S.  209—13.] 

Frischbier  (Kgabg.J,  ostpreass.  Volkslieder.  I.  De  Grötknecht.  II.  So  kömmt 
man  wider.  III.  KlOk  gewält.  IV.  De  Bicht  verhöre.  V.  Tom  Polteräwend. 
VI.  Spiellied.  [Die  dtschn.  Mundarten.  Ztschr.  f.  Dichtg.,  Forschg.  u.  Kritik 
hrsg.  v.  Dr.  G.  Karl  Frommann.  VII.  Bd.  (N.  F.  I.  Bd.)  II.  Hft.  S.  208—19.] 

Richard  Adelt  Ostpreass.  jenseits  d.  Weichsel.    [Hartg.  Ztg.  1876.   77.  (M.)] 

Ostpreuss.  Ingenieur-  u.  Architekt-Verein  z.  Kgsbg.  Sitzg.  4.  Jan.  1874.  (Ingen. 
Otto  Meyer,  Vortr.  üb.  d.  Steuerg.  der  Compoundmaschine.)  [Ostpr.  Z.  1877.  7.] 

Landwirthsch.  Instruktionen  Friedr.  d.  Gr.  (speciell  die  f.  Westpr.  an  d,  Kammer- 
direct.  v.  Korkwitz  in  Marienwerd.  gerichtete  Anwsg.)  [Land-  u.  forstw.  Ztg. 
f.  d.  nordöstl.  Dtschld.  1876.  40.] 

D.  Ldwrthschaft  in  Westpr.  im  J.  1875,    [Danz.  Ztg.  1876.  9723.  27.] 

Westpr.  Architekt,  u.  Ingenieur- Verein.  8.  Hptvsmlg.  u.  Stiftgsfest  am  27.  Decbr. 
1876  in  Dirschau.  D.  Vorsitzde,  Reg.-  u.  Baurath  Ehrhardt  thlt.  u.  A.  mit, 
dass  d.  Verein  nunmehr  in  d.  Vrbd.  dtsch.  Architekt.-  u.  Ingenieur- Vereine 
aufgenom.  sei.  Es  wd.  d.  Hrsgbe  eines  in  zwanglos.  Hftn.  erscheind.  sogen. 
Notizheftes  beschloss.,  welch,  m.  d.  Publikation,  d.  übrig,  verbünd.  Vereine 
ausgetauscht  wd.  u.  auss.  d.  im  Verein  gehalt.  techn.  Vortragen  auch  Original- 
aufsätze d.  Mitgl.  üb.  alte  u.  jetzige  Bauwerke  nebst  Zchngn.  enthalt,  soll; 
Bedact.-Comm.  besthd.  aus  Reg.-  u.  Baurath  Ehrhardt,  Baumstr.  Habermann, 
MaBchinen-Fabrikdirect.  Kohlert,  Stadtbaumstr.  Otto  u.  Schiffsbaumstr.  De- 
ment; Zuschlg.  zu  d.  Beitrag,  v.  2  Mark  pro  Mitgl.  für  d.  J.  1877.  —  Der 
um  d.  Ktnisse  d.  alt.  Bauwerke  unsr.  Prov.  sehr  verdiente  Prof.  Bergan  in 
Nürnberg  wurde  zum  Efarenmitgliede  d.  Vereins  ernannt. —  Bauführ.  Hohns 
(Danzig),  Vortr.  üb.  »Architektonische  Wandergn,  im  Elsass.*  Ob.-Ing.  Vo- 
geler u.  Bau-Inspect.  Bobrik,  Bericht  üb.  d.  seitens  d.  Architekt.-  u.  Ingen.-' 
Vereine  von  Ostpreuss.  u.  vom  Niederrhein  an  den  hiesigen  zugesdtn.  Publica- 
tionen  (üb.  d.  Projecte  z.  Begulirg  d.  Schlossteichs  u.  z.  Vbessrg.  d.  Wasserltg. 
v.  Kgsbg.,  üb.  d.  zu  beseitigdn.  Stadtmauern  Kölns,  d.  Wiederherstellg.  eines 
Vierungsthurm.  auf  d.  Strassbg.  Münster  u.  d.  Construct.  d.  amcrik.  Brücken- 
baues.)   [Ebd.  10119.] 

Ad,  Bezzenberger,  Mythologisches  in  altlitausch.  Texten.  [Beitrage  z.  Kunde  d. 
indogerman.  Sprachen  hrsg.  v.  Dr.  Adalb.  Bezzenberger.  Bd.  I.  Hft.  1.  Göt- 
tingen 1876.    S.  41—17.] 

0.  Z.  Ein  Besuch  in  d.  littauisch.  Niederung.    [Westpr.  Ztg.  1876.   178.] 


ftodrockt  tu  dtr  Albort  Ro»baeh'*ohen  Bachdruöktret  in  Königsberg» 


Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

von  der  Eroberung  Preussens  durch  den  deutschen  Bitterorden 

bis  zum  Jahre  1375, 
Von 

Hermann  Hoffmann, 

(Schluss.) 

Güter  preußischen  Rechts. 

Die  zweite  Hauptklasse  der  ländlichen  Bevölkerung,  die  wir  unter- 
schieden haben,  bilden  die  preussischen  Freien. 

Zu  dieser  Klasse  gehören  zunächst  alle  diejenigen  Preussen,  die 
während  des  letzten  Aufstandes  dem  Orden  treu  geblieben,  deren  Ver- 
dienste aber  nicht  so  bedeutend  waren,  dass  sie  den  deutschen  Kolo- 
nisten gleich  gestellt  wurden. 

Hierher  gehören  ferner  alle  Preussen,  die  in  jenem  Aufstande  dem 
Orden  feindlich  gegenübergetreten  waren,  denen  aber  dieses  feindselige 
Verhalten  verziehen  wurde. IM) 

Endlich  sind  zu  dieser  Klasse  noch  diejenigen  Preussen  zu  rechnen, 
die  im  Lauf  der  Zeit  von  der  Hörigkeit  befreit  und  in  den  Stand  der 
Freien  erhoben  wurden. m) 

Leider  haben  wir  für  diese  Guter  zu  preussischem  Becht  keine 
allgemein  gültigen  Grundbestimmungen,  wie  sie  für  die  culmischen 
Güter  in  der  culmischen  Handfeste  und  in  jener  Verschreibung  für  die 
Lehnsleute  aus  Ermland  und  Natangen  enthalten  sind,  wir  sind  allein 
auf  die  Verschreibungen  der  einzelnen  Güter  angewiesen.  Diese  sind 
glücklicher  Weise  aber  zahlreich  und  meistens  auch  genau  genug,  um 


"•)  Preusa.  Regesten  von  M.  Perlbach.  Altfrr.  Monatsschr,  v.  1875.  p.  136  u,  137. 
lw)  C.  W.  H,  90,  91. 

Altpr.  MonatBtofarift  Bd.  XIV.  Hft.  Z  u.  4.  13 


294  ^er  ländliche  Grondbesits  im  Ermltnde 

uns  ein  wenigstens  annähernd  klares  und  deutliches  Bild  der  Verhält- 
nisse der  preussischen  Freien  zu  geben. 

Das  preussische  Recht,  das  diese  Klasse  besass,  ist  nun,  wie  aus 
dem  früher  Gesagten  ja  schon  hervorgeht,  durchaus  nicht  dasselbe, 
das  den  unterworfenen  Preussen  im  Jahre  1249  gegeben  war.  Jenes 
Rechtes  waren  die  Preussen  durch  ihren  Abfall  zum  Heidenthume  ver- 
lustig gegangen. 

Der  kleinste  Theil  der  Preussen  wurde  nach  der  Niederwerfung 
des  zweiten  Aufstandes  den  Deutschen  gleich  gestellt,  die  meisten  wur- 
den hörig;  für  die  übrigen  wurde  ein  neues  Recht  geschaffen,  wie  es 
den  Interessen  des  Landesherrn  am  besten  entsprach. 

Dieses  ist  das  „ius  Pruthenicum8  oder,  wie  es  auch  häufig  heisst, 
das  „ius  hereditarium"  oder  das  „ius  hereditarium  Pruthenicum.* 

Die  Inhaber  dieses  Rechts  standen  nun  zu  dem  Landesherrn  in 
einem  ganz  anderen,  und  zwar  viel  ungünstigeren  Verhältnis  als  die 
Kölmer.  Wenn  jene  vermöge  des  flämischen  Erbrechts  und  des  freien 
Yeräusserungsrechtes  eigentlich  im  vollen,  freien  Besitz  ihrer  Güter 
waren,  so  hatten  die  preussischen  Freien  ihre  Güter  vom  Landesherm 
wirklich  als  Lehen. 

Natürlich  hatte  der  Landesherr  diesen  Gütern  sowie  den  Inhabern 
derselben  gegenüber  eine  grossere  Gewalt  als  gegenüber  den  culmischen 
Gütern,  zumal  da  das  preussische  Recht  erst  geschaffen  wurde.  Die 
Grenze,  bis  zu  der  einerseits  die  Rechte  des  Landesherrn,  andrerseits  die 
Verpflichtungen  des  Lehnsträgers  reichten,  wurde  häufig  noch  nicht  scharf 
gezogen,  manches  vielleicht  auch  noch  absichtlich  unentschieden  gelassen. 

Wie  weit  die  Rechte  des  Landesherrn  ungefähr  gingen,  ersehen 
wir  aus  zwei  beiläufigen  Bemerkungen, 101)  nach  denen  Besitzungen,  die 
jedenfalls  zu  preussischem  Recht  ausgethan  waren,  wie  es  heisst  „propter 
servitii  sui  (er  ist  Dolmetscher)  ac  heredum  suorum  negligencias*  und 
im  anderen  Falle  „propter  suos  excessus  et  demerita"  den  Belehnten 
genommen  nnd  eingezogen  wurden.*) 


»")  C.  W.  I,  156;  II,  487. 

*)  Ans  einer  Ordensverschreibiuig  vom  Jahre  1373  (C.W,  II,  483)  ersehen  wir, 
dass  sogar  ein  Sohn  das  Beritithum  seines  Vaters  nicht  erhalt,  weil  er  noch  ein 


von  Hermann  Hoffmann.  195 

Ueber  die  preussischen  Güter  behielt  der  Landesherr  auch  nach 
ihrer  Verleihung  noch  immer  ein  gewisses  Bestimmungsrecht,  es  stand 
ihm  stets  frei,  diese  Güter  gegen  andere  umzutauschen. 

Wenn  wir  nun  als  charakteristisches  Zeichen  der  preussischen 
Güter  sehr  häufig  die  Formel  finden,  „sie  sollen  von  ihren  Gütern  nicht 
vertrieben  werden  dürfen  *  "*)  (quod  ab  eis  depelli  non  debeant)  so  heisst 
das  nur,  sie  sollen  nicht  ohne  genügenden  Ersatz  verdrängt  werden. 
Dass  diese  Erklärung  die  richtige  ist,  beweist  uns  die  Verschreibung 
für  den  Preussen  Tolledraus  aus  dem  Jahre  1346. 103) 

Es  wird  hier  diesem  Preussen  auch  zuerst  versprochen,  dass  er 
nicht  vertrieben  werden  dürfe.  Wenn  aber  ein  Bischof,  heisst  es  weiter, 
ihn  von  seinen  Gütern  entfernen  (amovere)  will,  so  soll  er  ihm  vier 
andere  Haken  geben,  die  eben  so  gut  sind  oder  noch  besser. 

Veranlassung,  solche  Güter,  die  ja  überall  zerstreut  lagen,  einzu- 
tauschen, war  wol  sehr  häufig,  da  dieselben  den  Dorfgründungen  und 
Verleihungen  grosser  Güter  oft  hindernd  entgegen  stehen  mussten. 

Aus  diesem  Grunde  finden  wir  auch  bisweilen  "4)  schon  in  der  Ver- 
leihungsurkunde die  Verpflichtung  auferlegt,  dass  die  Inhaber  dieser 
Güter,  wenn  daselbst  ein  deutsches  Dorf  gegründet  werden  wird,  mit 
ihrem  Besitz  und  ihren  Hechten  in  dasselbe  eintreten  sollen,  oder  es 
wird  geradezu  gesagt,  dass  sie  in  diesem  Fall  ihren  alten  Besitz  verlassen 
müssen, .  wofür  ihnen  aber  ein  entsprechender  Ersatz  zugesichert  wird. 1M) 

Dass  dieses  Eintreten  von  preussischen  Freien  in  den  Dorfrerband 
deutscher  Dörfer  sehr  häufig  vorkam,  werden  wir  später  bei  der  Be- 
trachtung der  Dörfer  sehen. 

Die  preussischen  Freien  wohnten  nun  entweder  auf  ihren  Besitzungen 
zerstreut  oder  in  Ddrfern  zusammen.  Diese  Dörfer  sind  aber  von  den 
deutschen  Dörfern  ungemein  verschieden.  Sie  sind  nicht  auf  einmal 
gegründet,  haben  keine  Handfeste,  keinen  Schulzen,  keine  Dorfordnung, 
es  sind  eigentlich  nur  Zusammensiedelungen,  denen  jeder  Verband  fehlt, 


Kind  ist,  also  den  Kriegsdienst  nicht  leisten  kann.    Dieses  Besttrfhnm  wird  dann, 
noch  durch  2  Haken  vermehrt,  ihm  und  zweien  seiner  Verwandten  zusammen  übertragen. 

»*)  C.  W.  ü,  35,  65,  107,  128,  269  etc.    1M)  C.  W.  H,  45.    '•♦)  C.  W.  H,  1» 

»•)  C.  W.  I,  139. 

13* 


196  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

und  deren  Bewohner  sich  in  nichts  von  ihren  zerstreut  wohnenden 
Standesgenossen  unterscheiden.  *) 

Als  solche  Dörfer  sind  besonders  zu  nennen,  Pr.  Bertung,  Caynyn 
und  Kapkeim, 

Das  Erbrecht,  das  der  Klasse  der  preussischen  Freien  für  ihre 
Besitungen  gageben  wurde,  ist  von  dem  Erbrecht,  das  die  deutschen 
und  preussischen  Kölmer  besassen,  sehr  verschieden,  es  bildet  einen 
der  Hauptunterschiede  dieser  beiden  Klassen.*) 

Wenn  bei  den  cölmischen  Besitzern  sowol  die  Söhne  als  auch  die 
Töchter,  und  im  Falle,  dass  keine  directen  Erben  vorhanden  waren,  die 
Seitenverwandten  erbten,  so  waren  bei  den  preussischen  Freien  nur  die 
Söhne  erbberechtigt.  Dass  dieses,  wenigstens  in  späterer  Zeit,  so  war, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen. 

Es  fragt  sich  hier  aber,  ob  diese  Beschränkung  schon  im  13.  und 
14.  Jahrhundert  gegolten  hat,  ob  dieses  Erbrecht  gleich  von  Anfang 
an  so  beschränkt  gewesen,  oder  ob  es  erst  im  Laufe  der  Zeit  so  ge- 
macht worden  ist. 

Aus  unseren  ermländischen  Versehreibungen  ersehen  wir  nun,  dass 
in  unserer  Periode  in  dem  grössten  Theil  der  Verschreibungen  ausdrück- 

■ 

lieh  die  Erfolge  für  beide  Geschlechter  zugesichert  wird.196) 

Unter  diesen  Umständen  ist  es  natürlich  unmöglich  anzunehmen, 
dass  der  Rechts-Grundsatz,  „die  Güter  preussischen  Rechts  können  nur 
auf  Söhne  vererbt  werden/  in  unserer  Periode  schon  zur  allgemeinen 


*)  Der  Unterschied,  den  Bender  (Ermlands  politische  und  nationale  Stellung 
innerhalb  Preussens  p.  56)  macht,  dass  die  preussischen  Freien,  die  immer  frei  ge- 
wesen waren  (preussische  Reiter)  in  Dorfern  sassen,  diejenigen  aber,  die  auf  Einzel- 
höfen  wohnten,  aus  dem  Erbunterthänigen  Stande  (d.  h.  früher  Hörige)  waren,  lässt 
sich  wol  nicht  halten. 

Wir  finden  sehr  viele  preussische  Freie  auf  Einzelhöfen  sitzen,  Ton  denen  wir 
durchaus  nicht  anzunehmen  berechtigt  sind,"  dass  sie  früher  Hörige  gewesen  sind. 

*)  Frölich,  Geschichte  des  Graudenzer  Kreises  p.  10  sagt,  dass  die  preussischen 
Freien  das  Erbrecht  für  beide  Geschlechter  und  auch  für  die  Seitenverwandten  ge- 
habt haben.  Er  ist  hiebei  irrthümlicher  Weise  der  Ansicht,  dass  das  Erbrecht,  das 
den  Preussen  im  Friedensvertrage  von  1249  zugestanden  wurde,  auch  noch  später 
für  sie  gegolten  habe. 

1M)  C.  W,  I,  174;  II,  64,  65,  107,  128,  269,  271,  275,  278  etc, 


von  Hermann  Hoffmann.  297 

Geltung  gekommen  sein  kann«  Dieser  Bechtsgrnndsatz  hat  sich  in 
seiner  vollen  Schärfe  erst  sehr  allmählig  ausgebildet. 

Doch  waren  da,  wo  das  Erbrecht  für  beide  Geschlechter  ausdrück- 
lich verliehen  ist,  die  Söhne  und  Töchter  durchaus  nicht  immer  ganz 
gleich  gestellt. 

Den  Beweis  hiefür  liefert  uns  die  Yerschreibung  für  die  Preussen 
Queyrams  und  Cometris  aus  dem  Jahre  1316.    Es  heisst  darin:197) 

„Aus  besonderer  Gnade  verleihen  wir  ihnen,  dass  ihre  Söhne  und 
Enkel  männlichen  Geschlechts,  und  nicht  Frauen,  so  lange  die  Söhne 
leben,  die  Güter  in  erblicher  Nachfolge  besitzen  sollen.  Wenn  aber, 
was  nicht  geschehen  möge,  die  Söhne  oder  Enkel  männlichen  Geschlechts 
sterben,  und  Niemand  mehr  übrig  ist,  so  sollen  die  Töchter  die  Erb- 
schaft besitzen." 

Die  Behauptung  Voigts, '")  dass  diese  Güter  wol  nie  theilbar  waren, 
sondern  dass  der  älteste  Sohn,  oder  welchen  der  Landesherr  dazu  be- 
stimmte, an  die  Stelle  des  Vaters  trat,  ist  nicht  haltbar.  Dass  Güter- 
theilungen  beim  Tode  des  Vaters  damals  viel  seltener  vorkamen,  als 
heute  zu  Tage,  ist  ganz  richtig,  hat  aber  seinen  Grund  darin,  dass  die 
ganze  Verwandschaft  meistens  mit  einem  Gute  belehnt  wurde  und  des- 
halb auch  wie  eine  Familie  zusammen  wirtschaftete.  Der  Trieb  zur 
Separation  war  in  jenen  Tagen  lange  nicht  so  mächtig  als  heute.  Da- 
zu kommt  noch,  dass  die  preussischen  Güter  meistens  so  klein  waren, 
dass  eine  Theilung  durchaus  nicht  gerathen  schien. 

Dass  trotzdem  aber  solche  Güter  bisweilen  getheilt  worden,  ersehen 
wir  aus  verschiedenen  Urkunden. IM) 

Wurden  nun,  wie  in  den  meisten  Fällen,  die  Güter  nicht  getheilt, 
so  traten  die  Söhne  die  Erbschaft  an.  Die  Bestimmung,  die  sich  hier- 
über unter  den  „Jura  Pruthenorum*  findet:100) 


»»)  C.  w.  1, 174. 

"*)  Voigt,  Geschichte  Preussens  Bd.  III,  p.  435  u.  36.  Er  folgt  hierin  ganz 
der  Ansicht  Hartknwhs  cf.  Altes  und  Neues  Preussen  p.  563. 

19°)  Kreuzfeld,  Der  Adel  der  alten  Preussen  p.  45,  46,  Urkunde  5  und  Rogge, 
Das  Amt  Balga,  Ahpr.  Monatsscbr.  für  1868,  p.  125,  Anm.  36. 

20°)  P.  Labano,  Jura  Pruthenorum,  p.  18,  Bestimmung  No.  98, 


29g  Der  ländliche  Grundbeaits  im  Ermlande 

„Stirbt  ein  man,  der  pomezenisch  recht  hot  and  lest  zwene  söne, 

der  eldste  son  behelt  den  brieff:  damit  verleuset  der  jüngste  von 

seines  rechten  nicht" 
ist  wol  einfach  so  zu  erklären,  dass  der  älteste  Sohn  als  der  primus 
inter  pares  gewissermassen  die  Oberleitung  der  Geschäfte,  vielleicht 
auch  die  Vertretung  der  anderen  dem  Landesherrn  gegenüber  übernahm, 
die  andern  Söhne  an  dem  Ertrage  des  Gutes  aber  gleichen  Antheil  mit 
ihrem  ältesten  Bruder  hatten. 

Voigt  sagt  dann  bei  Betrachtung  dieser  Güter  ferner,101)  sie  wären 
in  der  Begel  nicht  veräusserlich  gewesen,  nur  ausnahmsweise  sei  zuweilen 
die  Erlaubniss  hiezu  ertheilt  worden,  wobei  dem  nächsten  Ordensge- 
bietiger  hievon  Anzeige  gemacht  werden  musste. 

Da,  wie  wir  gesehen  haben,  dem  Landesherrn  in  Betreff  der  Güter 
preussischen  Bechts  immer  ein  Umtauschsrecht  zustand,  ist  es  wol  an- 
zunehmen, dass  diese  Güter  ohne  besondere  Genehmigung  des  Landes- 
herrn  auch  nicht  veräussert  werden  durften.  Unter  welchen  Umständen 
der  Landesherr  seine  Genehmigung  verweigern  konnte,  lässt  sich  nicht 
mehr  feststellen,  dass  er  dieses  aber  ohne  jeden  Grund  thun  durfte, 
ist  wol  nicht  denkbar. 

In  unsern  Verschreibungen  finden  wir  die  Freiheit,  verkaufen  zu 
dürfen  (canonice  et  rite202)  sehr  häufig  verliehen.209) 

Jedenfalls  verzichtete  damit  der  Landesherr  auf  das  ihm  sonst 
zustehende  Einspruchsrecht. 

Was  die  Gerichtsbarkeit  anbetrifft,  so  standen  die  preussischen 
Freien  unter  dem  Vogte,  der  sie  nach  preussischem  Becht  richtete. 
Es  war  dieses  Becht  das  polnische,  das  die  Preussen  sich  im  Jahre  1249 
erwählt  hatten.*) 

Ueber  ihre  Hintersassen  erhielten  sie  äusserst  selten  die  Juris- 


2")  Voigt,  Gesch.  Preussens  Bd.  HI,  p.  438. 

*>*)  C.  W.  II,  64.      *03)  C.  W.  II,  64,  128,  269,  271,  278,  299,  304,  371  etc. 

*)  Ueber  das  Crimin&lrecht,  sowie  über  da*  Erbrecht  in  Besag  auf  das  be- 
wegliche Eigenthum,  wie  es  für  die  Preussen  galt,  geben  uns  du  einzelnen  Bestim- 
mungen der  Jura  Pruthenorum  Aufschluas.  (Jura  Pruthenorum  eJirt  von  P.  Laband. 
Königsberg  1866.  - 


▼on  Hermann  Hoffmann.  199 

diction.  Nor  zwei  Male  finden  wir  in  unseren  Urkunden  die  niedere 
Gerichtsbarkeit  verliehen.  *04) 

Der  Grund  für  diese  auffallend  seltenen  Verleihungen  der  Juris- 
diction ist  einfach  der,  dass  die  allermeisten  preussischen  Güter  so  klein 
waren,  dass  wir  auf  ihnen  keine  Hintersassen  vermuthen  dürfen. 

Wie  wir  aus  den  Jura  Pruthenorum  ferner  ersehen,  *°*)  hatten  die 
preussischen  Freien  auch  die  Institution  der  Eideshülfe.  Bei  einer  Reihe 
von  Bestimmungen  über  die  verschiedensten  Punkte  finden  wir  12  Eides- 
helfer erwähnt,  wobei  der  Angeschuldigte  der  zwölfte  ist,  so  dass  wir  wol 
annehmen  können,  dass  dieses  die  gewöhnliche  Zahl  gewesen  sein  wird. 

Zuweilen  wird  nun  aus  besonderer  Gnade  die  Zahl  der  Eideshelfer  von 
12  auf  7  vermindert,  so  dass  der  Angeklagte  als  der  siebente  schwört.  *") 

Dass  die  Institution  des  Wehrgeldes  durch  die  Deutschen  nach 
Preussen  gekommen  ist,  ist  shon  früher  gesagt  worden.  Da,  wie  Dus- 
burg erzählt,*07)  die  Blutrache  bei  den  alten  Preussen  durchaus  üblich 
war,  wurde  das  Wehrgeld  auch  bei  ihnen  eingeführt.  Die  erste  Er- 
wähnung desselben  ist  in  der  Verschreibung  für  den  Preussen  Gedune 
vom  Jahre  1261.  ^ 

Hier  heisst  es,  dass  der  Schuldige,  der  Gedune  tödtet,  Hand  für 
Hand  und  Hals  für  Hals  geben  solle.  Die  Angehörigen  des  Erschla- 
genen können  aber  entscheiden,  ob  sie  statt  dessen  eine  Summe  Geld 
annehmen  wollen. 

Es  wird  das  Wehrgeld  hier  also  noch  nicht  gesetzlich  hormirt, 
sondern  die  Bestimmung  seiner  Grösse  dem  freien  Uebereinkommen 
überlassen. 

Der  gewöhnliche  Satz  für  das  Wehrgeld  war  30  Mark.  Hiefür  spricht 
ausser  der  Menge  von  Stellen,  in  denen  ein  Wehrgeld  von  30  Mark 
erwähnt  wird,209)  noch  eine  Bestimmung  aus  den  ,  Jura  Pruthenorum. g 


*01)  C.  W.  I,  42.  164.  *06)  P.  Laband,  Jura  Pruthenorum  p.  7,  Best.  4,  p.  9, 
Best.  21,  p.  11,  Best.  40,  p.  12,  Best.  44,  p.  13,  Best.  50,  p.  15,  Best.  69. 

*oe)  C.  W.  I,  161.  *07)  Script,  rer.  Prosa.  I,  p.  55  heisst  es:  ,Si  homicidium 
committitur  inter  eos,  nulla  potest  composicio  interveuire,  nisi  prius  ille  homicida 
vel  propinquus  ejus  ab  occißi  parentibus  occidatur.€    a08)  C.  W.  II,  520. 

**)  C.  W.  I,  287;  H,  44,  65,  107,  128,  254  etc. 


200  Der  l^0^^6  Grundbesitz  im  Ermlande 

Die  61ste  Bestimmung  heisst  nemlich:310) 

„Eyn  freyer  wie  er  gelden  sal,  es  sei  XXX  marck  mynner 
„oder  mehr  das  sal  er  beweisen  mit  bederwen  leuten,  das  sein 
9vater  also  vil  gegolden  habe  oder  mit  seinen  briefen," 
wo  wol  nicht  30  Mark  besonders  angefahrt  sein  würden,   wenn  dieses 
nicht  das  gewöhnliche  Wehrgeld  gewesen  wäre. 

Wenn  wir  zuweilen  ein  Wehrgeld  von  32  Mark  erwähnt  finden,*11) 
so  sind  wir  völlig  ausser  Stande  sagen  zu  können,  was  diese  so  gering- 
fügige Erhöhung  des  Wehrgeldes  veranlasst  hat. 

Das  Wehrgeld  durfte  jedoch,  wie  Voigt  in  seiner  Abhandlung '  über 
das  Wehrgeld212)  schon  ganz  richtig  sagt,  von  den  Verwandten  des  Er- 
schlagenen durchaus  nicht  immer  angenommen  werden,  vielmehr  stand 
es  in  ihrem  Belieben  zu  wählen,  ob  der  Todtschläger  die  Todesstrafe 
erleiden  oder  ein  Wehrgeld  geben  solle.  Anders  lassen  sich  auch  ver- 
schiedene Stellen  garnicht  erklären,  in  denen  es  heisst,  er  habe  das 
Wehrgeld  zu  zahlen,  „si  penam  sanguinis  evaserit.*213) 

Eine  eigentümliche  Bestimmung  findet  sich  noch  in  einer  Ver- 
schreibung  aus  dem  Jahre  1353, 2")  nach  der  ein  Todtschläger  in  dop- 
peltem Gericht  (duplici  Judicio)  bestraft  werden  soll.  Es  soll  dieses 
doch  jedenfalls  heissen,  dass  der  Belehnte  ein  Wehrgeld  von  60  Mark 
haben  soll. 

Weshalb  hier  dieser  Maximal-Satz  genommen  ist,  ist  aus  den  an- 
deren  Bestimmungen  der  Urkunde  durchaus  nicht  ersichtlich,  da  diese 
den  Bestimmungen  anderer Verschreibungen  völlig  gleichen.*) 

Freie  Fischerei216)  und  freie  Jagd216)  wird  diesen  freien  Preussen 
ziemlich  häufig  verliehen.  Meistens  findet  sich  bei  diesen  Bestimmungen 


,10)  P.  Laband,  Jura  Pruthenorum  p.  14,  Best.  61.    2li)  C.  W.  II,  64,  226. 

2ia)  Voigt,  Gesch.  Prenssens  Bd.  IV,  Beüage  II. 

*»)  C.  W.  II,  107,  128,  311  etc.    *»)  C.  W.  II,  200. 
*)  Ans  einigen  Ordensverschreibungen  ersehen  wir,  dass  von  dem  zu  zahlen- 
den Wehrgeld  !/3  an  den  Richter  and  %  an  die  Hinterbliebenen  des  Erschlagenen 
fiel.    (Voigt,  Geschichte  Prenssens  Bd.  IV,  Beilage  2,  p.  602,  Anm.  1  and  Kreuzfeld, 
Ueber  den  Adel  der  alten  Preussen  p.  53,  Urk.  11.) 

a")  C.  W.  I,  174;  H,  61,  110,  113,  194. 

*")  C.  W.  II,  110,  113,  194. 


von  Hermann  Hoftnann.  201 

noch  der  Znsatz  „more  aliornm  Pruthenorum"*17)  und  „in  eitrema 
solitudine.**1-) 

Vielleicht  lässt  sich  hieraus  folgern,  dass  diese  Preussen,  besonders 
wenn  ihnen  neue  Besitzungen  gegeben  wurden,  meistens  am  äussersten 
Bande  der  cultivirten  Landstriche  angesiedelt  wurden,  da  der  Ausdruck 
in  extrem  a  solitudine  sonst  kaum  einen  Sinn  hätte. 

Hinsichtlich  der  Leistungen,  die  auf  den  Gütern  zu  preussischem 
Rechte  ruhten,  tritt  uns  zunächst  der  Kriegsdienst  als  die  bei  weitem 
drückendste  Leistung  entgegen. 

Für  die  preussischen  Freien  galt  regelmässig  der  ungemessene 
Kriegsdienst 

Die  Herrn  sowol  wie  die  Hintersassen  waren  verpflichtet,  an  den 
Kriegsreisen  Theil  zu  nehmen,  sich  zu  der  Verteidigung  des  Landes 
zu  stellen  und  Hülfe  beim  Burgenbau  zu  leisten.  Auch  diese  freien 
preussischen  Besitzer  werden  jedenfalls  nur  zum  Schutz  der  Arbeiter 
erschienen  sein,  während  ihre  Hintersassen  den  gemeinen  Arbeitsdienst 
zu  leisten  hatten. 

In  unseren  ältesten  Verschreibungen JIJ>)  sind  noch  sämmtliche  Be- 
lehnte zum  Kriegsdienst  verpflichtet.  Später  finden  wir  die  Zahl  der 
Dienste  aber  immer  genau  bestimmt. 

Wenn  wir  uns  nun  vergegenwärtigen,  dass  auf  Gütern  von  2  Haken 
schon  immer  ein  Dienst  lastete,  dass  von  einer  Besitzung  von  3  Hufen, 
die  einem  Preussen  in  einem  Dorfe  zu  preussischem  Recht  gegeben 
wurden,210)  sogar  3  Dienste  gefordert  wurden,  so  begreift  man  wol, 
welche  ungeheure  Last  mit  dem  ungemessenen  Kriegsdienst  auf  den 
preussischen  Gütern  ruhte.  Ein  festes  Verhältniss  zwischen  der  Grösse 
der  Güter  und  der  Zahl  der  zu  leistenden  Dienste  hat  hier  noch  weniger 
als  bei  den  culmischen  Gütern  bestanden. 

Die  Bestimmungen  über  den  Kriegsdienst  sind  aber  auch  bei  den 
Verschreibungen  für  diese  Güter  sehr  verschieden. 

Während  in  den  meisten  Fällen  die  Verpflichtung  zum  ungemesse- 


»")  C.  W.  II,  110.    2")  C.  W.  II,  194,  221. 
*'•)  C.  W.  I,  42;  II,  520.    **°)  C,  W.  H,  383. 


202  Der  Endlich«  GrundUsite  im  ErmUnde 

nen  Kriegsdienst  ausdrucklich  erwähnt  wird,221)  heisst  es  sehr  häufig 
auch  nur,  sie  sollen  gegen  alle  Angreifer  der  Kirche  dienen,  so  oft  es 
verlangt  wird.222) 

Da  hier  eine  Befreiung  vom  ungemessenen  Kriegsdienst  durchaus 
nicht  erwähnt  wird,  haben  wir  auch  keine  Veranlassung,  eine  solche 
vorauszusetzen. 

Sehr  auffallend  sind  nur  die  Verschreibungen  für  die  Freussen  im 
Dorfe  Kapkeim223)  aus  dem  Jahre  1361.  Es  heisst  hier  nemlich,  sie 
sollen  dienen  „contra  quos  cunque  ecclesie  nostre  invasores  ad  terrarum 
defensiones  necnon  ad  novarum  municionum  construcciones  etc.*  d.  h. 
sie  sind  nur  zum  gemessenen  Kriegsdienst  verpflichtet. 

Derselbe  gemessene  Kriegsdienst  findet  sich  auch  noch  in  einer 
Verschreibung  aus  dem  Jahre  1337. 234) 

Diese  Bestimmungen  stehen  aber  so  vereinzelt  da,  und  widerspre- 
chen so  vollständig  der  sonstigen  Gewohnheit,  dass  man  hier  eine  Nach- 
lässigkeit im  Ausdruck  resp.  eine  ganz  besondere  Begünstigung  anzu- 
nehmen, versucht  ist.  * 

Was  die  übrigen  Leistungen  anbetrifft,  so  sehen  wir,  dass  dieselben 
den  Leistungen,  die  auf  den  culmischen  Gütern  ruhen,  ganz  gleich  sind. 
Wir  finden  auch  hier  regelmässig  das  Pflugkorn  und  die  Becogni- 
tionsgebühr. 

Zu  bemerken  ist  hiebei  nur  noch,  dass  sich  bei  den  Verschreibungen 
für  preussische  Guter  häufig  die  schon  früher  erwähnte  Erleichterung 
in  Betreff  des  Pflugkorns  findet,225)  indem  dieses  dann  nicht  von  jedem 
Pfluge  sondern  von  jedem  Dienst  gegeben  wird. 

Die  Ursache,  weshalb  sich  diese  Erleichterung  bei  den  preussischen 
Gütern  viel  häufiger  findet,  als  bei  den  culmischen,  ist  wol  die,  dass 
jene  Güter  durch  den  Kriegsdienst  schon  viel  mehr  gedrückt  wurden 
als  diese,  auch  der  Landesherr  durch  diesen  theilweisen  Erlass  keinen 
grossen  Schaden  hatte,  da  jener  ja  immer  nur  für  ganz  kleine  Güter  galt. 


M1)  C.  W.  I,  44,  61,  65,  79,  128  etc. 

Mt)  C.  W.  I,  161,  164,  174,  192,  270;  11,  46,  107  etc. 

"»)  C.  W.  II,  311.    221)  C.  W.  I,  287, 

»»)  C.  W.  II,  44,  61,  128,  311  etc. 


▼od  Hermann  Hoffmann,  203 

Zur  Zahlung  des  Wartegeldes  scheinen  die  Besitzer  der  preussi- 
schen  Güter  auch  verpflichtet  gewesen  zu  sein.226) 

Freijahre  wurden  den  preussischen  Freien  nicht  zu  häufig  und 
dann  auch  nur  in  geringer  Anzahl  verliehen."7) 

Schliesslich  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  sich  in  einer  ganzen  Reihe 
von  Verschreibungen"8)  zu  preussischem  Recht  der  Zusatz  findet,  die 
Haken  sollen  von  Scharwerk  frei  sein  (liberi  ob  omni  servitio  rusticali). 

Da  Scharwerksfreiheit  nun  so  wie  so  zu  den  Rechten  preussischer 
Güter  gehört,  kann  in  den  betreffenden  Fällen  keine  besondere  Be- 
günstigung gemeint  sein. 

Wahrscheinlich  ist  es,  dasz  hiemit  nur  gesagt  werden  soll,  dass 
entweder  diese  Haken  früher  an  Hintersassen  ausgethan  waren,  auf 
denen  die  Scharwerkspflicht  ruhte,  oder  dass  die  jetzigen  Besitzer  früher 
Hintersassen  waren  und  nun  freie  Hufen  erhielten. 

In  beiden  Fällen  ist  dem  Ausdruck  keine  Bedeutung  beizumessen. 

Als  Unterabtheilung  der  preussischen  Freien  sind  noch  die  Beutner 
zu  erwähnen.229)  Sie  stehen  den  gewöhnlichen  preussischen  Freien  in 
allen  Dingen  ganz  gleich,  haben  aber,  so  lange  sie  die  Bienenstöcke  zu 
bewachen  haben,  keinen  Kriegsdienst  zu  leisten.  Erst  wenn  die  Bienen- 
zucht aufhört,  sind  sie  zu  dem  ungemessenen  Kriegsdienst  verpflichtet. 

Deutsche  Dörfer. 

Nachdem  wir  bis  jetzt  die  einzelnen  Klassen  der  freien  Güter  be- 
trachtet haben,  die  selbstständig  und  unabhängig  waren  und  jedes  für 
sich  ein  geschlossenes  Ganze  bildete,  haben  wir  unsere  Aufmerksamkeit 
noch  auf  die  bäuerlichen  Besitzungen  zu  richten,  die  auch  frei  waren, 
aber  nicht  selbstständig  für  sich  dastanden,  sondern  zu  einem  Dorfver- 
bande gehörten,  einen  Theil  einer  Dorfmark  ausmachten. 

Betrachten  wir  hiebei  zuerst  die  deutschen  Dörfer.  Aus  welchen 
Gründen  die  Dorfgründungen  in  Ermland  erst  mit  dem  Anfange  des 
14.  Jahrhunderts  auftreten,  haben  wir  schon  früher  erörtert.   Dass  aber 


M<0  C.  VT.  I,  183.    J27)  C.  W.  I,  192;  II,  6ö,  200,  319,  368. 
»")  C.  W.  I,  183,  184,  254  etc.    2")  C,  W.  H,  371,  372. 


204  Der  ländliche  GrundbesiU  im  Ermlande 

auch  im  14.  Jahrhundert  die  Einwanderung  deutscher  Bauern  für  die 
zahlreichen  Dorfgründungen  nicht  genügte,  zeigt  die  Thatsache,  dass 
viele  Dörfer,  wahrscheinlich  zum  Theil  aus  Mangel  an  Bewohnern  bald 
wieder  verschwinden. 

In  einer  Handfeste  aus  dem  Jahre  1336 "°)  finden  wir  sogar  die 
ausdrückliche  Bestimmung,  dass,  wenn  in  einem  halben  Jahre  die  ver- 
liehenen Güter  nicht  in  Besitz  genommen  sind,  die  Urkunde  aller  Kraft 
entbehren  solle,  ein  deutlicher  Beweis  dafür,  dass  das  Heranziehen  zahl- 
reicher deutscher  Kolonisten  keine  ganz  leichte  Sache  war. 

Die  bei  weitem  meisten  Dörfer  sind  nun  so  gegründet,  dass  der 
Landesherr  oder  ein  Privatmann,  dem  vom  Landesherrn  das  Recht, 
Dörfer  zu  gründen,  zugestanden  war,131)  einem  oder  mehreren  bewährten 
Männern  (locator)  eine  bestimmte  Anzahl  von  Hufen  übertrug  mit  der 
Verpflichtung,  sie  mit  Bauern  zu  besetzen  (ad  locandum  titulo  locacionis.  *) 

Für  seine  Mühe  erhielt  der  Locator**)  dann  einen  Theil  dieser 
Dorfmark  und  das  Schulzenamt  als  erblichen  Besitz.***) 

Was  die  Grösse  dieser  Dorfmarken  anbetrifft,  so  war  dieselbe  natürlich 
sehr  verschieden ;  als  Durchschnittsmass  können  wir  50  Hufen  annehmen. 


**>)  C.  W.  I,  277.    *31)  C.  W.  I,  102;  II,  199,  266. 

*)  Zuweilen  finden  wir  auch  Dörfer,  die  ohne  einen  Locator  gegründet  sind. 
(C.  W.  I,  126;  II,  314.)  In  diesen  beiden  Fällen  ist  der  Herr  des  Dorfes  nicht 
der  Landesherr  sondern  einmal  ein  Domprobst  (C.  W.  I,  126)  and  im  anderen  Falle 
die  Domherrn  des  Erlöserstiftes  zu  Gattstadt  (C.  W.  II,  314).  Diese  Dörfer  hatten 
keinen  Schaken,  standen  also  wol  direct  anter  der  Jurisdiction  ihrer  Herrn.  In 
beiden  Fallen  wird  später  in  den  Dörfern  ein  Schulzenamt  gegründet,  sie  also  so 
erst  zu  wirklichen  Dörfern  umgeschaffen. 

**)  Rhode,  Der  Elbinger  Kreis  p.  40  behauptet,  die  Handfesten  der  Dörfer 
seien  erst  nach  der  Besiedelang  ausgestellt.  Dass  diese  Ansicht  falsch  sei,  braucht 
wol  nicht  mehr  bewiesen  zu  werden.  Wie  sollten  sich  sonst  in  den  Handfesten  Be- 
stimmungen finden  über  die  eventuelle  Grösse  der  bäuerlichen  Besitzungen  etc.? 

***)  Aeusserst  selten  sehen  wir,  dass  ein  Locator  die  zurLocation  bestimmten 
Hafen  kauft  (C.  W.  I,  212).  Da  aber  trotzdem  der  eigentliche  Grandherr  die 
Leistungen  der  Bauern  bestimmt,  diese  auch  ihm  zu  Gate  kommen,  wird  man  wol 
annehmen  dürfen,  dass  der  Locator  nicht  eigentlich  die  Dorfmark  kaufte,  da  er  ja 
sonst  selbst  Grundherr  des  Dorfes  wäre,  sondern  nur  das  Schulzenamt,  das  Recht, 
als  Locator  ein  Dorf  in  gründen.  Wenn  Droysen  in  seiner  Geschichte  der  preussi- 
schen  Politik  (I,  p.  62)  sagt,  der  Locator  kaufte  von  dem  Grundherrn  die  Dorfflur, 
so  wird  sich  dieses  wahrscheinlich  auch  nur  auf  den  Kauf  des  Schulzenamts  beziehen. 


von  Hermann  Hoffmann,  205 

Die  Grenzen  der  Dorfmark  sind  selten  genau  angegeben. 

Da  eine  sorgfältige  Vermessung  des  zu  verleihenden  Landes  An- 
fangs nicht  stattfand,  wird  häufig  gleich  hinzugefügt,  was  zu  geschehen 
habe,  wenn  bei  einer  späteren  Vermessung  sich  mehr  oder  weniger 
Hufen  finden  sollten. 

Zuweilen  heisst  es:131)  «Wenn  bei  einer  späteren  Vermessimg  mehr 
als  die  bestimmte  Anzahl  von  Hufen  gefunden  werden,  so  sollen  sie  an 
einer  bestimmten  Stelle  abgenommen,  wenn  weniger  gefunden  werden, 
so  sollen  sie  ebendaselbst  zugelegt  werden.* 

Dann  heisst  es  wieder:2")  „Wenn  sich  Uebermass  findet,  soll  es 
dem  Dorfe  zu  demselben  Zins,  zu  dem  es  die  übrigen  Hufen  hat,  ver- 
bleiben. Sind  weniger  Hufen  als  ursprünglich  bestimmt  worden,  so 
sollen  die  fehlenden  zugegeben  werden.  Wenn  keine  passenden  Hufen 
in  der  Nähe  sind,  so  wird  der  zu  leistende  Dienst  entsprechend  ermässigt 
Häufig  wird  endlich  nur  ganz  einfach  bestimmt,"1)  dass  sich  heraus- 
stellende Uebermasshufen  dem  Dorfe  unter  denselben  Bedingungen  ver- 
bleiben sollen,  unter  denen  die  Bauern  die  anderen  Hufen  haben. 

Dieses  ist  wol  auch  meistens  geschehen;135)  doch  finden  wir  auch, 
dass  diese  Uebermasshufen  an  das  Dorf  verkauft  werden.  *30) 

Noch  häufiger  indess  sehen  wir,"7)  dass  Dörfern,  die  schon  längere 
Zeit  bestanden,  noch  Ländereien  zugegeben  werden,  weil  sie  für  die- 
selben gunstig  lagen,  und  für  das  Emporblähen  derselben  von  grosser 
Bedeutung  waren.  Häufig  werden  solche  gunstig  gelegene  Hufen  auch 
von  den  Bauern  zugekauft.13') 

Die  Hauptaufgabe  des  Locators  war  nun,  die  zur  Besetzung  der 
verliehenen  Hufen  nöthigen  Kolonisten  herbeizuziehen  und  sie  anzusiedeln. 


Ebenso  Korn,  Geschieht  der  bäuerlichen  Verhältnisse  in  der  Mark  Brandenbarg.  Zeit- 
schrift für  Rechtsgeschichte  BcL  XI,  Heft  1,  p.  3.  Dieselbe  Nachricht  findet  sich 
bei  Biedel,  Die  Mark  Brandenbarg  im  Jahre  1150.  B.  II,  p.  310.  Ob  in  der  Provinz 
Preussen  in  solchen  Fällen  ebenso  wie  in  der  Mark  Brandenburg  die  Ansiedler  ihre 
ßanernstellen  Tom  Schulz  erkaufen  mossten  (p.  63)  ist  nicht  festzustellen,  da  sich 
darüber  nirgend  die  geringste  Andeutung  findet. 

"*)  C.  W.  I,  178.    "»)  C.  W.  II,  76,  291,  293. 

"4)  C.  W.  I,  189;  II,  262,  264.    "*)  C.  W.  H,  140,  327, 

*")  C.  W.  II,  195,  216.    *37)  C.  W.  I.  238;  H,  134,  163,  242,  318,  331, 

"•)  C.  W.  D,  172,  191,  218,  381,  464. 


206  Der  l*ndlteh«  Grundbesite  im  Ermlande 

Dass  diese  Aufgabe  oft  eine  sehr  mühsame  und  beschwerliche  war, 
und  einen  erfahrnen  Mann  erforderte,  unterliegt  wol  keinem  Zweifel. 
Wir  werden  uns  deshalb  auch  gar  nicht  darüber  wundern,  wenn  wir 
die  Notiz  finden,  *")  dass  die  Locatoren  des  Dorfes  Heiligenkreuz  einem 
andern  Mann  zwei  Drittel  des  Ertrages  der  Taberne  und  den  halben 
Ertrag  der  Mühle  abtreten,  damit  er  ihnen  bei  der  Location  behülflich  sei. 

Von  wo  und  auf  welche  Weise  die  Locatoren  diese  Kolonisten 
heranzogen,  ist  aus  unsern  Quellen  nicht  ersichtlich.  Die  einzige  Notiz, 
die  hierauf  Bezug  hat,  aber  auch  keinen  weitern  Aufechluss  giebt,  findet 
sich  in  einer  Urkunde  aus  dem  Jahre  1311,  ,4°)  in  der  es  heisst,  die 
Locatoren  erhalten  zu  ihren  Freihufen  noch  drei  hinzu,  damit  das  Dorf 
sich  entwickeln  möge,  und  sie  selbst  andere  Leute  aus  fremden  Ge- 
genden herbeirufen  können. 

Ueber  die  Art  und  Weise  der  Location  selbst  finden  sich  in  den 
Urkunden  hin  und  wieder  verstreute  Andeutungen.  Doch  sind  diese 
meistens  so  allgemeiner  Natur,  dass  das  Bild,  das  wir  uns  aus  ihnen 
herzustellen  versuchen  wollen,  an  Deutlichkeit  und  Schärfe  vieles  zu 
wünschen  übrig  lassen  wird. 

Zunächst  ist  hiebei  zu  beachten,  dass  nicht  das  gesammte  Land 
zur  Vertheilung  kam.  Eine  bestimmte  Anzahl  Hufen  wurde,  wenn  das 
Dorf  ein  Kirchdorf  werden  sollte,  der  Kirche  zur  Dotirung  angewiesen ; 
ausserdem  fast  immer  eine  oder  mehrere  Hufen  je  nach  der  Grösse  der 
Dorfmark  zur  gemeinsamen  Nutzung  (als  Weide  oder  Wald)  bestimmt. 

Ob  die  Schulzenhufen  auch  sofort  von  der  ganzen  Dorfmark  ab- 
gezweigt wurden,  ist  schwer  zu  bestimmen. 

Die  einzige  Notiz,  die  hierauf  etwas  Licht  wirft,  findet  sich  in  der 
Verschreibimg  für  das  Dorf  Penglitten941)  aus  dem  Jahre  1350.  Es 
heisst  daselbst: 

„Und  weil  die  oben  genannten  Güter  nicht  sehr  fruchtbar  sind, 
wollen  wir  nicht,  dass  der  Schulz  bessere  Hufen  empfange,  sondern  sie 
empfangen  müsse,  wie  die  anderen  Dorfbewohner  nach  dem  Loose." 

Der  Schulz  wird  hier  den  anderen  Dorfbewohnern  also  ganz  gleich- 


"•)  C.  W,  I,  272.    ™)  C.  W.  I,  168.    Ui)  C,  W,  H  159. 


von  Hermann  Hoflraann.  207 

gestellt  Diese  Notiz  hat  aber  in  so  hohem  Masse  den  Charakter  einer 
Ausnahme-Bestimmung,  dass  wir  wol  die  Behauptung  wagen  dürfen, 
dass  es  sonst  gerade  umgekehrt  gewesen  sei,  d.  h.  die  Schulzen  haben 
sonst  immer  das  Recht  gehabt,  sich  ihre  Hufen  selbst  auszuwählen.*) 

Was  nun  von  den  verliehenen  Hufen  nach  Abzug  der  Hufen  für 
den  Schulzen,  die  Kirche  und  das  Gemeindeland  noch  übrig  blieb,  kam 
zur  Vertheilung  unter  die  Kolonisten.  Diese  Vertheilung  geschah  aber 
nicht  der  Art,  dass  jeder  Bauer  sofort  ein  Stück  Land  erhielt,  das  er 
nun  nach  Belieben  bewirtschaften  konnte ;  vielmehr  mussten  die  Bauern 
das  zur  Vertheilung  kommende  Land  während  der  dem  Dorfe  gewährten 
Freijahre  gemeinsam  bebauen.  Erst  nach  Ablauf  der  Freijahre  wurde 
die  Dorfflur  getheilt  und  jedem  sein  Stück  durchs  Loos  zugewiesen. 

Den  Beweis. für  die  Richtigkeit  des  eben  Gesagten  finden  wir  in 
der  Handfeste  für  das  Dorf  Saladyn  aus  dem  Jahre  1361.  *48) 

Es  wird  hier  nämlich  bestimmt,  dass  ein  gewisser  Arwideten  von 
den  51  zur  Location  bestimmten  Hufen  3  Hufen,  die  er  selbst  schon 
früher  cultivirt  hat,  behalten  solle,  bis  die  anderen  Hufen  zinspflichtig 
werden.  Ist  dieses  geschehen,  so  wird  er  oder  seine  Erben  an  Stelle 
dieser  drei  Hufen  drei  andere  empfangen,  welche  ihm,  wenn  alle  Hufen 
unter  die  Bewohner  des  Dorfes  vertheilt  werden,  durch  das  Loos  zuzu- 
weisen sind. 

Wie  es  nun  aus  allen  Handfesten  hervorgeht,  wurden  die  Bauern- 
hufen nach  Ablauf  der  Freijahre  zinspflichtig.  Die  Freijahre  wurden 
aber  gegeben,  damit  der  fast  immer  wüste  Boden  in  der  Zeit  cultivirt 
und  ertragfähig  gemacht  würde. 

Nach  Ablauf  der  Freijahre,  während  deren  die  anderen  Dorfshufen 
angebaut  wurden,  hatte  also  Arwideten  seine  Hufen  dem  Locator  zu 
übergeben,  der  sie  dann  mit  den  anderen  Hufen  vertheilte,  wobei  jedem 
sein  Antheil  durch  das  Loos  bestimmt  wurde. 


*)  Nach  einer  Handfeste  aus  dem  Jahre  1388  (C.  W.  I,  290)  hat  es  aber  den 
Anschein,  als  ob  die  Schulzen  ihre  Hufen  nicht  sofort  aaswählen  konnten,  sondern 
erst  bei  der  allgemeinen  Vertheilung.  Hierauf  deutet  wenigstens  die  eben  angefahrte 
Vexschreibang,  in  der  es  ausdrücklich  heisst,  dass  der  Sehais  nach  den  Freijahren 
so  and  so  Tiele  Hafen  als  Scholzenhofen  frei  haben  solle. 

*»)  C.  W.  II,  320. 


208  Der  1***1»«*«  Qnmdbesits  im  Ermlaode 

Hiemit  hängt  nun  aber  eine  andere  Frage  zusammen,  nämlich  die, 
ob  auch  immer  das  ganze  Land,  das  zur  Yertheilung  kommen  konnte, 
wirklich  aufgetheilt  wurde. 

Aus  den  Zinsbüchern  können  wir  schliessen,  dass  dieses  nicht  der 
Fall  war.  Wir  wissen  wenigstens  genau,  dass  noch  in  bedeutend 
späterer  Zeit  bei  vielen  Dörfern  bald  mehr  bald  weniger  wüste  Hufen 
vorhanden  waren,  die  entweder  schon  einmal  früher  besetzt,  wieder  Wüste 
geworden,  oder  noch  niemals  zur  Ansiedelung  überwiesen  waren.  In 
der  Handfeste  für  das  Dorf  Grutta243)  heisst  es  sogar,  dass  der  Schulz, 
wenn  nach  Verlauf  der  eilf  Freijahre  nicht  alle  Hufen  besetzt  sind, 
für  den  Ausfall  stehen  solle. 

Diese  auffallende  Erscheinung  erklärt  sich  nun  daraus,  dass  einmal 
die  Zahl  der  Ansiedler  oft  sehr  gering  war,  andrerseits  aber  auch  die 
Grösse  der  bäuerlichen  Grundstücke  eine  beschränkte  gewesen  sein  muss. 
Wenn  dies  nämlich  nicht  gewesen  wäre,  so  hätte  man  doch  unzweifel- 
haft in  jedem  Fall,  wenn  auch  noch  so  wenig  Ansiedler  da  waren,  die 
ganze  Mark  aufgetheilt,  da  die  Einkünfte  der  Landesherrschaft  durch 
die  wüste  liegenden  Hufen  ja  eine  bedeutende  Einbusse  erleiden  mussten. 

Meistens  überliess  man  es  nun  wol  dem  Locator,  wie  viele  Hufen 
er  jedem  Kolonisten  zutheilen  wollte,  doch  trifft  auch  zuweilen  der 
Landesherr  hierüber  Bestimmungen.*) 

So  wird  in  einer  Dorfverschreibung  von  1353  *44)  bestimmt:  „Wir 
wellen,  daz  en  desem  Dorfe  keyn  man  sal  mer  haben  czinshaftiger  hüben 
denne  czwu,  aber  her  mag  wol  mynner  haben.* 

Schliesslich  haben  wir  noch  zu  untersuchen,  ob  das  Recht  der 
Besetzung  dem  Locator  allein  zustand,  oder  ob  die  Landesherrschaft 
sich  auch  ein  Besetzungsrecht  reservirt  hatte. 

*4S)  Froelich,  Geschichte  des  Graudenzer  Kreises  p.  157. 
*)  Was  die  Grösse  der  einzelnen  bäuerlichen  Besitzungen  in  der  Mark  Bran- 
denburg anbetrifft,  sagt  Korn  in  seinem  Aufsatz   »Geschichte  der  bäuerlichen  Ver- 
hältnisse in  der  Mark  Brandenburg*  (Zeitschrift  für  Rechtswissenschaft,  Band  XI, 
Heft  I,  p.  4.): 

»Ursprünglich  sollte  jeder  Bauer  wol  nur  eine  Hufe  erhalten,  da  diese  eben 
dasM&88  für  eine  Wirthschaft  bildete,  doch  ist  es  wol  oft  nachgelassen  worden,  dass 
jedem  Kolonisten  gleich  im  Anfange  2  oder  auch  3  Hufen  zugetheüt  wurden. 

"4)  Voigt,  Geschichte  Preussens  Bd.  VI,  p.  578,  Anm.  3, 


vod  Hermann  Hoffmann.  209 

Aus  einigen  Verschreibungen  ergiebt  es  sich  ganz  klar,  dass  der 
Landesherr  bei  der  Ueberweisung  zur  Location  sich  zuweilen  einen 
Theil  der  Dorfmark  reservirte,  natürlich  um  darauf  nach  seinem  Ge- 
fallen selbst  Leute  anzusiedeln. 

Ebenso  sehen  wir,  dass  gleich  bei  der  Ausstellung  der  Handfesten 
häufig  bald  grössere  bald  kleinere  Ländereien  ausgeschieden  werden, 
die  eihzelne  zu  c ulmischem  oder  preussischem  Eecht  erhalten.145) 

Dass  dem  Landesherrn  aber,  auch  wenn  er  sich  nicht  ausdrücklich 
einen  Theil  der  Dorrmark  vorbehielt,  auch  noch  später  ein  Kecht  der 
Besiedelung  zugestanden  habe,  kann  wol  kaum  bezweifelt  werden. 
Darauf  deutet  auch  hin,  wenn  der  Orden  in  der  Handfeste  für  Grat ta246) 
darauf  verzichtet,  dort  eine  Allode  zu  gründen  oder  Lehnsleute  anzu- 
setzen ausser  zu  Gunsten  der  Familie  des  Locators. 

Dieses  Ansiedlungsrecht  sehen  wir  die  Landesherren  nun  auch  bis- 
weilen ausüben.247) 

Die  Schulzenhufen  betragen  meistens  den  zehnten  Theil  des  ganzen 
verliehenen  Landes.348)  Ebenso  erhält  der  Schulz  zuweilen  noch  den 
zehnten  Theil  der  Hufen,  die  sich  bei  einer  späteren  Vermessung  als 
Uebermasshufen  herausstellen,249)  oder  dem  Dorfe  noch  besonders  hin- 
zugefügt wurden."0) 

Doch  finden  wir  auch  eine  Stelle,  in  der  ausdrücklich  gesagt  wird, 
dass  der  Schulz  von  den  zugegebenen  Hufen  den  zehnten  Theil  nicht 
erhalten  solle.251) 

Ausser  der  zehnten  Hufe  wurden  den  Schulzen  zuweilen  noch 
andere  Hufen  (ex  speciali  gracia)  gegeben,262)  die  auch  zum  Schulzen- 
amt gehörten,  oder  sie  erhielten  eine  bestimmte  Anzahl  von  Freihufen 
und  von  den  übrigen  noch  den  zehnten253)  oder  einen  anderen254)  be- 
stimmten Theil. 


*")  C.  W.  I,  267;  H,  207,  351,  435  etc. 

*46)  Frölich,  Geschichte,  des  Giaadenzer  Kreises  p.  157. 

*i7)  C.  W.  I,  156;  JI,  162,  388.    248)  C.  W.  I,  130,  178,  251  etc. 

'")  C.  W.  II,  140  und  Frölich,  Geschichte  des  Graudenzer  Kreises  I,  p.  198. 

"«)  C.  W.  II,  134,  153,  242,  318.    WI)  C.  W.  II,  102. 

•**)  C.  W.  I,  167,  197;  II,  331,  337,  344. 

»*)  C.  W.  I,  109,  143,  158.    *34)  C.  W,  I,  121. 

Altpr.  Moaatatehrlft  Bd.  XIV.  Hft.  3  u.  4.  14 


210  ^er  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Gewöhnlich  wurden  diese  Freihufen  «racione  locacionis*  gegeben, 
doch  findet  sich  auch  zwei  Mal3")  die  eigentümliche  Bezeichnung 
„ad  Judicium *•  Freihufen  hiessen  diese  Hufen  nun  im  Gegensatz  zu 
den  Zinshufen,  weil  sie  von  dem  gewöhnlichen  Hufenzins  befreit  waren.  *) 

Ob  die  Schulzenhufen  auch  vom  Pflugkorn  frei  waren,  lässt  sich 
mit  voller  Bestimmtheit  nicht  sagen,  da  keine  Verschreibung  sich 
speciell  darüber  ausspricht. 

Aus  einer  Reihe  von  Verschreibungen*56)  können  wir  nun  aber, 
wenn  nicht  wieder  grobe  Nachlässigkeiten  im  Ausdruck  vorliegen,  mit 
ziemlicher  Sicherheit  folgern,  dass  in  den  betreffenden  Fällen  die  Schulzen 
von  dieser  Abgabe  befreit  waren.  Auch  aus  einer  Ordensverschreibung 
für  das  Dorf  Keichenbach257)  folgt  diese  Freiheit  vom  Pflugkorn. 

Dagegen  können  wir  mit  demselben  Recht  aus  einigen  anderen 
Ordensverschreibungen  für  die  Dörfer  Lenzen258)  und  Neukirch"9)  das 
Geg entheil  folgern,  dass  nämlich  die  Schulzen  dieser  Dörfer  das  Pflug- 
korn ebenso  wie  die  Bauern  liefern  mussten. 

Zu  einem  bestimmten  Resultat  wird  man  bei  der  geringen  Anzahl 
der  in  Betracht  kommenden  Verschreibungen  wol  nicht  kommen  können. 

Der  Decem  für  den  Pfarrer  scheint  von  den  Schulzen  immer  ge- 
geben zu  sein.*60) 

Welche  Lasten  sonst  noch  auf  diesen  Freihufen  ruhten,  lässt  sich 
nicht  ganz  genau  sagen.  Nur  von  der  Scharwerkspflicht  lässt  es  sich 
nachweisen,  dass  sie  seit  ihrem  Erscheinen  überhaupt  wol  auch  stets 
auf  den  Schulzenhufen  lastete.  Hiefür  spricht  zunächst  eine  Stelle*61) 
aus  einer  Verschreibung  des  Jahres  1372,  die  da  lautet:  „und  sal  mir 
und  meynen  nochkomlingen  dynen  also  als  die  andern  schulczen  in  dem 


m)  C.  W.  I,  239;  II,  36. 
*)  Ein  einziges  Mal  nur  sehen  wir,  dass  von  den  Schulzenhufen  der  gewöhn- 
liche Hufenzins  gezahlt  wird.  (G.  W.  314). 

Der  Grund  für  diese  einzig  dastehende  Erscheinung  ist  der,  dass  in  diesem 
Dorfe  ursprünglich  kein  Schulzenamt,  also  auch  keine  Schulzenhufen  vorhanden  waren. 
Als  dann  später  ein  Schulzenamt  gegründet  wurde,  wurden  einige  Zinshufen  zu 
Schulzenhufen  umgewandelt,  wobei  man  aber  den  bisher  geleisteten  Hufenzins  be- 
stehen Hess. 

"•)  C.  W.  I,  290,  292,  297;  H,  120.    *57)  C.  W.  I,  152.   288)  C.  W.  I,  107. 

»*•)  C,  W.  I,  132.    %w)  C.  W.  I,  175,  180.    *»)  C.  W.  II,  464. 


von  Hermann  Hoffmann.  211 

Bischofthume  irer  herschaft  pflegen  czu   dynen  wo  ader  wenne  ich 
seyner  bedarf." 

Ganz  ähnlich,  nur  noch  etwas  bestimmter,  spricht  sich  eine  Ver- 
schreibnng  aus  dem  Jahre  1373  aus.262)  Der  Schulz  erhält  hier  vier  . 
Hufen,  drei  freie  und  eine  zinspflichtige  (für  die  er  aber  nicht  schar - 
werken  darf).  Von  den  drei  Hufen  soll  der  Schulz  dann  seinem  Herrn 
dienen,  wann  und  wo  dieser  seiner  bedarf,  wie  die  andern  Schulzen  im 
Bisthume  ihrer  Herrschaft  zu  dienen  pflegen. 

Hierher  gehört  endlich  noch  eine  dritte  Stelle268)  aus  der  Ver- 
schreibung  für  das  Dorf  Bewernick.  Dieses  Dorf  wird  nämlich  um 
10  Hufen  vergrössert,  von  denen  der  Schulz  eine,  wie  es  heisst  „ratione 
locationis  et  Scultetie*  erhält.  Für  diese  10  Hufen,  also  auch  für  die 
eine  des  Schulzen,  werden  dann  zwei  Freijahre  für  die  Kriegsreisen 
and  Scharwerksdienste  bewilligt. 

Jedoch  werden  solche  Freihufen  zuweilen  auch  ausdrücklich  von 
dem  Scharwerksdienst  befreit.161) 

Aus  einer  der  eben  angeführten  Urkunden  ersehen  wir  dann  ferner,  "*) 
dass  diese  Freihufen  auch  zum  Kriegsdienst  verpflichtet  waren. 

Vortrefflich  stimmt  hiemit  eine  Stelle  in  der  Handfeste  des  Dorfes 
Begnitten  (1343),  in  der  es  heisst,  der  Schulz  erhalte  drei  Hufen 
,racione  locacionis  et  ad  servitium  unius  equi  competentis  et  viri 
8ecundum  hujus  terre  consuetudinem  armati.* 

Einen  weitern  Beweis  hiefür  finden  wir  noch  in  einer  Urkunde  aus 
dem  Jahre  1364.  *66)  Bei  der  Theilung  eines  Dorfes  in  zwei  Dörfer 
wird  nämlich  bestimmt,  dass  die  beiden  Schulzen  doch  nur,  wie  früher, 
zu  einem  Reiterdienst  gegen  die  Lithauer  verpflichtet  seien,  und  den- 
selben abwechselnd  leisten  sollen. 

Eine  andere  Bestimmung  über  diesen  Kriegsdienst  enthält  die 
Handfeste  von  Pomerendorf  aus  dem  Jahre  1344. 267)  Die  beiden 
Schulzen  (es  sind  Brüder)  sind  zu  einem  Reiterdienst  verpflichtet.  Wenn 
nun  der  eine  an  der  Heerfahrt  Theil  nimmt,  so  soll  der  andere  die 


*")  C.  W.  n,  476.    *63)  C.  W.  II,  134.    a")  C.  W.  I,  198,  194;  II,  314. 
*•»)  C.  W.  H,  134.    2M)  C.  W.  II,  365.    M7)  C.  W.  II,  4L 

14* 


212  Der  Endliche  Grundbesits  im  Ermlande 

Hälfte  der  Kosten  tragen.  Will  er  dieses  nicht  thun,  so  soll  er  selbst 
gegen  die  Lithauer  ziehen  und  sein  Bruder  die  Hälfte  der  Kosten  zu 
tragen  verpflichtet  sein.*) 

Eine  Verpflichtung  zum  ungemessenen  Kriegsdienst  ist  aber  ohne 
eine  Verpflichtung  zur  Landesverteidigung  nicht  gut  denkbar,  weshalb 
wir  diese  bei  den  Schulzen  als  selbstverständlich  werden  voraussetzen 
müssen. 

Was  endlich  die  Verpflichtung  zur  Hülfe  beim  Burgenbau  anbe- 
trifft, so  lastete  diese  ebenfalls  auf  den  Schulzenhufen,  wie  wir  aus 
einer  ganzen  Anzahl  von  Urkunden, 868)  in  denen  es  ausdrücklich  gesagt 
wird,  sehen  können. 

Ausser  diesen  Freihufen  finden  wir  aber  auch  noch  häufig  andere 
Hufen  im  Besitz  der  Schulzen,  für  welche  sie  dieselben  Leistungen 
haben,  wie  die  culmischen  Besitzer  für  ihre  Güter.269)  Es  sind  diese 
Hufen  aus  dem  für  das  Dorf  bestimmten  Lande  genommen ;  sie  scheiden 
aber  eigentlich  vollständig  aus  dem  Dorfverbande  aus,  da  auf  ihnen 
ganz  andere  Lasten  ruhen  als  auf  den  bäuerlichen  Zinshufen.  Es  sind, 
um  es  mit  einem  Wort  zu  sagen,  kleine  Güter  culmischen  Rechts,  für 
die  daher  auch  alles  dasjenige  gilt,  was  früher  von  jenen  gesagt 
worden  ist. 

Hauptsächlich  hervorgehoben  wird  besonders  die  Verpflichtung  zum 
ungemessenen  Kriegsdienst.  Zuweilen  finden  wir  auch  hier,270)  jeden- 
falls statt  der  Verpflichtung  zum  Kriegsdienst,  eine  bedeutende  Abgabe 
an  Wachs  erwähnt  (1/2 — 1  Stein)  mit  oder  ohne  die  andern  Abgaben. 

Die  Jurisdiction  wird  selten  erwähnt,  wol  weil  diese  Besitzungen 


*)  Hartknoch,  Altes  and  Neues  Preassen  p.  579,  §.  29  sagt: 

»Alle  Scholtsen  sollen  haben  vier  freie  Haben  and  darvon  sollen  sie  einen 
Hengst  and  einen  Harnisch  zu  einem  Manne  halten,  and  sollen  auf  ihre  eigene 
Zehrang  zu  ihrem  Herrn  reisen  bei  Verlast  aller  ihrer  Freiheit  and  ihres  Ampts.* 

Hartknoch  ist  hiebei  aber  durchaus  nicht  genau  gewesen,  da  die  Grösse  der 
Schukenhufen  durchaus  nicht  überall  gleich  war,  sondern  sich  vielmehr  immer  nach 
der  Grösse  der  Dorrmark  richtete. 

*")  C.  W.  I,  193,  194,  196,  197,  272,  302;  H,  347  etc. 

aw)  C.  W.  I,  158,  231,  297,  306;  n,  46,  53,  72,.  95,  120  etc. 

"°)  C.  W.  I,  158;  H,  96. 


von  Hermann  Hoffmann»  213 

meistens  so  klein  waren,  dass  es  an  Baum  für  die  Hintersassen  ge- 
brach; doch  sehen  wir  zwei  Mal371)  sogar  die  hohe  und  niedere  Ge- 
richtsbarkeit verliehen. 

Das  Pflugkorn  wird  gewöhnlich  nicht  von  jedem  Pfluge,  sondern  von 
jedem  Reiterdienst  gegeben, 272)  es  findet  sich  sogar  ein  Mal,  dass  von 
dem  Dienst  nicht  zwei  Scheffel,  sondern  nur  ein  Scheffel  zu  liefern  ist '") 

Endlich  kommt  es  auch  zuweilen  vor,  dass  wir  Schulzen  im  Besitz 
von  Zinshufen  finden.  So  wird  bei  einem  Verkauf  im  Jahre  1809  "*) 
erwähnt,  dass  der  Schulz  ausser  seinen  Freihufen  noch  IV2  Zinshufen 
besitzt,  von  denen  er  denselben  Zins  zahlt,  wie  die  Bauern  von  den 
ihrigen.  In  einer  andern  Urkunde275)  wird  wieder  gesagt,  dass  der 
Schulz  drei  Zinshufen  besitzt,  deren  Zins  ihm  für  seine  Lebenszeit  er- 
lassen ist.  Aus  einer  dritten  Urkunde  ersehen  wir,  *70)  dass  ein  Schulz 
sogar  gleich  bei  der  Yerschreibung  neben  drei  Freihufen  noch  eine 
Zinshufe  erhält,  von  der  ihm  nur  der  Scharwerksdienst  erlassen  ist. 
Dieser  letzte  Fall  steht  aber  in  der  grossen  Masse  von  Verschreibungen 
ganz  vereinzelt  da,  so  dass  wir  wol  anzunehmen  berechtigt  sind,  dass, 
wenn  ein  Schulz  im  Besitz  von  Zinshufen  ist,  er  sie  wol  immer  durch 
Kauf  erworben  hat. 

Von  diesen  drei  verschiedenen  Arten  von  Hufen  gehören  aber  nur 
die  Frei-  oder  Schulzenhufen  wirklich  zum  Schulzenamt.  Sie  sind  mit 
diesem  fest  verbunden,  so  dass  sogar,  wenn  ein  Theil  von  ihnen  ver- 
kauft wird,  der  betreffende  Theil  des  Schulzenamtes  (d.  h»  die  Verant- 
wortlichkeit für  den  betreffenden  Theil  der  Abgaben,  sowie  der  be- 
treffende Theil  der  Einnahmen)  mitverkauft  werden  muss. 

Sehen  wir  nun  aber  zunächst  zu,  welches  eigentlich  die  Obliegen- 
heiten des  Schulzen  waren. 

Der  Schulz  war  das  Haupt  des  Dorfes,  dessen  Vorsteher  und  Leiter, 
hatte  also,  um  das  zunächst  allgemein  auszudrücken,  die  Interessen  des 
Dorfes  in  jeder  Hinsicht  wahrzunehmen  und  zu  vertreten. 

In  wie  weit   eine  Vertretung   des  Dorfes  nach   aussen   hin,  also 


»")  C,  W.  I,  306;  H,  95.    178)  C.  W.  I,  297;  II,  46.    m)  C.  W.  II,  23. 
"4)  C.  W.  I,  180.    27*)  C.  W.  II,  318.    "•)  C.  W.  II,  476. 


214  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

andern  gleichgestellten  Unterthanen  oder  dem  Landesherrn  gegenüber 
stattfinden  konnte,  lässt  sich  allerdings  nicht  sagen,  da  wir  darüber  in 
unsern  Urkunden  nichts  finden.  Es  bleibt  uns  daher  nur  übrig,  das 
Walten  des  Schulzen  innerhalb  der  Grenzen  der  Dorftnark  zu  betrachten. 

Zunächst  hatte  er  natürlich  die  Ordnung  im  Dorfe  aufrecht  zu 
erhalten,  die  Ortspolizei  auszuüben.  Hiezu  gehörte  auch,  dass  er  für  die 
Instandsetzung  von  Wegen  und  Brücken,  von  Zäunen  und  Gräben  etc. 
sorgte,  dass  er  darauf  sah,  dass  die  Vorsichtsmassregeln  gegen  Feuers- 
gefahr und  Wassersnoth  beobachtet  wurden,  dass  Sicherheit  der  Person 
und  des  Eigenthums  im  Dorfe  herrschte,  dass  beim  Verkauf  die  rich- 
tigen Maasse  und  Gewichte  gebraucht  wurden  u.  s.  w. 

Dann  hatte  er  die  Verpflichtung,  die  Abgaben,  die  auf  den  bäuer- 
lichen Grundstücken  ruhten,  einzuziehen  und  an  den  Herrn  abzuführen. 
Da  er  für  die  zeitige  und  richtige  Ablieferung  derselben  verantwortlich 
war,  stand  ihm  ohne  Zweifel  auch  das  Recht  zu,  die  Säumigen  mit 
einer  entsprechenden  Strafe  zu  belegen. 

Den  Decem  ffir  den  Pfarrer  hatte  er  nach  Hartknoch277)  ebenfalls 
einzusammeln  und  zwar  vier  Wochen  nach  Martini.  Die  Ungehorsamen 
konnte  er,  wie  es  daselbst  heisst,  „mit  Ernst  und  mit  Pfänden"  strafen. 

In  der  Handfeste  für  das  Dorf  Wieps178)  findet  sich  nun  die  Be- 
stimmung, dass  der  Decem  von  dem  Schulzen  an  Dietrich  Czecher,  der 
das  Dorf  angelegt  hat,  zu  geben  sei;  wahrscheinlich  führte  hier  dieser 
als  Patron  der  betreffenden  Kirche  den  eingesammelten  Decem  selbst 
an  den  Pfarrer  ab. 

Eine  der  wichtigsten  Functionen  des  Schulzen  war  nun  die,  den 
Vorsitz  beim  Dorfgericht  zu  fuhren.  Ob  in  jedem  Dorfe  —  es  gab 
nämlich  auch  Dörfer  von  sehr  geringer  Hufenzahl,  also  auch  von  sehr 
geringer  Bauernzahl  —  ob  nun  in  jedem  Dorfe  ein  solches  Gericht 
gewesen  ist,  könnte  vielleicht  fraglich  erscheinen.  Jedenfalls  hatte  der 
Schulz  aber  stets ,  also  entweder  mit  oder  ohne  das  Gericht  der  Dorf- 
geschwornen  die  niedere  Gerichtsbarkeit,  d.  h.  er  durfte  über  Vergehen 
urtheilen,  deren  Busse  vier  Solidi  nicht  überstieg.    Mit  der  hohen  Ge- 


■")  Hartknoch,  N.  u,  A.  Preussen  p.  569  §.  28.    *78)  C  W.  II,  476. 


Ton  Hermann  Hoffmann.  215 

richtsbarkeit  hatte  der  Schulz  nichts  zu  thun;  diese  gehörte  dem 
Landesherrn  (resp.  dem  Privatmann,  der  auf  seinen  Ländereien  das 
Dorf  gegründet  hatte  und  dem  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit 
verliehen  war),  und  wurde  durch  den  Vogt  geübt,  der  dem  betreffenden 
Schulzen  aber  ein  Drittel  der  Bussen  abgeben  musste.279) 

Einige  Versehreibungen 2W)  scheinen  allerdings  darauf  hinzudeuten, 
dass  dem  Schulzen  auch  die  schweren  Verbrechen  zuweilen  zur  Abur- 
teilung überwiesen  wurden,  und  er  nur  zwei  Drittel  oder,  wie  es  in 
einer  Verschreibung  heisst,  ein  Drittel  der  Bussen  dem  Oberherrn  ab- 
zugeben hatte.  Diese  Stellen  stehen  aber  so  vereinzelt  da,  dass  man 
geneigt  sein  könnte,  eine  grosse  Nachlässigkeit  bei  der  Abfassung  der 
Urkunden  anzunehmen. 

Von  den  Strassengerichten  erhielt  der  Schulz  natürlich  nichts.281) 

Die  bis  jetzt  geschilderte  Gerichtsbarkeit  erstreckte  sich  nur  auf 
die  Bauern  des  Dorfes.  Wenn  in  den  Grenzen  des  Dorfes  culmische 
Güter  lagen,  so  wurde  diesen  zuweilen  eigene  Gerichtsbarkeit  gegeben;292) 
zuweilen  wurden  sie  auch,  weil  ihre  eigene  Gerichtsbarkeit  zu  leicht 
mit  der  des  Schulzen  in  Collision  hätte  kommen  können,  wie  die  anderen 
Dorfbewohner  in  geringen  Sachen  der  Jurisdiction  des  Schulzen  unter- 
stellt,283) während  der  Vogt  die  hohe  Gerichtsbarkeit  über  sie  hatte. 

Zuweilen  wurde  die  Jurisdiction  des  Schulzen  auch  über  ihre 
sonstigen  Grenzen  ausgedehnt.  So  wird  der  Jurisdiction  des  Schulzen 
von  Grunenberg  ein  Müller  unterstellt,284)  der  in  der  Nähe  des  Dorfes 
eine  ausserhalb  des  Dorfverbandes  stehende  Mühle  besitzt,  doch  nur 
für  Vergehen,  die  er  ausserhalb  der  Grenzen  seines  Mühlengrundstücks 


2")  C.  W.  I,  121,  127,  134,  140,  158,  197  etc. 

28°)  Die  eine  Stelle  (C.  W.  I,  187)  lautet:  »Insuper  eidem  Eberharde*  et  suis 
veris  et  legitimus  successoribus  Judicium  majus  et  minus  in  dictis  bonis  confero  in 
hunc  modum,  ut  quidquid  ibidem  jndicatom  fuerit,  seu  de  judicio  cesserit,  quod 
debet  mihi  et  meis  heredibus  partes  duae  deriventur,  ipse  vero  et  sni  heredes 
partem  tertiana  suis  usibus  reservabunt.*  Die  andere  Stelle  (C.  W.  I,  149)  lautet: 
»Judicium  quoque  minus  scilicet  IV  solidorum  ad  ipsum  pertinebit  sed  tortium 
denarium  nobis  reddet  judicio  de  majori/ 

*")  C.  W,  II,  75:  Von  den  grossen  Gerichten  erhält  der  Schulz  den  dritten 
Theil  exceptis  hiis,  que  in  stegis  pontibus  aut  stratis  contingent  publiois. 

*•*)  C.  W.  I,  171.    *M)  C.  W.  I,  182j  II,  351.    w)  C.  W.  I,  248. 


216  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

begeht  (aber  natürlich  wol  innerhalb  der  Dorfgrenzen).  Vergehen,  die, 
wie  es  heisst,  „infra  septa  ipsius  molendini"  begangen  werden,  kommen 
vor  das  Gericht  des  Landesherrn.  Ganz  ähnlich  wird  die  Jurisdiction 
des  Schulzen  von  Cunayn285)  ausdrücklich  auf  einen  gewissen  Johannes 
Widdin  ausgedehnt.  Ob  dieser  ausserhalb  des  Dorfes  gesessen,  oder  in 
dem  Dorfe  selbst  vielleicht  ein  Gut  zu  mimischem  Recht  gehabt,  lässt 
sich  nicht  feststellen.  Jedenfalls  war  er  an  und  für  sich  der  Juris- 
diction des  Schulzen  nicht  unterworfen. 

Wird  anderwärts  ein  Verbrechen  begangen,  und  der  Verbrecher 
flüchtet  in  die  Grenzen  des  Dorfes,  so  erhält  der  Schulz  für  den  Fall, 
dass  er  den  Verbrecher  ergreift  und  ausliefert,  den  dritten  Theil  der 
hieraus  fliessenden  Busse.286) 

Was  die  Gerichtsbarkeit  der  Schulzen  über  eingeborne  Preussen 
anbetrifft,  so  sagt  Voigt  an  verschiedenen  Stellen287)  ganz  kurz  und 
bestimmt,  dass  die  Schulzen  über  Preussen,  die  in  ihren  Dörfern  wohn- 
ten, keine  Gerichtsbarkeit  hatten,  sondern  dass  diese  stets  unter  der 
Jurisdiction  des  nächsten  Comthurs  oder  Vogts  standen. 

In  unsern  Urkunden  haben  wir  nur  eine  Stelle, 288)  an  der  das  Ge- 
richt über  Preussen  ausdrücklich  der  Landesherrschaft  reservirt  bleibt; 
viel  häufiger289)  erhält  der  Schulz  den  dritten  Theil  der  Bussen  von 
den  grossen  Gerichten  über  Preussen,  wobei  doch  wol  zu  ergänzen  ist, 
dass  er  auch  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  die  Preussen  gehabt  hat, 
oder  es  wird  geradezu  gesagt,200)  dass  die  Schulzen  die  niedere  Gerichts- 
barkeit über  die  preussischen  Reiter,  die  in  den  Dorfverband  eintreten 
müssen,  haben  sollen.  Von  den  Bussen  der  hohen  Gerichtsbarkeit  da- 
gegen, und  das  ist  eben  hiebei  eigenthümlich,  erhalten  sie  in  diesen 
Fällen  nichts. 

Ganz  eigenthümlich  lautet  die  Bestimmung891)  über  die  Jurisdiction 
des  Schulzen  in  der  Verschreibung  für  ein  Dorf  im  District  Tlokaw 
aus  dem  Jahre  1318.  Der  Schulz  erhält  hier  den  dritten  Theil  der 
hohen  und  niederen  Gerichtsbarkeit. 


m)  C.  W.  I,  260.  "•)  C.  W.  I,  294,  297;  II,  120.  287)  Voigt,  Geschichte 
Preussens  Bd.  III,  p.  480;  Bd.  VI,  p.  621  u.  736.  »••)  C.  W.  I,  176.  2M)  C.  W 
I,  194,  197.     *">)  C.  W.  II,  138,  139,  318  etc.    Ml)  C.  W.  I,  186. 


TOD  Hermann  Hoffmann.  217 

Wenn  ein  Preusse  in  den  Dorfgrenzen  (in  eadem  hereditate)  ein 
Verbrechen  begeht  und  auch  daselbst  ergriffen  wird,  so  wird  ihn  der 
Vogt  richten,  da  der  Schulz  selbst  die  Preussen  nicht  zu  richten  ver- 
steht (cum  ipse  ludeco  pruthenos  judicare  nesciat.)  Von  den  Strafge- 
fällen erhielt  der  Schulz  den  dritten  Theil. 

Schliesslich  ist  hier  noch  eine  Stelle  zu  erwähnen,  die  uns  zeigt, 
wie  eigentümlicher  und  verwickelter  Art  zuweilen  die  Rechtsverhält- 
nisse der  Dorfbewohner  waren.*) 

In  einer  Verschreibung  aus  dem  Jahre  1384 tM)  findet  sich  nemlich 
die  Bestimmung,  dass  der  Schulz  und  die  Bewohner  des  Dorfes  —  sein 
Name  wird  nicht  genannt  —  in  ihrem  Dorfe,  das  „Jure  Theutonicali1 
gegründet  ist,  und  auf  den  Wegen  von  diesem  nach  Quttstadt  nach 
deutschem  Rechte,  in  anderen  Dörfern  dagegen  nach  preussischem  Becht 
gerichtet  werden  sollen. 

Ausser  den  Einnahmen,  die  der  Schulz  durch  diese  Gerichtsbussen 
hatte,  wurden  ihm  aber  fast  immer  noch  andere  einträgliche  Bechte 
verliehen. 

Zunächst  gehört  hieher  die  freie  Fischerei.  Häufig  wird  sie  dem 
Schulzen  allein 293)  verliehen,  häufig  dem  Schulzen  und  Pfarrer,294)  meistens 
aber  ausser  diesen  auch  allen  Dorfbewohnern. m)  Zuweilen  erhält  auch 
der  Schulz  allein  das  Becht  der  Fischerei  in  einem  See,  während  die 
Dorfbewohner  in  einem  anderen  See  fischen  dürfen. 29fl) 


*)  Interessant  ist  es  zu  sehen,  dass  die  Jurisdiction  der  Schulzen  in  anderen 
Theilen  Preussens  zuweilen  noch  bedeutender  war,  als  im  Ermland.  So  theilt  uns 
A.  Kogge:  »Die  Kirchen  des  ehemaligen  Amtes  Balga*  einige  Urkunden  mit,  die 
höchst  interessant  sind.  In  den  Handfesten  für  die  Dörfer  Grünau  (p.  41,  42, 
Anm.  74)  aus  dem  Jahre  1331  und  Hohenfürst  (p.  47,  48,  Anm.  84)  aus  dem  Jahre 
1432  (beide  Dörfer  liegen  im  heutigen  Kreise  Heiligenbeil)  heisst  es,  der  Schulz 
erhält  die  kleinen  Gerichte  bis  4  Solidi  und  ein  Drittel  der  grossen.  »Hujus  tarnen 
judicia  scultetus  non  judicabit  sine  fratribus  vel  ipsorum  nundis  ad  hoc  deputatis, 
si  decreverint,  interesse.  De  hominibus  eciam  aliunde  venientäbus,  Theutonicis, 
preter  Pruthenos,  si  violenciam  in  hie  bonis  fecerint,  et  per  Scultetum  et  suos 
coadjutores  compulsi  ad  satisfaciendam  et  emendam  tertium  denarium  ipsi  non  ne- 
gamus  propter  ipsius  laborem  judicii  execucionis. 

2W)  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  Bd.  IV,  Urk.  21.      2M)  C.  W.  I,  127;  II,  165. 

*")  C.  W.  U,  73,  270.      2M)  C.  W.  I,  143,  178,  186,  197,  297;  II,  347  etc. 

*")  C.  W.  I,  167. 


218  ^er  leidliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Diese  Fischerei  darf  aber  nur  mit  immer  genau  bestimmten  Ge- 
räthen  und  auch  nur  zum  Bedarf  des  Tisches  betrieben  werden  (ad 
mensam  tantum  et  non  ad  vendendum).  Das  Verkaufen  von  Fischen 
wird  mit  Entziehung  des  Rechtes  bestraft.207) 

Dass  der  Landesherr  das  Fischerei-Recht  sich  besonders  reservirt, 
kommt  äusserst  selten  vor.298) 

Das  Jagdrecht  wird  viel  seltener  verliehen  als  die  Fischereigerechtig- 
keit und  immer  in  sehr  beschränktem  Masse. 

Dass  einem  ganzen  Dorfe  das  Jagdrecht  verliehen  wird,  findet  sich 
nur  an  zwei  Stellen ; 2")  sonst  erhält  es  immer  nur  der  Schulz  allein  ***) 
(und  zwar  nur  auf  Ziegen  und  Hasen). 

Die  Geistlichen,  die  in  Betreff  der  Fischerei  ja  gleich  dem  Schulzen 
eine  bevorzugte  Stellung  einnehmen,  scheinen  das  Jagdrecht  wol  ihres 
Standes  wegen  nicht  erhalten  zu  haben.  Hiefur  spricht  auch  eine  Stelle 
in  der  der  Schulz  und  Pfarrer  freie  Fischerei,  der  Schulz  aber  nur 
allein  freie  Jagd  erhält.301) 

Ganz  reservirt  wird  die  Jagd  ziemlich  häufig.302) 

Eine  oft  nicht  geringe  Einnahme  erwuchs  dem  Schulzen  ferner 
aus  den  Schenken.  Bei  der  Gründung  eines  Dorfes  nämlich  reservirte 
sich  der  Landesherr  entweder  das  Becht,  Schenken  anlegen  zu  dürfen, 
und  verlieh  es  dann  gegen  gewisse  Leistungen  einem  andern,  oder  er 
gab  dieses  Becht  dem  Schulzen. 

Wenn  die  Schenke,  zu  der  zuweilen  kleine  Stücke  Landes  gehörten, 
nicht  in  den  Händen  des  Schulzen  war,  hatte  ihr  Inhaber  vor  allem 
den  sogenannten  Tabernenzins  zu  zahlen.  Es  beträgt  dieser  in  unsern 
Urkunden  1/2—2  Mark.303) 

Von  diesem  Zins  erhielt  der  Schulz  gewöhnlich  die  Hälfte, ao4)  zu- 
weilen wird  ihm  indess  auch  nur  ein  Drittel  hievon  zugewiesen.306) 

Waren  2  Tabernen,  so  erhielt  der  Schulz  den  Zins  der  einen,  die 
Landesherrschaft  den  der  anderen.306) 


»•*)  C.  W.  II,  399.  298)  C  W.  I,  134.  2M)  C.  W.  II,  277,  291.  *»)  C.  W. 
I.  276;  II,  75,  262,  327.  301)  C.  W.  II,  327.  *»)  C.  W.  I,  109,  134,  160  etc. 
»»)  C.  W.  I,  271,  272,  291  etc.  **)  C.  W.  I,  179,  209,  221,  227,  251;  II,  72,  75, 
86,  138,  185,  296  etc.    *»)  C.  W.  H,  103,  403.    "•)  C.  W.  H,  223. 


von  Hermann  Hoffmann.  219 

Wurde  der  Zins  im  Lauf  der  Zeit  erhöht,  oder  durch  Erbauung 
einer  zweiten  Taberne  verdoppelt,  so  erhielt  der  Schulz  auch  hievon 
den  entsprechenden  Theil.307) 

Wenn  nun  der  Schulz  das  Eecht,  eine  Taberne  erbauen  zu  dürfen, 
erhielt,  zahlte  er  meistens  gar  keinen  Zins,308)  (taberna  libera),  indess 
finden  wir  auch,  dass  er  hin  und  wieder  zur  Zahlung  der  Hälfte  des 
sonst  bestimmten  Zinses  verpflichtet  wird. *•)  Die  andere  Hälfte  darf  er 
nicht  bezahlen,  da  sie  ihm  zukommt.  Bei  mehreren  Tabernen  gehörte 
wol  meistens  die  eine  dem  Schulzen,  während  die  andere  dem  Landes- 
herrn zinsete.  3,°)  Baute  der  Landesherr  nun  noch  eine  Taberne  (deren 
Zins  ihm  gehörte),  so  durfte  der  Schulz  auch  noch  eine  Taberne  bauen 
(von  der  er  keinen  Zins  bezahlte.) 

Als  besonderes  Vorrecht  wird  dem  Schulzen  zuweilen  noch  zuge- 
standen, dass  ausser  ihm  Niemand  eine  andere  Taberne  erbauen  dürfe. 

Von  dem  Zins,  der  von  den  Fleisch-  und  Brodbanken,  den  Schuh- 
machern etc.  gezahlt  wurde,  erhielt  der  Schulz311)  bald  die  Hälfte,  bald 
den  dritten  Theil;  zuweilen  durfte  er  auch  selbst  Brod-  und  Fleisch- 
banken, Badestuben  etc.  zinsfrei  einrichten.31*) 

Die  Mühlen,  deren  Erbauung  den  Schulzen  auch  sehr  häufig  ge- 
stattet wurde,  waren  zuweilen  auch  zinsfrei,313)  meistens  aber  musste 
von  ihnen  der  gewöhnliche  Zins  entrichtet  werden.  Dieser  bestand 
fast  immer  in  Geld  und  schwankt  in  unseren  Urkunden  zwischen  einer 
und  drei  Mark. 3!1)  Nur  sehr  selten  findet  sich  auch  noch  ein  Natural- 
zins316)  (3  Pfund  Wachs). 

Zuweilen  richtet  sich  der  Zins  auch  nach  der  Anzahl  der  Bäder, 
die  in  der  Mühle  sind.  So  wird  in  einer  Verschreibung  aus  dem 
Jahre  1330  für  jedes  Ead  ein  Zins  von  IVaMark,316)  in  einer  anderen 
Verschreibung  von  2  Mark  bestimmt317) 

Etwaigen  Schaden,  der  durch  den  Mühlenteich  entsteht,  soll,  wie 
es  in  der  Handfeste  für  das  Dorf  Raunau  heisst,3")  der  Schulz  ersetzen, 


*")  C.  W.  H,  156.  308)  C.  W.  I,  109,  127,  143,  160,  236,  237  etc. 
*»)  C.  W.  I,  209,  243,  283.  3,°)  C.  W.  I,  167.  »»)  C.  W.  I,  179,  167. 
3W)  C.W.  I,  130.  313)  C.W.  I,  125,  160.  3")  C.W.  I,  178,  180,  233,  287;  H,  270. 
3»)  C.  W.  I,  143.    3")  C.  W.  I,  251.    3")  C.  W.  II,  323.     3")  C.  W.  H,  287. 


220  Der  ländliche  GrundbeeiU  im  Ermlande 

wofür  er  aber  ausser  dem  Zins  zu  keinen  anderen  Diensten  (racione 
ipsius  molendini)  verpflichtet  ist. 

Was  wir  schon  früher  bei  Betrachtung  der  selbstständigen  Mühlen- 
grundstücke gesehen  haben,,  dass  nämlich  der  Landesherr  häufig  einen 
Theil  der  Mühle  besass  und  ein  Lehnsmann  den  andern,  das  findet  sich 
auch  hier.  Zuweilen  hat  der  betreffende  Schulz  zum  Bau  der  Mühle 
einen  entsprechenden  Theil  der  Kosten  beizutragen319)  und  erhält  dann 
auch  den  betreffenden  Theil  der  Einahmen  oder  er  erhält  den  bestimmten 
Theil  der  Mühle  und  hat  den  entsprechenden  Theil  des  Zinses  zu  zahlen.320) 

Bezüglich  der  Unterhaltungskosten  sind  die  Bedingungen  natürlich 
sehr  verschieden.  Bald  heisst  es,321)  der  Schulz  hat  die  Mühle  allein 
im  Stande  zu  erhalten  und  was  dazu  gehört,  auszulegen ;  nur  wenn  sie 
baufällig  wird,  soll  jeder  nach  seinem  An  theil  zu  den  Kosten  beitragen; 
bald  wird  bestimmt,382)  dass  der  Schulz  allein  die  Beparatur  auszu- 
fuhren hat. 

Wie  bei  den  Tabernen  finden  wir  endlich  auch  hier  hin  und  wieder 
die  Vergünstigung,  dass  in  den  Grenzen  des  betreffenden  Dorfes  gegen 
den  Willen  des  Schulzen,  der  dort  eine  Mühle  besitzt,  keine  andere 
gebaut  werden  darf.823) 

Schliesslich  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  nach  der  Handfeste  des 
Dorfes  Freimarkt324)  der  Schulz  die  Hälfte  des  Gärtnerzinses  für  sich 
behalten  durfte.  Ob  dieses  hier  nur  eine  specielle  Vergünstigung  war, 
oder  ob  es  gewöhnlich  geschah,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  da  uns 
keine  andere  Stelle  darüber  Auskunft  giebt. 

Nachdem  nun,  so  weit  unsere  Quellen  es  uns  gestatteten,  gezeigt 
worden  ist,  was  zum  Schulzenamt  gehörte,  welches  die  Bechte  und 
welches  die  Pflichten  des  Schulzen  waren,  ist  es  nothwendig,  noch 
einiges  über  die  persönliche  Stellung  des  Schulzen  hinzuzufügen.  Zu- 
nächst ist  hiebei  hervorzuheben,  dass  es  durchaus  nicht  nothwendig 
war,  dass  in  einem  Dorfe,  welches  zu  culmischem  Becht  gegründet  war, 
dessen  Einwohner  also  vorwiegend;  wenn  nicht  alle,  deutsche  Bauern 


IW)  C.  W.  I,  190;  H,   284.      81°)   C.   W.  II,  464.      3JM)   C.   W.  H,  464. 
MJ)  C.  W.  H,  284.    3M)  C.  W.  I,  189.    33M)  C.  W.  If,  192. 


▼on  Hermann  Hoffinann.  221 

waren,  dass  in  einem  solchen  Dorfe,  wiederhole  ich,  der  Schulz  stets 
ein  Deutscher  sein  musste.  Zahlreiche  Beispiele  zeigen  uns,  dass  ein- 
gebornen  Preussen  häufig  die  Location  eines  Dorfes  zu  culmischem 
Recht  übertragen  wurde;325)  wir  bemerken  sogar,  dass  um  die  Mitte 
des  14.  Jahrhunderts  preussische  Schulzen  in  deutschen  Dörfern  viel 
häufiger  anzutreffen  sind  als  deutsche.  Ein  unterschied  in  den  Com- 
petenzen  und  Rechten  der  deutschen  und  preussischen  Schulzen  lässt 
sich  aber  durchaus  nicht  erkennen.*) 

Ferner  sehen  wir,  dass  häufig  nicht  einer,  sondern  mehrere  Leute 
mit  der  Location,  also  auch  mit  dem  Schulzenamt  betraut  wurden, 
wobei  wir  wieder  ebenso  Preussen  wie  Deutsche  treffen. 

Waren  mehrere  mit  der  Location  betraut,  so  wurden  die  Schulzen- 
hufen häufig  gleich  zwischen  ihnen  get heilt,  und  zwar  durchaus  nicht 
immer  zu  gleichen  Theilen.  **) 

So  ersehen  wir  aus  mehreren  Handfesten,  in  denen  wir  nur  eine 
Hufe  und  eine  halbe  für  das  Schulzenamt  bestimmt  finden,  dass  die 
eine  Partei  eine  Hufe,  die  andere  aber  nur  eine  halbe  erhält.386) 

In  einer  anderen  Urkunde  heisst  es,"7)  die  einen  erhalten  die 
Hälfte,  die  anderen  den  dritten  Theil  der  Hufen  und  des  Gerichts.  ***) 


"•)  C.  W.  I,  297,  802;  II,  22,  89  etc. 
*)  Voigt  sowol  wie  Bender  nehmen  an,  dass,  wenn  in  deutschen  Dörfern 
Preussen  als  Schaken  waren,  sie  nicht  die  Gerichtsbarkeit  Über  die  deutschen  Bauern 
hatten.  (Voigt,  Gesch.  Pr.  III,  p.  481;  Bender,  Erral.  polit.  u.  nat.  Stellung  inner- 
halb Preussens  p.  &3.)  Leider  geben  beide  nicht  an,  wer  in  solchen  Fällen,  ihrer 
Ansicht  nach,  die  Jurisdiction  über  die  deutschen  Bauern  hatte.  Ich  glaube  aber, 
wenn  der  Orden  oder  die  Bischöfe  und  Domcapitel  einzelnen  Preussen  so  weit  ihr 
Vertrauen  schenkten,  dass  sie  ihnen  die  Location  deutscher  Dörfer  übertrugen,  so 
werden  sie  ihnen  die  Jurisdiction  über  die  deutschen  Bauern  nicht  vorenthalten 
haben,  zumal  in  keiner  unserer  Urkunden  dieser  Punkt  irgend  wie  erwähnt  wird« 

**)  Riedel,  Die  Mark  Brandenburg  ums  Jahr  1250  (ü,  p.  219  ff.)  sagt,  dass 
wenn  auch  mehrere  Locatoren  da  waren,  doch  nur  einer  das  Schulzenamt  erhielt, 
die  andern  eben  als  Lehnsbauern  eine  dem  Schulzen  ähnliche  Stellung  einnahmen. 
Wo  er  in  Dörfern  mehrere  Schulzen  erwähnt  findet,  hilft  er  sich  mit  der  Annahme, 
dass  nnr  einer-  wirklich  Schulze  gewesen  sei,  die  andern  nur  den  Titel  geführt  haben. 

3M)  C.  W.  I,  299;  H,  120.    M7)  C.  W.  I,  288. 

***)  Es  liegt' hier  wol  jedenfalls  wieder  eine  Nachlässigkeit  bei  der  Ausstellung 
der  Urkunde  vor,  da  wir  nur  Über  den  Verbleib  yon  fünf  Sechsteln  der  Schulzen« 
hufen  etwas  erfahren. 


222  Der  ländliche  Grnudbeiits  im  Ermlande 

Die  eben  angefahrten  Theilangen  sind  alle  gleich  bei  der  Aus- 
setzung der  Hufen  vom  Landesherrn  bestimmt  worden.  Wo  eine  solche 
Theilung  der  Schulzenhufen  auf  diese  Weise  nicht  geschah,  werden  die 
Betreffenden  sie  häufig  unter  sich  vorgenommen  haben. 

Wenn  wir  nun  an  dem  Grundgedanken  festhalten,  dass  die  Schulzen- 
hufen zum  Schulzenamt  gehören,  mit  diesem  aufs  engste  verbunden 
und  von  ihm  gar  nicht  zu  trennen  sind,  so  folgt  daraus  ganz  einfach, 
dass  bei  einer  Theilung  der  Schulzenhufen  auch  die  Rechte  sowie  die 
Pflichten  des  Schulzen  getheilt  wurden,  d.  h.,  dass  jeder,  der  einen 
Theil  der  Schulzenhufen  besass,  nach  der  Grösse  dieses  Antheils  auch 
an  den  Rechten  und  Pflichten  des  Schulzen  Theil  hatte. 

Es  ist  dieses  so  zu  verstehen,  dass  er  einmal  den  betreffenden 
Theil  der  Einnahmen  des  Schulzen,  also  besonders  der  Gerichtsbussen 
empfing,  andererseits  aber  auch  für  die  richtige  Einlieferung  der  be- 
treffenden Quote  der  bäuerlichen  Abgaben  verantwortlich  war.  Die 
Functionen  des  Schulzen  gingen  dabei  vielleicht  der  Reihe  nach  bei 
den  einzelnen  Mitbelehnten  herum,  doch  so  naturlich,  dass  derjenige, 
der  z.  B.  doppelt  so  viel  von  den  Schulzenhufen  besass,  als  ein  anderer, 
die  Functionen  des  Schulzen  auch  doppelt  so  lange  versehen  musste, 
als  dieser. 

Es  ist  hier  nun  noch  der  Fall  zu  betrachten,  dass  unter  mehreren 
Zusammenbelehnten  eine  Frau  war. 

In  der  Handfeste  von  Langen walde m)  aus  dem  Jahre  1318  wird 
das  Schulzenamt  einem  Manne  und  seiner  Schwester  verliehen,  und 
zwar  erhält  jeder  die  Hälfte  der  Schulzenhufen. 

Mit  der  Zustimmung  des  Domcapitels  ernennt  nun  die  Frau,  weil 
sie  als  Frau  dem  Schulzenamt  nicht  vorstehen  kann,  ihren  Bruder  für 
ihre  Hälfte  zum  beständigen  Procurator  und  verpflichtet  sich,  alles, 
was  er  tfaun  würde,  gut  zu  heissen.  Unzweifelhaft  blieb  ihr  aber  die 
Hälfte  der  Einnahmen,  sowie  die  Verantwortlichkeit  für  die  Hälfte  der 
abzuführenden  Abgaben.  Ob  sie  ihrem  Bruder  für  seine  Arbeit  und 
Mühe  vielleicht  einen  Theil  ihrer  Einnahmen  abtrat,  wissen  wir  nicht. 


m 


)  C.  W.  I,  189. 


von  Hermann  Hofftnann,  B2ä 

Es  ist  dieses  auch  vollständig  gleichgültig,  da  es  nur  eine  rein  private 
Abmachung  gewesen  wäre. 

Das  Wichtigste,  was  aus.  dieser  Handfeste  folgt,  ist  aber,  dass 
eine  Frau  im  Besitz  von  Schulzenhufen  sein  kann,  und  dass  es  ihr 
freisteht,  sich  einen  männlichen  Beistand,  einen  Procurator  zu  erwählen, 
der  die  Functionen  des  Schulzen  für  sie  und  in  ihrem  Namen  ausübt 

Da  die  Schulzen  ihre  Freihufen  nun  zu  culmischem  Recht  besassen, 
gelten  für  sie  auch  dieselben  Grundbestimmungen  wie  für  diese  Güter. 
Das  Erbrecht  für  beide  Geschlechter  und  das  freie  Veräusserungsrecht 
kam  ihnen  jedenfalls  zu. 

Bemerkenswert  ist  hiebei  nur  der  Fall,  wenn  nur  eine  Erbtochter 
vorhanden  war.  Nach  Analogie  des  eben  erwähnten  Falles  konnte  diese 
sich  wahrscheinlich  einen  Procurator  wählen,  den  der  Landesherr,  wenn 
er  ihm  genügend  befähigt  und  geschickt  erschien,  bestätigte.  Ver- 
heiratete sich  eine  solche  Erbtochter,  so  ging  jedenfalls  (natürlich  mit 
Zustimmung  des  Landesherrn)  das  Schulzenamt  auf  ihren  Mann  über. 
Geschah  keins  von  beiden,  so  blieb  ihr  wol  nichts  anderes  übrig,  als 
das  Schulzenamt  zu  verkaufen.  Waren  endlich  keine  Erben  vorhanden, 
so  fiel  das  Schulzenamt  sammt  den  Schulzenhufen  an  die  Landesherr- 
schaft zurück,  die  es  einem  andern  übergeben  oder  verkaufen  konnte.  *) 

Was  das  freie  Verkaufsrecht  der  Schulzen  anbetrifft,  so  konnten 
diese  das  Schulzenamt  sammt  allen  Hufen  ganz  oder  theilweise  ver- 
kaufen. Im  ersten  Falle  trat  der  Käufer  vollständig  in  die  Rechte  und 
Pflichten  des  bisherigen  Schulzen  ein,  im  andern  Falle  gestaltete  sich  das 
Verhältniss  genau  so,  wie  bei  einer  Theilung  zwischen  mehreren  Erben. 

Ausser  den  Schulzenhufen  nehmen  nun  auch  noch  die  Hufen,  die 
zur  Dotirung  der  Kirche  bestimmt  wurden,  eine  besondere  Stellung  ein. 
Gewöhnlich  wurden  der  Kirche  4  Hufen  "•)  zugetheilt,  doch  finden  wir 


*)  Riedel,  Die  Mark  Brandenburg  ums  Jahr  1260  (II,  p.  211)  sagt,  dass  bei 
den  märkischen  Lehnsschalzen  immer  nur  ein  Sohn,  gewöhnlich  der  jüngste,  dem 
Vater  im  Amte  folgte.  —  In  Schlesien  konnte  das  Schulzenamt  auch  auf  weibliche 
Nachkommen  Übergehen  cf.  Tzschoppe  u.  Stenzel,  Urkundensammlung  zur  Geschichte 
des  Ursprungs  der  Städte  in  Schlesien  und  der  Ober-Lausitz,  Einleitung  3.  Hanpt- 
stfick  p.  150. 

»•)  C.  W.  I,  109,  127,  134,  158,  167,  179,  261  etc. 


224:  Der  läadl»che  Grundbesitz  im  Ermlande 

auch  sehr  häufig  fünf,330)  auch  6  Hufen.331)  War  in  einem  Dorfe  nur 
eine  Kapelle,  in  der  der  Pfarrer  eines  benachbarten  Dorfes  das  Amt 
hielt,  so  finden  wir  gewöhnlich  nur  2  Hufen  gegeben.333) 

Diese  Hufen  waren  ebenso  wie  die  Schulzenhufen  frei  von  dem 
Geld-  und  Huhnerzins.  Ob  von  ihnen  das  Pflugkorn  zu  geben  war, 
lässt  sich  nicht  genau  entscheiden. 

Da  diese  Hufen  aber  eine  ganz  ähnliche  Stellung  einnehmen,  wie 
die  Schulzenhufen,  liegt  die  Vermuthung,  dass  auch  sie  von  der  Ab- 
gabe des  Pflugkorns  befreit  waren,  sehr  nahe. 

Ausser  diesen  Freihufen  hatte  der  Pfarrer  noch  den  kirchlichen 
Decem  oder  das  Messkorn.  Dieser  Decem  wurde  ebenso  wie  das 
Pflugkorn  von  jedem  Pfluge  gegeben333)  und  betrug  für  jeden  Pflug 
1  Scheffel  Weizen  und  1  Scheffel  Hafer. 

Wenn  wir  auch  hier  nicht  zu  selten  die  Bestimmung  finden,  dass 
der  Decem  von  der  Hufe  (de  manso)  zu  geben  sei, 334)  so  gilt  hiefür  das- 
selbe, was  wir  schon  früher  bei  Betrachtung  des  Pflugkorns  gesagt  haben, 
d.h.  es  ist  wol  nachlässigerweise  „de  manso11  statt  „de  aratro"  gesetzt. 

Die  Gärtner,  die  nur  eine  geringe  Ackerfläche  zugewiesen  erhielten, 
geben  dem  Pfarrer  als  Decem  für  jeden  Garten  zwei  Hühner.*) 

Weil  dieser  Decem  nun  nur  vom  bebauten  Lande  gegeben  wurde, 
war  das  Gemeindeland,  das  als  Wald  oder  Weide  benutzt  wurde,  von 
demselben  frei. 

Ganz  dasselbe  gilt  von  den  Hufen,  die  später  einmal  zugegeben 
oder  zugekauft  wurden.  So  lange  sie  noch  unbebaut  sind,  heisst  es 
gewöhnlich,  haben  9ie  keinen  Decem  zu  liefern,  wenn  sie  aber  cultivirt 
werden,  sollen  sie  den  beackerten  Hufen  ganz  gleich  stein. 

Doch  findet  es  sich  auch  zuweilen,336)  dass  solche  Hufen  einen 
geringeren  Decem,  nämlich  nur  1  Scheffel  Getreide  von  jeder  Hufe  zu 


M0)  C.  W.  H,  179,  273,  284,  430  etc.  SS1)  C.W.  I,  143,186,233;  H,  73,  75, 
223,  327  etc.  3M)  C.  W.  H,  192,  291,  344  etc.  J")  C.  W.  I,  193,  194,  196,  197; 
II,  399.    334)  C.  W.  t  175,  180,  288  etc. 

*)  Nach  einer  SteUe  bei  Voigt  (Gesch.  Pr.  VI,  p.  657  Anm.  2)  haben  die 
Gärtner  zuweilen  statt  dieses  Naturaldecems  eine  Geldabgabe  zu  geben,  und  zwar 
dem  Pfarrer  für  jeden  Garten  1  Schilling,  dem  Glöckner  6  Pfennige. 

»")  C.  W.  II,  191. 


von  Hermann  Hoffroami.  225 

geben  haben;  hin  und  wieder  werden  solche  Hufen  auch  für  immer 
vom  Decem  befreit 336)  Ebenso  sehen  wir,  dass  Hufen,  die  kaum  cultur- 
föhig  sind,  vom  Decem  (wie  auch  ganz  oder  theilweise  von  den  übrigen 
Abgaben)  befreit  werden.337) 

Bevor  wir  nun  zu  den  eigentlich  bäuerlichen  Hufen  übergehn,  ist 
es  noch  nöthig,  einen  Blick  auf  das  Gemeindeland  zu  werfen,  das  von 
allen  gemeinsam  benutzt  wurde.  Die  Grösse  desselben  ist  natürlich  sehr 
verschieden;  in  unsern  Urkunden  variirt  sie  zwischen  einer  halben  Hufe 
und  acht  Hufen.338) 

Dieses  Gemeindeland  war  entweder  Wald  oder  Weide  und  darnach 
auch  verschieden  belastet.  Ais  unbeackertes  Land  war  sowol  der 
Gemeinde- Wald  wie  die  Gemeinde- Weide  von  der  Lieferung  des  Pflug- 
korns an  den  Landesherrn  und  des  Decems  an  den  Pfarrer  entbunden. 
In  der  älteren  Zeit  war  wenigstens  das  gemeinsame  Weideland  wol 
stets  auch  zinsfrei.  In  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  finden 
wir  indess  schon,  dass  auch  von  der  Gemeinde-Weide  zuweilen  ein 
Zins  gezahlt  werden  rnuss.339)  Der  Gemeinde- Wald  scheint  in  Betreff 
des  Zinses  den  gewöhnlichen  Bauernhufen  gleichzustehn.  34°)  Aehnlich 
verhielt  es  sich  auch  mit  dem  später  zugegebenen  oder  zugetheilten 
Lande.  So  lange  dieses  nicht  beackert  und  noch  unaufgetheilt  war, 
sondern  als  Weide  und  Wald  gemeinsam  benutzt  wurde,  war  es  von 
der  Scharwerkspflicht  und  dem  Decem  an  den  Pfarrer  befreit,341)  doch 
finden  wir  noch  häufiger,  dass  solche  Hufen  für  immer  vom  Scharwerk 
und  Decem  befreit  sind,342)  oder  dass  die  Befreiung  vom  Scharwerk  für 
alle  Zeit,  die  vom  Decem  aber  nur  temporär  ist,343)  resp.  gar  nicht 
erwähnt  wird. 344)  ^ 

Der  Zins  wird  von  solchen  Hufen  gewöhnlich  gleich  gegeben  und 
ist  derselbe  wie  von  den  andern  Hufen.  Zuweilen  finden  wir  auch, 
dass  einige  Hufen  zur  Verbesserung  einzelner  sehr  schlechter  Grund- 


3M)  C.  W.  II,  195,  331.  887)  C.  W.  II,  3Ö6.  a")  %  Hufe  cf.  C.  W.  I,  180,  Ml. 
1  Hufe  cf.  C.  W.  I,  109,  127,  143,  149;  H,  75,  86.  2  Hufen  cf.  C,  W«  I,  167,  176; 
II,  291.  4  Hufen  cf.  C.  W.  II,  101,  831,  347.  8  Hufen  cf.  C.  W.  II,  376. 
8a»)  C.W.  II,  375.  *">)  C.W.  ü,  242.  •*')  C.W,  II,  818.  »«*)  C.W.  II,  195,  881. 
m»)  C.  W.  II,  827.    *«)  C.  W.  II,  455. 

Altpr.  MoDSMMbrift  Bd.  XIV.  Hft.  8  u.  4,  15 


226  Der  ländliche  Grundberitt  im  Ermlande 

stücke  gegeben  werden,  bei  welchen  dann  Freiheit  von  Zins,  Scharwerk 
und  Decem  bewilligt  wird.345) 

Als  ganz  aussergewöhnliche  Bestimmung  ist  endlich  noch  zu  er- 
wähnen, dass  einmal  von  zwölf  zugekauften  Hufen  an  Stelle  alles 
Dienstes  von  jeder  Hufe  10  Scheffel  Weizen  zu  geben  sind. 

Was  nun  von  den  ursprünglich  zu  einem  Dorf  gegebenen  Hufen 
nicht  dem  Schulzen  zufiel,  und  der  Kirche  als  Dotation  oder  dem  Dorfe 
*als  Gemeindeland  zugewiesen  wurde,  kam  zur  Vertheilung  unter  die 
Bauern.  Den  bei  weitem  grössten  Theil  dieser  Ländereien  finden  wir 
gewöhnlich  mit  freien  deutschen  Bauern  besetzt.  Neben  diesen  treffen 
wir  in  den  Dörfern  dann  häufig  noch  kleine  selbstständige  Güter  cul- 
mischen  Rechts,  kleine  Güter  preussischen  Rechts,  Gärtner  etc. 

Betrachten  wir  hier  zunächst  die  Besitzungen  der  deutschen  Bauern. 
Die  Frage,  in  wie  weit  das  culmische  Becht  auf  die  bäuerlichen  Be- 
sitzungen Anwendung  gefunden  hat,  ist  sehr  schwer  zu  beantworten, 
da  für  die  Bauern  keine  Einzelverschreibungen  ausgestellt  wurden.  Ueber 
das  Erbrecht  und  Veräusserungsrecht  vor  Allem  sind  wir  vollständig 
im  Unklaren.  In  den  Handfesten  der  Dörfer  findet  sich  hierüber  nicht 
die  geringste  Notiz.  Da  wir  nun  aber  annehmen,  dass  die  Verleihung 
des  culmischen  Bechts  sich  nicht  bloss  auf  die  Schulzen,  sondern  auch 
auf  die  Bauern  bezogen  hat,  glauben  wir  auch,  dass  hier  in  Betreff  des 
Erb-  und  Yeräusserungsrechtes  die  Bestimmungen  der  culmischen  Hand- 
feste gegolten  haben.*) 

Die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  sie  besass,  wie  schon  gezeigt  ist, 


»«•)  C.  W.  H,  331. 
*)  Voigt  (Gesch.  Pr.  Vi,  p.  591)  scheint  anzunehmen,  dass  das  culmische 
Becht  sich  häufig  nur  auf  den  Schulzen  und  und  nicht  auf  die  Bauern  bezogen  habe. 

Bender  in  seinem  schon  oft  citirten  Werk  (p.  48)  sagt:  »An  dem  culmischen 
Becht  partieipirten  auch  die  deutschen  Bauern.*  In  Betreff  ihres  Erb-  nnd  Ver- 
äusserungsrechts  drückt  er  sich  aber  sehr  unbestimmt  aus,  indem  er  nnr  sagt: 
»Ihr  Besitz  war  erblich  und  yeräusserlich.* 

ßchmitt  (Stuhmer  Kreis  p.  118)  sagt:  das  culmische  Recht  habe  sich  nie  auf 
die  Bauern,  sondern  immer  nnr  auf  den  Schulzen  bezogen. 

Korn  (»Geschichte  der  bäuerlichen  Verhältnisse  in  der  Mark  Brandenburg* 
Zeitschrift  für  Rechtswissenschaft  Bd.  XI.  Hft.  I.  p.  4)  sagt,  dass  die  bäuerlichen 
Besitzungen  In  der  Mark  Brandenburg  erblich  und  veräusserlich  gewesen  seien. 


von  Hennann  Hoffmanxu  227 

der  Sehulz,  die  hohe  der  Vogt.  Von  beiden  wurden  sie  nach  deutschem 
Recht  gerichtet,  und  unterscheiden  sich  hierin  sehr  zu  ihrem  Vortheile 
von  der  grossen  Masse  der  Preussen,  die  nach  preussischem  (polnischem) 
Recht  gerichtet  wurden. 

Von  anderen  Rechten,  die  die  deutschen  Bauern  besassen,  ist  nur 
das  Fischereirecht  zu  erwähnen,  dass  sie  sehr  oft,9")  und  das  Jagd- 
recht, das  sie  sehr  selten  erhielten.*47)*) 

Die  Leistungen,  die  nun  auf  diesen  bäuerlichen  Hufen  ruhten,  be- 
standen zunächst  im  Hufenzins.  Ueber  diesen  sind  bis  jetzt  zwei  ver- 
schiedene Ansichten  aufgestellt  worden.  Voigt348)  sagt  bei  Behandlung 
der  einzelnen  Geldabgaben  an  den  Orden:  „Geleistet  wurde  der  Zins 
aber  nur  von  den  wirklich  besetzten  und  bebauten,  nie  von  den  wüsten 
und  unbebauten  Hufen,  worüber  die  Comthure  genaue  Verzeichnisse 
hielten. "  Die  andere  Ansicht  ist  die  von  Meitzen.'49)  Derselbe  sagt, 
allerdings  nicht  mit  specieller  Beziehung  auf  die  Provinz  Preussen, 
sondern  nur  auf  die  Länder  östlich  der  Elbe:  „Bei  wüsten  Hufen  war 
es  üblich,  dass  die  übrige  Bauernschaft  sie  gegen  die  Lasten  bis  zur 
Besetzung  mit  einem  neuen  Wirth  gemeinschaftlich  oder  durch  die 
Nachbarn  bebaute.  * 

Unsere  Urkunden  bieten  uns  leider  nicht  das  Material,  um  uns 
hierüber  eine  selbstständige  Ansicht  zu  bilden.  Sie  sagen  fast  immer: 
Zum  Schulzenamt  gehören  so  und  so  viel  Hufen,  zur  Kirche  und  zum 
Dorfanger  so  und  so  viel;  von  den  übrigen  ist  der  Hufenzins  zu  zahlen. 

Es  wäre  hienach  dieser  Hufenzins  von  sämmÜichen  Hufen  mit 
Ausnahme  der  Freihufen  zu  leisten,  ohne  Bücksicht  darauf,  ob  alle 
Hufen  besetzt  werden  oder  nicht.  Es  kann  hierauf  aber  leider  nur 
sehr  wenig  Gewicht  darauf  gelegt  werden,  da  man  entschieden  den  Fall, 
dass  ein  Theil  der  Hufen  unbesetzt  bleiben  könnte,  bei  der  Verleihung 


*">)  C.  W.  I,  143,  178,  186,  197,  297;  H,  347  etc.    34T)  C.  W.  I,  277,  291. 
*)  Voigt  (Gesch  Pr.  VI,  p.  637)  sagt,  dass  die  Bauern  das  Fischereirecht 
gegen  einen  jährlichen  Zins  erhielten.    Von  einem  solchen  Pachteins  findet  sich  in 
unsern  Urkunden  keine  Spur. 

'")  Voigt,  Gesch.  Pr.  VI,  p.  652. 

34°)  Meitzen,  Boden-  und  landwirtschaftliche  Verhältnisse  des  preußischen 
Staates,  Band  I,  HauptBtuck  II,  p,  871, 

15* 


228  Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlende 

nicht  berücksichtigt  hat.  Hiefür  spricht  der  Umstand,  dass  wir  nicht 
selten  statt  jener  eben  angefahrten  Bestimmung  „von  den  übrigen 
Hufen  etc. "  eine  andere  finden,  die  ganz  dasselbe  sagen  soll,  jene  Deu- 
tung aber  nicht  zulässt.  Es  heisst  nämlich  ziemlich  häufig:  „Von 
den  übrigen  Hufen  haben  die  Besitzer  von  jeder  Hufe  den  Zins  zu 
zahlen/  Dieses  kann  aber  doch  nur  für  die  besetzten  Hufen  gelten, 
denn  die  Erklärung,  dass  das  Dorf  der  Besitzer  von  herrenlosen  Hufen 
sei  und  deshalb  jeder  Bauer  als  Mitbesitzer  zur  Erlegung  seines  Zins- 
antheils  verpflichtet  sei,  dürfte  doch  etwas  gesucht  erscheinen. 

Hiezu  kommt  nun  noch,  dass  wir  für  die  spätere  Zeit  aus  den 
vorzüglichsten  Quellen,  den  Zinsbüchern  etc.,  wissen,  dass  es  wirklich 
sehr  häufig  wüste  Hufen  gab,  von  denen  kein  Zins  gezahlt  wurde. 

Für  die  Ansicht  Meitzen's,  oder  wenigstens  gegen  die  Ansicht 
Voigt's  scheint  aber  wieder  eine  Stelle  in  der  Verschreibung  für  das  Dorf 
Grutta  zu  sprechen, "°)  in  der  es  heisst,  dass  wenn  nach  Ablauf  der 
Freijahre  nicht  alle  Hufen  besetzt  sind,  der  Schulz  für  den  Ausfall 
stehen  solle;  das  heisst  doch  unzweifelhaft,  dass  er  aus  seiner  eignen 
Tasche  den  Zins  für  die  nicht  besetzten  Hufen  zahlen  solle. 

Wahrscheinlich  ist  dieses  aber  auch  nur  eine  ganz  singulare  Be- 
stimmung, der  keine  allgemeine  Bedeutung  beizulegen  ist. 

Wir  werden  uns  daher  für  die  von  Voigt  geäusserte  Ansicht  ent- 
scheiden, dass  der  Hufenzins  nicht  auch  von  den  wüsten,  sondern  nur 
von  den  besetzten  Hufen  zu  zahlen  war. 

Dieser  Hufenzins  war  je  nach  den  örtlichen  Verhältnissen  natürlich 
ein  verschieden  grosser.  Der  gewöhnliche  Hufenzins  in  Ermland  betrug 
för  jede  Hufe  eine  halbe  Mark,851)  doch  steigt  er  auch  nicht  selten  bis 
zu  einer  ganzen  Mark.351)  Daneben  findet  sich  in  der  späteren  Zeit, 
d.  h.  ungefähr  seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  ein  Naturalzins  von 
Hühnern.  Es  stellt  sich  dann  der  Normalzins  für  jede  Hufe  auf  eine 
halbe  Mark  und  zwei  Hühner.353)    Doch  haben  wir  auch  einen  Zins 


S5°)  Froelich,  Geschichte  des  Graudenzer  Kreises  p.  157. 
»")  C.  W.  I,  121,  140,  158,  167,  231  j  O,  46,  323,  327  etc. 
•")  C.  W.  I,  109,  134,  149,  180,  251  etc. 
»**)  Cf  W.  I,  259,  262,  271,  276»  302;  II,  76,  86,  138,  223  etc. 


von  Hermann  Hoffmann.  229 

von  16  Skoten  und  2  Hühnern, 3*4)  von  14  Skoten  und  1  Huhn, ws)  von 
3  Vierdungen  und  3  Hühnern, 356)  von  1/2  Mark  und  4  Hühnern3*7)  etc. 
Ausnahmsweise  findet  sich  auch  ein  Mal  ein  Hufenzins  von  1  Pfund 
Pfeffer  und  15  Hühnern.358)  Dann  lassen  sich  noch  eine  ganze  Eeihe 
von  Verschreibungen  nachweisen,  in  denen  der  Zins  in  den  ersten  Jahren 
ganz  gering  ist  und  dann  allmählig  steigt,  bis  er,  gewöhnlich  im 
sechsten,  siebenten  oder  achten  Jahre,  das  Maximum  erreicht  hat  und 
stehn  bleibt.309)  Der  Geldzins  wurde  gewöhnlich  zu  Martini  gezahlt, 
die  Hühner  konnten  zu  jeder  Zeit  eingefordert  werden,  wenn  es  der 
Landesherrschaft  passte. 

Die  zweite  Hauptabgabe,  die  auf  den  bäuerlichen  Grundstücken 
lastete,  war  der  Bischofsscheffel  oder  das  Pflugkorn.  Wir  haben  hier 
die  eigentümliche  Erscheinung,  dass  es  sich  verhältnissmässig  sehr 
selten  erwähnt  findet,  und  dass  fast  alle  Urkunden,  in  denen  es  erwähnt 
wird,  aus  einer  späten  Zeit  stammen. 

Wir  werden  trotzdem  aber  nicht  annehmen  dürfen,  dass  diese  Ab- 
gabe ursprünglich  nicht  existirt  habe  und  erst  im  Laufe  der  Zeit  dazu 
gekommen  sei.  Hiefür  spricht  schon,  dass  in  einigen  Handfesten 
(in  denen  allerdings  nachlässiger  Weise  der  Bischofsscheffel  und  der 
Hufenzins  unter  die  gemeinsame  Bezeichnung  „census*  zusammenge- 
bracht werden)  es  ausdrücklich  heisst,  der  Zins  und  das  Pflugkorn  sei 
von  jeder  Hufe  gemäss  dem  Wortlaut  des  culmischen  Privilegiums  zu 
geben.  Hiezu  kommt  noch,  dass  in  der  Handfeste  für  das  Dorf  Krebs- 
walde aus  dem  Jahre  1314 860)  des  Pflugkorns,  oder,  wie  es  da  ausdrück- 
lich heisst,  des  Bischofsscheffels,  als  einer  ganz  allgemein  bekannten 
und  gewöhnlichen  Abgabe  gedacht  wird.  Als  zu  leistende  Abgabe  wird 
in  diesem  Fall  nur  der  Hufenzins  erwähnt.  Später  heisst  es  dann,  für  den 
Bischofsscheffel  und  das  Wartegeld  sollen  sie  drei  Freijahre  haben. 

Der  Grund  dafür,  dass  das  Pflugkorn  meistens  nicht  speciell  er- 
wähnt wird,  ist  wol  der,  dass  es  immer  gleich  gross  war  und  deshalb 
einer  besonderen  Erwähnung  nicht  zu  bedürfen  schien.   Dass  es  trotz- 


3")  C.  W.  1, 187.  3")  C.  W.  I,  264.  »•)  C.  W.  I,  266.  867)  C.  W.  I,  293, 294; 
H,  41.  »•)  C.  W.  U,  159,  869)  C.  W.  I,  127,  143,  149,  158,  167,  186  etc, 
3W)  C.  W.  I,  170. 


2QQ  Der  ländliche  Grundbesite  im  Ermlaude 

dem  zuweilen  erwähnt  wird,  darf  uns  nach  dem,  was  wir  über  die  Ab- 
fassung unserer  Yerschreibungen  schon  gesagt  haben,  durchaus  nicht 
wundern.  Wie  das  Pflugkorn,  das  von  den  culmischen  Gütern  zu  geben 
war,  betrug  auch  das  Pflugkorn,  das  die  Bauern  zu  geben  hatten,  für 
jede  beackerte  Hufe  1  Scheffel  Weizen  und  1  Scheffel  Boggen.*) 

Ausnahmen  hievon  finden  sich  äusserst  selten.  So  wird  ein  Mal 
das  Pflugkorn  auf  4  Scheffel  normirt,  während  es  ein  anderes  Mal  nur 
1  Scheffel  beträgt. 

Als  letzte  Abgabe  an  die  Landesherrschaft  ist  noch  das  Wartegeld 
zu  erwähnen  (denarii  custodiales),  das  nach  den  Hufen  bezahlt  wurde, 
dessen  Grösse  wir  aber  nicht  kennen. 

Ueber  den  Decem,  der  an  den  Pfarrer  zu  entrichten  war,  ist  schon 
gesprochen  und  hier  nichts  mehr  hinzuzufügen. 

Es  bleibt  nun  noch  übrig,  einen  Blick  auf  die  andern  Lasten  zu 
werfen,  die  auf  den  bäuerlichen  Grundstücken  ruhten,  ich  meine  auf 
die  Kriegspflicht  und  die  Verpflichtung  zum  Scharwerksdienst.  Voigt 
sagt:381)  Der  deutsche  Bauernstand  war  in  der  Kegel  von  der  Kriegs- 
folge völlig  frei.  Bei  feindlichen  Einfällen  hatten  sie  aber  ebenfalls 
sich  zum  Kriegsdienste  zu  stellen,  d.  h.  sie  waren  zum  gemessenen 
Kriegsdienst  verpflichtet.  **) 

In  unseren  Urkunden  finden  wir  bis  zu  der  Mitte  des  14.  Jahr- 


*)  Sehr  auffallender  Weise  wird  in  der  Handfeste  des  Dorfes  Ryn  (C.W.  1,297) 
gesagt,  die  Bauern  haben  den  Hufenzins,  das  Pflugkorn  und  den  Htihnerzins  ,de 
quolibet  manso  censuali*  zu  geben.  Ebenso  heisst  es  in  der  Yerschreibnng  für  das 
Dorf  Roggenhausen  (Froelich,  Gesch.  des  Granden z er  Kreises  p.  277),  dass  von  jeder 
Zinshufe  2  Scheffel,  von  jedem  Zinshaken  1  Scheffel  Getreide  zu  geben  ist. 

3«»)  Voigt,  Gesch.  Preussens  VI,  p.  679—682. 

**)  Bender  in  seinem  bekannten  Werk  (p.  48)  sagt  nur,  dass  die  Dorfbewohner 
nur  in  besonderen  FäUen  unmittelbar  zu  Kriegsleistungen  herangezogen  wurden. 

Biedel  (Die  Mark  Brandenburg  ums  Jahr  1250  II,  p.  226)  sagt,  dass  die  Bauern 
nur  zur  Verteidigung  des  Landes  verpflichtet  waren,  und  dass  ihnen  dieses  Recht 
1280  Ton  Neuem  bestätigt  sei. 

Bei  Korn  (»Geschichte  der  bäuerlichen  Rechtsverhältnisse  in  der  Mark  Branden- 
burg« Zeitschrift  für  Rechtswissenschaft  Bd.  XI.  Hft.  I.  p.  7)  findet  sich  in  Betreff 
der  Kriegspflicht  (servitium  curruum)  nur  die  Verpflichtung,  dass  im  Falle  eines 
Krieges  von  jedem  Dorf  ein  vierspänniger  Rüstwagen  zum  Gefolge  der  aufgebotenen 
Lehnsmannschaft  gestellt  wurde. 


von  Hermann  Hoffmann.  231 

hunderts  keine  Spar  von  einer  Kriegspflicht  der  deutschen  Bauern  (mit 
Ausnahme  der  Verpflichtung  zur  Hülfe  beim  Burgenbau). 

Dass  sie  trotzdem  von  Anfang  an  zum  Landwehrdienst  verpflichtet 
gewesen  sind,  ist  nicht  nur  möglich,  sondern  sogar  sehr  wahrscheinlich, 
weil  bei  den  damals  so  häufigen  Einfällen  der  Litthauer  wol  kein 
waffenfähiger  Mann  vom  Yertheidigungsdienst  befreit  gewesen  sein  wird. 
Nun  finden  wir  aber  in  einer  Urkunde  aus  dem  Jahre  1349  eine  Ver- 
pflichtung der  Bauern  zum  ungemessenen  Kriegsdienst. SM) 

Das  Dorf  Bevemick  bei  Heilsberg  wird  nämlich  um  zehn  Hufen 
vergrössert.  Nachdem  die  einzelnen  Abgaben  bestimmt  sind,  heisst  es 
dann  zum  Schluss:  »Damus  etiam  dicto  Tiloni  a  festo  beati  Martini 
proximo  nunc  venturo  ad  duos  annos  de  predictis  X  mansis  libertatem 
ab  expeditionibus  et  singulis  serviciis  dominorum." 

Die  Verschreibung  für  Schöndamerau 363)  aus  dem  Jahre  1391  sagt 
ferner  ausdrücklich,  dass  die  Bauern  zu  Beisen  und  zum  Burgenbau- 
dienst  verpflichtet  sind. 

Es  lässt  sich  also  unmöglich  leugnen,  dass  seit  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  schon  eine  Verpflichtung  der  deutschen  Bauern  zum 
ungemessenen  Kriegsdienst  existirt  hat.  Es  fragt  sich  hiebei  nur,  ob 
diese  Verpflichtung  immer  bestanden  hat,  oder  wann  sie  aufgekommen 
und  allgemein  geworden  ist. 

Für  die  Beantwortung  dieser  Fragen  haben  wir  in  unseren  Ur- 
kunden nicht  den  mindesten  Anhalt.  Wir  können  nur  vermuthen,  dass 
die  Verpflichtung  zum  ungemessenen  Kriegsdienst  in  der  älteren  Zeit 
wol  entschieden  nicht  bestanden  hat,  da  sie  zu  den  Verhältnissen,  in 
die  die  deutschen  Einwanderer  durch  die  culmische  Handfeste  gebracht 
waren,  durchaus  nicht  passt.  Dass  sie  ums  Jahr  1349  wenigstens 
theilweise  schon  existirte,  wissen  wir;  dass  sie  aber  auch  nicht  viel 
früher  aufgekommen  sein  wird,  schliessen  wir  daraus,  dass  um  dieselbe 
Zeit  der  ungemessene  Kriegsdienst  auch  in  den  Verschreibungen  für 
Güter  culmischen  Bechts  gewöhnlich  ausbedungen  zu  werden  pflegt. 

Dieselben  Ursachen,  die  den  bisher  bei  den  Gütern   culmischen 


8M)  C.  W.  I,  134.    3flJ)  Voigt,  Cod.  dipl.  Prosa.  Bd.  IV,  ürk.  99, 


232  "er  IftBdliehe  Grundbesitz  im  Ermlande 

Rechts  üblich  gewesenen  gemessenen  Kriegsdienst  in  einen  ungemessenen 
verwandelten,  nämlich  der  immer  mehr  steigende  Bedarf  an  bewaffneter 
Mannschaft,  die  nicht  nur  zur  Verteidigung  eines  beschränkten  Gebietes 
verpflichtet  war,  diese  selben  Ursachen  legten  wol  auch  dem  deutschen 
Bauernstand  die  Last  des  ungemessenen  Kriegsdienstes  auf. 

Dass  die  Bauern  dagegen  von  Anfang  an  zur  Hülfe  beim  Burgen- 
bau verpflichtet  waren,  lässt  sich  durch  eine  grosse  Anzahl  von  Ur- 
kunden beweisen.864)  Ob  sie  hiebei  den  unfreien  Hintersassen  ganz 
gleichgestellt  waren,  oder  ob  diese  vielleicht  mehr  Handdienste  zu  leisten, 
jene  aber  mehr  mit  ihren  Gespannen  zu  dienen  hatten,  ist  nicht  klar 
ersichtlich.  *)  Der  Schluss  der  Handfeste  für  Schöndamerau, 3M)  wo  es 
heisst,  sie  haben  beim  Bau  des  Schlosses  in  Frauenburg  Hülfe  zu  leisten : 
„et  ipsi  servicia  et  evectiones  et  operas  exhibere  teneantur",  scheint 
darauf  hinzudeuten,  dass  sie  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  beim  Burgen- 
bau den  eigentlichen  Frohndienst  zu  leisten  hatten. 

Endlich  haben  wir  noch  die  Scharwerkspflicht  zu  betrachten,  zu 
der  die  deutschen  Bauern  ihren  Herren  gegenüber  auch  verpflichtet 
waren.  Auch  hier  haben  wir,  wie  bei  der  Verpflichtung  zum  Kriegs- 
dienst die  auffallende  Erscheinung,  dass  sich  bis  ungefähr  zur  Mitte 
des  14.  Jahrhunderts  keine  Spur  von  Scharwerkspflichtigkeit  findet.**) 

Die  erste  Bestimmung  hierüber  treffen  wir  in  einer  Urkunde  aus 
dem  Jahre  1338, 3M)  wo  50  Hufen,  die  zu  einem  Dorf  gegeben  werden, 
10  Jahre,  wie  es  heisst:   „ab  omni  onere  servitutis",  frei  sein  sollen. 

Von  nun  ab  finden  sich  die  Scharwerksdienste  (servicia  msticalia 
oder  servicia  domini)   häufiger  erwähnt,   doch   wird  selten  Genaueres 


s")  C.  W.  I,  193,  194,  196  etc. 

*)  In  der  Mark  Brandenburg  (cf.  Korn  a.  a.  0.  p.  6)  hatten  die  Bauern  ausser 
dem  Vorspanndienst,  den  wir  später  auch  in  unserer  Provinz  treffen,  die  sogenannte 
Burgwehre  zu  leisten,  d.  h.  sie  hatten  die  erforderlichen  Fuhren  bei  Bauten  der 
markgrftflichen  Festungen,  Burgen  etc.  mit  ihren  Gespannen  zu  thun. 

*")  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  Bd.  IV,  ürk.  99. 

**)  In  der  Mark  Brandenburg  (cf.  Korn  a.  a.  0.  p.  7)  findet  sich  diese  Schar- 
werkspflichtigkeit ursprunglich  auch  nicht,  doch  sehen  wir,  dass  da  zuweilen  die 
Verpflichtung  zum  Burgenbaudienst  in  die  Verpflichtung  zum  Scharwerksdienst  um- 
gewandelt wurde. 

»")  C.  W.  I,  290, 


Ton  Hermann  Hoffmann.  233 

darüber  bestimmt.  Meistens  wissen  wir  nur,  dass  die  Scharwerkspflicht 
bestanden  haben  muss,  weil  Befreiung  von  ihr  auf  bestimmte  Zeit  er- 
wähnt wird, 367)  oder  weil  wir  später  zugegebene  oder  zugekaufte  Hufen, 
so  lange  sie  unbebaut  sind,  vom  Scharwerksdienst  befreit  sehen. m) 
Zuweilen  werden,  wie  wir  schon  oben  gefunden  haben,  solche  zugegebene 
oder  zugekaufte  Hufen  auch  für  immer  vom  Scharwerksdienst  befreit, 
gleichviel  ob  sie  nachher  zur  Vertheilung  und  Beackerung  gelangen 
oder  nicht. 369)  Ebenso  sehen  wir  auch  ein  Mal,  dass  6  Hufen,  die  schon 
einem  oder  mehreren  zugewiesen  sind,  von  der  Scharwerkspflicht  be- 
freit werden  (ebenso  vom  Decem  und  dem  halben  Zins),  weil  sie  kaum 
culturfthig  sind.370) 

üeber  das  Wesen  der  Scharwerkspflicht  erhalten  wir  durch  diese 
Urkunden  aber  nicht  die  mindeste  Aufklärung.  Erst  aus  dem  Jahre 
1371  haben  wir  eine  Handfeste,  die  den  Scharwerksdienst  genauer  be- 
stimmt.371) Es  heisst  hier:  „Vort  mer  sullen  die  selbigen  gebuer  mir 
und  meynen  nochkomelyngen  von  iclicher  hübe  eynen  tag  dynen  czwuschen 
dem  Schofsberge  und  der  frouvenburg,  ab  is  mir  und  meynen  noch- 
komelyngen not  tut.  Ist  is  aber  keyne  not,  so  sullen  sye  dynen  von 
iclicher  hüben  eyne  tag  beynen  den  grenitczen  des  Dorfes  Schofeberg 
alle  jar  vor  allen  dinst." 

In  einer  etwas  späteren  Urkunde  aus  dem  Jahre  1373  heisst  es 
einfach  nur:378)  „und  sullen  myr  und  mynen  rechten  erben  dynen  wenne 
ader  wie  sie  geheissen  werden. u 

Aus  dem  Jahre  1391  haben  wir  sogar  schon  eine  Handfeste,  in 
der  der  Scharwerksdienst  in  einen  Zins  umgewandelt  wird.*7*) 

Zunächst  ist  hier  nun  die  Frage  zu  erörtern,  ob  diese  Scharwerks- 
pflicht von  Anfang  an  bestanden  hat.  Ich  glaube  diese  Frage  ganz 
entschieden  verneinen  zu  müssen.  Wie  wir  früher  gesehn  haben,  war 
Scharwerksfreiheit  einer  der  Hauptvortheile,  den  das  culmische  Recht 
seinen  Besitzern  gewährte.  Wir  haben  ferner  schon  gesehn,  dass  die 
Grundzüge  dieses  Rechts  sich  bis  gegen  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 


>•')  C.  W.  II,  134,  242,  351.    JM)  C.  W.  II,  318.    »«)  C.  W.  H,  196, 327, 331. 
37°)  C.  W.  D,  356.    "0  C.  W.  II,  454.    37a)  C.  W.  H  476. 
373)  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  Bd.  IV,  ürk.  99. 


234  ^er  J&ndlicbe  Grundbesitz  im  Ermlande 

in  ihrer  Reinheit  erhielten,  dann  aber  zum  Nachtheile  derer,  die  es 
empfingen,  bedeutende  Veränderungen  erlitten. 

Wenn  wir  unter  diesen  Verhältnissen  die  Scharwerkspflicht  bis 
gegen  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  nirgend  erwähnt  finden,  so  dürfte 
die  Behauptung  wol  nicht  zu  gewagt  sein,  dass  die  deutschen  Bauern, 
die  in  Dörfern  culmischen  Rechts  sassen,  ursprünglich  sich  auch  der 
Freiheit  vom  Scharwerk  erfreuten,  und  diese  Last  ihnen  erst  um  die 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  auferlegt  wurde. 

Die  zweite  Hauptfrage  ist  natürlich  die,  wie  gross  die  Last  war, 
die  mit  dieser  Scharwerkspflicht  auf  den  deutschen  Bauern  ruhte.  Wir 
müssen  diese  Frage  leider  unbeantwortet  lassen,  da  unsere  Urkunden, 
wie  gesagt,  die  Scharwerkspflicht  fast  immer  nur  erwähnen,  ohne  ge- 
nauer darauf  einzugehn.  Jedenfalls  ist  sie  aber  keine  ungemessene, 
sondern  stets  eine  genau  bestimmte  gewesen.  Anfangs  leicht,  wurde 
sie  im  Lauf  der  Zeit  allmählig  immer  schwerer  und  drückender,  bis  sie 
schliesslich  eine  unerträgliche  Last  wurde. 

Diese  so  eben  ausfuhrlicher  geschilderten  Abgaben  und  Leistungen 
sind  den  Dorfbewohnern  in  den  ersten  Jahren  fast  immer  erlassen 
worden.  Wenn  man  bedenkt,  dass  das  für  ein  zu  gründendes  Dorf  be- 
stimmte Land  wol  stets  vollständig  uncultivirt  war,  es  also  der  Arbeit 
mehrerer  Jahre  bedurfte,  es  einigermaßen  ertragfähig  zu  machen,  so 
wird  man  es  ganz  natürlich  finden,  dass  den  Dorfbewohnern  immer  eine 
Anzahl  von  Freijahren  gegeben  wurde.*) 

Je  nach  der  Beschaffenheit  des  Bodens  war  diese  verschieden  gross. 
Wir  haben  Dörfer,  denen  nur  ein  Freijahr  gegeben  wurde374)  und  Dörfer, 
die  siebzehn  Freijahre  erhielten.876)**) 

Ob  in  den  seltenen  Fällen,  wo  keine  Freijahre  erwähnt  werden, 
wirklich  keine  gegeben  sind,  ist  mit  Sicherheit  natürlich  nicht  zu  ent- 


*)  In  einem  Falle  (C.  W.  II,  241)  sehen  wir  sogar,  dass  ein  Dorf,  weil  die 
ganze  Landschaft  (Barthen)  durch  die  Litthauer  verwüstet  ist,  zum  zweiten  Male 
Freijahre  für  den  Zins  erhält 

»")  C.  W.  I,  134,  149.    J76)  C.  W.  I,  274;  II,  75. 

*♦)  In  der  Handfeste  des  Dorfes  Benern  1316  (C.W.  I,  178)  werden  den  Dorf- 
bewohnern zehn  Freijahre  bewilligt.  Von  einer  bestimmten  Anzahl  von  Hafen,  die 
schon  cultivirt  Bind,  sollen  sie  aber  schon  nach  fünf  Jahren  den  vollen  Zins  geben. 


von  Hermann  Hoffmann,  235 

scheiden.  Warum  sollten  aber  unter  Umständen  nicht  auch  schon  cul- 
tivirte  Hufen  zur  Gründung  von  Dörfern  verwandt  worden  sein,  wobei 
dann  Freijahre  natürlich  keinen  Sinn  gehabt  hätten. 

Diese  Preijahre  bezogen  sich  zunächst,  wie  aus  allen  Urkunden  zu 
ersehn  ist,  auf  den  Hufenzins.  Auf  das  Fflugkorn  haben  sie  sich  jeden- 
falls aber  auch  bezogen,  weil  dieses  ja  überhaupt  erst  vom  beackerten 
Lande  gegeben  wurde.  Ausserdem  ergiebt  sich  dieses  aus  einer  ganzen 
Reihe  von  Verschreibungen.  Später  werden  auch  Preijahre  vom  Kriegs- 
dienst und  Scharwerksdienst  erwähnt.*) 

Höchst  auffallender  Weise  findet  sich  nun  seit  dem  Jahre  1349 
gar  nicht  selten  die  Bestimmung,  dass  während  der  Preijahre  ein  Ge- 
treidezins zu  geben  ist,  und  zwar  von  jeder  Hufe  ein  Scheffel  Boggen. 
Unzweifelhaft  wollte  man  die  Preijahre,  auf  die  die  deutschen  Bauern, 
weil  sie  fast  immer  gegeben  wurden,  einen  gerechten  Anspruch  zu  haben 
schienen,  ihnen  nicht  vorenthalten,  hielt  es  aber,  vielleicht  weil  der 
Boden  in  den  betreffenden  Fällen  besonders  ertragfähig  erschien,  für 
unnöthig,  während  der  Preijahre  auf  jede  Einnahme  zu  verzichten. 

Ausser  den  Abgaben  und  Leistungen,  die  auf  den  bäuerlichen  Be- 
sitzungen ruhten,  und  die  dem  Oberherrn  resp.  dem  Pfarrer  zu  Gute 
kamen,  waren  die  Bauern  nun  noch  zu  Leistungen  verpflichtet,  die 
sich  auf  die  Dörfer  selbst  bezogen.  Hieher  gehörte  natürlich  das  In- 
standsetzen und  Imstandehalten  der  Wege  und  Brücken,  das  Ziehen 
von  Gräben  und  Errichten  von  Zäunen  etc.,  wie  es  durch  die  Dorf- 
ordnung bestimmt  war,  und  auf  Befehl  des  Schulzen  ausgeführt  werden 
musste.    Näheres  berichten  uns  unsere  Urkunden  hierüber  nicht.37*) 

Neben  den  deutschen  Bauern,  die  den  Stamm  der  Bevölkerung  der 
deutschen  Dörfer  bildeten,  finden  wir  nun  häufig  noch  andere  Leute  in 
den  Dörfern  wohnen,  die  rechtlich  bald  schlechter,  bald  günstiger  als 
die  deutschen  Bauern  situirt  waren.    Hierher  gehören   zunächst  die 


*)  In  iwei Ordensyerschreibungen  für  Münsterberg  (C.W,  I,  204)  und* Ebers- 
bach (C.  W.  I,  242)  heisst  es  ausdrücklich,  dass  die  Freijahre  sich  nicht  auf  den 
Hühnerzins  beziehen  sollen. 

37<J)  Genaueres  hierüber  in  der  Dorfordnung  für  das  Dorf  Gollembiewo:  Froelich, 
Geschichte  des  Graudenzer  Kreises  I,  p.  79,  80. 


236  Der  HtodKche  Grundbesitz  im  Ermlande 

Gärtner.*)  Voigt  im  VI.  Band  seiner  Geschichte  Preussens  giebt  eine 
ausführliche  Schilderung  ihrer  Verhältnisse,  meistens  leider  ohne  anzu- 
geben, woher  er  alle  diese  Nachrichten  hat.  Aus  diesem  Grunde  und 
weil  wir  in  unsern  Urkunden  so  sehr  wenig  über  sie  finden,  ist  es  uns 
unmöglich,  das  von  Voigt  Gesagte  zu  controliren. 

In  der  Handfeste  für  das  Dorf  Freimarkt  bei  Heilsberg  aus  dem 
Jahre  1353*")  wird  eine  Hufe  zu  vier  Gärten  bestimmt,  von  denen 
jeder  eine  halbe  Mark  Zins  zahlen  soll.  Aus  einer  andern  Urkunde 
ersehen  wir,*78)  dass  die  Gärtner  als  Decem  an  den  Pfarrer  von  jedem 
Garten  zwei  Hühner  zu  liefern  hatten. 

Was  die  rechtliche  Stellung  der  Gärtner  anbetrifft,  so  betrachtet 
sie  Voigt  als  eine  Art  von  Hintersassen,  die  kein  eigentliches  Erbe 
hatten,  ihre  Gärten  nur  auf  zeitweilige  Benutzung  besassen  und  sie 
ohne  Weiteres  aufgeben  mussten,  wenn  sie  den  Zins  nicht  pünktlich 
lieferten  oder  ihre  anderen  Pflichten  nicht  erfüllten. 

Da  diese  Gärtner  entschieden  immer  freie  Leute  waren,  ist  es  wol 
fraglich,  ob  ihre  Stellung  wirklich  eine  so  untergeordnete  und  abhängige 
gewesen  ist,  wie  Voigt  sie  schildert,  zumal  wir  ganze  Gärtnerdörfer 
treffen,  die  zu  culmischem  Recht  gegründet  sind.179) 

Wie  schon  früher  gesagt  ist,  finden  wir  in  den  deutschen  Dörfern 
nun  aber  noch  häufig  Güter  zu  preussischem  und  culmischem  Becht. "°) 
Bei  der  Betrachtung  der  Verhältnisse  der  preussischen  Freien  ist  schon 
gezeigt  worden,  dass  diesen  zuweilen  gleich  bei  der  Verleihung  die  Ver- 
pflichtung auferlegt  wurde,  wenn  daselbst  ein  deutsches  Dorf  gegründet 
werden  würde,  in  den  Verband  desselben  einzutreten. 

Wenn  diese  Verpflichtung  nun  in  den  meisten  Verschreibungen  auch 
fehlt,  so  waren  die  preussischen  Freien  wahrscheinlich  doch  immer  im 


*)  Den  preussischen  Gärtnern  entsprechen  in  der  Mark  Brandenburg  die 
Kossäten,    cf.  Riedel  a.  a.  0.  p.  250—272. 

*")  C.  W.  II,  192.    3")  C.  W.  II,  293. 

*7*)  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  Bd.  HL  ürk.  132.  —  Korn  a.  a.  0.  p.  8  nimmt 
von  den  Kossäthcn  in  der  Mark  Brandenburg  an,  dass  sie  ihre  Ländereien  ebenso 
wie  die  Huftier  zu  Erbzinsrecht  besessen  haben.  Nur  mussten  sie  statt  der  Spann- 
dienste Handdienste  leisten,  weil  sie  keine  Gespann  haltenden  Wirthe  waren. 

»••)  C.  W,  H,  198, 


von  Hermann  Hoffmann.  237 

betreffenden  Falle  zum  Eintritt  in  den  Dorfverband  oder  zum  Umtausch 
ihrer  Besitzungen  verpflichtet.  Wir  haben  nämlich  aus  dem  Anfange 
der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  eine  ganze  Reihe  von  Ver- 
schreibungen,  in  denen  eingeborne  Preussen  in  Dörfern  eingesiedelt 
wurden.  In  den  meisten  Fällen  haben  sie  in  eben  dem  Felde  Besitzungen 
gehabt,  das  zur  Dorfmark  bestimmt  wurde.  Sie  werden  in  Folge 
dessen  einfach  in  den  Dorfverband  hineingezogen,  erhalten  aber  stets 
statt  der  betreffenden  Haken,  die  sie  bis  dahin  hatten,  die  gleiche  An- 
zahl von  Hufen.181)  Zuweilen  wird  ihnen  auch  die  Wahl  freigestellt, 
ob  sie  die  entsprechende  Anzahl  von  Hufen  in  demselben  Felde  oder 
anderwärts  im  Bisthum  annehmen  wollen.312) 

Die  Stellung  dieser  Preussen  wurde  in  den  meisten  Beziehungen 
gar  nicht  geändert.  Ebenso  wie  die  ausserhalb  des  Dorfverbandes 
stehenden  preussischen  Freien  erhielten  sie  häufig  das  Erbrecht  für  beide 
Geschlechter, "')  das  freie  Verkaufsrecht,  zuweilen  auch  die  Zusicherung, 
dass  sie  von  ihrem  Besitz  nicht  vertrieben  werden  sollen,98*)  ebenso  das 
gewöhnliche  Wehrgeld  von  30  Mark.385) 

Ihre  Leistungen  bestehen  im  ungemessenen  Kriegsdienst,  der  Hülfe 
beim  Burgenbau,  der  Abgabe  des  Pflugkorns  und  der  Recognitionsgebühr. 
Indessen  sehen  wir  auch  zuweilen,  dass  solche  Preussen  zinspflichtig 
werden.  So  heisst  es  in  der  Verschreibung  für  das  Dorf  Strahlenberg  *") 
(1349),  die  einzelnen  Preussen  (sie  werden  namentlich  aufgeführt)  sollen 
ihre  Freiheit,  die  ihnen  früher  gegeben  ist,  behalten,  und  diese  soll 
fünf  Jahre  dauern.  Nach  Ablauf  dieser  Freijahre  sollen  sie  dann,  wie 
die  anderen  Zinspflichtigen  des  Dorfes,  von  jeder  Hufe  eine  halbe  Mark 
und  zwei  Hühner  geben. 

Diese  preussischen  Besitzer  gehören  nun  alle  in  so  fern  zum  Dorf- 
verband, als  sie,  wie  wir  schon  früher  gesehen  haben,  in  geringen  Sachen 
unter  der  Jurisdiction  des  Schulzen  standen.  Dass  sie  auch  zu  den 
Communallasten  (Bessern  von  Brücken,  Wegen  etc.)  herangezogen  wurden, 
wird  nur  einige  Male  erwähnt,  ist  aber  wol  immer  geschehen. 


"')  C.  W.  H,  138,  139,  318.    8M)  C.  W.  H  143,  146,  164. 

»")  C.  W.  H,  138,  139,  318.    Sf4)  C.  W.  n,  138,  139.    >M)  C.  W,  H,  361. 

»••)  C.  W.  H,  147. 


238  ^er  ^n^iche  Gnindbeflits  im  Ermlande 

Schliesslich  finden  wir  in  den  Dörfern  auch  noch  zuweilen  Guter 
zu  culmischem  Recht.  Es  werden  diese  entweder  sofort  bei  der  Loca- 
tion  des  Dorfes  verliehen  oder  auch  erst  später,  im  letzteren  Falle 
natürlich  nur,  wenn  noch  unbesetzte  Hufen  vorhanden  waren,  oder  der 
Landesherr  sich  einen  Theil  der  Dorfmark  reservirt  hatte.  So  wird  in 
der  Handfeste  für  das  Dorf  Hohenfeld 38T)  (1369)  dem  Vater  und  einigen 
Brüdern  des  Schulzen  (es  sind  Preussen)  ein  Gütchen  von  vier  Hufen 
zu  culmischem  Recht  verliehen.  Sie  haben  dafür  einen  Reiter  zu  stellen 
und  die  gewöhnlichen  Abgaben  zu  geben.  Bei  Klagen,  die  gegen  sie 
erhoben  werden,  haben  sie  dem  Schulzen  Rede  zu  stehn.  Höchst  auf- 
fallender Weise  haben  sie  auch  demselben  Scharwerksdienst  zu  leisten, 
wie  die  deutschen  Bauern.  Der  Kriegsdienst,  zu  dem  sie  verpflichtet 
sind,  muss  der  ungemessene  sein,  weil  sie  auf  vierzehn  Jahre  von  den 
Kriegsreisen  befreit  werden. 

In  der  Handfeste  für  das  Dorf  Robawen  bei  Rössel  *••)  (1363)  er- 
hält auch  ein  Verwandter  des  Schulzen  (er  ist  ein  Deutscher)  ein  Gütchen 
zu  culmischem  Recht  unter  den  gewöhnlichen  Bedingungen.  Eine  Mühle 
und  Taberne  darf  er  auf  seinen  6  Hufen  aber  nicht  bauen.  In  geringen 
Sachen  steht  er  unter  der  Gerichtsbarkeit  des  Schulzen,  in  schweren 
unter  der  des  Voigtes.   Sein  Kriegsdienst  ist  ebenfalls  der  ungemessene. 

Aus  einer  Urkunde  des  Jahres  1317  ersehn  wir  ferner,390)  dass 
eine  Wittwe  12  Zinshufen  gegen  6  Zinshufen,  die  zu  einem  Dorfe  ge- 
hören, und  die  sie  zu  culmischem  Recht  frei  von  Zins  erhält,  eintauscht. 
Weil  eigenes  Gericht  hier  nicht  angebracht  erscheint,  steht  auch  sie  in 
geringen  Sachen  unter  der  Jurisdiction  des  Schulzen. 

Doch  ruhte  auch  auf  solchen,  jedenfalls  immer  ziemlich  kleinen 
Gütern  zuweilen  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit.800) 

Schliesslich  sind  hier  noch  einige  Begünstigungen  zu  erwähnen,  die 
sich  nicht  auf  eine  specielle  Klasse  der  Dorfbewohnerschaft,  sondern 
auf  einzelne  Dörfer  im  Allgemeinen  beziehen.  Hierher  gehört  zunächst, 
dass  den  Bauern  zuweilen  gestattet  wurde,  sich  eine  Burg  oder  Schanze 
zu  erbauen,  in  die  sie  bei  einem  Einfall  der  Lithauer  mit  ihrer  Habe 


»")  C.  W.  II,  436.    *••)  C.  W.  II,  861.    *••)  C.  W.  I  182.    ■••)  C.  W.  I,  171. 


von  Hermann  Hoffmann.  239 

flächten  könnten."1)  Dann  erhielten  die  Bauern  zuweilen  die  Erlaubniss, 
frei  kaufen  und  verkaufen,  ja  sogar  einen  Markt  abhalten  zu  dürfen.  *") 
Höchst  auffallend  und  einzig  dastehend  ist  endlich  eine  Bestimmung 
aus  der  Handfeste  für  das  Dorf  Waldow  aus  dem  Jahre  1337. M3)  (Die 
ganze  Verschreibung  ist  deswegen  schon  sehr  auffallend ,  weil  das  Dorf 
»Jure  hereditario"  gegründet  wird.)  Es  heisst  hier:  „Wenn  Jemand 
einen  von  ihnen  (den  Schulzen)  tödtet,  so  soll  der  Todtschläger  16  Mark 
geben.  Wer  einen  von  den  Dorfbewohnern  tödtet,  zahlt  8  Mark. 
Wenn  aber  einer  von  den  Schulzen  oder  andern  Dorfbewohnern  einen 
Diebstahl  oder  Todtschlag  begeht,  kann  er  seinen  Hals  lösen,  wie  es 
dem  Yoigte  gefällt.8  Es  ist  dieses  die  einzige  Bestimmung  in  unsern 
Urkunden,  die  sich  auf  ein  Wehrgeld  der  Bauern  bezieht,  und  ist 
keineswegs  dazu  angethan,  weitere  Folgerungen  zu  rechtfertigen. 

Preussische  Dörfer. 

Ueber  preussische  Dörfer  lässt  sich  nur  sehr  wenig  sagen.  Ob  es 
im  Ermlande  überhaupt  preussische  Dörfer  gegeben  hat,  die  analog  den 
deutschen  Dörfern  zu  preussischem  Recht  gegründet  waren,  ist  fraglich; 
unter  unsern  Urkunden  befindet  sich  keine  für  ein  preussisches  Dorf. 
Die  Ortschaften,  die  gewöhnlich  preussische  Dörfer  genannt  werden, 
sind,  wie  wir  schon  bei  der  Betrachtung  der  Verhältnisse  der  preussischen 
Freien  gesehn  haben,  durchaus  nicht  Dörfer  in  dem  gewöhnlichen  Sinn. 
Ihre  Bewohner  stehen  zu  den  preussischen  Freien  nicht  etwa  wie  die 
deutschen  Bauern  zu  den  Besitzern  culmischer  Güter,  sie  unterscheiden 
sich  von  ihnen  nicht  durch  geringem  Grundbesitz,  geringere  Rechte 
und  grössere  Leistungen,  sie  stehen  ihnen  vielmehr  völlig  gleich,  nur 
dass  die  einen  auf  Einzelhöfen  sitzen,  die  anderen  dagegen  in  Zusammen- 
siedelungen  wohnen,  die  man  gewöhnlich  mit  dem  Namen  Dörfer  be- 
zeichnet. Für  diese  Dörfer  sind  keine  Handfesten  ausgestellt,  sondern 
jeder  einzelne  Besitzer  hat  eine  Verschreibung  über  seine  Lfiadereien 
erhalten.  In  ihnen  sind  ferner  keine  Schulzenämter,  weshalb  die  Juris- 
diction durch  den  Voigt  ausgeübt  wird.    (In  dieser  Beziehung  ahnen 


Ml)  C.  W.  I,  194,  196.    *«)  C.  W.  I,  167,    8M)  C.  W.  I,  288, 


240  Der  ländliche  Grundbeait«  im  Ermlande 

sie  den  deutschen  Ddrfern,  die  von  dem  Grundherrn  selbst  ohne  die 
Vermittelung  eines  Locators  gegründet  sind,  und  in  denen  der  Grund- 
herr auch  die  Stelle  des  Schulzen  versieht.)  Es  ist  endlich  sogar  nicht 
einmal  zu  ersehen,  ob  diese  Dörfer  wenigstens  eine  Dorfordnung  gehabt 
haben,  die  sich  als  gemeinschaftliches  Band  um  alle  schlang,  oder  ob 
jeder  für  sich  allein  lebte,  ohne  auf  seinen  Nachbarn  Bücksicht  nehmen 
zu  müssen. 

Preu88i8che  Hintersassen. 

Nachdem  wir  nun  die  einzelnen  Klassen  der  freien  Landbevölkerung 
Ermlands  betrachtet,  nachdem  wir  gesehen  haben,  welche  Rechte  einer 
jeden  Klasse  zukamen,  zu  welchen  Leistungen  eine  jede  verpflichtet 
war,  bleibt  uns  noch  übrig,  den  Stand  der  Hörigen  oder  Hintersassen 
näher  ins  Auge  zu  fassen. 

Wie  früher  schon  auseinandergesetzt  wurde,  erfolgte  nach  Nieder- 
werfung des  zweiten  Aufstandes  der  Preussen  in  deren  Lage  eine  voll- 
ständige Veränderung,  indem  im  Allgemeinen  alle  Preussen,  die  sich 
an  diesem  Aufstande  betheiligt  hatten,  in  den  Stand  der  Hörigkeit 
herabsanken,  oder,  wenn  sie  schon  früher  abhängig  gewesen  waren,  in 
demselben  verblieben. 

Wie  Toppen"4)  in  seinem  Excurse  über  die  Verschreibungen  für 
Stammpreussen  im  13.  Jahrhundert  schon  ganz  richtig  sagt,  wurden 
diesen  Hörigen  ihre  alten  Besitzungen  durchaus  nicht  immer  gelassen. 
Viele  dieser  Hörigen  wurden  in  andere  Gegenden  versetzt;  denen,  die 
vorher  Freie  und  Edle  gewesen  waren,  ihre  Güter  natürlich  genommen 
und  ihnen  nur  ein  geringer  Theil  übrig  gelassen. 

Diese  Besitzungen,  die  meistens  wol  nur  einen  oder  zwei  Haken*) 
gross  waren,  waren  aber  nicht  ihr  volles  freies  Eigenthum,  sie  besassen 
sie  nur  zu  erblicher  Nutzung;  das  Eigentumsrecht  daran  war  bei  dem 
Herrn,  dem  die  Grundstücke  sammt  den  darauf  sitzenden  Familien  ver- 
liehen waren. 

Wir  sind  leider  in  der  ungünstigen  Lage,   unter  unseren  Ver- 


M4)  Script,  rer,  Pruss.  I,  p.  254. 
*)  In  der  Verschreibang  für  Jordanus  und  Nycolaus  (1298)   C.  W.  I,  105 
»eben  wir,  dass  ein  höriger  Preosse  sechs  Hufen  besitst. 


von  Hermann  Hoffmann.  241 

Schreibungen  nur  eine  einzige  zu  haben,  in  der  ein  Stück  Land,  auf 
welchem  ein  höriger  Preusse  sitzt,  verliehen  wird.398)  Dieses  erklärt 
sich  wol  daraus,  dass  von  der  altpreussischen  Bevölkerung  des  Eng- 
lands ein  verhältnissmässig  nur  kleiner  Theil  übrig  geblieben  war.  *) 

Aus  unsern  Urkunden  wissen  wir,  dass  noch  im  14.  Jahrhundert 
ein  grosser,  vielleicht  sogar  der  grössere  Theil  Ermlands  mit  Sümpfen 
und  Wäldern  bedeckt  war,  das  Land  früher  also  nur  stellenweise  stark 
bevölkert  gewesen  sein  kann.  Rechnet  man  nun  hinzu,  dass  gerade  im 
Ermlande  der  Krieg  am  längsten  und  blutigsten  gewüthet  hat,  die  Zahl 
der  Opfer,  die  er  gefordert  hat,  also  hier  auch  mit  am  grössten  ge- 
wesen sein  muss,  so  ist  es  wol  sehr  erklärlich,  dass  die  Zahl  der  hö- 
rigen Preussen  in  Ermland  eine  verhältnissmässig  geringe  war. 

Von  diesen  Familien  behielten  endlich  noch  sowol  der  Bischof  als 
auch  das  Domcapitel  unzweifelhaft  den  grössten  Theil  als  ihre  un- 
mittelbaren Hintersassen  für  sich  selbst  zurück. 

Die  meisten  deutschen  Ansiedler  und  bevorzugten  Preussen  erhiel- 
ten daher  Stücke  Landes,  die  entweder  noch  nie  cultivirt  gewesen  oder 
in  Folge  des  Krieges  und  aus  Mangel  an  Arbeitskräften  wieder  wüste 
geworden  waren. 

Da  in  jener  Zeit  an  eine  freie  Arbeiterklasse,  wie  wir  sie  heute 
zu  Tage  so  zahlreich  besitzen,  nicht  gedacht  werden  kann,  geriethen 
die  so  Belehnten  oft  in  die  übelste  Lage,  und  jedenfalls  wird  es  sich 


*>*)  C.  W.  I,  105. 
*)  Bender  (p.  57)  meint  gerade  im  Qegentheil,  dass  im  Ermlande  sehr  viele 
hörige  Preussen 'gewesen  seien.  Er  sagt,  dass  wir  da,  wo  neben  den  Abgaben  vom 
mansus  sich  auch  Abgaben  vom  uncus  erwähnt  finden,  immer  neben  deutscher  auch 
preu&sische  Bevölkerung  zu  vermuthen  haben.  Diese  Ansicht  ist  aber  nicht  richtig. 
Aus  einer  Reihe  von  Verschreibnngen  (C.  W.  I,  140,  169,  174,  282  etc.),  in  denen 
Abgaben  von  den  Hufen  sowol  wie  von  den  Haken  erwähnt  werden,  sehen  wir,  dass 
auf  ihnen  noch  keine  Hintersassen  sitzen  können,  weil  es  immer  heisst:  »Wenn  sie 
Hintersassen  bei  sich  locirt  haben  werden  etc.*  Es  sprechen  diese  Urkunden  gerade 
für  meine  Ansicht,  dass  im  Ermlande  verhältnissmassig  wenig  Hörige  gewesen  sind, 
und  diese  daher  von  anderen  Landestheilen  herbeigezogen  werden  mussten.  Dass 
auch  da,  wo  noch  keine  Hintersassen  sind,  doch  Abgaben  vom  uncus  erwähnt  werden, 
ist  so  zu  erklären,  dass  man  natürlich  annahm,  jeder  werde  sein  Gut,  oder  einen 
Theil  desselben  mit  Hintersassen  besetzen,  weil  dieses  damals  die  einzig  mögliche 
Art  der  Bewirtschaftung  war« 

Altpr.  Monatttobrift  Bd.  XIV.  Hft,  3  u.  4,  16 


242  Der  ländliche  Grandbetiti  im  Ermlande 

hieraas  mit  erklären,  dass  wir  ziemlich  häufig  Güter  wenige  Jahre  nach 
ihrer  Verleihung  schon  wieder  wüste  finden. 

Ob  zuweilen  auch  unabhängige  Deutsche  aus  freiem  Willen  in 
dieses  Abhängigkeitsverhältniss  der  Hörigkeit  getreten  sind  —  ein  recht- 
liches Hinderniss  konnte  dem  kaum  im  Wege  stehen  —  ist  für  unsere 
Zeit  sehr  fraglich;  mindestens  geschah  es  äusserst  selten,  da  bei  dem 
damals  noch  vorhandenen  Landüberfluss  wol  jeder  deutsche  Einwanderer 
mit  einem  je  nach  seinen  Verdiensten  grösseren  oder  kleineren  selbst* 
ständigen  Oute  beliehen  wurde,  oder  doch  wenigstens  in  einem  Dorfe 
ein  freies  Bauerngut  oder  Gärtnergrundstück  erhielt. 

Dem  eben  geschilderten  Uebel  wurde  nun  einigermassen  dadurch 
abgeholfen,  dass  die  hörigen  Preussen  nicht  an  die  Scholle  gefesselt 
waren.  *)  Es  ist  dieses  eine  sehr  eigentümliche  Erscheinung,  dass  eine 
zahlreiche  Klasse  von  Hörigen,  die  zu  ihrem  Herrn  in  einem  fest  aus« 
gebildeten  Abhängigkeitsverhältniss  stand,  die  vor  allen  Dingen  mit 
ihrem  ganzen  Eigenthum,  Sclaven  gleich,  ihren  Herren  verliehen  wurde, 
dass  diese  unbestreitbar  das  Recht  hatte,  ihren  Herrn  zu  wechseln. 

Für  diese  Thatsache,  die  auch  schon  Voigt  annimmt,  haben  wir 
einmal  eine  ganze  Anzahl  directer  Beweise,396)  andererseits  folgt  sie 
aber  auch  aus  verschiedenen  Urkunden,  in  denen  ausdrücklich  gesagt 
wird:3*7)  »Wenn  sie  Preussen  bei  sich  lociren  werden,  so  sollen  sie  etc.* 


*)  Wie  weit  die  slavische  Bevölkerung  in  der  Mark  Brandenburg  von  den 
deutschen  Kolonisten  abhängig  gewesen  ist,  lässt  sich  bei  dem  grossen  Mangel  an 
Quellen  hierüber  nicht  nachweisen.  In  der  Prignitz  und  Uckermark  scheint  es  ähn- 
lich wie  in  Preussen  gewesen  zu  sein,  wenigstens  finden  wir,  dass  die  Hintersassen 
dort  gegen  Entrichtung  eines  Abzugsgeldes  auch  ihren  Herrn  wechseln  durften. 
Biedel  a.  a.  0.  II,  p.  273  ff. 

Im  Gegensatz  zu  der  Ansicht  Riedels  nimmt  Korn  a.  a.  0.  p.  8  f.  an,  dass 
die  unterworfenen  Wenden  neben  den  deutschen  Bauern  mit  gleichen  Hechten  an- 
gesessen waren. 

"*)  a)  Voigt,  Gesch.  Preussens  in,  p.  467  Anm.  2.  ,1s  das  ymant  erer  lüte 
von  jn  ctyn  wil,  der  zal  jn  geben  eynen  vir  düng,  in  der  selbigen  wjse  mögen 
untere  lüte  williclich  csu  yn  czyn.€ 

b)  Versohreibung  Conrads  von  Thierberg  für  Pygant  (1277),  Elhing.  Comthurei- 
bach  p.  89  (mitgeth.  Altpr.  Monatsschr.  1875  p.  129,  Preuss.  Regesten  von  Perlbach). 

c)  Yerschreibung  Mangolds  von  Sternberg  für  Mandio  (1280),  Elbinger  Com- 
thureitaen  p.  92  (Altpr«  Monatsschr.  1875  p.  136,  Preuss.  Begesten  von  Pedbach). 

»•*)  C.  Wf  I,  140,  161,  192,  174,  282  etc.  und  Voigt,  Co*  dipl,  Pr.  I,  Urk.  54. 


von  Hermann  Hoffmann.  243 

was  nur  dann  einen  Sinn  hat,  wenn  auf  ihrem  Gute  noch  keine  Hintersassen 
sitzen,  es  ihnen  aber  freisteht,  solche  von  anderwärts  herbeizuziehen. 

Wenn  die  Hintersassen  ihren  Herrn  verliessen,  hatten  sie  ihm  ge- 
wöhnlich einen  Vierdung  als  Abzugsgeld  zu  zahlen. SM)  Wahrscheinlich 
ist  es,  dass  sie  ihn  auch  eine  gewisse  Zeit  vorher  von  ihrem  Vorhaben 
in  Eenntniss  setzen  mussten,  damit  er  sich  nach  einem  Ersatz  für  sie 
umsehen  konnte.  Das  bewegliche  Eigenthum  blieb  den  Hintersassen 
bei  einem  solchen  Wechsel  wol  jedenfalls  unverkürzt. 

Dieses  Portzugsrecht  konnte  dem  Mangel  an  Arbeitskräften  in 
Ermland  aber  nur  dann  abhelfen,  wenn  es  auch  den  Hintersassen  im 
Ordensgebiet  und  den  übrigen  Bisthümern  freistand,  nach  dem  Ermland 
zu  ziehen.  Dass  dieses,  wenigstens  für  das  Ordensgebiet,  wirklich  der 
Fall  gewesen  ist,  ersehn  wir  aus  einer  Stelle  in  dem  Excurse  von 
Toppen, SM)  wo  es  heisst,  dass  der  Orden  den  Bischof  von  Ermland  sich 
dadurch  hoch  verpflichtete,  dass  er  seinen  Hintersassen  das  Abzugsgeld 
erliess,  das  Fortziehen  derselben  also  noch  mehr  erleichterte. 

Um  nun  aber  ein  zu  häufiges  Verziehen  der  Hintersassen  zu  ver- 
hindern, um  in  diese  Verhältnisse  eine  gewisse  Stätigkeit  hineinzubringen, 
war  die  Lage  der  Hintersassen  überall  gleichförmig  gestaltet  worden. 
Es  kann  dieses  als  allgemein  geltend  angenommen  werden,  dass  der 
Landesherr  seine  Vasallen  verpflichtete,  ihre  Hintersassen  genau  ebenso 
zu  stellen  und  zu  behandeln,  wie  er  es  mit  seinen  eigenen  that.400) 

Einerseits  sollte  dadurch  einer  Ueberbürdung  der  Hintersassen  durch 
ihre  Gutsherrn  vorgebeugt  werden,  andrerseits  darf  man  wol  aber  auch 
annehmen,  dass  damit  eine  stellenweise  zu  günstige  Situirung  der  Hinter- 


m)  Die  Verechreibungen  unter  a  and  b  in  Anm.  404. 

3")  Script,  rer.  Pruss.  I,  p.  256. 

40°)  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  I,  54  und  C.  W.  I,  71  und  105.  Die  einzelnen 
Stellen  lauten:  Voigt  a.  0.  »Er  darf  Leute  aus  allen  Nationen  bei  sich  ansiedeln, 
dummodo  Pruthenis,  si  quos  locaverit  in  eundem  rigorera,  quem  nos  losiria  Pru- 
tbenis  injunxerimus,  injungant  et  ipsi.€  C.  W.  I,  71:  »Concedimus  insuper  pre- 
dictis  feodalibus  et  eorum  heredibus,  ut  rusticos  eorum  et  homines  eo  jure  ac  more, 
quo  fratres  nostri  suos  judicant  homines,  valeant  judicare.*  C.  W.  I,  105:  >Qui 
videlicet  Pruthenus  aut  sui  heredes  aut  successores  sepedictis  Jordano  et  Nycolao 
et  eorum  veris  heredibus  aut  successoribus  servire  tenebuntur  eodem  servicio  tota- 
litär, qtio  nobis  servire  coneuevit,5 

16* 


244  ^er  Endliche  Grandbesits  im  ErmUnde 

sassen  vermieden  werden  sollte,  weil  eine  solche  nur  Veranlassung  zu 
fortwährendem  Hin-  und  Herziehen  der  Hintersassen  gegeben  hätte. 

Etwas,  was  aber  noch  mehr  als  diese  Gleichstellung  der  Hinter- 
sassen dazu  beigetragen  hat,  diesen  Verhältnissen  Stätigkeit  zu  ver- 
leihen, war  das  Erbrecht,  das  die  Hintersassen  an  dem  von  ihnen  be- 
bauten Lande  hatten.  Wenn  es  dem  Hintersassen  auch  freistand,  seinen 
Herrn  zu  wechseln,  so  hatte  der  Herr  doch  keineswegs  das  Recht,  seine 
Hintersassen  willkürlich  von  seinem  Gute  zu  entfernen.  Dieser  besass 
sein  Land  vielmehr  zu  erblicher  Nutzung,  d.  h.  er  vererbte  es  auf  seine 
männlichen  Nachkommen. 

Dass  hier  nur  das  Erbrecht  der  Söhne  gegolten  haben  kann,  liegt 
ja  schon  in  der  Natur  der  Sache,  da  sowol  die  Bewirtschaftung  des 
zugewiesenen  Landes,  sowie  die  Frohn-  und  Kriegsdienste  sich  nur  von 
Männern  verlangen  Hessen.  Ob  beim  Vorhandensein  mehrerer  Söhne 
dieses  Erbrecht  sich  nun  auf  alle  gleichmässig  erstreckte,  oder  ob  nur 
einer  (vielleicht  der  älteste  oder  einer,  der  vom  Gutsherrn  dazu  be- 
stimmt wurde)  an  die  Stelle  des  Vaters  trat,  lässt  sich  bei  dem  gänz- 
lichen Mangel  an  Nachrichten  hierüber  nicht  feststellen.  Der  Stellen, 
die  sich  auf  das  Erbrecht  in  Betreff  des  Guts  der  Hintersassen  be- 
ziehen, sind  nur  wenige.  An  einer  Stelle  heisst  es,401)  der  Gutsherr 
erhalte  die  Erbschaft  (hereditas)  seiner  verstorbenen  Hintersassen.  An 
einer  anderen  Stelle401)  wird  gesagt,  der  Gutsherr  erhalte  nach  dem 
Tode  seines  Hintersassen,  der  keine  Erben  hat,  freie  Verfügung  über 
dessen  Sachen  (de  eorum  rebus  disponendi  facultas).  Eine  dritte  Stelle 
besagt, 403)  dass  der  Gutsherr,  wenn  einer  seiner  Hintersassen  ohne  Erben 
stirbt,  den  dritten  Theil  von  dessen  Erbschaft  (hereditas),  welche  auch 
Palayde  genannt  wird,  erhalten  solle,  während  dem  Landesherrn  zwei 
Drittel  davon  zufallen.  In  einer  vierten  Verschreibung404)  endlich  wird 
dem  Gutsherrn  die  Hinterlassenschaft  (reliquiae)  eines  Hintersassen,  der 
ohne  Erben  stirbt,  und  welche  Palayde  heisst,  ganz  bewilligt. 

Es  fragt  sich  nun  natürlich  zunächst,  was  unter  den  Ausdrücken 
hereditas,  res  und  reliquiae  zu  verstehen  ist. 


<»)  C,  W,  I,  89,    40t)  C,  W.  I,  131.    40S)  C  W.  I,  174.    «•*)  C.  W,  I,  208, 


yoi!  Hermann  Hoffmann«  245 

Hereditas  bedeutet  in  der  culmischen  Handfeste  und  auch  sonst 
gewöhnlich  den  Grund  und  Boden,  den  Jemand  besitzt,  res  und  reliquiae 
dagegen  deuten  wol  auf  das  bewegliche  Eigenthum.  Da  die  Hinter- 
sassen nun  aber  nur  ein  erbliches  Nutzungsrecht  an  dem  von  ihnen 
bebauten  Lande  hatten,  der  Gutsherr  dagegen  das  Eigenthumsrecht  be- 
sass,  so  ist  es  unmöglich,  dass  hereditas  hier  den  Grund  und  Boden 
bedeutet,  da  man  einem  das  nicht  mehr  besonders  bewilligen  kann,  was 
ihm  schon  rechtlich  zukommt.  Hiezn  kommt  nun  noch,  dass  res  und 
reliquiae  entschieden  das  bewegliche  Eigenthum  bezeichnen,  und  dass 
in  dem  einen  Falle  auch  zwei  Drittel  der  hereditas  an  den  Landesherrn 
fallen,  was,  wenn  hereditas  die  unbewegliche  Habe  bezeichnete,  nicht 
gut  denkbar  sein  würde. 

Wir  werden  daher  unter  hereditas,  res,  reliquiae,  Palayde  immer 
das  bewegliche  Eigenthum  zu  verstehen  haben. 

Die  zweite  Schwierigkeit  bereitet  uns  der  Ausdruck  Erbe  (heres). 
Sind  hierunter  nur  die  Söhne  oder  auch  die  Töchter  verstanden?  Es 
lässt  sich  diese  Frage  aus  Mangel  an  Nachrichten  nicht  ganz  sicher 
entscheiden,  doch  ist  es  bei  der  günstigen  Situation,  in  der  wir  die 
Hintersassen  im  13.  und  14.  Jahrhundert  sehen,  wol  wahrscheinlich, 
dass  auch  die  Töchter  an  die  bewegliche  Habe  ihres  Vaters  Erb- 
ansprüche hatten. 

Hienach  verhielt  sich  die  Sache  so,  dass,  wenn  ein  Hintersasse 
starb,  ohne  Söhne  zu  hinterlassen,  das  von  ihm  bebaute  Land  sofort 
an  den  Gutsherrn  zurückfiel,  während  die  Töchter  und  die  Wittwe 
sich  in  das  bewegliche  Eigenthum  theilten.  Waren  auch  diese  nicht 
vorhanden,  so  erhielt  der  Gutsherr  meistens  das  ganze  bewegliche 
Eigenthum,  musste  zuweilen  dem  Landesherrn  aber  auch  einen  Theil 
davon  abtreten. 

Für  die  Wittwen,  die  durch  den  Tod  des  Mannes  natürlich  immer 
in  eine  sehr  bedrängte  Lage  geriethen,  sorgte  der  Landesherr  zuweilen 
noch  dadurch,  dass  er  die  Gutsherrn,  für  sie  in  entsprechender  Weise 
zu  sorgen  verpflichtete.105) 


40»)  a)  Voigt,  Geschichte  Preussens  Bd.  VI,  p.  577  Anin,  3.    b)  Verschreibung 


j}46  Der  l*QdJiche  Grondbeeit«  im  Ermlande 

Ueber  die  Jurisdiction,  die  die  Gutsherren  über  ihre  Hintersassen 
hatten,  ist  schon  bei  Behandlung  der  einzelnen  Klassen  der  Freien  ge- 
sprochen und  nichts  mehr  hinzuzufügen. 

Bei  den  Leistungen,  die  auf  den  Hintersassen  ruhten,  haben  wir 
zwischen  solchen  zu  unterscheiden,  die  sie  dem  Landesherm,  und  solchen, 
die  sie  ihrem  unmittelbaren  Gutsherrn  zu  leisten,  verpflichtet  waren. 
Dem  Landesherrn  gegenüber  waren  die  Hintersassen  nur  zum  unge- 
messenen Kriegsdienst  verbunden,  d.  h.  sie  mussten,  wenn  sie  dazu 
aufgefordert  wurden,  sowol  an  den  Kriegsreisen  theilnehmen,  als  auch 
zur  Landesverteidigung  sich  stellen.  Beim  Burgenbau  waren  sie  die 
eigentlichen  Arbeiter,  während  ihre  Herren  nur  zu  ihrem  Schutz  be- 
waffnet erschienen. 

Selbstverständlich  dienten  diese  Hintersassen  nur  zu  Fuss.  Dass 
einzelne  aber  auch  zu  Bossdiensten  verpflichtet  gewesen  sein  müssen,  folgt 
aus  zwei  Stellen,406)  in  denen  es  ausdrücklich  heisst,  sie  sollen  dienen 
„tarn  equites  quam  pedites*.  Doch  war  dieses  jedenfalls  eine  sehr  seltene 
Ausnahme  und  konnte  nur  die  treffen,  die  ein  aussergewöhnlich  grosses 
Stück  Land  zur  Benutzung  erhalten  hatten. 

In  der  Verschreibung  für  die  ermländischen  und  natangischen 
Lehnsleute407)  heisst  es  dann  weiter:  „Nee  ad  alia  servitia  nostre  do- 
mui  sunt  obnoxii,  sed  suis  dominis  feodalibus  videlicet  supradictis". 
Wenn  es  nun  trotzdem  gleich  darauf  heisst,  das  Pflugkorn  solle  von 
dem  Herrn  sowol  wie  von  den  Hintersassen  gegeben  werden,  so  scheint 
dies  mit  dem  eben  Gesagten  in  offenem  Widerspruch  zu  stehn.  Die- 
selbe Bestimmung,  dass  die  Hintersassen  zur  Lieferung  des  Pflugkorns 
verpflichtet  sein  sollen,  findet  sich  dann  auch  noch  in  einigen  anderen 
Verschreibungen. 40i)  Trotz  dieser  Stellen  ist  aber  die  Annahme  un- 
möglich, das  die  Hintersassen  das  Pflugkorn  zu  geben  gehabt  haben.  *) 

Das  Pflugkorn  ist  für  die  Freien  dieselbe  Abgabe,  die  der  Decem 


Conrads  von  Thierberg  für  Pygant  im  Elbinger  Comthureibuch  p.  89.  c)  Toppen 
in  seinem  Excnrse  über  Verschreibungen  für  Stammpreussen  im  13.  Jahrhundert  in 
den  Script,  rer.  Pruss.  I,  p.  256  Anm.  4. 

*06)  C.  W.  I.  6-2,  71.    407)  C.  W.  I,  71.    40»)  C.  W.  I,  62,  153. 
*)  Toppen  (Scr.  rer.  Pr.  I,  p.  264)  meint,  das  Pflugkorn  sei  auch  von  den 
Hintersassen  zu  geben. 


von  Hermann  Hoffmana.  247 

für  die  Hörigen  ist.  Deshalb  ist  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  Je- 
mand zu  diesen  beiden  Abgaben  verpflichtet  gewesen  sein  soll.  Ein 
weiterer  Beweis  hiefür  liegt  darin,  dass  die  anmittelbaren  Hintersassen 
des  Landesherrn  und  die  Hintersassen  der  einzelnen  Gutsherren  zu  den- 
selben Abgaben  und  Leistungen  verpflichtet  waren.  Dass  die  unmittel- 
baren Hintersassen  des  Landesherrn  das  Pflugkorn  nicht  zu  geben  hatten, 
bedarf  aber  wol  keines  Beweises. 

Die  angeführten  Stellen  lassen  sich  nun  aber  ganz  ohne  Zwang  so 
erklären,  dass  die  Gutsherrn  nicht  allein  für  die  Hufen,  die  sie  selbst 
bewirtschafteten,  sondern  auch  für  diejenigen,  welche  sie  mit  Hinter- 
sassen besetzt  hatten,  das  Pflugkorn  geben  mussten. 

Die  Leistungen  der  Hintersassen  an  ihre  Gutsherrn  lassen  sich  nun 
in  Frohndienste  und  Abgaben  zerlegen. 

Die  Bewirtschaftung  eines  grösseren  Gutes  in  jener  Zeit  haben 
wir  uns  so  zu  denken,  dass  der  Gutsherr  einen  Theil  des  Landes  für 
sich  selbst  behielt,  den  anderen  aber  an  Hintersassen  austhat.  Diese 
hatten  dann  sowol  ihre  eigenen  Aecker  zu  bestellen,  als  auch  deu  ihres 
Herrn,  sie  hatten  eben  die  Scharwerksdienste  zu  leisten,  die  in  Säen, 
Ernten,  Heuschleppen,  Holzfahren  etc.  bestanden. 

Jedenfalls  waren  diese  Dienste  aber  nicht  ungemessen,  sondern 
genau  geregelt,  damit  die  Hintersassen  nicht  an  der  Bestellijng  ihrer 
eigenen  Aecker  gehindert  würden. 

Von  dem  Ertrage  dieser  hatten  sie  dem  Gutsherrn  den  zehnten 
Theil  (Decem)  abzuliefern.  Ob  sie  gleich  die  zehnte  Garbe  geben 
mussten  oder  den  zehnten  Theil  des  gedroschenen  Getreides  ist  nicht 
ersichtlich.    Es  stand  dieses  wol  ganz  in  dem  Belieben  der  Herren« 

Ausser  dem  Decem  finden  wir  nun  aber  noch  einen  Geldzins,  den 
die  Hintersassen  ihren  Herren  zu  geben  hatten.  Ueber  seine  Natur 
erfahren  wir  aus  unseren  Quellen  nichts,  da  sie  ihn  überhaupt  nur 
einige  Male  ganz  beiläufig  erwähnen. 409)  Wahrscheinlich  war  es  ein  Zins, 
der  von  jedem  Haken  entrichtet  werden  musste.  Bemerkenswerth  ist 
hiebei  nun  noch,  dass  wir  im  13.  Jahrhundert  und  in  der  ersten  Hälfte 


40*)  C,  W.  H  177,  378,  386. 


248  ^er  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande 

des  14.  Jahrhunderts  diesen  Zins  nie  erwähnt  finden.  Wo'  die  Leistungen 
der  Hintersassen  bestimmt  werden,  wird  des  Zinses  nie  gedacht.410) 
Es  liegt  daher  die  Vermuthung  nahe,  dass  dieser  Zins,  wie  Toppen 
auch  schon  annimmt/11)  erst  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  auf- 
gekommen ist. 

Aus  unseren  citirten  Yerschreibungen  ersehen  wir  aber  noch,  dass 
für  diesen  Zins  auch  Freijahre  gegeben  wurden.  Vielleicht  wurden  den 
Hintersassen  immer  so  viele  Freijahre  für  ihre  Leistungen  gegeben,  als 
dem  Gutsherrn  von  der  Landesherrschaft  bewilligt  wurden. 

Dass  die  Hintersassen  zur  Zahlung  des  Wartegeldes  und  zur 
Lieferung  des  Decems  an  den  Pfarrer  verpflichtet  waren,  ist  schon 
früher  gesagt  worden. 

Endlich  ist  hier  noch  eine  Verschreibung  zu  betrachten,412)  die 
deshalb  sehr  interessant  ist,  weil  sie  die  einzige  Verschreibung  ist,  die 
wir  für  hörige  Preussen  ausgestellt  finden.  Eigentlich  sind  es  aller- 
dings nicht  mehr  Hörige,  sondern  Halbfreie,  denen  der  Decem  für  immer 
erlassen  wird.  Unter  den  „denarii  servitiales*,  für  die  sie  sechs  Frei- 
jahre erhalten,  dürfte  wol  der  Zins  der  Hörigen  zu  verstehen  sein. 
Ausser  dem  Versprechen,  dass  sie  von  ihrem  Lande  nicht  vertrieben 
werden  dürfen,  erhalten  sie  auch  ein  Wehrgeld  von  12  Mark.  Zur 
Zahlung  des  Wartegeldes  sind  sie  verpflichtet.  Ihre  Kriegspflicht  er- 
streckt sich  nur  auf  die  Verteidigung  der  Burg  Heilsberg. 


Werfen  wir  schliesslich  noch  einen  Rückblick  auf  das,  was  bei 
Betrachtung  der  einzelnen  Klassen  der  ländlichen  Bevölkerung  gesagt 
worden  ist. 

Wir  finden  in  Preussen  zwei  verschiedene  Nationalitäten,  die  alten 
unterworfenen  Preussen  und  die  siegreichen  deutschen  Einwanderer. 


4,°)  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  I,  p.  54  Verschreibung  für  Dietrich  von  Tiefenau 
(1242).  —  Verschreibung  Meinhards  von  Querfurt  über  das  Gut  Pocarben.  (Altpr. 
Monatsschr.  von  1874  p.  274  u.  275.)  —  Kreuzfeld,  Ueber  den  Adel  der  alten 
Preussen  p.  44,  45,  ürk.  4:  Verschreibung  für  Otto  von  Russen  (1288).  p.  47,  48, 
Urk.  7:  VerschreibuDg  für  Jonico. 

4n)  Script,  rer.  Pruss.  I,  p.  255  Anm,  4. 

4»)  C.  W.  I,  162. 


ron  Hermann  Hofimann.  249 

Es  stehen  sich  diese  Klassen  nun  aber  durchaus  nicht  so  schroff 
gegenüber,  als  man  nach  einem  dreiundfünzigjährigen  blutigen  Kampfe 
erwarten  sollte.  Allerdings  ist  ein  grosser  Theil  der  Preussen  hörig ;  doch 
dürfen  wir  hiebei  nicht  vergessen,  dass  vielleicht  die  meisten  davon  schon 
vor  der  Ankunft  des  Ordens  in  Abhängigkeit  lebten,  und  die  anderen 
erst  in  Folge  wiederholter  Empörungen  unfrei  wurden.  Auch  hat,  wie 
wir  gesehen  haben,  diese  Hörigkeit  so  milde  Formen,  dass  sie  kaum 
den  Namen  „Hörigkeit*  verdient.  Den  übrigen  Theil  der  Preussen 
sehen  wir  als  freie  Besitzer  bald  kleinerer  bald  grösserer  Güter,  eine 
nicht  unbeträchtliche  Anzahl  sogar  den  Deutschen  ganz  gleich  gestellt. 

Die  deutschen  Einwanderer,  unter  denen  wir  wol  Vertreter  aller 
deutschen  Stämme  finden,  treffen  wir  hier  in  einer  überaus  günstigen 
Lage.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  erklärlich,  dass  man  die  Regierung 
Winrichs  von  Kniprode  das  goldene  Zeitalter  Preussens  genannt  hat. 

Wie  ganz  anders  dagegen  ist  das  Bild  Preussens  schon  im  löten 
Jahrhundert.  Der  Adel  im  Kampf  gegen  den  Landesherrn,  der  Mittel- 
stand heruntergekommen,  die  Bauern  schwer  belastet,  die  Hörigen  zu 
Knechten  gemacht;  eine  Veränderung  so  traurig,  wie  wol  selten  eine.- 

Die  ersten  Anfänge  zu  diesem  Umschwung  der  Dinge  reichen  aber 
schon  bis  in  die  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  hinauf,  schon  in 
der  Blüthezeit  beginnt  der  Verfall.  Die  allmählige'  Verschlechterung 
des  culmischen  Rechts,  die  grösseren  Lasten,  die  den  einzelnen  Klassen 
auferlegt  wurden,  sie  bilden  schon  den  Anfang  jener  traurigen  Ver- 
änderung. Vielleicht  wird  später  das  Material  für  die  Geschichte  dieser 
Zeit  es  uns  ermöglichen,  dieser  Veränderung  Schritt  für  Schritt  zu  folgen. 

Sehr  ähnlich  wie  in  Preussen  lagen  die  Verhältnisse  in  der  Mark 
Brandenburg.  Die  einheimischen  Slaven  und  die  erobernden  Deutschen 
entsprechen  vollkommen  den  alten  Preussen  und  dem  deutschen  Ritter- 
orden. Leider  sind  wir  über  das  politische  Verhältniss,  in  dem  die 
Slaven  am  Ende  des  Kampfes  zu  den  Deutschen  standen,  sehr  wenig 
orientiit.  Wir  wissen  nur  so  viel,  dass  um  die  Zeit,  als  der  deutsche 
Orden  die  Eroberung  Preussens  begann,  in  Brandenburg  die  Macht  des 
Adels  schon  zu  einer  Höhe  gestiegen  war,  wo  für  die  Entwickelung 
eines  freien  Mittel-  und  Bauernstandes  kein  Raum  mehr  übrig  blieb. 


250  ^er  J^dlich«  Grundbeiii«  im  Ermiaode  ron  fl.  Hoffmann* 

Fassen  wir  hier  noch  den  dritten  bedeutenden  Schauplatz  deutscher 
Kolonisationsthätigkeit  ins  Auge,  nämlich  Schlesien,  so  finden  wir  da 
andere  Verhältnisse. 

Wenn  in  Preussen  und  der  Mark  Brandenburg  die  Deutschen  als 
Eroberer  erschienen,  wenn  sie  da,  das  Schwert  in  der  Hand,  kolonisirten, 
so  war  ihre  Thätigkeit  in  Schlesien  eine  friedliche.  Sie  konnten  den 
Slaven  nicht  als  Herren  gegenübertreten,  sie  waren  ihnen  gleichberechtigt. 
Allerdings  sind  sie  von  vielen  Lasten,  die  auf  den  Slaven  ruhten,  be- 
freit, allerdings  ist,  wo  deutsche  und  slavische  Sitte  einander  wider- 
sprachen, im  Laufe  der  Zeit  die  deutsche  Sitte  überall  siegreich  geblieben, 
allein  es  ist  dieses  immer  ein  Sieg,  den  die  höhere  deutsche  Gultur, 
nicht  das  Schwert  erfochten  hat. 

Als  friedliche  Kolonisten  waren  die  deutschen  Einwanderer  aber 
natürlich  lange  nicht  so  günstig  situirt,  als  da,  wo  sie  als  Sieger  er- 
schienen. Auch  konnten  deutsche  und  slavische  Institutionen  nicht  rein 
neben  einander  bestehen,  es  musste  eine  Mischung  eintreten,  die  nicht 
zum  Vortheil  der  deutschen  Kolonisten  war. 

Ein  Blick   auf  diese   drei  Länder  zeigt  uns  nun,   dass  Preussen 

■ 

jedenfalls  das  Land  ist,  in  dem  die  Verhältnisse  für  die  einzelnen  Be- 
völkerungsklassen am  günstigsten  lagen.  Wenn  der  deutsche  Orden 
nicht  so  lange  dem  mächtigen  Landadel  und  den  grossen  Handelsstädten 
jeden  Antheil  an  der  Verwaltung  verweigert  und  damit  ihren  Abiall 
an  Polen  herbeigeführt  hätte,  wer  will  sagen,  wie  es  heute  in  unserer 
Provinz  aussehen  würde?  — 


Urpreussen 

(das  erste  Buch  aus  dem  Manuscript  einer  Kirchengeschichte  der  Provinz 

Preussen  probeweise  mitgetheilt) 


von 


Adolf  Rogge. 

Erstes  Kapitel. 

Urgeschichte. 

Lage  des  Landes  und  Bestandteile  desselben  seit  1777.  Dunkle  Urzeit.  Die  Perioden 
der  Lappen,  Finnen,  Aestier,  Gothen,  Slaven.  Die  skandischen  Gothen  in  Witland 
und  Ermland.    Die  Danen  in  Samland.  Der  gemeinsame  Name  Preussen  und  seine 

Herleitung.    Sprache, 

Das  interessanteste  Königreich  der  Neuzeit,  das  Königreich  Preussen 
verdankt  seinen  Namen  einem  Landstrich,  der  sich  heute  von  52*  54' 
bis  55'  53'  nördlicher  Breite  und  von  34'  22'  bis  40*  2ö'  östlicher 
Länge  erstreckt,  auf  einem  Gebiete  von  1178  Geviertmeilen.  In  einer 
Längenausdehnung  von  etwa  80  Meilen  zieht  es  sich  von  S.-O.  nach 
N.-O.  von  der  westlichen  Grenze  des  Deutsch-Croner  Kreises  bis  zur 
russischen  Grenze  bei  Memel  und  bildet  einen  ca.  20  Meilen  breiten 
Landstreifen,  der  sich  jedoch  im  N.-O.  und  besonders  im  S.-W.  zu  nur 
wenige  Meilen  breiten  Zipfeln  verengt.  Im  S.  stösst  er  an  die  Provinz 
Posen,  im  N.  an  hinterpommersche  Kreise  und  die  Ostsee.  Ursprünglich 
waren  die  Grenzen  des  Preussenlandes  noch  enger  gezogen,  denn  das 
alte  Preussen  östlich  der  Weichsel  umfasst  nur  ein  Gebiet  von  etwa 
878  Geviertmeilen.  Das  ist  das  alte  Bernsteinland,  das  Land  der  Sage 
und  Sehnsucht  für  die  Culturvölker  des  Alterthums. 

Natur  und  Geschichte  haben  in  diese  dem  Meer  entstiegenen  Schollen 
ihre  Bäthsel  mit  wunderbaren  Hieroglyphen  eingezeichnet.  Trotz  einer 
fast  unübersehbaren  Fülle  geistreicher  und  scharfsinniger  Yermuthungen 
und  Behauptungen,  ja  zum  Theil  vielleicht  wegen  derselben  ist  es  bis 


252  Urpreussen 

auf  den  heutigen  Tag  dem  Biesenfleisse  zahlreicher  Forscher  nicht  ge- 
lungen die  Urzeit  des  Bernsteinlandes  in  das  helle  Licht  der  Geschichte 
zu  stellen.  Entweder  versucht  man  immer  von  Neuem  die  wesenlosen 
Schatten  der  Sage  mit  Fleisch  und  Blut  zu  bekleiden,  oder  man  löscht 
dieselben  einfach  weg  und  vertilgt  mit  einem  kalten  „Wir  wissen's 
nicht'  die  letzten  schwachen  Spuren  einer  merkwürdigen  Vergangenheit. 

Eben  so  tiefes  Dunkel  wie  über  dem  eigentlichen  alten  Preussen- 
lande  lagert  auch  über  den  Districten  an  dem  linken  Ufer  der  untern 
Weichsel,  dem  alten  Pommerellen,  auch  früher  Ostpommern  oder  Klein- 
pommern genannt,  welches  1777  mit  dem  altpreussischen  Antheil  auf 
dem  rechten  Weichselufer  und  dem  grosspolnischen  Antheil  zu  beiden 
Seiten  der  Netze  zu  einer  Provinz  vereinigt  wurden. 

Friedrich  der  Grosse  hat  denselben  auf  den  Vorschlag  seines  Ministers 
Herzberg  den  Namen  „Westpreussen*  gegeben.  Ueberall  ist  auch  hier 
„streitiger  Boden  in  eminentem  Sinn*  ')  dessen  verschiedenartige  Bestand- 
teile einer  einheitlichen  Geschichtsdarstellung  grosse  Schwierigkeiten 
bereiten.  Für  die  älteste  Zeit  sind  diese  verhältnissmässig  am  geringsten. 
In  ihr  ging  die  Geschichte  der  ganzen  Provinz  Preussen  in  der  des 
europäischen  Nordens  auf.  Die  Völkerschaaren,  welche  vom  Wolchonski- 
wald,  den  Earpathen  und  Sudeten  in  das  von  den  Meereswogen  ver- 
lassene Ostseebecken  herniederstiegen,  folgten  sicher  dem  Lauf  der 
Ströme,  welche  in  der  Bichtung  von  der  russisch-polnischen  Grenze 
nach  dem  Meere  hin  die  Provinz  Preussen  durchziehen.  Dieselben  be- 
stimmten die  Verkehrsgebiete  derselben  bis  in  die  Neuzeit,  wo  durch 
den  ehernen  Schienenstrang  dem  Handel  und  Wandel  neue  Bahnen  er- 
öffnet wurden.  Wie  das  eintönige  Rauschen  der  Wogen,  denen  sie  nach- 
zogen, ist  die  Geschichte  jener  Völker  verklungen,  wenn  bei  ihrer  mehr 
oder  minder  geringen  Bildungsstufe  überhaupt  von  einer  Geschichte  die 
Rede  sein  kann.  Spurlos  spülten  Niemen,  Pregel  und  Weichsel  ihr 
Blut  ins  Meer,  wenn  die  Wellen  dieser  Ströme  bei  wilden  Grenzkämpfen 
mit  demselben  geröthet  wurden. 


0  So  sagt  F.  W,  F.  Schmitt,  »Land  und  Leute  in  Westpreussen*  Zeitechr.  für 
prense.  Gesch.  u.  Landeskunde,    Jahrg.  1870,  S.  189  ff. 


Tön  Adolf  Bogge.  253 

Am  deutlichsten  durften  die  einzelnen  Ablagerungen  des  grossar- 
tigen Völkergeschiebes,  welches  sich  ähnlich  den  Diluvialschichten  des 
Bodens,  den  es  betrat,  allmälig  im  Norden  Europas  aufthürmte,  zu  er- 
kennen sein,  wenn  man  die  Lage  der  russischen  Ostsee- Provinzen,  so 
wie  der  unter  gleichen  Graden  gelegenen  skandinavischen  Ortschaften 
zur  Schnur  für  die  wenigen  Perlen  macht,  welche  die  Geschichtsschreiber 
des  Alterthums  uns  für  die  Urzeit  des  europäischen  Nordens  überliefert 
haben.  Dieser  Weg,  der  uns  der  glücklichste  dünkt,  ist  auch  von  neuern 
Forschern,  wie  uns  scheint,  nicht  ohne  Erfolg  betreten  worden. ')  Das 
von  ihnen  angehäufte  Material  verstattet  es  bereits  ein  summarisches 
Ergebniss  ihrer  Untersuchungen  festzustellen.  Die  Lappen,  welche  heute 
in  drei  schwach  bevölkerten  Kirchspielen  Finnmarkens  ihrem  baldigen 
Untergange  entgegensehen,  besassen  einst  den  ganzen  Norden  Europas. 
Nach  ihrer  Sprache  der  uraltaischen  Völkerfamilie  angehörig,  bezeichnen 
sie  sich  noch  heute  selbst  als  einen  Tschudenstamm.  Ihren  jetzigen 
Namen  verdanken  sie  den  Finnen,  die  sie  Loppu  d.  i.  Grenzvolk  (frais, 
extremitas)  nannten.  Derselbe  reicht  nicht  über  das  12.  Jahrhundert 
hinaus.  Die  Lappen  selbst  nennen  sich  ebenso  wie  die  Finnen  mit 
demselben  nationalen  Namen  „Suome,*  Same,  ein  Wort,  welches  gleich 
dem  altschwedischen  „Fenn*  einen  Morast  bedeutet9)  und  wohl  ohne 
Frage  dem  preussischen  Samland  den  Namen  gegeben  hat.  Im  Bus- 
sischen ist  es  in  der  Form  ,Ssum"  erhalten,  welches  Wort  gleichfalls 
zur  Bezeichnung  von  Lappen  und  Finnen  dient.  Obwohl  an  Leib  und 
Seel'  Sinn  und  Art  grundverschieden,  gehören,  wie  Sprachforscher  be- 
haupten, beide  Stämme  derselben  Völkerfamilie  an  und  sind  schon  von 
Tacitus  mit  einander  verwechselt  worden.  Bei  diesem  ist  Finnland  nicht 
als  ethnographische,  sondern  lediglich  als  geographische  Bezeichnung 
eines  Gebietes  zu  fassen,  welches  zu  seiner  Zeit  noch  von  Lappen  be- 
völkert war.4)    Auf  diese  allein  passt  seine  in  kurzen  Schlagwortes 


*)  Zur  alten  Gesch.  Fiimlandt  nach  den  Forschungen  des  Freih.  W.  J.  A,  v.  Tettau, 
Ausland.  Jahrg.  1874,  No.  34  (24.  Aug.)  S.  666—70. 

*)  Geyer,  Gesch.  Schwedens  I.  Hamh.  Perthes.  1832.  S.  89.  Schmitt  S,  189, 
Suomalaiset  Sumpfbewohner, 

*)  Tettaa  a.  a,  0. 


£54  UrpreusÄen 

abgefasste  Skizze:*)  „Bei  den  Feimen  herrscht  wunderbare  Wildheit, 
scheussliche  Armuth.  Keine  Waffen,  keine  Pferde,  keine  Götter!  Kraut 
zur  Nahrung,  Fell  zur  Kleidung,  die  Erde  zum  Lager!  Ihre  einzige 
Hoffnung  ruht  auf  den  Pfeilen,  welche  sie  beim  Mangel  des  Eisens  an 
Knochen  schärfen.  Die  Jagd  nährt  Männer  und  Weiber,  welche  die 
erstem  allerwärts  begleiten  und  ihren  Theil  an  der  Beute  fordern. 
Keinen  andern  Zufluchtsort  haben  die  Kinder  vor  wilden  Thieren  und 
Regengüssen,  als  dass  man  sie  in  irgend  einem  Geflecht  von  Zweigen 
birgt.  Hier  erholen  sich  die  Junglinge,  hier  ist  die  Ruhstatt  der 
Alten.  Aber  sie  halten  das  für  glücklicher  als  unter  Seufzen  das  Feld 
zu  bebauen,  sich  mit  Häusern  zu  mühen  und  um  eignes  und  fremdes 
Glück  in  Furcht  und  Hoffnung  zu  schweben.  Sicher  vor  Menschen  und 
Göttern  haben  sie  das  Höchste  erreicht,  sie  haben  keine  Wünsche." 

Vielleicht  hat  die  Sage  den  Lappen  um  seiner  Bedürfnisslosigkeit 
willen  an  die  Götter  gerückt  und  verklärt.  Keine  Spuren  hat  er  in 
den  südlichem  Gebieten  seiner  einstigen  Wohnsitze  zurückgelassen,  als 
jene  reizenden  Märchen,  von  den  bald  wohlthätigen,  bald  heimtückischen 
Kauken  und  Alraunen,  auf  deren  leicht  bewegliche  Lager  und  Höhlen 
noch  heute  mannigfache  Ortsnamen  hinweisen. 6)  Die  noch  jetzt  bei 
den  Littauem  und  dem  ostpreussischen  Landvolk  unvergessene  Zwerg- 
sage bildet  sicher  einen  der  ältesten  Bestandteile  der  altpreussischen 
Religion.  Das  Urbild  ihrer  Helden  ward  der  kleine  Lappe,  des  Landes 
ursprünglicher  Herr,  nachdem  er  sorglos  den  Fuss  in  noch  wildere 
Gegenden  gesetzt,  um  einem  verwandten,  aber  mächtigern  Stamme  zu 
weichen.  Zu  des  Gothen  Jomandes  und  des  gleichzeitigen  Procopius 
Zeiten  (ca.  550)  hatten  die  Lappen  bereits  unter  der  Bezeichnung 
Scrithifinni  ihre  leichten  Hütten  in  Lappland  aufgeschlagen  und  streiften 
noch  im  elften  Jahrhundert  unter  denselben  Breitengraden  oberhalb 
Wefittlands  in  den  Wildnissen  Dalekarliens  umher.7) 

Hinter  den  leichtlebigen  Lappen  drängten  die  letzten  Vertreter  der 
Tschuden,  die  düstem  und  ernsten  Finnen  her,  gleichfalls  Turanier, 


•)  Germ.  46. 

«)  Nilsson,  Das  Steinalter  etc.  Übers,  v.  Mestorf.    Hamb.  Metaller.   1868. 

i)  Tettau, 


ron  Adolf  Rogge.  256 

welche  ihren  Leib  in  südlichem  Gegenden  so  weit  gekräftigt  hatten, 
dass  er  im  kalten  Norden  nicht  mehr  entartete.  *)  Auf  ihren  Nomaden- 
zügen hatten  sie  Zeit  gefanden  durch  Erstlingsversuche  im  Ackerbau 
ihrem  Dasein  eine  festere  Grundlage  zu  geben. 

Durch  das  sog.  Schwenden,  das  Niederbrennen  der  Wälder,  nutzten  - 
sie  die  Urkraft  des  Bodens  in  flüchtig  bestellten  Boggenfeldern  aus  und 
hinterliessen  ihren  Verdrängern  den  gelichteten  Acker.  In  Norwegen 
erhielten  sie  deshalb,  als  sie  mit  den  ursprünglichen  Finnen,  den  Lappen, 
zusammenstiessen,  den  Namen  ,  Bugfinnen  *  (Boggenfinnen).  Der  Finne 
verachtet  den  Lappen,  der  Lappe  sieht  in  der  Stammeseinheit  mit  seinem 
Treiber  die  höchste  Ehre.  Im  Trieb  nach  Cultur  versuchte  sich  der 
Finne,  je  höher  er  nach  Norden  heraufrückte,  in  den  von  ihm  einge- 
nommenen Gegenden  zu  behaupten.  Allmälig  musste  die  Scholle,  die 
er  geschwendet,  mit  seinem  Blut  gedüngt  werden,  ehe  er  dieselbe  ver- 
liess.  Die  Trutzwaffe  lieferte  ihm  das  Sumpfeisen.  Der  finnische  Name 
desselben  Bauta  oder  Route  findet  sich  noch  heute  in  der  litthauischen 
Sprache,  in  welcher  Rudä  das  Eisenerz  heisst.  Die  Bearbeitung  des- 
selben stand  beim  Finnen  in  solchem  Ansehn,  dass  er  jeden  Handwerker 
einen  Schmied  nannte.  Aber  auch  künstliche  Befestigungen  ihrer  Wohn- 
sitze scheinen  die  Finnen  bereits  angelegt  zu  haben  und  nicht  mit  Unrecht 
werden  ihnen  wahrscheinlich  jene  räthselhaften  Erdwälle  zugeschrieben, 
welche  sich  etappenartig  von  Bügenwalde  bis  Kaiisch  längs  der  alten 
römischen  Handelsstrasse  hinunterziehn.  •)  Vielleicht  bezeichnen  die- 
selben die  Grenzmarken,  an  welchen  die  Uranier  mit  den  Ariern  zum 
ersten  Mal  in  heissem  Kampf  ihre  Kräfte  massen  und  waren  ursprünglich 
Bollwerke  gegen  die  Aestyer,  welche  zu  Tacitus  Zeiten  an  der  Südküste 


•)  Ein  gemeinschaftlicher  Zug  dieser  Urvölker,  deren  Ankunft  in  Europa  jener 
der  Kelten  um  mehrere  Jahrhunderte  voranging!  war  der  Mangel  an  jeder  National- 
Religion  und  an  jeder  sittlichen  Grundlage  ftr  den  Verkehr  der  Gesohlechter.  Die 
ununterbrochene  Reihe  von  Dolmen  and  Steindenkmälern  überhaupt,  die  sich  an  den 
8üdl.  Küsten  des  Mfttelmeeree  und  an  den  westL  des  atlani  Oeeaas  nachweisen  lasst, 
ist  ein  nicht  minder  schlagender  Beweis  für  die  Ebdstens  eines  Mischvolks  von  Turaniern 
und  Semiten,  das  sich  in  vorgeschichtlicher  Zeit  m  Syrien  bis  rar  Ostsee  ausgedehnt 
hat,  als  die  Venrandschaft  der  Berber,  Baskisoben  und  finnischen  Sprache  unter  sich 
mit  der  Hebräischen.  (Europa  1865,  No.  28,  S.  877  u,  878.  Eine  Erloradhnng  de« 
todten  Meeres.)    •)  Schmitt  a.  a.  Ov  S.  18$, 


256  UrpreüsMn 

des  baltischen  Meeres  von  der  Weichsel  bis  zur  Newa  sassen.  Die- 
selben waren,  nach  der  über  ihre  Sprache  gemachten  Andeutung  des 
Tacitus,  ein  keltischer  Stamm,  welcher  in  ähnlicher  Weise  wie  diePeuciner, 
Ambroner  und  Bastarner  hier  sitzen  geblieben  war,  als  seine  Bruder- 
.  stamme  von  den  Germanen  weiter  gegen  Westen  gedrängt  wurden.  Sie 
haben  den  Sterndienst  in  diese  Gegenden  verpflanzt  und  der  Ostsee,  wie 
demNiemen  ihre  alten  Namen  „Cronium  mare"  und  „Chronos"  gegeben. 

V 

Croinu,  walisisch  C'runu  heisst  noch  heut  in  der  keltischen  Sprache  ein 
stehendes  Gewässer.  Obwohl  die  alten  Aestyer  sich  mit  tschudischen 
und  slayischen  und  gothischen  Stämmen  zu  einem  Volke  vermischt, 
soll  noch  jetzt  die  esthnische  Sprache  eine,  wenn  auch  entfernte,  so 
doch  unläugbare  Verwandschaft  mit  der  keltischen  bezeugen.  Ein  kleiner 
Finnenstamm,  die  „Krewienen"  hat  sich  in  den  von  den  Aestyern  be- 
setzten Gegenden  bis  auf  die  heutige  Zeit  unvermischt  erhalten  in  der 
Nähe  von  Bauske  in  Semgallen,  wo  er  seit  der  ersten  Hälfte  des  17ten 
Jahrhunderts  erwähnt  wird. 10)  Vielleicht  rettete  ihn  die  Annahme  des 
Crivethums  vom  Untergang. 

Hinter  den  Aestyern  zogen  die  Gothen  her,  mit  denen  Claudius 
Ptolomäus  (170  n.  Chr.)  nebst  dem  slavischen  Stamm  der  Wilzen  die 
preussich-pommersche  Küste  bevölkert. ")  Während  die  letztern,  wohl 
die  Vorfahren  der  Wenden,  sich  in  ihrer  Stammesreinheit  erhalten«  zu 
haben  scheinen,  drangen  die  Gothen  über  die  Weichsel  und  mischten 
sich  mit  dem  keltischen  Stamm  der  Aestyer.  Gothische  Nebenstämme 
an  der  Weichsel  waren  die  Holmryr  (Ulmerugier),  Gepiden,  welche  dem 
Weichseldelta  den  Namen  „Gepidojos"  gaben  und  die  später  noch  zu 
erwähnenden  Widivarier  oder  Withinge,  welche  zu  den  Zeiten  des  See- 
fahrers Wulfstan  den  westlichen  Theil  der  Nehrung  bewohnten  und  um 
die  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  schon  dem  gothischen  Geschichtsschreiber 
Jordanes  als  Besiedler  der  Weichselwerder  bekannt  waren. ") 

")  Ausl.  1872,  No.  19,  S.  446.    Ein  ausgestorbenes  Volk  in  Kurland. 

")  Krek,  Einleitung  in  die  slavische  Literaturgeschichte  und  Darstellung  ihrer 
älteren  Perioden.  Bd.  I.  Graz,  Lenschner  und  Lubensky  1874,  S.  66.  Von  diesem 
viel  benutzten  Buch  citiren  wir  künftig  nur  den  Namen  des  Verfassers. 

")  Jornand.  5.  Ad  litus  Ooeani  nbi  tribus  faucibus  fluenta  Vistulae  flumima  ebi- 
Jrontur  Vidioarii  resident,  vgl.  Voigt,  Gescb,  I,  136. 


von  Adolf  Bogge.  257 

In  der  sog.  Eraina  (Grenzland),  die  wahrscheinlich  durch  die  Flüsse 
Kamionka,  Dobrinka,  Netze,  Brahe  und  Küdow,  an  der  Wasserlücke 
zwischen  der  Kamionka  und  Dobrinka  aber  durch  undurchdringliche 
Wälder  begrenzt  wurde,  wohnten  die  Burgundionen,  welche  245  nach 
Panonien  abzogen  und  wie  ein  neuerer  berühmter  Ethnograph  sicher 
fälschlich  meint,  den  Preussen  ihren  Namen  zurückgelassen  hätten 
(Phrugundionen:  Preussen!)13)  Ihre  Sitze  nahmen  später  lechische 
Stämme  ein,  wie  die  Palucken  und  Cujaven,  denn  das  von  xmß  ge- 
schilderte Völkergemisch,  welches  sich  an  der  preussischen  Ostseeküste 
nach  und  nach  zu  einem  Volke  vereinigte,  nahm  zuletzt  noch  slawische 
Elemente  in  sich  auf. 

Wie  die  neuesten  sprachlichen  Untersuchungen  ergeben,  ")  erfüllte 
das  den  Westariern  angehörige  Slavenvolk  allmälig  das  europäische 
Flachland  zwischen  dem  obern  Don  und  dem  Dnejpr  und  über  den 
letztern  Fluss  hin  gegen  den  Osten  des  baltischen  Meeres  und  der 
mittlem  Weichsel,  südlich  wohl  nicht  über  den  Pripetfluss.  Von  da 
aus  erfolgten  später  Ausbreitungen  nach  dem  Norden  und  Südwesten 
in  Zeiträumen,  die  kaum  annähernd  zu  bestimmen  sind.  Fest  steht, 
dass  sich  die  Slaven  im  fünften  Jahrhundert  vor  Christo  bereits  von  den 
Litthauern  getrennt  hatten ")  und  wie  diese  am  Niemen,  so  stiessen 
jene  an  der  Weichsel  auf  die  finnisch-keltisch-gothische  Bevölkerung 
des  Bernsteinlandes,  die  zuletzt  noch  durch  eine  von  Norden  her  zurück- 
schlagende Völkerwoge  an  der  Meeresseite  theilweise  eingeschlossen 
wurde.  Die  Heimath  der  Vidivarier,  welche  der  Gothe  Jordanis  an  der 
Weichselmündung,  der  Seefahrer  Wulfstan  auf  der  Arischen  Nehrung 
kennt,  kann  ursprünglich  nur  Schweden  gewesen  sein.  Das  schwedische 
und  norwegische  Grenzgebiet,  die  Landschaften  Wermland  und  Nerike 
waren  schon  nach  der  Inglinga-Sage  der  Schauplatz  wilder  Kämpfe  ") 
zwischen  den  Svear  und  Götar,  jenen  Begründern  zweier  Eisenculturen, 
von  denen  die  eine  süd-  die  andere  nordgermanischen  Ursprungs  war. 


")  Friedr.  v.  Hellwald  in  dem  Aufsatz:  »Der  Streit  über  die  ßa$e  prussietme*, 
Ausland  1873.  No.  5  u.  6. 

")  Krek  S.  36.    ,5)  Krek  S.  39. 
")  Voigt  I,  S.  179  Anm.  2. 

▲ltpr.  Monfttatchri/t  Bd.  XIV.  Hft,  8  o.  t  17 


258  ürpreussen 

An  den  Ufern  des  Wenersees  in  Wermland  erhoben  sich  die  Wikinger- 
sitze, und  seine  Wellen,  Eisgefilde  und  Inseln,  in  abenteuerlichen  Kämpfen 
mit  Heldenblut  geröthet,  boten  dem  Liede  unerschöpflichen  Stoff.  Die 
östlich  daran  stossende  Landschaft  Nerike  zog  sich  mit  ihren  niedrig 
gelegenen  von  Moor  und  Sumpf  unterbrochenen  grasreichen  Wiesen 
zwischen  steilen  Gebirgshöhen  und  den  grossen  Waldungen  Tiweden 
und  Käglan  hin. ,7)  Will  man  noch  irgend  welches  Gewicht  auf  die 
uns  überlieferten  geographischen  Bezeichnungen  der  Urzeit  legen,  so 
durfte  das  preussische  Wermland  in  erster  Linie  mit  dem  schwedischen 
in  Zusammenhang  zu  bringen  sein,  wie  die  früher  wohlbebaute  Nehrung 
mit  dem  schwedischen  Nerike  (Nercia).  Dass  die  kampfgeübten  Wi- 
kinger, welche  sich  in  den  eroberten  Sitzen  selbst  gegen  die  andringenden 
Slaven  zu  schützen  hatten,  die  im  Lande  vorgefundene  Bevölkerung  zu 
einigen  und  organisiren  suchten,  lag  lediglich  in  ihrem  Vortheil  und 
ihr  moralisches  und  physisches  Uebergewicht  befähigte  sie  entschieden 
zu  einer  Culturarbeit,  die  in  ihrem  ungestümen  Charakter  wieder  ihre 
Schranken  fand.  Während  sie  vielleicht  den  Slaven  gemeinsam  die 
Spitze  boten,  verpflanzten  sie  die  Kämpfe  des  Heimathlandes  auch  auf 
den  eroberten  Boden.  „Da  ist  sehr  viel  Krieg  unter  ihnen",  sagt 
Wulfstan,  u)  der  erste  Augenzeuge,  der  Preussen  gegen  das  Ende  des 
neunten  Jahrhunderts  beschrieben,  und  „ auf  jeder  Burg  ist  ein  König". 
Das  Wort  Cyninge,  das  er  für  König  braucht,  ist  ein  schwedisches, 
Kuningas,  Konung,  welches  noch  im  litthauschen  Kunig's  erhalten  ist, 
und  in  der  altschwedischen  Sprache  einen  Mann  von  Geburt  bezeichnet. ") 
Das  altslav.  kunezi,  Fürst,  scheint  die  Uebergangsform  zu  bieten.  Ebenso 
erwähnt  der  alte  Seefahrer  die  Sclaven  (peöwan),  welche  in  der  alten 
schwedischen  Verfassung  ihre  eigentümliche  Stelle  einnahmen. ")  Den 
Slaven  war  die  Leibeigenschaft  unbekannt.  Erst  nach  der  Berührung 
mit.  den  Deutschen  gewöhnten  sie  sich  daran,  dass  man  Menschen  auch 


")  Geyer,  Gesch.  Schwedens.  Hamburg.  Perthes  1832.  I,  S.  68—61  »Ueber 
die  Svea  und  Göta«.  —  Dr.  Hans  Hildebrand,  »Das  heidnische  Zeitalter  in  Schweden* 
übersetzt  von  Mestorf.    Hamburg.    Otto  Meissner,    1873. 

«)  Scr.  rer.  Press.  I,  8.  733. 

'•)  Geyer,  I,  S.  105  Anm.  4.    10)  Geyer  S.  106. 


von  Adolf  Bog*«.  259 

« 

als  Sachen  ansehen  könne. fl)  Auch  die  Waldbezeichuungen  Damerau 
(Damor)  und  Dalwin  oder  Dalben  (Dalby)  sind  gothischen  Ursprungs. ") 
Vielleicht  lässt  sich  sogar  das  Truso  des  Wulfstau,  welches  Neumann 
in  Preuss.  Mark  wiedergefunden  haben  will,  aus  derselben  Sprache  her- 
leiten. Tori,  Torg  heisst  Marktplatz  und  Markina  oder  Marknad  Jahr- 
markt.ts)  Ebenso  deutet  die  Gau  Verfassung,  welche  der  Orden  bei 
seiner  Ankunft  in  Preussen  vorfand,  auf  schwedischen  Ursprung  hin. ") 
Das  slayische  Element  des  Volkes  tritt  deutlich  in  der  fast  unbegreif- 
lichen Verschleuderung  hervor,  welcher  der  Nachlass  der  Verstorbenen 
unterworfen  war.  Dieselbe  ist  nur  beim  gänzlichen  Mangel  einer  ge- 
setzlichen Erbregulirung  denkbar.  Der  Slave  kannte  kein  Erbrecht, 
kein  Mein  und  Dein  unter  Brüdern.  Die  Einheit  der  Sippe  und  des 
Stammes  schloss  jegliche  Erbfolge  aus.  Dieser  eigenthümliche  Zug  schied 
die  Slaven  ebensowohl  von  den  Germanen  wie  von  den  Romanen.") 
Es  ist  wohl  auch  nicht  zufällig,  dass  später  der  deutsche  Orden  im 
Friedensvertrage  vom  7.  Februar  1249  zuerst  das  Erbrecht  ordnete. 

Während  scandische  Gothen  das  Witland  und  Wennland  behaup- 
teten, stürzten  sich  die  Dänen  auf  die  samländische  Küste.  So  soll 
nach  Saxo  Grammatikus  der  etwa  in  der  ersten  Hälfte  des  achten  Jahr- 
hunderts regierende,  durch  seinen  sagenhaften  Schwanengesang  berühmte 
Dänenkönig  Eagnar  Lodbrock  von  einem  Sturme  an  die  sembische  Küste 
getrieben,  mit  Hilfe  der  Kuren  und  Samländer  die  aufsässigen  Bjarmer 
an  der  Dwina  besiegt  haben.  Bald  schlug  die  Bundesgenossenschaft 
in  Feinschaft  um.  In  verzweifelten  Kämpfen  eroberten  die  Dänen  das 
Samland.  Haquin,  der  Sohn  des  Harald  Blauzahn  und  der  Gyritha, 
soll  beim  Angriff  auf  Samland  seine  Schiffe  verbrannt  haben,  um  den 
Seinen  die  Möglichkeit  des  Rückzugs  abzuschneiden.     Das  Blut  der 


")  Franz  Palacky,  Gesch.  von  Böhmen.  Prag  1886.  I,  8.  172. 

")  Oeijer  S.  67  n.  98. 

*')  Ueber  die  Aehnlichkeit  einzelner  Personennamen  Voigt  I,  S,  668  Anm,  1.  — 
Geijer  S.  96. 

*4)  1.  c.  S.  67—69,  wo  nach  dem  RegMrom  Upaaliense  venchiedene  Gau- 
eintheilungen  angegeben  sind.  Die  prenssiache  Ganeintheiloag  am  aufthrlicheten 
dargestellt  bei  Toppen,  bist.- comp.  Geographie  S.  7—39, 

")  Krek  S.  91t 

17* 


260  Urpreussen 

Dänen  und  Semben  wurde  nicht  nur  auf  dem  Schlachtfelde  gemischt 
Nachdem  die  Männer  getödtet  waren,  heiratheten  die  Dänen  die  Weiber 
der  Erschlagenon.  „ Nicht  mit  Unrecht*,  sagt  Saxo,  „leiten  seitdem 
die  Samländer  ihr  Geschlecht  vom  dänischen  Volksstamm  her".") 

Wenn  Saxo's  Bericht  auf  einer  wirklichen  Thatsache  beruht,  fällt 
dieser  dänische  Einfall  in  den  Ausgang  des  zehnten  Jahrhunderts.   Um 
diese  Zeit  beginnen  die  Gaunamen  dem  gemeinsamen  Yolksnamen  zu 
weichen.    In  den  beständigen  Kriegen  mit  den  Dänen  und  Polen  war 
durch   Blut   und   Eisen   die   Einheit   des   Volkes   herbeigeführt.     Als 
Adalbert  den  preussischen  Boden  betritt,  rufen  ihm  die  Einwohner  nach 
dem  Bericht  seines  Biographen  Cauaparius  entgegen:  Bei  uns  und  die- 
sem ganzen  Königreich,  an  dessen  Thoren  wir  wohnen,  herrscht  einerlei 
Satzung  und  Sitten!     Der  Begriff  „Königreich"  (regnum)  ist  freilich 
dunkel,   scheint   doch   aber   ein   grösseres  Gebiet   als  etwa  das  eines 
Cynings  zu  Wulfstans  Zeit  zu  bezeichnen. f7)    Adam  von  Bremen  nennt 
etwa  siebzig  Jahre  später18)  Samland  eine  den  Bussen  und  Polen  be- 
nachbarte Provinz,  welche  die  Preussen  besitzen,  die  er  auch  Semben, 
Samländer  nennt  (Sembi  vel  Pruzzi).   Während  Canaparius  dieses  Volk 
als  ein  böses  und  habgieriges  schildert,  dessen  Bauch  sein  Gott,  lobt 
Adam  von  Bremen  die  Preussen  als  äusserst  menschliche  Leute,  welche 
Schiffbrüchigen  und  von  Seeräubern  Verfolgten  freudig  entgegenkommen, 
Geld  und  Gut  aber  gar  gering  achten.   Sie  vermittelten  den  Pelzhandel 
mit  dem  Norden  und  verwöhnten  durch  ihre  kostbaren  Marderpelze  die 
Hamburger  und  Bremer.    Ihr  Hauptmarkt  war  Birka  bei  Upsala. 

Der  Name  Preussen  kommt  zuerst  in  einem  geographischen  Glossar 
aus  dem  neunten  Jahrhundert  vor  (Bruteni,  Pruzzun),  danach  in  einer 
dem  Pontificat  Johannes  XV.  (985—996)  ausgestellten  slavischen  Ur- 
kunde und  in  der  bald  nach  dem  Tode  St.  Adalberts  von  Canaparius 
abgefessten  Leidensgeschichte  dieses  Märtyrers  (Pruzzi). 

Wir  glauben  die  Fülle  ")  von  etymologischen  Kunststücken,  welche 
diesem  Namen  ihre  Entstehung  verdanken,  hier  einfach  übergehen  zu 


>«)  Scr.  rer.  Press.  I,  S.  735.    ")  Ebd.  S.  228.    **)  Ebd  S.  239. 
*•)  Bender,  Erml.  Zeitschr.  I,  S.  384—97  referirt  in  möglichster  Vollständigkeit 
»Ämmtliche  bisher  aufgestellte  Hypothesen;  Tgl.  auch  Pierson,  Electron  8.  96—107. 


Ton  Adolf  Rogge.  261 

sollen.  Nach  unserer  unmassgeblichen  Meinung  finden  wir  in  diesem 
Namen  dieselbe  altslavische  Wurzel  8pr"  (ferire)  wieder,  welche  dem  Na- 
men des  National götzen  Ferunu  zu  Grunde  liegt,  sich  in  der  slavischen 
Bezeichnung  für  das  Wort  „Eber"  vepr  und  im  gleichbedeutenden  poln. 
wieprz  wiederfindet.  Die  Fruzzi  sind  danach  die  schon  dem  Tacitus 
bekannten  Peruns-  oder  Eber-Anbeter,  welche  von  den  christlich  ge- 
wordenen Polen  nach  ihrer  Haupteigenthümlichkeit  bezeichnet  wurden. 
Eine  nähere  Begründung  dieser  Ansicht  werden  wir  in  der  Darstellung 
des  preussischen  Götzendienstes  geben. 

Was  endlich  die  Sprache  der  alten  Preussen  anlangt,  so  wird  die- 
selbe nebst  der  littbauschen  und  lettischen  als  ein  Zweig  des  indo- 
germanischen Sprachstammes  betrachtet,  dessen  ursprüngliche  Heimath 
der  Gebirgsrücken  des  Mustagh  und  Belurtagh  nach  dem  Easpischen  See 
ist.  Sie  wird  für  weniger  alterthümlich  als  das  Litthausche  gehalten, 
welches  noch  die  ursprünglichen  sieben  Casus,  sowie  den  Dualis  hat 
und  sich  von  den  gewaltigen  Lautveränderungen  der  Sprachen  des 
lettisch-slavischen  Familienpaares  fast  gänzlich  freigehalten,  beim  Ver- 
bum  dagegen  die  Beduplication,  das  Augment  und  die  Veränderung  des 
Wurzellauts  aufgegeben,  in  den  Flexionsendungen  manche  Einbussen 
erfahren,  dagegen  das  Medium  bewahrt  hat.  Frei  von  den  Entstellungen 
des  Lettischen,  ist  der  preussischen  Sprache  der  Dual  verloren  gegangen 
und  die  Zahl  der  Casus  beschränkter  als  im  Litthauschen. 30) 

Zweites  Kapitel. 

Urglaube. 

Der  Erden-  und  Eberdienst  nach  Tacitus.    Aus  dem  nordischen  Alterthum  herzu- 
leitende Gottheiten  und  ihre  Feste  der  Erde  und  des  Himmels.  Slawische  Gottheiten. 
Perkun  und  Cnrche  finden  sich  im  Eber.    Kresze,  Sabotuka  und  Mettele.  Das  vier- 
fache Romowe.   Der  Crive.    Kein  Priesterthum.    Stellung  des  Weibes. 

Die  erste  Kunde  von  den  Göttern  des  Preussenlandes  hat  der 
Griffel  des  Tacitus  auf  die  Nachwelt  gebracht.    Derselbe  erzählt  von 


•°)  Schleicher,  Die  Sprachen  Europas  in  systematischer  üebersicht.  Bon. 
Königsb.  1860.  und  Brockhaus,  Blätter  für  literar.  Unterhaltung.  Jahrgang  1853. 
II,  S.  1143  u.  44, 


"N 


262  Urpreussen 

den  Aestyern : ')  „Die  Götterautter  beten  sie  an.  Als  gotttes  dienstlich  es 
Zeichen  führen  sie  das  Bild  eines  Ebers.  Dieses  schirmt  so  gut  wie 
Waffen  nnd  jede  Schutzwehr  den  Verehrer  der  Göttin  mitten  unter 
den  Feinden." 

Tacitus  hält  die  Aestyer  für  ein  Mischvolk,  in  Bezug  auf  Sitte  und 
Tracht  den  Sueven,  nach  der  Sprache  den  Briten  verwandt,  mithin  keltisch- 
germanischer Abstammung.  Damit  sagt  er  auch,  wo  die  ersten  dunkeln 
Spuren  ihres  Götzendienstes  zu  suchen  seien,  nirgend  anders  als  bei 
den  Sueven  und  Kelten.  Unter  der  Göttermutter  können  wir  nach  dem 
Zusammenhange  nur  Hertha  verstehen.  Kurz  vorher1)  hat  Tacitus  die- 
selbe als  die  Hauptgottheit  der  Sueven  bezeichnet  und  ihren  geheim- 
nissvollen Gottesdienst  meister-  und  musterhaft  für  alle  Zeiten  geschildert. 
Sollte  er  indessen  auch  als  Bömer  reden  und,  wie  einige  Ausleger 
meinen,  unter  der  Göttermutter  eine,  der  Eybele  ähnliche,  Gottheit  ver- 
stehen, so  ändert  das  an  der  Sache  gar  nichts.  Auch  diese  ist  ja  die 
geheimnissvolle  Erdgottheit,  die  Alles  erzeugt  und  Leben  verbreitet. 
Dem  Erdendienst  verdankt  die  Beligion  der  Preussen  jene  eigentüm- 
liche Färbung,  die  dem  Auge  des  Dichters  als  „Land-  und  Baumpoesie* 
erscheint.  *)  Eng  mit  dem  Erdendienst  war  nach  Tacitus  der  Eberdienst 
verbunden.  Nur  den  Verehrer  der  Göttermutter  schützt  das  Eberbild. 
Vielleicht  haben  wir  hier  den  hervorragend  keltischen  Zug  im  preussischen 
(Götzendienste  gefunden,  doch  spielt  der  Eber  in  allen  Religionen  des 
nordischen  Alterthums  eine  so  bedeutende  Bolle,  dass  es  schwerlich 
gelingen  wird  seine  Urheimath  bei  einem  der  europäischen  Völker  auf- 
zufinden. In  diesem  erdaufwühlenden  Thier  mag  schon  das  indoger- 
manische Urvolk  in  den  Hochgebirgen  Mittelasiens  ein  Sinnbild  des 
Windes  gesehen  haben.  Der  Eber  dient  in  den  nordischen  Religionen 
zur  Bezeichnung  aller  beweglichen  Himmelskräfte,  welche  nach  der 
Meinung  der  Menschen  die  mütterliche  Erde  befruchten.  Wodan  fährt 
mit  dem  wüthenden  Heer,  einer  Eberheerde  gleich,  im  Sturmgebraus 
durch  die  Nacht  dahin,  er  streitet  aber  zuweilen  auch  mit  der  Wind- 


')  Germ.  46.    *)  Genn.  40. 

•)  Herder,  Eigne  Gemälde  aus  der  preass.  Gesch.  Adrastea.  Werke  zur  Philos. 
nnd  Geschichte.  XI.  Theil.   Stuttg,  u,  Tübing.  1829.  S.  346. 


▼on  Adolf  Kogge.  2G3 

sau  und  aus  Wind  und  Wetter  zucken  ihm  die  leuchtenden  Hauer  des 
Ebers,  die  Blitze,  entgegen. 

Die  Sturmwolke  ist  der  Eber,  von  dem  die  Einheriar,  die  im  Winde 
umhersausenden  Geister  der  gefallenen  Krieger,  zehren.  Nach  der  Edda 
speisen  dieselben  das  Fleisch  des  unvergänglichen  Ebers  Saehrimnir. 
Gullinbursti  oder  Slidhrugtores  d.  i.  Spitzzahn,  der  leuchtende  Eber, 
jagt  mit  Preyr,  der  über  dem  Wetter  waltet,  durch  Luft  und  Wasser, 
ein  Bild  der  lichtdurchstrahlten  Wolke,  welche  die  Sonnenstrahlen 
über  die  Weiten  des  Himmels  trägt.  Auf  den  Sühneber,  Sonargalti, 
wurden  am  Julfeste  den  Gottheiten  Freyr  und  Freya  die  Gelübde  grosser 
Thaten  abgelegt  und  König  Heidhreks  gelobte  am  Julfeste  ein  Abenteuer, 
indem  er  einem,  von  ihm  selbst  aufgezogenen,  goldig  glänzenden  Eber 
eine  Hand  aufs  Haupt,  die  andere  auf  die  Borsten  des  Bückens  legte. 4) 

Diese  Beispiele  mögen  vorläufig  genügen,  um  die  Bedeutung  des 
Ebers  ins  rechte  Licht  zu  stelleu,  der  im  Wettergewölk  und  Sturm- 
gebrüll einst  auch  über  das  Bernsteinland  hinjagte  und  sich  in  den 
weiten  Ebenen  der  Sarmaten  verlor,  denn  auch  die  Slaven  haben  die 
Erinnerung  an  das  goldborstige  Thier  vielleicht  schon  aus  ihrer  Ur- 
heimath  mitgebracht  und  demselben  in  ihrer  Götterlehre  eine  Stelle  an- 
gewiesen. Ihnen,  wie  den  Germanen  war  es  ein  Bild  für  verschieden 
gestaltete  Sonnenmythen,  die  an  die  dritte  Avatare  Wischnu's  mahnen. ') 

Hier  stellen  wir  nur  fest:  Die  Geburtsstätte  der  preussischen  Götter- 
welt ist  das  nordische,  das  keltisch-germanische  Alterthum,  die  Aus- 
gestaltung und  Ausstattung  derselben  dagegen  rührt  von  den  Slaven 
her,  die  bereits  zu  Wulfstans  Zeiten  ihre  Bosse  in  den  Weichselebenen 
und  auf  der  Nehrung  tummelten,  während  skandische  Withinge  daselbst 
als  Könige  sassen.  Es  ist  nur  denkbar,  dass  Sieger  und  Besiegte  ihr 
Theil  zum  spätem  gemeinsamen  Gottesdienste  beigetragen  haben,  da- 


4)  Was  wir  jetzt  und  später  über  den  Eber  und  Eberdienst  beibringen»  ist  zwei 
interessanten  Abhandinngen  über  diesen  Gegenstand  entnommen:  1)  Wilh.  Mannhardt, 
Boggenwolf  und  Boggensau.  2.  Aufl.  Danzig,  Constant.  Ziemssen  1866,  S.  1—3. 
2)  Bodin,  »Ein  arger  Wühler4  Sonntagsblatt  herausgeg.  v.  Franz  Duncker.  Berlin, 
Jahrg.  1876,  No.6,  S.  70.    Vgl.  auch  Simrock,  Edda  1851.    S.  266. 

»)  Krek  S.  231  und  Nork,  pop.  Mjthol.    Stuttg.  1845.    II,  S.  196. 


2ß4  Urpreussen 

bei  aber  natürlich,  dass  die  im  Volke  lebenden  slaviscken  Anschauungen 
das  Uebergewicht  über  die  germanischen  errangen.  Da  beide  Völker 
arischen  Ursprungs  waren,  mussten  ausserdem  viele  Begriffe  ihnen  ge- 
meinsam sein,  ein  Erbtheil  der  Urzeit. 

In  dem  langen  Zeiträume  von  Tacitus  bis  Simon  Grünau,  man  ver- 
zeihe diese  Zusammenstellung  von  lauterer,  keuscher  Geschichtsforschung 
und  bewusster  Lüge  voll  halber  Wahrheiten,  hat  kein  Mensch  mit  Lust 
und  Liebe  ins  Volk  hineingelauscht,  kein  sinniger  Blick  auf  den,  von 
Jahrhundert  zu  Jahrhundert  mehr  verlöschenden,  mit  Feuer  und  Schwert 
vertilgten  Spuren  des  alten  Götterglaubens  geruht.  Daher  führen  uns 
die  Geschichtsschreiber  des  Mittelalters,  unter  ihnen  in  erster  Reihe  Peter 
Dusburg,  ihre  matten  Götterschemen  an  Stelle  jener  Gestalten  vor,  die 
greifbar  einst  vor  dem  kindlichen  Dichterauge  des  Volkes  standen  und 
die  Herzen  desselben  bald  mit  Bangen  und  Beben,  bald  mit  ausgelassener 
Lust  und  Freude  erfüllten.  Sie  kennen  keine  Gottheiten,  sondern  nur 
Deutungen  derselben  und  reden  von  der  preussischen  Götterwelt,  wie 
jene  nachgeborenen  Philosophensekten,  die  wir  heute  den  Materialisten 
zuzählen  würden,  von  der  griechischen  und  römischen. 

Nicht  abgezogene  oder  verwässerte  Begriffe  stehen  dem  Volke  vor 
Augen,  wenn  es  betet.  Wind  und  Sonnenstrahl  kleidet  es  mit  über- 
wuchernder Einbildungskraft  in  fassbare  Gestalten  und,  wenn  es  die 
Sonne  ein  Auge  nennt,  so  findet  es  auch  bald  den  Mann,  der  dasselbe 
im  Kopfe  trägt.  Nicht  den  Donner  und  Blitz,  sondern  den  Blitzwerfer 
und  Donnerer  macht  es  zum  Gegenstande  seiner  abgöttischen  Verehrung. 
Erst  bei  Culturvölkern  wird  Alles  generalisirt  und  centralisirt,  die  Wilden 
individualisiren  und  personificiren  wie  die  Kinder. 

Noch  immer  muss  uns  daher  der  alte  Tacitus  das  Baugerüst  her- 
geben, wenn  wir  mit  einiger  Sicherheit  den  altpreussischen  Götzendienst 
wieder  einfügen  wollen  in  die  Lücken  unserer  Urgeschichte,  die  Bau- 
steine aber  müssen  mühsam  aus  wohlbeglaubigten  Aufzeichnungen  und 
Bräuchen  zusammengetragen  werden,  welche  das  Glaubensleben  der 
Preussen  und  ihrer  Nachbarvölker  beleuchten.  Die  Göttermutter  und 
der  Eber  sind  nichts  als  Bilder  für  Erde  und  Himmel.  Dass  die  Preussen 
kein  Genüge  am  rein  landschaftlichen  Beiz  der  weiten  Schöpfung  em- 


von  Adolf  Kogge.  265 

pfonden,  wissen  schon  die  Biographen  des  h.  Adalbert.  Canaparius  lässt 
den  Märtyrer  ausziehen,  um  die  „Götter  und  Götterbilder00)  Preussens 
zu  bekriegen,  dessen  Bewohner  Brun  ausdrücklich  «Götzendiener117) 
nennt.  Dabei  bemerken  wir  gleich  vorweg,  dass  Canaparius  auf  einen 
einheitlichen  Götzendienst  durchs  ganze  Land  hinweist.  Die  Bewohner 
des  Landes  sind  dem  Missionar  gegenüber  stolz  auf  einerlei  Satzung 
und  Sitte.8)  Der  Krieg  Aller  gegen  Alle,  den  noch  Wulfstan  sah,0) 
war  sicher  der  staatlichen  Einigung  eben  so  ungünstig,  wie  der  Dogmen- 
bildung. Die  Verschmelzung  der  verschiedenen  nationalen  und  religiösen 
Elemente,  welche  sich  auf  preussischem  Boden  geltend  gemacht,  scheint 
danach  zwischen  Wulfstan  und  Adalbert,  mithin  im  zehnten  Jahrhundert 
vor  sich  gegangen  zu  sein.  Das  Verdienst  dieser  Einigung  dürfte  un- 
bezweifelt  dem  Polenschwerte  gebühren. 

Die  Reihe  jener  Schriftsteller,  welche  über  den  eigenthümlich 
preussischen  Götzendienst  nur  das  Oberflächlichste  wissen  und  doch 
für  uns  wenigstens  ziemlich  viel  sagen,  eröffnet  Canaparius.  ")  Seine 
Worte  lauten:  „deren  Gott  der  Bauch  ist  und  die  Habsucht  verbunden 
mit  dem  Tode.*  Auch  Lapidarstil,  freilich  nicht  aus  der  Schule  des 
Tacitus!  Würden  uns  nicht  geschichtliche  Zeugnisse  anders  belehren, 
so  könnten  wir  leicht  in  diesen  Worten  nichts  als  eine  verstümmelte 
Anführung  einer  Bibelstelle  sehen, ")  die  möglicher  Weise  dem  Bericht- 
erstatter als  angemessenster  Ausdruck  für  seine  geringe  Eenntniss  der 
Sachlage  auch  vorgeschwebt  hat. 

Der  Bauchgötze  des  Canaparius  weist  auf  ein  Ackerbau  treibendes 
Volk,  das  bei  vollen  Scheuern  ein  Gelage  nicht  verschmäht  und  eben 
nicht  sparsam  ist  in  seinen  Trankopfern  für  den  Gott,  der  seiner  Meinung 
nach  die  Felder  gesegnet.  Derselbe  Götze  taucht  unter  dem  Namen 
Pilvitus,  den  Prätorius  wohl  richtig  vom  litth.  Worte  Pilwas  „Bauch" 


")  Scr.  rer.  Pr.  I,  228  Pruzziae  deos  et  idola. 

7)  Ydolatrae,  Scr.  rer.  Pr.  I,  233. 

*)  Scr.  r.  Pr.  I,  228  Communis  lex  imperat  et  nnus  ordo  vivendi. 

•)  1.  c.  733. 

10)  Scr.  rer.  Pr.  I,  228  Quorum  deus  venter  et  avaritia  juncta  cum  Morte. 

»)  Phil.  3,  19. 


266  Urpreussen 

ableitet,  in  der  Agende  der  preussischen  Bischöfe  vom  Jahre  1530  wieder 
;  auf,  und  wird  hier  ausdrücklich,  obwohl  wir  glauben  fälschlich,  mit 
der  Ceres  verglichen. Il) 

Auch  Simon  Grünau  kennt  unter  den  preussischen  Zauberern  sog. 
Klwitten  und  lässt  dieselben  neben  andern  Schwarzkünstlern  zu  Zeiten 
Conrads  v.  Jungingen  mit  dem  Feuertode  bedroht  werden. ,3)  Es  scheint 
uns  wahrscheinlich,  dass  diese  das  Andenken  an  den  alten  Bauchgott 
im  Preussenvolke  erhalten  wollten,  womit  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass 
dieselben  auch  in  irgend  einer  Beziehung  standen  zu  dem,  von  Grimm 
ans  Licht  gezogenen,  weiblichen  Gespenste  Pilwiz,  das  Haare  und  Bart 
verwirrte  nnd  das  Getreide  zerschnitt.  An  mehr  als  einem  Punkte  be- 
rühren sich  der  slavische  und  der  germanische  Götterglaube,  in  Preussen 
konnte  das  am  leichtesten  geschehen.  So  erinnert  Pilvitus  an  den  alt- 
slavischen  Heerdengott  Velestt,  der  ursprünglich  auch  Sonnengott  war  M) 
und  dessen  Namen  in  dem  für  „Hexe  oder  Zauberer"  gebrauchten 
Wort  „ Bellewitte*  schon  deutlicher  zu  erkennen  ist.  Dass  man  den 
Heerdengott  zugleich  als  Bauchgott  und  Gott  des  Seichthums  ansehen 
konnte,  bedarf  keiner  Begründung,  und  dass  die  preussischen  Bischöfe 
einen  Sonnengott  ins  System  der  Erdgötter  brachten,  kann  eben  bei 
ihrer  oberflächlichen  und  nebensächlichen  Darstellung  der  Sache  nicht 
zu  sehr  auffallen. fi) 

Noch  dunkler  sind  die  nächsten  Worte  des  Canaparius,  in  welchen 
derselbe  den  Preussen  „die  Habsucht,  verbunden  mit  dem  Tode,  zu- 
schreibt.* Rein  begrifflich  gefasst,  werden  dieselben  bestätigt  durch 
Wulfstans  Bericht,  der  das  Jagen  nach  den  Gütern  der  Verstorbenen 
erzählt  und  somit  die  Habsucht  in  unmittelbare  Beziehung  zum  Tode 


")  Das  Material  zur  Bearbeitung  der  preussischen  Götterlehre  haben  nach 
Hartknoch  und  Arnoldt  hauptsachlich  zusammengestellt  und  das  Bedeutendste  auf 
diesem  Gebiet  geleistet:  Toppen,  Gesch.  des  fieidenthums.  N.  Pr.  Pr.-Bl.  I,  1846 
und  die  letzte  Spur  des  Heidenthums  Bd.  II.  Wir  citiren  künftig  nur  mit  Namen 
und  Band.  Bender,  De  Tet.  Prut.  Diis.  Brunsbergae  MDCCCLXV.  und  zur  altpr. 
Mythologie  u.  Sittengeschichte.  Altpr.  Monatsschr.  II,  577—603,  IV,  1—27,  97—135. 
Dr.  Wüliam  Pierson,  Electron     Berlin,  W.  Peiser  1869. 

")  Jacobson,  Geschichte  der  Quellen  des  katholischen  Kirchenrechts  S.  131. 

»)  Krek  S.  105. 

I6)  Vergleiche  Töppens  etw.  abweichende  Ansicht  in  Nf  Pr.  Prov.-Bl.  I,  S.  343. 


von  Adolf  Bogge.  267 

bringt,  widerlegt  dagegen  durch  das  Zeugniss  Adams  von  Bremen: 
„Gold  und  Silber  achten  sie  äusserst  gering11. ") 

Für  uns  hätten  diese  Worte  nur  Bedeutung,  wenn  sich  nachweisen 
Hesse,  dass  Canaparius  bei  denselben  bestimmte  Gottheiten  im  Sinne 
gehabt,  doch  mögen  wir  uns  vorläufig  in  unfruchtbare  Yermuthungen 
hierüber  nicht  ergehen. 

Individualisirt  wurde  der  Erdendienst  in  zahlreichen  Theomorphosen, 
welche  nicht  so  erhaben  waren,  wie  diejenigen,  welche  sich  aus  dem 
Himmelsdienst  entwickelten,  dafür  aber  um  so  unmittelbarer  eingriffen 
in  das  häusliche  und  gewerbliche  Leben  des  Volkes.  Der  Erde  ent- 
stiegen jene  neckischen,  kleinen  Gottheiten,  in  denen  wir  eine  Erinnerung 
an  die  Urbewohner  des  Landes,  die  kleinen  und  zufriedenen  Lappen 
sehen.  Die  ältesten  Götter  dieser  Art  möchten  wir  in  den  Semepacii 
oder  Zemopacii  finden,  welche  der  litthauische  Katechismus  (1547)  und 
der  Pole  Johann  Lasicz  (1574)  erwähnen.  Schon  ihr  Name  beglaubigt 
dieselben  als  Erdgötter  der  ältesten  Art. 

Abarten  von  ihnen  waren  die  Barstucken  (Bartmännlein)  oder 
Markopeten,  welche  noch  im  sechszehnten  Jahrhundert  in  Pommerellen 
wie  im  Samland  so  gern  gesehene  Gäste  und  Wohlthäter  in  den  Hütten 
der  Armen  waren.  ")  Abends  setzte  man  ihnen  gedeckte  und  wohlbe- 
setzte Tische  in  die  Scheunen  und  freute  sich,  wenn  sie  am  Morgen 
die  aufgetragenen  Speisen  verzehrt  hatten,  denn  das  bedeutete  Glück 
im  Hausstande,  das  GegentheU  Unglück. 

Diese  Erdmännchen  standen  unter  dem  Waldgotte  Puszkaitus 
(Fichtenstrahl,  Fichtengeist?),  der  unter  den  für  heilig  gehaltenen  Hol- 
lunderbäumen  wohnte  und  dort  Bier  und  Brotopfer  empfing, ")  damit 
seine  Barstucken  tieissig  Getreide  in  die  Scheunen  schleppten  und  das- 
selbe behüteten.  Auch  sollte  er  dafür  auf  Markopolus,  den  Gott  der 
Edelleute  und  Herrn  einwirken,  damit  die  Frohnen  der  armen  Leute 
gemildert  würden. I9) 

Wieder  eine  andere  Klasse  von  Erdmännlein  bilden  die  Coltki,  kleine 

")  Scr.  rer.  Pr.  I,  239. 

")  So  erzählt  Hartknoch.    Das  alte  Prenssen  S.  163  nach  Muriniug. 

»)  Waissel  Pol.  20.  6.      !9)  Meletius,  Acta  Bor.  II,  401—412. 


268  Urpreussen 

Hauskobolde  in  den  Winkeln  und  unter  den  Holzhaufen,  welche  Holz- 
stücke ins  Haus  schleppen  und  die  Milchgelten  mit  Viehdünger  be- 
sudeln. Werfen  die  Hausbewohner  ihre  Holzhaufen  nicht  auseinander 
und  gemessen  die  besudelte  Milch,  so  fühlen  sich  die  Kobolde  gemüthlich 
im  Hause  und  bleiben  in  demselben.20) 

Derartige  Sagen  können  in  christlichen  Zeiten  verändert,  aber 
schwerlich  noch  erfunden  werden.  Um  ihrer  kindlichen  Naivetät  willen 
gehen  dieselben  auch  schwerlich  verloren,  sondern  bleiben  die  Lieblinge 
des  Volks,  der  Dichter  und  Kinder. 

Auch  in  der  Verehrung  der  Thiere,  Pflanzen,  Gewässer  und  Steine 
zersplitterte  sich  der  Erdendienst  und  gewann  einen  unermesslichen 
Umfang  und  ins  Unendliche  verschwimmenden  Inhalt. 

Unter  den  Gethieren  der  Erde  wird  besonders  die  Schlange  gehegt. 
Zeugnisse  für  den  Schlangendienst  bei  den  Esten  bringt  zuerst  Adam 
von  Bremen,  bei  den  Litthauern  Aeneas  Sylvius,  jedoch  mit  sagenhaftem 
Beigeschmack 21)  und  Johann  Meletius.  Nach  Letzterem  *')  werden  hinter 
dem  Ofen,  in  der  Nähe  der  Stelle  wo  der  Tisch  steht,  bei  den  Lit- 
thauern und  Zameiten  Schlangen  gehegt  und  als  Gottheiten  verehrt. 
Einmal  zu  einer  bestimmten  Zeit  im  Jahre  locken  die  Opfermänner 
dieselben  durch  Bitten  an  den  Tisch.  Nun  kriechen  die  Hausschlangen 
über  ein  weisses  Tischtuch  auf  die  Platte,  kosten  einige  Speisen  und 
ziehen  sich  wieder  in  ihr  Loch  zurück.  Glücklich  verzehren  dann  die 
Menschen  die  von  der  Schlange  beleckten  Gerichte  in  freudiger  Hoff- 
nung auf  ein  gutes  Jahr;  traurig  sind  sie,  wenn  die  Schlange  nicht 
hervorgekommen  ist  oder  die  Speisen  verschmäht  hat.  Es  ist  somit 
kein  Grund  an  ähnlichen  Bräuchen  unter  den  Preussen  zu  zweifeln, 
wenn  dieselben  auch  nur  durch  Simon  Grünau  und  Lucas  David  ver- 
bürgt sind.") 

Beim  Mangel  an  näheren  Nachrichten  müssen  wir  uns  in  Bezug 
auf  den  Thierdienst  mit  der  Bemerkung  Dusburgs")  begnügen,   die 


*»)  ibidem.      ")  Scr.  rer.  Pr.  IV,  238.      ")  Acta  Bor.  II,  407. 
")  TöppeD,  1.  c.  II,  8.  335. 

")  DI,  5.  Scr.  rer.  Pr.  I,  53.   Dieses  Kapitel  erhält  fast  Alles  über  den  Götzen- 
dienst von  Du8burg  Berichtete,  weshalb  wir  dasselbe  nicht  weiter  anfahren. 


von  Adolf  Kogge.  269 

Preussen  hätten  Vögel  und  auch  vierfüssige  Thiere  bis  zur  Kröte  herab 
angebetet.  Wahrscheinlich  beschränkte  sich  jedoch  die  Verehrung  der- 
selben darauf,  dass  sie  in  heiligen  Wäldern  und  Seen  nicht  getödtet 
werden  durften.*8) 

Bei  allen  Völkern  der  indogermanischen  Rage  gilt  der  Wald  in 
seiner  charactervollen  Schönheit  für  den  erhabensten  Tempel  der  Natur. 
Götterstimmen  flüstern  durch  das  geheimnissvolle  Bauschen  seiner 
Zweige  und  characteristisch  ausgeprägte  Baumgestalten  weiht  der 
fromme  Glaube  des  Volks  zu  Göttersitzen.  Wie  das  Haus  die  Burg 
der  Familie,  so  ist  der  Wald  das  Schirmdach  des  ganzen  Volkes,  die 
geheiligte  Stätte  seiner  Opfer  und  Feste,  bietet  er  zugleich  gastfreund- 
lich den  grünen  Basen  für  seine  ernsten  Berathungen  und  fröhlichen 
Gelage  und  wird  oft  genug  der  blutgetränkte  Boden  seiner  Kämpfe,  für 
Manchen  das  Grab  und  die  Vorhalle  der  Ewigkeit.  Noch  heute  kann 
sich  der  gemeine  Mann  nur  schwer  in  den  Gedanken  finden,  dass  der 
Wald,  den  Gott  in  ganz  besonderem  Sinne  wachsen  lässt,  nicht  ge- 
meinsames Eigenthum  sei.  „Alles",  sagt  Adam  von  Bremen,16)  nach- 
dem er  die  menschenfreundlichen,  blauäugigen,  rothwangigen  und  gold- 
haarigen Semben  oder  Preussen  geschildert,  die  sich  so  liebevoll  der 
schiffbrüchigen  oder  von  Seeräubern  bedrohten  Fremdlinge  annehmen, 
„Alles  mögen  sie  mit  uns  theilen,  nur  bis  auf  den  heutigen  Tag  ist 
der  Zutritt  zu  ihren  heiligen  Hainen  und  Quellen  verwehrt,  für  befleckt 
halten  sie  dieselben,  wenn  die  Füsse  der  Christen  sie  betreten, ,T)  und 
fast  dreihundert  Jahre  danach  sagt  noch  Peter  Dusburg  vielleicht  im 
Hinblick  auf  dieses  Wort :  Sie  hatten  auch  heilige  Haine,  die  sie  nicht 
zu  betreten,  Felder,  die  sie  nicht  zu  bebauen  wagten,  Gewässer,  in 
denen  sie  nicht  fischen  durften. 

Fast  durch  das  ganze  Samland  zog  sich  ein  heiliger  Hain.  *•)  Bei 
den  Dörfern  Piauten  und  Seefeld  im  Ermlande,  bei  Christburg,  Schippen- 
beil und  an  mehreren  andern  Orten  werden  heilige  Wälder  erwähnt. ") 


")  Hartlmoch  I,  164.      **)  Scr.  rer.  Prf  I,  239. 

%r)  Accessu  christianoram. 

■•)  Voigt,  Gesch.  I,  506,  597,  640.    cfr.  Toppen,  Geographie  24, 

*•)  Voigt,  Gesch.  I,  697. 


270  tfrprenssen 

Der  Baumdienst  war  bei  den  Slaven  in  hohem  Grade  ausgebildet. 
Aus  der  Baumhöhle  blickte  nach  ihrer  Ansicht  entweder  das  Käuzchen, 
oder  die  Eule  oder  der  Teufel  heraus.80)  Auch  bei  den  Preussen 
scheinen  die  Bäume  die  Sitze  der  Dämonen,  wie  der  Genien  gewesen 
zu  sein.  Wie  bei  den  Kelten  und  Germanen  nahm  die  Eiche  den 
höchsten  Bang  ein.  Der  Baum  des  Wodan  war  auch  der  Baum  des 
Perkunos.  Weiber  zogen  in  den  Höhlungen  der  Eiche  Schlangen  auf 
und  erflehten  von  denselben  zu  bestimmten  Zeiten  Kraft  und  Frucht- 
barkeit für  ihre  Männer. ai)  Ausser  der  heiligen  Eiche  zu  Romowe 
werden  derartige  Bäume  bei  Heiligenbeil,  Oppen,  vorzüglich  aber  in 
Litthauen  erwähnt.  '*)  Auch  die  nächst  der  Eiche  in  Sang  und  Dich- 
tung wohl  am  meisten  gefeierte  Linde  fand  hie  und  da  ihre  Verehrer. 
Nach  Hennenberger M)  war  zu  seiner  Zeit  eine  solche  in  Schakuniken 
am  Russfluss  noch  ein  beliebtes  Wallfahrtsziel. 

Den  Hollunderbaum  erwähnten  wir  schon  als  Sitz  des  Puszkaitus. ") 

Es  fehlte  auch  nicht  an  heiligen  Feldern,  Seeen,  Flüssen  und 
Steinen.  Letztere  trugen,  zumal  wenn  sie  als  Grenzmarken  benutzt 
wurden,  wohl  auch  besondere  Namen.  Ein  heiliger  Stein  am  frischen 
Haff  wurde  zum  Gotte  Curche  in  Beziehung  gesetzt. 

Deutlicher  als  der  Hertha*  oder  Erden-Dienst  ist  der  Eber-  oder 
Himmels-Dienst  in  den  uns  erhaltenen  Ueberlieferungen  ausgeprägt. 

Drittehalb  Jahrhunderte  müssen  wir  warten,  bis  uns  eins  jener 
Idole;  von  denen  Canaparius  und  Brun  redeten,  endlich  gezeigt  wird. 
In  dem  Friedensvertrage  vom  7.  Februar  1249  versprachen  die  Pome- 
sanier,  Ermländer  und  Natanger  dem  Götzenbilde,  welches  dieselben 
einmal  im  Jahre  aus  gesammelten  Früchten  zusammen  zu  stellen  und 
wie  einen  Gott  zu  ehren  pflegten  unter  dem  Namen  Curche,  sowie 
andern  Göttern,  welche  nicht  Himmel  und  Erde  gemacht,  dieselben 
mögen  heissen  wie  sie  wollen,  keine  Trankopfer  mehr  darzubringen. *) 


>•)  Krek  S.  285. 

")  Lac.  David  I,  150.  Grünau,  hrsg.  t.  Perlbach  S.  89.   Toppen  i.  c.  II,  335. 

")  Hartknoch  I,  117  ff.    Toppen  1.  c.  H,  341  ff. 

")  Alt.  Preussen  Fol.  12,  2. 

")  Voigt,  Gesch.  I,  597.    In  Mittelfranken  heilt  der  Hollander  die  Gicht. 

»)  Mon.  Warm.  I,  32. 


tob  Adolf  Rogge.  271 

Fassen  wir  zuerst  den  Namen  des  Götzen  ins  Auge,  so  klang 
derselbe  im  Volksmunde,  welcher  die  lebendige  Ueberlieferung  desselben 
bis  ins  sechszehnte  Jahrhundert  vermittelte,  anders  als  in  der  Urkunde. 
Simon  Grünau  schreibt  Curcho, 3G)  ausserdem  finden  sich  die  Formen 
Kurko, 37)  Gurcho 3g)  und  Gorcho. M)  Obschon  Simon  Grünau  mit  grosser 
Sicherheit  behauptet,  die  Preussen  hätten  diesen  Gott  von  den  Masuren 
genommen,  so  scheint  uns  doch  schon,  der  Name  einen  andern  Ursprung 
anzudeuten.  Die  Wurzel  desselben  ist  offenbar  in  der  ersten  Sylbe 
„Cur"  oder  »Gor*  zu  suchen.  Nun  war  nachweislich  schon  im  sechsten 
Jahrhundert  die  gothische  Bezeichnung  für  den  Eber  „ibrs",  althoch- 
deutsch „eparg,  in  die  Form  „Jörn"  (altnord.  biörn)  übergegangen.  So 
heisst  der  bekannte  Gothenschriftsteller  Jornandes,  eigentlich  Eparnand, 
Jornans  d.h.  Eberkühn.'0)  DieEndsylbe  mögen  die  Slaven  dem  Worte 
angehängt  haben,  wenn  dieselbe  nicht  vielleicht  eine  Diminutivform  be- 
zeichnen soll.  Dasselbe  Wort  mit  einer  andern  Endsylbe  findet  sich 
noch  heute  bei  den  Slovenen.  Suetikurent,  d.  h.  die  h.  Kurent,  nennen 
dieselben  noch  jetzt  die  Fastnacht,  nach  dem  Götzen  Kurent,  einem 
dämonischen  Wesen  und  lustigen  Gesellen,  der  niemals  ohne  Geige 
(gusle)  und  Flöte  (pisäla),  jedes  lebende  Wesen  zum  Tanze  hinreisst. 
Reich  an  losen  Schwänken  ist  seine  Erdenwanderung,  aber  auch  reich 
an  Wohlthaten  und  Liebesbeweisen  gegen  die  Armen.  Er  ist  der  Gott 
harmloser  Freude,  Frohsinn,  Herzensgüte,  und  Segen  heften  sich  an 
seine  Fersen.  *!) 

Schon  der  blosse  Klang  des  preussischen  Götzennamens  erinnert 
an  die  Stimme  des  Ebers,  der  freilich  seit  Tacitus  mancherlei  Wand- 
lungen erfahren  haben  mag.  Curche  war  der  freundliche  Geber  der 
Nahrung,  der  Gott  der  Speise,  derselbe,  welchen  uns  Canaparius  als 
Bauchgott,  die  preussischen  Bischöfe  aber  unter  dem  Namen  Pilyitus 
vorstellen,  kurz  der  Gott  der  Freude  und  des  Genusses.  Wenn  der  Eber 


")  Ausg.  f.  Perlbach  S.  96. 
")  Lac.  David  I,  82.    Voigt,  Gesch.  I,  688  Anm.  2. 

")  Schütz.    **)  Hennenborger.  —  Bezzenberger  stellt  den  Namen  Curche  mit 
Ibaric,  Iberico  zusammen.    Altpr.  Monateschr.  XIII,  434. 

40)  Gebr.  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch.    Leipzig  1862.    III,  Spalte  17. 
4i)  ,Die  Slowenen«  von  Dr.  Klan,    Ausland  1879*  No,  20.  S.  470  ff, 


272  ürprensseti 

nach  germanischer  Anschauung  vielfach  schreckenerregende  Himmels- 
erscheinungen, wie  Donner  und  Blitz  oder  den  Sturmwind  darstellt,  so 
liegt  darin  nichts  unserer  Auffassung  Widersprechendes.  Donner  und 
Blitze  zählten  die  Slaven  zu  den  heitern  Gottheiten.  Dieselben  befreiten 
die  Sonne  aus  den  Banden  dunkler  Gewölke,  indem  sie  diesen  den  be- 
fruchtenden Regen  entrissen. ")  So  konnte  sich  das  Sinnbild  des  Donners 
und  Blitzes  umwandeln  in  ein  Zeichen  der  Freude. 

Mag  der  Curchedienst  immerhin  im  Laufe  der  Jahrhunderte  abge- 
schwächt, hie  und  da  in  christliche  Formen  gekleidet  und  seiner  ur- 
sprünglichen Bedeutung  nach,  dem  Yolksbewusstsein  abhanden  gekommen 
sein,  die  Ueberlieferungen  späterer  Zeiten,  ja  die  heutige  germanische 
und  slavische  Sitte  werfen  noch  genug  Streiflichter  über  denselben  hin, 
um  seinen  Ursprung  erkennen  zu  lassen.  Zwar  in  knappen  Worten, 
aber  deutlich  genug,  lässt  die  Urkunde  von  1249  das  Curchefest  als 
ein  Erntefest  erscheinen.  Bei  den  Erntefesten  des  Volks  pflegt  die 
letzte  Garbe,  die  eingebracht  wird,  von  besonderer  Bedeutung  zu  sein. 
Schon  vor  der  Ernte  beobachtet  der  Landmann  eifrig  die  wallenden 
Aehren.  „Der  Eber  geht  im  Korn",  sagt  er  dann;  in  der  Wetterau 
und  in  Schwaben  warnt  er  die  Kinder  vor  der  „wilden  Windsau"  im 
Korn.  Ja,  der  Wirbelwind  ist  ihm  sogar  zum  Teufel  in  Ebergestalt 
geworden,  dem  er  ein  ander  Mal  wieder  nur  den  Schweineschwanz  an- 
heftet und  diesen  zum  Sinnbild  des  Wirbelwindes  macht,  „der  Sau- 
schwanz, Süstert  oder  Sauwedel  fahrt!"  Der  Eber  hat  seine  eigentliche 
Wohnung  im  Korn.  In  der  letzten  Garbe  wird  man  seiner  theilhaftig. 
Darum  sucht  jeder  schwäbische  Schnitter  sich  derselben  zu  versichern 
und  sobald  es  ihm  gelingt,  sehreien  die  jubelnden  Mitarbeiter:  „Du 
hast  die  Kornsau!"  In  Baiern  wird  dieselbe  erst  beim  letzten  Schlag 
auf  die  Tenne  gepackt;  wer  denselben  thut,  hat  den  Saufud  oder  die 
Lös,  d.  h.  das  Mutterschwein.  Ihm  steht  es  zu,  die  Lös  zu  vertragen, 
d.  h.  das  Bild  in  Gestalt  eines  Schweines  aus  Stroh  geflochten  unter 
dem  Jubel  der  Jugend  durchs  Dorf  zu  führen  und  schliesslich  den 
Dreschern  des  Nachbardorfs  in  die  Scheune  zu  werfen.43) 


")  Krek  S.  100.    ")  Nach  Bodin. 


von  Adolf  Rogge*  273 

Wir  erwähnen  dieser  Gebräuche,  welche  so  deutlich  an  den  Eber 
des  Tacitus  erinnern  und  sich  im  Preussenvolke  sicher  eben  so  wie  im 
Deutschen  erhalten  hatten.  Das,  wenn  auch  schon  sehr  abgeblasste 
Bild,  welches  Meletius  und  andere  Schriftsteller  des  16.  Jahrhunderts 
von  den  preussischen  Erntegebräuchen  entworfen,  lässt  noch  immer  ver- 
wandte Züge  erkennen.  Die  Saaten  sind  reif,  die  Landleute  eilen  zu 
den  Feldern.  Ein  Opfer  wird  dargebracht,  das  Zaczinek,  welches  Wort 
der  russischen  Sprache  angehören  soll  und  Ernteanfang  bedeutet.  Dann 
haut  ein  hiezu  erwählter  Schnitter  das  Feld  an  und  trägt  die  erste 
Garbe  heim.    Nun  beginnt  die  fröhliche  Erntearbeit. 

Leef  sind  die  Felder  und  wiederum  eilt  man  zum  Opfer.  Uczinek 
d.  h.  „Ende  der  Ernte*  wird  dasselbe  genannt.  Das  Volk  sammelt 
sich  in  der  Scheune.  Ein  Tisch  mit  Heu  und  Brot  belegt,  an  jedem 
Ende  mit  einer  Schale  Bier  besetzt,  wird  in  die  Mitte  gestellt.  Bei 
den  Sudauern  wird  ein  Bock  herangebracht,  bei  andern  Stämmen  führt 
der  Wurskaite,  das  Opferpriesterlein,  wie  ihn  Meletius  nennt,  verschiedene 
Thiere  beiderlei  Geschlechts  in  den  Baum,  voran  den  Eber  mit  der  Sau, 
dann  Schafe,  Ziegen,  Kälber,  Hühner  und  Gänse  beiderlei  Geschlechts. 

Ueber  das  Opfervieh  spricht  der  Opfermann  ein  Gebet.  Dem  Bock 
werden,  ähnlich  wie  dem  Sühneber  im  Norden,  die  Hände  aufgelegt,  bei 
den  Sudauern  unter  Anrufung  verschiedener  Götter.  Dem  Vieh,  das 
geopfert  werden  soll,  wird  nun  der  Eopf  abgeschlagen.  Hie  und  da 
thut  der  Opfermann  auch  noch  einige  Schläge  auf  Füsse  und  Glieder, 
das  Volk  aber  läuft  herzu,  schlägt  das  getödtete  Vieh  von  allen  Seiten 
und  ruft  dabei:  «Dieses  opfern  wir  dir,  o  Gott  Ziemiennik  und  sagen 
dir  Dank,  dass  du  uns  dieses  verwichene  Jahr  gesund  erhalten  und 
Alles  reichlich  gegeben,  wir  bitten  dich,  dass  du  auch  hinfttro  dieses 
thun  mögest. 

Der  russische  Gott  Ziemiennik,  zu  deutsch  Erdengott  oder  Gott 
der  Landleute,  ist  der  alte  Bauchgott,  der  Curche,  Pilvitus,  und  taucht 
wohl  in  neuer  Gestalt  auf  im  litthauischen  Pergubrins,  dem  Gott  des 
Frühlings,  bei  dem  man  ursprünglich  an  den  befruchtenden  Frühlings- 
wind gedacht  haben  mag.  Der  Hymnus,  der  dem  Ziemiennik  gesungen 
wird,  ist  wahrscheinlich  ein  ähnlicher  wie  der,  welchen  Meletius  an- 

A-ltpr.  MonatMehrift  Bd.  XIV.  Hft.  3  u.  4.  18 


274  Urpreuisen 

stimmen  lässt,  nur  wird  bei  diesem  der  getödtete  Bock  nicht  geschlagen, 
sondern  von  allen  Versammelten  in  die  Höhe  gehoben.  Vom  Opfer 
des  Ziemiennik  schnitt  der  Priester  einige  Stückchen  ab  und  warf  sie 
in  die  Winkel  des  Hauses  mit  den  Worten:  „Nimm  o  Ziemiennik  dies 
Opfer  wohl  auf  und  iss  dasselbe  mit  Freuden.11  Der  Opfermann  des 
Meletius  hält  noch  eine  erbauliche  Anrede  an  das  Volk  und  ermahnt 
dasselbe,  das  von  den  Vorfahren  überkommene  Opfer  ehrerbietig  zu 
begehen  und  auf  die  Nachkommen  zu  vererben.  Das  Opferblut  fängt 
er  in  einer  Schale  auf  und  spritzt  es  umher,  das  Fleisch  übergiebt  er 
den  Weibern  zum  Braten.  Während  dieses  über  dem  Feuer  ist,  machen 
die  Frauen  Kuchen  aus  Weizenmehl.  Diese  werden  nicht  im  Ofen  ge- 
backen, sondern  die  Männer  werfen  dieselben  unablässig  durchs  Feuer, 
bis  dieselben  gar  sind.  Dann  folgt  ein  wildes  Gelage,  am  andern 
Morgen  aber  vergräbt  man  die  Speisereste  ausserhalb  des  Dorfes,  um 
dieselben  nicht  zur  Beute  der  Thiere  werden  zu  lassen. 

Wir  bemerken,  dass  sich  die  Bocksopfer  aus  der  nordischen  Thor- 
mythe erklären,  aus  der  vielleicht  einzelne  Züge,  mit  der  Ebersage  ver- 
schmolzen, im  Perkunsdienst  ihre  weitere  Ausbildung  fanden.  Auf  diesen 
mag  sich  auch  das  eigenthümliche  Kosten  der  Kuchen  beziehen,  denn 
bei  den  Slaven  war  das  Heerdfeuer  nichts  als  eine  Darstellung  des ' 
himmlischen  Feuers.44) 

Auf  den  Götzen  Gurche,  der  nach  Simon  Grünau  auch  als  Opfer- 
stätte einen  Stein  im  Hockerlande  am  Haff  gehabt  haben  soll,  auf  dem 
jeder  Fischer  den  ersten  in  seinem  Garne  gefangenen  Fisch  verbrannte, 
weisen  noch  heute  die  Namen  zahlreicher  Ortschaften  hin,45)  unter 
denen  bisher  merkwürdiger  Weise  Jurkendorf  bei  Heiligenbeil  übersehen 
ist,  obwohl  Simon  Grünau48)  und  Lucas. David47)  den  Gurchedienst  in 
diese  Gegend  verlegen.  Jedenfalls  scheint  das,  in  der  Urkunde  von  1249 
dargestellte,  Götzenbild  mehr  für  den  Hausgottesdienst,  als  für  die 
öffentliche  Verehrung  eingerichtet  gewesen  zu  sein. 

Hatte  sich  eine  ideale  Gestalt  dieses  Götzen  in  der  Phantasie  des 


")  Simrocks  Edda  256.    Krek  197. 

46)  Voigt,  Gesch.  I,  590,  Anm.  2. 

")  8.  96.     47)  I,  8.  83.    Hartknoch  I,  8. 189. 


von  Adolf  Rogge.  275 

Volkes  ausgebildet,  so  ist  dieselbe,  unserer  unmassgeblichen  Meinung 
nach,  in  dem  gleichfalls  urkundlich  bezeugten,  1418  Natrimpe,  1551 
Antrimpos,  gewöhnlich  nach  Grünau  Potrimpos  genannten,  Götzen  zu 
finden.  Er  wird  der  Gott  der  Flüsse  und  Quellen,  in  der  Form  Antrimpos, 
auch  der  Gott  des  Meeres  genannt,  vielleicht  um  der  schon  erwähnten 
Fischopfer  willen.  Indessen  schon  die,  ihm  von  Lucas  David  gegebene, 
Ausstattung  steht  im  Widerspruch  zu  seinem  Berufe  als  Wassergott, 
den  ihm  zuerst  Caspar  Schütz  *•)  aus  Sehnsucht  nach  einem  preussischen 
Neptun  gegeben.  Was  soll  der  Wassergott  mit  den  Sangein?  Wozu 
die  Opfer  von  Weihrauch  und  Wachs  ?  Potrimpos  scheint  ganz  andere 
Feuchtigkeiten  als  das  klare  Element  des  Wassers  geliebt  zu  haben. 
„Trimpus  war  der  heidnischen  Letten  Bacchus  oder  Saufgott* 49)  und 
Potrimpos  wird  schwerlich  eine  andere  Kolle  bei  den  alten  Preussen 
gespielt  haben. 

Sollte  irgend  welches  Gewicht  auf  die  sonst  unverfängliche  Aeusse- 
rung  Grünaus  zu  legen  sein:  „ dieser  (Potrimpos)  war  ein  Gott  des 
gluckis  in  streiten  und  sust  in  andern  Sachen* 80)  so  sähen  wir  in 
Potrimpos  die  von  Tacitus  hervorgehobene  Schutz-  und  Trutzmacht 
des  Ebers  verkörpert  und  die  ihm  heilige  Schlange  könnte  neben 
dem  Sinnbild  der  Fruchtbarkeit  ein  Bild  des  züngelnden  Blitzes  be- 
deuten. An  Wahrscheinlichkeit  würde  diese  Auffassung  gewinnen,  wenn 
man  ihm  thatsächlich  Kinderopfer  dargebracht  hätte. 

Es  ist  um  so  weniger  anzunehmen,  dass  Potrimpos  der  Gott  der 
Gewässer  gewesen,  als,  wenn  auch  erst  in  der  Agende  der  preussischen 
Bischöfe  und  bei  Joh.  Meletius,  ein  besonderer  Schiffergott  genannt 
wird.  Die  erste  Quelle  nennt  denselben  Bardoaits,  die  spätere  Gardoetes. 
Der  Name  ist  zuletzt  von  Aeta,  schimmernd,  und  garda,  d.  i.  aedificatio, 
aedes,  castrum,61)  abgeleitet  worden.    Der  Götze  würde  danach  eine 


")  Fol  2,  6. 

")  So  Stander,  lettische  Grammatik.  Mietau  1783.  Aufl.  2.  S.  260.  In  Betreff 
der  Ableitung  von  Uehrums  »Feld*  und  pnsz  »halb*  theilen  wir  Töppens  gerechte 
Bedenken  (N.  Pr.  Prov.-Bl.  II.  1846.  S.  472),  doch  dürfte,  wie  ea  wohl  öfter  vor- 
kommt, die  falsche  Ableitung  einer  wahren  Thatsache,  der  sie  sich  anpassen  wollte, 
ihre  Entstehung  verdanken.    60)  S.  95. 

")  Bezzenberger,  Altpr.  Mtsschr.  XIII,  S.  412  n.  415  b. 

18* 


276  Urpreussen 

Personification  des  leuchtenden  Himmelzelts  sein,  dessen  Gestirne  die 
Fahrt  des  Schiffers  bestimmen,  ziemlich  gleichbedeutend  mit  dem  später 
zu  erwähnenden  Swarogu.  Dieselbe  Bedeutung  würde  indessen  der 
Götze  auch  nach  einer  andern  Ableitung  seines  Namens  haben  die  wir, 
weil  sie  uns  naturgemäss  erscheint,  der  Prüfung  nicht  vorenthalten  mögen. 
Im  deutschen  Wörterbuch  der  Gebrüder  Grimm  ")  wird  im  Artikel 
„Eber"  u.  a.  Folgendes  gesagt:  „Voc.  Theut.  1482  f.  5b  erklärt:  eber, 
ein  Herr  unter  den  Schweinen,  aper,  verres.  Wir  ziehen  eber  wesent- 
lich auf  das  Wildschwein  und  haben  für  verres  ein  anderes  Wort  bßr, 
angelsächsisch  bar,  engl,  boar,  dem  goth.  bais  gleichstehen  würde, 
doch  vertreten  sich  beide  Ausdrücke  und  die  Adjectiva  zahm  oder  wild 
gereichen  zu  näherer  Bestimmung." 

Im  Lande  des  Eberdienstes  dürfte  man  berechtigt  sein,  für  die 
Ableitung  der  Namen  Bardoaits  oder  Gardoetes  eine  dieser  Formen 
heranzuziehen.  Das  Wort  würde  dann  etwa  die  Bedeutung  haben 
„der  leuchtende  Eber",  der  im  Sternenglanze  dem  Schiffer  den  Weg  weist, 
Curche  als  Schiffergott. 

Die  bisher  genannten  Götter  scheinen  uns  solche  zu  sein,  welche 
im  nordischen  Alterthum  ihre  Wiege  haben,  aber  von  den  Slaven  gross- 
gezogen sind.  Stellen  wir  dieselben  noch  einmal  kurz  ihrem  Wesen 
nach  zusammen,  so  erkennen  wir  als  Erdgottheiten:  Puscaetus,  den 
Waldgott,  wohl  im  Gegensatz  zu  Marccopolus,  dem  Gott  der  Magnaten 
und  Edelleute,  also  des  angebauten  Landes  und  befestigten  Besitzes. 
Die  Gegensätze  von  Natur  und  Gultur  scheinen  in  diesen  Gottheiten 
verkörpert  zu  sein;  ferner  die  Barstuken,  die  Meletius  Erdmännlein 
nennt  und  die  man  sich  wie  die  Zwerge  in  deutschen  Sagen  mit  langem 
Bart  dachte,  die  Markopeten  und  Kobolde,  kurz  die  kleinen  Götter  des 
kleinen  Mannes. 

Als  Himmelsgottheiten :  Curche,  den  Korneber,  die  Darstellung  des 
befruchtenden  Windes,  dessen  .schöpferische  Kraft  im  Frühlingsgott 
Pergubrios  sich  malt,  dessen  Erfolge  in  der  Gestalt  des  Potrimpos  an 
den  Tag  kommen,  in  dem  Curche  gewissermassen  seine  Verklärung  feiert, 


")  Bd.  III,  Sp.  17. 


von  Adolf  Rogge.  277 

um  dann  wieder  bei  den  Erntefesten  herabzusinken  zum  Bauchgötzen 
Pilvitus,  der  zugleich  als  Heerdengott  für  die  nöthige  Nahrung  sorgt. 
Als  solchem  war  ihm  wahrscheinlich  der  Bock  geheiligt,  eben  so  wie 
Donar,  dem  Gott  des  Donners  und  Blitzes  wie  der  Heerden  und  des 
Heerdes,  der  Fleisch  und  Korn  gab,  die  rothe  Farbe  und  der  Ziegen- 
bock geweiht  war,  welche  später  der  Teufel  von  ihm  geerbt  hat.*3) 
In  Bardoaits  steigt  der  Eber,  wie  sein  Ahn  Gullinbursti,  an  den  Himmel 
und  erhellt  dem  Schiffer  mit  seinem  leuchtenden  Fell  die  Nacht 

Ehe  wir  von  dieser  Göttergruppe  Abschied  nehmen,  müssen  wir 
noch  des  Opfermannes  gedenken,  der  sich  bei  den  Erntefesten  so  thätig 
in  ihrem  Dienste  erwies.  Meletius  nennt  denselben  Vurschaite.  Der 
Name  scheint  uns  aus  dem  Slavischen  erklärbar.  In  diesem  schlug  das 
römische  p  und  deutsche  b  in  v  um.  Der  Eber  heisst  in  slavischer 
Sprache  vepr,  poln.  wieprz,  daraus  scheint  das  preussische  „vurs*  ent- 
standen zu  sein.  Vurskaite  wird  also  nichts  anderes  bezeichnen,  als 
Einen,  der  Eberopfer  darbringt.  Ursprünglich  mag  das  Wort,  lediglich 
eine  andere  Form  für  Bardoaits,  Eberstrahl  bedeuten  und  auf  den  Blitz 
gegangen  sein,  den  man  mit  dem  leuchtenden  Eberzahn  verglich.  Hat 
es  einen  Gott  dieses  Namens  gegeben,  wie  Grünau,  der  noch  die  mehr 
ans  Altgermanische  anklingende  Form  Borsskayto  kennt,  behauptet,  so 
war  dieser  Niemand  anders  als  Curche,  ähnlich  wie  Pilvitus  als  Heerden- 
gott gedacht. 

Alle  Götternamen  deuten  somit  auf  eine  Ureinheit  hin,  die  wir  im 
Eber  des  Tacitus  finden.  Dass  Vurskaito  der  vergötterte  Bruteno  und 
„sein  Bruder*  M)  Szwaybrotto  der  zu  den  Göttern  erhobene  Witowuto 
gewesen,  halten  wir  für  eine  Grunausche  Erfindung,  von  der  man  seit 
Hartknoch  nicht  mehr  hätte  reden  sollen,  um  die  Geschichte  endlich 
von  diesem  Ballast  zu  befreien. 

Wir  haben  jetzt  die  Gottheiten  zu  betrachten,  deren  Ursprung  wir 
im  slavischen  Alterthume  zu  finden  glauben. 

Wenn  Bertha,  die  riesengrosse   altgermanische  Göttin  auf  dem 


•*)  Felix  Dahns  Vortrag  über  altgermanisches  Heidenthum  in  der  christlichen 
Teufelssage  am  28.  Febr.  1876  nach  dem  Referat  der  Ostpreussischen  Zeitung. 

")  So  übersetzt  Mannhardt  Szwaybrotto.    Sim.  Grünau  hrsg.  v.  Perlbach  S.  79. 


278  Urpreossen 

sandigen  Boden  der  Mark,  wo  Germanen-  und  Wendenthum  sich  be- 
gegneten, mit  ihrer  Wildschweinheerde  an  den  Jägern  vorübersaust  wie 
der  Wind,  treibt  sie  dieselbe  mit  Eichbäumen  an  und  lockt  sie  mit 
dem  Rufe:  Pickel!  Pickel!  So  sieht  Wuotan  aus  im  slavischen  Rock, 
der  wilde  Jäger,  der  alles  Leben  vernichtet.  Wir  haben  hier  offenbar 
den  preussischen  Teufel  Pikuls  vor  uns,  der  als  Götze  Pacullus  (1418) 
Patollo  bei  Simon  Grünau,  Pecols  und  Pocols  (1530)  Poclus  und  Pa- 
collus  (1551)  heisst.  Man  hält  ihn  für  den  Gott  des  Todes,  der  Hölle 
und  Finsterniss.  Ob  er,  ehe  man  ihn  zum  Teufel  in  Ermangelung  einer 
bessern  Bezeichnung  ernannte,  wirklich  als  Person  gedacht  sei,  dafür 
fehlen  streng  geschichtliche  Beweise.  Bei  den  Slaven  der  Urzeit  ist 
der  Gott  Picollos  nicht  nachzuweisen,  desto  deutlicher  aber  der  Ort, 
wo  er  herstammen  müsste.  „Piklü*  ist  in  den  Gewitterwolken  die  Stätte 
des  himmlischen  Feuers   und   der  Aufenthalt   der  Ausgestossenen. ") 

Wie  der  Apostel  Paulus 6Ö)  dachten  sich  auch  die  Slaven  die  bösen 
Geister  zwischen  Himmel  und  Erde.  Dass  man  bei  den  Preussen  an 
das  Vorhandensein  der  Letztern  glaubte,  geht  entschieden  aus  den  alt- 
preussischen  Begräbnissgebräuchen  hervor,  in  denen  der  eigentliche 
Cultus  des  Todtengottes  nur  bestanden  haben  kann,  weshalb  hier  der 
Ort  ist,  den  religiösen  Hintergrund  derselben  zu  enthüllen. 

Die  Preussen  hatten  jenen  rohen  Unsterblichkeitsglauben,  den  wir 
bei  allen  wilden  Völkern  finden  und  der,  wenn  auch  nicht  besonders 
hervorgehoben,  doch  schon  deutlich  genug  in  den  von  Wulfstan  berichteten 
Leichenfeierlichkeiten  zu  erkennen  ist.  Die  besondere  Färbung  des- 
selben erklärt  sich  aus  dem  slavischen  Alterthum.  Thietmar  von  Merse- 
burg ist  übel  berichtet,  wenn  er  die  Behauptung  aufstellt,  nach  dem 
Gflauben  der  Slaven  sei  alles  Lebens  Ende  mit  dem  Tode  gekommen. 57) 
Nach  einer  Ansicht  der  Urslaven  kann  die  Seele  (Dusa,  litt,  duszia) 
zur  Zeit  des  Schlafes  den  Körper  verlassen  und  verschiedene  Gestalten« 
annehmen.  Bleibend  vom  Körper  getrennt,  irrt  sie  lange  umher  und 
kehrt  auch  wieder  heim,  daher  werden  Speisen  für  dieselbe  zwischen 


5S)  Krek  120. 

bfy)  Eph.  6,  12.  7i(tbs  tu  nyevpauxcc  xt\g  novrjQiccs,  iv  tolg  STiovqavioig. 

S7)  Chron.  I,  7  Slavis,  qui  com  morte  temporali  omnia  putant  fioiri 


von  Adolf  Rogge.  279 

die  Fenster  gestellt.  Auch  die  Leichname  im  Grabe  hatten  bis  zur 
völligen  Zerstörung  eine  Art  von  Leben  und  erhielten  Speise  mit.88) 
Vincentius  Kadlubeck  (f  1223)  behauptet  sogar,  dass  alle  Gethen  eine 
Seelenwanderung  aus  dem  Menschenleib  in  Thierkörper  angenommen 
hätten.69)  Andere  Vorstellungen  lassen  die  Seelen,  ehe  der  Leib  ver- 
brannt ist,  auf  Bäumen  herumflattern.  Ergreifenden  Ausdruck  findet 
diese  Ansicht  im  Eöniginhofer  Liederbuch, 60)  das  den  Tod  eines  Helden 
also  schildert: 

„Roth  entquillt  das  Blut  dem  starken  Vlaslaw 
Strömt  durchs  grüne  Gras  hin  an  die  durstge  Erde 
Stöhnend  aus  dem  Munde  fahrt  die  Seel  ihm, 
Fliegt  auf  einen  Baum  und  auf  d$n  Bäumen 
Hin  und  her,  bis  dass  verbrannt  der  Leichnam/ 
Schliesslich  gelangt  die  Seele  in  die  Wohnung  der  Schatten  voll 
grünender  Felder  und  Wälder  „navi*  auch  „raj*  genannt.     Dieselbe 
liegt  hinter  dem  Luftmeer  auch  inmitten  desselben  auf  einer  Insel.   Hier 
wohnen  auch  die  Seelen  der  noch  nicht  Gebornen.    Nach  Andern  ist 
dieser  gluckselige  Ort  an  einem  hohen  Glasberg  gelegen,  ewig  grün. 
Jeder  blieb  dort  in  seinem  Stande,  auch  der  Sklave. .  Die  navi  war  vom 
Wohnort  der  Lebenden  durch  ein  grosses  Wasser  geschieden. 6i)    Man 
musste  den  Lichtstrom  durchschiffen,  oder  eine  Brücke,  die  Milchstrasse 
oder  den  Eegenbogen  überschreiten,  um  dahin  zu  gelangen.62) 

Jener  rohen  Leichenfeier,  die  der  Angelsachse  bei  den  Esten  sah, 63) 
ist  offenbar  der  Stempel  des  Slaventhums  aufgedrückt  und  der  religiöse 
Hintergrund,  den  spätere  Berichte  an  den  Tag  bringen,  ist  in  ihr  un- 
verkennbar. Durch  künstlich  bereitetes  Eis  sucht  man  den  Todten,  je 
vornehmer  er  ist,  desto  länger  über  der  Erde  zu  erhalten,  mitunter  ein 
halbes  Jahr.  Während  dieser  Zeit  betrachtet  man  ihn  offenbar  als  einen 
Lebenden.  Täglich  sind  bis  zu  seiner  Bestattung  Trink-  und  Spiel- 
Gelage  in  seinem  Hause.  Strawa  nannte  der  Slave  den  wilden  Leichenr 
schmaus 8l)  und  der  Litthauer  bezeichnet  mit  dem  Ausdruck  Strowa  noch 


58)  Krek  117.    59)  Scr.  rer.  Pr.  I,  755.    60)  Krek  118,  Anm.  2.    fll)  Krek  121. 
62)  Krek  119  u.  Ose.  Schwebel  »Der  Tod«.  Berl.   Weide  1876.   S.  63. 
•3)  Scr.  rer.  Pr.  I,  732f     ")  Krek  91. 


230  Urpreussen 

heut  eine  Kostung.  Kurz  vor  der  Bestattung  wird  der  etwa  noch  vor- 
handene Besitz  des  Todten  in  fünf  bis  sechs  ungleiche  Theile  getheilt. 
Ungefähr  eine  Meile  vom  Dorfe  legt  man  den  grossesten  hin,  die 
übrigen,  je  nach  dem  minderen  Werthe,  in  nähere  Abstände  vom  todten 
Manne.  Nun  beginnt  etwa  aus  einer  Entfernung  von  fünf  bis  sechs 
Meilen  ein  rasendes  Wettrennen  nach  den  Habseligkeiten  des  Verstor- 
benen, an  dem  sich  die  Besitzer  der  schnellsten  Pferde  im  Lande  be- 
theiligen. Jeder  behält,  was  er  ergriffen.  Lediglich  um  dieser  Sitte 
willen  haben  gute  Pferde  einen  sehr  hohen  Preis.  Der  Leichenbrand 
ist  Gesetz.  Kein  Gebein  darf  bei  demselben  unzerstört  bleiben.  Wird 
ein  solches  unverbrannt  gefunden,  so  muss  eine  bedeutende  Sühne  vor- 
genommen werden.  Jedenfalls  dachte  man  sich  in  diesem  Falle  den 
Auferstehungskörper  verstümmelt.  Noch  näher  heran  an  diese  Feier- 
lichkeiten fuhrt  uns  die  Urkunde  von  1249.  Die  Preussen  versprachen 
nach  derselben  femer  nicht  mehr  die  Tulissones  und  Ligaschones  unter 
sich  zu  dulden,  welche  die  Todten  um  ihrer  Diebereien  und  Bäubereien 
und  anderer  Dinge  willen  lobten,  die  man  vom  christlichen  Standpunkt 
aus  als  schwere  Sünden  verdammen  musste.  Diese  Lob-  und  Klage- 
männer, die  mit  den  Priestern  der  Heiden  nur  verglichen  werden,  woraus 
uns  hervorzugehen  scheint,  dass  man  ihnen  einen  wirklich  priester- 
lichen Character  nicht  beigelegt,85)  umschwärmten  die  Leiche  mit 
erhobenen  Fackeln  und  versicherten,  sie  sähen  den  Entschlafenen  zu 
Pferde  am  Himmel  hin  in  die  Ewigkeit  jagen,  geschmückt  mit  leuch- 
tenden Waffen,  den  Falken  auf  der  Faust,  begleitet  von  grossem  Gefolge. 
Vorher,  gleich  nach  dem  Tode,  hatte  schon  Crive,  der  Oberpriester  des 
Volkes,  den  Verstorbenen  gesehn,  derselbe  musste  sich  also  am  Götter- 
sitze melden.  Wenn  nämlich  die  Aeltern  des  Abgeschiedenen  den  Crive 
fragten,  ob  am  verflossenen  Tage  oder  bei  Nacht  Jemand  an  seinem 
Hause  vorübergegangen,  so  beschrieb  er  den  Todten  sofort  nach  Kleidung, 
Waffen,  Pferden  und  Begleitung,  wies  auch  zur  grössern  Sicherheit  auf 
eine  Kerbe,  die  der  Entschlafene  mit  der  Lanze  oder  einem  andern 
scharfen  Werkzeug  in  die  Thürschwelle  geritzt. M) 


")  >quasi<  gentilium  sacerdotes,     •*)  Dusburg, 


von  Adolf  Rogge.  281 

Bis  in  das  sechszehnte  Jahrhundert  erhielten  sich,  soweit  die  Kirche 
es  verstattete,  die  Leichengebräuche  in  ziemlicher  Reinheit,  zuweilen 
unter  halb  christlicher  Hülle  verborgen  und  sind  hie  und  da  beim  Land- 
volk bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  vorhanden. 

An  die  Stelle  der  Tulissonen  und  Ligaschonen  traten  berittene 
Blutsverwandte  des  Todten,  welche  den  Leichenwagen  begleiteten.  Statt 
der  Fackeln  brauchte  man  Schwerter  und  scheuchte  mit  ihnen  die 
Teufel  von  der  Seele  hinweg  mit  dem  Rufe:  Geygeythe,  begoythe, 
Pekelle,  d.  h.  Lauft  ihr  Teufel  in  die  Hölle. 

Der  Wettritt  nach  dem  Besitz  des  Verstorbenen  wird  auf  das  Er- 
haschen einer  Silbermünze  eingeschränkt,  welche  auf  einem,  vor  dem 
Dorfe  eingeschlagenen  Pfahl  lag.  Da  man  an  dem  Todten  Bäubereien 
und  kriegerische  Thaten  nicht  mehr  zu  loben  hatte,  so  feierte  man  sein 
Andenken  durch  ein  einfaches  Klagelied,  in  welchem  man  seine  lebenden 
und  todten  Besitzthümer  aufreihte  und  an  jedes  die  Frage  knüpfte: 
Warum  bist  du  gestorben. 67) 

Dass  übrigens  bei  den  Preussen,  wie  bei  den  Slaven  der  Leichen- 
brand neben  der  Beerdigung  herging,  beweisen,  die  in  neuerer  Zeit  auf- 
gedeckten, Leichenfelder, 68)  welche  auch  ganze  Pferdegerippe  enthalten. 
Die  Todtenurne  des  Slaven  nahm  die  Mogyla  auf,69)  so  nennt  noch 
heute  das  preussische  Volk  seine  Grabstätten. 

Die  Ausrüstung  des  Todten  für  die  Beise  ins  Jenseits  mit  Geld, 
Schmucksachen,  Waffen  u.  d.  gl.  beweist  der  Inhalt  zahlreicher  Leichen- 
urnen, in  denen  man  altrömische  und  arabische  Münzen  gefunden.  Noch 
im  16.  Jahrhundert  legte  man  Geld  in  die  Gräber.  In  derselben  Zeit 
fanden  nach  Joh.  Meletius  noch  am  dritten,  sechsten,  neunten  und 
vierzigsten  Tage  Leichenmahle  statt,  zu  denen  man  die  Seele  des  Ge- 
storbenen durch  vor  der  Thür  abgehaltene  Gebete  lud.  Dreissig  Tage 
jammerte  das  Weib  bei  Sonnenaufgang  und  Sonnenuntergang  am  Grabe 
des  Mannes,  obwohl  dieser  „Bitus  des  Schreckens*  durch  den  Bischof 


i7)  Nach  Joh.  Meletius  und  Waissel. 

6I)  z.  B.  in  Löbertehof,  Kreis  Labiau,  durch  Cand.  med.  Hennig.   Sitzung  3er 
Prussia  vom  20.  October  1876. 
••)  Krek  772. 


282  Urpreuaeen 

Michael  von  Samland  (1421—45)  bei  Geisselung  und  3  Mark  Busse 
ausdrücklich  verboten  war.  Da  das  Kreuz  durch  denselben  entweiht 
wurde,  sollte  es  an  Preussengräbern  überhaupt  nicht  aufgerichtet  werden. 
Man  verstattete  diese  kirchliche  Ehrenbezeugung  nur  den  Deutschen, 
welchen  man  keinen  Bückfall  ins  Heidenthum  mehr  zutraute. 70) 

Bei  allen  Leichenmahlen  vermeidet  man  den  Gebrauch  der  Messer 
und  wirft  von  jeder  Speise  etwas  unter  den  Tisch  für  die  Seele  des 
Verstorbenen,  der  man  auch  Trankopfer  ausgiesst.  Zufällig  herunter 
gefallene  Brocken  gehören  den  Seelen  derer,  die  keine  Verwandten 
haben.  Beim  letzten  Todtenmahle  kehrt  der  Opfermann  die  Brocken 
aus,  räuchert  die  Seelen  aus  wie  Flöhe  und  ruft:  Ihr  habt  gegessen 
und  getrunken  geliebte  Seelen,  jetzt  hinaus,  hinaus!  So  Job.  Meletius. 

Nirgend  tritt  bei  diesen  Leichenfeierlichkeiten  der  Gott  Pikollos 
in  den  Vordergrund,  kein  Opfer  wird  ihm  dargebracht,  kein  Gebet  ver- 
söhnt ihn.  Die  Urkunde  von  1418, 7>)  die  seiner  als  des  ersten  Gottes 
gedenkt,  wie  es  schon  der  Bischof  Christian  in  seinem  mehr  als  zweifel- 
haften Buche  gethan  haben  soll,  stammt  schon  aus  den  Zeiten  des 
christlichen  Teufels.  Jedenfalls  ist  Pikollos  eine  dunkle  Persönlichkeit 
unter  den  preussischen  Göttern,  so  dunkel  wie  der  Tod  immer. 72)  Lucas 
David73)  weist  ihm  als  Attribute  drei  Todtenköpfe  zu,  des  Menschen, 
des  Pferdes  und  der  Kuh.  Brachte  man  ihm  die  Häupter  derselben 
als  Opfer  dar?74)  Oder  —  ritten  schon  damals  die  Todten  schnell  und 
stand  die  Kuh  zu  ihm  in  ähnlicher  Beziehung  wie  zu  Wodan,  jene  Kuh, 
die  das  Sprichwort:  „Er  versteht  so  viel  wie  die  Kuh  vom  Mittwoch 
(Wodanstag)Ä  verherrlicht?  Die  Ortschaften,  in  welchen  man  den  Namen 
des  Pikollos  wieder  finden  will, ")  können  das  Dasein  desselben  nicht 


70)  Siehe  Toppen  a.  a.  0.  I,  350.  So  möchten  wir  dieses  dunkle  Gesetz  er- 
klären. Das  Kreuz  mag  auch  sonst  Öfter  von  den  Prenssen  geschändet  sein.  Merk- 
würdig ist  z.  B.  der  Aussprach  des  von  Toppen  a.  a.  0.  II,  343  erwähnten  Litthauers 
vom  Verehren  der  Bäume  and  des  Kreuzes,  insofern  man  ihnen  »nichts  Leides  thäte.* 

71)  Voigt,  Gesch.  I,  587,  Anm.  4. 

n)  Scharfsinnig  entwickelt  Toppen  a.  a.  0.  1,  310  ff  die  Grunde,  nach  welchen 
Pikollos  in  dem  fragl.  Buche  Christians  der  Oberste  der  Götter  genannt  sein  soll. 
")  I,  29.      7<)  Toppen  a.  a.  0.  I,  313  u.  Ose.  Schwebel  »Der  Tod«  S.  65, 
7i)  Voigt»  Gesch.  I,  568,  Anm.  5. 


von  Adolf  Kogge*  283 

bezeugen.  Möglicher  Weise  enthalten  diese  Namen  nichts  als  den  Be- 
griff der  Hölle  (piklu),  der  auch  im  Deutschen  als  Ortsbezeichnung  hie 
und  da  vorkommt.  ™) 

Obwohl  von  keinem  altern  Schriftsteller  und  in  keiner  Urkunde 
bezeugt,  ist  Perkunos  sicher  der  Hauptgott  des  Volkes  gewesen,  der 
einzige  Qötze,  den  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  die  Lieder  der 
Litthauer  besingen, ")  vielleicht  der  einzige  bildlich  dargestellte  National- 
gott. „Sie  lebten  im  Walde  und  beteten  das  Bad  (die  Sonne)  an,*  sagt 
ein  uraltes  Sprichwort  von  den  Slaven. 78)  Wir  dürfeu  darum  dieses 
Mal  schon  Simon  Grünau  glauben,  wenn  er  erzählt:  .Etliche  sein,  und 
sie  so  balde  im  morgen  die  Sonne  sehen,  sie  beten  sie  an,  wenn  sie 
macht  gut  getreide  und  ist  dem  menschen  sehr  liplich  und  andir  dingk 
me.Ä  79)  Doch  schon  in  der  Urzeit  zeigen  sich  Spuren,  dass  die  Slaven 
über  die  Sonne  hinausdachten.  Dieselben  verehrten  einen  höchsten 
Gott  (deus  deorum)  den  Schöpfer  Himmels  und  der  Erde,  des  Lichts 
und  Gewitters.  Diesem  waren  die  andern  Götter  unterthan.  Derselbe 
hiess  Swarogu,  der  sich  bewegende  Himmel,  der  Wolkenhimmel,  in 
welchem  Indra  wie  der  Donnerer  Perun  herrscht,  für  den  Swarogu 
nur  ein  anderer  Name  ist.  Dem  Perun,  als  chtonischem  Wesen,  steht 
die  Erde  (mater  deum  ?)  entgegen.  Söhne  Swarogs  sind  Sonne  und  Feuer. 
Die  Südslaven  reihen  noch  als  dritten  Bruder  den  Mond  an,  als  Schwester 
den  Morgenstern. 80)  Es  wäre  geradezu  ein  Wunder  gewesen,  wenn  die 
Preussen  sich  dem  Perkunsdienste  hätten  entziehen  können,  der  selbst 
den  flüchtenden  Pinnen  von  ihren  Verfolgern  in  die  Verbannung  mit- 
gegeben  wurde.  Der  Peru  und  Perkell  derselben  ist  nachweisbar  von 
den  Slaven  entlehnt.81) 

Perunu,  litt.  Perkunas,  altpr.  Perkunos,  russ.  Piorun  und  Perum, 
böhm.  Peron,  ist  die  ur-  und  naturwüchsige  Gottheit  der  Litoslaven. 


7C)  So  z.  B.  bei  Diewens,  Kirchspiel  Pobethen  und  bei  Heiligenbeil. 

77)  Nesselmann,  litt.  Volkslieder.  Berl.  1853,  S.  1  u.  2.  ßhesa  Dainos  S.  92 
bis  95  und  316. 

'•)  Krek  S.  285.      7U)  S.  89.      i0)  Krek  98-103. 

")  Castraens,  Vorlesungen  über  finnische  Mythologie  mit  Anmerkungen  von 
Schiefner.  Petersbg.  1853,  p.  HO.    Krek  202.    Perkell  üebergangsform  zu  Pikollos? 


234  Urpre  aasen 

Bis  in  die  Steinzeit  reichen  ihre  Spuren.  In  Kiew  unterhielt  man  dem 
Gotte  Pidrun  zu  Ehren  ein  ewiges  Feuer.  Er  wurde  dort  mit  einem 
Blitzsteine  in  der  Hand  dargestellt  und  anderwärts  war  dem  Bilde  des 
Donnergotts  ein  Kieselstein  auf  dem  Kopf  eingefugt. 82)  Später  scheint 
ein  hölzernes  Bild  mit  silbernem  Kopf  und  goldenem  Schnurrbart  in 
Kiew  auf  dem  Hügel  von  Wladimirs  Hofe  aufgestellt  zu  sein. •*)  In 
Nowgorod  ward  an  der  Stätte,  wo  das  Kloster  Perunski  steht,  einst 
der  Götze  „Perum"  verehrt,  ein  Bild  in  Menschengestalt  mit  dem 
Feuerstein  in  der  Hand,  denn  Perum  bedeutet  in  der  Euthenensprache 
den  Blitz.  Beständig  brannte  dem  Götzen  zu  Ehren  ein  Feuer  aus 
Eichenholz.  Liessen  die  Diener,  welchen  die  Unterhaltung  desselben 
anvertraut  war,  dasselbe  verlöschen,  so  büssten  sie  es  mit  dem  Haupte. ") 
In  Bussland  machte  Grossfürst  Wladimir  dem  Peruncultus  ein  Ende, 
indem  er  das  Bild  des  Donnerers,  bei  dessen  Namen  noch  Oleg  ge- 
schworen, in  den  Dniepr  stürzte. M)  In  Litthauen  fand  aber  noch  Hiero- 
nymus  von  Prag  die  Spuren  desselben,  als  er  beim  Beginn  der  hussitischen 
Bewegungen  mit  Empfehlungen  von  Jagal  sich  dorthin  begab  und  unter 
Witows  Zustimmung  das  Evangelium  predigte.  Da  war  ein  Volk, 
welches  dem  ewigen  Feuer  einen  besondern  Tempel  gewidmet  hatte. 
Den  Priestern,  welche  dasselbe  unterhielten,  schrieb  man  auch  die  Gabe 
der  Weissagung  in  Krankheitsfällen  zu.  In  der  Nacht  erschien  ihnen 
der  Schatten  des  Kranken  im  flackernden  Lichte  der  ewigen  Flamme. 
Je  nachdem  sie  das  Gesicht  oder  den  Rücken  desselben  geschaut,  ver- 
kündeten sie  am  Morgen  Genesung  oder  Tod.  Noch  im  16ten  Jahr- 
hundert kannte  Joh.  Meletius  einen  Berg  an  der  Nawese,  auf  dessen 
Gipfel  einst  ein  Priester  das  ewige  Feuer  geschürt  zu  Ehren  des  Pargnus, 
der  da  mächtig  sein  sollte  des  Donners  und  Wetters. 

Aber  auch  nach  der  böhmischen  Sage86)  fuhr  Drahomira  (c.  950) 


•*)  Dr.  R.  Hassenkamp,  Die  Spuren  der  Steinzeit  bei  den  Aeg.,  Semit.,  Indo- 
germ.,  vgl.  auch  Ausland  1872,  No.  16,  S.  363  b. 

,J)  Voigt,  Gesch.  I,  587,  Anm.  3. 

")  So  Strykovuski  in  Sarmat.  Europ.  bei  Hartknoch  I,  S.  132  a. 

M)  Pierson,  Electr.  S.  88. 

*6)  Ich  finde  dieselbe  unter  meinen  Notizen,  kann  aber  augenblicklich  die  Quelle 
nicht  angeben,  % 


▼on  Adolf  Rogge.  285 

nach  dem  Berge  Petrzin  zum  Donnerer  Peron  und  wurde  zu  Pohorzeletz 
am  Hradschin  von  der  Erde  verschlungen. 

Schliesslich  erwähnen  wir  noch  einer  sinnigen  litthauischen  Sage, 
nach  welcher  Perkunatele  (Abend-  und  Morgenröthe?),  die  Mutter  des 
Donners  und  Blitzes,  die  müde  und  staubbedeckte  Sonne  zum  Bade  auf- 
nimmt und  am  andern  Morgen  rein  und  leuchtend  wieder  herausfuhrt. ,7) 
Die  Serben  haben  dem  gewaltigen  Gott  die  Schwertlilie  geweiht  und 
nach  ihm  Perunika  benannt. ") 

Hienach  halten  wir  diesen  preussischen  Götzen  für  vollkommen  er- 
wiesen. Dass  er  gerade  in  älteren  Zeiten  weder  urkundlich,  noch  in  den 
Ordenschroniken  erwähnt  wird,  liegt  wohl  daran,  dass  man  seinen  Namen 
vor  den  Feinden  des  Landes  verschwieg.  Ueber  die  Bedeutung  dieses 
Namens  gehen  die  Meinungen  weit  auseinander.  Man  hat  Perun  mit 
dem  indischen  Götzen  Parganja  zusammengebracht.  Wenn  diese  Zu- 
sammenstellung einerseits  alg  den  Lautgesetzen  widersprechend  zurück- 
gewiesen wird,19)  so  sucht  man  andrerseits  dieselbe  aus  dem  Wesen 
der  beiden  Götter  zu  rechtfertigen.  Parganja  ist  nämlich  kein  Regen- 
gott, wie  man  lange  geglaubt,  sondern  ein  Donnergott.  °°)  Die  Wurzel 
des  Worts  soll  im  slavischen  Verbo  kona,  (kon  perficere)  zu  suchen 
sein,91)  doch  scheint  uns  dieses,  wenn  es  sich  sprachlich  rechtfertigen 
sollte,  nicht  zur  Geschichte  des  Götzen  zu  stimmen,  der  nicht  auf 
preussischem  Boden  entstanden  ist,  weshalb  man  bei  Erklärung  seines 
Namens  auch  die  preussische  Form  nicht  zu  Grunde  legen  darf.  Auf 
den  richtigen  Weg  dürfte  allein  die  von  andern  Sprachforschern  ange- 
nommene Ableitung  aus  der  slavischen  Wurzel  ,pr*  (ferire,  hauen)92) 
führen,  an  welche  wir  eine  Ansicht  knüpfen  möchten,  die,  falls  sie  Be- 
stätigung findet,  ein  überraschendes  Licht  auf  das  preussische  Götter- 
thum  werfen  dürfte.  Die  eben  erwähnte  Wurzel  ,pr"  ist  offenbar  auch 
die  des  slavischen  Wortes  vepr  d.  i.  Eber.  Ber  und  Perun,  Bjiörn  und 
Piorun!    Klingen  diese  Worte    so  fremdartig  und  gehört  besonderer 


•7)  Krek  S.  202.      ")  Krek  S.  50. 

")  Bezzenberger,  Altpr.  Mtsachr.  XIII,  1876,  S.  424  b.  Anm.  195. 

w)  Krek  102,  Anm.      ")  Bezzenberger  a.  a.  0.  S.  429  u.  424,  Anm.  195. 

**)  Krek  101,  Anm.  2,  der  noch  das  griechische  «epwor  heranzieht. 


286  Urpreussen 

philologischer  Scharfblick  dazu,   dieselben  unter   einen  Hut  oder  ein 
Haupt  zu  bringen,  den  Eberkopf?    Wischnu  hiess  als  Eber  „Varaha*. 

So  stehen  auf  der  alten  Völkerscheide  im  Preussenlande  Curche 
und  Perkunos  neben  einander  und  bezeichnen  deutlich  den  Boden,  auf 
dem  sich  nach  langen  blutigen  Kämpfen  Germanen-  und  Slaventhum 
die  Hände  gereicht,  die  einst  in  grauer  Urzeit  schon  im  Stammlande 
beider  Völkerstämme  verschlungen  waren.  Beide,  offenbar  ursprünglich 
Monotheisten,  haben  den  Gottesbegriff  zunächst  zersetzt  in  den  von 
Himmel  und  Erde  und  dadurch  die  Stätten  für  unendlich  viele  Götter- 
gestalten  geschaffen,  aus  denen  uns  die  Kräfte  der  Natur  im  engen 
Bahmen  menschlicher  Beschränktheit,  oft  menschlicher  Verkommenheit, 
entgegen  leuchten.  Oftmals  schaut  der  ursprüngliche  Monotheismus 
noch  durch  dieselben  hindurch. 

So  ist  Occopirmus,  den  Meietius  den  Gott  des  Himmels  und  der 
Erde  nennt,  wie  schon  Ostermeyer 03)  richtig  erkannt  hat,  nichts  als  die 
Sonne,  das  leuchtende  Auge  des  Perun.  Denselben  Götzen  finden  wir 
im  Suaixtix,  dem  Leuchtenden,  wieder,  den  man  sich  auch  als  weib- 
liche Gottheit  unter  dem  Namen  Suaixdunke  dachte.94)  Schon  durch 
den  Namen  erinnert  Suaixtix  an  den  mit  Perun  gleichbedeutenden 
Suarogü  der  Slaven, w)  und  wenn  der  Name  Perun  von  Osten  ins  Volk 
drang,  so  mag  der  Name  Suaxitix  von  Westen  her  zur  Bezeichnung  des- 
selben  Wesens  gekommen  sein.  Zuarisici,  Zuarozizi,  SuaroziSti  (Sohn 
des  Svarogu)  war  der  oberste  Götze  im  Heiligthum  zu  Riedegost,  ••)  in 
welchem  man  ebenso  die  Sonne,  wie  das  irdische  Feuer  versinnbildlichte. 

Der  1530  Auschauts,  1551  Auscantus  genannte  und  mit  Aesculap 
verglichene  Götze  dürfte  wohl  nur  eine  andere  Form  für  Suaixtix  dar- 
stellen und  ist  vielleicht  aus  Auschwaixs  verderbt. 97) 

Der  Perkunsdienst  der  alten  Preussen  ist  noch  deutlich  zu  erkennen 


93)  Krit.  Beitr.  zur  altpreuss.  Reiigionsgesch.  &  10« 

94)  Toppen  a.  a.  0.  I,  S.  300  nach  Prätorius. 
•*)  Krek  S.  103. 

••)  Thietmar,  Chron.  VI,  17.  Der  Name  ist  nicht  ans  Suetovit,  »der  Theomor- 
phose  der  reinen  heitern  Luft*  verdorben,  der  bei  den  Polaben  Orakelgott  war  und 
vierkOpfig  dargestellt  wurde.    Krek  S.  106  Anm.  3. 

•7)  So  Bender  1.  c. 


von  Adolf  Boggfc  287 

in  zwei  urkundlich  bezeugten  Festen,  deren  Bedeutung  man  bisher  nicht 
enträthseln  konnte,  weil  sich  dieselben  hinter  christlichen  Formen  ver- 
steckten. Das  Christenthum  vertilgte  die  Götzen,  konnte  aber  lange 
die' heidnische  Lust  an  denselben  nicht  ausrotten,  zumal  wenn  Feuer 
und  Schwert  seine  Apostel  gewesen  waren,  wie  in  Preussen. 

Hier  ist  der  Reformation  erst  gelungen,  was  die  Mission  hätte 
vollbringen  sollen.  Die  christlichen  Feste  und  Heiligentage  konnten  um 
so  eher  Schanzen  werden,  hinter  welchen  sich  das  Heidenthum  verbarg, 
als  die  Kirche  ursprünglich  heidnische  Feste  dadurch  mit  christlichem 
Inhalt  zu  erfüllen  suchte,  dass  sie  denselben  eine  Beziehung  auf  den 
Erlöser  oder  christliche  Heilige  gab.  An  die  Stelle  der  Wintersonnen- 
wende trat  das  Weihnachtsfest,  das  Frühlingsfest  fiel  auf  den  St.  Georgs- 
tag und  Johannes,  der  Vorläufer  des  christlichen  Glaubenslichtes,  sollte 
mit  seinem  Namen  der  Sommersonnenwende  eine  höhere  Bedeutung 
verleihen.  Alle  diese  Feste  wurden  bei  Germanen  und  Slaven  durch 
Freudenfeuer  gefeiert,  die,  weil  sie  heidnischen  Ursprungs  waren,  den 
christlich  gewordenen  Völkern  durch  mannigfache  Kirchengesetze  ver- 
boten wurden.  Wie  überall,  geschah  dieses  auch  in  Preussen.  Neben- 
einander werden  die  beiden  Sonnenwendefeste  in  den  Frauenburger 
Beschlüssen  vom  Jahre  1445  gestellt,  nach  welchen,  wie  man  bisher 
gelesen,  die  Preussen  „alle  unordentliche  Getränke,  die  Keyse  und 
Mettele  genannt,  auf  dem  Samland*  ablegen  sollen.  Das  erste  Wort, 
welches  an  einer  andern  Stelle  ebenso  falsch  »Keesze*  genannt  ist,  ••) 
ist  nichts  Anderes,  als  das  vom  samländischen  Bischof  Michael  verbotene 
»Kresze* ").  Das  Kresze  ist  nach  den  ermländischen  Synodalstatuten 
von  Heinrich  IIL  10°)  aber  wieder  nichts  anderes,  als  *das  Sabbat,  das 
gemeinhin  Heilfeier  genannt  wird,  wie  es  nach  Eingebung  des  Teufels  und 
Erfindung  der  Landleute  von  gewissen  Leuten  gefeiert  zu  werden  pflegt. ■ 

Kres  (litt,  kruwä),  der  Scheiterhaufen,  ist  bei  den  Slovenen  bis 
auf  den  heutigen  Tag  die  Bezeichnung  der  Sonnenwende  und  galt  bei 


")  s.  Tcppen,  a.  a.  0.  I,  S.  349.    ")  ebendaselbst 

10°)  1373—1401.  Siehe  die  Aasgabe  von  A.  Thiel  im  Index  lect  Lyc  Hosian. 
Bransb.  vom  Winter  1861  p.  9  §.  22  und  bei  Bender  im  Anfeati  Altpr.  Monats- 
schrift IV,  S.  1-24. 


288  Uipreasien 

einigen  Slaven  für  das  Bild  der  Sonne,  der  man  im  Feuerkultus  hul- 
digte.IOi)  «War  doch  schon  Kersna  eine  Avatara  des  Wischnn  (Sol  in 
eclipsi).  Sonst  aber  hiess  das  Sommersonnenwendefest  bei  den  Slaven 
kq,prlo,  jarilo  (beide  Bezeichnungen  bedeuten  offenbar  Ä Eberfest")  und 
Sabotuka. ,01)  Der  letzte  Ausdruck  ist  in  unsere  Urkunde  aufgenommen. 
Die  Mettele  kann  nichts  Anderes  bedeuten,  als  die  Christmette,  in  der 
man  doppelsinnig  den  dies  natalis  solis  invicti  feierte,  den  Tag  der 
Wintersonnenwende,  für  welche  die  Slaven  die  Ausdrücke  koleda, 
osvenu  kracun  und  badejuk  haben.  Dieselbe  gilt  für  den  Geburtstag 
der  Sonne.103)  Ein  serbisches  Sprichwort  sagt:  »Man  fragte  den  Wolf, 
wenn  die  grosseste  Kälte  sei,  und  er  erwiderte :  Zur  Zeit,  wo  die  Sonne 
geboren  wird.  * l04) 

Die  Koleda  war  noch  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  den  Littauern 
bekannt. ,05)  Sie  ist  heute  noch  die  Bezeichnung  für  das  Weihnachtsfest 
in  Weiss-  und  Klein-Kussland,  für  die  Sonnenwende  bei  den  Uskoken. I06) 

Der  Typus  des  Festes  ist  bei  Bussen,  Serben,  Polen,  Tschechen, 
Slovenen  noch  immer  der  gleiche.107)  Da  die  Koleda  in  die  Zeit  der 
Saturnalien,  im  Mittelalter  der  festa  calendarum  (24.  Dec.  bis  6.  Jan.) 
der  sogen.  Zwölften  fiel,  hat  man  im  Worte  eine  Verstümmelung  von 
calendae  gesucht.108)  Andere  denken  an  „kolo",  Kreis,  Bad,109)  oder 
an  die  altslovenische  Frühlingsgöttin  Koleda.110) 

Die  Opfer,  welche  man  den  Göttern  darbrachte,  haben  wir  zum 
Theil  schon  kennen  gelernt.  Eine  Bulle  des  Papstes  Honorius  III.  von 
1218 in)  sagt  den  Preussen  nach,  dass  sie  ihre  Gefangenen  den  Göttern 


10t)  »Die  Slovenen«  von  Dr.  Klon.  IV.  Ausland  1872.  No.  20  S.  470. 
,0*)  Krek  8.  116.  —  An  einigen  Orten  des  Quberniums  Pskow  heißst  Weihnachten 
Sabbotni.    IUostr.  Frauenztg.  Verl.  F.  Lipperheide,  Berlin.  11.  Jahrg.  1875.  No.  10 
S.  79  Sp.  3. 

><")  Krek  S.  200.    10i)  ebenda  S.  285. 

io*)  Ueber  ihre  Feier:  Bogge,  Gesch.  des  Kreises  n.  d.  Diöcese  Darkemen  S,  164. 

,oe)  Illustr.  Frauenztg.  a.  a.  0. 

I§9  Dr.  Klun  a.  a.  0. 

IM)  Krek  S.  312. 

I0»)  IUostr.  Frauenztg.  a.  a.  0. 

no)  Dr.  Klun  a.  a.  0. 

"9  Voigt,  Cod.  dipl.  Pruss.  I,  13. 


von  Adolf  Rogge.  289 

geopfert  und  in  das  Blut  derselben  ihre  Lanzen  getaucht,  um  sich  glück- 
lichen Erfolg  für  neue  Kämpfe  zu  sichern.  Sitte  scheinen  derartige 
Opfer  nicht  gewesen  zu  sein.  Die  Friedensurkunde  von  1249  erwähnt 
derselben  gar  nicht  und  trotz  der  furchtbaren  Erbitterung,  welche  gegen 
den  deutschen  Orden  herrschte,  wussten  Dusburg  und  Jeroschin  nur 
zu  erzählen,  dass  1261  der  Bürger  Hirzhalz,  1320  der  samländische 
Voigt  Gerhard  Bude  auf  ihren  Bossen,  der  letztere  in  dreifacher  Büstung, 
zu  Ehren  der  Götter  verbrannt  seien?118)  Nach  jedem  Siege  soll  der 
dritte  Theil  der  Beute  vom  Crive  den  Göttern  dargebracht  sein.  Die 
Pferde  ritt  man  vorher  so  müde,  dass  sie  nicht  mehr  stehen  konnten. 

Ob  die  Götter  nur  in  der  Phantasie  des  Volkes  bestimmte  Ge- 
stalten angenommen,  oder  jene  bildlichen  Darstellungen  erfahren,  von 
denen  Simon  Grünau  und  Lucas  David  erzählen,  ist  nicht  zu  erweisen, 
aber  kaum  wahrscheinlich,  da  die  Preussen  nicht  einmal  irgend  eine 
Art  phonetischer  Schrift,  viel  weniger  also  wohl  die  Künste  der  Hellenen 
kannten. 

Der  Sitz  der  Götterverehrung,  das  Nationalheiligthum  Bomowe,  war 
möglicher  Weise  wie  bei  andern  slavischen  Völkern  mit  einer  rohen 
Bildsäule  des  Curche  oder  Perkunos  geschmückt,  dem  die  Eiche  ge- 
heiligt war.  Bis  auf  den  heutigen  Tag  ist  es  übrigens  noch  nicht  ge- 
lungen, dieses  verlorene  Paradies  des  preussischen  Heidenthums  zu  ent- 
decken. Das  Wort  Bomowe  halten  wir  für  ein  Urwort,  dessen  Bedeu- 
tung noch  nicht  gefunden.  Beiläufig  möchten  wir  darauf  hinweisen, 
dass  die  im  Shähnäme  des  Firdusi  (c.  1000)  zuerst  erwähnten  Zigeuner 
sich  das  Romvolk,  ihre  Sprache  aber  Bomanisal  nennen.113)  Werner 
Munzinger  erzählt  uns  aus  dem  Munde  der  heutigen  Abyssinier,  dass 
sie  ein  riesenmässiges ,  übermenschliches  Geschlecht  der  Vorzeit,  die 
„Rom"  genannt,  für  ihre  Ahnen  halten  und  noch  jetzt  in  ihren  Liedern 
besingen.  Der  letzte  dieser  Born  sei  mit  Gott  verfeindet  gewesen  und 
habe  darum  seine  Lanze  gen  Himmel  geschleudert,114)  eine  Handlung, 


»*)  Ser.  rer.  Pr.  I,  101,  185,  593.    Die  Eiche  liefert  dem  Eber  die  Mast 
11 3)  Wir  können   die  verschiedenen  guten  Quellen  entnommene  Beminiscenz 
nicht  gleich  belegen.  —  Romaburg,  das  Heiligthum  Donars  im  Teutoburger  Wald. 
"<)  Europa  red.  v.  Dr.  Herrn.  KLeinsteuber.  Jahrg.  1876.  No.  80  Sp.  1140. 

Altpr.  Monatttchrift  Bd.  XIV.  Hft.  3  u.  4.  19 


290  Urprensaen 

die  bei  den  Urvölkern  übrigens  keine  Feindschaft  wider  Gott,  sondern 
einen  Gottesdienst  andeutet115) 

Unserer  unmassgeblichen  Meinung  nach  ist  der  heilige  Wald  an 
vier  Orten  zu  suchen,  an  denen  er  im  Laufe  der  Zeit  auf  seiner  Wan- 
derung Station  gemacht     Im  Vertrauen  auf  Dusburgs  sicher  hinge- 
stellte Angabe:  «Mitten  in  diesem  verkehrten  Volke,  nämlich  in  Na- 
drauen,  war  ein  Ort  Bomowe  nach  Born  genannt,  in  welchem  Jemand 
wohnte,  den  man  Grive  nannte  *  u.  s.  w.  hat  man  Bomowe  nach  Na- 
dräuen  und  zwar,  wie  uns  dünkt  mit  Glück,  nach  dem  Gute  Bomanuppen, 
Kirchspiels  Norkitten,  an  der  Auxinne,  verlegt.116)    Wie  Dusburg  in- 
dessen sehr  wenig  über  die  preussischen  Götzen  wusste,  so  scheint  er 
auch  nur  die   oberflächlichsten  Erkundigungen   über   das   preussische 
Nationalheiligthum  eingezogen  und  von  seinem  kirchlichen  Standpunkte 
aus  dargestellt  zu  haben.    Er  redet  jedenfalls  von  der  Mitte,  die  er 
seiner  Zeit  übersehen  konnte,  und  wir  sehen  keinen  Grund,  dem  Grive, 
der  als  ein  ziemlich  grober  Betrüger  und  schon  zum  Gaukler  herab- 
gesunkener Priester  erscheint,  alle  litthauischen  Völkerschaften  zuzu- 
theilen,  um  die  Dusburgsche  Mitte  zu  retten.  Es  ist  schwer  anzunehmen, 
dass  man  ursprünglich  von  der  cubmschen  Grenze  in  die  Wehlauer 
Gegend  gezogen  sei,  um  den  Beuteantheil  dort  abzuliefern,  oder  seinen 
Todten   nachzufragen.    Schon  dieser   letzte  Theil   des  Cultus   deutet 
kleinliche  Verhältnisse  an.    Dusburg  redet  vom  Bomowe  seiner  Zeit. 
Das  älteste  Bomowe  können  wir   dieses  Mal  getrost  bei  Simon 
Grünau  suchen,  wenn  wir  auch  die  Schilderung,  welche  er  von  dem 
geheimnissvollen  Ort  entwirft,  vorläufig  durchaus  noch  nicht  zu  unter- 
schreiben geneigt  sind.    Grünau  erzählt,117)  und  zwar  nach  Miechow, 
dem  polnische  Quellen  zu  Gebote  standen,  wenn  auch  in  seiner  Weise 


"*)  Wir  können  ans  hier  nicht  versagen,  ein  Wort  ans  C.  Adler,  Studien  zur 
CnJtnigescbichte  Polens,  I«  Berlin,  Mittier  u.  Sohn  1865,  anzuführen.  Nach  dem 
Magazin  des  Auslandes  sagt  er  von  den  Slaren:  »Von  den  Gothen  recipirten  sie 
Badegast  d.  i.  Odin  oder  Donar,  Roraowe  d.  i.  Balder  u.  s.  w.c  Er  muss  den  Wald 
vor  Blumen  nicht  gesehen  haben,  wenn  sein  Recensent  ihn  richtig  eititi  hat. 

"')  Friedend,  »Ueber  die  Lage  RoraowV  u.s.  w.  Altpr.  Mtsschr.  XIII,  227  ff. 
Ueber  Kreiwutschen:  Hoppe,  Ortsnamen  des  Beg.-Bez,  Gumbinnen.   S.  6. 

I1T)  S.  80. 


▼on  Adolf  £ogge.  J§| 

ungenau,  dass  Boleslaus  Chrobri  „mit  heereskrafft  quam  von  Gnesna  in 
Preussen  und  irslugk  alles,  was  im  entgegen  quam  in  krieges  weise, 
und  nam  ein  das  gantze  landt.  Er  zog  gen  Rickoyott  addir  Bomowo 
und  die  wonungk  des  kirwaiden  mit  allen  waidlotten  do  yorbrandte, 
die  bilde  der  abgöttir  Patollo,  Patrimpo  und  Perkuno  ins  feuer  warff 
und  zogk  so  wegk."  Miechow  lässt  Bomowe  und  Balga  zerstören  und 
nennt  nicht  die  Götternamen.11*)  Es  ist  natürlich,  dass  man  dabei  von 
Balga  ausgeht  um  Bomowe  zu  suchen,  welches  Boleslaus,  wenn  wir 
auf  die  Reihenfolge  der  Worte  etwas  geben,  auf  seinem  Marsche  zu- 
erst berührt  haben  muss.  Man  hat  zunächst  Anstoss  genommen  am 
Namen  Eikoyto,  denselben  von  rikis,  Herr,  abgeleitet119)  und  für  Grünaus 
Erfindung  erklärt.120)  Die  Ableitung  mag  schon  richtig  sein,  darum 
hat  man  noch  nicht  nöthig,  Grünau,  den  man  höchstens  als  Sprach- 
verderber  kennt,  zum  Sprachkünstler  zu  machen.  Uns  scheint  es,  dass 
er  die  Ortsbezeichnung  im  Volke  gehört  und  wir  meinen  die  durch 
dieselbe  angedeutete  Gegend  noch  heute  nachweisen  zu  können. 

Im  Jahre  1262  stellte  der  Landmeister  Helmerich  eine  vielfach 
besprochene  und  nach  manchen  Seiten  hin  interessante  Handfeste  für 
den  Preussen  Tropo  aus1*1)  über  eine  Beihe  von  Gütern,  welche  sich 
später  im  Besitz  der  Familien  v.  Eppingen  und  Portugal  befanden,  deren 
Kern  das  adl.  Gut  Keimkallen  bildete.  Die  in  der  betreffenden  Ur- 
kunde genannten  Ortschaften  waren:  Plotemeiten,  später  Wangenyskaym, 
jetzt  Wangnicken  genannt.1*8)  Dicht  dabei  lag  Stirweisten,  welches 
noch  1494  mit  Wangenyskeim  zusammen  erwähnt  und  Weysen  genannt 
wird.  "3)  In  dieser  Begüterung  sind  auch  die  Ortschaften  Lauxeinen 
und  Hewksene  aufgegangen,   die  sich  heute  nicht  mehr  nachweisen 


'")  So  Perlbach  S.  80  Anm.  1. 

"°)  Ne88elmann,  thesaur.  linguae  Pr. 

*°)  Perlbach  S.  G2  Anm.  2. 

12 *)  Dieselbe  ist  falsch  abgedruckt  in:  Kreuzfeld,  Vom  Adel  der  alten  Preussen 
S.  30.  Ebenfalls  nicht  ganz  richtig  nach  dem  schwanen  Hansbuch  in  meiner  Ab- 
handlung: »Das  Amt  Balga«  Altpr.  Mtsschr.  V,  S.  127.  Richtig  giebt  Voigt,  Gesch. 
I1IT  S.  212  Anm.  2  die  Ortschaften  nach  der  im  geh.  Archiv  Schiebl  XXVI.  No.  1 
befindlichen  Urkunde.    Falsch  gedeutet  ist  dieselbe  Scr.  rer.  Pr.  I,  260. 

llf)  Plut  und  Wange  Waldbeseichnungen, 

"')  Altpr.  Mtsschr.  Vi,  S.  498  Urk.  No.  129. 

19* 


292  Urpreufsen 

lassen,"4)  dagegen  ist  das  danach  genannte  Bej Otiten  das  heutige 
Bomansgut,  welches  1492  „Romans  oder  Boitten",  in  einem  Balgaschen 
Visitationsrezess  vom  11.  Mai  1575  Begitten  genannt  wird. ,M)'  Im 
16.  Jahrhundert  führten  die  Besitzer  dieses  Gutes  den  Namen  Eoman, 
im  löten  Romohn,  der  sehr  wohl  vom  Gute  herstammen  konnte,  in 
welchem  man  noch  im  vorigen  Jahrhundert  eine  heilige  Eiche  zeigte. 
Bei  Bomansgut  und  Newecken  lag  auch  der  Werzowald,  ein  Wort,  das 
sich  möglicher  Weise  durch  Eberwald  übersetzen  lässt.  Wenn  wir  hier 
auch  nicht  das  Heiligthum  selbst  suchen,  so  glauben  wir  einen  zu  dem- 
selben gehörigen  Ort  gefunden  zu  haben.  Gehen  wir  auf  der  den  Kreis 
durchschneidenden  Chaussee  nach  Süden  herunter,  so  stossen  wir  an 
der  Ereisgrenze  auf  Begitten  bei  Braunsberg,  ziehen  wir  nach  Norden 
hinauf,  so  kommen  wir  in  der  Nähe  des  Haffs  an  die  Ortschaft  Bejoten. 
Der  vorspringende  Theil  der  Haffküste  wird  von  einer  durch  diese  Ort- 
schaften gedachten  Linie  vom  übrigen  Theil  des  Heiligenbeiler  Kreises 
gewissermassen  abgeschnitten.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieses 
Landgebiet  in  uralten  Zeiten  zum  Samlande  gehört  hat  und  erst  durch 
Küstenveränderungen  im  frischen  Haff  von  demselben  getrennt  wurde. 
Bestätigt  scheint  diese  Vermuthung  dadurch  zu  werden,  dass  die 
nächste  Besitzung,  welche  Tropo  erhielt,  Keimal,  das  heutige  Gut 
Keimkallen,  nach  der  Urkunde  in  einem  Ländchen  Namens  Meindenowe, 
Medenau,  liegt,  das  Dorf  Beynis  aber,  Beinschhof,  an  der  Haffküste  gar 
im  Samland.  In  diesem  Gebiete  wohnte  auch  der  bekannte  Preusse 
Gedun,  welcher  dem  Könige  Ottokar  über  Samland  Auskunft  gab  und 
dafür  die  Dörfer  Thomasdorf  und  Schirten  erhielt,  von  denen  das  erste 
im  Mittelalter  den  Namen  „  Bischofen  Thomasdorf ■  führte.  Auf  dem 
Gebiet  dieses  Gutes,  auf  dem  Felde,  an  welchem  Jarft  und  Bahnau 
zusammenstossen,  vermuthet  man  den  heiligen  Wald  und  Thomasdorf 
mag  seinen  Beinamen  erhalten  haben  zum  Andenken  an  den  Bischof 
Anselm,  der  nach  der  Sage  die  Curche- Eiche  gefällt  haben  soll. ,2e) 


'")  Wenn  nicht  Hewksene  der  Hof  Benoskaym  ist,  der  von  dem  auf  Weysen 
sitzenden  Matthis  Polbitt  1498  erkauft  wurde;   a.  a.  0.  S.  502  Urk.  No.  142. 

"*)  Das  Nähere  in  meiner  Abh dl.:  Das  Amt  Balga  a.  a.  0.  VI,  S.  135  Anm.  45. 
we)  Ebd.  S,  128.    An  Jurken,  jetit  Jürkendorf,  erinnerten  wir  schon  S.  274. 


ron  Adolf  Rogge.  293 

Von  vorn  herein  beabsichtigte  hier  der  Orden  die  Anlage  einer  Stadt, 
wie  aus  der  Verschreibung  für  Gedun  hervorgeht,127)  und  wird  der- 
selben schwerlich  zufällig  den  Namen  Heiligenbeil,  d.  i.  heilige .  Stadt, 
gegeben  haben.  Wohl  fand  er  hier  nicht  mehr  das  Landesheiligthum 
vor,  aber  die  besondere  Verehrung  des  Curche  in  dieser  Gegend  war 
noch  eine  Erinnerung  an  dasselbe.  Dieses  Gebiet,  das  wirklich  eine 
Landesmitte  bildete,  mag  daher  schon  Rikoyott  oder  Begitten,  Herrn- 
land genannt  sein.  Die  Gegend  um  Heiligenbeil  war  noch  im  vorigen 
Jahrhundert  der  Ort  der  Hexensabbate, 128)  denn  das  Volk  hat  ein  treu 
Gedächtniss  für  seine  Götzen. 

Nachdem  das  Nationalheiligthum  zu  Heiligenbeil  zerstört  war, 
fluchtete  Curche  mit  seinem  Oberpriester  nach.Samland.  Die  nüchternste 
Untersuchung  wird  nicht  leugnen  können,  dass  keine  der  für  den  hei- 
ligen Wald  überlieferten  Bezeichnungen  so  nahe  an  den  Namen  Bomowe 
anstreift,  wie  (die  noch  1325)  für  das  kölmische  Gut  Bomehnen,  Kirch- 
spiels Thierenberg,  im  Samlande  gebräuchliche  Bumonove  (1325),  Bo- 
mayn  (1335),  Bumbow  (1349). ,29)  Hieher  weisen  auch  die  Worte  der 
Jüngern  Hochmeisterchronik  „ende  die  paeus  woende  altyt  in  Samelant 
in  en  dorp,  dat  Borna ve  heit\  Mag  diese  Chronik  immerhin  der  Kritik 
zu  mancherlei  Ausstellungen  Veranlassung  geben,  eine  derartige  Ab- 
weichung von  Dusburg  konnte  sich  der,  mit  amtlichem  Material  ver- 
sehene, Verfasser  unmöglich  ohne  zwingende  Gründe  erlauben. 

Von  Samland  eilten  die  Götter  nach  Nadrauen,  nachdem  Ottokars 
Schwert  sich  schärfer  erwiesen,  als  der  Blitzstrahl  des  Ferkunos,  und 


127)  Das  Amt  Balga  a.  a.  0.  VI,  S.  131. 

"*)  Siehe  meine  »Beitrage  zur  Geschichte  des  Heiligenbeiler  Kreises*  Altpr. 
Mtsschr.  X,  S.  556. 

»•)  Voigt,  Gesch.  I,  S.  640—44,  159—63.  Vgl.  Toppen,  Geographie  S.  24,  25. 
Mögen  die  Voraussetzungen,  von  denen  Voigt  ausgeht,  ebenso  unrichtig  sein,  wie 
die  Schlüsse,  zu  denen  er  gelangt,  wenn  er  Baunonia  und  Bomowe  zusammenstellt. 
Das  von  ihm  angezogene  urkundliche  Material  scheint  uns  doch  sehr  schwer  ins  Ge- 
wicht zu  fallen.  Die  vielen  heiligen  Wälder  in  Samland  dürften  die  besten  Zeug- 
nisse für  den  allerheiligsten  sein,  den  man  so  unnahbar  wie  möglich  machen  wollte. 
Wir  stehen  hier  vor  einem  der  wenigen  Fälle,  in. denen  uns  selbst  Töppens  scharf- 
sinnige Beweisführung  nicht  überzeugen  kann.  Es  ist  kaum  denkbar,  dass  man  mit 
dem  Namen  Bomowe  so  leichtsinnig  umgegangen  sein  sollte,  ihn  Orten  zuzuweisen, 
die  mit  dem  Heiligthum  in  gar  keiner  Verbindung  standen« 


Jg4  Urpreussen 

sind  zuletzt  nach  Romeyn  an  der  Nawese  verzogen  und  allda  am  Ende 
des  13.  Jahrhunderts  dem  Schwerte  Ludwigs  von  Libenzell  erlegen.  13°) 
Per  letzte  Schriftsteller,  der  des  Heiligthums  erwähnt,  Joh.  Meletius, 
kennt  daselbst  nur  den  Perkunsdienst.  Mit  dem  Jahr  1300  gab  es  in 
Preussen  nur  noch  Götter  in  der  Phantasie  des  Volkes. 

Dunkel  wie  der  Wald,  in  dem  er  gewohnt  haben  soll,  ist  auch 
die  Gestalt  des  preussischen  Oberpriesters,  den  nach  Dusburgs  Bericht 
die  Preussen  als  Papst  verehrten,  „der  obirste  E warte*  (also  mehr  ein 
Gesetzes-  als  ein  Glaubensmann),  wie  ihn  Jeroschin  nennt.  Für  seinen 
Namen  „Crive*  giebt  es  keine  sichere  Erklärung.  Das  an  den  Quellen 
des  Dniepr,  der  Dana  und  Wolga  hausende  Volk  der  Crivizzen, m)  die 
finnischen  Krewinen,  "*)  die  vielleicht  durch  Annahme  slavischer  Satzung 
ihre  Existenz  gerettet,  scheinen  das  Dasein  verschiedener  Crivevölker 
zu  bezeugen.  Sicher  hat  Dusburg  der  Macht  des  einzelnen  Crive  zu 
weite  Grenzen  angewiesen.  Im  Vernichtungskampfe  des  deutschen  Or- 
dens gegen  die  Preussen  war  es  ihm  nicht  ein  Mal  gelungen  das  Volk  zu 
einen.  Der  Einblick,  den  Dusburg  in  seine  Amtsthätigkeit  gewährt,  zeigt 
ihn  in  recht  erbärmlichem  Lichte  und  beweist  namentlich  in  der  Todten- 
frage,  dass  er,  wie  heute  ein  sog.  kluger  Mann  oder  eine  kluge  Frau, 
so  nennt  das  Volk  Zauberer  und  Hexen,  von  einem  fein  ausgebildeten 
Spürsystem  lebte,  das  sich  aber  nur  auf  sehr  beschränkten  Gebieten 
aufrecht  erhalten  lässt.  Ein  Mensch,  der  solche  Kunststücke,  wie  der 
Dusburgsche  Crive  macht,  kann  nicht  mehr  an  sich  selbst,  viel  weniger 
an  die  Götter  geglaubt  haben.  Hätte  er  einen  Amtsgenossen  besessen, 
so  hätte  er  denselben  offenbar  angelacht,  wie  ein  römischer  Augur  den 
andern.  Dusburg  hat  nur  etwas  vom  verfallenen  Heidenthum  gehört, 
dabei  mögen  sich  in  die  Kunde,  die  er  erhielt,  Erinnerungen  aus  früherer 
besserer  Zeit  gemischt  haben. 

Ein  Abglanz  von  der  Würde  des  Crive  soll  auch  auf  sein  Ge- 
schlecht, ja  auch  auf  seine  Diener  gefallen  sein.    Wenn  dieselben  mit 


130)  D^b.  111,  2B9.    Scr.  rer.  Pruss,  I,  159.    Toppen,  Geogr.  S.  40  Anm.  197. 
Acta  Bonus.  II,  406. 
"»)  Krek  S.  76. 
"')  Siehe  Kapitel  1  Anm.  10. 


tod  Adolf  Rogge.  295 

dem  Krummstabe  (Kriwul),  13°)  durch  dessen  Umhersendung  noch  heute 
die  Ortsschulzen  Dorfsversammlungen  berufen,  oder  mit  einem  andern 
bekannten  Zeichen  erschienen,  so  genossen  sie  bei  Allen,  vom  Fürsten, 
d.  h.  dem  kleinen  Eunings,  bis  zum  gemeinen  Mann  die  höchste  Ehre. 
Nirgend  wird  gesagt,  dass  er  sich  der  Priester  zu  seinen  Zwecken  be- 
dient. Den  meisten  Slaven  fehlte  ein  besonderer  Priesterstand,  obwohl 
derselbe  bei  den  Polaben  und  einigen  baltischen  Slaven  vorkommt.134) 
Sippen  und  Stammesälteste,  Fürsten  und  Hausherrn  verwalteten  im  All- 
gemeinen auch  das  Priesteramt  in  ihren  Kreisen.135)  Jeder  Hausvater 
war  ein  Priester,  jeder  Heerd  ein  Altar.  Nach  seiner  priesterlichen 
Würde  hiess  darum  das  Familienhaupt  „ognis  caninü",  Heger  des  heiligen 
Feuers. 136)  In  Folge  dessen  mögen  sich  die  Boten  des  Crive  mit  jeder 
Kunde  aus  dem  heiligen  Haine  an  die  Könige  und  Edelleute  (reges  et 
nobiles)  gewandt  haben.137)  Die  in  späterer  Zeit  bei  den  Litthauern 
genannten  Priesterordnungen,  wie  die  Waidelotten  des  Simon  Grünau, 
waren  wahrscheinlich  nichts  als  Zauberer,  die  Epigonen  des  Heiden- 
thums,  die  sich  unter  allen  Völkern  finden  nnd  nach  dem  Sturz  der 
Götter  ein  kläglich  Dasein  unter  dem  Landvolk  fristen.  Waissel1") 
hat  die  Signoten  als  besondere  Priesterkaste  eingeführt,  doch  der  Mann, 
der  den  Evarto-Krible  aus  Jeroschin  entnommen,  hat  mit  den  Signoten 
wahrscheinlich  dem  Peter  Dusburg  eine  Huldigung  dargebracht,  der 
Criwes  Boten  „cum  signo  noto*  ausgehn  lässt  Auf  Priesterinnen  hat 
man  aus  der  Sage  von  der  galindischen  Prophetin  (prophetissa) 13W)  ge- 
schlossen, welche  ihr  Geschlecht  an  den  Männern  des  Galinderstammes 
so  furchtbar  gerächt  haben  soll.  Um  Uebervölkerung  zu  vermeiden, 
schnitten  die  Galinder  ihren  Frauen  die  Brüste  ab.  Empört  wandten 
sich  diese  an  eine  Herrin  (domina),  welche  nach  Landesbrauch  heilig 
und  für  eine  Prophetin  gehalten  % wurde,  nach  deren  Befehl  die  Geschicke 
des  Landes  gelenkt  wurden.   Diese  befahl  nun  den  Männern  ohne  Wehr 


,3a)  cum  baculo  suo  vel  alio  signo  noto. 

13')  Krek  S.  114.     I35)  Ebd.  8.  113.    ,M)  Ebd.  S.  203. 

t37)  Dusb.  m,  5.    Scr.  rer.  Pr.  I,  53. 

,38)  Fol.  21  b. 

»■)  Dusb.  IH,  4.    Scr.  rer.  Pr.  I,  52. 


296  Urpreussen  von  Adolf  Rogge. 

und  Waffen  einen  Raubzug  nach  Masuren,  der  natürlich  einen  ver- 
derblichen Ausgang  nehmen  musste.  Alle  Männer  wurden  niederge- 
hauen.   Sollte  das  wirklich  keine  Fabel  sein? 

Im  Allgemeinen  war  die  Stellung  der  Frau  bei  den  Preussen  schon 
wegen  der  Vielweiberei  sicher  nicht  beneidenswerth.  Manche  litthauische 
Daina  lässt  noch  in  späterer  Zeit  die  Mädchen  mit  Schrecken  an  den 
Ehestand  denken.  Nach  der  oft  erwähnten  Urkunde  von  1249  herrschte 
die  Vielweiberei.  Die  Frauen,  welche  gekauft  wurden,  ,4°)  konnten  vom 
Vater  auf  den  Sohn  vererbt  werden,  auch  scheute  man  sich  nicht  die 
Schwiegermutter  zur  Gattin  zu  nehmen.  Das  Weib  leistete  Magdsdienste. 
Der  düsterste  Schatten,  welchen  das  Heidenthum  auf  das  häusliche  Leben 
warf,  trat  im  häufigen  Eindermorde  hervor. 

Die  Hochzeitsgebräuche,  die  erst  in  spätem  Quellen  geschildert 
werden,  waren  theils  sinnig,  theils  roh.  Prügel  mahnten  die  Braut  an 
ihre  traurige  Zukunft  und  für  eine  rechtmässige  Ehefrau  sah  man  die- 
selbe erst  an,  wenn  sie  den  ersten  Sohn  geboren. 1U)  Hier,  wie  überall 
besass  das  Heidenthum  nicht  die  Kraft  bildend  und  veredelnd  auf  die 
Sitte  des  Hauses  einzuwirken  und  musste  darum  früher  oder  später  an 
den  sittlichen  Schäden,  die  es  erzeugte,  zu  Grunde  gehen. 

Lange  widerstand  der  Eber  dem  Schwerte,  dem  Kreuze  war  er 
nicht  gewachsen.  Nichts  als  zwei  Buchstaben  im  Namen  eines  mäch- 
tigen Volkes  erinnern  heute  an  den  Eber,  das  Symbol  des  leuchtenden 
Himmels,  das  Bildniss  und  Gleichniss,  das  unsere  Vorfahren  einst,  da 
sie  es  anbeteten  und  ihm  dienten,  vom  Gottesdienst  zum  Sterndienst, 
vom  Sterndienst  zum  Thierdienst  getrieben. 


"°)  Dußburg.    "')  Joh.  Meletius. 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg. 

Nach  den  Papieren  des  Ministers  Theodor  v.  Schön  und  dem  Tagebuch 

des  Landhofmeisters  v.  Auerswald. 

Am  22.  Januar  1813  gegen  Abend  traf  Stein  begleitet  von 
E.  M.  Arndt  in  Königsberg  ein,  um  dort  die  Erhebimg  der  Provinz 
Preussen  wider  französische  Zwingherrschaft  in  Gang  zu  bringen. 

Arndt  giebt  den  21.  Januar  als  den  Tag  der  Ankunft  an,  aber  diese 
Angabe  muss  auf  einem  Irrthum  beruhen,  denn  das  oben  angegebene 
Datum  ist  urkundlich  zu  sicher  beglaubigt.  Der  Bericht  des  Landhof- 
meisters v.  Auerswald  an  Hardenberg  vom  23.  Januar,  der  jüngst  aus 
den  Akten  des  geheimen  Staatsarchivs  mitgetheilt  worden  ist,  lässt 
darüber  keinen  Zweifel,  dass  Pertz  in  seiner  Lebensgeschichte  Stein's 
das  Datum  richtig  angegeben  hat.  Arndt  erzählt  ferner,  dass  Stein  in 
Gutoibinnen  bei  Schön  zwei  Tage  verweilt  habe,  und  auch  diese  Zeit- 
bestimmung muss  für  unrichtig  erklärt  werden,  denn  Stein  ist  am 
20.  Januar  in  der  Nacht  in  Gumbinnen  angekommen,  hat  am  21ten  mit 
Schön  angelegentlich  und  ausführlieh  verhandelt  und  ist  am  22ten  früh 
schon  nach  Königsberg  weiter  geeilt. 

üeber  die  Verhandlungen  Stein's  mit  Schön  in  Gumbinnen  weiss 
Arndt  nichts  Näheres  zu  berichten.  Auch  das  hat  einen  natürlichen 
Grund.  Stein  hielt  ihn  überhaupt,  wie  Schön  bei  anderer  Gelegenheit 
ausdrücklich  zu  erwähnen  Gelegenheit  hat,  in  einer  etwas  untergeordneten 
Stellung  und  von  sich  entfernt.  Er  vergass,  bei  aller  Freundschaft  für 
den  Mann  und  bei  allem  Vertrauen  zu  ihm,  nicht  leicht  den  Minister 
und  Reichsfreiherrn,  und  hat  ihn  niemals  zu  den  entscheidenden  politi- 
schen Verhandlungen  und  Erwägungen  zugezogen.  Daher  kommt  es, 
dass  Arndt  über  die  inneren  Vorgänge  jener  verhängnissvollen  Tage, 


298  D«  24.  Januar  1813  in  Königsberg. 

welche  zugleich  in  dem  Urtheil  Schön's  über  Stein  jenen  Umschwung 
zu  Wege  brachten,  welchen  die  Kritiker  Schön's  mit  Unrecht  in  eine 
spätere  Zeit  verlegen,  mit  noch  grösserem  Unrecht  einer  neidischen  ver- 
bitterten Stimmung  des  alternden  Staatsmannes  zuschreiben,  wenig  zu 
berichten  weiss.  Arndt  selbst  gesteht  dies  an  mehreren  Stellen  seiner 
anziehenden  und  lehrreichen  Erzählung  von  den  Wanderungen  mit  dem 
Freiherrn  v.  Stein  unumwunden  ein.  Ergänzt  wird  dies  für  den  spe- 
ciellen  vorliegenden  Fall  aus  den  Erinnerungen  des  noch  lebenden 
ältesten  Sohnes  Schön's,  der  damals  zehn  Jabre  alt  war,  und  der  noch 
genau  weiss,  dass  während  Stein  und  Schön  in  des  letzteren  Zimmer 
mit  einander  Abrede  nahmen,  und  ihre  Unterhaltung  zuerst  in  ruhigem 
gemessenem  Tone  geführt  wurde,  dann  aber  vehement  sich  steigerte, 
um  wieder  in  Ruhe  zu  enden,  Arndt  sich  mit  den  Kindern  Schön's  im 
Nebenzimmer  beschäftigte,  dessen  Thure  zwar  offen  stand,  so  dass  er 
das  Gespräch  der  beiden  wohl  hören,  aber  ihm  nicht  folgen  konnte. 
(Band  IV,  S.  155,  Z.  6  v.  o.)  Es  erklärt  sich  daraus,  dass  Arndt  weder 
über  die  zwischen  Stein  und  Schön  erörterten  Differenzpunkte  und  ihre 
Erledigung,  noch  über  die  gleich  darauf  in  Königsberg  zu  Tage  ge- 
tretenen Verschiedenheiten  der  Ansichten  und  Standpunkte  näher  unter- 
richtet  war,  nur  den  äusseren  Verlauf  beobachten  konnte. 

Was  bisher  darüber  bekannt  geworden  war,  beruhte  mehr  oder 
weniger  auf  den  Aeusserungen  Schön's  in  dem  an  Schlosser  gerichteten 
Briefe  vom  3.  März  1849  und  auf  den  Mittheilungen,  welche  Pertz  in 
seinem  Leben  Stein's  jedenfalls  nach  Aufzeichnungen  des  letzteren  ge- 
macht hat.  Jetzt  erst  sind  ausführlichere  Darstellungen  Schön's  zu- 
gänglich geworden  und  Urkunden  zu  Tage  gekommen,  welche  gestatten, 
jene  entscheidenden  Vorgänge  in  neuem  und  richtigerem  Lichte  darzu- 
stellen. Da  der  Herausgeber  der  Papiere  Schön's  uns  bereitwillig  Ein- 
sicht in  die  in  seinem  Besitze  befindlichen  Materialien  gestattet  hat, 
so  sind  wir  in  der  Lage,  darüber  volle  Klarheit  zu  schaffen.  Sehen 
wir  zunächst  zu,  wie  man  bisher  diese  Ereignisse  betrachtet  und  zu 
motiviren  versucht  hat. 

Thatsächlich  fest  steht  und  stand  schon  seit  langer  Zeit  fest,  dass 
Stein  gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Königsberg  von  dem  Landhofmeister 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg.  299 

v.  Auerswald,  der  als  Oberpräsident  zugleich  als  Commissarius  regius 
in  ständischen  Angelegenheiten  fungirte,  die  sofortige  Berufung  eines 
Landtages  gefordert  hatte,  dass  ferner  Auerswald  zuerst  diesem  Ver- 
langen bereitwillig  und  ungesäumt  nachgekommen  war,  dann  aber  das 
Bedenken  geäussert  hatte,  dass  ein  ordentlicher  Landtag  nur  auf  Befehl 
des  Königs  einberufen  werden  dürfe,  und  daher  das  schon  erlassene 
Ausschreiben  abschwächend  dahin  abgeändert  hatte,  dass  nicht  ein  Land- 
tag, sondern  nur  eine 

„Versammlung  von  Deputirten  der  Stände  stattfinden  würde, 
9  um  die  Eröffnungen  zu  vernehmen,  und  darüber  zu  berathen, 
«welche  der  Bevollmächtigte  Sr.  Majestät  des  Kaisers  von  Russ- 
„land,  Herr  Staatsminister  v.  Stein  Excellenz  machen  werde.* 
Die  conventionelle  Geschichtschreibung,  welche  das  mot  d'ordre 
empfangen  hatte,  dass  Stein  die  Vorgänge  in  Preussen,  welche  zu  der 
glorreichen  Erhebung  der  Provinz  führten,  allein  hervorgerufen  und  ge- 
leitet habe,  hat  sich  in  verschiedener  Weise  bemüht,  diese  Unbotmässigkeit 
Auerswald's  zu  erklären.  Von  ihrem  Standpunkte  aus  musste  sie  zu- 
gleich dieselbe  als  ein  Hemmniss  für  Stein's  Wirksamkeit  erklären, 
welches  ohne  die  Energie  und  Selbstverleugnung  des  Helden  sehr  wohl 
das  Scheitern  der  ganzen  Bewegung  hätte  herbeifuhren  können.  Da  nun 
die  Theorie  zugleich  voraussetzte,  dass  der  Unentschlossenheit  des 
Königs  nur  durch  die  heroische  That  Stein's,  der  die  Preussen  zu- 
letzt doch  in  die  ihnen  von  ihm  vorgezeichnete  Bahn  zwang,  ein  Ende 
gemacht,  und  er  durch  dieselbe  zu  seinem  eigenen  und  seines  Landes 
Heile  fortgerissen  werden  musste,  so  erschien  die  schwächliche  Bedenk- 
lichkeit Auerswald's  eigentlich  als  ein  Verbrechen,  und  da  Auerswald 
als  ein  viel  zu  guter  Mensch  und  ein  zu  warmer,  selbstloser  Anhänger 
Stein's  angesehen  wurde,  als  dass  man  ihm  eine  Unthat  zutrauen  durfte, 
so  wurde  nach  einem  Anstifter  gesucht,  derselbe  auch  bald  in  Schön 
gefanden.  Man  gewann  damit  zugleich  den  ferneren  Vortheil,  dass  man 
Schön  und  Stein  einander  gegenüberstellen,  den  letzteren  als  den  mann- 
haften Vertreter  des  höheren  göttlichen  Rechtes  in  ein  um  so  glän- 
zenderes Licht  stellen,  Schön  als  den  engherzigen  Verfechter  formell 
juristischer  Bedenken  gebührend  herabsetzen  konnte.  Dieser  Standpunkt 


300  Der  24«  J*ou«r  1813  in  Königsberg« 

gestattete  dann  auch  Schön's  eigene  Erklärungen  und  Erzählungen  für 
später  ausgesonnene  Lügen  zu  erklären.  Indem  man  so  die  Kette  der 
Schlussfolgerungen  schloss,  erreichte  man  ein  allseitig  befriedigendes 
Resultat,  man  konnte  Fehler,  die  Stein  begangen  hatte,  verwischen,  ihm 
Vollkommenheiten  andichten,  die  er  nicht  besass,  seine  staatsmännische 
Grösse  deutlich  nachweisen,  an  der  Kleinheit  und  Engherzigkeit  der 
Gegner  noch  greller  hervorheben,  und  selbst  seine  Ausschreitungen,  so 
weit  sie  sich  nicht  ableugnen  Hessen,  mit  dem  höheren  moralischen 
Rechte  entschuldigen.  Diese  Taschenspielerei  ist  mit  grosser  Kunst  in 
der  bisherigen  Geschichtschreibung  durchgeführt  und  ausgebildet  wor- 
den, aber  sie  hat  im  Laufe  der  Zeit  einige  Wandlungen  erfahren. 

Friedrich  Förster,  ein  Schriftsteller,  „ dessen  kritische  Ader  sonst 
nicht  besonders  stark  schlug  *,  wie  uns  Max  Lehmann  belehrt,  hatte 
etwas  davon  gehört ,  dass  die  Regierung  zu  Marienwerder  sich  der  An- 
ordnung Stein's  widersetzt  habe,  und  er  war  in  seiner  burschikosen  Art 
schnell  fertig  mit  dem  Wort.  Er  macht  kurzweg  die  Präsidenten 
Wissmann  und  Schön  für  Auerswald's  Bedenken  verantwortlich.  Sie 
machten  „den  Oberängstlichen  bänglich *,  sie  haben  es  dahin  gebracht, 
„dass  der  gerade  feurige  Stein  durch  solche  klug  ausgesonnene  Auskunfts- 
mittelchen gereizt  und  besorgt  gemacht,  unangenehm  geworden  sei.* 
Daher  der  Zank.  Er  weiss  auch,  dass  die  Präsidenten  und  die  sonstigen 
höheren  Civil-  und  Militärbeamten  noch  ängstlicher  geworden  seien,  als 
in  Königsberg  die  „berlinischen  Nachrichten*  vom  19.  Januar  mit  der 
öffentlichen  Bekanntmachung  von  York's  Entsetzung  eintrafen.  Dies 
geschah  gerade  am  24.  Januar.  Nach  Förster  ist  nur  York  selbst  fest 
geblieben.    Dieser  musste  freilich  aus  der  Affaire  gezogen  werden. 

Pertz  in  seinem  Leben  Stein's,  dem  die  jedenfalls  sehr  genauen 
Notizen  Stein's  vorlagen,  fasst  die  heikle  Sache  wie  gewöhnlich  mit 
grosser  Vorsicht  an.  Dass  Auerswald,  zuerst  ohne  alles  Bedenken  auf 
Stein's  Forderung  eingehend,  noch  am  23.  Januar  einen  ordentlichen 
Landtag  berief,  und  die  Convocationsschreiben  zunächst  an  seine  Land- 
räthe  erliess,  übergeht  er  mit  Stillschweigen,  er  schiebt  ihm  in  die 
Schuhe,  „dass  er  sich  sofort  gesträubt  habe,  eine  solche  Massregel  ohne 
Auftrag  des  Königs  zu  wagen*.    Er  habe  es  aber  eben  so  wenig  ge- 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg.  301 

wagt,  „unter  dem  Befehl  des  russischen  Heeres"  sich  den  Anordnungen 
Stein's  zu  entziehen.  Er  gab  also  dem  Zwange  nach.  „Um  das  An- 
sehen des  Königs  zu  schonen",  sei  dann  „der  Landtag  für  eine  Ver- 
sammlung ständischer  Abgeordneten  erklärt8  worden.  Dies  habe  nirgend 
Anstoss  erregt,  nur  die  westpreussische  Regierung  habe  Bedenken  ge- 
habt, „die  jedoch  durch  den  aas  Königsberg  zurückkehrenden  Präsidenten 
erledigt  wurden".  So  ist  Alles  glatt  und  friedlich  abgelaufen.  Da  Pertz 
gute  Informationen  hatte,  so  hütete  er  sich  der  Wahrheit  zu  nahe  zu 
treten,  und  liess  lieber  Schön  und  Wissmann  weg,  erwähnte  den  Streit 
gar  nicht,  und  verzichtete  darauf  zu  erörtern,  wie  Stein  den  ihm  ent- 
gegentretenden Widerstand  beseitigt  habe,  letzteres  aus  dem  einfachen 
Grunde,  weil  er  recht  gut  wusste,  dass  Stein  nicht  durchdrang,  sondern 
sehr  entschieden  zurückgedrängt  wurde.  Da  dies  nicht  geeignet  ist, 
den  Buhm  des  Helden  zu  erhöhen,  so  wird  lieber  still  geschwiegen. 

Etwas  skeptischer  verfuhr  Droysen,  der  in  seinem  Leben  York's 
diese  Klippe  nicht  umgehen  konnte.  In  das  Geheimniss  der  Schwäche 
Stein's  nicht  eingeweiht,  hatte  er  keinen  Grund  die  Frage  mit  Still- 
schweigen zu  übergehen.  Er  kannte  ferner,  und  glaubte  an  Schön's 
Erzählung,  er  hatte  Auerswald's  Tagebuch  vor  sich.  Aber  das  letztere 
hat  er  nicht  zu  benutzen  verstanden;  er  konstatirt  daher  nur,  .dass 
Tork  über  die  Erlebnisse  dieser  Tage  keine  Aeusserungen  hinterlassen 
hat.  .  Er  zerbricht  sich  auch  darüber  den  Kopf,  und  erklärt  schliesslich 
den  Zusammenhang  so,  dass  durch  die  am  24.  Januar  in  Königsberg 
angelangte  öffentliche  Bekanntmachung  der  gegen  Tork  ergriffenen 
ostensiblen  Massregeln  die  bis  dahin  festgehaltene  Fiction  unhaltbar 
geworden  sei.  Man  habe  bis  dahin  annehmen  dürfen,  dass  der  König 
sich  noch  in  der  Gewalt  der  Franzosen  befinde,  und  nicht  frei  sei,  dass 
man  also  seine  Autorität  durch  die  Autorität  des  Kaisers  von  Bussland, 
der  das  Land  militärisch  occupirt  habe,  ersetzen  dürfe.  Von  diesem 
Augenblicke  an  aber  habe  man  sich  auf  dasjenige  beschränken  müssen, 
was  sich  durch  den  militärischen  Zwang  rechtfertigen  liess.  Deshalb 
habe  man  einen  „mittleren  Weg11  eingeschlagen,  der  geeignet  gewesen 
wäre,  „die  Prärogative  der  Krone  zu  schonen*  und  „das  Gewissen  derer, 
welche  dem  Könige,  auch  wenn  sie  seine  Wege  beklagen  mussten,  treu 


302  Der  **•  Janaar  1813  in  Kftnigsberg. 

gewärtig  zu  sein  für  ihre  erste  Pflicht  hielten,  zu  beruhigen4.  Er  be- 
schuldigt demgemäss  Schön  und  Wissmann,  Auerswald's  Schwenkung 
veranlasst  zu  haben. 

Die  letzten  Aufklärungen  hat  nun  Max  Lehmann  gebracht,  dem 
das  ganze  geheime  Staatsarchiv  kraft  seiner  amtlichen  Stellung  offen 
steht,  und  der  daher  in  der  Lage  sein  könnte,  authentische  Auskunft 
zu  ertheilen.  In  ihrer  masslosen  Uebertreibung  haben  sie  Bemedur  für 
den  bisher  mit  der  Gonjecturalgeschichtschreibung  getriebenen  Missbrauch 
gegeben.  Es  ist  daher  an  der  Zeit,  die  Conjecturen  dieses  Kritikers 
zu  beleuchten  und  damit  zugleich  Schön's  Andenken  wiederherzustellen. 
Stein  hatte  gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Königsberg  noch  am 
22.  Januar  ein  Schreiben  an  Auerswald  gerichtet,  in  welchem  er  ihn 
aufforderte, 

„  einen  General-Landtag  auf  den  5.  Februar  auszuschreiben, 
„um   mit  denen  ostpreussischen ,   litthauischen  und  diesseits 
„der  Weichsel  belegenen  Herren  Ständen  über  die  Errichtung 
„eines  Landsturms  und  einer  Landwehr  zu  beratschlagen  und 
„einen  Entschluss  zu  fassen.* 
In  welcher  stürmischen  Eile  und  Aufregung  Stein  diese  wichtige, 
folgenschwere  Requisition  niedergeschrieben  hat,  ergiebt  sich  aus  dem 
Wortlaute.    Sonst  drückt  er  sich  nicht  so  uncorrect  aus,  dass  er  die 
Herren  Stände  diesseits  der  Weichsel  belegen  sein  lässt.   Er  vergisst 
ganz,  dass  auch  die  ostpreussischen  und  litthauischen  Herren  Stände 
diesseits   der  Weichsel  belegen  sind,   dass  er  ihnen  also  die  west- 
preussischen  Stände,  welche  in  den  diesseits  der  Weichsel  belegenen 
Kreisen  ansässig  sind,  hinzufugen  musste.   Er  vergisst,  dass  ein  ordent- 
licher General-Landtag  nur  die  ostpreussischen  und  litthauischen  Stände 
umfassen  konnte,  die  westpreussischen  also  in  ausserordentlicher  Weise 
hinzuberufen  werden  mussten.     Er  vergisst  insbesondere,   dass  er  in 
Oumbinnen  soeben  mit  Schön  berathen  und  verabredet  hatte,  nur  eine 
zwangslose  „Versammlung  der  Landstände  von  Ost-  und  eines  Theils 
von  Westpreussen*  und  zwar  „in  Beziehung  auf  die  militärische  Be- 
setzung des  Landes  von  russischer  Seite*  zu  fordern,  „alsdann  die  im 
Lande  herrschende  Sichtung  laut  werden  musste.*    So  präcisirt  Schön 


Der  24.  Janaar  1813  in  Königsberg.  303 

die  genommenen  Abreden  in  dem  an  Schlosser  gerichteten  Briefe.  In 
seinen  Memoiren  drückt  er  sich  darüber  also  ans:  „wir  verabredeten, 
dass  er  nur  als  russischer  Armeekommissarius  auftreten,  und  als  solcher 
mit  Abgeordneten  des  Landes  verhandeln  sollte.  Entwickelte  sich  aus 
dieser  Versammlung  eine  Volksstimme  zur  Bewaffnung  unter  dem  Vor- 
behalte der  Genehmigung  des  Königs,  so  würde  diese  Stimme 
sich  selbständig  und  offen  und  ohne  russischen  Einfluss  stellen.0 

Hier  war  also  nicht  von  einem  Landtage,  sondern  nur  von  einer 
in  den  Formen  eines  Landtages  zusammenberufenen  und  berathenden, 
gewissermassen  constituir enden  Versammlung  die  Rede  gewesen,  welche 
unter  den  drängenden  Umständen  constitutionellen  Bedenken  nicht 
unterliegen  mochte.  Nicht  entfernt  aber  war  man  der  Meinung, 
von  der  Fiction  auszugehen,  wie  Droysen  meint,  dass  der  König  nicht 
frei  sei,  und  man  seine  Autorität  durch  die  Autorität  des  Kaisers 
von  Sussland  ersetzen,  oder  gar  sich  mit  militärischem  Zwange  werde 
entschuldigen  können.  Fühlte  der  berühmte  Geschichtschreiber  nicht, 
indem  er  diese  Gonjectur  aufstellte,  dass  er  Schön,  Auerswald  und  gar 
seinem  Helden  York  eine  staatsrechtliche  Ungereimtheit  unterschob? 
Ein  preussischer  General,  der  den  Befehl  seines  Königs  durch  die  eigene 
Initiative  ersetzte,  war  damals  schon  eine  zweifelhafte  Erscheinung.  Der 
General,  der  den  fehlenden  Befehl  des  Königs  durch  den  Befehl  des 
Kaisers  von  Bussland  ersetzen  liess,  und  sich  damit  in  die  Botmässigkeit 
des  letzteren  begab,  verdiente  die  Kugel,  und  der  Begierungspräsident, 
der  sich  dazu  hergab,  die  Cassation  und  Festungshaft.  Dagegen  mit 
Abgeordneten  des  Landes  über  militärische  Angelegenheiten  der  russi- 
schen Armee  zu  berathen,  konnte,  wie  die  Regierung  zu  Marienwerder 
später  richtig  erläuterte,  »des  Herren  Ministers  Freiherren  v.  Stein  Ex- 
cellenz, Beauftragten  Sr.  Majestät  des  Kaisers  von  Russland  *  nicht  ver- 
sagt werden.  Ob  nun  Stein,  indem  er  das  von  den  Behörden  zu  be- 
achtende und  zu  schützende  staatsrechtliche  Fundament  umwarf,  in 
blosser  Uebereilung  gehandelt  hat,  oder  ob  er  die  Absicht  hatte,  mit 
seiner  eigenen  Autorität  und  der  Vollmacht  des  Kaisers  schneller  und 
sicherer  zum  Ziele  zu  gelangen,  mag  dahin  gestellt  bleiben.  Gewiss 
ist,  dass  er  damit  den  Widerstand  der  preussischen  Behörden  heraus- 


304  Der  24«  Januar  1813  in  Königsberg. 

forderte,  wie  Schön  in  Gumbinnen  vorausgesagt  hatte,  und  dass  dies 
ein  Fehler  war,  der  zunächst,  wenn  auch  nur  mit  grosser  Mühe  wieder 
gut  gemacht  werden  musste.  Zunächst  lief  die  Sache  noch  glücklich  ab. 
Auerswald  erhielt  dies  Schreiben  Stein's  am  23.  Januar  früh,  und 
brach  sofort  den  Bericht  an  den  Staatskanzler  v.  Hardenberg,  den  er 
eben  unter  der  Feder  hatte,  ab,  wie  dieser  Bericht  selbst  ergiebt,  in 
welchem  er  bereits  die  Anzeige  niedergeschrieben  hatte: 

„Der  Minister  v.  Stein  ist  gestern  hier  eingetroffen,  und  hat, 
„wie  die  mir  vorgezeigte  Vollmacht  des  Kaisers  Alexander 
„besagt,  den  Auftrag  von  demselben,  so  lange,  bis  eine  offizielle 
„  Erklärung  unseres  Hofes  erfolgt  sein  wird,  die  Mittel  zur  Fort- 
setzung des  Krieges   in  der  hiesigen  Provinz  diesseits  der 
„Weichsel   vorzubereiten,   ohne  jedoch   die  preussische 
„Behörde  in  ihrer  Administration  zu  stören.* 
Aus  diesem  Wortlaut  des  dienstlichen  Berichts  folgt  unzweifelhaft, 
dass  Auerswald  Stein  schon  am  Abende  vorher  gesprochen,  dass  dieser 
ihm  seine  russische  Vollmacht  gezeigt,  dieselbe  aber  nicht,  wie  die 
Vollmacht   besagte,   und   er  in  Gumbinnen   versucht   hatte,   amtlich 
geltend  machte,  um  sich  über  die  preussische  Administration  zu  stellen, 
sondern  sich  auf  die  mit  Schön  verabredete  Stellung  beschränkte.   Dabei 
hatte  Auerswald  sich  beruhigt,   und  hatte  Hardenberg  zunächst  den 
weitergehenden  Inhalt  der  Vollmacht  verschwiegen,  gerade  so,  wie  Schön 
dies  acht  Tage  später  in  seinem  Berichte  vom  30.  Januar  an  Harden- 
berg that. 

Man  ignorirte  einfach  die  weitergehenden,  das  Ansehen  des  Königs 
schwer  verletzenden  Bestimmungen  der  Vollmacht,  so  lange  Stein 
selbst  sie  nicht  geltend  machte.  Aber  von  einer  Fiction,  dass 
man  die  Autorität  des  unfreien  Königs  durch  die  Autorität  des  Kaisers 
von  Sussland  ersetzen  könne  und  wolle,  dass  man  sich  in  preussischen 
Verwaltungs-Angelegenheiten,  die  gerade  nicht  gestört  werden  sollten, 
militärischem  Zwange  fugte,  ist  gar  keine  Bede. 

Auerswald  unterbrach  die  begonnene  Berichterstattung,  und  war  im 
Vertrauen  auf  Stein's  loyale  Erklärungen  so  arglos,  dass  er  ohne  An- 
stand zunächst  als  Oberpräsident  die  drei  Regierungen  zu  Königsberg, 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg.  305 

Gumbinnen  und  Marienwerder  zum  Erlass  der  Convocationsschreiben 
für  einen  Landtag  aufforderte.  Die  Landräthe  des  Königsberger  Bezirks 
wurden  in  Folge  dessen  von  Seiten  des  Regierungspräsidiums  mit  der 
gewöhnlichen  Anweisung  versehen,  auch  das  ständische  Comitä  zu  Königs- 
berg benachrichtigt.  Diese  Schreiben  gingen  an  die  Landräthe  per 
Estafette  ab,  das  ständische  Comitä  hat  die  Benachrichtigung  nach  dem 
in  den  Landtagsakten  enthaltenen  Fräsentationsvermerk  am  24.  erhalten. 
Nun  hatte  aber  Schön,  wie  er  in  mehreren  Aufzeichnungen  aus- 
drucklich hervorhebt,  die  Vorsicht  gebraucht,  nach  der  Abreise  Stein's 
von  Gumbinnen  den  General  York,  den  Grafen  Alexander  zu  Dohna  und 
namentlich  auch  seinen  Schwiegervater,  den  Landhofmeister  v.  Auers- 
wald,  über  die  Abreden,  welche  er  mit  Stein  getroffen,  in  Eenntniss 
zu  setzen.  Da  er  Stein's  Temperament  kannte,  seine  falschen  staats- 
rechtlichen Auffassungen,  seine  Unkenntniss  der  Lage  der  Dinge  und 
der  Stimmung  des  Volkes  kennen  gelernt  hatte,  die  eben  die  Ursache 
eines  sich  ändernden  ürtheils  über  Stein's  staatsmännische  Befähigung 
wurde,  so  war  diese  Vorsicht  von  seiner  Seite  geboten.  Er  machte  zu- 
gleich seinem  Schwiegervater  die  Mittheilung,  dass  er  selbst  am  24ten 
Januar  in  Königsberg  eintreffen  werde.  Diese  Mittheilung  erhielt  Auers- 
wald  am  24.  Januar,  nachdem  er  die  Requisition  an  die  Regierung  zu 
Marienwerder  unterzeichnet  und  abgesendet  hatte.     Dieselbe  ist  vom 

24.  datirt,  und  war  auf  Zusammenberufung  eines  ordentlichen  Land- 
tages gerichtet,  wie  das  Convocationsschreiben  an  die  Landräthe  von 
Ostpreussen.  Dies  ergiebt  sich  aus  dem  von  Lehmann  mitgetheilten 
remonstrirenden  Bericht  des  Begierungpräsidiums  von  Marienwerder  vom 

25.  Januar.  Das  letztere  hielt  die  Berufung  eines  Landtages  für  un- 
constitutionell.  Er  hat  aber  jene  Mittheilung  Schön's  erhalten,  bevor 
er  seinen  am  vorigen  Tage  abgebrochenen  Bericht  an  Hardenberg  fort- 
setzte, denn  in  diesem  schreibt  er  ausdrücklich,  dass  „bloss  eine  Ver- 
sammlung von  Deputaten*  zusammentreten  werde.  Die  Wandlung  ist 
also  erfolgt  in  der  Zwischenzeit  zwischen  der  Absendung  beider  Schrift- 
stücke. Zugleich  schreibt  Auerswald:  „Der  Regierungspräsident  Wiss- 
mann ist  gestern  hierher  berufen  worden.  Der  Geheime  Staatsrath 
v.  Schön  wird  schon  heute  ankommen.*   Also  Wissmanü  war  erst  be- 

▲ltpr.  Monttiiohrlft  Bd.  XIV.  Hft.  3  u.  4*  20 


306  Der  2i-  Januar  1818  in  Königsberg. 

rufen,  wusste  von  der  Einberufung  des  Landtages  noch  nichts,  und  Schön 
war  auch  noch  nicht  da,  als  Auerswald  das  staatsrechtliche  Fundament 
des  von  Stein  verlangten  Landtages  änderte.  Die  Berufung  Wissmann's 
war  auf  Stein's  Verlangen  erfolgt,  Schön  war  nicht  besonders  berufen, 
er  kam  von  selbst,  wie  Arndt  erzählt,  schon  in  Gumbinnen  „von  Stein 
geladen  und  befohlen,  baldigst  nachzukommen/  Auerswald  erfuhr  durch 
diese  Mittheilung  den  Termin  seiner  Ankunft,  und  konnte  ihn  so  dem 
Staatskanzler  bestimmt  melden. 

Da  Schön  an  diesem  Tage  noch  keine  Ahnung  von  dem  haben 
konnte,  was  Auerswald  und  Stein  am  22.  und  23.  bereits  gethan  hatten, 
so  kann  weder  er  noch  Wissmann  persönlich  einen  Einfluss  auf  die 
Aenderung  der  Anschauungen  Auerswalds  ausgeübt  haben.   Es  ist  eine 
leichtfertige  Behauptung,  dass  beide  „den  Oberängstlichen  bänglich  ge- 
macht *  haben.    Auerswald  erkannte  vielmehr  von  selbst  aus  den  Mit- 
theilungen Schön's  über  seine  Abreden  mit  Stein,  dass  von  den  An- 
schauungen und  Tendenzen  des  letzteren  grosse  Gefahr  drohe  und  dass 
vor  allen  Dingen  an  der  staatsrechtlichen  Basis  festgehalten  werden 
müsse:  kein  Landtag,  sondern  nur  eine  Versammlung  von  Deputirten, 
mit  denen  über  russische  Kriegs-  und  Armeeverhältnisse  berathen  werden, 
aus  deren  Mitte  der  Buf  nach  Bewaffnung  des  Landes  sich  entwickeln 
solle ;  für  diese  letztere  That  aber  Vorbehalt  der  Genehmigung  des  Königs, 
Es  gereicht  dem  Landhofmeister  v.  Auerswald  zur  Ehre,  dass  es 
nur  der  Kenntnissnahme  von  diesen  Abreden  bedurfte,  um  ihm  sofort 
klar  zu  machen,  welchen  Standpunkt  er  gegenüber  den  Forderungen 
Stein's  einzunehmen  habe.    Bevor  noch  Schön  am  Abende  des  24ten 
Januar  ankam,  hatte  er  seine  Position  genommen,  eines  Zuredens,  gar 
des  Bangemachens  hat  es  gar  nicht  bedurft.    Der  von  Schön  fixirte, 
von  Stein  nur  halb  begriffene,  widerwillig  acceptirte  und  sofort  wieder 
verlassene  staatsrechtliche  Grundsatz  war  der  allein  richtige,  der  allein 
zum  Ziele  führen  konnte.    Das   sahen   auch  York  und  Dohna  ohne 
Weiteres  ein,  und  sie  haben  denselben  gleichfalls  unerschütterlich  fest- 
gehalten, ohne  sich  an  Stein's  Toben  und  Drängen  zu  kehren.    Noch 
im  letzten  Augenblicke  verlangte  York,  die  Landesversammlung  müsse 
den  Buf  nach  Bewaffnung  erheben,  und  erst  als  dies  geschehen  war, 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg,  307 

trat  er  hinzu.  Hätte  man  anders  verfahren  wollen,  liess  man  die  Autorität 
des  Königs  durch  die  Autorität  des  Kaisers  von  Bussland  ersetzen,  liess 
man  gar  russische  Aufforderung,  russischen  militärischen  Zwang  auch 
nur  die  kleinste  Rolle  spielen,  so  war  mit  Sicherheit  zu  erwarten,  dass 
die  Landesyersammlung  in  Parteien  auseinander  trat,  und  Hader  und 
Zwietracht  sich  entspann.  Wir  werden  das  gleich  an  dem  Beispiele 
des  Präsidenten  Wissmann  sehen,  wenn  wir  die  weiteren  Ereignisse  des 
24.  Januar  erörtert  haben  werden. 

Auerswald  musste  natürlich  die  nöthigen  Eröffnungen  an  Stein  ge- 
langen lassen.  Ob  dies  mündlich  oder  schriftlich  geschehen  ist,  wissen 
wir  nicht.  Aber  er  hat  ihm  die  erforderlichen  Erklärungen  abgegeben. 
Das  war  es,  was  Arndt  erzählt:  „ Stein  fand  nun  den  Oberpräsidenten 
nicht  so  geschwind  und  entschlossen,  wie  er  selbst  war,  er  schalt  ihn 
eine  alte  Schlafmütze  ohne  Muth  und  Feuer,  wo  doch  jedes  deutsche 
Herz  brennen,  und  jeder  Nerv  zucken  müsse,  als  sei  jede  Fiber  ein 
Schwert.*  Er  mag  schön  getobt  haben,  als  er  Auerswald's  Bedenken 
erfuhr.  Und  in  der  Aufregung  des  Augenblicks,  und  da  Schön  noch 
nicht  da  war,  der  Einzige,  der  ihn  zu  beruhigen,  zu  bändigen  und  be- 
sonders auch  zu  überzeugen  verstand,  beging  er  den  grössten  Fehler, 
der  unter  diesen  Umständen  begangen  werden  konnte,  der  alle  seine 
weitere  Wirksamseit  vernichtete,  alle  Befürchtungen  und  Besorgnisse 
preussischer  Patrioten  auf  die  Spitze  treiben  musste.  Er  griff  dem 
Könige  an  die  Krone.  Stein  holte  seine  Vollmacht  hervor,  machte 
sie  im  vollen  Umfange  geltend,  stellte  sich  hin  an  des  Königs  Statt 
auf  Grund  der  Autorität  des  Kaisers  von  Bussland,  und  verfugte  an 
Auerswald,  dass  er  die  Autorisation  zur  Abhaltung  eines  ordentlichen 
Landtages  gebe,  und  dass  er  hiermit  jede  dienstliche  Ver- 
bindung mit  Berlin  verbiete.  Dies  Attentat  auf  die  preussische 
Krone,  diese  Besitznahme  der  Provinz  unter  der  Autorität  des  russischen 
Kaisers,  wenn  sie  auch  nur  provisorisch  erfolgen  sollte,  musste  die 
ganze  Bewegung  im  Keime  ersticken,  und  Schön  hatte  es,  wie  der 
Schlosser'sche  Brief  ergiebt,  Stein  vorausgesagt,  dass  wenn  er  diese 
Vollmacht  bekannt  werden  lasse,  jede  preussische  Autorität  dann  feind- 
lich gegen  ihn  auftreten  musste.    Nun  war  der  Conflict  da. 

20* 


308  Der  ^  Janaar  1813  in  Königsberg. 

Die  Thatsache  selbst  hat  Droysen  schon  gelegentlich  erwähnt,  und 
die  neueste  Kritik  hat  herausgefunden,  dass  dies  auf  Erzählungen  der 
Söhne  Auerswald's  beruhe.  Wenn  Max  Lehmann  darum  diese  Angabe 
für  unglaubwürdig  erklärt,  so  befindet  er  sich  in  einem  starken  Irrthum. 
Die  Erklärung,  welche  die  beiden  Söhne  Auerswald's  schon  im  Jahre 
1838  im  Elbinger  Anzeiger  zur  Rechtfertigung  ihres  Vaters  erbessen, 
und  welche  dann  Pertz  wohl  auf  Wunsch  der  Excellenzen  in  seinem 
Leben  Gneisenau's  nochmals  publizirte,  enthält  nichts  davon.  Droysen 
schöpfte  unmittelbar  aus  dem  Tagebuche  des  Landhofmeisters.  Wenn 
nun  Lehmann  diese  Angabe  für  „mehr  als  unwahrscheinlich  *  erklärt, 
weil  er  Stein  so  thörichter  unpolitischer  Ueberhebung  nicht  für  fähig 
hält,  und  in  Abrede  stellt,  dass  er  überhaupt  in  Königsberg  gewaltsam 
aufgetreten  ist,  so  mögen  hier  Auerswald's  kurze  Aufzeichnungen  wört- 
lich folgen: 

„23.  Januar.    Stein  lässt   sich   Kassenabschlüsse,   Lazareth- 
„  nach  Weisungen  etc.  geben.    Bestimmt  einen  Generallandtag 
„für  den  5.  Februar,  verlangt  einen  Landsturm.* 
Inzwischen  erfolgt  die  Umwandlung  der  Landtagsberufung,  dann  heisst 
es  weiter: 

„24.  Januar.  Stein  giebt  Autorisation  zum  Landtage.  Befiehlt, 
„dass  die  Dienstverbindung  mit  Berlin  aufhören  solL* 
Was  „mehr  als  unwahrscheinlich  *  sein  soll,  ist  dennoch  geschehen. 
Man  hat  sich  bisher  immer  mit  der  Angabe  begnügen  müssen,  dass 
Stein  auf  Auerswald  erbittert  gewesen  sei,  weil  dieser  sich  nicht  habe 
bereit  finden  lassen,  mit  demjenigen  Feuer  vorzugehen,  welches  Stein 
erwartete  und  verlangte.  Aber  man  wird  nunmehr,  wie  überhaupt 
manches  gebräuchliche  Urtheil  modifiziren,  so  insbesondere  in  diesem 
Falle  zugeben,  dass  Auerswald's  Pflicht  als  Königlicher  „Diener*,  wie 
man  damals  sagte,  ihm  positiv  verbot,  Stein  auf  diesem  revolutionären 
Wege  zu  folgen.  Wenn  man  sich  nun  die  Frage  vorlegt,  welchen  Ein- 
druck Stein's  Forderung  auf  Auerswald  gemacht  hat,  so  ergiebt  zunächst 
das  vorliegende  Tagebuch,  dass  er  es  für  bemerkenswerth  gefunden  hat, 
einen  persönlichen  Besuch  Stein's  zu  notiren.  Den  Gommentar  dazu 
liefern  folgende  Umstände.    Stein  selbst  hat  dem  früheren  Präsidenten 


Der  24*  Januar  1813  in  Königsberg.  309 

der  Kriegs-  und  Domänen-Kammer  zu  Bialystock  v.  Knobloch,  mit  dem 
er  am  10.  Februar  1813  in  Plock  zusammentraf,  wie  der  alte  Herr 
später  in  der  Vossischen  Zeitung  (Jahrgang  1838  am  4.  April)  erklärt 
hat,  auseinandergesetzt,  dass  die  Erhebung  und  Bewaffnung  der  Provinz 
Preussen  die  unerlässliche  Vorbedingung  für  das  Vorgehen  der  russischen 
Heere  über  die  Weichsel  gewesen  sei.  Begreiflich  ist  es  also,  dass  er 
darauf  mit  aller  Macht  zu  dringen  sich  für  verpflichtet  hielt,  aber  keine 
Entschuldigung  dafür,  dass  er  sich  vermass,  die  Autorität  des  Königs 
in  dieser  Provinz  zu  suspendiren.  Er  hat  sich  dann  darüber  beklagt, 
dass  der  Präsident  Auerswald  seiner  Forderung  entgegen  trat.  »Dieser 
Mann  nämlich  kann  sich  nicht  von  der  Meinung  losmachen,  dass  vor 
Eingang  eines  königlichen  Befehls  (es  hiess  aber  nur:  unter  Vorbehalt 
der  Genehmigung  des  Königs)  er  für  die  Volksbewaffnung  und  die  Ver- 
treibung der  Franzosen  nicht  mitwirken  dürfe.  Selbst  meine  Hinweisung 
auf  die  unglücklichen  Folgen  einer  Verweigerung  meines  Verlangens, 
nämlich  auf  die  Gefahr  Preussens,  durch  Waffengewalt  für 
Russland  thätig  werden  zu  müssen,  und  darüber  den  Werth  und 
das  Verdienst  heldenmüthigen  Handelns  verloren  gehen  zu  lassen,  konnte 
den  Präsidenten  v.  Auerswald  nicht  von  seiner  Meinung  zurückbringen.11 
So  lautete  nach  dem  Zeugniss  eines  achtungswerthen  alten  preussischen 
Präsidenten  das  eigene  Geständniss  Stein's  am  10.  Februar  1813.  Es 
ist  wahr,  er  hat  am  23.  Januar  von  Auerswald  nicht  nur  die  Berufung 
eines  Landtages,  sondern  auch  die  Aufstellung  eines  Landsturms,  also 
die  regellose  Insurrection  des  Landes,  verlangt,  und  als  Auerswald  das 
erstere  bereitwillig  besorgte,  dann  aber  auf  die  staatsrechtlich  gebotene 
Einschränkung  zurückführte,  und  die  zweite  Forderung  ablehnte,  nahm 
er  sich  heraus,  die  Krone  Preussen  zu  suspendiren,  und  in  einem  Augen- 
blicke, in  welchem  kaum  ein  Aufgebot  des  Landes  wider  die  Bussen 
verhütet,  und  York  fast  in  die  Lage  versetzt  war,  die  Feindseligkeiten 
wieder  aufnehmen  zu  müssen,  verlor  er  alle  Besonnenheit  so  sehr,  dass 
er  mit  Waffengewalt  zu  drohen  wagte.  Wer  mag  sich  jetzt  noch 
darüber  wundern,  dass  er  mit  Auerswald,  York  und  Dohna  in  unheil- 
bare Zerwürfhisse  gerieth? 

Der  Besuch  Stein's  bei  Auerswald  am  24.  Januar  1813,  den  letzterer 


310  Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg. 

in  seinem  Tagebuche  zu  notiren  für  nöthig  fand,  mag  einen  sonderbaren 
Verlauf  gehabt  haben.  E.  M.  Arndt,  der  bei  dieser  Gelegenheit  Auers- 
wald's  Partei  nimmt,  so  weit  sein  unbegrenzter  Respect  vor  Stein 
dies  gestattet,  der  deshalb  der  Erzählung  von  Stein's  Toben  und  Schelten 
sofort  die  Bemerkung  hinzufügt:  „Auerswald  war  aber  keine  Mütze, 
sondern  ein  gescheiter  tüchtiger  treuer  Mann  —  genug  er  zauderte  vor 
Stein's  kühnem  Ungestüm,  und  wollte  sich  im  Steinschen  Sinn,  der 
seinerseits  von  Alexanders  Redlichkeit  und  Grossherzigkeit  hinsichtlich 
Preussens  und  Deutschlands  die  ehrlichste  vollste  Ueberzeugung  in  sich 
trug,  nicht  fortreissen  lassen,  er  wollte  seinem  gewaltigen  Ungestüm  nicht 
sogleich  mit  alexandrischem  Glauben  folgen*.  Dies  letztere  um  so 
weniger,  weil  das  Wort:  „ Landes verrath"  bereits  und  zwar  amtlich  bereits 
gefallen  war.  Es  war  der  Präsident  Wissmann  in  Marienwerder  gewesen, 
der,  wie  Auerswald  in  seinem  überaus  wichtigen  Tagebuche  unter  dem 
21.  Januar  schon  vor  Stein's  Ankunft  in  Königsberg  notirt  hat,  den  Ober- 
präsidenten auf  „Landes  verrätherei  des  ostpreussischen  Adels* 
aufmerksam  gemacht  hatte,  und  deshalb  nach  Königsberg  zur  Erörte- 
rung berufen  worden  war.  Wir  behalten  uns  vor,  den  Verlauf  dieser 
Angelegenheit  ein  anderes  Mal  näher  darzulegen,  und  kehren  hier  zu 
den  Ereignissen  zurück,  welche  sich  in  Königsberg  abspielten. 

Obgleich  Stein  dies  Alles  wusste,  denn  auf  seine  Veranlassung  war 
Wissmann  nach  Königsberg  berufen  worden,  obgleich  er  gerade  auf 
diesen  staatsrechtlichen  Standpunkt  in  Gumbinnen  verwiesen  worden 
war,  muthete  er  dem  Oberpräsidenten  zu,  Handlungen  zu  begehen,  sich 
Anordnungen  zu  unterwerfen,  welche  gerade  jenen  Vorwurf  gerecht- 
fertigt haben  würden.  Alle  diese  Thatsachen  sind,  wie  wir  glauben, 
entscheidende  Bestätigungen  für  das,  was  Schön  berichtet  hat  mit  grosser 
Zurückhaltung  für  Stein,  nicht  zu  seiner  Verkleinerung.  Wenn  wir  nun 
durch  diese  Auseinandersetzung,  und  Alles  dasjenige,  was  später  nach- 
folgte, uns  zu  ungetheilter  Bewunderung  für  den  Scharfblick  Schön's  ver- 
anlasst fühlen,  der  gleich  bei  der  Gumbinner  Unterredung  den  Kernpunkt 
der  Lage  herausfand,  und  als  Basis  des  Verfahrens  hinstellte,  so  dürfen 
wir  auch  der  Festigkeit  und  Sicherheit  York's,  Auerswald's  und  Dohna's 
die  Anerkennung  nicht  versagen.   Auerswald,  der  den  ersten  Sturm  aus- 


Der  21  Janaar  1813  in  Königsberg,  3X1 

zuhalten  hatte,  liess  Steins  Befehle  und  Drohungen  vollständig  unbeachtet, 
und  er  wird  ihm  nicht  verhehlt  haben,  dass  er  dies  thun  werde.  Er  setzte 
sich  hin  und  berichtete  an  Hardenberg,  als  wäre  nichts  vorgefallen. 
Es  fiel  ihm  gar  nicht  ein,  die  „dienstliche  Verbindung  mit  Berlin"  ab- 
zubrechen, die  Bechte  der  Krone  preiszugeben.  In  seinem  Berichte 
ist  nur  von  einer  „Versammlung  von  Deputirten  aus  den  Gutsbesitzern 
und  Städten"  die  Rede,  welche  „auf  ausdruckliches  Verlangen  des  Be- 
vollmächtigten des  Kaisers  von  Bussland  *  zusammentreten  sollten.  Aber 
wohin  Stein's  stürmische  Ungeduld  geführt  hätte,  in  welche  Lage  die 
russischen  Generale,  York,  Auerswald  u.  s.  w.  gekommen  wären,  ist 
gar  nicht  abzusehen,  wäre  nicht  Schön,  Stein's  guter  Geist,  am  Abende 
angekommen.  Max  Lehmann  macht  ihm  ein  Verbrechen  daraus,  dass 
er  diese  seine  Beise  nach  Königsberg  „  verschwiegen  *  habe.  Tatsäch- 
lich ist  an  dieser  Beschuldigung  nur  so  viel  wahr,  dass  er  sie  in  dem 
Briefe  an  Schlosser  nicht  erwähnt  hat.  In  seiner  zweiten  1844  ge- 
schriebenen Selbstbiographie,  bevor  die  Bücher  von  Pertz,  Droysen, 
Förster  erschienen  waren,  schreibt  er  ganz  unbefangen:  „ich  traf  später 
an  eben  dem  Tage  in  Königsberg  ein,  wo  die  Berliner  Zeitung  die  Ab- 
setzung von  York  und  dessen  eingeleitete  Bestrafung  verkündete  \ 
Aber  er  erzählt  weder  in  dieser  noch  in  einer  anderen  Aufzeichnung 
etwas  Näheres  über  den  zwischen  Auerswald  und  Stein  eingetretenen 
Conflict,  sondern  nur,  dass  York  nicht  über  die  ihm  längst  bekannt 
gewesene  Verleugnung,  sondern  über  die  Veröffentlichung  derselben 
höchst  besorgt  gewesen  sei,  weil  er  „den  Eindruck  fürchtete,  den  der 
Zeitungsartikel  auf  die  Truppen  machen  würde*.  Dagegen  meldet 
E.  M.  Arndt,  der  diesen  Conflict  ohne  nähere  Angabe  der  Veranlassung 
und  des  Verlaufs  erwähnt,  ausdrücklich,  dass  derselbe  „durch  die  mehr 
vertrauten  Männer  und  Freunde,  durch  den  edlen  tapfern  Grafen  Minister 
Alexander  Dohna  und  durch  Schön  vermittelt  *  wurde.  Diese  Vermitte- 
lung  bestand  einfach  darin,  dass  man  Stein  auf  die  in  den  Gumbinner 
Abreden  festgestellte  staatsrechtliche  Basis  zurückführte,  und  dass  seine 
Verfügungen  als  nicht  vorhanden  von  allen  Seiten  betrachtet  wurden. 
Daraus  folgte,  dass  man  den  Conflict  selbst  ignorirte,  und  alle  die 
Männer,  welche  dabei  betheiligt  waren,  haben  Stillschweigen  darüber 


312  Der  2**  Januar  1813  in  Königsberg* 

beobachtet.  Ohne  die  Notizen,  welche  Auerswald  in  seinem  Tagebuch/3 
hinterlassen  hat,  wäre  kaum  eine  genauere  Kunde  von  Stein's  Ueber- 
eilung  auf  uns  gekommen. 

Auerswald  erliess  nunmehr  am  25.  Januar  die  bekannte  abgeänderte 
Verfügung  an  die  Landräthe.  Die  dem  ständischen  Comitä  zugefertigte 
Abschrift  derselben  ist,  wie  die  Landtagsakten  ergeben,  noch  an  dem- 
selben Tage  dort  eingegangen.  Der  Präsident  Wissmann  aber,  der  nach 
Auerswald's  Tagebuche  am  26.  Januar  in  Königsberg  eintraf,  hat  wahr- 
scheinlich von  der  Sache  nichts  erfahren,  er  fand  die  Bedenken  der 
Regierung  zu  Marienwerder  bereits  erledigt.  Was  weiter  mit  ihm  zu 
verhandeln  war,  über  „die  Landesverrätherei  des  ostpreussischen  Adels8 
werden  wir  bei  anderer  Gelegenheit  sehen. 

An  demselben  verhängnissvollen  Tage,  an  welchem,  wie  wir  oben 
dargelegt  haben,  der  berühmte  Conflict  zwischen  Auerswald  und  Stein 
sich  entwickelte,  trafen  die  Berliner  Zeitungen  vom  19.  Januar  ein,  in 
denen  die  Verwerfung  der  Convention  von  Tauroggen  und  die  Ent- 
setzung des  Generals  v.  York  öffentlich  verkündet  wurde.  Wir  haben 
jetzt  in  Folge  der  archivalischen  Forschungen  Mai  Dunckers  erfahren, 
dass  diese  Publication  nur  zu  dem  Zwecke  erfolgte,  um  die  am  Tage 
vorher  fest  beschlossene  Abreise  des  Königs  von  Potsdam  nach  Breslau 
in  den  Augen  der  Franzosen  nicht  als  einen  Bruch  des  Bündnisses  er- 
scheinen zu  lassen.  Damit  der  Eclat,  welcher  durch  die  Publication 
der  wider  den  General  ergriffenen  ostensibeln  Massregeln  nothwendig 
hervorgerufen  werden  musste,  in  Königsberg  nicht  Verwirrung  und 
Schwanken  erregen  sollte,  wurde  am  20.  Januar  Major  v.  Thile  nach 
Königsberg  abgesendet.  „Indem  ihm  vorgeschrieben  wurde,"  sagt  Max 
Duncker  in  seiner  für  die  Kunde  der  Vorgänge  des  Jahres  1813  bahn- 
brechenden Abhandlung :  Preussen  während  der  französischen  Occupation, 
„das 8  er  sich  bei  York  zu  melden  habe,  indem  ihm  Dienstpapiere  für 
York  übergeben,  und  Thile  aufgetragen  wurde,  York  zu  benachrichtigen, 
dass  der  König  im  Begriffe  sei,  nach  Breslau  abzureisen,  konnte  jener 
Zeitungsartikel  bei  York  keinen  Zweifel  darüber  aufkommen  lassen, 
dass  man  ihn  höchsten  Orts  in  Berlin  als  commandirenden  General  des 
Corps  und  Generalgouvemeur  der  Provinz  zu  betrachten  nicht  aufge- 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg«  3X3 

hört  habe,  und  die  entsprechenden  Funktionen  von  ihm  erwarte."   Der 
Fehler  war  nur  der,  dass  jener  Zeitungsartikel  zwei  Tage  früher  ankam, 
als  der  Major  v.  Thile.    Nichts  destoweniger  ist  weder  der  General, 
noch  sind  die  Civilbehörden  in  Zweifel  gewesen  oder  gar  ins  Schwanken 
gerathen,   und  Alles,   was   die  Geschichtschreiber  von  den  Zweifels- 
qualen, welche  den  unglücklichen  York  geplagt  haben  sollen,  zu  erzählen 
wissen,  und  was  namentlich  Droysen  bis  zum  Graulichmachen  in  seiner 
phantastisch  ausgeschmückten  Biographie  Yorks  darüber  sagt,  ist  nichts 
als  Fabel.   Ueber  die  Sache  selbst  konnte  York  gar  nicht  in  Zweifel  sein, 
er  hätte  sonst  gar  nicht  wagen  dürfen,  sobald  er  die  Sendung  des  Majors 
v.  Natzmer  erfahren  hatte,  das  Coipmando  weiter  zu  fuhren.    Ueber 
diese  Sendung  Natzmer's  und  ihren  ostensiblen  Zweck  war  er  aber  durch 
den  am  11.  Januar  bei  ihm  angelangten  Capitän  v.  Schack  unterrichtet, 
der  wenige  Stunden  vor  Natzmer  von  Berlin  mit  der  Weisung  abge- 
fertigt, sich  zu  seinem  Corps  zurückzubegeben,  mit  Natzmer  zusammen 
in  einem  Schlitten  gefahren  war,  und  sich  in  Marienwerder  von  diesem, 
der  nach  Elbing  zu  Murat  ging,   getrennt  hatte.    Da  man  in  Berlin 
wusste,  und  beabsichtigte,  dass  Natzner  nicht  nach  Königsberg  gelangen 
sollte,  so  sendete  man  eben  Schack  dahin  ab,  damit  York  Kenntniss 
erhalte  von  dem,  was  vorging.    Wir  haben  aber  erst  in  neuester  Zeit 
durch  die  Erinnerungen  des  in  Königsberg  noch  wohl  bekannten  Generals 
v.  Natzmer  erfahren,  dass  Schack  mündlich  den  Auftrag  erhalten  hatte, 
„den  General  York  von  der  Ankunft  Natzmer's  zu  avertiren,  und  ihm 
die  richtige  Ansicht  zu  geben,  worauf  er  und  Massenbach  einstweilen 
bei  den  Russen  Schutz  suchen  sollten.0  Nach  diesen  Eröffnungen  konnten 
also  weder  York  noch  Kleist  über  den  Sinn  der  Massregel  im  Zweifel 
sein,  und  sind  nicht  darüber  in  Zweifel  gewesen.    Da  Natzmer  nicht 
nach  Königsberg   kam,   vielmehr   im  Hauptquartier  Wittgenstein^  in 
Guttstadt  verschwand,  so  erklärt  es  sich,  wie  York,  von  welchem  Auers- 
wald  am  10.  Januar  in  sein  Tagebuch  notirt:  „York  ignorirt  die  Berliner 
Befehle/   dazu  kam,  sich  so  zu  verhalten.    Nun  kam  aber  am  24ten 
Januar  die  amtliche  Bekanntmachung  an,  dass  der  König  die  Convention 
nicht  genehmigt,  und  York  seines  Commandos  entsetzt  habe. 

Max  Lehmann  belehrt  uns,  dass  diese  Nachricht  Angst  und  Be- 


314  Der  2*  Januar  1813  in  Königsberg. 

stürzung  unter  den  Königsberger  Notabilitäten  verbreitet,  und  die  Wider- 
setzlichkeit der  ängstlichen  Civilb  eh  Orden,  die  sich  stets  nach  den  von 
Berlin  kommenden  Nachrichten  gerichtet  hätten,  wider  Stein,  der  allein 
wie  ein  Fels  im  Meere  aufrecht  gestanden,  verschuldet  habe.  Diese 
windige  Conjectur  ist  ganz  unbegründet.  Ernst  Moritz  Arndt,  der  von 
dem  heftigen  Streit  zwischen  Auerswald  und  Stein  berichtet,  und  trotz 
allem  Respekte  vor  seinem  Reichsfreiherren  hier  kräftig  für  Auerswald 
Partei  nimmt,  weiss  nichts  weder  von  Auerswald's  Aengstlichkeit  und 
Schwanken,  noch  überhaupt  von  Schwankungen  der  öffentlichen  Meinung 
in  Königsberg  zu  berichten.  Auerswald  selbst,  der  doch  zunächst,  wenn 
er  irgend  etwas  von  Zaghaftigkeit  in  sich  verspürte,  dies  irgend  wie 
in  seinem  Tagebuche  kenntlich  gemacht  hätte,  weiss  darüber  nur 
Folgendes  in  demselben  zu  sagen:  „Die  Berliner  Zeitungen  enthalten 
eine  offizielle  Missbilligung  der  York'schen  Convention.  Allgemeines 
Missvergnügen  darüber/  Man  war  nicht  eingeschüchtert  worden, 
sondern  ergrimmt,  und  es  war  ein  Glück,  dass  damals  nichts  davon 
im  Publikum  verlautete,  dass  Stein  dem  Landhofmeister  an  diesem  Tage 
und  jedenfalls  in  Folge  dieser  Nachricht  zugemuthet  hatte,  ihn  selbst 
nunmehr  als  Vicekönig  kraft  seiner  russischen  Vollmacht  anzuerkennen, 
und  die  dienstliche  Verbindung  mit  Berlin  abzubrechen.  Ein  verein- 
zeltes stürmisches  Losbrechen  der  Hitzköpfe,  die  man  eben  nur  durch 
die  Verhaftung  des  Herrn  v.  Gröben-Plensen  und  die  Berufung  der 
Stände  beruhigt  hatte,  wäre  die  unausbleibliche  Folge,  und  die  Parteiung 
des  Landes  wäre  dann  unvermeidlich  gewesen. 

Am  Abend  des  24.  Januar  kam  Schön  in  Königsberg  an.  Wie 
er  zunächst  Stein  auf  den  richtigen  Standpunkt  zurückdrängte,  so  war 
er  auch  bemüht,  den  General  York  wieder  zu  beruhigen.  Denn  es  ist 
richtig,  und  Schön  bekundet  dies  ausdrücklich  in  seinen  Memoiren,  dass 
der  General  bei  dieser  Gelegenheit  vollständig  die  Haltung  verloren 
habe.  Nicht  wegen  der  Sache  selbst,  deren  Sinn  und  Zweck  ihm  seit 
vierzehn  Tagen  bekannt  war,  sondern  nur  deshalb,  weil  er  sich  durch 
die  öffentliche  Publication  der  Sache  „vor  der  Welt  und,  was  ihm  be- 
sonders empfindlich  war,  vor  den  Truppen,  welche  er  commandirte, 
preisgegeben  sah,"   Er  fürchtete,  dass  man  ihm  den  Gehorsam  versagen 


Dw  24.  Januar  1818  m  Königsberg.  3X5 

werde,  und  eine  Prostituirung  in  einer  Zeitung  musste  ihn  nach  da- 
maligen Begriffen  tiefer  verwunden,  als  sonst  eine  strenge  MassregeL 
„In  einer  Conferenz",  so  erzählt  Schön  in  seinen  Memoiren,  „welche 
York,  der  General  v.  Kleist  und  ich  über  diesen  Zeitungsartikel  hatten, 
erklärte  sich  York  für  verloren.  Kleist  und  ich  demonstrirten  ihm  da- 
gegen, dass  ein  Zeitungsschreiber  einem  General  ein  Gommando  weder 
geben  noch  nehmen  könne.  *  Bei  dieser  Gelegenheit,  nicht,  wie  Droysen 
in  Unkenntniss  von  Schack's  Aufträgen  erzählt,  am  10.  Januar,  trug 
sich  jene  berühmte  Scene  zwischen  York  und  Kleist  zu.  „York  fürchtete 
den  Eindruck,  welchen  der  Zeitungsartikel  auf  die  Truppen  machen 
würde,  und  verlangte  von  Kleist,  dass  er  das  Commando  übernehme. 
Er  (York)  wolle  dies  den  Truppen  heute  bekannt  machen/  Hiernach 
hat  diese  Erörterung  also  am  25.  Januar  vor  der  Parole  stattgefunden. 
Die  Antwort  auf  den  Zeitungsartikel  wurde  sofort  von  Schön  aufgesetzt, 
und  schon  Nachmittags  hatte  alle  Unsicherheit,  so  weit  sie  überhaupt 
Platz  gegriffen,  ein  Ende. 

Der  Major  v.  Seidlitz  berichtet  in  seinem  bekannten  Tagebuche 
des  York'schen  Armeecorps:  „am  25.  Januar  kam  der  Rittmeister 
v.  Auer  vom  General  Bülow  aus  Neustettin  zurück,  und  überbrachte 
zugleich  die  Nachricht,  dass  der  König  am  22ten  von  Potsdam  nach 
Schlesien  habe  reisen  wollen.*  Dass  diese  Nachricht  alle  Zweifel,  welche 
etwa  aufgestiegen  sein  mochten,  beseitigt,  alle  Sorgen  zerstreut  haben 
muss,  ist  klar.  Weil  aber  diese  von  Seidlitz  bekundete  Notiz  den  Ro- 
man von  den  Zweifelsqualen,  die  York  ertragen  musste,  vernichtete,  so 
hat  die  Romanschriftstellerei,  der  sich  die  Biographen  jetzt  hinzugeben 
pflegen,  diese  Nachricht  ignorirt  und  bezweifelt.  Sie  ist  aber  trotzdem 
wahr,  und  man  sollte  sich  daran  ein  Beispiel  nehmen,  und  die  Berichte 
von  Augenzeugen  nicht  durch  willkürliche  Anwendung  einer  unberech- 
tigten Kritik  ferner  ohne  Grund  herabsetzen.  Auch  Auerswald  war 
schon  am  25.  Januar  davon  unterrichtet,  dass  „der  König  und  die  Kö- 
nigliche Familie  nach  Schlesien  gehen".  Er  wusste  sogar  schon,  dass 
„in  Berlin  Regierungscommission*  eingesetzt  werde.  Die  Nachricht  war 
nach  Königsberg  auf  zwei  Wegen  gekommen. 

Einmal  durch  Auer,  der  sie  mündlich  noch  von  seinem  Schwager 


316  Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg. 

Bfilow  auf  den  Weg  erhielt.  Dann  aber  noch  durch  einen  besonderen 
Courier.  Natzmer  nämlich  war  in  der  Nacht  vom  19.  zum  20.  Januar 
von  seiner  Mission  an  den  Kaiser  Alexander  zunickgekehrt,  und  nun- 
mehr bestimmte  der  König  seine  schon  beschlossene  Abreise  nach 
Schlesien  auf  den  22ten,  und  zugleich  die  Einsetzung  einer  Ober- 
Regierungscommission  in  Berlin.  Hiervon  wurden  die  Provinzialbehörden 
sofort  verständigt.  So  erfuhr  Bülow  diese  Massregel  noch  am  22ten, 
vielleicht  mit  dem  Auftrage,  York  vertraulich  davon  zu  verständigen. 
Ebenso  wurde  ein  Courier  mit  diesen  Nachrichten  an  den  in  Königs- 
berg weilenden  Geheimen  Secretär  Bother,  den  nachherigen  Minister, 
abgefertigt.  Derselbe  nahm  auch  Depeschen  unzweifelhaft  von  gleichem 
Inhalt  an  Stein  mit,  dessen  Ankunft  in  Königsberg  man  in  Berlin  noch 
nicht  wissen,  aber  als  bevorstehend  vermuthen  konnte.  Bother  aber 
war  gerade  am  25.  Januar  früh  von  Königsberg  nach  Berlin  abgereist 
und  zwar  im  Auftrage  Auerswald's,  um  dem  Staatskanzler  Hardenberg 
die  Berichte  Auerswald's  vom  23.  und  24.  Januar  zu  überbringen,  welche 
Max  Lehmann  kurzlich  aus  dem  Geheimen  Staatsarchive  publizirt  hat. 
Unterwegs  erhielt  Bother  die  an  ihn  gerichteten  Depeschen,  und  kehrte 
auf  der  Stelle  um,  so  dass  er  noch  am  25ten  wieder  in  Königsberg 
eintraf,  seine  Aufträge  auszurichten.  Man  sieht  daraus,  wie  wichtig 
jene  Nachrichten  für  die  Situation  in  Preussen  waren,  und  man  erklärt 
sich  nun  leicht,  wie  Stein  dazu  kam,  trotz  des  Sturmes,  der  am  Tage 
vorher  in  Folge  seiner  Anmassung  der  Bechte  der  Krone  getobt  hatte, 
in  den  nächsten  Tagen  so  zahm  aufzutreten,  warum  von  seinem  Ver- 
bote, mit  den  Berliner  Behörden  weiter  zu  verkehren,  auch  von  seiner 
Seite  gar  nicht  mehr  die  Bede  war.  Der  Krieg  gegen  Frankreich  war 
eben  für  jeden  Preussen  durch  den  Schritt  des  Königs  unzweifelhaft 
geworden. 

Nun  spukt  aber  immer  noch  die  Sage  herum,  dass  York  sich  drei 
Tage  lang  mit  der  Ungewissheit  herumgequält  habe,  welchen  Entschluss 
er  fassen  solle,  erst  am  27ten  habe  er  sich  entschlossen,  die  bekannte 
Gegenerklärung  in  der  Königsberger  Hartungschen  Zeitung  erscheinen 
zu  lassen,  nachdem  am  26.  spät  Major  Thile  angekommen,  und  ihm 
die  erforderliche  Beruhigung  gebracht  hatte.   Wir  bitten  unsere  Leser, 


Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg.  3J7 

die  nunmehr  authentisch  erfahren  haben,  worüber  der  General  eigent- 
lich allein  sich  beunruhigt  fühlte,  dass  er  36  Stunden  vor  Thile's  An- 
kunft schon  über  die  Thatsachen  aufgeklärt  war,  und  dass  Major  Thile 
eben  nur,  wie  Auerswald  sich  in  seinem  Tagebuche  ausdrückt,  natürlich 
cum  grano  salis  und  nur  dem  Sinne  nach:  „die  Genehmigung  des  Kö- 
nigs zu  Allem,  was  Tork  gethan,  und  hier  geschehen"  brachte,  das 
von  Droysen  entworfene  Schauergemälde  von  jenen  qualvollen  Tagen 
damit,  die  Bomanschriftstellerei  mit  der  nüchternen  Geschichte  zu  ver- 
gleichen. Dass  der  General  bis  zum  27ten  mit  der  Veröffentlichung 
seiner  Gegenerklärung  zögerte,  war  nicht  Folge  oder  Symptom  er- 
schütternder Gewissenszweifel,  sondern  hatte  einen  fast  zu  prosaischen 
Grund.  Die  Königsberger  Hartungsche  Zeitung  erschien  damals,  und 
viele  Königsberger  werden  sich  noch  aus  den  dreissiger  Jahren  jener 
seligen  Zeit  der  Buhe  erinnern,  nur  dreimal  wöchentlich:  Montag, 
Donnerstag  und  Sonnabend.  Als  die  Berliner  Zeitung  am  24.  Januar 
(einem  Sonntag)  ankam,  war  die  Montags-Nummer  vom  25.  Januar  be- 
reits gedruckt.  Die  nächste  Nummer  erschien  Donnerstag  den  28sten, 
und  brachte  die  vom  27sten  datirte  Erklärung  Yorks,  und  hatte  sie 
nicht  früher  bringen  können.  In  Königsberg  aber  hatte  man  drei  Tage 
lang  Zeit  gehabt,  sich  über  die  Geschichte  zu  ärgern:  „allgemeines 
Miss  vergnügen"  meldet  Auerswald's  Tagebuch,  bis  die  Erklärung  des 
Generals  den  Aerger  beruhigte. 


Urkunden  zur  Geschichte 
der  ständischen  Versammlungen  zn  Königsberg 

im  Januar  und  Februar  1813 

betreffend 

die  Errichtung  der  Landwehr. 

Nach  den  Akten  der  Ostpreussischen  General-Landschaft  und  des  Oberpräsidiums 

der  Provinz  Preussen 

her&uftgegeben  von 

»ob.  Muller. 

(Fortsetzung.) 


Acta 
Her  Ostprtisx.  Geaeral  Laidsehafts  Dirwtitft 

Die  Landwehr  von  Prensiea  item  Landsturm  betr. 

1813  [Sign]  C.  5.  21. 

[Befindet  sich  unter  reponirten  Akten  der  Ostpreussischen  General-Feuer-Societ&t 
Enthält  46  Fol.  Die  meisten  der  Aktenstücke  betreffen  Verwaltungsangelegenheiten, 
die  historisch  nicht  weiter  interessant  sind:   nur  die  folgenden  Urkunden  machen 

hievon  eine  Ausnahme.] 

Fol.  4. 

ihr.  Excellenz  der  Königl.  Generallieutenant  und  General-Gouverneur 
Herr  v.  Torck  hat  Namens  Sr.  Königlichen  Majestät,  unsers  allergnä- 
digsten  Herrn,  den  alliier  versammelt  gewesenen  Ständen  der  Provinzen 
Litthauen,  Ostpreuszen  und  Westpreuszen  auf  dem  rechten  Weichsel- 
Ufer  zu  erkennen  gegeben,  wie  die  unabwendbarste  Notwendigkeit  es 
dringend  erheische,  sofort  mit  der  Errichtung  einer  Landwehr  thätigst 
vorzugehen. 

Nachdem  der  Herr  General-Gouverneur  v.  Torck  das  Gutachten 
der  Stände  über  den  Plan  zur  Ausführung  dieser,  Namens  Sr.  Majestät 


Urkunden  cor  Ge«efctoht*  der  stfad.  Versammlungen  in  Königsberg;     319 

als  unabwendbar  und  dringend  nothwendig  angeordneten,  Maaszregei 
vernommen  hat,  sind  von  vorgedachtem  Herrn  General-Gouverneur  die 
Festsetzungen,  betreffend  die  Landwehr  in  den  Provinzen  Litthauen, 
Ostpreuszen  und  Westpreuszen  auf  dem  rechten  Weichsel-Ufer  erfolgt, 
wovon  sie  anbei  ....  Exemplare  erhalten. 

Da  der  Augenblick  sehr  dringend  ist,  so  hat  der  Herr  General- 
Gouverneur  ferner  Namens  Sr.  Königlichen  Majestät  festgesetzt,  dasz 
mit  der  Ausfahrung  der  Landwehr  sofort  thätigst  so  weit  vorgegangen 
werden  soll,  dasz  es  nur  der  Zusammenberufung  derselben  nach  dem 
Eingang  der  speciellen  Genehmigung  Sr.  Königlichen  Majestät  hedürfen 
wird.  Es  ist  an  dieser  speciellen  Allerhöchsten  Genehmigung  um  so 
weniger  zu  zweifeln,  da  im  Allgemeinen  die  Grundsätze  wegen  Formirung 
der  Landwehr  früherhin  für  den  eintretenden  Fall  Allerhöchsten  Orts 
für  unbedingt  nothwendig  und  zweckmässig  erachtet  worden  sind. 

Die  höchst  unglückliche  Lage,  in  welcher  sich  vorzüglich  die  Pro- 
vinz Preuszen  befindet,  ist  in  Erwägung  der  Festsetzungen,  betreffend 
die  Landwehr  in  Litthauen,  Ostpreuszen  und  Westpreuszen  auf  dem 
Weichsel-Ufer,  allerdings  berücksichtigt;  auch  sind  dabei  die  höchst 
merkwürdigen  Erfahrungen  anderer  zum  Thal  noch  unglücklicherer 
Länder  benutzt  worden.  UeberalL,  wo  solches  nur  irgend  die  Natur  der 
Sache  gestattete,  hat  man  sich  bemühet,  die  mildernsten  Modificationen 
statt  finden  zu  lassen  und  endlich  hat  man  durch  die  möglichst  gröszte 
Theilnahme  der  Nation  an  der  Leitung  dieser  hochwichtigen  Angelegen- 
heit geglaubt,  am  sichersten  Miszbräuchen  vorzubeugen,  und  dem  edlen 
Eifer  für  die  Beförderung  dieser  zur  Behauptung  der  vaterländischen 
Ehre  und  Selbständigkeit  und  zur  festesten  Begründung  der  davon  un- 
zertrennlichen Wohlfahrt  des  Ganzen  und  jedes  Einzelnen,  unumgänglich 
nöthigen  Maaszregei  den  schönsten  Wirkungskreis  zu  eröffnen. 

Durch  die  treue  und  schleunige  Ausführung  desjenigen,  was  der 
Stellvertreter  unsers  Monarchen  in  militärischen  Angelegenheiten,  der 
General-Gouverneur  von  Preuszen  Namens  Sr.  Königlichen  Majestät 
als  unabwendbar  notwendige  und  dringende  Maaszregei  in  Beziehung 
auf  die  sofort  zu  bewirkende  Einrichtung  der  Landwehr  festgesetzt  hat, 
erfüllen  die  Einwohner  Prenszens  die  edelste  beiligste  Pftieht  gegen 


320     Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

ihren  Landesherrn;  sie  handeln  im  Geist  ihrer  Vorfahren  und  recht- 
fertigen das  Vertrauen,  welches  man  auf  ihre  Liebe  zum  Vaterlande 
und  ihren  Abscheu  gegen  die  Rückkehr  ausländischer  Usurpatoren  ge- 
setzt hat;  sie  geben  dadurch  ein  groszes  Beispiel  den  übrigen  Provinzen 
der  Monarchie,  ein  Beispiel,  welches  in  seinen  Folgen  die  beglückendsten 
Bückwirkungen  für  dieses  Land  nach  sich  ziehn  musz. 

Nachdem  wir  die  wahrhafte  Lage  der  Sache  Ihnen  solchergestalt 
bekannt  gemacht  haben,  können  wir  mit  vollem  und  herzlichem  Ver- 
trauen von  Ihnen  erwarten,  dasz  Sie  alles  aufbieten  werden,  um  für 
die  Ausführung  der  Landwehr  so  thätig  und  so  nützlich  als  möglich 
zu  wirken. 

Wir  fordern  Sie  für  jetzt  insbesondere  auf,  zunächst  folgende  Punkte 
zur  Ausführung  zu  bringen: 

1)  Das  gegenwärtige  Schreiben,  wovon  wir  ....  Exemplare  beifügen, 
nebst  dessen  Beilage  Angesichts  dieses  und  aufs  eiligste  ganz  all- 
gemein bekannt  zu  machen. 

2)  Sie  haben  aus  der  letzten  historischen  Tabelle  einen  vollständigen 
Extract  betreffend  die  Menschenzahl  einer  jeden  einzelnen  Commune 
oder  eines  jeden  Dominii,  Domainen- Amtes  oder  Intendantur  an 
den bis  zum zu  übersenden. 

3)  Sämmtliche  Dominien,  Domainen-Aemter  und  Intendanturen  Ihres 
Kreises  haben  Sie  aufzufordern,  auf  schleunigste  vollkommen  ge- 
naue Listen  von  allen  Personen  männlichen  Geschlechts  ohne  irgend 
eine  Ausnahme  des  Standes  oder  Glaubens  vom  18ten  bis  zum 
vollendeten  45sten  Jahre  anzufertigen,  und,  wie  es  sich  ganz  von 
selbst  versteht,  darin  auch  die  bereits  vom  Militair  verabschiedeten 
Personen,  welche  sich  in  dem  vorgedachten  Alter  befinden,  des- 
gleichen die  Erümper,  welche  nicht  wirklich  in  Reihe  und  Glied 
stehn,  mit  zu  übernehmen.  Von  den  krüppelhaften  und  mit  un- 
heilbaren Krankheiten  behafteten  Personen,  desgleichen  von  den 
Mennoniten  sind  zwei  besondere  Colonnen  zu  formiren. 

Da  die  Geistlichen  und  in  öffentlichen  Lehrämtern  angestellten 
Personen  von  der  Pflichtigkeit  zur  Landwehr  ausgenommen  sind,  so 
brauehen  selbige  auch  nicht  in  jene  Listen  aufgenommen  zu  werden. 


▼on  Bob.  Müller.  321 

Sie  werden  dafür  sorgen,  dasz  diese  Listen  unfehlbar  am  . . .  bei- 
sammen sind,  und  ganz  sicher  dem  ...  zu  ...  eingehändigt  werden. 

Das  ganze  hochwichtige  Geschäft  der  Errichtung  der  Landwehr 
wird  mit  dem  jenem  groszen  Gegenstande  und  dem  Drange  der  Zeit- 
umstände angemessenen  Ernst  und  mit  der  gröszten  Oeffentlichkeit 
betrieben  werden.  Wir  brauchen  daher  nicht  erst  darauf  aufmerk- 
sam zu  machen,  welche  höchst  unglücklichen  Folgen  für  diejenigen 
Personen  entstehen  müssen,  welche  durch  Nachläszigkeit  die  Listen 
nicht  durchaus  der  Wahrheit  gemäsz  angefertigt  haben,  oder  sonst 
irgend  etwas  zur  Beförderung  der  Sache  unterlassen  sollten. 
4)  Aus  unsern  Separat- Verfügungen  über  diesen  Gegenstand  werden  Sie 
ersehen  haben,  dasz  sofort  eine  Versammlung  der  Kreisstände,  Be- 
hufs der  Wahl  von  Deputirten,  welche  die  im  §.  6.  der  Festsetzungen 
bestimmten  Special-Commissionen  erwählen  sollen,  und  dasz  dem- 
nächst die  Wahl  und  Introduction  dieser  Special-Commissionen  statt 
finden  soll.  In  der  Woche  vom  14ten  bis  21sten  März  c.  dürfte  die 
im  §.  2.  bestimmte  Verloosung  erfolgen,  worüber  jedoch  noch  zu 
seiner  Zeit  besondere  Verfügungen  der  Special-Commissionen  ergehen 
werden.  In  der  Frist  vom  24sten  März  bis  31sten  wird  die  complette 
Gestellung  der  Landwehrmänner  ganz  vollständig  mit  den  im  §.  4. 
vorgeschriebenen  Ausrüstungsstücken  bewirkt  werden  müssen. 

Die  Modelle  zu  den  Mänteln,  welche  ganz  vollkommen  von  der- 
selben Beschaffenheit  seyn  müssen,  als  die  jetzt  bei  unserer  Armee 
üblichen  Soldaten-Mäntel,  desgleichen  die  Modelle  zu  den  Patron- 
taschen und  zu  den  Koch-  und  Trinkgeschirren  werden  vom  lsten 
März  ab  zu .in  Augenschein  genommen  werden  können. 

Vom  Tage  des  Eingangs  dieser  Verfügung,  bis  zum  Tage,  an 
welchem,  wie  so  eben  erwähnt,  die  complette  Gestellung  der  Land- 
wehrmänner mit  vollständiger  Ausrüstung  wohl  unfehlbar  statt  finden 
dürfte,  sind  mehr  als  drei  Wochen.  Dieser  Zeitraum  wird  hinreichend 
seyn,  um  die  Ausrüstung  der  Landwehrmänner  zu  bewirken,  wenn 
nur  Angesichts  dieses  auf  thätigste  damit  vorgegangen  wird,  wofür 
zu  sorgen  wir  hierdurch  Ihnen  und  jedem  braven  Preuszen  zur  an- 
gelegentlichsten Pflicht  machen. 

Altpr.  Moiutatebrift  Bd.  XIV.  Hft.  So.4,  21 


322      Urkunden  sar  Geschichte  der  stand,  Versammlungen  in  Königsberg 

Es  ist  nicht  nöthig,  die  durchs  Verloosen  sich  erst  bestimmenden 
Individuen,  welche  in  die  Landwehr  treten,  zu  kennen;  sondern  es  ist, 
um  die  Besorgung  der  Ausrüstungsstücke  zu  bewirken,  hinreichend, 
zu  wissen,  dasz  nach  dem  §.  3.  der  Festsetzungen  ic.  die  Stärke 
der  Landwehr  fiir  Litthauen,  Ost-  und  Westpreuszen  auf  dem  rechten 
Weichsel-Ufer  nur  20,000  Mann  beträgt  und  dasz  mithin  nur  der 
fiinf  und  vierzigste  oder  fünfzigste  Theil  von  der  Totalität  zum 
Landwehr-Dienst  gebraucht  werden  wird. 

Um  den  doppelten  sehr  wohlthätigen  Zweck  zu  erreichen,  den 
Obrigkeiten  die  Befiignisz  zu  lassen,  die  unentbehrlichem  Individuen, 
welche  das  Loos  zur  Landwehr  trift,  zurück  zu  behalten  und  in  die 
Beserve  stellen  zu  können,  und  um  den  Abzug  der  seit  dem  25sten 
Dezember  v.  J.  zu  den  Linien-Truppen  gestellten  Bekruten  gleichfalls 
den  Obrigkeiten  gestatten  zu  können,  wird  die  General-Commission 
sich  allerdings  auf  den  Grund  des  §.  2.  der  Festsetzungen  ic.  ge- 
nöthigt  sehn,  die  Zahl  mehrfach  gröszer,  als  der  effective  Bedarf  der 
Landwehr  ist,  zu  repartiren.  Indessen  hat  solches  keinen  Einfiusz 
auf  die  Anfertigung  der  Ausrüstungsstücke  für  die  Landwehrmänner, 
weil  das  letzte  Endresultat  kein  anderes  seyn  kann,  als  dasz,  wie  oben 
erwähnt  ist,  der  fünf  und  vierzigste  oder  fünfzigste  Theil  von  der 
Totalität  aller  Einwohner  zum  Landwehrdienst  gebraucht  werden  wird. 
5)  Da  es  wichtig  ist,  eine  richtige  Ansicht  von  dem  Wesen  und  Zweck 
der  Landwehr  zu  verbreiten,  so  übermachen  wir  Ihnen  . . .  Exemplare 
von  der  Schrift:  Was  bedeutet  Landsturm  und  Landwehr?  mit  dem 
Auftrage,  diese  Schrift  zur  möglichst  allgemeinen  Eenntnisz  der 
dortigen  Einwohner  unverzüglich  gelangen  zu  lassen. 

Königsberg,  den  19ten  Februar  1813. 

Die  General-Commission  für  die  Landwehr  von  Preuszen. 

An 
sämmtliche    Herren    Landräthe    und 
Magisträte    in    den    Provinzen    Lit- 
thauen, Ostpreuszen  und  Westpreuszen 
auf  dem  rechten  Weichsel-Ufer. 

Gedruckt  als  Circular  für  den  Gebrauch  der  Behörden.  [112* 


von  Bob  Maller.  §23 

Fol.  5-8. 

Festsetzungen, 

betreffend: 

die  Landwehr 

in 

den  Provinzen  Litthauen,  Ostpreussen,  und  Westpreussen 

auf  dem  rechten  Weichsel-Ufer. 

Einleitung. 

Die  Erfahrung  letzterer  Zeiten  hat  auf  die  auffallendste  Weise  unwider- 
sprechlich  dargethan,  dasz  die  Freiheit  und  Selbstständigkeit  der  Staaten 
nur  vorzüglich  mit  dadurch  behauptet  werden  kann,  wenn  möglichst 
zahlreiche  und  vortreffliche  stehende  Heere  von  einer  ausserordentlichen 
Landesbewaffnung  unterstützt  werden. 

Die  ausserordentliche  Landesbewaffnung  bestehet: 

I.  In  der  Landwehr, 
IL  Im  Landsturm. 

Die  Aushebungen  für  das  stehende  Heer  und  die  Bildung  möglichst 
zahlreicher  Bekruten-Depots,  zu  dessen  schleunigsten  und  kräftigsten 
Verstärkung,  sind  nicht  als  ein  Theil  der  ausserordentlichen  Landes- 
bewaflfhung  anzusehen.  Diese  Operationen  gehen  den  gewöhnlichen  bis- 
herigen Gang  und  die  nachstehenden  Bestimmungen  haben  auf  die- 
selben keinen  Bezug. 

I.  Von  der  Landwehr. 

§.  1. 

Bestimmung  der  Landwehr. 
Die  Bestimmung  der  Landwehr  ist: 

1)  die  Armee  in  dem  Augenblick,  wo  sie  sich  zurückziehen  musz,  wieder 
zu  verstärken  und  so  die  Verteidigung  der  Provinz  möglich  zu  machen. 

2)  In  dem  unerwarteten  Falle,  wenn  der  Feind  die  Provinz  von  der 
Seite  oder  dem  Bücken  anfallen  sollte,  während  die  stehende  Armee 
entfernt  ist,  die  Vertheidigung  der  Provinz*  zu  bewirken,  wobei  sie 
Unterstützung  von  Kavallerie  und  Artillerie  von  Seiten  der  stehenden 
Armee  erhält. 

21* 


324      Urkunden  inr  Geschichte  der  stand.  Versammlangen  in  Königsberg 

In  Hinsicht  auf  den  Verlust  von  mehr  als  einer  halben  Million 
Menschen,  welche  die  ohnehin  menschenarme  Provinz  Preussen  auf 
dem  rechten  Weichsel-Ufer  durch  den  frühem  und  gegenwärtigen 
Krieg  erlitten  hat,  soll  die  aus  der  Bevölkerung  dieser  Provinz  zu 
bildende  Landwehr  nicht  auf  dem  linken  Weichsel-Ufer  gebraucht 
werden. 

Die  Landwehr  unterscheidet  sich: 

a)  von  dem  Landsturm,  dadurch,  dasz  sie  eine  vollkommnere  mili- 
tairische  Organisation  erhält,  damit  sie  im  Stande  ist,  mit  den  regel- 
mäszigen  Truppen  fechten  zu  können, 

b)  von  der  stehenden  Armee,  dadurch,  dasz  sie  nur  zusammen 
gezogen  wird,  wenn  der  Feind  über  die  Grenzen  vordringt,  dasz  sie 
bis  dahin  nur  so  oft  zusammen  kommt,  als  zur  notwendigsten  Uebung 
erforderlich  ist,  dasz  sie  nur  während  des  Krieges  dient,  dasz  Uniform 
und  Exercitium  bei  ihr  einfacher  und  weniger  genau  sind,  als  beim 
stehenden  Militair,  dasz  die  Verpflichtung  zum  Dienste  bei  ihr  aus- 
gedehnter ist,  als  beim  stehenden  Heere,  mithin  auch  auf  schon  ver- 
abschiedete Miütair-Personen  geht,  und  dasz  sie,  so  lange  als  sie 
nicht  wirklich  gegen  den  Feind  dient,  keinen  Sold  erhält.  In  dieser 
letzten  Beziehung  kann  die  Ausnahme  statt  finden,  dasz,  wenn  Per- 
sonen, welche  nicht  Guts-Eigenthümer  oder  angesehene  Bürger  sind, 
zu  Offizierstellen  erwählt  werden,  diesen  der  halbe  militärische  Sold 
gereicht  wird,  da  ihnen  sonst  die  Mittel  zu  ihrer  Subsistenz  entgehen 
würden.  Von  dem  Augenblicke  an,  wo  die  Landwehr  wirklich  gegen 
den  Feind  auftritt,  geht  sie  in  die  Besoldung  und  Verpflegung  von 
Seiten  des  Staats  über. 

§•  2. 

Verpflichtung  zum  Dienste  bei  der  Landwehr. 

Verpflichtet  sind  zum  Dienste  bei  der  Landwehr,  alle  männliche 
Einwohner  der  oben  genannten  Provinzen  von  18  bis  45  Jahren,  ohne 
Unterschied  der  Religion  und  des  Glaubens,  mit  Ausnahme  der  wirklich 
Gebrechlichen,  Krüppelhaften  und  unheilbar  Kranken,  so  wie  der  Geist- 
lichen und  derer,  welche  ein  Lehramt  im  Staate  bekleiden,  ohne  Unter- 
schied des  Grades  derselben. 


von  Bob.  Müller.  325 

Es  ist  einem  jeden  erlaubt,  einen  Stellvertreter  für  sich  zu  gestellen, 
welcher  jedoch  die  völlige  Qualifikation  eines  Landwehrmannes  haben 
musz.  Wenn  dieser  Stellvertreter  in  Jahresfrist  mit  Ausnahme  des 
Todes  oder  einer  im  Dienste  sich  zugezogenen  Dienstunfähigkeit  ab- 
gehet, so  musz  der  eigentliche  Landwehrmann  einen  neuen  stellen  oder 
selbst  eintreten. 

Sollte  der  Fall  eintreten,  dasz  eine  Behörde  aufs  gründlichste  nach- 
zuweisen vermöchte,  dasz  ein  Officiant  dergestalt  arm  und  hülflos  ist, 
dasz  es  demselben  absolut  unmöglich  wird,  sich  durch  einen  Stellver- 
treter ersetzen  zu  lassen,  desgleichen,  dasz  ein  dergleichen  Officiant  von 
so  seltener  Qualification  ist,  dasz  derselbe  durchaus  von  keinem  andern, 
auch  bei  der  höchsten  Anstrengung,  übertragen  [sie]  werden  kann;  in 
einem  solchen  Falle  musz  beides  durch  ein  pflichtmäsziges  Attest  seines 
1  Chefs  nachgewiesen  werden. 

Um  genau  zu  erfahren,  wer  nach  der  obenstehenden  Bestimmung 
zur  Landwehr  verpflichtet  sey,  und  wie  die  Subrepartition  auf  die  ein- 
zelnen Dominien  oder  Communen  geschehen  müsse,  ist  es  nöthig, 
dasz  die  angesetzten  Behörden  die  vollständigsten  Listen  über  die 
männlichen  nicht  ausgenommenen  Einwohner  der  Provinz  von  18  bis 
45  Jahren  haben,  aus  deren  Totalität  die  Landwehr  in  folgender  Art 
entnommen  wird. 
Wenn  die  Landwehr  auch  nur  auf  zwanzigtausend  Mann  gebracht 
werden  soll,  so  wird  sie  doch  bei  der  Anlage  zur  Subrepartition  auf 
30,000  Mann  aus  den  unten  anzugebenden  Gründen  angesetzt,  wodurch 
es  natürlich  möglich  wird,  10,000  Mann  in  die  Reserve  zu  stellen. 

Da  auch  in  neueren  Zeiten  und  namentlich  vom  25sten  December 
1812.  ab,  bedeutende  Bekruten-Aushebungen  geschehen  sind,  und  bis 
zur  Zeit  der  Gestellung  der  Landwehr  noch  geschehen  sollen,  dadurch 
aber  einzelne  Dominien  oder  Communen  vor  andern  leiden,  so  ist  es 
billig,  auch  dies  bei  der  Anlage  zur  Subrepartition,  der  Ausgleichung 
wegen,  in  Anregung  zu  bringen.  Die  General-Commission  hat  zur  Be- 
förderung dieses  Zwecks  die  dienlichsten  Maaszregeln  zu  ergreifen.  Da 
jeder  Mann  von  Ehre  an  dieser  Landwehr  Antheil  nehmen  und  sich 
nicht  gerne  ausschlieszen  lassen  wird,  so  wird  zuvörderst  jedem  frei 


326      Urkunden  rar  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

gestellt,  sich  bei  dem  Dominio  oder  der  Commune  freiwillig  zu  dieser 
Landwehr  zu  bestimmen.  Die  Freiwilligen,  deren  öffentlich  eine  ehren- 
volle Erwähnung  geschiehet,  werden  von  der  Summe  der  noch  zu  be- 
schaffenden Mannschaft  abgezogen,  und  der  Best  durch  Verloosung 
ausgemittelt.  Aus  diesen  Ausgelooseten  nimmt  man  dasjenige,  was 
ausser  den  Freiwilligen  an  den  noch  zu  stellenden  Landwehrmännern 
fehlt.  Um  nun  den  Gutsbesitzern  und  Magisträten  möglichst  Erleichte- 
rung zu  verschaffen,  wird  diesen  überlassen,  mit  Anführung  der  Gründe, 
den  unten  näher  zu  bezeichnenden  Special-Gommissionen  vorzuschlagen, 
welche  Personen  sie  in  die  Reserve  gesetzt  zu  sehen  wünschen,  wobei 
vorzüglich  darauf  gesehen  wird,  dasz  die  weniger  entbehrlichen  Leute 
am  längsten  zurückgelassen  werden.  Die  Special-Commissionen  werden 
jeden  billigen  Antrag  dieser  Art  bestätigen. 

§.  3. 

Stärke  der  Landwehr. 
Was  die  Stärke  der  Landwehr  betrifft,  so  wird  in  Erwägung  der 
oben  erwähnten  besonders  unglücklichen  Verhältnisse  Preussens,  von  den 
Provinzen  Litthauen,  Ostpreussen,  und  Westpreussen  auf  dem  rechten 
Weichsel-Ufer,  zusammen  eine  Landwehr  von  20,000  Mann  gestellt 
werden. 

§•  4. 

Bewaffnung,  Bekleidung,  äussere  Auszeichnung. 

Die  Landwehr  wird  ganz  mit  Gewehren  bewaffnet;  äuszersten  Falls 
kann  nur  ein  kleiner  Theil  mit  gerade  gemachten  Sensen  versehen  seyn. 
Ohne  Ausnahme  gehört  zur  Ausrüstung  eines  jeden  Landwehr-Mannes, 
ein  tüchtiges  Beil,  ein  Bänzel,  eine  Patronentasche,  ein  Koch-  und. 
Trink-Geschirr. 

Die  Kleidung  der  Land  wehr- Männer  kann  die  gewöhnliche  seyn, 
vorausgesetzt,  dasz  sie  .anständig  und  warm  ist,  weshalb  auch  Stiefeln 
und  Winter-Handschuhe  dahin  gehören.  Auszerdem  musz  der  Landwehr- 
mann mit  einem  tüchtigen  Mantel  und  einer  Mütze  oder  Huth  versehen 
seyn.  Die  Mäntel  eines  jeden  Bataillons  müssen  eine  Farbe  haben, 
die  Hüthe  oder  Mützen  mit  einem  passenden  Abzeichen  und  der  Nazional- 
Oocarde  versehen  seyn. 


▼on  Rob.  Möller.  327 

Die  Officiere  tragen  die  Feldzeichen  wie  die  Officiere  der  stehenden 
Armee,  und  werden  denselben  überall  gleich  geachtet. 

§.5. 

Organisation. 

Die  Landwehr  bestehet  ans  Fuszvolk,  zu  welchem,  wenn  es  die 
Umstände  erfordern,  die  nöthige  Artillerie  und  Kavallerie  von  dem 
stehenden  Heere  gegeben  wird. 

Die  Bataillons  bestehen  jedes  aus  1000  Mann,  und  bilden  4  Linien- 
und  eine  Jäger-Compagnie,  zu  welcher  letzteren  vorzugsweise  die  Mit- 
glieder der  Schützen-Gilde  kommen.  Die  Formation  ist  so  militärisch 
als  möglich. 

Vier  Bataillons  bilden  eine  Brigade,  die  Brigaden  bestehen  nur 
bis  zu  dem  Augenblick,  wo  die  Landwehr  gegen  den  Feind  gebraucht 
werden  soll,  als  eine  Art  von  Inspection. 

Vereinigt  sich  die  Landwehr  mit  der  Armee,  so  wird  einem  jeden 
Infanterie  -  Regiment  ein  Bataillon  Landwehr  zugegeben,  welches  den 
Feldzug  bei  dem  Regiments  mitmacht. 

Auf  den  Fall,  dasz  die  Landwehr  gegen  einen  Feind  gebraucht 
wird,  welcher  die  Provinz  von  der  Seite  bedroht,  während  die  stehende 
Armee  noch  vorne  ist,  so  können  die  Brigaden,  dann  auch  als  eine 
Organisation  gegen  den  Feind  benutzt  werden. 

§.  6. 

Vollziehung  der  Organisation. 
Für  die  Provinzen  Litthauen,  Ostpreussen,  und  Westpreussen  auf 
dem  rechten  Weichsel-Ufer,  wird  eine  General-Commission,  als  oberste 
Behörde,  für  alle,  auf  die  Landwehr  Bezug  habende  Gegenstände  er- 
wählt, welche  mit  Einschlusz  des  Präsidenten  aus  sieben  Mitgliedern 
besteht.  Das  erste  Mahl  erwählt  die  Versammlung  der  Stände  den 
Präsidenten  und  die  übrigen  Mitglieder,  jedoch  so,  dasz  für  die  letztern 
mehrere  Subjecte  vorgeschlagen  werden,  und  dem  General-Gouverneur 
die  Wahl  aus  diesen  zustehet.  In  der  Folge  geschiehet  die  Wahl  und 
der  Vorschlag  durch  die  General-Commission.  Vier  dieser  Mitglieder 
incl.  des  Präsidenten,  sind  aus  dem  Stande  der  adlichen  Gutsbesitzer, 
von  denen  wenigstens  zwey  im  Militair  gedient  haben  müssen.  Eins 


328      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

vom  Stande  der  Cöllmer,  Eins  aus  dem  Stande  der  groszen,  und  Eins 
aus  dem  Stande  der  kleinen  Städte. 

Auszer  diesen  Mitgliedern  werden  drey  Substituten  gewählt,  welche 
theils  dazu  dienen,  im  Falle  der  Verhinderung  eines  Mitgliedes,  nach 
der  Wahl  des  Präsidenten  in  die  Commission  zu  treten,  theils  alsdann 
zur  Versammlung  zu  erscheinen,  wenn  der  Präsident  es  für  gut  findet, 
sie  zusammen  zu  berufen,  in  welchem  Falle  sie,  gleich  den  Mitgliedern 
volle  Stimmen  haben.  Auch  stehet  ihnen  frei,  vor  ihrer  Einberufung 
in  die  Commission  an  den  Sizzungen,  jedoch  ohne  Stimme  Theil  zu 
nehmen,  und  sich  so  Eenntnisz  von  der  Lage  der  Sache  zu  schaffen. 
Der  Commission  wird  fortwährend  ein  activer  Staabs-Officier  von  Sr. 
Königl.  Majestät  oder  dessen  Stellvertreter  als  Commissarius  des  Gou- 
vernements zugeordnet,  welcher  vorzüglich  die  Leitung  der  rein- mili- 
tärischen Gegenstände  besorgt,  und  welchem  in  allen  Angelegenheiten 
eine  volle  Stimme  zustehet,  wenn  gleich  er  das,  was  die  Administration 
und  die  Ausgleichung  unter  den  einzelnen  Communen  betritt,  mehr  den 
übrigen  Mitgliedern  der  Commission  überläszt.  Im  Fall  eines  nicht 
bestehenden  Einverständnisses  zwischen  diesem  Staabs-Officier  und  der 
Commission,  entscheidet  der  jedesmalige  General-Gouverneur  der  Pro- 
vinz die  Sache. 

Die  General-Commission  hat  zu  Königsberg  ihren  Sitz,  und  hat 
die  Bestimmung,  dafür  zu  sorgen,  dasz  die  Landwehr  nach  den  dieser- 
halb  zu  gebenden  Festsezzungen  aufs  Vollständigste  und  Zweckmäszigste, 
in  der  möglichst  kürzesten  Frist  formirt  und  während  der  Dauer  des 
Krieges  stets  zum  augenblicklichen  Gebrauch  in  Bereitschaft  gehalten 
werde.  Diejenigen  Mitglieder  der  General-Commission,  welche  früher 
im  Militair  gedient  haben,  sind  als  die  unmittelbaren  Vorgesetzten  der 
Brigadiers  zu  betrachten  und  sind  verpflichtet,  durch  öftere  Revisionen, 
denen  der  obenerwähnte,  der  General-Commission  zugeordnete  Staabs- 
Officier,  —  behufs  der  Berichterstattung  an  den  General-Gouverneur, 
so  oft  seine  übrigen  Geschäfte  es  verstatten,  beiwohnt,  und  so  dann  ab- 
hält, [sie]  sich  von  den  Fortschritten  der  Organisation  zu  überzeugen 
und  zur  Stelle  die  nöthigen  Anordnungen  zur  schnellen  und  kräftigsten 
Beförderung  der  Sache  zu  treffen. 


von  Bob.  Möller.  329 

Die  General-Commission  ist  befugt,  unmittelbar  oder  durch  Re- 
quisitionen der  Landes- Collegien,  Verfügungen  an  jeden  Beamten  in  den 
Provinzen  zu  erlassen,  welche  Verfügungen  pünktlichst  und  schleunigst 
befolgt  werden  müssen;  indem  nur  allein  durch  die  äuszerste  Anstren- 
gung aller  Kräfte  und  durch  die  vollkommenste  Einheit  in  diesen  An- 
strengungen, in  einem  so  menschenarmen  und  durch  die  Begebenheiten 
des  letzten  Jahres  sehr  unglücklichen  Lande  wie  Preussen,  die  auszer- 
ordentliche  Maaszregel  der  Landwehr  mit  Erfolg  ausgeführt  werden  kann. 

Die  6eneral-Commis8ion  ist  ferner  ermächtiget,  jeden  Verwaltungs- 
Officianten,  welcher  ihren  Verfügungen  nicht  schleunigst  und  vollständig 
Folge  leistet,  sofort  durch  einen  anderen  auf  seine  Kosten  in  dem  ihm 
aufgetragenen  Geschäfte  ersezzen  zu  lassen  und  ihn  zur  Untersuchung 
und  Bestrafung  der  vorgesetzten  Landesbehörde  anzuzeigen. 

Die  Mitglieder  der  General-Commission  erhalten  keine  Remuneration, 
haben  keine  Kasse  und  bedienen  sich  des  Subalternen-Personals  und  des 
Locals  des  Ständischen  Committöe.  Nur  die  Mitglieder,  welche  die  Briga- 
den bereisen,  erhalten  freies  Quartier  und  Vorspann  behufs  dieser  Reisen. 

Unter  dieser  General-Commission  stehen  Special-Commissionen  und 
zwar  für  jede  Brigade  eine,  weshalb  die  General-Commission  das  Nä- 
here festsezzen  wird.  Jede  Special-Commission  bestehet  aus  vier  Mit- 
gliedern, nämlich :  einem  von  den  adlichen,  einem  von  den  köllmischen 
Gutsbesitzern,  einem  von  den  Städten,  und  dem  Brigadier.  Sie  werden 
sämtlich,  mit  Ausnahme  des  Brigadiers,  von  den  Ständen  des  Bezirks, 
welcher  der  Special-Commission  zugewiesen  ist,  gewählt  und  von  der 
General-Commission,  insofern  dabei  kein  Bedenken  obwaltet,  bestätiget. 
Eben  so  wählen  die  Special-Commissionen  ihren  Präsidenten  selbst, 
wozu  die  Genehmigung  der  General-Commission  tritt.  Durch  diese 
Special-Commissionen  geschiehet  die  Errichtung  der  Bataillons  sowohl, 
als  die  Aushebung  der  Mannschaften,  deren  Bewaffnung,  Bekleidung  :c. 
Diese  Special-Commissionen  sind  ermächtiget,  in  Angelegenheiten  ihres 
Ressorts  sich  der  bestehenden  Obrigkeiten  zu  bedienen. 

Die  Mitglieder  der  Special-Commissionen  erhalten  keine  Remune- 
ration, wohl  aber  bei  Dienstreisen  Vorspann  und  freies  Quartier.  Die 
Kosten  des  Locals  und  Subalternen-Personals  übernimmt  der  Bezirk. 


330     rhrknnden  *ur  Geschichte  der  stand.  Versammlungen  in  Königsberg 

§•  7. 
Ernennung  der  Officiere. 

Zu  Brigadiers  und  Bataillons-Chefs  können  nur  Grund-Eigenthümer, 
zu  den  übrigen  Officier-Stellen  Eingeborne,  aus  den  oben  näher  be- 
zeichneten Provinzen,  Grund-Eigenthümer  oder  solche  Personen,  welche 
bereits  seit  drey  Jahren  in  den  Provinzen  gewohnt  haben,  gewählt  werden. 

Die  Brigadiers  werden  von  der  General-Gommission  dem  Landes- 
herrn oder  dessen  Stellvertreter  vorgeschlagen  und  dann  von  diesem 
ernannt,  wobei  es  der  General-Commission  überlassen  bleibt,  zu  jeder 
Stelle  ein  oder  mehrere  Subjecte,  bis  zur  Zahl  drei  vorzuschlagen.  Die 
Verwerfung  der  Vorgeschlagenen  kann  geschehen,  ohne  dasz  es  der 
Angabe  specieller  Gründe  bedarf. 

Die  Bataillons-Chefs  und  andere  Officiere  werden  in  der  Art  er- 
nannt, dasz  die  Special-Commissionen  zu  jeder  Stelle  drei  Subjecte  vor- 
schlagen und  die  General-Commission  einen  von  diesen  zu  der  Stelle 
bestimmt.  Finden  sich  Stande,  welche  die  Kosten  der  Ausrüstung 
eines  ganzen  Bataillons  übernehmen  wollen,  so  haben  sie  die  Verge- 
bung sämtlicher  Officier-Stellen  des  ganzen  Bataillons. 

Zu  Unterofficieren  werden,  wo  möglich  ehemalige  Soldaten  ge- 
nommen, sie  werden  von  dem  Hauptmann  der  Compagnie  ernannt. 

§.  8. 

Kosten  der  Errichtung. 

Die  Gewehre  giebt  der  Staat,  so  wie  auch  die  nöthige  Munition, 
selbst  zu  dem  Scheiben-Schieszen  und  anderen  Uebungen.  Die  gewöhn- 
liche Bekleidung  besorgt  ein  jeder  sich  selbst,  mit  Ausnahme  der  Armen, 
für  welche  diese  von  den  Dominien  oder  Communen  angeschafft  wird. 
Mäntel  und  Eopfbedekkung,  so  wie  die  im  §.  4.  vorgeschriebenen 
Rüstungsstükke,  werden  den  Landwehr-Männern,  in  sofern  sie  solche 
nicht  selbst  freiwillig  anschaffen  wollen,  geliefert.  Die  dazu  nöthigen 
Kosten  bringt  jedes  Dominium  oder  jede  Commune  auf  die  ihm  am 
zweckmäszigst  scheinende  Art  auf.  Die  General-Kosten  welche  durch 
die  Formation  der  Brigaden  und  Bataillons  der  Landwehr  unumgänglich 
nöthig  werden  mögten,  bringt  verhältniszmäszig  derjenige  Theil  des 
Landes  auf,  zu  welchem  diese  Abtheilungen  der  Landwehr  gehören. 


von  Bob.  Müller.  331 

§.  9. 
Uebung. 

Die  Landwehr  versammelt  sich  wöchentlich  zweimal  zu  ihren 
Uebungen  in  den  Zügen  der  Compagnie  dergestalt,  dasz  die  Compagnie 
aus  vier  Zügen  bestehet,  sich  auf  vier  Punkten  versammelt  und  übt, 
und  jeder  Uebung  ein  Officier  vorstehet.  Der  Hauptmann  inspicirt  diese 
vier  Officiere.  Die  Gewehre  befinden  sich  daher  in  der  Wohnung  der 
Officiere,  die  an  dem  Orte  sich  aufhalten,  an  welchem  die  zu  ihrem 
Zuge  gehörige  Mannschaft  sich  am  fuglichsten  versammeln  kann. 

Die  Landwehr  wird  geübt: 

a)  in  der  Aufstellung  zu  drei  Gliedern,  im  Vormarsch,  Rück- 
marsch und  Seitenmarsch.  Der  Seitenmarsch  geschiebet  nur 
Rottenweise  und  Sectionsweise,  wodurch  das  Schwenken  un- 
nöthig  wird« 

b)  dem  Schieszen  nach  der  Scheibe,  wobei  sich  die  Behandlung 
des  Gewehrs  von  selbst  lernt. 

Nach  vierzehn  Tagen  werden  die  Compagnien  zusammen  gezogen, 
nach  andern  vierzehn  Tagen  die  Bataillons.  Nach  achtwöchentlicher 
Uebung  kommt  die  Landwehr  nur  einen  Tag  in  der  Woche  zusammen. 
Die  Hauptleute,  Bataillons  -  Chefs  und  Brigadiers  sind  in  gleichem 
Maasze  verantwortlich  für  die  Ausführung  dieser  Uebungen. 

Die  Brigadiers  stehen,  wie  bereits  §.  6.  erwähnt  ist,  unmittelbar 
unter  der  General-Commission  und  speciell  unter  den  daselbst  erwähnten 
Mitgliedern  derselben.  Die  Bataillons-Chefs  stehen  unter  dem  Befehl 
der  Special-Commissionen  und  der  damit  verbundenen  Brigadiers. 

§.  10. 
Verpflegung  und  Besoldung. 

Die  Landwehr-Männer  werden  nur  vom  Staate  besoldet,  und  auf 
Kosten  der  ganzen  Provinz  verpflegt,  wenn  sie  bleibend  versammelt 
sind,  bis  dahin  erhält  die  Landwehr  weder  Verpflegung  noch  Sold,  mit 
Ausnahme  des  §.1.  bemerkten  Falles.  Zu  den  Uebungen,  welche  nur 
einige  Tage  dauern,  nimmt  ein  jeder  sich  den  nöthigen  Mundvorrath 
mit,  indem  nur  dem  Armen  derselbe  vom  Gutsbesitzer  oder  dem  Ma- 
gistrat gereicht  wird. 


332      Urkunden  zur  Geschichte  der  stund.  Versammlungen  in  Königsberg 

Bei  Uebungen,  welche  länger  dauern,  geschieht  die  Verpflegung 
nach  Anordnung  der  Special-Commissionen,  mit  möglichster  Vermeidung 
der  Verpflegung  aus  Magazinen. 

Abdruck  bei  Gerwien  S.  73—76,  »Zu  Sehnt«  und  Trutz  am  Grabe  Sehens.* 
Berlin  1876.  S.  581—593.  —  Die  hier  bei  den  Akten  als  Anlage  zu  [112* 
befindlichen  »Festsetzungen*  sind  ebenfalls  ein  zum  Zweck  der  Bekanntmachung 
gedrucktes  Exemplar;  ein  zweites  habe  ich  lose  bei  den  Papieren  der  General- 
Commission  gefunden.  Es  sind  diese  »Festeezzungen*  der  Organisationsplan 
der  Landwehr,  nach  dem  bis  zum  Eintreffen  der  Königlichen  Verordnung  vom 
17.  März  ([109)  verfahren  wurde.  Max  Lehmann  (S.  228  Anm.  2)  lässt  es  un- 
entschieden, ob  der  Text  bei  Gerwien  die  Variata  oder  Invariata  sei.  Ich  halte 
diese  »Festsezzungen*,  wie  schon  Bd.  XIII.  S.  614  al.  3  bemerkt,  für  die  —  Variata. 
Auch  Gerwien  S.  19b,  ebenso  Droysen  II,  S.  HO,  und  nach  ihm  Witt  (Baumer, 
Hist.  Taschenbuch.  1857.  S.  598)  scheinen  derselben  Ansicht  zu  sein.  Vgl. 
[51  a.  E.,  [112*,  dazu  die  beiden  Schreiben  Yorks  an  den  König  vom  12.  und 
13.  Februar,  die  Gerwien  S.  17*— 19»  und  S.  20,  Droysen  im  II.  Bande, 
S.  110—117  abdruckt,  wie  auch  Dr.  II,  S.  317  Yorks  Schreiben  an  die  General- 
Commission  vom  16.  Februar.  In  den  vorliegenden  »Festsezzungen*  halte  ich  eben 
al.  3  von  §.  2  (»Sollte  der  Fall  eintreten  ....  Chefe  nachgewiesen  werden.*) 

und  al.  5  von  §.  6  (»Die  General-Commission  ist  ferner  ermächtiget 

Landesbehörde  anzuzeigen/)  für  die  Punkte,  die  in  Folge  der  Anträge  Auen- 
walds in  dem  ursprünglich  zwischen  York  und  den  Ständen  vereinbarten  Organi- 
sationsplan nachträglich  so  abgeändert  sind,  wie  sie  jetzt  hier  vorliegen:  al.  3 
von  §.  2  gestattet  allerdings  einige  Befreiungen  von  der  principiell  festgehaltenen 
Landwehrpflicht  der  Beamten,  aber  —  dass  diese  Ausnahmen  der  Königlichen  Be- 
stätigung bedürfen,  wie  dies  York  in  dem  Schreiben  vom  12.  Februar  (Dr.  II, 
S.  113  a.  E.,  Gerwien  S.  18b  a.  A.)  ausspricht,  davon  steht  hier  kein  Wort; 
auch  scheint  mir  die  in  al.  5  von  §.  6  ausgesprochene  Befugniss  der  General- 
Commission,  einen  ungehorsamen  Beamten  »durch  einen  anderen  auf  seine 
Kosten  in  dem  ihm  aufgetragenen  Geschäfte  ersezzen  zu  lassen  und 
ihn  zur  Untersuchung  und  Bestrafung  der  vorgesetzten  Landesbehörde 
anzuzeigen*  doch  noch  ganz  etwas  anderes  zu  sein,  als  die  Macht  derselben, 
jeden  Verwaltungsbeamten,  der  ihre  Verfügungen  nicht  pünktlichst  und 
schleunigst  befolgt,  ohne  weiteres  selbst  von  dem  Dienst  zu  suspendiren 
(Droysen  II,  S.  114  al.  1,  Gerwien  S.  18b  al.  2).  [112b 

Fol.  9.  Vermerk 

Es  sind  5  Special-Commissiones  errichtet 

1.  in  Tilsit  fär  den  Insterburgschen  Kreis 

2.  —  Rhein   für  die  Kreise    Sehesten 

Oletzko 
Neidenburg 

3.  —  Koenigsberg Brandenburg 

Schaaken 
Tapiau 


von  Hob.  Müller.  333 

4.  in  Heilsberg  für  die  Kreise    Barten 

Heilsberg 
Braunsberg 

5.  —  Mohrungen  —    —    —     Mohrungen 

Marienwerder 
Marienburg 

Ungedruekt,    Ist  von  Scheltz  auf  der  zweiten  Bogenhälfte  des  Circulars  [112* 
notirt.  *  [llgc 

Fol.  10—17. 

Was  bedeutet  Landsturm  und  Landwehr? 

Es  ist  dies  die  bekannte  Fingschrift  ?on  Ernst  Moritz  Arndt. 

Fol.  24-31. 

Diese  8  Blätter  sind  ein  zweites  Exemplar  jenes  Circulars  von  4  Druckbogen, 
dessen  Inhalt  wir  als  Urkunden  [107— [109k  gegeben  haben.    Vgl.  [107  Anna. 


Ich  fuge  hier  als  [113 — [115  drei  Schriftstücke  nach  Gerwien  und 
Voigt  hinzu,  die  dieselben  von  Seiten  der  Grafen  Dohna  zur  Veröffent- 
lichung erhalten  haben. 

Gerwien  schreibt: 

Ueber  den  eigentlichen  Ursprung  und  Inhalt  dieser  ersten  Vor- 
schläge zur  Errichtung  der  Landwehr  und  des  Landsturms  in  den  öst- 
lichen Provinzen  ist  das  nachstehende  anzuführen. 

Zunächst  hat  Sr  Exzellenz  der  jetzige  kommandirende  General 
Graf  zu  Dohna  gestattet,  das  Folgende  hierüber  mitzutheilen. 

„Während  der  Anwesenheit  des  Ministers  v.  Stein  in  Königsberg 
waren  auch  der  (zugleich  englische  und  russische)  General  v.  Dörn- 
berg,  der  Oberstlieutenant  Karl  v.  Clausewitz  (damals  in  russischen 
Diensten,  und  zwar  im  Generalstabe  des  Wittgensteinschen  Korps), 
und  der  Major  Graf  zu  Dohna  (damals  in  russischen  Diensten,  jetzt 
kommandirender  General  des  diesseitigen  1.  Armee-Korps)  eine  längere 
oder  geringere  Zeit  in  Königsberg  anwesend.  Die  beiden  erstgenannten 
Offiziere  waren  mit  dem  Hauptquartier  des  General  Grafen  v.  Wittgen- 
stein nach  Königsberg  gekommen,  der  letztgenannte  Offizier  war  von 


334      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand.  Versamminngen  in  Königsberg 

dem  Marchese  Paulucci,  General-Gouverneur  von  Liefland  und  Kurland, 
von  Riga  aus  zum  General  Grafen  v.  Wittgenstein  gesandt  worden. 

Der  Minister  v.  Stein,  nachdem  er  seine  Kaiserliche  Vollmacht 
bei  dem  Präsidenten  v.  Auerswald  geltend  gemacht,  und  dieser  in 
Folge  der  erhaltenen  Aufforderung  eine  ständische  Versammlung  be- 
rufen hatte,  war  von  dem  Wunsche  beseelt  zur  Beschleunigung  der 
Organisation  einer  Landwehr  in  der  Provinz  Preuszen  mitzuwirken, 
so  weit  es  seine  Stellung  gestattete.  Zu  diesem  Behuf  forderte  er 
den  Oberstlieutenant  v.  Clausewitz  und  auch  den  General  v.  Dörnberg 
auf,  dem  Minister  Grafen  zu  Dohna  durch  ihre  Einsicht  und  durch 
ihre  im  letzten  Feldzuge  gemachten  Erfahrungen  bei  dem  Entwurf  zu 
der  beabsichtigten  Organisation  einer  Landwehr  je.  zu  unterstützen. 

Dieser  Aufforderung  zu  Folge  schrieb  Oberstlieutenant  v.  Clause- 
witz seine  Ansichten  über  Organisation  eines  Landsturms  und  einer 
Landwehr  oder  Miliz  nieder,  und  theilte  gleich  damals  diesen  eigen- 
händig und  nur  flüchtig  niedergeschriebenen  Entwurf  dem  Major 
Grafen  zu  Dohna  (jetzigen  kommandirenden  General)  mit,  welcher 
denselben   noch  jetzt  besitzt,   und  genehmigt   hat,   eine   Abschrift 

[hier  als  [115  abgedrückt]  davon  zu  nehmen/ 

Gedr.  bei  Gerwien  S.  11.  [U3 

Gerwien  fahrt  dann  weiter  fort: 

Die  vorstehenden  schätzenswerthen  Mittheilungen  werden  von  dem 
Inhalt  eines  abschriftlich  vorliegenden,  und  bereits  anderweitig  abge- 
druckten Schreibens*)  des  Minister  Grafen  zu  Dohna  vom  28sten  Februar 
1820  in  der  folgenden  Art  bestätigt  und  vermehrt. 

:c.  „Unter  meinen  Papieren  über  Landwehrsachen  befindet  sich 
nur  der,  nach  gemeinschaftlicher  Bücksprache  mit  meinen  Brüdern 
Ludwig  und  Fritz,  vom  General  Clausewitz  niedergeschriebene  erste 
militairische  Entwurf  zur  Bildung  der  Preuszischen  Landwehr,  und 
der  von  mir  darnach  gemachte  erste  Entwurf  zu  einer  Verordnung 
über  diesen  Gegenstand  mit  Korrekturen  von  der  Hand  v.  Stein. 
Ueber  diesen  Entwurf  ward  mit  Tork  und  den  Ständen  konferirt;  in 


*)  Dae  Leben  4ee  Königlich  Preuuischen  StaaUmtmetere  etc.  Grafen  *u  Dohna  BehUMttm  ic. 
9.  J.  Voigt,  Seite  97, 


von  Rob.  Müller.  335 

Folge  dieser  Konferenzen  ward  manches  modifizirt;  mit  dem  modi- 
fizirten  Plane  ging  mein  seeliger  Bruder  nach  Breslau,  und  dort  ent- 
schlosz  man  sich  zur  Bildung  der  Landwehr. 

In  jenen  verhängniszvollen  Tagen  gab  mir  zwar  auch  York  einen 
Entwurf  zur  Landesbewaffnung,  welchen  ich  noch  besitze.  Derselbe 
aber  taugt  nicht  viel,  und  hat  R p  *)  zum  Verfasser." 

Joch.  Voigt  hat  yod  dieser  schriftlichen  Erklärung  Dohnas  noch  drei  Sätze 
mehr  abgedruckt.    Es  lautet  das  Schreiben  bei  ihm: 

«In  den  Akten  des  ständischen  Comitee  befindet  sich  durchaus 
kein  schriftlicher  Plan  zur  Landesbewaffnung  von  Scharnhorst.  Ich  be- 
zweifele sogar,  ob  ein  dergleichen  Plan  jemals  schriftlich  vorhanden 
gewesen  ist.  Mehrmals  habe  ich  mit  dem  seligen  Scharnhorst  über 
den  Gegenstand  gesprochen;  es  ist  mir  aber  nicht  erinnerlich,  dasz  ich 
einen   schriftlichen   Plan    darüber  in  Händen   gehabt.    Unter  meinen 

Papieren  über  Landwehrsachen  befindet  sich  u.  s.  w 

aber  taugt  nicht  viel  und  hat  B . . . !)  zum  Verfasser.  * 

Gedr.  bei  Gerwien  S.  llb,  Voigt  S.  27.    Vgl.  dazu:  »Zu  Schutz  und  Trutz* 
S.  554  f.      ')  ßibbentrop.  [114 

I.  Das  Wesentlichste 
in  der  Organisation  eines  Landsturms  und  einer  Miliz. 

Vom  Obristlitutenant  Carl  v.  Claus ewiU. 

1.  Landsturm. 

Zweck.  Der  Landsturm  ist  bestimmt,  dem  Feinde  wenn  er  in 
die  Provinz  vordringt,  den  Besitz  aller  der  Gegenden  streitig  zu  machen, 
wo  er  gar  keine  Truppen  oder  nur  schwache  Detachements  hat.  Die 
Natur  des  Krieges  und  die  Geschichte  des  letzten  Feldzuges  zeigen  uns 
im  gleichen  Maasze  die  Wichtigkeit  dieses  Zweckes. 

Mittel.  Der  Landsturm  besteht  aus  allen  Einwohnern,  die  im 
Stande  sind  die  Waffen  zu  tragen.  Dadurch  wird  er  im  Stande  auf 
allen  Punkten,  ohne  eine  umständliche  Organisation  zu  haben,  und  ohne 
weitläuftige  Vorkehrungen,  in  zahlreichen  Haufen  sich  zu  versammeln, 
um  über  die  feindlichen  Detachements  und  Traineurs  mit  Ueberlegenheit 
herzufallen,  welches  sein  einziger  Zweck  ist. 

Jeder  Einwohner  von  18—60  Jahren  ist  also  verpflichtet,  dem 
Landsturm  beizutreten. 


336      Urkunden  inr  Geschichte  der  stund,  Versammlungen  in  Königsberg 

Waffen  und  Büstung.  Sie  bestehen  aus  Piken,  besonders  gerade- 
gemachten Sensen,  Aexten,  Jagdflinten,  Säbel  u.  s.  w.,  kurz  jedem 
tödtlichen  Instrument. 

Da  Viele  Wenige  erschlagen  sollen,  ist  jedes  Instrument  hinreichend ; 
ein  Strohkranz  im  Hut  oder  der  Mütze,  sichert  den  Eopf  gegen  den 
Hieb,  und  ein  Ränzel  dient  zur  Aufbewahrung  der  Lebensmittel. 

Organisation.  Der  Landsturm,  am  weitesten  von  dem  Wesen 
stehender  Heere  entfernt,  kann  von  einer  militairischen  Organisation 
nur  wenige  groben  Umrisse  haben.  Kreise  und  Städte  bilden  Land- 
sturmhaufen, denen  ein  Hauptmann  vorgesetzt  ist.  Mehrere  Land- 
sturmhaufen bilden  den  Landsturm  einer  Provinz  —  von  Ermeland  — 
Samland  :c.  Diesen  einzelnen  Landstürmen  ist  ein  Oberster  vorgesetzt, 
und  alle  zusammen  stehen  unter  einem  Landeshauptmann. 

Der  Landeshauptmann,  die  Landsturm -Obersten  und  Hauptleute 
werden  von  dem  Landesherm  oder  seinem  Stellvertreter  bestimmt,  die 
anderen  Anfuhrer  von  den  Gemeinen  gewählt,  so  dasz  jedes  Dorf,  grosz 
oder  klein,  seinen  Anführer  hat,  den  sie  aber  nicht  ohne  Genehmigung 
des  nächsten  Obern  absetzen  können. 

Verfahren  des  Landsturms.  Sobald  der  Feind  sich  der  Pro- 
vinz nähert,  worin  der  Landsturm  eingerichtet  ist,  werden  durch  den 
Landeshauptmann  diejenigen  Kreise  aufgeboten,  welche  sich  zunächst 
auf  beiden  Seiten  der  Straszen  befinden,  auf  welchen  der  Feind  vorgeht. 

Da  wo  der  Feind  mit  Macht  ist,  verhalten  sich  die  Einwohner 
entweder  ruhig,  oder  sie  wandern  aus  nach  den  nächsten  Kreisen  und 
Provinzen. 

Da  wo  der  Feind  nicht  mit  Macht  ist,  werden  zwei  Maaszregeln 
den  Zweck  des  Landsturms  erfüllen,  die  erste  ist,  dasz  in  jedem  Dorf 
an  allen  Ausgängen  ein  Paar  Mann  Wache  halten,  um,  sobald  sich 
etwas  vom  Feinde  zeigt,  im  Dorfe  Lärm  zu  machen;  die  zweite,  dasz 
der  Landsturm-Hauptmann  einen  Haufen,  von  ein  oder  mehreren  Hun- 
derten nach  der  Volkszahl  seines  Kreises  sogleich  versammelt,  um  damit 
entweder  selbst  Streiche  auszufuhren  gegen  die  feindlichen  Fourageure, 
Marodeure  und  Transporte,  oder  zu  seinem  Landsturm-Obersten  zu 
ptoszen,  wenn  ihn  dieser  auffordert. 


▼on  Rob.  Maller.  337 

Die  Landsturm-Hauptleute  versammeln  ihren  Landsturm  auf  einen 
Punkt  nur  dann,  wenn  sie  eine  bestimmte  Unternehmung  gegen  einen 
bedeutendem  Haufen  der  feindlichen  Armee  beabsichtigen. 

Verpflegung  des  Landsturms.  Die  Natur  der  Unternehmungen, 
welche  dem  Landsturm  aufgegeben  sind,  erfordert  keine  dauernden 
Operationen.  Ein  Tag  oder  ein  Paar  werden  gewöhnlich  zur  Erreichung 
des  Zwecks  hinreichen.  Auf  diese  führt  ein  jeder  Einzelne  die  Lebens- 
mittel mit  sich.  In  Fällen,  wo  der  Landsturm  sich  auf  andere  Kreise 
in  entlegene  Wälder  zurückziehen  wollte,  und  also  mehrere  Tage  zu- 
sammen bliebe,  lebt  derselbe  mit  den  Einwohnern,  wie  das  bei  marschi- 
renden  Soldaten  so  häufig,  fast  immer,  der  Fall  ist. 

IL  Die  Landwehr  oder  Miliz. 

Der  Landsturm  soll,  wenn  der  Feind  in  die  Provinz  vordringt, 
dazu  dienen,  ihn  auf  einen  schmalen  Strich  Landes  einzuschränken,  der 
ihm  zur  Kommunikation  mit  seinen  zurückgelegenen  Provinzen  dient. 

Welche  Vortheiie  daraus  flieszen,  haben  wir  in  Ruszland  gesehen. 

Die  Land-Miliz  soll  dazu  dienen,  unsere  Armee  in  dem  Augen- 
blick, wo  sie  sich  zurückziehen  musz,  und  durch  diesen  Bückzug  wie 
immer  geschieht,  sehr  geschwächt  wird,  wieder  zu  verstärken,  und  da- 
durch die  Vertheidigung  der  Provinz  möglich  zu  machen.  Durch  diese 
Verstärkungen  auf  dem  Sückzuge  wird  eine  Armee  bald  die  Ueberlegen- 
heit  über  die  ihr  folgende  feindliche  gewinnen.  Wenn  also  beide,  Land- 
sturm und  Landwehr,  zur  Vertheidigung  der  Provinz  dienen,  so  unter- 
scheidet sich  doch  die  letztere  eben  des  näher  bestimmten  Zweckes 
wegen  dadurch,  dasz  sie  eine  vollkommenere  militairische  Organisation 
erhält,  damit  sie  im  Stande  sei,  mit  den  übrigen  Truppen  gemeinschaft- 
lich zu  fechten. 

Sie  unterscheidet  sich  von  dem  stehenden  Heere  dadurch,  dasz 
sie  nur  zusammengezogen  wird,  wenn  der  Feind  über  die  Grenzen  vor- 
dringt, dasz  sie  bis  dahin  nur  so  oft  zusammen  kommt,  als  zur  not- 
wendigsten Uebung  erforderlich  ist,  dasz  sie  so  lange  nicht  bezahlt 
wird,  dasz  sie  nur  während  des  Krieges  dient,  endlich  vielleicht,  dasz 
Uniform  und  Exerzizium  bei  ihr  einfacher  und  weniger  genau  sind,  als 
beim  stehenden  Militair. 

▲ltpr.  MooftttMhrift  Bd.  XIV.  Hft.  3a.i  -22 


338      Urkunden  zur  Geschichte  der  stand*  Versammlungen  in  Königsberg 

Mittel,  Menschen.  Die  jüngste  Mannschaft  des  ganzen  Landes, 
ohne  Unterschied  des  Ranges,  gehört  zur  Miliz.  Je  nachdem  man 
dieselbe  stark  oder  schwach  haben  will,  wird  man  vom  18ten  bis  zum 
40sten  Jahre  mehr  oder  weniger  Männer  ausheben ;  man  wählt  vorzugs- 
weise solche,  die  schon  Soldat  gewesen  sind. 

Wenn  man  von  50  Menschen  einen  aushebt,  so  wird  man  von 
1  Million  20000,  und  von  4  Millionen  80000  Mann  Miliz  bilden  können, 
welches  von  der  einen  Seite  eine  grosze  Maaszregcl  ist,  wodurch  man 
grosze  Wirkungen  hervorbringen  kann,  von  der  anderen  Seite  keine 
Ueberspannung  der  Kräfte  ist.  Die  Offiziere  sind  Individuen  aus  der 
Masse  der  Milizen  selbst,  soviel  als  möglich  solche,  die  schon  gedient 
haben,  Edelleute  und  andere  gebildete  Einwohner  des  Kreises,  der 
Provinz  je.    Ueber  ihre  Ernennung  unten. 

Waffen  und  Rüstung.  Die  Miliz  musz  wo  möglich  ganz  mit 
Gewehren  bewaffnet  sein,  ein  kleiner  Theil  allenfalls  mit  Piken. 

Ein  Ränzel,  eine  Patrontasche  und  eine  Axt  sind  die  unentbehrlich- 
sten Stücke  der  Ausrüstung.  Ein  Mantel,  ein  Hut  oder  Mütze,  1  Paar 
Stiefeln  und  Handschuh  die  unentbehrlichsten  Stücke  der  Kleidung. 

Uebereinstimmung  in  der  Kleidung  eines  Bataillons  und  Zeichen, 
woran  man  sogleich  das  Korps  erkennt,  in  welchem  jeder  dient,  sind 
sehr  wesentliche  Stücke. 

Organisation.  Man  bildet  Bataillone  zu  1000  Mann  in  4  Kom- 
panien getheilt,  im  übrigen  der  Formation  stehender  Truppen  so  ähn- 
lich als  möglich. 

3  oder  4  Bataillone  bilden  eine  Brigade;  die  Abtheilung  in  Regi- 
mentern ist  hier  unnöthig,  die  Brigaden  bestehen  nur  bis  zu  dem 
Augenblick  wo  die  Miliz  gegen  den  Feind  gebraucht  werden  soll,  als 
eine  Art  von  Inspection. 

Vereinigt  sich  die  Miliz  mit  der  Armee,  so  wird  einem  jeden 
Infanterie-Regiment  ein  Bataillon  Miliz  zugegeben,  welches  den  Feld- 
zug  bei  dem  Regimente  mitmacht.  Diese  Einrichtung  hat  sich  bei  der 
Wittgensteinschen  Armee  bewährt. 

Die  starken  Bataillone  sind  gut,  weil  es  ohnehin  an  Offizieren  fehlt, 
und  eine  starke  Formation  das  Kriegswesen  vereinfacht. 


von  Bob.  Müller.  339 

Vollziehung  der  Organisation.  Der  Landesherr  oder  sein 
Stellvertreter  bestimmen  eine  aus  3  oder  4  Personen  bestehende  Militair- 
Commission,  in  welcher  ein  angesehener  tüchtiger  Militair  und  ein  ge- 
scheuter, vornehmer  Landeseinwohner  sich  befinden. 

In  den  verschiedenen  Gouvernements-Bezirken  werden  etwa  für  jede 
lOOOOO  Seelen  Spezial-Kommissarien  ernannt,  die  aus  einem  tüchtigen 
Militair  in  oder  auszer  Dienst  und  3  oder  4  Eingebornen  bestehen. 
Die  Glieder  dieser  Kommission  werden  von  den  Ständen  gewählt,  und 
der  Haupt-Kommission  vorgeschlagen.  Durch  die  Spezial-Kommissarien 
geschieht  die  Errichtung  der  Bataillone. 

Verpflegung.  Die  Miliz  wird  nur  bezahlt  und  verpflegt,  wenn 
sie  sich  bleibend  versammelt  hat,  um  zu  den  übrigen  Truppen  zu  stoszen. 
Alsdann  geschieht  die  Verpflegung  durch  die  Provinz. 

Frei-Bataillone  und  Frei-Korps.  Die  Errichtung  anderer 
Milizen  als  Infanterie,  ist  durchaus  zu  widerrathen;  die  Kavallerie 
würde  immer  unbrauchbar  bleiben,  durch  die  Errichtung  besonderer 
Korps  aus  Freiwilligen  würden  die  Kräfte  des  Landes  zersplittert  werden ; 
es  würden  die  besten  und  willigsten  Soldaten  und  Offiziere  den  Milizen 
entzogen,  und  es  ist  ziemlich  durch  die  Erfahrung  erwiesen,  dasz  der- 
gleichen Korps  von  der  anderen  Seite  in  Spielereien  ausarten,  und  dasz 
sie  weniger  nützlich  sind,  als  alle  übrigen.  — 

(Königsberg  im  Anfang  des  Jahres  1813  geschrieben.) 

Gedr.  bei  Gerwien   als   Beilage  3a  S.  70»— 71b,    ,Zu    Schatz    und  Trutz* 
S.  581-593.  [115 

(Fortsetzung  folgt.) 


22* 


Kritiken  und  Referate. 

Schultz,  Dr.  Franz,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises 
Kulm.  Erster  Theil  bis  zum  Jahre  1479.  Lieferung  I. 
Danzig,  A.  W.  Kafemann.    1876.*) 

Der  Verfasser,  der  hier  mit  dem  Anfang  einer  grösseren  Arbeit 
vor  die  Oeifentlichkeit  tritt,  sowie  der  Gegenstand,  den  er  sich  auser- 
sehen, sind  dem  Leserkreise  dieser  Zeitschrift  nicht  mehr  unbekannt. 
In  den  letzten  drei  Jahrgängen  hat  die  Altpreussische  Monatsschrift 
mehrfach  Aufsätze  zur  Geschichte  und  Topographie  der  Stadt  Kulm 
zur  Ordenszeit  aus  der  Feder  des  Herrn  Dr.  Schultz  gebracht,  die  alle 
ein  reges  Interesse  für  den  behandelten  Stoff,  Kenntniss  der  localen 
Verhältnisse,  aber  auch  die  Neigung  zu  gewagten  Combinationen  und 
Überschätzung  der  eigenen  Entdeckungen  bekundeten.  In  unerfreulichem 
Andenken  bei  allen  preussischen  Historikern  steht  der  Autor  gegen- 
wärtiger Schrift  durch  seine  Polemik  gegen  Toppen  in  Sachen  Conrad 
Bitschins  in  den  beiden  letzten  Jahrgängen  dieser  Zeitschrift,  woselbst 
er  die  von  den  Herausgebern  der  Scriptores  rerum  Prussicarum  ge- 
wonnenen Notizen  über  den  Kulmer  Stadt-  und  Vielschreiber  verwerthend, 
ein  breiteres  aber  nicht  tieferes  Bild  zeichnet,  als  Toppen,  und,  ohne 
mehr  als  sein  Vorgänger  zu  geben,  jenem  den  Vorwurf  der  Dürftigkeit 
macht.  Handelte  es  sich  im  vorigen  Jahr  um  die  bessere  Würdigung 
einer  bisher  verkannten  Persönlichkeit,  so  soll  jetzt  »nur  ein  seit  langen 
Jahren  rückständiger  Zoll  der  einst  so  berühmten,  später  bis  zur  Un- 
gebühr unterschätzten  Stadt  und  dem  dazu  gehörigen  Kreise  abgetragen 
werden.*  Dass  eine  Geschichte  des  Kulmer  Kreises,  besonders  wenn 
sie  zu  einer  Geschichte  des  Kühner  Landes  erweitert  wird,  eine  ebenso 


*)  Vgl.  Jenaer  Literaturf  eitung  1876.  No.  44.  S.  584. 


Dr.  Frans  Schultz,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm«        341 

nothwendige  Arbeit  für  die  Provinzialgeschichte,  als  eine  dankbare  Auf- 
gabe für  einen  Localhistoriker  ist,  wird  Niemand  leugnen.  Leicht  ist 
sie  aber  nicht:  denn  es  handelt  sich  um  die  Geschichte  eines  Landes, 
um  das  von  Alters  her  zwei  Nationen  gestritten  haben,  der  Geschichts- 
schreiber hat  also  zwei  Literaturen  zu  beherrschen,  wenn  er  Herr  seines 
Stoifes  werden  will;  er  hat,  wie  bei  jeder  Geschichte  von  Orten,  die 
keine  politische  Rolle  gespielt  haben,  sich  vor  der  Ueberschätzung  seines 
Gegenstandes  zu  hüten  und  den  Hauptaccent  auf  die  Geschichte  der 
Verfassung,  sowie  die  Topographie  zu  legen,  die  politische  Geschichte 
des  Landes  im  Ganzen  als  bekannt  vorauszusetzen  und  nur  den  An- 
theil,  den  der  betreffende  Ort  an  den  einzelnen  Entwickelungsmomenten 
gehabt,  den  Einfluss,  den  die  wechselnden  Geschicke  des  Landes  auf 
die  Stadt  ausgeübt,  hervorzuheben. 

Der  erste  Theil,  den  Dr.  Schultz  vorlegt,  umfasst  die  politische 
Geschichte  Kulms  bis  zum  Ende  des  vierzehnten,  die  innere  Entwickelungs- 
geschichte  der  Stadt  bis  zum  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts;  er 
gliedert  sich  in  drei  Abschnitte  und  den  Anfang  des  vierten,  das 
Kulmerland  vor  der  Ordensherrschaft  (S.  1—28),  Geschichte  der  Stadt 
und  des  Kreises  Kulm  während  ihres  Aufblühens  unter  der  Ordens- 
herrschaft (1230— 1300)  (S.  29—92),  die  innere  Entwickelung  der  Stadt 
und  des  Kreises  Kulm  während  dieser  Zeit  (S.  93—143)  und  die  Blütbe- 
zeit  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm  unter  dem  deutschen  Orden 
(1300—1479)  (S.  144—160).  Die  Quellen,  die  dem  Verfasser  für  diese 
beiden  Jahrhunderte  zu  Gebote  standen,  waren  ausser  den  allgemeinen 
preussischen  Geschichtsquellen,  die  in  den  Scriptores  rerum  Prussicarum 
und  den  Urkundensammlungen  veröffentlicht  sind,  die  Urkunden  und 
Stadtbücher  des  städtischen  Archivs  in  Kulm  und  die  Schätze  des 
Staatsarchivs  in  Königsberg.  Da  nicht  jedem  preussischen  Historiker  die 
Vergünstigung,  die  im  Königsberger  Staatsarchiv  lagernden  Materialien 
in  dem  gewünschten  Umfange  benutzen  zu  dürfen,  zu  Theil  geworden  ist, 
so  ist  man  berechtigt  ganz  besondere  Erwartungen  an  das  vorliegende 
Buch  zu  knüpfen:  Dr.  Schultz  selbst  hat  S.  344  des  vorigen  Jahrganges 
der  Altpreussischen  Monatsschrift  besonders  auf  seine  Beziehungen  zum 
Königsberger  Archiv  aufmerksam  gemacht. 


342  Kritiken  und  Referate. 

Wichtiger  aber  für  eine  Geschichte  des  Kulmerlandes  als  Kulm 
und  Königsberg  ist  augenblicklich  Prauenburg.  Referent  ist  wahrlich 
kein  Freund  von  jahrelangem  Verschleppen  längst  verheissener  Publica- 
tionen,  wie  sie  bei  uns  in  Preussen  Regel  ist,  aber  für  die  Geschichte 
des  Kreises  Kulm  wäre  es  doch  erspriesslicher  gewesen,  das  in  naher 
Aussicht  stehende  Erscheinen  des  von  bewährter  Hand  vorbereiteten 
Codex  diplomaticus  Culmensis  abzuwarten  oder,  wenn  Dr.  Schultz  schon 
jetzt  mit  seinem  Werke  hervortreten  musste,  warum  klopfte  er  nicht 
auch  in  der  ermländischen  Domcurie  an?  Noch  kein  wissensdurstiger 
Historiker  ist  von  dort  ungelabt  fortgegangen,  denn  in  dem  Wohnort 
cjes  Copernicus  verstattet  man  Jedem  sein  Lichtchen  an  der  eigenen 
Leuchte  anzuzünden  und  fürchtet  nicht,  dass  der  eigene  Schein  dadurch 
vermindert  werde.  Manch  schwerer  Irrthum  wäre  dem  vorliegenden 
Buche  durch  eine  Verbindung  seines  Autors  mit.  Herrn  Domvicar  Wölky 
erspart  geblieben. 

Denn  an  Irrthümern,  grossen  und  kleinen,  ist  die  Kulmer  Kreis- 
geschichte, wie  der  folgende  Nachweis  zeigen  soll,  leider  überreich. 
Schon  der  erste  Abschnitt,  die  Geschichte  des  Landes  vor  der  Ordens- 
zeit, zeigt  eine  bedenkliche  Hinneigung  zu  längst  beseitigten  Theorien. 
So  kann  Dr.  S.  sich  S.  12  nicht  entschliessen,  die  Sage  von  Waidewut 
und  seinen  eilf  Söhnen  als  spätere  gelehrte  Erfindung,  wofür  sie  doch 
erkannt  ist,  fallen  zu  lassen ;  S.  21  tritt  er  der  Gothenhypothese  Voigts 
völlig  bei  und  leitet  Kulm  aus  der  indogermanischen  Ursprache  her. 
Ueber  die  älteste  Gestalt  des  Namens  Kulm  ist  er  sich  nicht  klar  ge- 
worden :  er  übersieht,  dass  die  älteste.  Form  dieses  Namens  in  der 
Urkunde  vom  23.  April  1228  Chelmen  lautet,  dass  alle  früheren  Er- 
wähnungen desselben  in  der  latinisirten  Form  der  Ueberlieferung  nach 
jünger  sind  (so  Culmen  in  der  falschen  Urkunde  von  1065,  Culmensis 
bei  Boguchwal  zu  1139  und  Colinen  im  Transsumpt  des  Lonyzer  Ver- 
trages von  1235  und  1264).  Wir  müssen  also  einräumen,  dass  uns 
der  Name  Kulm  zuerst  im  polnischen  Gewände  entgegentritt.  Indem 
Dr.  Schultz  alle  diese  Urkunden  nur  nach  den  schlechten  Abdrücken 
Watterichs  aus  dem  Manuscript  des  Lucas  David  benutzt,  ist  er  freilich 
nicht  in  der  Lage  auf  kritische  Genauigkeit  in  einzelnen  Sprachformen 


Dr.  Frans  Schnitt,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm.         34.3 

und  die  Frage  der  Ueberlieferung  überhaupt  einzugehen.  Schief,  wie 
die  Urgeschichte  des  Landes,  beurtheilt  er  auch  die  Anfange  der  Stadt: 
sagt  er  doch  S.  19,  dass  „das  in  dem  Visitations-Protokoll  [von  1680] 
angegebene  Gründungsjahr  577  der  Wahrheit  ziemlich  nahe  kommt", 
und  ebendaselbst:  „namhafte  Schriftsteller,  wie  Kaspar  Schütz,  wissen 
zu  erzählen,  dass  Kulm  von  den  heidnischen  Preussen  gegründet  sei 
Die  zuverlässigsten  Nachrichten,  sowie  die  an  Ort  und  Stelle  aufge- 
fundenen Münzen  weisen  auf  das  achte  Jahrhundert  zurück."  Die 
Jahreszahl  577  stammt  nur  aus  Grunau's  Chronik,  der  ins  Jahr  573 
die  Theilung  Widewuts  setzt  (Tract.  II.  Cap.  IV.  §.  1.  S.  68).  Mit 
Bestimmtheit  lässt  sich  nur  sagen,  dass  Kulm  im  zwölften  Jahrhundert 
Sitz  eines  polnischen  Kastellans  war,  um  die  Burg  hatte  sich  wahr- 
scheinlich ein  offener  Marktflecken  angesiedelt;  von  städtischem  Leben 
kann  keine  Bede  sein,  jedenfalls  fegte  der  Preussensturm  der  Jahre 
1216  ff.  alles  hinweg.  Von  den  Zuständen  des  Kulmerlandes  in  polni- 
scher Zeit  weiss  Schultz  mehr  als  seine  Vorgänger:  wo  kommen  z.  B. 
die  S.  6  erwähnten  polnischen  Lasten  im  Kulmerlande  vor?  Keine 
klare  Vorstellung  macht  er  sich  von  dem  Wirken  Bischof  Christians, 
des  preussischen  Missionärs.  Er  nennt  ihn  nach  alter  Schablone  Christian 
von  Oliva,  ohne  den  Nachweis  des  Beferenten  zu  entkräften,  dass  diese 
Bezeichnung  nur  auf  einer  fehlerhaften  Lesart  der  erst  ein  Jahrhundert 
nach. des  Bischofs  Tode  abgefassten  Chronik  von  Oliva  beruht  (Altpr. 
Monatsschrift  IX,  628).  Von  neuem  sucht  S.  die  nicht  polnische  Ab- 
stammung Christians  zu  verwerthen,  während  alle  Anzeichen  dafür 
sprechen,  dass  er  ein  polnischer  Cistercienser  war.  Die  beiden  Urkunden 
von  1212  verlegt  er  nach  Watterichs  Vorgang  S.  22  andauernd  ins 
Jahr  1213,  S.  23  weiss  er  von  Widerwillen  des  Bischofs  gegen  Heinrich 
den  Bärtigen  zu  erzählen,  S.  24  deducirt  er  aus  einer  in  Camin  von 
Christian  bezeugten  Urkunde  für  Dargun  dessen  Anwesenheit  in  diesem 
Kloster ;  S.  26  fragt  sich  der  Leser  vergebens,  warum  1222  innerhalb 
der  alten  Stadtbefestigung  Kulms  schon  ein  Dominicaner-  und  ein 
Cistercienserkloster  bestanden  haben  müssen,  da  dem  Bischof  nur  frei- 
gestellt wird  sich  ein  beliebiges  Kloster  (conventum  qualem  voluerit) 
anzulegen.    Von  kleineren  Versehen  in  diesem  Abschnitt  erwähnen  wir 


344  Kritiken  und  Referate. 

S.  5  den  Marder-  und  Dachsfang  in  der  Eulmer  Handfeste  §.  4  (castores 
=  Biber),  den  Ortsnamen  Nauschutten  (bona  Nauschutten),  den  Einfall 
der  Preussen  von  Westen  in  das  Kulmer  Land,  S.  14, 15  die  Benutzung 
des  Dlugosz  für  das  zwölfte  Jahrhundert;  gern  würde  Referent  auch 
das  S.  27  n.  3  für  das  Misslingen  der  Mission  Christians  citirte  Chron. 
Germ,  näher  kennen  lernen:  ein  Druckort  ist  leider  nicht  angegeben. 
Der  zweite  Abschnitt   steht   dem   ersten  an  Fehlern  nicht  nach. 
Dass  sich  Schultz  aus  dem  Widerstreit  der  Meinungen  über  die  Ur- 
kunden von  1228  bis  1231,  durch  die  der  deutsche  Orden  nach  dem 
Kulmerlande  und  Preussen  gerufen  wurde,  nicht  herauswinden  kann,  ist 
ihm  nicht  zu  verargen:  nur  unter  steter  Berücksichtigung  der  polnischen 
politischen  Verhältnisse  und  bei  genauem  Achten  auf  die  Ueberlieferung 
jedes  einzelnen  Stückes  ist  es  möglich,  die  zahlreichen,  sich  zum  Theil 
widersprechenden  Urkunden  in  Einklang  zu  bringen.    Den  Zustand  des 
Eulmerlandes  und  der  Burg  Eulm  stellt  sich  jedoch  Schultz  ganz  falsch 
vor,  indem  er  glaubt,  dass  die  Reste  der  altpolnischen  Stadt  und  die  vom 
Orden  wieder  hergestellte  Burg  die  Hauptstadt  des  Bischofs  Christian 
von  Preussen  gewesen  seien:  seinen  Irrthum  veranlasst  die  Benutzung 
Watterichs,  der  im  Abdruck  der  bekannten  Klageschrift  des  Bischofs 
gegen  den  Orden  in  der  Bulle  vom  11.  April  1240  an  der  entscheidenden 
Stelle:  ecclesiam  episcopalem  et  totam  terram  episcopatus,  civitatem  et 
castrum  Sanctir,  das  wichtigste  Wort  Sanctir  ausgelassen  hat.    Nicht 
Kulm,  wie  Schultz  meint,  war  der  Sitz  des  Bisthums,  sondern  Zantir; 
in  Kulm  hatte  der  Bischof  nach  dem  Vertrage  von  1222  nur  eine  Curie 
und  ein  Kloster  zu  errichten,  aber  keine  Domkirche;  von  dem  bischöf- 
lichen Hof  in  Kulm  wissen  wir  gar  nichts,  in  dem  Kloster  vermuthet 
Schultz  ein  Cistercienserkloster,  dem  Heidenreich,  der  spätere  erste  Bi- 
schof von  Kulm,  vorgestanden  haben  soll;   ich  möchte  eher  an  das 
Cistercienserinnenkloster  denken,  das  sich  wirklich  in  Kulm  nachweisen 
lässt.   Das  Missverstehen  der  Bulle  vom  11.  April  1240  verleitet  Schultz 
zu  einer  ganzen  Kette  falscher  Schlüsse ;  seine  Deduction  von  den  Resten 
der  slavischen  Bevölkerung,  der  Ansiedelung  der  Neugetauften,  dem 
Unterschied  von  Ober-  und  Unterstadt  ist  völlig  hinfällig.    Wir  wissen 
weiter  nichts,  als  dass  1232  der  deutsche  Orden  auf  der  Stelle  der 


Dr.  Franc  Schulte,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm.        345 

polnischen  Burg  Chelmno  eine  Burg  und  neben  derselben  eine  Stadt 
anlegte,  die  er  mit  deutschen  Kolonisten  besetzte  und  denen  er  am 
28.  Dec.  1233  in  der  Kulmer  Handfeste  sehr  ausgedehnte  Privilegien 
gab.  Von  kleineren  Verstössen,  die  sich  in  den  zweiten  Abschnitt  seines 
Buches  eingeschlichen  haben,  notiren  wir  S.  39  die  Benutzung  des 
Lucas  David  als  Quelle  für  das  dreizehnte  Jahrhundert,  S.  41  hält  er 
sanctimoniales  für  einen  besonderen  Orden  [„das  Jungfrauenkloster  der 
Sanktimonialien  (Benedictinerinnen)',  wir  kommen  darauf  noch  in  an- 
derem Zusammenhange  zurück],  ein  „heimliches  Gemach*  für  einen 
unterirdischen  Gang;  S.  58  heisst  der  Kulmer  Pfarrer  im  Text  Johannes, 
in  der  Note  Henricus,  S.  59  ist  die  Treue  Macko's  (nach  Luc.  Dav.  III,  17) 
als  müssige  Combination  Grunau's  zu  streichen,  S.  67  wird  als  Datum 
der  Theilungsurkunde  der  preussischen  Bisthümer  der  4.  Juli  statt  des 
28.  Juli  angegeben,  S.  68  u.  69  ist  die  chronologische  Reihenfolge  der 
Begebenheiten  verkehrt,  S.  83  wird  Jacob  von  Lüttich  auch  die  Friedens- 
vermittelung von  1253  zugeschrieben,  während  sie  in  Wahrheit  Opizo 
vonMezanum  besorgte  oder  eigentlich  nur  den  Frieden  zwischen  Swan- 
topolk  und  dem  Orden  bestätigte;  S.  88  wird  noch  einmal  die  längst 
widerlegte  Fabel  von  der  Preussenfahrt  Rudolphe  von  Habsburg  (der 
den  »Kaiserthron*  bestieg)  aufgewärmt,  S.  91  wird  die  Burg  Plowenz 
zu  einem  Lehnsmann;  eine  ganze  Reihe  falscher  Jahreszahlen  wollen 
wir  nur  als  Druckfehler  ansehen. 

Schlimmer,  als  die  beiden  ersten  Abschnitte,  ist  der  dritte  ausge- 
fallen, in  welchem  Schultz  die  innere  Entwickelung  der  Stadt  Kulm 
von  1230  bis  1300  darstellt.  Für  diesen  Abschnitt  bringt  er  auch 
Material  aus  dem  Königsberger  Staatsarchiv  bei,  zwei  Urkunden  aus 
einem  Copialbuch,  das  ihm  also  nicht,  wie  anderen  Benutzern,  vorent- 
halten werden  konnte,  vermutlich  weil  er  im  Auftrage  der  Kreisstände 
und  unter  Verwendung  des  Landrathsamtes  schreibt.  Schade  nur,  dass 
Schultz  mit  Urkunden  nicht  recht  umzugehen  versteht,  da  er,  wie  wir 
gleich  sehen  werden,  die  seltsamsten  Dinge  herausliest  und  hinein- 
interpretirt.  Von  den  beiden  Urkunden,  die  Schultz  aus  dem  Fol.  A.  78 
(früher  betitelt  „Culmisehe  Privilegien  von  Gewichtten,  Ellen-  und  Huben- 
maass"  etc.)  S.  104  u.  107  abgedruckt  hat,  waren  beide  übrigens  längst 


346  Kritiken  und  Referate. 

bekannt,  wenn  auch  der  Text  der  ersteren  von  1244  jetzt  zum  ersten 
Mal  vorliegt.  Schultz  hat  ihn,  wie  er  angiebt,  nicht  ganz  entziffern 
können,  jedenfalls  hat  er  an  einigen  Stellen  falsch  gelesen,  S.  104 
Z.  11  v.  n.  lies  vestra  statt  nostra  (Noverit  universitas  vestra),  Z.  8 
ponendo  statt  pronendo,  und  Z.  2  v.u.  nostri  statt  jure  (nostri  con- 
ventus  sigilli  munivimus  appensione).  Mit  welchem  Recht  Schultz  frei- 
lich in  dieser  Urkunde,  der  Vertauschung  eines  dem  Dominicanerkloster 
gehörigen  Krautgartens  gegen  eine  Ziegelscheune,  eine  hochwichtige 
politische  Maassregel  gegen  die  polnische  Altstadt  sieht,  vermögen  wir 
nicht  zu  verstehen.  Die  zweite  S.  107  ff.  mitgetheilte  und  besprochene 
Urkunde  von  1267  ist  längst  bekannt,  schon  im  Jahre  1836  hat  sie 
Jacobson  in  Ledebur's  „Neues  Archiv  für  die  Geschichtskunde  des 
preussischen  Staates  *  Bd.  II,  38.39  abdrucken  lassen,  ohne  soviel  Lese- 
fehler zu  begehen,  wie  der  neueste  Herausgeber.  Bei  letztcrem  ist  zu 
verbessern:  S.  107  Z.  15  v.  u.  Priederici  Ludwici  in  fratris  Ludwici, 
Z.  13  ergänze  hinter  Sanctimoniales  —  ordinis  Cisterciensium,  Z.  12  hinter 
conditione  —  interposita,  für  Papovo  lies  Papow,  Z.  10  statt  plantas 
1.  planeas  (ebenso  Z.  8),  Z.  6  1.  struxerimus  statt  instruxerimus ,  Z.  1 
1.  dictum  statt  datum,  S.  108  Z.  5  1.  redierint  st.  redierunt,  hinter  dem 
Datum  a.  D.  1267  fehlt  mense  Marcii.  Durch  diese  Lesefehler  gelangt 
Schultz  nicht  zum  richtigen  Verständniss  der  höchst  einfachen  Ur- 
kunde. Es  handelt  sich  um  eine  zeitweilige  Verlegung  des  Nonnen- 
klosters in  die  Stadt  selbst;  den  Nonnen  werden  gegen  die  Verpflich- 
tung, einen  Weg  an  den  Planken  frei  zu  lassen  und  einen  Wächter  zu 
halten,  vier  Hofstätten  überlassen;  ziehen  sie  in  friedlicheren  Tagen 
(es  war  die  Zeit  der  Einfälle  Mestwins  von  Pommern  in  Pomesanien 
und  das  Kulmerland)  wieder  vor  die  Stadt,  so  sollen  sie  die  vier  Hof- 
stätten nur  an  Weltliche  verkaufen,  sind  aber  all  ihrer  Verpflichtungen 
ledig.  „ Höchst  merkwürdig"  findet  Dr.  Schultz  diesen  Vertrag,  weil  er 
nämlich  statt  plancae  —  plantae  liest,  und  da  er  doch  „ Pflanzen14 
schlechtweg  nicht  sagen  kann,  „Buschwerk*  übersetzt.  Seine  Inter- 
pretation wird  demgemäss  so  wunderbar,  dass  .wir  sie  ganz  hierhersetzen 
wollen.  S.  107:  „Die  Sanktimonialen  hatten  4  Hofstätten  am  Abhänge 
des  Berges  gekauft,  von  denen  man  noch  nicht  recht  wusste,  ob 


Dr.  Frans  8chullz,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm«        347 

sie  zur  Stadt  oder  zur  Vorstadt  zu  rechnen  seien.  Diese 
Baustellen  waren  von  Buschwerk  umgeben.  Sie  hatten  sich  zu 
denselben  einen  Durchgang  vorbehalten;  die  Stadt  aber  gab  nur  unter 
folgenden  für  jene  Zeit  höchst  bemerkenswerten  Bedingungen  ihre  Zu- 
stimmung zu  dem  Kaufe:  1.  der  Weg  zwischen  dem  Buschwerk  und 
den  Baustellen  solle  frei  bleiben;  2.  von  den  4  Baustellen  sollten  sie 
verpflichtet  sein,  einen  Wächter  für  die  Stadt  zu  unterhalten;  3.  wenn 
die  Stadtmauer  beendet  sein  würde,  so  sollten  sie  von  diesen  4  Hof- 
stätten zum  Bau  der  Mauer  beisteuern  gleich  den  übrigen  Bürgern  der 
Stadt;  ö.(!)  wenn  nach  mehren  Friedensjahren  die  Nonnen  sich  veranlasst 
fühlen  sollten,  ausserhalb  der  Stadt  etwa  auf  einer  anderen  Stelle  zu 
bauen,  dann  sollten  sie  jene  Hofstätten  an  weltliche  Personen  verkaufen, 
welche  demnächst  zur  Ausübung  und  Erfüllung  des  vollständigen 
Weichbildrechtes  befugt  und  verpflichtet  sein  sollten.* 

Zu  berichtigen  ist  ferner  in  diesem  dritten  Abschnitt  S.  101  die 
Erwähnung  einer  Ordenschronik  der  Cistercienserinnen;  wie  sich  aus 
N.  2  ergiebt,  sind  die  Annalen  von  Oliva  gemeint.  S.  104  versteigt 
sich  S.  sogar  zu  der  Behauptung,  die  erste  Kulmer  Handfeste  sei  doch 
„in  erster  Reihe*  „für  die  nicht  deutschen  Elemente  ausgestellt*, 
S.  1 10  verwechselt  er  die  beiden  Bettelorden  mit  einander,  die  schwarzen 
Mönche  sind  die  Dominicaner,  die  grauen  die  Franziskaner,  S.  113/4 
wirft  er  den  Pfarrer  von  Kulm  mit  dem  Kulmer  Domprobst  zusammen, 
S.  117  behauptet  er,  die  Kulmer  Dominicaner  seien  in  der  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  die  magdeburgischen  Predigermönche  genannt,  auf 
Grund  einer  Bulle,  welche  eben  an  diese  letzteren  gerichtet  ist,  mit 
den  Kulmern  aber  nichts  zu  thun  hat;  ebendaselbst  spricht  er  von 
einem  „Abt*  der  Predigerbrüder  (statt  Prior);  S.  118  wird  wieder  ein- 
mal (aus  Hennenberger)  eine  Grünaus  che  „Sage*  aufgetischt.  Von 
S.  118—126  schaltet  er  eine  Geschichte  des  Bisthums  Kulm  ein,  von 
dem  er  meint,  es  sei  „mit  der  Stadt  Kulm  und  deren  Gebiet  seit  den 
ältesten  Zeiten  auf  das  Engste  verwebt*,  eine  irrige  Ansicht,  die  wir 
schon  oben  widerlegt  haben.  Der  episcopatus  Culmensis  nahm  seinen 
Namen  von  der  Landschaft,  mit  der  Stadt  hatte  er  nichts  zu  schaffen. 
Dass  Gregor  IX.  dem  „Abt*  des  Dominicanerklosters  zu  Kulm  bischöf- 


\ 


34g  Kritiken  und  Referate. 

liehe  Functionen  übertragen,  erweist  die  dafür  angefahrte  Urkunde  in 
Voigts  Cod.  dipl.  Pruss.  I,  S.  42  durchaus  nicht;  sie  ist  gar  nicht  an 
die  Kulmer  Predigermönche  gerichtet.  S.  123  meint  Schultz:  Bischof 
Friedrich  von  Hausen  habe  in  Kulm  „residirt*  („zu  Kulm  ansässig* 
nennt  er  denselben  S.  45  n.  1),  weil  von  den  acht  Zeugnissen,  die  wir 
über  den  Aufenthalt  des  Bischofs  haben,  S.  gerade  nur  dasjenige  kennt, 
welches  ihn  in  Kulm  zeigt,  die  S.  107/8  abgedruckte  Urkunde;  S.  124 
nennt  er  den  polnischen  Chronisten  Dlugosz  „gut  unterrichtet"  über 
den  Eintritt  des  Kulmer  Domcapitels  in  den  deutschen  Orden,  S.  125 
Anm.  1  giebt  er  eine  Uebersicht  über  die  Kulmer  Bischöfe  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts,  .nennt  Friedrich  einen  Hessen  (Grünau  IX.  A. 
Cap.  IV.  S.  293)  und  berichtet  von  Heinrich,  dessen  urkundlich  beglau- 
bigten Beinamen  Pincerna  er  nicht  kennt,  das  Geschichtchen,  welches 
Grünau  1.  c.  294  nachweislich  von  Wicbold  auf  diesen  übertragen  hat. 
Die  S.  138 — 140  gegebene  Uebersicht  der  im  dreizehnten  Jahrhundert 
ausgegebenen  Güter  im  Kulmer  Kreise  lässt  sich,  wie  uns  von  befreun- 
deter competenter  Seite  versichert  wird,  aus  dem  Königsberger  Archiv 
und  den  Grundbüchern  bedeutend  vermehren. 

Der  letzte  Abschnitt  entbehrt  auch  nicht  der  bisher  wahrgenom- 
menen Eigentümlichkeiten.  Anstatt  für  die  Erwerbung  Pommerellens, 
die  auf  drei  Seiten  darzustellen  für  eine  Kreisgeschichte  Kulms  kein 
Bedürfhiss  vorlag,  Caro  und  Voigt  zu  verwerthen,  citirt  er  Dlugosz; 
S.  154  übersetzt  er  zwei  Notare  durch  „den  Staatssecretair  und  dessen 
Stellvertreter g;  S.  159  muss  wieder  Lucas  David  für  die  Gründung  des 
Nonnenklosters  im  Löbenicht  herhalten. 

Zum  Schluss  stellen  wir  die  Druckfehler,  an  denen  das  10  Bogen 
starke  Heft  sehr  reich  ist,  zusammen: 

S.  1  n.  1  lies  cap.  27  statt  ep.  27;  S.  2  n.  3  1.  locum  st.  lacum; 
S.  3  1.  Lonyzer  st.  Lowiczer  (und  so  immer) ;  S.  4  1.  verändern  st.  Ver- 
anden; S.  15  il  1  1.  praeda  st.  paeda;  S.  20  1.  Metamorphose  st.  Mata- 
morphose;  S.  21  n.  2  1.  Schmeller  st.  Schneller;  S.  23  n.  1  L  diplomaticus 
st.  deplomaticus ;  S.  29  n.  3 1. 1222  st.  1232 ;  S,  32  n.  5 1.  nostrae  st.  noetrae ; 
S.  33  1.  gereicht  st.  gerieht;  S.  38  n.  1.  Anhang  st.  Anfang;  S.  39 1. 1276 
st.  1273;  S.  40  1.  Potterberges  st.  Potterberger;  S.  43  n.  1  1.  fewres  noet 


A.  Keusch,  Wilhelm  Gnapheus,  der  erste  Bector  des  Elbinger  Gymn.     349 

st.  fewres  uont;  S.  46  1.  Vogt  (advocatos)  st.  Voigt;  S.  54  n.  2  1.  Pruteni 
st.  Pruteri;  S.57  L  1237  st.  1236;  S.  59  1.  3)  st.  4);  Jahrzehend  st. 
Jahrzend;  S.  66  1.  600  (oder  200)  Hufen  st.  500  Hufen;  S.  67  1.  1243 
.st.  1245;  S.  84  1.  1260  st.  1261;  S.  88  1.  Nineric  st.  Niverik;  S.  92 
1.  1294  st.  1292;  S.  93  1.  11.  April  st.  10.  April;  S.  95  n.  3  1.  1249 
st.  1246;  Lüttich  (Leodiensis)  st.  Leyden;  S.  112  n.  1  1.  Ss.  r.  Pr.  EL 
st.  V.;  S.  114  1.  1.  Oct.  st.  30.  Sept.;  n.  4  1.  reverendus  st.  referendus; 
S.  115  n.  1.  sui  quondam  notarii  st.  seu  q.  n.;  S.  121  n.  1.  11.  Apr.  1240 
st.  16.  Apr.;  28.  Juli  st.  4.  Juli;  16.  Sept.  st.  13.  Sept.;  S.  122  n.  3 
1.  18.  März  st.  18.  April;  S.  124  1.  1279  10.  Aug.  st.  1274;  S.  130  n.2 
1.  Dogiel  st.  Dogiol;  S.  136  n.  2  1.  Vislae  st.  Vissae;  S.  142  1.  17.  Nov. 
st.  16.  Nov. ;  S.  148 1.  die  Stadt  —  es ;  S.  157  1.  Pourageure  st.  Porogeure ; 
S.  159  1.  Budau  1370  st.  Buda  1380;  S.  160  1.  1241  st.  1210.  — 

Ein  Gesammturtheil  über  diese  neueste  Bereicherung  unserer  Pro- 
vinzialgeschichte  abzugeben,  erscheint  nach  dem  Beigebrachten  über- 
flüssig. Selten  hat  wohl  Ueberhebung  gegen  eine  anerkannte  Autorität 
mit  eigenen  wenig  hervorragenden  Leistungen  so  genau  Schritt  gehalten, 
wie  in  diesem  Fall. 

Greifswald,  September  1876.  K  *"**"*• 


Wilhelm  Gnapheus,   der  erste  Bector  des  Elbinger  Gymnasiums. 
IL  Theil.  Von  Prof.  A.  Bens  eh.  (Progr.  des  Elbing.  Gymn.)*) 

Den  Schluss  der  Monographie  über  den  ersten  Bector  des  Elbinger 
Gymnasiums  bringt  das  diesjährige  Osterprogramm  der  nämlichen  An- 
stalt. Wilhelm  Gnapheus  (der  Walker  de  Volder  oder  von  dem  Walker- 
graben van  de  Voldersgraft)  ist  nicht  der  kraftvolle,  stürmende  An- 
hänger der  lutherischen  Reformation,  er  tritt  nicht  streitlustig  gegen 
die  alte  Lehre  und  ihre  Vertheidiger  auf  den  offenen  Kampfplatz.  Einem 
Luther  ahnt  er  sehr  wenig.  Und  doch  gehört  er  zu  den  Verbreitem 
der  neuen  Lehre,  nicht  in  der  Auffassung  Luthers,  sondern  über  ihn 
hinausgehend  hält  er  sich  zur  freieren  Auffassung  der  Abendmahlslehre, 

*)  Theil  I.  erschien  gleichfalls  als  Gymn.-Progr.  1868.   Vgl.  Altpr.  Mtsschr.  VI, 
8.  260—261. 


350  Kritiken  und  Referate« 

wie  sie  auch  die  Schweizer  hatten.  Eine  auffallende  Aehnlichkeit  des 
Rectors  Wilhelm  mit  Desiderius  Erasmus  kanu  nicht  unbemerkt  bleiben. 
Humanist  und  Lehrer  wie  dieser  hat  Gnapheus  auch  die  feine  satirische 
Ader.  Ebenso  zeigte  Erasmus  keine  Streitlust  trotz  seiner  der  Reforma- 
tion günstigen  Gesinnung.  Gnapheus  legte  wie  Erasmus  das  Haupt- 
gewicht auf  gelehrtes  Studium  der  Alten  und  freie  durch  keine  hierar- 
chische Schranken  eingeengte  Lehre.  Er  bedurfte  zur  Erreichung  dieser 
Ziele  eine  Stätte  der  Ruhe  und  Sicherheit.  Deshalb  vermied  er  jede 
Herausforderung.  Er  verbirgt  sich  hinter  Anonymität  in  dem  über 
apologeticus,  um  seine  in  der  Nachbarschaft  Elbings  vom  Herzog  Albrecht 
angesiedelten  sacramentirerischen  Holländer  Freunde  zu  vertheidigen. 
Er  verwahrt  sich  im  Morosophus  den  gelehrten  Ganonicus  Kopernicus 
in  Frauenburg  anzugreifen,  und  dennoch  erwehrt  sich  der  Leser  kaum 
der  Annahme  des  Gegentheils,  wenn  er  die  wunderlichen  Gerüchte  über 
das  Thun  und  Treiben  des  esoterischen  Naturforschers  aus  Thorn  in 
Betracht  zieht.  Streben  nach  Ruhe  für  sein  gelehrtes  Wirken  und 
Sicherheit  für  seine  äussere  Stellung  ohne  seine  religiöse  Ueberzeugung 
verleugnen  zu  dürfen,  bringen  ihn  in  Verbindung  mit  dem  Hüter  der 
alten  Lehre,  dem  Bischof  von  Ermland,  Dantiscus.  Der  war  ja  auch 
humanistischen  Studien  ergeben,  er  war  gekrönter  Poet,  er  hatte  der 
kirchlichen  Vermittlungspartei,  so  lang  es  ging,  angehört.  Mit  ihm 
stand  Gnapheus  in  literarischem  Verkehr,  bis  auch  Dantiscus  der  hierar- 
chischen Strömung  folgend  ein  Werkzeug  der  reagierenden  Kirchenherr- 
schaft wurde.  Die  weltliche  Macht  am  polnischen  Königshofe,  zu 
kräftigem  Einschreiten  aufgestachelt,  erzwang  dann  endlich  die  Ent- 
fernung des  Gnapheus.  Der  bedeutende  Gelehrte  und  einflussreiche 
Lehrer,  dem  eben  die  Hoffnung  winkte  in  Elbing  eine  Hochschule  er- 
richtet zu  sehen  und  an  ihr  zu  wirken,  konnte  nicht  seiner  religiösen 
Ueberzeugung  untreu  gemacht  werden.  Keine  Ausschreitungen  in  Leben 
und  Lehre  greifbarer  Art  konnte  man  ihm  zum  Vorwurf  machen.  Denn 
bei  dem  Strudel  der  Meinungen  hüben  und  drüben  war  der  objective 
Massstab,  was  dogmatisch  gestattet,  was  nicht,  noch  keineswegs  ge- 
funden. Da  kamen  der  altkirchlichen  Partei  die  Privatverhältnisse  des 
Gnapheus  zu  Hilfe.   Es  wurde  bekannt,  dass  er  in  Holland  die  Weihen 


A.  Keusch,  Wilhelm  Gnapheus,  der  erste  Reetor  des  Elbinger  Gymn.     351 

erhalten.    In  Elbing  hatte  er  sich  vermählt,  das  wurde  der  Anlass  zn 
seiner  Vertreibung  im  Sommer  1541. 

Sieht  man  von  der  eingehenden  und  sorgfältigen  Behandlung  der 
literarischen  Erzeugnisse  des  Gnapheus  und  von  der  Analyse  seiner 
Hauptwerke  ab,  so  ergiebt  die  Monographie  zwei  Haupttheile.  Diese 
sind  durch  den  verschiedenen  Aufenthaltsort  des  Bectors  in  Elbing  und 
Königsberg  bestimmt.  Der  Zustand  des  Herzogthums  und  die  Lage 
des  polnischen  Preussens  bieten  sich  von  selbst  zur  Vergleichung  dar. 
Auf  kirchlichem  und  politischem  Gebiet  finden  wir  in  beiden  Landes- 
theilen  Rührigkeit.  Im  Herzogthum  tritt  der  Erfolg  hervor,  im  polnischen 
Preussen  erlahmt  die  Kraft  im  vergeblichen  Bingen.  Im  Herzogthum 
ist  die  in  einer  Hand  liegende  Macht  wirksam,  im  polnischen  Preussen 
sind  es  nur  die  grossen  Städte  und,  sieht  man  näher  zu,  nur  Danzig 
und  Elbing,  welche  auf  unfruchtbaren  Landestagen  Anstrengungen  ver- 
suchen und  sich  bescheiden  müssen,  wenn  nicht  fürs  ganze  Land,  so 
wenigstens  für  ihre  selbständigen  Landbezirke  einige  Vortheile  zu  retten. 
Der  Adel  und  die  Geistlichkeit  war  in  Gefolgschaft  der  Krone  Polen, 
diese  wieder  den  Einwirkungen  der  päbstlichen  Curie  hingegeben.  Kraft- 
volles Leben  und  Schaffen  im  Herzogthum,  im  polnischen  Preussen 
ausser  in  den  grossen  Städten  Trägheit  und  Widerwille  gegen  den  Fort- 
schritt. Die  Keformation  fasste  im  Herzogthum  in  kurzer  Zeit  festen 
Fuss,  in  Elbing  dauerte  es  gegen  ein  halbes  Jahrhundert,  bis  die  Stadt 
ihre  religiöse  Freiheit  erkämpfte.  Zu  einer  und  derselben  Zeit  strengten 
sich  beide  Landestheile  an  eine  Hochschule  zu  gründen.  In  Königs- 
berg gelang  es,  im  polnischen  Preussen  konnte  weder  Gulm  noch  Elbing 
das  Ziel  erreichen.  Die  Verbindung  des  Gnapheus  mit  Holländer  Freunden 
in  Elbings  Nachbarschaft  und  Königsberg  führt  zur  wohlgelungenen 
Schilderung  der  Beziehungen,  in  denen  der  Elbinger  Humanist  zu  Felix 
König  (Polyphem),  zum  Kanzler  Hans  von  Kreutz,  zur  Heideck'schen 
Partei  und  zu  seinem  Gegner  Georg  Beich  (Plutus,  Philoplutus)  steht. 
Die  Darstellung  der  Königsberger  Verhältnisse  schafft  den  Boden  für 
das  Auftreten  des  Buhe  suchenden  Gelehrten  im  Herzogthum.  Erst  wird 
derselbe  nach  begründeter  Annahme  des  Verfassers  Bath  des  Herzogs, 
bis  ihm  1544  die  geeignetere  Stelle  eines  Bectors  am  Pädagogium  und 


352  Kritiken  und  Referate. 

Lectors  an  der  Universität  sich  darbietet.  Des  Verfassers  Absicht  ist 
es  nicht  des  ehemaligen  Elbinger  Rectors  Schicksalen  in  Königsberg 
weiter  nachzugehen.  Er  hat  es  aber  nicht  über  sich  vermocht  dem 
Leser  die  erwachende  Hoffnung  zu  lassen,  dass  Gnapheus  dort  die  er- 
sehnte Ruhestätte  gefunden.  Es  wird  noch  mitgetheilt,  dass  am  9ten 
Juni  1547  die  Excommunication  des  Gnapheus  an  die  Thür  der  Dom- 
kirche angeheftet  und  das  Abreissen  vom  Gegner  desselben,  dem  Caplan 
Reich  verhindert  worden. 

Dies  in  allgemeinen  Zügen  der  Inhalt  der  gediegenen  und  für  die 
Provincialgeschichte  bedeutenden  Abhandlung. 

Gegen  den  Schluss  werden  aus  Gnapheus  Schriften  siebenzehn  Schüler 
namhaft  gemacht,  von  denen  fünf  mit  ausreichenden  Personal-Notizen 
versehen  werden  konnten.  Aus  andern  Nachrichten  werden  noch  fünf 
Schüler  nachgewiesen. 

Hinter  der  Abhandlung  folgen  40  Distichen  das  Lob  Elbings  aus 
der  neueren  Mercursrede  in  deutscher  metrischer  Uebersetzung,  auf  die 
des  Gnapheus  Worte  vom  Gebäude  des  Gymnasiums  (v.  4.)  passen: 
«Kunstvoll  trefflich  gebaut/ 


Ortsnamen  des  Regierungsbezirks  Gumbinnen  (Deutsche,  Polnische, 
Litauische).  Meistenteils  auf  Grund  urkundlichen  Materials 
erklärt  von  Ferdinand  Hoppe,  Gymnasial-Oberlehrer,  Gum- 
binnen. C.  Sterzeis  Buchhandlung  (Richard  Rose)  1877.  4°  16  S. 

In  dieser  kleinen,  dem  Gymnasial-Director  Prof.  Dr.  J.  Arnoldt  zu 
Gumbinnen  gewidmeten  Schrift  steckt  eine  grosse  Fülle  gewissenhafter 
Forschung  und  tüchtiger  Arbeit. 

Aeusserst  geschickt  hat  der  Verfasser  derselben  einen  überaus 
reichen  Inhalt  in  die  knappste  Form  gepresst.  Wie  leicht  eine  falsche 
Erklärung  von  Ortsnamen  den  Geschichts-  wie  den  Sprach-Forscher  auf 
wunderliche  Abwege  leiten  kann,  dafür  liefert  gerade  die  Specialgeschichte 
unserer  Provinz  mancherlei  Beispiele.  Es  ist  durchaus  nicht  nöthig  bei 
jedem  Ortsnamen,  in  welchen  sich  der  Stamm  „Rom"  findet,  an  ein 
Bomowe  zu  denken  oder  in  jedem  Ereiwütschen  oder  Ereiwöhnen  einen 


F.  Hoppe,  Ortsnamen  des  Regierungsbezirks  Gumbinnen.  353 

Kriwe  zu  suchen.   Um  derartigen,  oft  recht  verhängnissvollen  Irrthümern 
vorzubeugen,  hat  sich  der  Verfasser  mit  grosser  Mühe  die  verschieden- 
artigsten Quellen  zu  erschliessen  gewusst.    Indem  uns  derselbe  durch 
alle  sechszehn  Kreise  des  Regierungs-Bezirks  Gumbinnen  fuhrt,  stützt 
sich  seine  Erklärung  der  Ortsnamen  auf  die  Kenntniss  der  ursprüng- 
lichen, wie  die  Vergleichung  der  Grund-  abgeleiteten  und  zusammen- 
gesetzten Wortformen.     Dabei  forscht   er   eingehend  nach  Land  und 
Leuten,  den  Namen  der  Ansiedler,  ja  er  geht  selbst  auf  die  ursprüng- 
liche Heimath  derselben  zurück  und  dringt,  mit  reichem  urkundlichem 
Material  ausgerüstet,  zuweilen  tief  in  die  Geschichte  einzelner  Orte  ein. 
So  werden  seine  kurzen  Andeutungen  für  den  Geschichtskundigen  zu 
Bildern,  welche  uns  einzelne  Gegenden  unseres  engern  Vaterlandes  in 
einem  ganz  neuen  Lichte  zeigen  und,  einer  Zauberlaterne  gleich,  fuhrt 
das  Schriftchen  bald  ein  Stück  Natur,  bald  ein  Stück  Geschichte  in 
überraschender  Reihenfolge  an  unserm  geistigen  Auge  vorüber.     Irr- 
thümer   haben  wir  auf  Gebieten,   wo  uns  eine  Controle  möglich  war, 
nicht  bemerkt,  Ergänzungen,  die  wir  hie  und  da  beibringen  könnten, 
stellen  wir  lieber  dem  Verfasser  zu,  der  sich  hoffentlich  auf  dem  von 
ihm  betretenen  Gebiete  mit  dieser  Probe  seiner  Gelehrsamkeit  nicht 
begnügen  wird.    Druck  und  Ausstattung  sind  vorzüglich.    Durch  Ver- 
fügung der  Königl.  Regierung  zu  Gumbinnen  vom  23.  December  1876 
ist  auf  Grund  eines  Ministerialerlasses  den  Volksschul-Lehrern  von  neuem 
die  Abfassung  von  Schulchroniken  ans  Herz  gelegt.    Da  diese  Schrift 
bei   derselben   bedeutende  Fingerzeige   geben  kann,   so  wäre  die  An- 
schaffung derselben  aus  den,  meistens  sehr  vermögenden,  Kirchspiels- 
Schulkassen  für  Jede  Schule  des  Gumbinner  Regierungsbezirks  in  hohem 
Grade   wünschenswerth.    Unsere   noch   immer   schwer  vernachlässigte 
Heimathskunde  kann  auch  von  Oben  herab  nicht  genug  mit  Wort  und 
Werk  gefördert  werden.    Dieselbe  erweckt  die  Liebe  zu  dem  Boden, 
der  uns  nährt  und  trägt.   Dass  dieselbe  in  vielen  Herzen  zum  Schaden 
des  Landes  zu  erkalten  beginnt,  beweist  unter  andern  die  Auswanderungs- 
lust, welche  sich  seit  einiger  Zeit  ganz  besonders  auf  dem  in  dieser 
Schrift  geschilderten  Gebiete  regt.  j^y  Roue 


Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hft.  3  u.  4,  23 


354  Kritiken  and  Beferate. 

Quellenbeiträge  zur  Geschichte  der  Kreuzzüge  herausgegeben  von 
Dr.  Hans  Prutz.  Erstes  Heft.  Danzig,  A.  W.  Kafemann.  1876.*) 

Der  Geschichtschreiber  Heinrich  des  Löwen  und  Friedrich  I.  hat 
neuerdings  seine  Studien  den  Kreuzzügen  zugewandt,  nachdem  er  auf 
einer  mit  Professor  Sepp  in  München  unternommenen  Reise  nach  Syrien 
sich  mit  der  Kenntniss  des  heiligen  Landes  selbst  ausgerüstet  hatte. 
Das  vorliegende  Unternehmen  bezweckt,  kleinere  Quellenschriften  zur 
Geschichte  der  Ereuzzüge,  die  bisher  nur  in  den  schlechten  Texten  der 
älteren  Sammlungen  zugänglich  waren  und  vorläufig  in  dem  grossen 
französischen  ßecueil  des  historiens  des  croisades  noch  keine  Stelle  ge- 
funden haben,  in  correcten,  nach  den  Handschriften  revidirten  Abdrücken 
vorzulegen.  In  diesem  ersten  Hefte  giebt  Prutz  eine  Quelle  zur  Ge- 
schichte Antiochia's  von  1114—1119,  die  Bella  Antiochena  des  Kanzlers 
Gautier  und  das  bisher  dem  Kadulf  von  Coggeshale  zugeschriebene 
Chronicon  terrae  Sanctae,  welches  die  Schlacht  bei  Hittin,  den  Fall 
Jerusalems  und  den  Anfang  des  dritten  Ereuzzuges  behandelt.  Für  die 
erste  Schrift,  die  seit  Bongars  noch  nicht  wieder  herausgegeben  war, 
sind  für  die  neue  Ausgabe  zwei  Pariser  und  eine  Berner  Handschrift 
benutzt,  für  die  zweite  stand  Prutz  dagegen  nur  derselbe  Pariser  Cod. 
von  S.  Victor  476  (Paris,  Bibl.  Nation.)  zu  Gebote,  den  auch  Martene 
und  Durand  im  Beginn  des  vorigen  Jahrhunderts  ihrer  Ausgabe  zu 
Grunde  legten,  zwei  englische  Handschriften  (Ms.  Norfolk  XI,  College 
of  arms  und  Ms.  Cotton.  Cleopatra  B.  1.  vgl.  Scriptores  rerum  B  ritt  an. 
med.  aevi  Vol.  38.  p.  LV.  LVII)  sind  für  diese  neue  Edition  nicht  be- 
nutzt. Ob  für  diese  letztere  ein  Bedürfhiss  vorlag,  erscheint  vielleicht 
fraglich,  da  erst  im  vorigen  Jahre  Stevenson  im  66.  Bd.  S.  209—262 
der  Scriptores  rer.  Brittan.  den  libellus  de  expugnatione  terrae  Sanctae 
nach  den  genannten  drei  Handschriften  edirt  hat.  Auch  die  von  Prutz 
in  der  Einleitung  über  die  Entstehung  des  Libellus  geäusserten  An- 
sichten sind  grösstenteils  (wie  er  selbst  S.  XXII  angiebt)  schon  von 
Stubbs  in  seiner  Ausgabe  des  Itinerarium  regis  Ricardi  (Ss.  rer.  Brit. 
Vol.  38  p.  LV— LVTI)  vorgebracht  und  werden  auch  von  dem  neuesten 

*)  Vgl.  in  »Mittheilungen  aus  der  historischen  Literatur*  Jahrg.  IV.  1877.  Hft.  1 
die  Anzeige  von  L.  Streit. 


Völkel  and  Thomas,  Taschenwörterbuch.  $55 

englischen  Herausgeber  (L  c.  66  p.  XVIII— XIX)  wiederholt.  Einen 
weiteren  Beleg  für  seine  Meinung,  dass  der  eigentliche  Libellus  nur 
bis  Cap.  XXII.  incl.  (S.  93  seiner  Ausgabe)  reicht,  die  letzten  sechs  Ab« 
schnitte  ein  von  anderer  Hand  zugefügter  Auszug  aus  dem  Itinerarium 
regis  Bicardi  sind,  hätte  Frutz  die  Einsicht  der  Oxforder  Handschrift 
geliefert,  welche  an  dieser  Stelle  auf  fol.  17  (p.  XIX  der  englischen 
Einleitung  vgl.  mit  S.  251  n.  1)  eine  halbverlöschte  Bandbemerkung  ent- 
hält, von  der  Stevenson  noch Bicard'  explicit  entziffern  konnte. 

Ein  Vergleich  beider  Ausgaben  lallt  hinsichtlich  der  Textrevision  zu 
Gunsten  der  englischen  aus,  auch  fehlen  bei  Prutz  die  Capitelüber- 
schriften,  dagegen  hat  er  die  Capitelzählung  beibehalten  und  sachliche 
Erläuterungen  beigegeben.  Dem  Libellus  folgen  in  beiden  Ausgaben 
zwei  Briefe  Kaiser  Friedrichs  und  Saladins,  von  denen  Prutz  den  ersten 
für  eine  müssige  Stilübung,  den  anderen  dagegen  für  eine  Uebersetzung 
aus  dem  arabischen  Original  hält:  das  letzte  ihm  unverständliche  Wort 
des  zweiten:  Myomus  Baeni,  liest  Stevenson:  Mirmuraeni.  Ein  Index 
Nominum  schliesst  das  erste  Heft  der  Quellenbeiträge  ab.  Die  Aue* 
stattung  durch  die  Verlagshandlung  ist  nur  zu  rühmen,  wie  ja  über- 
haupt die  Eafemannsche  Buchhandlung  in  Danzig  die  einzige  in  der 
Provinz  Preussen  ist,  welche  auf  den  Namen  einer  Verlagshandlung 
Anspruch  machen  kann.  jg  pt/ftadL 

Greifswald,  September  1876. 


Taschenwörterbuch  der  Auesprache  geographischer  und  histo- 
rischer Namen  für  das  allgemeine  Bildungsbedürfnis  zusammen- 
gestellt von  Maxim.  J.  A.  Völkel  und  Alfred  Thomas, 
Oberlehrern  an  der  Realschule  1.  Ordnung  zu  Tilsit.  Heidel- 
berg, Carl  Winters  Universitäts-Buchhandlung.    1876. 

Unstreitig  ist  die  Herausgabe  eines  Wörterbuchs  der  Aussprache 

in  dem  Umfange  des  vorliegenden  und  für  den  von  den  Verfassern  ins 

Auge  gefassten  Leserkreis   ein  glücklicher  Griff  zu  nennen,  und  wir 

zweifeln  nicht,   dass   die   dargebotene  Gabe  von   dem  Publikum,  für 

welches  sie  zunächst  bestimmt  ist,  mit  Lust  und  Eifer  als  eine  höchst 

23* 


356  Kritiken  und  Referate. 

willkommene  begrüsst  werden  wird,  weil  eben  das  Bedürfniss,  welches 
durch  dieselbe  befriedigt  werden  soll,  ein  allgemein  fühlbares  und  all- 
gemein gefühltes  ist,  und  zwar  nicht  ausschliesslich  in  dem  Kreise  der 
sogenannten  allgemeinen  Bildung,  sondern  auch  mancher  Gelehrte  wird 
mit  Vergnügen  zu  einem  Büchlein  greifen,  welches  ihm  in  zweifelhaften 
Fällen  —  (und  für  wen  gäbe  es  deren  nicht?)  —  das  Zurückgehen  auf 
die  primären  Quellen,  die  ihm  nicht  einmal  jederzeit  augenblicklich  zur 
Hand  sind,  in  liebenswürdiger  Weise  erspart.    Ein  Haupterforderniss 
aber,  um  einem  solchen  Buche  seine  volle  Berechtigung  zu  sichern,  ist 
die   Zuverlässigkeit  jedes   seiner   Artikel.     Wir   verkennen    nicht   die 
Schwierigkeit,  dieser  Forderung  in  ihrem  ganzen  Umfange  zu  genügen, 
da  es  sich  um  ein  Material  handelt,  welches  auf  die  Kenntniss  fast 
aller  Sprachen  der  gebildeten  Welt  basirt  ist.  Mit  besonderer  Befriedigung 
haben  wir  wahrgenommen,  dass  die  geehrten  Verfasser  mit  einer  ge- 
wissen Vorliebe  solche  Sprachen  und  die  Gesetze  ihrer  Aussprache  be- 
rücksichtigt haben,  welche  im  allgemeinen  den  Kreisen  unseres  gebildeten 
Publicums  weniger  nahe  zu  treten  pflegen,  z.  B.  die  sehr  eigenthüm- 
liche  und  im  übrigen  Europa  so  wenig  gekannte  Sprache  der  Ungarn. 
Dagegen  können  wir  nicht  umhin  zu  bedauern,  dass  selbst  in  den  Kreisen 
der  mehr  allgemein  zugänglichen  Sprachen  das  Taschenwörterbuch  An- 
weisungen enthält,  die  sich  schwer  oder  gar  nicht  rechtfertigen  lassen. 
Bei  der  oben  ausgesprochenen  Anerkennung,  welche  wir  dem  Unter- 
nehmen in  hohem  Grade  zollen,  möchten  wir  nicht  gern  an  demselben 
zum  Splitterrichter  werden,  aber  es  kommen  auch  Dinge  darin  vor,  über 
welche  nicht  zu  schweigen  für  uns  Gewissenssache  ist.    Wir  zweifeln 
nicht   und  wünschen  sogar  lebhaft,    dass  der  von  den  Verfassern  so 
glücklich  angeregte  Gedanke  sie  selbst  oder  Andere  zur  Weiterführung 
desselben  Themas  veranlassen  werde.   Mögen  diesen  künftigen  Bebauern 
des  fruchtbaren  Feldes,   soweit  es  mit  ihrer  eignen  Ueberzeugung  sich 
verträgt,  unsere  unmassgeblichen  Bemerkungen  als  Fragezeichen  und 
als  wohlgemeinte  Fingerzeige  oder  sonst  als  schätzenswerthes  Material 
zur  Verfügung  gestellt  sein  und  zu  Gute  kommen.    Aus  einer  wohl- 
gemeinten und  wohlaufgenommenen  Kritik  geht  bekanntlich  immer  das 
Publicum  als  der  gewinnende  Theil  hervor.  —  Nach  dieser  Einleitung 


Volke]  und  Thomas,  Taschenwörterbuch,  357 

schreiten  wir  zur  Sache,  indem  wir  ganz  kurz  diejenigen  Namen  der 
Reihe  nach  herausheben,  deren  Aussprache  wir  nach  unserer  Ueber- 
zeugung  verbessert  wünschen.  Abd-er-Rhaman,  richtiger  geschrieben 
und  gesprochen  Abd-ur-Rahman  (mit  consonantisch  hörbarem  h). 
Abulfeda  oder  Abulfadä.  Agen  (aäahng').  Ahriman  (ahrimahn,  mit 
consonantisch  hörbarem  h  in  der  ersten  Sylbe).  Eerman,  besser  ge- 
schrieben und  gesprochen  Kliman  (kirmahn),  Provinz  in  Persien,  das 
alte  Caramania.  Chandernagor,  Chandernagore,  richtig  geschrieben  und 
gesprochen  Chandra  -  nagara  (tschandra  -  nagara)  d.  i.  Mondstadt.  China 
sprich  (tschina),  dagegen  Chimborazo  (schimboraßo).  Klytämnestra  wird 
wohl  jetzt,  nachdem  von  Dr.  Schliemann  Agamemnon  in  Person  auf- 
gefunden worden  ist,  diesem  als  Gemahlin  wieder  zugestellt  werden 
müssen,  zumal  Menelaus  nie  Ansprüche  auf  ihren  Besitz  erhoben  hat. 
Konija,  sprich  (konija),  Stadt  in  Kleinasien.  Koreischiten ,  sprich 
(koraischiten  oder  kuraischiten,  viersylbig),  arabische  Familie  in  Mecka, 
welcher  Muhammed  angehörte.  Krotoschin,  geschrieben  Krotoszin,  ge- 
sprochen Krotoschin.  Curzola  (Curzola).  Cyaxares  (Küaxares).  Cynos- 
cephalae  (Künoskeflfalä).  Czartoryski  (tschartoriski),  polnische  Fürsten- 
familie. Ladik-Ladikijeh-Lattakijeh  türkisch,  die  Stadt  Laodicea  in 
Syrien.  Mansura,  Stadt  in  Aegypten,  sprich  Manflura.  Marakesch  ist 
eben  der  arabische  von  den  Türken  beibehaltene  Name  der  Stadt  Marokko 
selbst.  Modlin  (modlin),  Stadt  in  Polen.  Napier,  englischer  General, 
sprich  Näpper,  Nepper.  Narbada  =  Narbuda  =  Nerbuda  (narbadda,  nar-, 
nerbudda).  Newcastle,  englischer  Stadtname  (njukässl).  Newgate  (njugeht), 
Stadttheil  von  London.  New-Market,  Ort  in  England  (nju-  market). 
Newport,  Ort  in  England  (nju-port).  Nisibin  (nihflibihn).  Noli,  Stadt 
in  Italien  (noli,  nicht  noli).  Nowaja  Semlja  (nowaja  §emlja,  nicht 
flemlja).  Obeid  (durchaus  obeid,  obaid,  nicht  obe-id).  Pamplona- 
Pampluna,  Stadt  in  Spanien.  Parias,  sachlich,  nicht  eine  Kaste  bei  den 
Indern,  sondern  die  von  den  Hindus  als  unreine  angesehenen  Urbewohner 
des  Landes,  die  ausserhalb  jedes  Kastenverbandes  stehen.  Pataliputra, 
Stadt  in  Bengalen,  heute  Pälibotra.  Pelopidas  als  spartanischer  Feld- 
herr eine  historische  Novität.  Pescha-wer  =  Pischa-wer.  Pichincha 
(pischinscha),   Vulkan  in  Ecuador.     Puerto  Cabello  (puerto  kaweljo), 


358  Kritiken  and  Referate. 

Stadt  in  Venezuela.  Rabelais  (rabelft),  franz.  Schriftsteller.  Rhone 
(rohn),  Fluss  in  Frankreich,  durchaus  als  Masc.  zu  gebrauchen,  vgl. 
Salanse  u.  a.  Artikel.«  Rousseau  (rufio),  franz.  Schriftsteller.  .Sachalin 
(Aachaljan)*  offenbar  druckfehlerhaft  und  unklar.  Sahara  (nur  flahara), 
die  grosse  lybische  Wüste.  Saladin,  genauer*  Saläh  -  eddin  (flaladihn, 
Balähedditan).  Tabris  =  Tebriz  (tabrihs,  tebrihs),  Stadt  in  Persien,  das 
alte  Tauris  im  Kaukasus.  Tiberis,  Tiber,  Fluss  in  Italien,  durchaus  Masc 
Ud8chaln  =  Udien  (in  beiden  Formen  zweisylbig),  Stadt  in  Vorder- 
indien! deren  alter  einheimischer  Name  istUdiäjini.  Varinas  (wahrinas), 
Stadt  in  Südamerica.  Varzin  (warsin),  Gut  in  Pommern,  Kreises  Schlawe. 
Viscount  (wiskaunt),  englischer  Adelstitel.  Voltaire  (woltäbr),  französ. 
Schriftsteller.  Warakadu,  soll  wohl  heissen  Wärakratu,  Beiname  des 
indischen  Gottes  Indras.  Wieliczka  (wjelitschka)  Stadt  in  Galizien. 
Zigmund  (sigmund),  polnisch  =  Sigismund.  Almaden,  Orte  in  Spanien, 
arabisch  =  Bergwerk.  Almamum  ist  unrichtig  geschrieben  und  unrichtig 
betont.  Der  bekannte  Chalif  hiess  Al-mamuhn.  Baalbek  (nicht  -beck) 
sprich  (ba-albek);  ebenso  das  S.  18  noch  einmal  aufgeführte  gleichbe- 
deutende Balbek.  Bajazed  und  Bajasid  ist  ein  und  derselbe  Name  und 
lautet  (bajasihd).  Baktschiseraj  (baktschihfleraj).  Balfrusch,  sprich 
(bahl- fem  lisch).  Bassora;  hier  ist  das  0  missbräuchlich  eingeschoben; 
die  Stadt  heisst  arabisch  Bassra,  Basra.  Beauregard,  Beaurevoir,  bei 
diesen  und  ähnlich  gebildeten  Namen  wurde  einem  französischen  Ohre 
die  im  Wörterbuch  angegebene  Aussprache  bohr-gahr,  bohr-woahr  sehr 
befremdlich  klingen.  In  solchen  zusammengesetzten  Namen,  deren 
zweiter  Theil  regard,  revoir  ein  selbstständiges  Wort  ist,  behauptet  das 
sogenannte  stumme  e  seine  sylbenbildende  Kraft  ebenso,  wie  es  dieselbe 
in  der  Poesie  und  im  solennen  Redevortrage  durchaus  überall  behauptet 
hat,  und  der  Franzose  theilt  in  der  Aussprache  nicht  ab  Beaure-gard, 
Beaure-voir,  sondern  Beau-regard,  Beau-revoir.  Eine  ähnliche  stief- 
mütterliche Behandlung  haben  die  Verfasser  dem  e  in  noch  vielen  andern 
Namen  zu  Theil  werden  lassen;  z.  B.  Namen  wie  Genappe,  Geneve, 
Genivre  spricht  kein  gebildeter  Franzose  einsylbig,  sondern  durchaus 
zweisylbig,  wenn  auch  immerhin  mit  sehr  kurzer  und  flüchtiger  erster 
Sylbe,  aus.  Belisar  lautet  Belisar.   Belsazar  sprich  Belsazar.   Benjamin 


Völkel  und  Thomas,  Taschenwörterbuch.  359 

sprich  Benjamihn.  Brahmaputra  (brahmaputra  mit  hörbarem  h  in  erster 
Sylbe),  Fluss  in  Asien.  Die  Brahminen,  alte,  jetzt  kaum  mehr  vor- 
kommende Verstümmelung  hätten  neben  der  richtigen  Benennung  Brah- 
manen  wegbleiben  können.  Zu  merken  ist  aber,  dass  in  letzterem  Namen 
das  h  hörbar  sein  muss.  Bucharest,  sprich  bukarescht.  Bughdad,  ver- 
stümmelte Schreibeweise  für  Baghdad  (bagdahd).  Dehli,  zprich  dehli 
mit  hörbarem  h.  Dhawalagiri,  Dholagir  (ersteres  alte,  letzteres  moderne 
Namenform  der  höchsten  Spitze  des  Himalaja  (zu  deutsch:  „Der  weisse 
Berg")  sprich  dawalagiri,  dolagir  (nicht  -dziri,  -diir).  Djingis-khan, 
sprich  Diingihs-khähn;  ebenso  lautet  Gingis  Chan.  Don  Quichote  de 
la  Mancha  (de  la  Manscha,  nicht  de  la  Mantscha),  überhaupt  hat  im 
Spanischen  ch  immer  den  Laut  des  deutschen  seh,  nie  tsch.  Firdusi, 
sprich  (firdüfli  oder  firdöfli)  persischer  Dichter.  Ghasnawiden  ist  der 
Name  nicht  einer  arabischen,  sondern  einer  turkomanischen  Herrscher- 
familie im  Gebiete  des  heutigen  Afghanistan,  vom  zehnten  bis  zum 
zwölften  Jahrhundert.  Havanna,  sprich  hawanja  oder  awanja.  „Hydaspes 
(hüdaspehs)  griechisch,  =Dschelamil.  Dieser  Artikel  ist  uns  räthsel- 
haft,  unverständlich.  Ivanhoe  wird  unseres  Erachtens  aiwänhu  ge- 
sprochen. Iokaste,  sprich  I-okaste  (viersylbig).  Juliacum  ist  nicht 
Lüttich,  sondern  Jülich;  ersteres  heisst  lateinisch  Leodicum.  «Kairo, 
Stadt  in  Aegypten"  ist  ziemlich  allgemein  gebräuchliche  europäische 
Verstümmelung.  Der  Name  der  Stadt  lautet  durchaus,  wie  er  auch 
einige  Zeilen  vorher  richtig  geschrieben  dasteht,  kahira.  „Kairwan, 
Stadt  in  Tunis"  ist  zu  schreiben  und  zu  sprechen  Kairuwan  (dreisylbig). 
Catoche,  sprich  Catosche.  Cambodja,  sprich  kambodscha,  Fluss  und 
Landschaft  in  Hinterindien. 

Im  Anhange  S.  171  flgg.  Bahrein,  sprich  (bahrein)  mit  conso- 
nentisch  hörbarem  h.  „Derby  (dabe)B  wohl  irrthümlich.  Geslin,  auf 
welches  Sprachgesetz  sich  die  Aussprache  (zläng')  stützen  solle,  ist 
uns  unersichtlich. 

Einen  ganz  besondern  Dank  haben  die  Herren  Verfasser  noch  zu 
erwarten  von  den  Besitzern  unvollständiger  lateinischer  Wörterbücher, 
denen  ihr  Werkchen  Gelegenheit  bietet,  in  den  bezeichneten  Wörter- 
büchern folgende  darin  fehlende  Artikel  nachzutragen :  Alexandria,  Amisia, 


I 


360  Kritiken  und  Referate. 

Ancyra,  Arabia,  Aramaea,  Arelas,  Arelate,  Argaeus,  Arraenia,  Athalia, 
Athenae,  Athesis,  Babylonia,  Baptista,  Berytus,  Borysthenes,  Bosporus, 
Byzantiumt  Danapris,  Deraokritus,  Dio  Kassius,  Dyrrhachium,  Calaguris, 
Chersonesus,  Maeotis  Palus,  Neapolis,  Olisippo,  Paropamisus,  Tarabulus, 
Thermopylae,  Thesalonika  u.  a.  mehr.  * 


Jahresbericht  des  Vereins  für  die  Geschichte  der  Provinz  Preussen 

für  das  Vereinsjahr 
von  Ostern  1876  bis  Ostern  1877. 

Auch  in  dem  verflossenen  Jahre,  dem  vierten  seines  Bestehens, 
ist  unser  Verein  redlich  bemüht  gewesen,  die  ihm  vorgezeichnete  Auf- 
gabe der  wissenschaftlichen  Erforschung  der  Geschichte  unserer  Provinz 
zu  fördern.  Die  mit  einigen  sachliche^  Schwierigkeiten  verknüpften 
Verhandlungen  mit  dem  Herausgeber  der  Stände-Akten,  Herrn  Director 
Dr.  Toppen,  über  die  Fortführung  dieses  Werkes,  haben  einen  all- 
seitig befriedigenden  Abschluss  gefunden  und  steht  zu  hoffen,  dass  in 
Bälde  den  Vereinsmitgliedern  ein  neuer  Band  der  Stände-Akten,  die 
Zeit  von  1421—1440  umfassend,  vorgelegt  werden  wird.  Auch  an  der 
Herausgabe  der  Chronik  des  Simon  Grünau,  einer  Publication,  die  sich 
auch  ausserhalb  unserer  Provinz  vielfacher  Theilnahme  erfreut,  ist 
fortgearbeitet  und  die  Vollendung  derselben  sicher  gestellt  worden.  — 
Leider  haben  unvorhergesehene  widrige  Umstände,  vor  Allem  die  Ueber- 
siedelung  des  Herrn  Dr.  Perlbach  nach  Greifswald,  dann  der  Brand 
der  Hartung'schen  Druckerei,  eine  vom  Vorstande  nicht  verschuldete, 
aber  lebhaft  bedauerte  Veröffentlichung  der  diesjährigen  Lieferung  dieser 
Vereinsschrift  zur  Folge  gehabt.  Der  Vorstand  wird  dafür  Sorge 
tragen,  dass  die  im  Drucke  fast  vollendete  rückständige  neue  Lieferung 
des  Simon  Grünau   in   kürzester   Frist   in   die  Hände  der  Mitglieder 

gelange. 

Wenn  der  Vorstand  des  Vereins  aus  der  letzten  Generalversamm- 
lung im  April  1876  durch  die  Wiederwahl  der  damals  statutengemäss 
austretenden  Mitglieder,  der  Herren:  Archivrath  Dr.  Meckelburg, 
Oberlehrer  Dr.  Kr os ta  und  Dr.  Perl b ach  —  unverändert  hervorging, 


Jahresbericht  des  Vereins  für  die  Geschichte  der  Provins  Preassen.      361 

so  hat  er  im  Laufe  des  Jahres  den  Verlust  zweier  seiner  Mitglieder 
zu  beklagen  gehabt.  Im  August  1876  ging  Herr  Dr.  Perlbach,  der 
sich  der  Secretariatsgeschäfte  des  Vereins  mit  Eifer  angenommen,  nach 
Greifswald  an  die  dortige  Königl.  Bibliothek.  Es  gelang  an  seiner 
statt  die  bewährte  Kraft  des  Herrn  Archiv-Vorstands  Dr.  Philippi, 
dem  der  Verein  schon  vorher  für  seine  bereitswillige  Unterstützung  mit 
Rath  und  That  zu  grossem  Danke  verpflichtet  gewesen,  zum  Eintritt 
in  den  Vereins- Vorstand  zu  bewegen.  Kurz  vor  dem  Jahresschlüsse 
schied,  einem  Rufe  an  die  Universität  zu  Bonn  folgend,  der  bisherige 
Vorsitzende  des  Vereins,  Herr  Prof.  Dr.  Maurenbrecher  aus  dem 
Vorstande.  Der  Verein,  um  dessen  Begründung  und  Gedeihen  derselbe 
hervorragende  Verdienste  gehabt,  hat  ihm  für  die  bereitwillige  Ueber- 
nahme  des  Vorsitzes,  für  die  umsichtige  und  geschickte  Leitung  der 
Geschäfte  und  für  das  lebhafte  Interesse,  das  er  stets  den  Vereins- 
Angelegenheiten  entgegengebracht,  mit  dem  Ausdrucke  lebhaften  Be- 
dauerns über  seinen  Abgang,  an  dieser  Stelle  ganz  besonders  zu  danken. 

Oeffentliche  Sitzungen  fanden  im  verflossenen  Jahre  nur  zwei  statt, 
am  28.  April  1876  und  am  30.  Januar  1877.  In  ersterer  hielten  Vor- 
träge: Prof.  Lohmeyer  über  „  Polen  -Littauen  und  der  Ordensstaat 
in  Preussen* ;  Candidat  BobertMüller  über  „Preussens  Kriegslasten 
1807  bis  1813".  In  der  zweiten  Sitzung  sprach  Archiv-Secretair 
Dr.  Sattler  über  „Preussen  und  die  Hansa  bis  1370*. 

Die  Zahl  der  Korporationen,  welche  Mitglieder  geworden  oder  dem 
Vereine  Unterstützungen  gewähren,  ist  die  nämliche  wie  im  vergangenen 
Jahre  geblieben.  Der  Provinzial-Landtag  hat  in  dankbarst  anzuer- 
kennender Munificenz  die  im  Jahre  1875  ausgefallene  Subvention  von 
600  Mark  nachträglich  noch  für  dieses  gedachte  Jahr  und  dieselbe 
Jahressumme  auch  für  die  Zeit  vom  I.Januar  1876  bis  1. April  1878 
dem  Vereine  bewilligt.  Die  Königl.  Staatsregierung  ist  für  das  Jahr  1876 
um  die  früher  gütigst  geleistete  Subvention  von  600  Mark  nicht  an- 
gangen worden. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  beträgt  gegenwärtig  199,  von  denen  in 
Königsberg  108,  in  Danzig  24,  in  den  übrigen  Theilen  der  Provinz 
Preussen  46,  und  ausserhalb  der  Provinz  21  wohnen. 


362  Kritiken  und  Heferate. 

Die  Einnahmen  betrugen  für  das  Vereinsjahr  1876/77: 

1.  Bestand  aus  dem  Vorjahre Mk.  1998,55 

2.  Restbeträge  aus  dem  Vorjahre „      630 

3.  Zinsen  belegter  Bestände ,       103,17 

4.  Beiträge  von  197  Mitgliedern  (zwei  sind  in  Rest)     „     1182 

5.  Beiträge  von  10  Städten  und  10  Kreisen  (eine 

Stadt  in  Rest) ......     1395 

6.  Aus  dem  buchhändlerischen  Vertrieb  der  Vereins- 

Publicationen .  „  138,60 

Summa  der  Einnahmen  Mk.  5447,32 
Davon  wurden  verausgabt: 

1.  Für  wissenschaftliche  Arbeiten Mk.    163 

2.  Kosten  der  Sitzungen „  99,85 

3.  Verwaltungskosten „  49,30 

4.  Nebenkosten  der  zinsbaren  Belegung  —  Agio 

und  Stückzinsen .    .    .      »        17,17 

Summa  der  Ausgaben  Mk.  329,32 
Die  Geringfügigkeit  der  Ausgaben  für  die  wissenschaftlichen  Ar- 
beiten erklärt  sich  daraus,  dass  die  im  Drucke  und  in  der  Vorarbeit 
befindlichen  Werke  bis  zum  Schlüsse  des  Rechnungsjahres  nicht  fertig 
gestellt  sind.  Die  Kosten  für  Druck  und  Honorar  der  diesjährigen 
Publication  werden  also  dem  künftigen  Jahre  mit  zur  Last  fallen. 

Das  gegenwärtige  Vermögen  des  Vereins  beträgt  somit  Mk.  5118, 
welche  vorhanden  sind  in: 

1.  3  Stück  4ya%  Ostpr.  Pfandbriefen  k  600  M.  =  Mk.  1800 

2.  1      „      5  °/0  Central-Boden-Credit-Pfandbrief  a    ,      600 

3.  Guthaben  bei  der  städtischen  Sparkasse  zu  Kö- 

nigsberg       „     2219,17 

4.  baarer  Bestand .     ,      498,83 

Summa  wie  oben  Mk.  5118. 
Die  durch  die  Mitgliederbeiträge  sowie  die  Subventionen  der  Kor- 
porationen und  der  Provinz  gesicherte  laufende  Jahres -Einnahme  des 
Vereins  kann  auf  2500  Mark  veranschlagt  werden. 


Aiterthumsgesellschaft  In  Elbing.  363 

Aiterthumsgesellschaft  in  Elbing. 

Sitzung  den  II.  Januar  1877.  Professor  Keusch  halt  einen  Vortrag  über  Comenius. 
Zu  den  bekannten  Nachrichten  von  dessen  Leben  fügt  derselbe  noch  einige  speziellere 
Angaben  über  Comenius'  Beschäftigung  am  Elbinger  Gymnasium  nach  hiesigen  Archiv- 
stücken  bei  und  spricht  die  Vermuthung  aus,  dass  die  Wahl  Elbings  zum  Aufent- 
haltsort im  Jahre  1642  vielleicht  dadurch  zu  erklären  sei,  dass  sich  hier  (nach  dem 
Leichenfunde  vom  Januar  1858)  Mitglieder  der  Familie  seines  früheren  Beschützers 
v.  Zerotin  aufgehalten  haben.  —  Nach  dem  Vortrage  werden  verschiedene  Sachen 
gezeigt:  1.  Gesangbuchdeckel  —  galvanoplastische  Arbeit  —  darstellend  die  Anbetung 
des  Christuskindes  durch  die  drei  Könige  des  Morgenlandes  (Silber  mit  Vergoldung); 

2.  Deckel  einer  Dose  —  Silberprägung  mit  etwas  Ciselirung  —  Jagdsccnen;  3.  sil- 
berne Dose  mit  getriebener  Arbeit;  4.  achteckige  Dose  mit  Zeichnung  auf  dem  Deckel, 
vielleicht  Tula- Arbeit;  5.  Mehrere  Siegelringe  und  Petschafte;  6.  Eine  Preismedaille 
von  der  Londoner  Ausstellung  1851;  7.  Zwei  russische  Kupfermünzen  aus  dem  vorig. 
Jahrhundert,  mehrere  Kopeken  an  Werth.  Sämmtliche  Sachen  sind  Eigenthum  des 
Lieutenant  Krumbügel  hierselbst.  Ferner  wurden  noch  zwei  Silber-Halb-Kubelstücke 
aus  dem  vorig.  Jahrhundert  gezeigt,  Frl.  Plaumann  gehörig.  —  Der  Vorsitzende  referirte 
darauf  noch  über  den  Stand  der  neuesten  craniologischen  Forschungen,  speziell  über 
die  Finnenfrage,  über  Virchow's  Untersuchungen  der  Friesenschädel  (chamaecephal) 
und  über  die  Ergebnisse  der  statistischen  Erhebungen  in  den  Schulen,  die  Farbe  des 
Haares,  der  Augeu  und  der  Haut  der  Schüler  betreffend. 

[Elb.  Post  1877.  No.  13.] 
Sitzung  den  I.  Februar  1877.    Mittheilung  des  Vorsitzenden,  dass  er  sich 
behufs  Aufnahme  der  Sammlung  des  Vereins  in  das  städtische  Museum  an  den  Ma- 
gistrat gewandt  habe.    Vorzeigung  restaurirter  Sachen:   1.  Visirhelm  mit 
Spuren  ehemaliger  Vergoldung.  1625—49.  2.  Metallhandschuh  zum  Vorigen  gehörig. 

3.  Burgunderhelm  (franz.  bourguignot,  engl,  burgonet)  1550— 1600  mit  stellbarem 
Nasenbügel.  4.  ßappior,  Ende  des  17.  Jahrh.,  giebt  die  Form,  welche  dem  heutigen 
Offizier-Degen  unmittelbar  vorangegangen  ist.  5.  Dreischneidiger  Stichdegen  mit  ein- 
facher Parirstange  ohne  Handbügel  mit  Jahreszahl  1642.  6.  Ritterschwert  mit  spanischer 
Klinge,  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  das  eiserne  Gefäss  stark  mit  Silber  plattirt  und  im 
Feuer  vergoldet.  7.  Offizierdegen  aus  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrh.,  das  eiserne 
Gefäss  mit  Spuren  ehemaliger  leichter  Vergoldung.  Die  vorgenannten  Gegenstände 
stammen  aus  der  hiesigen  Marienkirche.  8.  Perswert,  auch  Pörswert  genannt,  1350 
bis  1400  zum  Stichkampf  und  Jagdgebrauch,  Geschenk  des  Gerichterath  Kaninski, 
gefunden  im  Wildsee  bei  Allenstein.  9.— 11.  Drei  silberne  Armringe  aus  einzelnen 
Bruchstücken  wieder  zusammengesetzt.  12.  Ziemlich  vollständiger  gothischer  Frauen- 
kamm aus  Elchgeweih  mit  Verzierungen  aus  vielen  kleinen  Bruchstücken  zusammen- 
gefügt.   13.  Fragment  eines  unverzierten  gothischen  Frauenkamms.    14.  Eine  flache 


364  Kritiken  und  Referate« 

Bernsteinkoralle,  Halsschmuck.  15.  Silbernes  Armband  von  scUangenlinienförmig  ge- 
bogenem Silberdraht  16.  Hellgrüne  Glaskugel  aus  einem  gothischen  Frauenhals- 
schmuck. Die  Gegenstände  9 — 15  stammen  wahrscheinlich  sämmtlich  von  den  Gothen ; 
die  Zeit  200—458  nach  Chr.  ist  durch  Münzfunde  genau  für  dieselben  nachweisbar. 
17.  Meisselförmige  Axtklinge  aus  Bronce,  Form  sehr  ursprünglich,  Broncemischung 
stark  kupferhaltig.  18.  Oelt  aus  Bronce  in  der  letzten  Entwickclung  der  bronoenen 
Axtklingen,  daher  auch  noch  im  altern  Eisenalter  aus  Eisen  dargestellt  vorkommend« 
Es  fehlt  hier  das  Oehr  und  befindet  ßich  statt  dessen  ein  Loch  zum  Befestigen  des 
hakenförmigen  Schafts  mittelst  eines  Stifts.  19.  Kleiner  spitzkegelförmiger  Gegen- 
stand aus  Bronce  mit  Querband  Über  der  offenen  Grundfläche,  vermuthlich  Besatz- 
stück eines  Gürtels.  Derartig  geformte  Nieten  zum  Befestigen  von  Theilen  broncener 
Gefässe,  Helme,  Schilde  u.  s.  w.  heissen  tutuli  und  finden  sich  hauptsächlich  bei 
Etruskern  und  Gelten.  Die  Gegenstände  von  9—19  rühren  meist  von  Ausgrabungen 
in  der  hiesigen  Umgegend  her.  Gezeigt  wird  ferner  eine  höchst  geschickte  Nach- 
bildung des  Kammes  (No.  12)  nebst  den  Werkzeugen  zur  Anfertigung  derselben. 
Referate.  A.  Lieutenant  von  Schack  über  die  persische  Samaniden-Dyuastie,  von 
welcher  häufig  Münzen  in  Preussen  gefunden  werden.  Dieselbe  gehört  nicht  wie 
früher  gelegentlich  gesagt  worden  zu  den  »Khalifen*  (es  werden  alle  Dynastien  nam- 
haft gemacht,  welche  die  Geschichte  mit  letztern  Namen  bezeichnet),  sondern  ist  eine 
der  vielen  kleinen  persischen  Dynastien,  welche  beim  Verfall  des  Abbassidischen 
Khalifats  successive  entstanden  und  untergingen.  Ihr  Ahnherr  Saman  behauptete 
von  den  Sassaniden  abzustammen,  wodurch  sein  Geschlecht  zu  besonderm  Ansehn  in 
Femen  kam.  Die  Samaniden  regierten  874 — 999,  verdrängten  die  Soffariden,  be- 
kämpften die  Dilemiten  oder  Buiden  und  fanden  durch  die  Ghaznaviden  ihren  Unter- 
gang. B.  Gerichtsrath  Kaninski  über  Niello-Arbeit.  Das  Nielliren  ist  seit  alten 
Zeiten  eine  allgemein  verbreitete  Kunst  gewesen  und  wurde  nicht  ausschliesslich  in 
Tula  geübt.  Besonders  erwähnt  werden  niellirte  Portraitmedaillen,  welche  als  Aus- 
zeichnung am  Hut  oder  um  den  Hals  im  16.  Jahrhundert  getragen  wurden  (Gnaden- 
pfennige), sowie  als  Hauptkunstwerk  der  Niello-Arbeit  der  portative  Altar  romanischen 
Styls  im  Domschatz  zu  Paderborn.  Der  bedeutendste  Niello-Künstler  war  Thomas 
Finiguerra.  G.  Der  Vorsitzende  über  einen  bei  Mohilew  1873  gefundenen  von  Dr. 
Wankel  untersuchten  und  von  Dr.  Alois  Müller  in  Ollmütz  entzifferten  phönicischen 
Stein,  welcher  den  Beweis  eines  Handelsweges  vom  schwarzen  Meer  nach  der  Ostsee 
liefert,  was  bisher  nur  vermuthet  wurde.  Der  Text  lautet:  Denkstein  des  Baal,  hier 
haben  wir  es  eingemeisselt  D.  Derselbe  über  Höhlenuntersuchungen.  Die  franzö- 
sischen Nachforschungen  haben  zwar  mannigfaltigeres  Resultat  in  Bezug  auf  Ver- 
schiedenartigkeit der  Funde  ergeben  als  die  deutschen,  doch  seien  die  daran  ge- 
knüpften Schlüsse  mit  grosser  Vorsicht  aufzunehmen.  Thierzeichnungen  auf  Knochen- 
stücken, welche  man  für  antik  hielt,  sind  nach  einem  illustrirten  Werk  von  Spamer 
von  spekulativen  Personen  angefertigt  worden,    Das  Resultat  der  deutschen  Nach- 


AlterthumsgeselUchaft  Prussia.  3g 5 

forschnng  habe  im  Allgemeinen  ergeben:  Obere  Schicht:  Knochensplitter,  Feuerstein  - 
stücke,  Bronce-  und  Eisensachen,  keine  Beste  vorweltlicher  Thiere;  Zwischenschicht 
aus  Diluvial-Lehmboden  bestehend;  untere  Schicht:  Feuersteine  und  andere  bear- 
beitete Steine,  Knochenfragmente  vorweltlicher  Thiere,  keine  Metallsachen. 

[Ebd.  32.] 
Sitzung  den  I.  März.  Mittheilung.  Der  Vorsitzende  theilt  mit,  dass  vom 
Magistrat  ein  Antwortschreiben  eingegangen  ist,  welches  die  Aufbewahrung  der  Samm- 
lung des  A.-V.  im  städtischen  Museum  genehmigt.  Referate.  A.  Lieut.  v.  Schack 
ober  Philarete  Chasles'  l'antiquite  nach  einem  Aufsatz  im  Magazin  f.  Lit.  d.  Aus- 
landes. B.  Der  Vorsitzende  über  die  Ausgrabungen  in  Olympia  1875/76  nach  den 
Berichten  von  Curtius  u.  Adler.  Photographien  der  gefundenen  Kunstgegenstände 
liegen  zur  Ansicht  aus.  Hr.  Borishoff  zeigt  eine  Menge  von  Gold-  u.  Silbermünzen, 
darunter  Bracteaten  u.  Ordensmünzen,  deren  genaue  Beschreibung  noch  vorbehalten 
bleibt.  Zum  Schluss  macht  Lieutenant  Schack  noch  auf  die  im  Bericht  Über  die 
Forschungen  des  Dr.  Bujack  in  der  Bastenburger  Gegend  erwähnten  Balten  oder 
Baitschen  aufmerksam,  welches  Wort  eine  Art  von  Grenzwachthaus  an  einem  Strassen- 
eingange  in  das  Land  gelegen  bezeichnen  soll.  Es  sei  in  Folge  dessen  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  diese  Grenzwachthauser  überall  da  gestanden  haben,  wo  ein 
Ortsname  heute  noch  mit  dem  Ausdruck  »Balten,  Baitschen*  oder  mit  ähnlich 
klingenden  Worten  zusammengesetzt  sei.  Der  Name  »Peitschendorf*  kommt  häufiger 
in  der  Provinz  vor.  [Elbinger  Post  54.] 


Alterthuiisgegellschaft  Prnssia. 

Sitzung  den  19.  Januar  1877.  Archivrath  Dr.  Meckelburg  las  über  »Hexen- 
glauben und  Hexenprozesse  in  Altpreussen*.  In  der  Absicht,  der  Versammlung  die 
so  interessanten  als  für  die  einschlägigen  historischen  Thatsachen  belehrenden  Akten 
eines  noch  unbekannten  Hexenprozesses  mitzutheilen,  welcher  im  Jahre  1G92  vor 
dem  Stadtgericht  zu  Fischhausen  geführt  .worden  ist,  griff  er  die  psychologischen 
Momente  voraus,  welche  die  Erscheinung  erklären  und  theilte  aus  der  Geschichte  der 
Hexenprozesse  so  viel  mit,  als  zum  Verständniss  der  sonderbaren,  heute  vergessenen 
Motive  gehört  die  in  solchen  Prozessen  auftraten.  Die  Akten,  welche  das  Verbrechen, 
das  eine  kopflose  Justiz  in  der  Verurtheilung  der  unglücklichen  Clara  Klein  beging, 
der  Nachwelt  aufbehielten,  boten  zum  Theil  ungewöhnliche  Details  über  die  Ver- 
führung der  Hexen  durch  den  Teufel,  über  die  Art  des  Teufelsbündnisses  und  die 
Wirksamkeit  desselben  dar,  lauter  Wahngebilde  des  rohesten  Aberglaubens,  den  die 
armen  Opfer  schliesslich  selbst  bekannten,  um  der  Pein  zu  entrinnen,  zu  der  er  sie 
verdammte  und  den  die  Justiz  durch  eine  schmachvolle  Sentenz  zum  Glauben  erhob. 
Der  Vortrag  hob  hervor,  dass  die  Richter,  ganz  in  der  Weise  der  Inquisitoren,  das 
blosse  Bekenn tniss  vorgeblicher  Unthaten  als  Grund  des  Verdammungsurthefls  ein- 


366  Kritiken  und  Referate« 

treten  Hessen  und  wiess  auf  Thomasius'  Einfluss  hin,  der  nach  den  Worten  Friedrichs 
des  Grossen  es  gewesen  ist,  welcher  den  alten  Frauen  die  Wohlthat  erwirkte,  in 
Ruhe  sterben  zu  können. 

Darauf  folgte  ein  Vortrag  des  Director  Friederici  »Archäologische  Wahr- 
nehmungen auf  einer  Reise  in  Neu-Vorpommern  im  Sommer  1876*.  In  dem  ersten 
Theile  schilderte  der  Vortragende  die  Architektur  Stralsunds  und  zwar  den  Stadt- 
theil  an  der  Seeseite,  die  Nicolai-  und  Marienkirche  und  das  Rathhaus.  Zu  den 
Museen  übergehend,  verweilte  er  länger  bei  dem  Stadtmuseum.  Die  Sammlung  Ton 
Thongefässen  aus  heidnischer  Zeit  ist  im  Vergleich  mit  denen  Altpreussens  eine  ge- 
ringe, ebenso  auch  die  der  durchlochten  Steingeräthe.  Letzteres  hat  aber  seinen 
natürlichen  Grund,  weil  das  vorwaltende  Material  dort  nicht  Geschiebe  sind,  sondern 
der  Feuerstein,  den  man  nicht  durchlochte.  Einen  seltenen  Schmuck  besitzt  das 
Stadtmuseum,  der  an  den  Reichthum  des  Kopenhagener  Nordischen  Museums  erinnert. 
Es  ist  ein  Halsschmuck  von  Gold,  dessen  Metallwerth  allein  900  Thaler  beträgt,  aus 
einer  Maximalplatte,  5  mittleren  und  mehreren  kleineren  Platten  gebildet,  die  zum 
Theil  mit  Vogelköpfen  geschmückt  sind,  welche  der  Vortragende  für  Sperber-  oder 
Rabenköpfe  hält.  Der  kostbare  Schmuck  ist  erst  nach  der  grossen  Sturmfluth  im 
Jahre  1873  auf  der  Insel  Niddensee  bei  der  Stadt  Stralsund  in  einzelnen  Theilen 
gefunden  worden.  —  Aus  seinen  Anschauungen  von  der  Insel  Rügen  berichtet  der 
Vortragende  nur  von  denjenigen,  welche  er  auf  der  Halbinsel  Jasmund  gehabt,  näm- 
lich von  dem  sogen.  Hertha-See  mit  der  sogen.  Hertha-Burg,  von  den  geöffneten 
Kistengräbern,  die  den  preussischen  ganz  ähnlich  sind,  und  von  einem  ächten  Opfer- 
stein, der  auf  der  Feldmarke  des  Gutes  Quolitz  liegt,  8—  lOFuss  lang,  6Fuss  breit 
ist,  6  Fuss  aus  dem  Roden  hervorragt  und  neben  anderen  Verzierungen  auch  eine 
einfache  Rinne  zeigt,  nämlich  nach  der  Morgenseite  zu  zwei  neben  einander  liegende 
ringartige  Vertiefungen.  —  Endlich  gab  der  Vortragende  noch  das  Bild  eines  Grabes, 
das  sich  auf  der  Feldmark  des  Guts  Müggenholl  in  der  Nähe  von  Franzburg,  südlich 
von  Stralsund  befindet.  Dasselbe  erinnert  an  das  Aeussere  der  dänischen  Gräber, 
indem  aus  einem  Kreise  dichtgepflasterter  kleiner  Steinblöcke  vier  mächtig  aufrecht- 
stehende Granitblöcke  säulenartig  10—15  Fuss  emporragen  und  schief  gestellt,  sich 
gegenseitig  unterstützen. 

Zum  Schluss  legt  der  Vorsitzende  Dr.  Bujack  einige  werthvolle  Geschenke 
und  mehrere  angekaufte  kostbare  Alterthümer  vor.  Besonders  wurde  durch  Kau/  die 
Sammlung  von  Steingeräthen  bereichert,  von  denen  die  Prussia  schon  im  April  v.J. 
215  Nummern  besass.  Die  13  angekauften  Stücke  sind  sämmtlich  geschliffen,  zwei 
davon  nicht  einheimische,  nämlich  ein  18,a  ctm.  langer  Keil  aus  Kieselschiefer  aus 
Eger  in  Böhmen  und  ein  kleiner  Keil  aus  Feuerstein  aus  Rügen.  Von  den  drei 
übrigen  Keilen  sind  zwei  als  altpreussische  und  mit  keinem  genaueren  Fundort  be- 
zeichnet, nämlich  ein  breiter  Keil  und  ein  schmaler  Meissel,  beide  aus  Feuerstein« 
Der  dritte  bei  Beuschwerder  Kr«  Neidenburg  ausgepflügte  Keil  aus  Feuerstein  ist 


Altertimmsgesellschaft  Prussia.  ggf 

7,3  ctm.  lang.  Die  übrigen  zehn  Geräthe  (Beile)  sind  sämmtlich  durchlocht,  fünf 
derselben  sind  wieder  nur  als  altprenssische  bezeichnet.  Aach  ihr  Gestein  ist  wegen 
einer  starken  Verwitterungsschicht  nicht  genaner  zu  bestimmen,  eines  hat  die  ele- 
ganteste Form  der  in  Altproussen  gefundenen  Steinger&the  mit  einem  Bahnende  in 
Form  eines  Knaufs  und  mit  einer  bandartigen  Uraschleifung  des  oberen  Bandes  des 
Bohrlochs,  welche  halbkreisförmig  ist  und  nach  der  Seite  des  Bahnendes  liegt.  Die 
zweite  Ait  hat  dieselbe  bandartige  Verzierung  am  Bohrlochrande!  aber  ein  abge- 
rundetes Bahnende  und  eine  nicht  geradlinige  Schneide,  sondern  in  concavom  Bogen. 
Bei  der  dritten  Axt  ist  die  Verengung  des  Bohrlochs  in  der  Mitte  interessant;  auch 
Hegt  das  Bohrloch  zwischen  Bahnende  und  Schneide  fast  in  der  Mitte.  Die  vierte 
Axt  aus  Diorit-Schiefer  (?)  in  Form  eines  Possekels  hat  ein  sehr  interessantes  Bohr- 
loch, dasselbe  ist  conisch,  ausserdem  findet  sich  in  der  Mitte  der  Bohrlochwandung 
eine  ringförmige  Vertiefung.  Das  fünfte  Beil  ist  aus  Porphyr  (?),  ist  wahrscheinlich 
ein  Doppelbeil  gewesen,  aber  nicht  sicher  zu  bestimmen,  da  das  Ende  der  einen 
Hälfte  beschädigt  ist.  Die  anderen  fünf  durchlochten  Beile  sind:  1)  aus  Basalt  (?), 
gefunden  bei  Warniken,  Er.  Fischhausen,  Bahnende  rechteckig,  aber  mit  abgerundeten 
Kanten;  2)  aus  Porphyr  (?),  gefunden  bei  Starkenberg  bei  Lindenau,  Kr.  Wehlau; 
3)  aus  Diorit-Porphyr  mit  Hornblende,  gefunden  bei  Wehlau;  4)  aus  Syenit,  gefunden 
bei  Arys,  Kr.  Johannisburg,  Bohrloch  konisch;  5)  aus  Diorit-Porphyr  mit  Albit,  ge- 
funden bei  Arys,  Kr.  Johannisburg.  —  Geschenkt:  von  Realschullehrer  Berent  in 
Tilsit  eine  durchlochte  Axt  aus  Diorit  mit  einer  abgeschlagenen  Schneide,  gefunden 
bei  Kaukehmen,  Kr.  Niederung. 

Zur  Sammlung  von  Bronzen  schenkte  cand.  med.  Hennig  zwei  Ringe,  wahr- 
scheinlich für  den  Enkel  oder  für  den  Oberarm,  gefunden  in  einer  Urne  zu  Alknicken 
bei  Pobethen,  Kr.  Fischhausen.  Es  sind  bronzene  Hohlringe,  die  einen  lichten  Kreis 
umschliessen,  dessen  Durchmesser  9  ctm.  betragt.  Sie  sind  als  Halbringe  gegossen, 
deren  hohler  Baum  eine  Tiefe  von  1,6  cmt.  hat,  und  deren  Gussstärke  4  mm.,  mit 
Ausschluss  der  beiden  Enden,  welche  1,6  cmt  Länge  haben,  beträgt.  In  der  ge- 
nannten Länge  von  1,5  cmt.  können  die  Enden  der  Halbringe  zusammengeschoben 
werden;  indem  der  eine  an  der  äusseren  Wandung,  der  andere  an  der  inneren  Wan- 
dung 2  mm.  verliert.  In  diese  über  einander  zu  schiebenden  Enden  ist  aber  noch 
zum  Durchziehen  eines  Stiftes  ein  2  mm.  starkes  kreisförmig  Loch  hergestellt, 
damit  ein  durchgezogener  Stift  die  beiden  Halbringe  sicher  zusammenhält.  —  Ge- 
schenkt von  Lieutenant  Dreyer  ein  bronzener  Fingerreif,  gefunden  von  dem  Geber 
selbst  in  einer  Urne  auf  dem  Wege  zwischen  Neukuhren  und  Tikrehnen.  —  Gekauft 
wurde  ein  bronzener  Halsring,  gef.  am  Spirdingsee;  er  hat  die  Form  eines  offenen 
Ringes  mit  sich  verjüngenden  Enden;  ferner  als  auf  der  kurischen  Nehrung  gefunden 
folgende  bronzene  Alterthümer:  4  hufeisenförmige  und  ein  kreisförmiger  Gewandhalter, 
4  Fingerringe  aus  Bronzedraht  in  Spiralform,  eine  kl.  rom.  Haarnadel,  1  Schnalle,  ein 
Haken  zur  Haltung  eines  Amulettes,  wie  z,  B.  eines  Eberzahns,  1  bronzener  Sporn. 


368  Kritiken  und  Referate. 

Zur  Sammlung  von  Waffen  neuerer  Zeit  wurde  geschenkt  von  Uhrmacher 
Wiehert  ein  schön  erhaltener  Radsporn  mit  sehr  langem  Halse  und  hohem  Hacken - 
stück  aus  Eisen  ans  dem  15.  Jahrhundert,  gefunden  an  einem  Skelett  in  einem  Hole- 
sarge auf  dem  hiesigen  Domplatz  heim  Auigraben  der  Rohren.  —  Ferner  geschenkt 
von  Kaufmann  Liedemann  eine  Hellebardenspitze  aus  dem  17.  Jahrhundert,  im 
Pregel  ausgebaggert.  —  Gekauft  wurde  ein  Visier  eines  Helms  aus  dem  16.  Jahrb., 
gef.  bei  Bartenstein,  ein  Danziger  Haken,  1  Sponton  des  Regiments  v.  Finkenstein. 

Zur  Sammlung  von  Geräthen  neuerer  Zeit  schenkte  Kaufmann  Liedemann 
einen  Medizin-Löffel  ans  Knochen.  Auf  der  äusseren  Seite  der  Laffe  ist  eine  Frau 
mit  einer  Medizinflasche  und  einem  Medizinglas  auf  einem  Teller  dargestellt. 
Darunter  liest  man: 

Gott  lieben  mach't  selig  und  das  Wein  trinken  macht  freiig. 
In  der  Höhlung  der  Laffe  steht: 

Was  ich  lieb,  das  lieb  ich  treu, 

nicht  mit  falschheit  und  schmeichlere) . 

Zur  Münzsammlung  schenkten  Rittergutsbesitzer  Döhring  in  Rohden  einen 
Elbinger  und  Thorner  Bracteat,  Gymnasiast  Wolf  heim  eine  Denkmünze  auf  August 
den  Starken  als  Vikariüs  des  Deutschen  Reichs  im  Jahre  1711.  —  Gekauft  wurden 
eine  Denkmünze  auf  die  Huldigung  in  Preussen  im  Jahre  1663,  auf  die  Erbauung 
der  Französischen  Kirche  in  Königsberg  i.  J.  1733,  auf  die  Huldigung  in  Warschau 
i.  J.  1796  und  den  Einzug  in  Paris  vom  30.  Mai  1814. 

Zur  Sammlung  von  Urkunden  schenkte  stud.  jur.  Troje  folgende  Ordensurkunden 
auf  Pergament  mit  Siegel:  die  Verschreibung  1)  für  fünf  Stammpreussen  über  zwei 
Haken  zu  Wodunythen,  dat.  1537;  2)  über  eine  halbe  Hufe  Uebermaass  an  Stintel 
Wodunjthen,  dat.  1418  Sonntag  Judica;  3)  über  eine  halbe  Hufe  Uebermaass  an 
Wayke  in  Wodunythen,  dat.  1413;  4)  über  den  Krug  und  11  Hufen  zu  Condein, 
dat.  Königsberg,  d.  20.  Okt.  1570. 

Als  neues  Mitglied  trat  dem  Verein  bei:  Buchdrukereibesitzer  Krauseneck  in 
Gumbinnen.  [Ostpr.  Ztg.  1877.  No.  45.  (Beil.)] 

Sitzung  den  23.  Februar  1877.  Den  Vortrag  »Die  Unterwerfung  des  Bartener 
Gaues*  hielt  Dr.  Bujack. 

An  des  Chronisten  Peter  Dusburg  (ca.  1326)  Bemerkung  anknüpfend,  dass  der 
Bartener  Gau  in  heidnischer  Zeit  2000  Reiter  und  viele  Tausend  Krieger  ins  Feld 
stellen  konnte,  beginnt  der  Vortragende  mit  der  Erörterung,  welche  Bestimmungen 
über  das  Bartener  Land  erhalten  sind.  Es  zerfiel  in  Gross-  und  Klein-  oder  Plika* 
Barten.  Dieses  ist  das  vom  Orden  früher  eroberte,  zwischen  Bischo&tein  und  Heils- 
berg um  Bleichbart  gelegene  Gebiet,  jenes,  ca.  40  Quadratmeilen  umfassend,  ein 
Landstrich,  in  dem  die  Städte  Bartenstein,  Schippenbeil,  Gerdauen,  Barten,  Drengfurt, 
Bastenburg,  Rössel  und  der  für  die  Landwirthschaft  ergiebigste  Boden  Ostpreussens 
sich  befindet.    Der  Umstand,  dass  um  das  Jahr  1326  der  Ordensmarschall  in  der 


AltertbumsgeseÜschaft  Prnasia.  369 

Commende  Königsberg,  der  Comthur  von  Brandenburg  und  dei  Comthur  von  B&lga 
die  Grenzen  für  ibre  Amtsbezirke  urkundlich  in  dem  Haupttbeil  des  Gr.  Bartener 
Landes  feststellen,  nachdem   zum  Bisthum  Ermland  schon  1243  der  südöstlichste 
Strich  des  Bartener  Landes  abgenommen  war,  hat  eine  Orientirung  über  das  Gebiet 
von  Gr.  Barten  möglich  gemacht.    Es  ist  der  Kreis  Bastenburg  ganz,  die  Kreise 
Friedland  und  Gerdauen  zum  grösseren  Theil  und  Kreis  Rössel  zu  einem  Theil  im 
Gr.  Bartener  Lande  enthalten,  während  Plika  oder  Kl.  Barten  einen  Theil  des  Kreises 
Heilsberg  erfüllt.    Die  historischen  Nachrichten,  wie  die  noch  vorhandenen  Heiden- 
schanzen und  Heideng  raber  stellen  es  ausser  Frage,  dass  dieser  Gau  ein  reich  be- 
völkerter gewesen  ist.   Freilich  machte  ihn  der  Orden  nach  der  zweiten  Unterwerfung 
zu  einem  verödeten  Gebiet  und  hatte  ihn  durch  deutsche  Ansiedler  wieder  bevölkern 
lassen.    Vor  Balga  kämpften  die  Bartener  von  1239 — 1241,  als  dort  die  Ordens- 
ritter sich  festgesetzt  hatten,  mit  anderen  preussischen  Stämmen  vereint  und  hatten 
nach   ihrer  Unterwerfung  und  Taufe  ein  erträgliches  Schicksal.    Drei  Burgen  aus 
Erdwällen  mit  Pallisaden  wurden  im  Gr.  Bartener  Lande  von  den  Bittern  hergestellt, 
im  Westen  in  Bartenstein,  in  der  Mitte  in  Wiesenburg  oder  Walewona  an  der  Guber 
(bei  Unter-Plehnen)    und  im  Südosten   in  Bössei.    Bei  der  grossen  Empörung  im 
Jahre  1260  stehen  die  Bartener  in  der  grossen  Mehrzahl  gegen  den  Orden  auf,  so 
kämpfen  sie  für  das  Heidenthum  und  die  Befreiung  mit  in  der  Schlacht  bei  Pokarben 
in  Natangen  1261,  von  den  treu  gebliebenen  Bartenern  macht  der  Ordenschronist 
besonders  Girdaw  (von  ihm  Gerdauen)  namhaft,  der  seine  Heimath  verlassen  muss 
und  nach  Königsberg  entflieht.    Auch  eine  Ordensbesatzung  in  Weistotepil  an  der 
Guber  (vielleicht  auf  dem  Wallberg  bei  Prandtlack)  verbrennt  die  Burg,  nachdem 
sie  einen  Tag  gegen  die  heidnischen  Preussen  behauptet  war  und  sucht  in  der  Flucht 
ihr  Heil.    Ein  Gleiches  thut  die  Ordensmannschaft  in  Bössei  nach  längerem  Wider- 
stand und  rettet  sich  auf  dem  Wege  durch  die  Wildniss  nach  Masovien.  Denselben 
suchen  auch  die  Ordensritter  mit  ihren  Mannschaften  auf,  welche  sich  drei  Jahre, 
von  1260  bis  1263,  in  Walewona  oder  Wiesenburg  (Unter-Plehnen)  hinter  den  Ton 
der  Guber  gefüllten  Graben  vertheidigt  hatten  und  schlagen  sich  auch  noch  glücklich 
durch,  wenn  ihnen  auch  der  Bartener  Heerführer  Diwan,  seinen  Mannschaften  vor- 
auseilend, mit  13  schnellen  Reitern  noch  bis  in  die  Wildniss  nachsetzt.  Am  längsten 
wehrte  sich  die  Besatzung  in  Bartenstein,  nämlich  bis  iqs  Jahr  1264.    Die  Details 
der  Belagerung,  wie  die  List,  mit  der  die  Ordensmannschaften  entweichen,  wurden 
ausführlich  gegeben,  die  Zweikämpfe,  die  Hinrichtung  der  preussischen  Geiseln,  die 
Erbeutung   eines   heidnischen  Weihkessels   und  die  Theilung  der  Christen  in  zwei 
Heerschaaren,  von  denen  die  eine  glücklich  nach  Königsberg,  die  andere  nach  Elbing 
entkommt,  weil  ein  in  Bartenstein  zurückgelassener  alter  Ordensbruder  zu  den  Gebet- 
zeiten die  Betglocke  zieht  und  sich  die  Heiden  dadurch  tauschen  lassen.    Barten 
war  von  der  Ordensherrschaft  befreit  und  jetzt  macht  sich  dieser  Stamm  unter  Diwans 
Führung  nach  den  westlichen  Gauen  auf,  wo  es  noch  Ordensschlösser  giebt    Nach 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hft.  3  u.  4.  24 


370  Kritiken  und  Referate. 

Pogesanien  und  nach  dem  Colmer  Lande  dringen  die  Bartener  tot,  bis  vor  Kowalewo 
(Schönsee),  wo  ein  Gescho38,  von  einer  Bailiste  geworfen,  Diwan  tödtlich  verwundet. 
Mit  dem  Tode  dieses  Stammgenossen,  der  den  ehrenden  Beinamen   des  Baren  trog, 
hört  denn  auch  Bartens  Freiheit  auf,  1273  unterwirft  sich  der  Gau  und  mit  grosser 
Härte  straft  der  Orden,   die  Bartener  werden  zum  grOssten  Thcil  nach  Pogesanien 
verpflanzt.    Aber  auch  hier  hält  die  männliche  Bevölkerung  der  mit  Gewalt  fortge- 
führten nicht  Buhe,  sie  entfliehen  nach  Litthauen,  in  die  Gegend  von  Grodno.    Als 
aber  von  dem  Orden  1284  in  dies  Gebiet  ein  Einfall  gemacht  wird,  treten  die  bisher 
dem  Orden  feindlichen  Bartener  zu  ihrem  alten  Gegner  über  und  leisten  ihm  Bei- 
stand gegen  die  Litthauer,  da  sie  zu  ihren  Familien  nach  Pogesanien  zurückkehren 
wollen  und  Straflosigkeit  für  ihre  Hilfe   zugesichert  erhalten.    Aber  zum  zweiten 
Male  in  Pogesanien  angesiedelt,  sinnen  sie  schon  1286  wieder  auf  Verrath,  indem 
sie  einem  Fürsten  aus  Rügen  die  Herrschaft  in  Preussen  verschaffen  wollen.    Doch 
dieser  Verrath  wird  bei  Erbauung  von  Ragnit  von  den  Ordensrittern  erkundet  und 
hat  nur  für  die  Verschworenen  schlimme  Folgen.    Der  Vortragende  behandelt  dann 
die  verschiedene  Behandlung,  welche  die  Ordensritter  den  im  Jahre  1241  und  1273 
unterworfenen  Preussen  zu  Theil  werden  lassen  und  geht  zur  Vertheilung  des  Ge- 
biets von  Gross  Barten  in  die  vorher  angegebenen  Gomthnrei-  und  Bisthumsbezirke 
über,  um  die  einzelnen  Ordensburgen  näher  zu  beschreiben,  von  denen  deutsches 
Wesen  und  deutsche  Kultur  gepflegt  und  später  gegen  die  Einfälle  der  Litthauer 
geschützt  wurde.   Sämmtliche  Bauten  stammen  erst  aus  dem  14.  Jahrhundert.   Von 
der  Pflege  Gerdauen  im  Marschallsamt  Königsberg  sind  heute  keine  Schlossräame 
mehr  vorhanden,  in  der  Komthurei  Brandenburg  erinnert  nur  noch  der  wüste  Schloss- 
berg neben  der  Stadt  Bartenstein  an  die  Stätte  der  einstigen  Ordensburg,  desgleichen 
in  Leunenburg,  nicht  so  in  Barten,  wo  der  Ostliche  Flügel  in  den  Kellerräumen  und 
im  Erdgeschoes  noch  die  alten  Gewölbe  bat,  sonst  aber  die  Umschliessungsmanern 
mit  Ausnahme  der  Südseite  noch  vorhanden  sind.    Weil  dies  Schloss  bisher  noch 
nicht  beschrieben  war,  verweilte  der  Vortragende  bei  demselben  ausführlich  und  be- 
sprach an  demselben  die  Einrichtung  der  Ordensschlosser.  Aus  der  Komthurei  Balg» 
erfolgte   eine  Beschreibung  der  Ordensschlösser  Rastenburg  und  Bäslack,   welches 
letztere  in  eine  Kirche  umgewandelt  ist;  aus  dem  Bisthum  Ermland  gab  der  Vor- 
tragende die  Schilderung  .des  Schlosses  von  Rössel  theils  nach  eigener  Anschauung, 
theilß  nach  v.  Quast's  Arbeiten  in  den  preussischen  Provinzialblättern  und  den  »Denk- 
malen der  Baukunst  in  Preussen*. 

Von  eingegangenen  Geschenken  wurden  vorgelegt:  Von  Inspector  Rosse  zn 
Laxdoyen,  Kr.  Rastenburg:  Eine  Bronze-Münze  der  römischen  Kaiserin  Faustina  senior, 
der  Gemahlin  des  Kaisers  Antoninus  pius,  gefunden  am  oben  angegebenen  Orte; 
ferner  von  Pfarrer  Stoboy  in  Kreuzburg:  zwei  preußische  solidi  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert und  wahrscheinlich  ein  jeton,  gefunden  vor  mehreren  Jahren  bei  dem  Bau 
des  Pfarrhauses  daselbst,  ferner  eine  Venchreibung  über  einen  Krug  und  zwei  Haken 


Alterthumsgesellsehaft  Prussia.  Sil 

in  Lipenick  v.  Jahre  1480  und  eine  Verschreibnng  über  drei  Haken  zu  Lipenick  vom 
Jahre  1551,  20.  August;  von  Bentier  Scharlok  in  Graudenz:  zwei  Modelle  zu  einer 
»Bandweb*  und  einer  »Strangdreh*,  angefertigt  von  D.  Baum  zu  Pastwicko  bei 
Graudenz.  Zu  der  ausführlichen  Beschreibung,  die  das  Geschenk  begleitete,  wird 
hinzugefügt,  dass  genannte  Gerathe  in  Hinter- Pommern  und  Westpreussen  vor 
mehreren  Jahrzehnten  fast  in  jedem  Haushalt  zu  finden  waren.  »Die  Bandweb*  ist 
auch  in  Ostpreussen  bekannt,  nicht  aber  das  letzte  Geräth. 

Als  durch  Tausch  eingegangene  Hefte  wurden  die  neuesten  Nummern  der 
»Magdeburger  Geschichtsblätter*  und  des  »Lausitzer  Magazins*  vorgelegt,  auch  die 
letzten  neun  Jahresberichte  des  Peabody-Museums  in  Cambridge  in  den  vereinigten 
Staaten,  welche  der  amerikanische  Archäolog  und  Ethnolog  Putnam  zum  Austausch 
gegen  die  Prussia-Publikation  »die  Preussischen  Steingeräthe*  eingesandt  hatte. 

Femer  machte  der  Vorsitzende  noch  Mittheilung  von  einem  Funde  von  vierzehn 
antiken  silbernen  Münzen  bei  Graudenz,  welche  von  Professor  Nesselmann  in 
folgender  Weise  bestimmt  sind:  eine  wahrscheinlich  aus  Byzantium  mit  quadratum 
incusum,  sechs  aus  der  Zeit  der  römischen  Bepublik:  1)  Q.  Lutatius  Cerco,  Questor 
um  254  v.  Chr.,  2)  Gens  Cornelia  aus  SulLi's  Zeit,  von  Faustus,  zu  Ehren  des 
Pompejus  geschlagen,  3)  M.  Antonius  Triumvir,  4)  derselbe,  anderes  Gepräge,  5)  Sextus 
Pompejus.  S.  Faustulus,  37  v.  Chr.,  6)  eine  vorläufig  noch  nicht  bestimmbare  Kon- 
snlarmünze.  Dann  sieben  Denare  aus  der  römischen  Kaiserzeit:  l)Trajanus,  2)Sabina, 
die  Gemahlin  des  Kaisers  Hadrian,  3)  Antoninus  pius,  4)  Faustina,  die  Gemahlin 
des  Antoninus  pius,  5)  Aurelius  Caesar,  cL  L  M.  Aurelius  vor  seiner  Thronbesteigung, 
6)  Caracalla  (unter  dem  Namen  Antoninus  pius),  7)  Gratianus,  Bev.  Virtus  Romanorum, 
Die  15.  silberne  Münze  ist  keine  antike  und  hat  ein  unbekanntes  Gepräge. 

Die  neu  angemeldeten  Mitglieder  sind:  Graf  zu  Dohna-Schlodien,  Buchhändler 
Hausbrand,  Begierungsgeometer  Haupt,  Dr.  phiL  Jentzsch,  Provinzialschulrath 
Kruse,  Professor  Kupffer,  Major  Schröder,  Bittergutsbesitzer  Tischler  auf 
Losgehnen,  Rittmeister  von  Uslar  und  Bittergutsbesitzer  Werner  auf  Wangotten. 

[Ebd.  No.63  (Beil.)] 


24* 


Mittheilniigen  und  Anhang. 


den  prenssischei  Geschichtsschreiber  Lucas  David 

betreffende  Briefe. 

Mitgetheilt  von  Prof.  Carl  Lohmeyer. 

Als  ich  für  die  von  der  Münchener  historischen  Kommission  herausgegebene 
»Allgemeine  Deutsche  Biographie*  die  Lebensbeschreibung  des  Lucas  David  abzu- 
fassen hatte,  theilte  mir  Herr  Domvikar  Dr.  Wölky  aus  dem  bischoflichen  Archiv  zu 
Frauenburg  die  nachstehenden  zwei  Briefe  mit,  die  bisher  nicht  weiter  bekannt  waren 
als  durch  die  kurze  Notiz,  welche  Toppen  in  dem  Programm  des  Gymnasiums  zu 
Hohenstein  vom  Jahre  1865  S.  22  von  ihnen  giebt.  Dieselben  befinden  sich,  wie 
Herr  Dr.  Wölky  schreibt,  abschriftlich  »in  einem  Convolut  Brunsbergensia ,  das  ur- 
sprünglich im  Stadtarchiv  zu  Braunsberg  gelegen  hat  und  durch  einen,  wer  weiss 
welchen,  Zufall  nach  Frauenburg  gekommen  ist.* 

Zur  sachlichen  Erklärung  diene  Folgendes.  Die  beiden  in  den  Briefen  erwähnten 
und  noch  heute  bei  der  leipziger  Universität  bestehenden  Stipendien  für  Studierende 
aus  der  Provinz  Preussen  sind  gestiftet:  das  eine  im  Jahre  1498  von  dem  aus 
Braunsberg  stammenden  Magister  und  ermländischen  Domherrn  Thomas  Werner, 
das  andere  wenige  Jahre  später  von  einem  Allensteiner  Namens  Knolleisen,  einem 
Doctor  theologiae,  der  sich  gleichfalls  zu  Leipzig  seine  akademische  Würde  erworben 
hatte.  Schon  zwischen  1520  und  1530  hatte  der  leipziger  Bath  den  braunsberger 
gebeten  den  beiden  Aliensteinern  Lucas  David  und  Johann  Hauenschilt  das  erstere 
Stipendium  zuzuweisen. ')  Vielleicht  war  es  eine,  wenn  auch  verspätete,  Folge 
dieser  Verwendung,  dass  Lucas  David,  wie  aus  seinem  eigenen  Schreiben  hervorgeht, 
wenigstens  im  Jahre  1532  den  Genuss  des  Wernerschen  Stipendiums  gehabt  hat. 
Ob  die  neue  Fürsprache  von  Rektor  und  Koncil  der  leipziger  Universität  beim  erm- 
ländischen Bischof  Moritz  Ferber  um  Verlängerung  der  Unterstützung  Erfolg  gehabt 


')  Siehe  Lilienthal  in  Prv  Prov.-ßl.  1842»  I,  S.  520. 


Zwei  den  preuss.  Geschichtsschreiber  Lucas  David  betreff.  Briefe.        373 

hat,  lässt  sieb  nicht  sagen.  Wenn  aber  später  Lucas  David  selbst  von  dem  Ver- 
mögen, welches  er  durch  seine  Frau,  eine  reiche  Wittwe  aus  Leipzig,  erheiratet 
hatte,  ein  nicht  unbedeutendes  Stipendium  an  der  dortigen  Universität  für  studierende 
Landsleute  stiftete,  so  dürfen  wir  vielleicht  diese  Handlung  als  einen  Ausfluss  seiner 
Dankbarkeit  für  den  Genuss  ähnlicher  Wolthaten  betrachten.  —  Von  L.  Davids 
Zögling,  dem  gleichnamigen  Bruderssohne  des  oben  genannten  Bischofs,  dessen  er 
in  seinem  eigenen  Briefe  gedenkt,  schreibt  mir  Herr  Dr.  Wölky:  ,Er  wurde  später 
Domherr  in  Frauenburg  und  starb  sehr  jung,  30  Jahre  alt.  Der  ehedem  in  unserem 
Dome  vorhandene,  nunmehr  daraus  entfernte  Leichenstein  hatte  nach  meiner  Copie  die 
Inschrift:  Obdormivit  in  Christo  venera(bilis)  d(ominus)  Mavricivs  Ferber  cano(nicus) 
Warmien(sis)  anno  M.  D.  XL  VI  die  XIII  April.  Aetatis  suae  XXX. €  Der,  wie  es 
scheint,  nicht  zu  besonderen  Hoffnungen  berechtigende  junge  Mann  war  also,  als  er 
sich  mit  Lucas  David  in  Leipzig  befand,  17  Jahre  alt. 

Da  die  Briefe  nur  in  Abschrift  vorhanden  sind,  so  habe  ich  mich  umsomehr 
für  befugt  gebalten  wenigstens  die  Anfangsbuchstaben  der  Worte  und  die  Inter- 
punktion unserer  heutigen  Schreibweise  entsprechend  anzusetzen.  Ohne  Aenderung 
der  Satzzeichen  würde  vollends  L.  Davids  eigener  Brief,  der  schon  ganz  denselben 
erschrecklichen  Stil  zeigt,  wie  er  aus  dem  Deutsch  seiner  Preußischen  Chronik  be- 
kannt genug  ist,  fast  unverständlich  bleiben. 


werendissimo  in  Christo  patri  ac  domino   domino  Mauricio  Warmiensis 
ecclesie  Episcopo  etc.  domino  suo  clementissimo. 

S.  D.  Nisi  jamdudum  nobis  Amplitudo  tua,  Amplissime  Pater,  multo*nm  tum 
literis  tum  sermonibns  innotuisset,  vereremur  ne  non  iis  nostris  literis  quibus  Am- 
plitudini tue  alios  commendare  paramus  turpiter  daremus,  idque  non  immerito,  vt 
qui  sanetissimarum  tuarum  oecupacionum  non  habentes  racionem  ocium  tuum  sacris 
studiis  dicatum  intempestiue  interturbamus.  Sed  quia  ea  tua  est  humanitas,  vt  vel 
parum  in  tempore  facta  equi  bonique  consulas,  ea  paciencia  vt  tolleres,  is  denique 
candor  vt  in  optimam  partem  aeeipias  ac  interpreteris:  ideoque  facile  feeimus  vt 
Lucas  Dauid  et  Joannes  Hauenschilt,  alter  bonarum  arcium  magister,  alter  earundem 
studiosus  literas  ad  tuam  Ampi,  commendaticias,  quas  hac  sola  condicione  si  meriti 
essent  exoptarunt,  a  nobis  cum  gracia  impetrarent  et  obtinerent.  Vtrumque  itaque 
A.  t.,  Reuerende  Presull,  in  hoc  commendamus,  vt  Ampi,  tue  opera,  ope  ac  studio 
Stipendium  Braunszbergense,  quo  iam  annum  communiter  vtuntur  fruunturque,  dein- 
ceps  porrogetur  (sie!).  Honestum  hoc  erit  cumprimis  et  tua  A.  maxime  dignum, 
vt  qui  hie  Episcopi  munere  vere  fungaris,  vtile  quoque  vt  qui  sie  doctos  homines, 
tue  aliquando  reipublice  futuros  vsui,  ad  te  pelliceres,  ad  hec  et  facile  vt  qui 
Braunszbergensibus  vt  tuo  jurisdiccioni  subiectos  (!)  imperare  quo  faciant  possis, 
Vterque  vel  in  longissimum  tempus  stipendrjs  ali  est  dignus :  Lucas  sie  satis  feliciter 


374  Mittheilungen  und  Anhang, 

iam  aliquot  annis  in  hoc  gymnasio  bonis  literis  ac  philosophie  studijs  dedit  operara 

promotusque,  vt  per  laudatissimum  arcium  professorum  ordinem  bonarum  arciura 

magister  publice  declarari  raeruerit,  in  qua  professione  sie  versatur  hactenus,  vt 

senes  oinnes  valde  ament,  iuvenes  tum  obseruent  tum  venerentur;  Joannes  p reter- 

quam  quod  impense  literas  et  diligit  et  colit,  ea  est  morum  facilitate,  vt  nulli  cum 

os  (ncl)  facile  ledat,  sed  benefaciat  et  obsequatur  omnibus,  ad  hec  fide  et  tacitur- 

nitate  sit  speetabilia,  nulli  non  sit  charus,  bineque  est  quod  omnes  omnium  ordinum 

primi,  vt  sunt  optimi  maximique,  huius  ministerio  certatim  vti  gaudent.    Velit  ergo 

Ampi,  tua,  Amplissime  Pater,  quod  in  presencia  eciam  atque  eciam  rogamus,  non 

tarn  nostris  preeibus  quam  horum  juuenum  studio  ac  virtutibus  tribuere.    Quodsi 

factura  est  Amplitudo  tua,  vti  nos  bona  habet  spes,  futurum  est  vt  premium  ex 

deo,  ab  hominibus  laudem  sperare  queas,  nos  vero  vna  cum  juuenibus  tametsi  iam 

ante  Amplitudini  tue  deiunetos  (!)  ita  hoc  beneficio  obstringes,  vt  taam  auetoritatem 

nulla  in  re  sine  feda  fame  nostre  ac  nominis   nota   subterfugere  queamus.    Bene 

valeat  Amplitudo  tua. 

Lypsie  die  Veneris  post  Jubilate  Anno  M.  D.  rrriij  [9.  Mai  1533]. 

A.  T. 

Rector  et  Concilium  Vniversitatis  Lypsick. 


.everendissimo  in  Christo   patri  ac  domino  domino  Maaricio  Vuarmiensis 
ecclesie  Episcopo,  domino  ac  patrono  mihi  colendissimo, 

Quamquam  existimaram,  Reuerende  in  Christo  Pater,  non  esse  cur  vererer,  vt, 
quoniam  ita  forte  cecidit,  vt  tua  Celsitudo  nos  studiaque  nostra  facile  juuare  possit, 
id  ne,  si  a  tua  prestancia  literis  impetrare  contendissem,  aut  nature  mee  malignitati 
atque  impudencie  tribueretur,  aut  nullum  apud  tuam  humanitatem  supplici  preeibus- 
que  meis  locum  esse  relictum  putarem,  committere  tarnen  nolui,  vt  vel  cupide 
quiequam,  vel  temere  a  me  factum  esse  quisquam  reprehendere  possit.  Nam  vt  de 
tua  humanitate  tuaque  voluntate  non  dubitarem  omniaque  mihi  meliora  pollicerer, 
facit  excellens  tuum  ingenium  summaque  ac  prestans  erudicio,  que,  si  verum  est 
quod  vbique  fere  tradidit  Cicero,  eos  inquam  si  inter  se  qui  ijsdem  tenentur  studijs 
ita  conciliat,  vt  absentes  eciam  et  quos  nunquam  viderimus  amemus  atque  adeo 
mortuos  propter  virtutem  admiremur  atque  suspiciamus:  ego  de  eius  animo  quid 
sentirem,  qui,  amplissimi  collegii  voluntatem  ac  in  nie  adiuuando  et  ornando  liberali- 
tatem  secutus,  charissimum  sibi  ex  fratre  nepotem  mihi  fideique  mee  commisit? 
Atque  his  ego  omnibus  adduci  tarnen  non  potui,  vt  tue  Celsitudini  supplicacione 
aliqua  molestus  essem.  Sed  cum  mihi  tue  paternitatis  nomine  Mauricius  sex  aureos 
Rhenanos  dono  obtulisset,  sensi  eo  in  statu  res  meas  esse,  vt  sine  nephario  scelere 
tacere  non  possem,  ac  nisi  per  literas  tue  liberalitati  gracias  egissem,  in  grauissimam 
apud  tuam  Celsitudinem  ingratitudinis  suspicionem  venturum.     Quare  ego  quam* 


Zwei  den  preuss.  Geschichtsschreiber  Lucas  David  betreff.  Briefe«        375 

maiimas  eiimie  tue  in  me  liberalitati,  Presul  Religiöse,  pro  isto  sex  aureorum  dono 
gracias  ago.  Sed  cum  stulti  sit  plane  sibimetipsi  deesse  ac,  commode  suis  racionibus 
eum  preesse  possit,  occasionem  datam  et  oblatam  nolle  agnoscere,  malui  haue  in 
partem  peccare  atque  vereeundiam  breui  nocituram  deponere  quam  frustra  de  hinc 
amissam  querere.  Ac  quidem  ingenua  cum  sit  hominis  ei  cai  multam  debeas  plura 
debere  velle,  tua  me,  Pater  Venerande,  liberaliias  (vt  redeam  quo  primo  intenderam), 
tua  inquam  humanitas  facit,  vt,  cnm  vita,  mee  raciones  meaque  studia,  fortona  res- 
que  familiaris  tennior  eo  redegerit,  meam  apnd  tnam  humanitatem  inopiam  ac  mi- 
8eriam  deplorare  ac,  com  facilem  me  adiuuandi  viam  videam,  eam  tue  hunianitati, 
nisi  magnnm  studiorum  atque  salutis  discrimen  subiro  velim,  indicare  audeam. 
Braunszbergenses,  Presul  Beatissime,  id  ex  testamento  D.  Vuerneri  sunt  consecuti, 
vt  senatus  Lypsensis  vni,  quem  Braunszbergenses  excolendi  jngenij  gracia  huc  ab- 
legauerint,  annis  singulis  triginta  florenos  vel,  si  duos  illi  mieerint,  in  vnumquemque 
fl.  15  numerare  cogatur.  In  id  cum  biennium  nemo  a  discessu  Bartholomei  Danck- 
warts  successisset,  impetratum  est  tan  dem  per  Ambrosium  scribam  eorum,  vt  id 
mihi  vna  cum  Johanne  Hauenschilth  ad  iliud  Allensteniense  accederet.  Verum  illi 
in  vnius  tantum  anni  spacium  id  nobis  adiecerunt  neque,  diueius  vt  frueremur,  se 
decernere  posse  aiebant,  quod  breui  sperarent  fore  vt  sue  ciuitatis  aliquis  existeret, 
qui  id  beneficii  in  se  conferre  velit.  Sed  tarnen  illi,  cum  iam  a  Michaelis  vsque 
vacet,  miserant  neminem  neque  missuros  quemquam  opinor.  Quare  ego  tuam  pater- 
nitatem  eciam  atque  eciam  rogo,  vt  eo  se  demittere  velit  atque  cum  Braunszbergen* 
sibus  agere,  vt  nobis  Stipendium  illud  decernatur,  quo  commodius  in  studia  ineum- 
bere  possumus.  Ego  certe  quod  ad  me  attinet  curabo  sodulo,  ne  tuam  Celsitudinem 
beneuolencie  atque  beneficii  peniteat,  Joannes  quoque  (vt  spero)  suo  funeturus  est 
officio.  Sed  ego  anxie  nimis  ac  pluribus  quam  constitueram  hanc  apud  tuam  Celsi- 
tudinem causam  ago,  quod  profecto  non  dubito,  quin  tua  paternitas  necessitati,  que 
aliquando  eciam  mutos  loqui  coegit,  tribuet.  De  Mauricio  autem  video  nimis  quam 
vellem  id  quod  tua  prestancia  scripsit  verum  esse,  illum  in  grammaticis  parum  vel 
nihil  institotum  esse.  Deinde  oro,  eum  vt  hortetur  tua  Celsitudo  ad  studia  gnauiter 
capessenda  atque  eciam  obiurget,  nonnihil  vt  arcius  ac  diligencius  ad  hoc  studiorum 
fundamenta  ineumbat  et  nature  ac  ingenij  tarditatem  summa  diligencia  superare 
studeat.  Nam  ego  meo  nunquam  deero  officio.  Tuam  vero  excellentem  atque 
prestantem  humanitatem  deus  optimus  maximusque  diu  conseruet  incolumem,  Data 
Sexto  Id.  Mai  [10.  Mai]  Anno  15. 3. 3. 

Heueren  de  tue  paternitati 

deditissimus  Lucas  Dauid  M. 


376  Mittheilungen  und  Annang. 

Naolirloliten.  *) 

Elbing,  24.  Juli  1876.  Unser  städt.  Museum  hat  in  kurzer  Zeit  recht  werth- 
vollen  Zuwachs  erhalten.  In  dem  altertümlichen  Bollwerkskruge  der  Elhingmündung 
wurden  durch  einen  Kunstfreund  zwei  Gemälde  entdeckt,  welche  Original  stücke  aus 
der  Schule  Lucas  Cranachs  sind  und  die  Jahreszahl  1596  tragen.  Es  sind  zwei 
Frauengestalten  auf  Holz  gemalt.  Beide  Gegenstände  wurden  dem  Eigenthümer  ab- 
gekauft, neu  restaurirt  und  dem  städtischen  Museum  einverleibt.  Ebenso  sind  auch 
9  andere  Bilder  nunmehr  restaurirt  und  als  historische  Denkmale  in  den  Bäumen 
des  Bathhauses  zur  Aufstellung  gekommen.  Die  Gemälde  stellen  die  polnischen 
Könige  von  Wladislaw  IV.  (1633)  bis  Stanislaw  Poniatowski  (1772)  in  Lebensgröss«  dar. 

Neue  Westpr.  Mitthlgn.  v.  26.  Juli  1876.    Nr.  87. 


Elbing,  16.  Nov.  1876.  Elbinger  Chronik  von  Christ.  Faleonins.  Be- 
kanntlich ist  kürzlich  die  einzig  vorhandene,  oft  citirte  Chronik  der  Stadt  Elbing 
von  Chr.  Falk  (Falconius)  in  der  Uphagen'schen  Bibliothek  in  Danzig  vorgefunden 
worden,  ebenso  der  Lobspruch  desselben  Verfassers  auf  die  Stadt  Elbing  und  dessen 
»Fragmente.*  Die  Schriften  stammen  aus  dem  16.  Jahrhundert  und  hat  Herr  Gym- 
nasial-Director  Toppen  in  Marienwerder  die  Herausgabe  derselben  übernommen,  so- 
bald die  Druckkosten  durch  Subscription  oder  auf  andere  Weise  gedeckt  erscheinen. 
Es  hat  sich  nun  allerdings  der  hiesige  Alterthums- Verein  bereit  erklärt,  eine  Bei- 
hilfe zu  den  erforderlichen  Kosten,  welche  die  Summe  von  900  Mark  nicht  weit  über- 
steigen dürften,  zu  geben,  auch  sind  bereits  152  Subscribenten  in  einer  von  Dr. 
Anger  in  Circulation  gesetzten  Liste  verzeichnet,  doch  reicht  dies  zusammen  noch 
nicht  aus,  die  Herausgabe  des  für  Elbing's  Vorgeschichte  so  bedeutsamen  Werkes 
zu  ermöglichen.  Wir  machen  daher  unsere  Leser  gerne  darauf  aufmerksam,  dass 
alle  diejenigen,  denen  die  erwähnte  Subscriptionsliste  nicht  zugehen  sollte,  bei  Herrn 
Dr.  Anger,  wohnhaft  im  Neumann-Hartmann'schen  Hause  am  alten  Markte,  das  Werk 
bestellen  können.  Gleichzeitig  bemerken  wir,  dass  seiner  Zeit  bei  der  Subscription 
auf  »Fuchs  Geschichte  von  Elbing  420  Subscribenten  sich  gefunden  hatten,  von 
welchen  einzelne  mehrere  Exemplare  bestellten.         [Altpr.  Ztg.  1876,  No.  268.] 


Periodische  Literatur  1876/77. 

Dr.  Kolberg,  Wulfstans  Seekurs  für  d.  Fahrten  von  Schleswig  nach  Truso.   [Zeitschr. 
f.  d.  Gesch.  u.  Altthskde.  Ermlds.  Jahrg.  1875  u.  76.  Bd.  6.  Hft.  1/2.  S.  1—75.] 
Der«.  Nachtrag  üb.  die  Damerauen.    [Ebd.  S.  7o— 80J 
Friederici,   Archäolog.  Wahrnehmgn.  auf  e.  Reise  in  Neu-Vorpomra.  im  Somm.  1876. 

[Ostpr.  Z.  1877.  Beil.  zu  43.  44.] 
Toppen,  Mitthlgn.  üb.  einige  alte  Burgwälle  in  d.  Umggd.  v.  Mewe.  (Schlossberge 

bei  Liebenau,  Garz,  Schwedenschanzen  bei  Stocksmühle,  Borkau).  [Neue  Westpr. 

Mitthlgn.  1877.  77  (Beil.)  81.  84  (Beil.)] 
Gesichtsurne  von  Dirschau.  Abbildg.  [Schlesiens  Vorzeit  in  Bildu.  Schrift.  18751  S.50J 
R.  Bauer,  Deich-Inspector,  Zantir.    [Werder  Ztg.  1877.  14—17.] 
M.  Perlbach,  Deutsch-Ordens  Necrologe.  [Forscbgn.  z.  dtsch.  Gesch.  17.  Bd.  2.  Hft. 

S.  357-371.] 
Dr.  Franz  Schultz,  socialist.  Bestrebungen  in  Preussen  währd.  d.  14.  Jahrh.   [Danz. 

Ztg.  1877.  10159.] 
Zur  neuest.  Lit.  Llv-  u.  Estlands.    [Magaz.  f.  d.  Lit.  d.  Auslands.  1877.  13] 
N— 8.  Aus  d.  Prov.  Preussen.  Wahlbeweguug,  Theater.    [Im  neu.  Reich.  1876.  41.] 

Nothstand.  Theater  [1877.  s>.l  Wahlen.  Theite.  [8.]  JoLJacoby;  Phillips  f  [16.] 
A.  Hamoch,  Pfarr.  in  Osterode  beabs.  e.  Statistik  der  Kirche  v.  Ost-  u.  Westpreussen 

hrszugeb.,  die  zugl.  e.  Stück  preuss.  Eirchengesch.  wd.  soll.    Zu  dies.  Zweck 

hat  er  Fragebogen  zur  Ausfüllung  den  Geistlichen  zugeh.  lass.  etc.    [Evang. 

Gemdebl.  1877.  12.] 


*)  Wegen  Mangel  an  geeignetem  Baume  bisher  zurückgelegt. 


Periodische  Literatur  1876/77.  377 

Die  Kasernirgsfrage  in  d.  Prov.  Preuss.    [Kbg.  Hartg.  Ztg.  1877.  124  (M.)  125  (M.)] 

Bericht  üb.  d.  seither.  Tbätigkeit  des  Fischerei-Vereins  f.  d.  Prev.  Preussefl  auf  d. 
Gebiete  d.  künstl.  Fischzucht  (vom  Secret.  d.  Vereins  Reg.-Assess.  Schulze 
erstatt.  in  d.  Generalvsmlg.  v.  20.  Dec.  1876.   [Land-  u.  forstw.  Z.  1877.  16.] 

Fr.  Kauer  (Marienburg),  Beitrag  z.  Taubstumm.-Bildgswes.  in  d.  Prov.  Preuss.  [Danz. 
Ztg.  1877.  10223.] 

Vgl.  Ueb.  d.  topogr*  Karte  y.  Preusaen  hrsg.  v.  d.  Kartogr.  Abtheil.  d.  Königl.  Pr. 
Landesaufnahme.    [Peterroann's  Mittblgn.  23.  Bd.  IV.  Hft  S.  162.] 

Die  Neubauten  d.  Egl.  Ostbahn.  (Fertigstellg.  der  Linie  Wangerin-Konitz.)  [Ostpr. 
Z.  1877.  63.  Danz.  Z.  10245.  (Insterb.-Prosken)   [Danz.  Z.  10289.] 

R.  Bauer,  Nachrichten  üb.  Deichbruche  (chron.  zsgestellt.)  [Werder-Z.  1877.  1 1—13.1 

K.  Die  Eisgangsgefahren  d.  unt.  Weichsel-Niederungen.  [Danz.  Z.  10305.  10307.] 
Die  unteren  Weichsel-Niederungen  (m.  Karte.)  [Deutsche  geogr.  Blätter  hrsg. 
v.  d.  geogr.  Ges.  in  Bremen  1877.  S.  38—42.]  Fritz  Wernick,  Die  üeber- 
schwemmgn.  in  den  Weichsel-Niederungen.  [Daheim  1877.  21.Y —  t  —  Zur 
Weichsel-Nogat-Begulirg.  [Danz.  Z.  10345]  Hausbarg,  Das  Weichsel-Delta 
u.  d.  Nogat-Uebschwmingn  Vortr.  [Elb.  Post  1877.  71—73.]  Die  Nogat  u. 
ihre  Gesch.  Elbing  im  Febr.  1877.  [Kbg.  Hartg.  Z.  43  (M.)  44  (M.)]  Kr. 
Ein  Nogat-Durchbruch  i.  Frühj.  1839  (V.-Z.)  [Altpr.  Z.  1877.  30.]  Die  Ver- 
machungsarbeit.  b.  d.  Dammdurchbruch  b.  Fischerskampe  (m.  Zeichg.)  [Ebd.  30.] 
Zwei  Prologe.  Prol.  z.  d.  AuffÜhrg.  f.  d.  Uebschwemmt.  am  3.  Febr.  1877  ged. 
v.  H.  Nttschmann.  —  Zu  Gunst,  d.  Weichs.-  u  Nogat-Uebschwemmt.  (gesproch. 
z.  Leipz.  u.  Osterode)  Felix  Dann.  [Ebd.  33.]  R.  Die  Ursachen  d.  Darara- 
dehbrehs.  b.  Fischerskampe  u.  deren  Abstellg.    [Danz.  Z.  10163.] 

Zur  Theilung  d.  Prov.  Preuss.  [Danz.  Z.  1877.  10183.]  Die  Grenze  zwisch.  d.  neu. 
Ost-  u.  Westpr.  (Von  e.  Ostpr.)  [10195.]  Der  Gestzentwurf  betr.  d.  Theilg. 
d.  Prov.  Pr.  [10196.]  D.  Die  Theilg.  d.  Prov.  Preuss.  I— DI.  [10204—6.1 
Die  Theilgsfrage.  [Kbg.  Hartg.  Z.  32  (M.)]  Die  Theilg.  d.  Provinzialkirche  d. 
Prov.  Pr.    [Ev.  Gmdbl.  1877.  79.] 

0.  S(chade)  Ostpreussisch  p«de  gotisch  paida  [Wissenschftl.  Mon.-Blätt.  1877.  Nr.  4. 
S.  56—64.] 

Die  Landescultur  in  Westpr.  i.  J.  1876.  I— HI.    [Danz.  Z.  1877.  10323.  25.  27.] 

B.  S.  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  d.  Alterthskde  d.  Prov.  Westpr.  [Ebd.  10163.] 
Hugo  Weber  (Weimar)  reo.  Adalb.  Bezzenberger,  lltau.  u.  lett.  Drucke  d.  16.  Jahrh. 

II— IV.  Gott.  1875.    [Jen.  Lit.-Z.  1877.  Nr.  10.  S.  158—160.] 

Prof.  Dr.  Fr.  Hipler,  Christi.  Lehre  u.  Erziehg.  im  Ermld.  u.  im  preuss.  Ordensstaate 
währd.  d.  Mittelalt.  [Ztschr.  f.  d.  Gesch.  u.  Alttfaskde  Ermlds.  Jahrg.  1875 
u.  76.  Bd.  VI.  Hft.  1/2.  S.  81—183.]  Generalvikar  Dr.  A.  Thiel,  Wehrvfassg. 
u.  Wehrvhltnisse  d.  alt.  Ermld.  Musterungs-Ordnung  u,  Musterzettel  desselb. 
v.  J.  1587.    [Ebd.  184-227.] 

Fr.  Sch(ultz)  Althausen.    [Danz.  Z.  1876.  Nr.  9653.1 

Bartenstein.  Unsere  Stadtordnung  von  1634.  [Königsb.  Communalbl.  1877.  18.]  Hoch- 
zeits-Ordnung v.  J.  1634.    [Ebd.  41  (Beil.)] 

Vor  250  Jahren.  (Aus  den  »Acta  senatoria  praetorii  civitatis  Braunsberg*  des  städt. 
Archivs  z.  Braunsberg  wörtl.  mitgeth.  v.  F.  B.  »Actum  6.  Juli  anno  1626.* 
[Braunsb.  Kreisbl.  1876.  81.] 

Das  Seebad  Cranz.    [Ostpr.  Z.  1876.  81—83.] 

M.  Perlbach  rec.  Frz.  Schultz,  Gesch.  d.  Stadt  u.  d.  Kreises  Kulm.  Lfg.  1.  Danz, 
[Jen.  L.-Z.  1876.  44.]  Zum  lOOj.  Jubiläum  d.  Kgl.  Kadettenhauses  zu  Culm 
1.  Juni  1876.  [Dtsch.  Rchs.-Anz.  1876.  130.1  Das  lOQj.  Jubelfest  d.  Kgl. 
Kadettenanstalt  (Jubelschr.:  »Das  K,  Kadettenhaus  zu  Culm  1776 — 1876  vom 
Prof.  Dr.  Theod.  Breysig.  Culm  1876.  Verl.  v.  Carl  Brandt.  [Danz.  Z.  1876. 9766.] 

C.  Lohmeyer,  üb.  d.  Namen  der  Stadt  Danzig.   [Wissensch.  Monats-Blätt.  1877.  Nr.  4. 

S.  55-56.] 
B.  S(chfick).  Zur  Gesch.  d.  Danziger  Postwesens.  I.  Urspr.  Danz.  Botenordg.  [Danz. 
Ztg.  1*78.  9967.]  II.  Weitere  Entwickl.  d.  Botenwes.  Conflicte  m.  Kurbrandenbg. 
[9975.1  III.  Fortgang  d.  Vwaltg.  d.  Danz.  Postwes.  v.  d.  erst  Thlg.  Polens. 
[9989.J  IV.  Danz.  Posten  u.  d.  Kgl.  pr.  Ober-Postamt  in  Stolzenberg.  [9999.1 
Schluss.  (d.  2.  Thlg.  Pol.    D.  französ,  Occupation  u.  deren  Folgen.)  [10033.J 


378  Mittheilungen  und  Anhang. 

Danzigs  Postvbdgn.  yor  200  J.  (nach  e.  1H66  in  Danz.  ersch.  Kalend.  »Neu. 
u.  Alt.  Scbreib-Calender  Aufls  Jahr  .  .  .  M.DC.LXVI.  Auff  den  Dantziger  u. 
umbliegender  Oerter  Horizont  mit  Fleiss  gestellet  von  M.  Friderico  Büthnero, 
Matheseos  Professore  und  Bectore  zu  S.  Johann. . . .  Danzig  gedruckt  durch 
Dav.  Fried.  Bheten,  In  Verleg.  Christian  Manszklap.«)  [Archiv  f.  Post  u.  Telegr. 
1876.  5.]  Aus  den  Anfang,  d.  pr.  Landespost.  Ein  Ber.  üb.  d.  Danz.  Postwes. 
v.  J.  1661.  [Ebd.  6.]  Ein  Post-Edict  v.  J.  1677.  (24.Ndv.  Dantzig.  Joanne« 
Bex.  »Macht  u.  Gewalt  dem  Edlen  General-Postmeister  in  Preussen  Cotfverte 
u.  Paquete  zu  erbrechen«  in  e.  Msc.-Bde  d.  Danz.  Stdtbibl.  [Danz.  Ztg.  1876. 
9889.]  B.  S.  Auf  einem  Danziger  Friedhofe.  Noch  eine  Immortelle  zum 
Luisen- Gedenktage.  (2  Töcht.  d.  Prinz.  Wilh.  Carl  u.  der  Prinzessin  Marianne 
v.  Preussen  ruh.  auf  d.  Friedhof  z.  heil.  Leichnam.)  [Ebd.  9649.]  R.  B(ergau). 
Correspondenz  aus  Danzig  im  Nov.  1876.  [Beibl.  z.  Ztschr.  f.  bild.  Kunst. 
XII.  Jahrg.  No.  18.  Sp.  285—87.]  H.  F.  Die  Danziger  in  Berlin.  (Verein  der 
Danziger.)  [Danz.  Ztg.  1877.  10303.]  Ein  Gang  üb.  d.  Ksl.  Marinewerft  in 
Danzig.  [Ebd.  10157.1  Lievln,  d.  Sterblichk.  in  Danz.  vor  u.  seit  d.  J.  1872. 
[Ebd.  1876.  10059.]  Ders.,  d.Sterblk.  in  Danz.  i.  J.  1876.  [Ebd.  1877.  10213.] 
Danziger  Architecten- Verein.  Sitzg.  20.  Mai  76.  Kunath,  üb.  d.  übl.  Vfahr. 
bei  Reparatur  v.  Brüchen  d.  Zuleitgsrohrs  unsr.  Wasserleitg.  mittelst  sogen. 
Ueberschieber  etc.    [9751.]    Denkschrift  d.  Vorsteh.-Amts  d.  Danz.  Kfmsch. 

feg.  die  Merchant-Shipping  Act  1876.  [9847.]  Naturf.  Ges.  27.  Sept.  Ib76. 
>t.  Conwantz,  demonstrat.  Vortr.  üb.  d.  vstein.  Holz.  d.  norddeutsch.  Ebene, 
bes.  üb.  d.  in  d.  Sammign.  d.  Ges.  befindl.  —  Vorlege,  v.  Geschenken  durch 
Dir.  Prof,  Ball.  —  Dr.  Liasauer,  Notiz  üb.  Vfälschg.  d.  Bothweins  dch.  Fuchsin 
u.  d.  Wirkg.  dieses  Anilinpräparats.  [9979.]  17.  Jan.  1877.  Stadtrath  Helm, 
üb.  einige  v.  ihm  ausgef.  auf  d.  Danz.  Wasserleitgs.-  u.  Canalisationsanlagen 
bezügl.  ehem.  Analysen.  —  Bealschull.  Schulze,  Mitth.  nebst  Demonstrat.  üb. 
Würmer.  [10177.]  28.  März.  Dr.  Conwentz,  Vortr.  üb.  Wege  u.  Mittel  zur 
Vbreitg.  d.  Pflanz.  [10284.]  8ter  Ber.  d.  Danz.  Bezirksvereins  d.  dtsch.  Ges. 
z.  Bettg.  Schiffbrüchiger  f.  d.  Ostseeküste  Leba  u.  Pülau  bis  ult.  März  1876. 
Neb.  d.  regelm.  allj.  stattfind.  Inspectionen  dch.  d.  Ges.-Insp.  Caut.  Conrad 
aus  Bremen  hab.  häufigere  Inspectionen  u.  Uebgn.  m.  d.  MannschAn.  dch.  d. 
Bez.-lnsp.  Capt.  Borschke  stattgefd.    Den  lokal.  Küsten-Vhltniss.  entspr.  ist 

e.  Bettgvboot  f.  d.  Station  Heia  gebaut  word.,  das  sich  als  tüchtig  bewährt. 
Ein  ähnl.  construirt.  u.  ausgerüst.  Bettgsboot  ist  für  d.  Stat.  Neufanr  gebaut, 
wofür  d.  Kost.  e.  patriot.  Landsmann,  Charles  Semon  in  Bradford.  erstatt.  u. 
w.  nach  ihm  benannt  ist.  Ebenso  ist  mit  e.  ebenso  constr.  Bettgsboot  d. 
Stat.  Koppelin  ausgerüst.,  in  Stelle  des  nach  Stat.  Poel  in  Mecklbg.  üb  wies, 
eis.  Francisboot  »Auguste  Werner*.  Für  d.  lOte  Stat.  Pasewark  hab.  wir  e. 
Bettgsboot  nach  d.  Modell  Neufähr  u.  m.  ders.  Ausrüstung  bauen  lassen,  um 
z.  Ausstellung  nach  Brüssel  gesdt.  z.  wd.;  kost.  1721  M.  —  D.  Jahres-Einn. 

f.  1874/75  betrug  6485  M.  31  $.,  d.  Ausg.  4789  M.  42  c).y  Kassenbestand  ult 
März  1875:  1695  M.  89^.—  Einn.  f.  1875/76 :  5242  M.78^.,  Ausg.  4684  M.  23^., 
Kassenbestd.  ult.  März  1876:  548  M.  55$.  —  Uns.  Bezirk  v.  Leba  bis  Pillau 
ist  im  Vlauf  d.  letzt.  Jahre  v.  gross.  Schiffbruch,  verschont  geblieb.:  16  Mschleb. 
sind  bei  4  Seeunfall,  gerett,  u.  ist  d.  Rettgsmannsch.  prämiirt  word.  —  An 
Stelle  d.  Capit.  Broschke  ist  Capit.  Nöblssen  als  Stations-lnsp.  gewählt  word. 
Danzig  13.  Mai  1876.  Brinckmann,  Vorsitzdr.,  Ehlers,  Schriftführ.  [Ebd.  9755.] 
Vsmlg.  25.  Mai  1877.  Consul  Brinckmann  (Vorsitz.)  legt  Jahresrechnung  für 
1876/77  vor.  Einn.:  4327  M.  82  £,  Ausg.:  3903 M.  6  c*.,  Bestand:  424 M.  76  £ 
Auf  Einrichte,  d.  neuen  Bootstation  in  Pasewark  wd.  3366  M.  70  #.  verwandt. 
Gerett.  wd.  d.  Besatzgn.  v.  4  Schiff.  [1877.  10360.]  Danziger  Zweig- Verein 
d.  Schillerstiftg.   [1876.  10040.1 

Die  geistl.  Brüderschaften  in  Elbing.  [Elb.  Post.  1877.  2.]  St.  Der  Brand  d.  Glocken- 
turms zu  St  Nicolai  u.  d.  Bathhauses  zu  Elbing  (am  26.  Apr.  1777.)  [Altpr. 
Ztg.  1877.  95.]  Zur  Gesch.  d.  Elbing.  Kriegsschuld.  [Ebd.  46  (Beil.)  49  (B.) 
52 (B.)  56.  57.]  E.H.  Elbings  Armenpflege  im  Laufe  dies.  Jahrh.  [Ebd.  1876. 
Beil.  zu  181  u.  187.]  Kunstgewerbe-Ausstellg.  in  Elbing  Dec.  1876.  [Danz. 
Ztg.  1876.  10116.]    Das  Elbinger  Theater.   [Elb.  Post.  1877.  23.] 


Periodische  Literatur  1876/77.  379 

Zum  5Qjähr.  Bestehen  d.  Graudenzer  Blattes  »Der  Gesellige*,  (vgl.:  Der  Gesellige. 
Jubiläums-Nr.  Sonuabd.  8.  Juli  187«.  2  Bl.  fol.)   [Danz.  Z.  1876.  9823.] 

0.  8t.  Das  Seebad  Kahlberg.  [Altpr.  Z.  1876.  149.] 

Die  Chorographie  des  Joachim  Eheticus.  Aus  d.  Autograph,  d.  Verf.  (auf  d.  Egl. 
Bibl.  zu  Königsberg  in  e.  Sammelbde  unt.  d.  Mss.  sub  no.  390)  m.  e.  Einleitg, 
hrsg.  v.  Prof.  Dr.  F.  flipler  in  Braunsberg.  [Ztschr.  f.  Mathem.  n.  Phys. 
21.  Jahrg.  5.  Hft.  Hist.-lk  Abth.  S.12V-150.J  Franz  Liszt,  Ehrendoct.  d. 
philos.  Facult.  d.  Universität  zu  Egsbg.  Miscelle  v.  E.  Lehre.  [Wissenschaft!. 
Monats-Blätt.  hrsg.  v.  Schade.  1876.  11.]  Eriegsgefangen  in  Königsb.  Nach 
d.  Buche  v.  Rambaud  »six  moix  de  captavite*.'  (Aus  e.  Vortr.,  geh.  v.  Pfarrer 
Ebel-Graudenz.)  [ Wochenbl.  d.  Johanniter  Ord.-Balley  Brandeubg.  17.  Jahrg. 
Iö76.  No.49-öl.J  K(ahie)-Löb.  Ueb.  d.  lOOj.  Jubelfeier  d.  löbonichts eh.  Kirche 
zu  Kgsbg.  ;j.  Dec.  1876.  (2  Nachtrage  z.  »Denkschrift«  betr.  2  wert h volle  m. 
Silber  beschlag.  Bücher  u.  e.  aus  d.  Tharau.  Eirchenchronik  entnomm.  biogr. 


Notiz  üb.  George  Ernst  SiegismundHennig.)   [Ev.  Gmdebl.  1876.  51.]    Eng. 

Aus*.)] 
Die  lOOj.  Jubelfeier  d.  Löbenichtsch.  Eirche".    [Ostpr.  Ztg.  286.]    Prof.  Frhr. 


Herrmann,  z.  Säcularfeier  d.  loben.  Eirche.  [Hartg.  Z.  1876.  2t*5  (Abd.-Ausg.)] 


v.  d.  Goltz  u.  Prof.  Dr.  Ritthausen,  d.  landwirthschaftl.  Institut  u.  d.  agrikult.- 
chem.  Laboratorium  d.  Univ.  Egsbg.  [Ostpr.  Ztg.  1870.  137  (Beil.)  vgl. :  Das 
landw.  Institut  d.  Univ.  Egsbg.  Ebd.  208  (B.)]  Zur  Eröffnung  d.  Eunst- 
ausstellg.  (Eönigsbgr.  Stadtmnseum.)  [Hartg.  Ztg.  1877.  30  (M.)J  Das  neue 
Provinzialmuseum  in  Eönigsbg;  [Ebd.  1876.  107  (M.)  109  (M.)  112  (M.)] 
E.  Wiehert,  Unser  Theater,  e.  Wort  ans  Publicum.  [Ebd.  185  (A.)]  Physikal.- 
ökonom.  Gesellach.  3.  März.  Dr.  Erosta,  Vortr.  üb.  d.  Abnahme  d.  Wass.  in 
d.  Flüss.  d.  Culturländer.  0.  Tischler  ber.  üb.  einige  archäolog.  Studien  auf 
sr.  Sommer  1875  untnomm.  Reise  (d.  Broncethür  im  Dome  zuGnesen;  Posener 
Gräberfunde).  [Hartg.  Z.  84  (B.)]  7.  Apr.  D.  Vorsitzde  legt  d.  neuste  Hft. 
d.  Ges.-Schr.  (1875,  2.)  vor.  Prof.  Dr.  Grünhagen,  üb.  einige  phys.  Beziehgn. 
d.  menschl.  u.  thier.  Organism.  z.  anorg.  Natur.  Dr.  Jentzsch  legt  Geschenke 
vor.  [100  (B.)]  5.  Mai.  Geschäft].  —  Prof.  v.  Wittich  ref.  üb.  cL  Arbeiten 
Hitzig's  (Functionen  d.  Gehirns).  Dr.  Benecke  üb.  d.  neust.  Verbessrgn.  d. 
photogr.  Pigmentdruckvfahr.  [lü9(A.)]    2.  Juni.   Vorlege,  v.  Geschenk,  durch 

0.  Tischler  u.  Dr.  Jentzsch.  Dr.  Jentzsch,  üb.  einige  Aiterthümer  aus  einem 
Pfahlbau  bei  Claussen  (Nordmasur.  od.  Ermland?),  üb.  d.  aufgefd.  Feuerstein- 
werkstätte am  Südufer  d.  Druglin-Sees,  u.  üb.  d.  neuest.  Entdecknngn.  in  d. 
Diluvialfauna  Ostpr.  u.  d.  Fundpunkte  derselb.    Prof.  Dr.  Blümner,  Vortr.  üb. 

d.  Ausgrabgn.  H.  Schliemann's  in  Troja.  [157  (A.)]    6.  Oct.   D.  Vorsitz,  giebt 

e.  Uebsicht  üb.  d.  Thätgk.  d.  Ges.  im  vfloss.  Somm.  u.  legt  als  Geschenk  d. 
Hofpred.  Hoffheinz  e.  Expl.  des  Homannsch.  Atlas  v.  1730  vor.  —  Vorlere. 
v.  Geschenken  durch  0.  Tischler.  —  Schiefferdecker  über  ein  in  neuster  Zeit 
entdeckte  Fälschg.  v.  Ueberrest.  d.  Höhlenbewohner  d.  Schweiz.  Geh.-R.  Dr. 
Hirsch  üb.  e.  Arbeit  d.  Prof.  Magnus-Breslau  üb.  d.  »ästhet.  u.  eulturhistor. 
Beziehgn.  d.  Auges.'  Prof.  Kupffer  üb.  s.  Ausflug  im  Aug.  1876  an  d.  masur. 
Seen  im  Interesse  d.  Fischereivereins.  Dr.  Jentzsch,  kurz.  Ber.  üb.  d.  Tief- 
bohrgn.  in  Schöneberg  (Er.  Carthaus)  u.  im  Goldaper  Er.  —  Dr.  Schieffer- 
decker, üb   d.  eigenthüml.  Regenvhltnisse  in  dies.  Frühj.  u.  Somm.  (260.  (M.) 

1.  Beil.]  3.  Nov.  Dr.  Jentzsch  legt  Geschenke  vor.  Prof.  Dr.  Schneider  zei^t 
u.  demonstr.  den  Thermo- Cautere  v.  Dr.  Papuelin  Prof.  Caspary,  üb.  Trüffeln 
u.  trüffelart.  Pilze.  Dr.  Schiefferdecker,  Ber.  üb.  d.  bish.  bekannt  gewd.  Result. 
d.  Zählg.  d.  Schulkinder  nach  Farbe  d.  Aug.,  Haare  u.  Haut.  [284.  (A.)  Beil.] 
1.  Dec.  0.  Tischler  legt  nach  ausführl.  Auseinanderstzg.  d.  vschied.  prähist. 
Period.  in  d.  Prov.  Preuss.  d.  archäol.  Geschenke  vor.  Prof.  Dr.  Lonmeyer 
ber.  üb.  s.  Ausgrabungen  in  Warnicken.  Prof.  Caspary  üb.  e.  f.  Preussen  u. 
Deutschi,  neue  Trüffel,  von  Dr.  Prätorius  bei  Conitz  gefund.,  Tuber  Borchii 
Vittadini.  Dr.  Jentzsch,  Bericht  üb.  seine  geognost.  Thätigk.  im  Jahre  1876. 
[Ib77.  1  (B.)]  Bezirksverein  d.  dtech.  Gesellschaft  z.  Rettg.  Schiffbrüchiger. 
Gen.-Verslg.  4.  Mai.  10.  Jahresber.  f.  1875:  842  Mitgl.  geg.  701  pro  1874; 
davon  in  Ebg.  489.  Einn.:  3338  M ,  Ausg.:  2591  M.  M.  Ausnahme  v.  Stat. 
Rositten  ed.  alle  Station,  v.  d.  Insp.  d.  Centralvereinskapit.  Conrad  besucht, 


380  MittbeUangen  and  Anhang. 

auch  b.  Stat.  Cranz  e.  Uebg.  unt.  s.  Leit.  abgeball.  word.  —  Nur  2  Stracdgn. 
sd.  vorgekommen;  die  Bottgsstationen  des  Bez.  sind  nicht  in  Thätigk.-  gewes. 
Während  d.  lQj.  Wirksamk.  entstd.  1866:  Stat.  Balga-Alt-Tief  nur  m.  Raket.- 
Apparat,  Kraxtepellcn,  1867:  Lappönen,  1870/71:  Rossitten,  1874/75:  Cranz, 
letztere  vier  m.  Bttgsboot  u.  Baket.-Appar.  [Ostpr.  Z.  109.]  Bericht  üb.  zwei 
v.  d.  Stationen  Kraxtepellen  n.  Cranz  glückl.  vollbrachte  Bttgn.  mit  d.  Raket.- 
Appar.  10.  Sept.  n.  2.  Oct.  1876.  [238.] 

Grundsteinlgg.  d.  neu.  evang.  Kirche  zn  Loosandorf.  [N.  Westpr.  Mitthlgn.  1876.  81.] 

Die  600j.  Jubelfeier  d.  Stadt  Marienburg  26.  u.  27.  Apr.  1876.  [Danz.  Zeitg.  1876. 
9706.  8.  10.  12.]  Die  geschieht!.  Vbltnisse  d.  Stadt  Marienburg.  Nach  d.  z. 
Feier  d.  60Qj.  Grdg.  d.  Stadt  am  27.  Apr.  v.  San.-R.  Dr.  med.  Marschall  vor 
d.  Bathhanse  gehalt.  Festrede.  [Ebd.  9707.  9709.]  Auszug  aus  d.  Festrede. 
[Altpr.  Z.  101  (B.)l  Die  Marienburg.  Zur  6.  Sacularfeier  (mit  eingedr.  Zeich- 
nung.) [Sonntags-Blatt  z.  Altpr.  Ztg.  18.  19.]  Die  Festfeier  d.  600 j.  Besteh, 
d.  Stadt  Marienburg.  [Westpr.  Z.  100.]  D.  600j.  Jubelfeier  d.  Stdt.  Marienb. 
[Hartg.  Z.  101  (A.)  102  (A.)]  [Nogat-Ztg.  51.1  Der  lieben  Stadt  Marienbg. 
gewidm.  z.  höh.  Feier  ihr.  600).  Bestenens  v.  Evefine  Helmecke  geb.  v.  Maltzahn. 
[Nogat-Z.  52.  53.]  [N.  Westpr.  Mtthl.  50  (B.)  51.]  Die  Marienburg.  [Dtsche 
Mtshefte.  8.  Bd.  3.  Hft.] 

Gründg.  d.  bist.  Vereins  f.  d.  Begierungsbez.  Marienwerder  durch  Beg.-B.  v.  Hirschfeld. 
Bekanntmachg.  d.  d.  Marienw.  9.  Jan.  1876.  [Neue  Westpr.  Mitth.  1876.  7.] 
Vorstands-Sitzg.  23.  Jan.  [Ebd.  10  (Beil.)]  General- Versig.  9.  Apr.  Reg.-R. 
v.  Hirschfeld,  Ansprache  an  d.  Vslg.;  Ber.  üb.  d.  vom  Vorstande  bish.  getroff. 
Einrichtgn. ;  Vortr.  üb.  d.  Aufg.  der  Gesch.-  u.  Altthsforschg.  u.  die  Tendenzen 
d.  Vereins.  —  Statuten-Entwurf  m.  unwesentl.  Aendergn.  genehm.  —  D.  Verein 
zählt  üb.  200  Mitgl.  D.  Vereins-Mus.  ht.  ber.  einige  recht  interess.  Acquisit. 
gemacht,  die  z.  allg.  Ansicht  ausgest.  war.  [Ebd.  43.  Ostbahn.  43.]  Archäolog. 
Eicureion  in  d.  nordöstl.  Theil  d.  Reg.-Bez.  10.  u.  11.  Juni.  Besichtig,  der 
Alterthüm.  v.  Christburg,  Vmessg.  u.  Aufnahme  des  unt.  d.  Nam.  Grewose 
bekannt,  uralt.  Wallwerks  an  d.  Sorge.  [N.  Westpr.  Mitth.  69.]  Mitthlgn. 
aus  dem  im  Laufe  des  Sept.  auszugebd.  l.  Bd.  der  Vereinsschrift  u.  aus  d. 
Vereinschronik;  üb.  300  Mitgl.  (Ebd.  105  (Beil.)]  Vsammlg.  25.  Nov.  Aus- 
stelig.  d.  Mus.  m.  üb  200  Altthüm.  u.  an  400  Münz.  Apothek.  Gigas,  Vortr. 
üb.  den  sogen.  Potrimpos  zu  Christbure,  die  Bartenstein.  Steine  u.  den  Bartener 
Stein.  Forstmeister  Küster,  Vortr.  üb.  d.  Bennthierzeit  in  Deutschld.,  üb.  d. 
Elennthier,  üb.  d.  eigentl.  Auerochsen  u.  den  Wisent,  sowie  üb.  den  Biesen- 
hirsch. —  365  Mitgl.    [150.  (Beil.)] 

Bauführer  de  Grain,  Vortr.  üb.  d.  »Gesch.  u.  d.  Bau  der  kathol.  Kirche  zu  Mewe* 
geh.  25.  Oct.  1876  in  d.  Sitzg.  d.  Biidungsvereins.  Referat.    [Ebd.  131.] 

Der  Zeitball  u.  die  Seewartestation  in  Neufahrwasaer.  Neufahrwasser,  24.  August. 
[Danz.  Ztg.  1876.  9906.1 

Notiz  üb.  d.  schöne  als  Wallfahrtsort  bekannte  Kirche  in  Pehsken  bei  Mewe.  [Neue 
Westpr.  Mitthlgn.  122.] 

M.  Toppen,  Schloss  Rtesenburp.    [Ebd.  1876.  142  (Beil.)] 

Eisenbahnbrücke  üb.  d.  Weichsel  bei  Thorn.  (Nach  amtl.  Quellen.)  [Zeittschr.  f. 
Bauwes.  Jahrg.  XXVI.  Hft.  1/3.  Sp.  35—5»,  m.  Zeichng.  auf  Bl.  A  im  Text 
u.  auf  Bl.  14—20  im  Attas.  Hft.  4/7.  Sp.  197—218  m.  Zeichng.  auf  Bl.  D 
im  Text  u.  auf  Bl.  35—42  im  Atlas.]  Deutscher  Städtespiegel.  Thorn.  [Das 
neue  Blatt  J877.  28.]  Copern.-Verein.  3.  Apr.  1876.  Geschäft].  M.  Curtze, 
Bericht  üb.  die  zu  Born  1876  erschien.  Festrede  v.  Prof.  Berti  bei  d.  Sacular- 
feier d.  Cop.  an  d.  Univ.  Bom.  [Thorn.  Ztg.  1876.  82]  8.  Mai.  Bericht  üb. 
d.  am  11.  Apr.  stattgefd.  Constituirg.  e.  Kunstvereins  in  Thorn  im  Anschluss 
an  Tilsit  und  Memel.  —  Oberl.  Bötbke,  Vortrag  üb.  Dr.  Thompson^  Schrift 
»Lucretius  or  Paul.4  Gymn.-L.  M.  Curtze  üb.  d.  neuerdings  v.  Malagola  zu 
Bologna  aufgefund.  Documenta  üb.  Lucas  Watzelrode's  u.  der  Brüder  Nicol. 
und  Andr.  Copernikus'  Aufenthalt  in  Bologna  [109.]  12.  Juni.  Ger.-R.  Dr. 
Meisner,  Vortr.  üb.  d.  Entwickig.  d.  social.  Frage  in  d.  letzt.  Decennien.  [137.] 
3.  Juli.  Prof.  L.  Prowe,  Vortr.  üb.  d.  Entstehe,  d.  Vereinigt.  Staat,  v.  N.-Anou 
[152—154.]    7.  Aug.   Curtze,  Bericht  üb.  d.  Inh.  des  v.  Malagola  hmugebd. 


Periodische  Literatur  1876/77.  Sgl 

Baches:  Vf.  soll  ersacht  wd.,  d.  Hrsgabe  e.  Uebstzg.  des  Cop.  betr.  Theiles 
zu  gestatt.  [184.]  4.  Sept.  M.  Curtze  zeigt  an,  dass  Malagola  in  Bologna  die 
betr.  Uebstzg.  gestattet  habe.  Ders.  theilt  d.  Schlusscap.  mit,  w.  Schiaparelli 
für  die  v.  Curtze  besorgte  dtsche  Ubstzg.  s.  Bachs  »die  Vorläufer  des  Cop. 
im  Altth.«  eigens  hinzugefügt  ht.  Bankvorsteh.  Eich,  Vortr.  üb.  Wes.,  Zweck 
a.  Einrichtg.  e.  gross.  Landesbank.  [210.  Tgl.  221.]  9.  Oct  D.  Prov.-Ldtg. 
ht.  d.  erbet  Subvention  v.  2500  M.  z.  Hrsgabe  der  Menzzer'sch.  Ubstzg.  d. 
Werkes:  »De  revolutionibus  orbium  caelestium*  dem  Copern.-V.  überwies.  — 
M.  Curtze,  Vortr.  üb.  Malagola's  Bericht  üb.  d.  Aufenth.  d.  Cop.  in  Bologna. 
[239.]  6.  Nov.  Dr.  Brohm  htte  beantr.,  e.  Versuch  zu  mach.,  am  t.  d.  rass. 
Regiere,  d.  Zurückgabe  des  ältest.  Bds.  d.  Thorner  Schoppenbücher  zu  erlang., 
zieht  ab.  wegen  d.  dabei  obwaltd.  Schwierigkten  seinen  Antrag  mit  Vorbehalt 
zur.  —  Vorschlag  weg.  Beschaffg.  e.  Locals  f.  d.  Bibl.  u.  Samnügn.  d.  C.-V.  — 
Dir.  Dr.  A.  Prowe  beantr.  d.  Begründg.  e.  Lese-Mus.  —  Maj.  t.  d.  Lochau, 
Vortr.  üb.  d.  Schlacht  v.  Königgrätz.  [266.]  2.  Dec.  Gesellig.  Abd.  Dir.  Dr. 
A.  Prowe,  Schildrg.  d.  Akropolis  v.  Athen.  [285.1  4.  Dec.  Rchts.-Anw.  Reichert, 
Ber.  üb.  d.  Aufführg.  ▼.  Wagners  Nibelung.-Oper  in  Bayreuth.    [287.  288.] 

Deutscher  Städtespiegel:  Tilsit  [Das  neue  Blatt.  1876.  29.]  Die  Ueberbrückg.  des 
Memelthals  bei  Tilsit.  (Tils.  Z.)  [Illustr.  Ztg.  1876.  1708.  Pr.-Litt  Z&.  77. 
Ostpr.  Z.  80  (B.)  Die  Begegnung  der  Königin  Luise  mit  Napoleon  zu  Tilsit. 
(N.  V.  Z.)    [Ostpr.  Z.  1876.  72  (Beil.)] 

A.  Essenwein,  d.  Waffensmlg.  im  Schlosse  zu  Tungon.  [Anz.  f.  Kde  d.  dtsch.  Vorz. 
N.  F.  23.  Jahrg.  No.  12.  Sp.  353  -56.] 

Dr.  med.  G.  Dinter,  Sommerfrische  am  Ostseestrande  (Zoppot)  [Hartg.  Ztg.  1876. 
137—139  (M.)] 

Nekrolog  für  Stadt  u.  Provinz  1876.    [Ostpr.  Ztg.  1877.  2.  (B.)] 

Wilh.  Ed.  Albrecht,  einer  der  »Göttinger  Sieben«  geb.  4.  M&rz  1800  in  Elbing, 
f  22.  Mai  1876  in  Leipz.  [Danz.  Ztg.  1876.  9753.]  J.  Wilh.  Ed.  Albrecht. 
[Ebd.  9777J  Otto  Stobbe,  Wilh.  Ed.  A.  [Im  neuen  Reich  27.  281  Hans 
Blum,  W.  E.  A.  [Die  Grenzbot.  23.1  C.  Fr.  Heime,  z.  Erinnerg.  an  W.  E.  A. 
[Augsbg.  AUg.  Ztg.  155  (Beil.)]  K.  Maurer,  W.  E.  A.  (Necrol.)  [Krit.  Viertel- 
jahrschr.  f.  Gesetzgebg.  u.  Bchtsw.   19.  Bd.  2.  Hffc.   S.  181—189.] 

Luther,  Gedächtnissrede  auf  d.  am  17.  Febr.  1875  verst.  Astronom.  Frdr.  Wilh.  Aug. 
Argelandar  gel.  6.  März  1875.  [Schrift,  d.  phys.-ökon.  Ges.  16.  Jahrg.  Abth.  1. 
S.  1—6.]  W,  T.  L.,  Frdr.  W.  Aug.  Argelander  (Necr.)  [The  American 
Journal  of  science  and  arte.  Hl.  Series.  Vol.  XII.  No.  68.  Aug.  1876.  p.  113—118 
nach  Schönfeld  in  Vierterjahrsschr.  d.  astron.  Ges.    Jahrg.  X,  3.] 

Aug.  BielowsW  (t  12.  Oct.  1876  zu  Lemberg,  geb.  27.  M&rz  1806).  (Necrol.  u.  Ver- 
zeichn.  seiner  Schrift.)  [Polybiblion.  Partie  litt.  II.  Serie.  T.  IV.— XVII.  de 
la  collect.  5.  Liv.  Not.  1876.  S.  458—59.] 

Deutsche  Bürgermeister.  VI.  Barthol.  Biomo  t.  Marienbg.  [Wochenbl.  d.  Johannit. 
Ord.-Baüey  Brandenbg.  1876.  40.] 

Beinh.  Buchholz  t  (Prof.  in  Greüswald,  geb.  in  Juditten  bei  Königsberg  als  Sohn  e. 
mittellos.  Predigers).    [Danz.  Z.  1876.  9703.  (Voss.  ZJ] 

Bonoko,  Prof.  Dr.  Ernst  Burdaoh  f  (Necrol.).    [Wissens eh.  Monate-Blatt.  1876.  12.] 

L.  C.  Erinneren,  an  e.  Danziger.  (Daniel  Chodowiecki,  geb.  16.  Oct.  1726  zu  Danzig, 
f  7.  Febr.  1801.)    [Westpr.  Z.  1876.  163.] 

Ignano  Ciampi,  il  Copernico  del  Berti.  [Nuova  Antologia.  Anno  XI.  Vol.  II.  Fase.  5. 
Maggiol876.  p.  111— 120.]  Aug.  Conti  rec.  Berti,  Copernico.  [Archiv,  stör.  itaL 
Ser.  Hl.  T.  23.  p.  322—327.]  (Max.  Curtz)o,  Copernicus  in  Italien.  [Thorn. 
Ostdeutsche  Ztg.  1876.  100.]  Dr.  F.  Hiplor,  Kopernikus  in  Bologna.  [Erml. 
Ztg.  1876.  54  (Beil.)]  Beide:  Curtze  u.  flipler  ins  Italien,  übers,  v.  Dr.  Alf. 
Sparagna  Bullettino  di  bibliogr.  e  di  stör,  delle  sc.  matem.  e  fis.  Tom.  IX. 
Giugno  1876.  p.  315— 319.  320—325.]  Carlo  Malagola  (Bologna),  dei  doenmenti 
troyati  ultimamente  intorno  la  dimora  di  Nicolö  Copernico  in  Bologna.  [Re- 
pertor.  d.  lit  Arbeit,  auf  d.  Gebiete  d.  rein.  u.  angew.  Math.  1.  Ba.  2.  nft. 
1876.  S.  185—186.]    M.  Owtze,  Hat  Cop.  die  Einleitg.  in  sein  Werk  selbst 

festrich.  od.  nicht?    [Ebd.  3.  Hft.  S.  249.]    G.  Leopardi,  Copern.,  deutsch  v. 
•f  Heyse,    [Westeraann's  illustr,  dtsche  Monatshrte.  1876.  Mai,]    Schanz, 


3g2  Mlttlieilttngeii  tmd  Anhang. 

Nie.  Copern.  [Natur  u.  Offenbrg.  22.  Bd.  12.  Hft.]  Prof.  Dr.  Cantor,  üb.  d. 
Nationalität  des  Cop.  [Angab.  Allg.  Ztg.  1876.  214  (Beil.)]  Ein  neues  Cop.- 
Denkmal  (von  e.  aus  Thorn  stammenden  Zeichenlehr.  v.  JaroezynskJ  in  Posen 
modellirt.    [Thorn.  Ztg.  (nach  d.  Posen.  Ztg.)  1876.  253.] 

Pastor  H.  Kawall  in  Pussen,  aus  d.  Leb.  d.  Prof.  Dr.  Wilh.  Cme  in  Königsberg, 
(autobiogr.  Brief  Cruse's  an  sein.  Jugendfreund  v.  J.  1870.)  [Sitzgs.-Ber.  d. 
Kurland.  Ges.  f.  Lit.  u.  Kunst  aus  d.  J.  1875.  S.  40—45.] 

Simon  Dach.    [Europa.  1877.  No.  6.] 

Lehmeyer,  Wilh.  Karl  Aug.  Drumann,  geb.  11.  Juni  1786  zu  Dannstedt  im  Füretth. 
Halberstadt,  gest.  zu  Kgsbg.  29.  Juli  1861.  [Allgem.  deutsche  Biogr.  Bd.  V. 
S.  436— 489J 

Joseph  Preihr.  v.  BohemtorfT.    [Westpr.  Z.  1876.  73—77.  79.  80.] 

Herrn.  Götz  f  (geb.  17.  Dec.  1840  in  Kgsbg.,  bekannt  durch  s.  Oper  »Der  Wider- 
spenstigen Zähmung4).    [Hartg.  Z.  1876.  294  (A.)    Danz.  Z.  10098.] 

Perd.  Gregorovlus.  [Illustr.  Z.  68.  Bd.  1877.  No.  1758.]  Der  röm.  Bürgerbrief  für 
uns.  Landsmann  Gregorovius.    [Augsb.  Allg.  Z.  1876.  140  (Beil.)] 

Graf  Karl  v.  d.  Groben  (geb,  17.  Sept.  1788  zu  Schrengen  bei  Bastenbg.,  f  13.  Juli 
1876  auf  NeudCrfcnen  im  Kr.  Marienwerder).  [Besond.  BeiL  z.  dtsch.  Rekhs- 
Anz.  1876.  No.  33.] 

Otto  Fr.  Gruppe.    [Dtsche  Monatshefte.  4.  Jahrg.   7.  Bd.   3.  Hft.] 

Notiz  üb.  den  Hofmaler  Bernh.  Hahn  aus  Konitz,  der  1623  für  die  Klosterkirche  zu 
Pelplin  e.  Altarbild,  Krönung  Maria,  malte.  —  Auch  in  der  kathol.  Kirche  zu 
Neuenburg  befind,  sich  ein  Gemälde  von  ihm,  Kampf  des  Erzengels  Michael 
mit  dem  Teufel,  aus  d.  Jahre  1615.  [Neue  Westpr.  Mitthlgn.  1876.  Beil.  zu 
139  u.  143.] 

Otto  Pfleiderer,  zwei  Glaubensphilosophen.  I.  Hamann  (aus  e.  Vortr.  in  d.  Singakad. 
zu  Berl.  überarbeit.).   [Jahrbuch,  f.  protest.  Theol.  1876.  3.  Hft.  S.  451—75.] 

Gust.  Ed.  HeJnecoius,  Präsid.  d.  Kgl.  Gerichtshöfe  f.  kirchl.  Angelght.  etc.  (geb.  zu 
Danzig  9.  Nov.  1805,  Urenkel  d.  berühmt.  Jurist.  Jon.  Gottl.  Heineccius,  vor 
50  J.  v.  d.  Univ.  Götting.  entlass.,  v.  d.  Georgia  Augusta  am  15.  Aug.  1876 
zum  Dr.  jur.  utr.  honor.  c.  creirt.  [Dtsch.  Reichs-  u.  Pr.  Staats-Anz.  205.] 

Nachr.  üb.  George  Ernst  Siegism.  Hennig  aus  d.  Tharauer  Kirchenchronik  (mitgeth. 
v.  Pforr.  Ellinger).    [Ev.  Gmdebl.  1876.  51.1 

L.  C.  Beziat,  la  vie  et  les  travaux  de  Jean  Hevelius.  [Bullettino  di  bibliogr.  e  di 
stör.  delle  sc.  mat.   T.  VID.  p.  497—558.  589—669.] 

L.  Ferri,  il  Centenario  del  filosofo  Herbari  [Nuova  Antologia  di  scienze,  lett.  ed  arti 
Anno  XI.  Vol.  II.  Fase.  5.  S.  151—157.]  L.  Ballauff,  Herbart's  Ansicht,  üb. 
d.  Organisation  d.  Schulwesens.  [Pädag.  Archiv.  1876.  No.  7.  S.  466—479.} 
M.  Lazarus,  >Herbart<.  Bede  bei  d.  Enthüllg.  d.  H.-Denkmals  in  Oldenbg. 
4.  Mai  1876  gehalt.    [Die  Gegenwart.  19.]    Th.  Ribot,  la  psychologie  de  H. 

Eevue  philos.  de  la  France  etc.    I.  annee.   VH.  p.  68—85.]    Joh.  Fr.  Herb. 
.  Volksschulfreund.  1876.  11.1    Dr.  Ldw.  Salomon,  Joh.  Fr.  H.  Ein  Skizzen- 
ttt  zu  d.  Philosoph.  lOQjährig.  Geburtstage.    [Hartg.  Ztg.  105  (A.)]    Zum 
100.  Geburtstag  J.  Fr.  H/s    [Dlustr.  Ztg.  1714.] 
Hesse,  Festrede  am  Grabe  Herders.    [Protest.  Kirchenztg.  1876.  42.] 
Felix  Klein,  notice  sur  la  vie  et  les  travaux  de  Louis-Otnon  Hesse  trad.  de  1' Allem, 
par  Paul  Mansion.  [Bullettino  di  bibliogr.  e  distor.  d.  sc.  matem.  IX.  p.  309—314.] 
Ein  lOCjahr.  Geburtstag  in  Oliva  (betr.  d.  letzt  Abt,  Fürstbischof  v.  Ermld.,  Prinz 
Joseph  v.  Hohenzoil.  geb.  20.  Mai  1776»  t  26.  Septbr.  1836.)    [Westpr.  Ztg. 
1876.  120.1 
Der  Pionier  des  Volksrechte  (Dr.  Job.  Jacehy  m.  Portr.)  [Die  Gartenlaube  1877.  13.1 

>.  £ 


Joh.  J.,  geb.  1.  Mai  1805,  gest.  6.  März  1877.  [Elbing.  Post.  59J  üeb. 
letzt.  Lebenstage  Joh.  J/s.  (Berl.  Volksztg.)  [Danz.  Ztg.  10236.]  Bede  d. 
Babbiners  Dr.  Bamberaer  am  Sarge  Joh.  Jacoby's  (Stenogr.  d.  »Berl.  Freu 
Presse.«)  [Die  Wage  Nr.  11.  S.  161—164.]  [Hartg.  Z.  62.  (A.)]  Prolog  z. 
Feier  Ar  Joh.  J.  v.  Otto  Hörth.  (Frankf.  2.  Apr.)  [Ebd.  81.  (A.)]  Joh.  J. 
[niastr.  Z.  1759.]  Dr.  Karl  Grün,  Joh.  J.  (Nekrol.)  [Augsb.  Allg.  Ztg.  Beil. 
zu  81  u.  82.]  Dr.  Guido  Weiss,  Joh.  J.  Bede  zu  seiner  Gedachtnissfeier  in 
Berlin,  am  1.  Mai  1877.    [Die  Wage  Nr.  18.  S.  273-282J 


Periodische  Literatur  1876/77.  383 

Immannel  Kant.  (Mit  Portr.)  [Illnstr.  Chronik  d.  Zeit.  Jahrg.  1877.  Hft.  9.  Stuttg. 
1876.  S.  178—179.]  Adam  Smith  u.  Imm.  K.  [Europa  1877.  7.1  L.  Fried- 
länder,  Kant  in  s.  Stelig.  zur  Politik.  [Dtsche  Bundschau.  3.  Jahrg.  Hft.  2. 
Nov.  1876.  S.  241— 255J  J.  P.  N.  Land,  Kant's  space  and  modern  mathe- 
matics.  [Mind.  1877,  S.  38—46]  0.  Pfleiderer,  Kant  u.  d.  Rationalismus. 
[Im  neu.  Reich.  1876.  22.]  Ders.  Kant  u.  Newton  [Protest.  Kirchenz.  1877.  17.] 
Renouvicr,  etudes  esthe*tiques:  le  principe  de  Testh^t.  chez  Kant,  Schiller  et 
M.  Herb.  Spencer.  [La  critique  philos.  1876.  10.]  Ders.t  les  labyrinthes  de 
la  me'taph.  —  Les  an  tinomies  Kantiennes  de  l'infini  et  du  eontinu.  [Ebd.  32.1 
Ders.,  un  passage  de  Kant  stur  le  cercle  vicieux  de  la  liberte*  polit.  [Ebd.  46.] 
Prof.  Dr.  Arth.  Richter,  Kant  als  Aesthetiker.  Ein  Vortr.  [Ztschr.  f.  Phil, 
u.  phil.  Krit.  N.  F.  69.  Bd.  S.  18—43.]  Dr.  Hans  Vaihinger,  Zur  modern. 
Kantphilologie.    [Philos.  Monatshefte.  12.  Bd.  10.  Hft.  S.  443-463.] 

A.  Bernstein,  Gustav  Rob.  Kirohhoff.    [Sonntags-Blatt  1876.  11.] 

Seh.  in  Th.,  Nekrolog:  Pferr.  Dr.  Alex.  Gust.  Herrn.  Lambeck  (geb.  13.  Juni  1804 
zu  Broraberg)  t  3.  März  1877  als  Senior  d.  Geistl.  der  Thormr  Diözese  zu 
Gurske.    [Ev.  Gmdbl.  19.1 

Geh.  Justizrath  u.  Generallandscnaftssyndicus  Dr.  Hans  Ernst  Ed.  Maden  (geb.  17ten 
Juni  1801  zu  Neuteich)  f  5.  Jan.  1877  zu  Marienwerd.    Nekrolog.    [Ebd.  5.] 

0.  S(chade),  Prof.  Dr.  Aug.  Muller  t  (mit  Vzchn.  s.  Schriften  nach  Thcod.  Müller) 
(Wissenschftl.  Monate-Blatt.  IV.  Jahrg.  Nr.  4.  S.  61—64.] 

Neumann-Jubiläum  in  Kbg.  18.  März  1876.    [Ostpr.  Z.  70  (Beil.)] 

Franz  Paaaauer  t  [Insterbg.  Ztg.  1876.  33.] 

Zu  Adolf  Phillips'  Gedächtniss  (geb.  2.  Febr.  1813  in  Königsbg.,  f  29.  März  1877 
in  Elbing).  [Altpr.  Ztg.  77.]  t  Adolph  Phillips,  panz.  Z.  10355.] 

Prof.  Dr.  Georg  Phillips  f  18.  April  1877  zu  Kgsbg.  (Nachruf  d.  Univ.)  [Ostpr.  Z.  92.} 

L.  Koenigsberger,  Beferate  aus  d.  hinterlass.  Papieren  v.  F.  Riehelot  [Repertor.  d.  liter, 
Arbeit  auf  d.  Gebiete  d.  rein.  u.  angew.  Mathem.  l.Bd.  2.  Hft.  S.  191—200.] 

H.  Lorm,  Karl  Rosenkranz.   [Wiener  Abendpost  (Beil.  z.  Wien.  Ztg.)  1876.  65.] 

W.  Lübke,  Karl  Sohnaase.  Mit  Portr.  [Ztschr.  f.  büd.  Kunst  1875.  Hft.  10.  S.  28^-301 .] 

L.  G.  (Berlin)  Aus  d.  Papieren  d.  Minist  Theod.  v.  Schön  (Bd.  I  betr.)  Augsbg. 
Allg.  Z.  1875.  85  (Beil.)]  (Bd.  II  betr.)  [Ebd.  338  (B.)]  D.  preuss.  GeneraT- 
feldmarsch.  v.  d.  knesebeck.  [Ebd.  1876.  19  (Beil.)]  Zwei  Königl.  Preuss. 
Staatsminister  auf  d.  Anklagebank.  [Vossische  Z.  1876.  3.  Beil.  zu  1  u.  3.] 
Alex.  Jung,  Zur  weitem  Charakteristik  d.  Minist,  u.  Burggraf,  v.  Marienburg, 
Hrn.  v.  Schön.  JMagaz.  f.  d.  Lit.  d.  Auslands  1876.  No.  6.  29.  (vgl.  1875.  40.)] 
W.  Maureabreeher,  Sehön's  Denkwürdigktn.  u.  Verwandtes.  3.  Artikel.  [Grenz- 
boten 1876.  20.]  Ders.  Schon's  liter.  Nachläse.  4.  Artik.  [Ebd.  23.]  Konst. 
Rössler,  Max  Lehmann,  Knesebeck  u.  Schön.  [Zeitschr.  für  preuss.  Gesch.  u. 
Landesk.  1876.  S.  25C— 261.]  A.  Weigert,  Theod.  v.  Schön.  [Blätter  f.  lit. 
Enthalte.  1877.  16.] 

Englische  Bücher  über  Heine  u.  Schopenhauer  [Magaz.  f.  d.  Lit.  d.  Ausl.  1876.  28.] 
E.  v.  Hartmann,  Schopenhauerianism.  u.  Hegelianism.  i.  ihr.  Stellg.  z.  d.  philos. 
Aufg.  d.  Gew.  [D.  Gegenwart.  1876.  28.  80.  82.]  Den.,  Frauenstadt's  Um- 
bildg.  der  Sch.'schen  Philos.  [Uns.  Zeit.  XII,  241—59.  348—62.]  Ders.,  Seh. 
et  son  disciple  Frauenstadt  [Revue  philosoph.  de  la  France  etc.  1876. 1, 529-61. 
II,  34—48.1    R.  Adamson,  Sch/s  philosophy  [Mind.  1876.  p.  491—509.] 

K(ahle)-Löb(enicht)  Erdmund  Alex.  Sondennann  f  13.  März  1876.  (geb.  23.  Sept.  1814.) 
[Ev.  Gmdbl.  1876.  13.] 

Dr.  Streuaberg.  I— IV.  (Dr.  Strausberg  u.  sein  Wirken  von  ihm  selbst  geschildert. 
Berl.  1876.)    [Danz.  Z.  1876.  9971.  73.  77.  83 J 

Hans  v.  Sydow,  Genealogie  d.  Familie  v.  Sydow.  [Vierteljahrsschrift  f.  Heraldik  etc. 
1876.  S.  238—56.] 

Ad.  Michaelis,  Ein  Verschollener  (Job.  Geo.  Tramfeldt  zu  Anfang  d.  J.  1648  in 
Strasburg  in  Westpr.  geb.)  [Im  neu.  Reich.  1876.  24.  25.]  Ein  westpreuss. 
Odysseus.  I— III.    [Danz.  Z.  1876.  9829.  31.  33.] 

Em.  Grosse  (Memel),  Zu  Schillert  Brief,  üb.  ästhet.  Erziehg.  (Aus  Fr.  Ueberweg'e 
nachgelass.  Msc.  ȟb.  Schiller  als  Philosoph  u.  Historiker*  als  Probe  des  von 
Grosse  hrozngebd.  Werks.)  [Wissenschaft!.  Monats-Bl.  1876,  11.  S,  169—174.] 


384  Mittheihmgen  and  Anhang. 

Erich  Schmidt,  neue  Actenstücke  über  Zachar.  Werner's  Priesterweihe.    [Archiv  für 

Litteraturgesch.  VI,  233— 249J 
R.  S(chück),  Christian  Prdr.  Gottl.  Benj.  Wernich  (Ober-Postdirector  in  Danz ,  geb. 

25.  Dez.  1778  t  3.  Aug.  1845.)  Ein  Lebensbild  aus  d.  Neuzeit  Dauzigs.  [Danz. 

Ztg.  1877.  10235.] 
Oberlehr.  Dr.  Karl  Wiederholt!  am  Gymn.  in  Insterbg.  +  22.  März  1876.   (Nachruf.) 

[Hartg.  Ztg.  1876.  71.  (M.)] 
B.  S(chück),  Dr.  Nathanael  Matthäus  v.  Wolf  (e.  Lebensbild  aas  d.  18.  Jahrh.)  geb. 

28.  Jan.  1724  zu  Konitz,  f  15.  Dec.  1784  zu  Danzig.   [Danz.  Z.  1877.  10173.] 
Zacharias  Zappio,  Vortr.  gehalt.  am  6.  Febr.  1877  im  kaufm.  Verein  zu  Elbing  von 

Kaufm.  Freundstück.    [Altpr.  Ztg.  33.] 


Kant's  Ruhestätte 

befindet  sich  leider  noch  immer  in  einem  Zustande  arger  Verwahrlosung.  Der  Name 
Stoa  Kantiana  lässt  eine  stattliche  Halle  erwarten,  wo  in  würdevoller  Umgebung  die 
Asche  des  »Weisen  von  Königsberg*  aufbewahrt  wird.  Aber  wie  ganz  anders  ist 
der  Anblick,  der  sich  dort  in  Wirklichkeit  darbietet!  Man  trägt  billig  Bedenken, 
den  Fremden,  der  das  Grab  des  grössten  Mannes  der  Provinz  sehen  möchte,  in  den 
unsaubern  Winkel  zu  führen,  wo  an  die  Bedeutung  des  Orts  nichts  erinnert  als  der 
kleine,  ganz  kunstlose  Stein,  unter  welchem  einst  Kant's  Sarg  versenkt  wurde. 

Um  diesen  Fleck  auf  der  Ehre  unserer  Heimath  zu  tilgen,  sind  schon  vor 
Jahren  durch  die  Bemühungen  des  verstorbenen  Professor  August  Müller,  der  die 
erste  Anregung  dazu  gab,  und  des  mit  ihm  thätigen  Comites  einige  Tausend  Mark 
zusammengebracht,  auch  haben  Magistrat  und  Stadtverordnete  Königsbergs  sich  be- 
reit erklärt,  eine  erhebliche  Beihilfe  zu  gewähren. 

Doch  reichen  die  vorhandenen  Mittel  noch  nicht  aus,  den  erforderlichen  Um- 
bau in  wenn  auch  einfacher,  so  doch  anständiger  Form  herzustellen.  Das  unter- 
zeichnete Comite*  hat  daher  den  Plan  jenes  älteren,  aus  dem  es  hervorgegangen, 
wieder  aufgenommen  und  demselben  nur  in  so  fern  eine  veränderte  Richtung  ge- 
geben, als  es  lediglich  den  Umbau  der  Grabstätte  selbst  und  ihrer  Umgebung, 
nicht  der  mit  Kant  nur  durch  ihren  Namen  zusammenhängenden  Stoa  sich  zum 
Ziele  setzt. 

Wir  ersuchen  nun  unsere  Landsleute,  durch  neue  Beiträge  uns  in  den  Stand 
zu  setzen,  dass  wir  mit  der  Ausführung  dieses  Planes  recht  bald  vorgehen  können. 
Wie  Kant  bei  seinen  Lebzeiten  der  populärste  Mann  Königsbergs  und  überall  in  der 
Provinz  gekannt  und  verehrt  war,  so  hat  sich  ja  auch  die  Erinnerung  an  ihn  im 
ganzen  Umfang  seiner  Heimath  in  lebendiger  Frische  erhalten.  Wenn  daher  alle 
Verehrer  des  zugleich  kühnsten  und  besonnensten  Denkers  der  Neuzeit,  alle,  die  ihre 
Bildung  der  Universität  verdanken,  welche  einst  in  Kant  ihren  ruhmvollsten  Lehrer 
besass,  alle  endlich,  die  eingedenk  sind,  dass  ein  Volk  in  seinen  grossen  Männern 
sich  selbst  ehrt,  ohne  Verzug  mit  uns  Hand  ans  Werk  legen,  so  wird  es  gelingen, 
der  viel  zu  lange  versäumten  Ehrenpflicht  gegen  das  Andenken  Kants  endlich  nach- 
zukommen. Von  dem  Ergebniss  der  Sammlung  wird  es  abhängen,  ob  wir  den  in 
seinen  Grundzügen  bereits  vorliegenden  Plan  in  mehr  oder  minder  würdiger  Weise 
ausfuhren  können.  Beiträge  nimmt  jeder  der  Unterzeichneten  entgegen.  Quittung 
darüber  erfolgt  durch  die  öffentlichen  Blätter. 

Königsberg  in  Pr.,  den  18.  Mai  1877. 

Bas  Comite  für  Restauration  der  Kant'achen  Grabstätte. 

Alscher.     E.  Boehm.      von  BrBnneok.     Devons,     von  Fahrenhoid.     Gadeoke. 

Hofflnann,  Stadtkämmerer.     Hensche.     Paarmann.    A.  Richter,    von  Sohneling. 

Moritz  Simon.    Seiko.    Walter,  Professor.     Zippel. 


Gedruckt  in  der  Albert  Itosb  ach' sehen  Buchdrucker«!  in  Königsberg. 


Ans  der  Correspondenz  Herzog  Albrechts  v.  Prenssen 
mit  dem  Herzog  Christoph  voo  Wirtemberg 

von 

»r.  Theodor  Wiehert. 

Die  Entstehung  dieser  Schrift  ist  durch  besondere  Bücksichten, 
wodurch  sich  auch  selbst  ihr  geringer  Umfang  erklärt,  bedingt  gewesen. 

Der  Verfasser  hat  nämlich  zum  Stoff  derselben  durchaus  einen 
Gegenstand  wählen  wollen ,  der  in  gewissen  näheren  oder  auch  unmittel- 
baren Beziehungen  zu  demjenigen  Fürsten  Wirtembergs  stehe,  unter 
dem  zugleich  die  Landesuniversität  Tübingen  ihre  erste  Blüthezeit  erlebte. 
Diese  fällt  in  die  tiefbewegte  Reformationsepoche,  während  welcher 
einzelne  Theologen  Tübingens  eine  nicht  minder  angesehene  Stellung 
wie  diejenigen  Wittenbergs  einnahmen.  —  Am  geeignetsten  erschien 
ferner  die  Verarbeitung  und  Publicirung  noch  unbekannten  archivalischen 
Stoffs,  welchen  der  Verfasser,  der  seiner  Vorlesungen  wegen  an  den 
Ort  gebannt  war,  nur  im  hiesigen  Königl.  Staatsarchiv  suchen  konnte. 
Mit  bereitwilligster  Unterstützung  des  Vorstehers  desselben,  Herrn 
Staatsarchivars  Philip  pi,  dem  der  Verfasser  hiemit  seinen  Dank  ab- 
stattet, ward  dieser  in  der  erwünschten  Richtung  gefunden:  die  Corre- 
spondenz Herzog  Albrechts  von  Prenssen  mit  dem  Herzog 
Christoph  von  Wirtemberg  gab  dafür  einige  Ausbeute  her. 

Dieselbe  (nur  zum  Theil,  soweit  wichtig,  hier  mitgetheilt)  bean- 
sprucht aber  auch  ein  weiteres  historisches  Interesse,  d$  sich  —  was 
bei  der  Correspondenz  zweier  so  bedeutender  Persönlichkeiten,  die  zu 
den  fürstlichen  Zierden  der  Beformationsepoche  gehören,  in  erhöhtem 
Maasse  der  Fall  sein  muss  —  in  ihr  überhaupt  die  Bestrebungen  der 
damaligen  Zeiten  auf  kirchlich-politischem  Gebiet  getreu  widerspiegeln. 

*)  Der  Universität  Tübingen  als  Festgabe  zur  Tierhundertjährigen  Jubel- 
feier vom  Verfasser  gewidmet 

Altpr.  Moi»atMobrift  Bd.  XIV.  Hft.  6  o.  6.  25 


3gß  Aue  der  Correspondens  Herzog  Albrechts  von  Preussen  etc. 

Die  deutsche  Geschichte  während  der  Reformationsepoche  hat  zu 
ihrem  Hauptinhalt  die  Entscheidung  theologischer  Fragen :  die  kirchlichen 
Lehren  spielen  eine  Hauptrolle,  greifen  überall  in  das  politische  Gebiet 
nicht  blos  hinüber,  sondern  bestimmen  dieses  wesentlich.  Staats- 
und Kirchenpolitik  sind  in  einander  verflochten.  —  Im  evangelischen 
Lager  herrscht  leider  seit  Luthers  Hintritt  keine  Einigkeit  mehr  unter 
den  Kirchen  des  Reichs,  verschiedene  Richtungen  machen  sich  darin 
geltend.  Und  letztere  befehden  einander  in  heftiger  Weise.  Die  Zank- 
und  Streitsucht  der  evangelischen  Theologen  damaliger  Zeit  spottet 
aller  Beschreibung;  im  eignen  Lande,  wo  sie  doch  im  Verkehre  auf 
einander  angewiesen  sind,  finden  Händel  ohne  Unterlass  statt,  der 
religiöse  Lehrstreit  kennt  keine  Duldsamkeit. 

Herzog  Ulrich  von  Wirtemberg,  in  sein  angestammtes  Land  heim- 
gekehrt, hatte  sogleich  mit  der  kirchlichen  Reformation  begonnen,  welche 
dann  sein  Sohn  Christoph  in  durchgreifender  Weise  fortsetzte  und 
vollendete.  Die  Bedeutung  dieses  letzteren  ist  eine  allgemeine: 
nicht  blos  um  die  wirtembergische  Landeskirche,  sondern  auch  um  die 
evangelische  Kirche  des  Reichs  überhaupt  hat  er  sich  in  hervorragendem 
Maasse  verdient  gemacht.  Wir  finden  ihn  unaufhörlich  thätig  für  die- 
selbe, für  die  erstrebenswerte  Einigung  der  evangelischen  Reichskirche ; 
er  steht  mit  den  meisten  evangelischen  Fürsten  und  Ständen  des  Reiches 
in  lebhafter  Correspondenz, l)  treibt  dieselben  an,  gibt  Rathschläge, 
dringt  auf  Durchfuhrung  der  einmal  ge&ssten  Beschlüsse,  bemüht  sich 
überall  Eintracht  und  Frieden  unter  den  Evangelischen  herzustellen.2) 
Die  confessionelle  Hältung  Christophs  ist  in  allen  kirchlichen  Händeln 
wesentlich  lutherisch.3) 

In  lutherischem  Sinne  war  auch  bereits  Herzog  Ulrich  bei  der 
Reformation   der  theologischen  Facultät  seiner  Landesuniversität  Tü- 


')  Ueber  den  , äussert  vielseitigen  und  hochwichtigen  Briefwechsel  Christophs*, 
soweit  er  veröffentlicht,  8.  Stalin,  Wirtembergische  Geschichte,  Bd.  IV.  S.  477. 

*)  Christoph,  Herzog  zu  Wirtemberg,  von  Kngler.  2  Bde.  S.  das.  versch. 
Stellen,  I,  364;  II,  141  ff.  etc. 

3)  Ebd.  II,  161  f. 


▼on  Dr.  Theodor  Wiehert.  387 

hingen  vorgegangen  und  hatte  sich  dazu  vor  allen  Johann  Brenz7, 
eines  lutherischen  Predigers  aus  der  Beichsstadt  Schwäbisch-Hall,  be- 
dient. Dieser  ordnete  während  seines  Amtsjahrs  (1537)  mit  grösster 
Umsicht  die  akademischen  Verhältnisse,  sorgte  für  Vollziehung  der  von 
Ulrich  kurz  vorher  gegebenen  Universitätsordnung  und  brachte  insbe- 
sondere das  Lntherthum  in  der  theologischen  Facultät  zur  Geltung, 
indem  die  hier  früher  herrschenden  Zwinglianer  verdrängt  wurden.4) 
Fortan  blieb  Tübingen  und  damit  ganz  Wirtemberg  die  Hauptstütze 
der  lutherischen  Richtung  der  Kirche  in  Süd-Deutschland.  — 

Johannes  Brenz  ist  unter  den  theologischen  Helden  der  Refor- 
mation überhaupt  einer  der  tüchtigsten  und  hervorragendsten  gewesen, 
er  wird  neben  Luther  und  Melanchthon  mit  gleicher  Auszeichnung 
genannt.5)  Seine  Wirksamkeit  bezieht  sich  aber  hauptsächlich  auf 
Schwaben,  er  ist  der  schwäbische  Reformator  xaf  i^ox^jv.  —  Im 
Jahre  1546  wurde  er,  als  die  kaiserlichen  Truppen  in  Schwäbisch-Hall 
einzogen,  vertrieben  und  fand  nach  vielen  Gefahren  eine  endliche  Zu- 
flucht bei  Herzog  Ulrich  von  Wirtemberg.  Dieser  nahm  sich  des 
standhaften  Mannes,  auf  dessen  Kopf  sogar  ein  Preis  ausgesetzt  war, 
an  und  beschützte  ihn  während  der  trüben  Jahre  des  Umherirrens;  so- 
bald aber  Christoph  zur  Landesregierung  gekommen  (6.  November  1550), 
wurde  Brenz  in  den  wirtembergischen  Kirchen-  und  Staatsdienst  über- 
nommen. Christoph  erhob  ihn  im  Jahre  1553  zum  Probst  der  Stifts- 
kirche zu  Stuttgart,  der  höchsten  kirchlichen  Würde  des  Landes.  Und 
als  solcher  war  Brenz  nun  unermüdlich  für  die  Reformation  des  Kirchen- 
und  Schulwesens  in  Wirtemberg  thätig :  die  grosse  Kirchenordnung 
vom  Jahre  1559  mit  der  wirtembergischen  Confession  an  der  Spitze 
ist  sein  Werk.  Bei  der  ausgezeichneten  Fürsorge  Herzog  Christophs 
für  die  Landesuniversität  erschien  auch  hier  Brenz  als  die  Hauptstütze.  *) 


4)  Klüpfel,  Geschichte  und  Beschreibung  der  Universität  Tübingen  (1849) 
S.  37  f.  —  Ausführlicher  und  eingehender  werden  Brenz1  Verdienste  nm  die  Uni- 
versität gewürdigt  in  dem  Note  5  genannten  Buche. 

6)  Johann  Brenz  von  Hartmann  und  Jäger.  2  Bde.  1840  u.  42.  —  Hart- 
mann, J.  Brenz  in  »Leben  und  ausgewählte  Schriften  der  Väter  und  Begründer  der 
lutherischen  Kirche4  VI.  Theil  (1862). 

6)  s.  auch  Eugler  I,  378  f. 

25* 


338  ^us  ^er  Correapondenz  Herzog  Albrechte  von  Preussen  etc. 

Ueberhaupt  haben  wir  in  Brenz  den  mit  dem  höchsten  Vertrauen  be- 
ehrten und  bis  zum  Lebensende  treu  zur  Seite  stehenden  Berather  des 
Herzogs  zu  erkennen.  — 

Auch  ausserhalb  seiner  engern  Heimath  hatte  Brenz1  Name  guten 
Klang,  galt  sein  Rath  vorzugsweise  viel  bei  einem  Fürsten,  der  an  der 
äussersten  Nordostecke  des  deutschen  Reichs  die  neue  Kirchenlehre  zu 
hegen  und  pflegen  in  sich  den  Beruf  fühlte. 

Herzog  Albrecht  von  Preussen  war  durch  Luther  selbst  zum 
Wechsel  seiner  früheren  Ordensstellung  überredet  worden  und  hatte  die 
bereits  in  Preussen  um  sich  gegriffene  Reformation  der  Kirche  dann 
eifrig  durchgeführt.  So  lange  Luther  lebte,  hielt  übrigens  der  Fürst 
zu  ihm  und  den  Wittenberger  Theologen,  war  auch  besonders  mit 
Melanchthon  befreundet.  Aber  später  entfremdete  er  sich  innerlich 
letzteren  und  neigte  immer  mehr  zu  den  süddeutschen  Theologen  des 
Augsburger  Bekenntnisses  hin.  —  Andreas  Oslander  hatte  einst  (1523) 
als  evangelischer  Prediger  zu  St.  Lorenz  in  Nürnberg  den  ersten  Funken 
des  reinen  Evangeliums  in  Albrechts  Seele  gelegt;  zu  ihm  fühlte  sich 
Albrecht  von  Anbeginn  hingezogen,  und  er  war  auch  der  Grund,  dass 
der  Fürst  dann  mit  den  süddeutschen  Theologen  in  Verbindung  trat 
und  an  diesen  eine  Stütze  seiner  confessionellen  Haltung  suchte. 

Andreas  Oslander7)  folgte  im  Jahre  1549  einem  Rufe  Herzog 
Albrechts  nach  Königsberg  als  Prediger  an  die  altstädtische  Kirche; 
überdies  erhielt  er  dort  die  erste  theologische  Professur  an  der  vom 
Herzoge  begründeten  Universität.  Bekannt  ist,  dass  alsbald  über  die 
von  Oslander  vorgetragene  '„Rechtfertigungslehre*  ein  höchst  ärgerlicher 
und  verderblicher  Streit  ausbrach,  an  dem  nicht  blos  einzelne  Prediger 
der  Stadt  und  Theologen  der  Universität  Theil  nahmen,  sondern  durch 
den  allmählich  auch  das  ganze  Land  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde. 
Die  strengste  Richtung  des  Lutherthums  hatte  unter  Geistlichkeit  und 
Adel  Preussens  schon  festen  Fuss  gefasst;  Oslanders  Lehre,  welcher 
wol  der  Landesherr  persönlich  huldigte,  wurde  aber  von  jenen  als  eine 
pure  Ketzerei,  als  ein  Abfall  vom  rechten  Lutherthum  betrachtet  und 

7)  nach  Möller  in  »Leben  und  ausgewählte  Schriften  der  Väter  und  Begründer 
der  lutherischen  Kirche4  V.  Theü  (1870). 


von  Dr.  Theodor  Wiehert,  3g9 

bekämpft.  —  In  seiner  Noth  und  zugleich  in  der  trefflichen  Absicht, 
den  Lehrstreit  beizulegen,  wandte  sich  nun  Herzog  Albrecht  an 
die  süddeutschen  Theologen,  sowie  an  Christoph  von  Wirtem- 
berg  selbst,  der  immer  bereitwilligst  beisprang,  um  Bath  und  Hilfe. 
Der  Briefwechsel  beider  Fürsten  bezieht  sich  daher  grossentheils  auf 
diesen  Gegenstand. 

Mit  finem  süddeutschen  Theologen,  den  er  gerne  in  sein  Land 
ziehen  wollte,  hatte  aber  Albrecht  schon  längst  angeknüpft,  noch  be- 
vor der  Osiandrische  Streit  in  hellen  Flammen  aufloderte,  und  diesen 
vor  allen  ging  der  Herzog  dann  immer  wieder,  so  oft  es 
Noth  that,  um  Bath  an.  Es  ist  Johannes  Brenz  gewesen;8) 
auch  um  diesen  handelt  es  sich  daher  meist  in  der  Correspondenz  schon 
Herzog  Ulrichs  von  Wirtemberg  und  dann  Christophs  mit  Albrecht.  — 

Aus  einem  Briefe  Brenz7,  gerichtet  an  Vitum  Theodorum  vom 
12.  November  1548 9)  ersehen  wir,  dass  Herzog  Albrecht  schon  damals 
sich  bemühte,  Johannes  Brenz,  der  kaum  einen  Buhepunkt  während 
seiner  Verfolgungen  bei  Herzog  Ulrich  gefunden,  für  den  preussischen 
Kirchendienst  zu  gewinnen.  Albrecht  bediente  sich  als  Vermittlers 
eben  jenes  Veit  Dietrich,  Predigers  zu  Nürnberg  und  nahen  Freundes 
von  Brenz.  Diesem  seinem  Freunde  antwortete  Brenz  in  einem  andern 
Briefe  gegen  Schluss  des  Jahres, i0)  dass  es  ihm  sehr  schwer  werde, 
sich  für  Freussen  zu  entscheiden;  und  am  7.  Februar  1549  schrieb 
Brenz  endlich  an  Herzog  Albrecht  selbst,  um  ihm  anzuzeigen,  dass  er 
sich  aus  Dankbarkeit  gegen  seinen  Beschützer  verpflichtet  fühle,  vor- 
läufig „sieh  nicht  aus  diesen  [wirtembergischen]  Landen  zu  thun,  son- 
dern auf  seiner  F.  G.#  Beruf  gehorsamlich  zu  warten." ,!)  — 


8)  J.  Voigt,  Briefwechsel  der  berühmtesten  Gelehrten  des  Zeitalters  der  Re- 
formation mit  Herzog  Albrecht  von  Preossen  (1841),  hat  einiges  dazu  beigetragen, 
um  das  Verhältniss  dieses  schwäbischen  Theologen  zu  Herzog  Albrecht  ans  deren 
Briefen  zu  beleuchten,  doch  genügt  dies,  unvollständig  wie  es  ist,  nicht  mehr;  und 
es  ist  daher  jetzt  auf  Presse  1,  Anecdota  Brcntiana  (Tübingen  1868),  zu  verweisen. 

9)  Anecdota  Brentiana  n.  148. 
,0)  1.  c.  n.  151. 

")  Dieser  Brief  auch  schon  bei  Hartmann  u.  Jäger,  Anhang  S.  522,  gedruckt, 
noch  einmal  bei  Pressel  n.  155. 


390  ^us  ^er  CorrespondenE  Hersog  Albrechts  von  Preussen  etc. 

Indess  kam  bald  die  Gelegenheit  für  Herzog  Albrecht  einen  zweiten 
Buf  an  Brenz  ergehen  zu  lassen.  Das  Samländische  Bisthuin  war 
nämlich  durch  das  Hinscheiden  des  ersten  Bischofs  Georg  von  Polentz 
erledigt  worden  (28.  April  1550), ")  und  Albrecht  wünschte  Brenz  nun 
zum  Präsidenten  desselben  herbei  (als  „Bischof*  sollte  keiner  mehr 
bestellt  werden).  Diesmal  wandte  er  sich  aber  an  die  Herzoge  Ulrich 
und  —  nach  dessen  Tode  —  Christoph  von  Wirteniberg,  an  letzteren 
wiederholentlich ,    freilich   immer   vergeblich.    Hier  folgen  die  Briefe. 

Herzog  Albrecht  an  Herzog  Ulrich 

zu  Wirtemberg. 

den  14.  Juni  1550.*) 

Daneben  wollen  wir  E.  L.  freundlich  nicht  bergen,  das  wir 
vergangener  zeit,  fast  in  anfang  als  sich  die  Verfolgung  der 
Kirchen  erhoben,  den  wirdigen  und  hochgelarten  vnsern  be- 
sondern lieben  Johannem  Brentium,  in  betrachtung,  er  villeicht 
mit  beschwerlicher  Unsicherheit  seines  leibs  und  lebens  be- 
druckt sein  mochte,  sich  auch  wol  an  andere  ort  begeben 
muste,  vermittelst  unsers  schriftlichen  ersuchens  an  uns  bitt- 
lich  erfordert,  Worauf  uns  dann  bemelter  Brentius  widerumb 
durch  sein  schreiben,  das,  so  ferne  er  von  E.  L.  abkomen 
konnte,  uns  für  anderen  herren  zu  suchen  erbuttig  were,  zu 
erkennen  gegeben,  Weil  es  dan  an  dem,  das  unlängst  got  den 
hochwirdigsten  etc.  Bischofen  zu  Samland  von  dieser  weit 
abgefordert,  weren  wir  sampt  unsern  Unden  und  leuten  seiner 
person  zu  Verwaltung  der  geistlichen  iurisdiction  und  super- 
intendentz  desselben  bischoflichen  ampts  Samland  wol  benotigt, 
und  gelangt  derhalben  an  E.  L.  unser  freuntileissiges  bitten, 
Sie  wolle  in  betrachtung,   das   mehrgedachter   ehr  Johannes 


»)  Preussische  Kirchen-Historia  von  Hartknoch  (1686)  S.  308. 
*)  Unter  diesem  Briefe  (Abschrift  im  herzogliehen  Archiv  zu  Königsberg)  die 
Notiz:  »in  simili  forma  ist  an  Herzog  Christoph  geschrieben  worden*. 


von  Dr.  Theodor  Wiehert.  39  J 

Brentius  der  christlichen  Kirchen  an  diesen  abgelegenen  orten 
villeichte  mehr  nutz  sein  und  dienen  möge,  dann  das  er, 
itziger  gelegenheit  nach,  sich  verborgen  enthalten  müsse,  uns 
solchen  mann  gönnen  und  zukommen  lassen,  auch  [mit]  ihm 
für  Ire  person  uns  zum  besten  handeln,  dass  er  sich  zu  oben- 
bemeltem  ampt  brauchen  lasse  und  sich  mit  dem  förderlichsten 
in  unser  land  begebe,  Wollen  wir  seine  person  dermassen 
unterhalten  und  vorsehen,  das  er  aller  ehren  und  notdurft 
gesetigt  und  zufrieden  sein  sollte.  Was  nun  E.  L.  hiran  dem 
allerhöchsten  got  zu  förderung  seiner  ehren  und  ausbreitung 
seines  lieben  worts  zu  einem  gefalligen  werke  erzeigen,  wird 
derselb  E.  L.  reichlich  vergelten,  so  wollen  wir  auch  fiir  unser 
person  sampt  den  kirchen  unser  lande  fiir  E.  L.  langes  leben, 
gesuntheit  und  erledigung  aller  Irer  beschwer  got  anzurufen 
nit  unterlassen,  freuntlich  bittende,  gleichwol  wege  suchen  zu 
wollen,  das  diese  unsere  bitliche  anforderung  in  aller  stille 
und  geheim  gehalten  werde.  — 


Herzog  Albrecht  an  Herzog  Christoph 

zu  Wiriemberg. 

lö.  Januar  1551. 

Nachdem  Wir  jüngsten  von  E.  L.  dienern  mit  herzlichem 
Frohlocken  vermerkt,  dass  E.  L.  zu  Ihren  Landen  und  Leuten 
kommen,  so  seint  Wir  doch  wiederumb  bericht,  als  solle  E.  L. 
derohalben  noch  allerlei  Beschwernus  vorstehen.  Dieweil  wir 
aber  gerne,  wie  es  E.  L.  als  unserm  geliebten  Oheim  und 
Schwager  erginge,  wissen  wollten,  haben  wir  nit  unterlassen 
wollen,  gegenwärtigen  unsem  Boten  an  E.  L.  abzufertigen, 
freundlich  bittende,  solches  nit  anders  dann  freuntlich  zu  ver- 
merken und  bei  demselben  E.  L.  Zustand  und  Gelegenheit  zu 
vormelden.  Sintemal  wir  auch  vorschienen  50ten  Jahres  an 
E.  L.  und  derselben  Herren  Vater  seligen  geschrieben  und 
gebeten,  als  Wir  erfahren,  dass  der  würdige  und  hochgelahrte 


392  Aufl  ^er  Korrespondenz  Herzog  Albrechts  von  Preussen  etc. 

unser  besonder  Lieber  Jobannes  Brentius  sieb  bei  E.  L.  er- 
balten solle,  dass  S.  L.  und  £.  L.  uns  denselben  Mann  wollten 
zukommen  lassen,  demnach  an  E.  L.  noch  unser  ganz  freunt- 
lich  Bitten  und  Ersuchen,  Sie  wollen  unbeschwert  sein  und 
allen  Fleiss  ankehren,  damit  wir  zur  Erweiterung  des  lieben 
Wort  Gottes,  dem  Wir  E.  L.  sonderlich  zugetan  wissen,  ge- 
nannten Brentium  in  diese  Lande  zu  uns  bekommen  mögen, 
dan  wir  ihn  (wie  wir  des  auch  in  vorigem  unserm  Schreiben 
gemeldet)  mit  einem  Bistum  zu  Vorsorgen  bedacht.  Nachdem 
Wir  auch  an  oft  genumpten  Brentium  zuvor  etliche  Schriften 
verfertigen  lassen  und  doch  die  Beisorge  tragen  solche  ihme 
nit  zukommen  sein  möchten,  haben  Wir  abermals  an  ihn  ge- 
schrieben bittende,  E.  L.  wolle  ihm  solch  Schreiben  mit  dem 
ehesten,  wo  er  anzutreffen,  zufertigen  und  zustellen  lassen.  — 

Johannes  Brenz  selbst  richtete  später,  am  27.  Februar  1551, 
auch  ein  Schreiben  an  Herzog  Albrecht,  worin  er  bedauerte,  dem  an 
ihn  ergangenen  Bufe,  „die  geistliche  Jurisdiction  zu  Samland*  zu  über- 
nehmen, nicht  folgen  zu  können. I8)  — 

Nun  erhielt  letztere  Osiander  zu  Königsberg,  der  es  übrigens 
scheel  angesehen,  dass  sich  sein  Landesherr  um  Brenz  bemüht  hatte.  ") 

Schon  griff  aber  der  Lehrstreit  von  der  „ Rechtfertigung",  den  in- 
zwischen Osiander  aufgeworfen  hatte,  unter  den  Königsberger  Theologen 
um  sich  und  gewann  bei  der  Hartnäckigkeit  der  Gegner  immer  mehr 
an  Intensität.  Osiander  wurde  von  letzteren  nicht  als  Präsident  des 
Samländischen Bisthums  anerkannt;  an  ihn  schrieb  Brenz  am  23.  Au- 
gust 1551  einen  freundschaftlichen  Brief,  bat  ihn  Frieden  zu  halten 
und  setzte  hinzu,  dass  wenn  er  früher  von  dem  Streit  gehört,  er  um 
deswillen  nach  Königsberg  auf  eine  Zeit  lang  gekommen  sein  würde. ,5) 

Es  hätte  dies  doch  weiter  nichts  gefruchtet!  Denn  den  Osiandri- 
schen  Streit  zu  dämpfen,  dazu  erwies  sich  in  der  Folge  trotz  Brenz' 


13)  Anecdota  Brentiana  n.  163. 

")  s.  Moller,  Leben  Osianders,  S.  413. 

")  Anecdota  Breutiana  n.  169. 


von  Dr.  Theodor  Wiehert.  393 

und  der  Wirtemberger  Theologen  Gutachten,  trotz  aller  Masregeln 
selbst  die  Hand  des  Landesherm,  an  dem  Oslander  eine  Stütze  fand, 
für  durchaus  nicht  stark  und  mächtig  genug.  — 

Auf  das  Verlangen  Albrechts  und  unter  der  Autorität  Herzog 
Christophs  haben  Brenz  und  die  ihm  zugeordneten  Theologen  Wirtem- 
bergs,  insbesondere  der  Universität  Tübingen  in  der  Osiandrischen  Lehre 
hintereinander  zwei  Besponsa  oder  Erkenntnisse  ausgestellt  und  nach 
Königsberg  abgesandt:  das  eine  datirt  vom  5.  December  1551  und  das 
andere  vom  1.  Juni  1552. 18)  Beide  fallen  im  allgemeinen  der  Lehre 
Osianders  nicht  so  sehr  zu,  dass  diese  entweder  ganz  gebilligt  oder 
ganz  verworfen  würde,  erklären  aber  den  Streit  für  einen  müssigen  Zank. 

Noch  ein  —  zum  dritten  —  Mal  erging  von  Seiten  Albrechts 
der  Ruf  an  Brenz,  nach  Preussen  zu  kommen,  um  das  Bisthum  Po- 
mesanien,  welches  seit  dem  Ableben  des  Bischofs  Speratus  (12.  August 
1551) ")  vakant  war,  zu  übernehmen.  Brenz  antwortete  wiederum  ab- 
lehnend. I8)  —  Ebenso  begegnete  Albrechts  Bitte,  ihm  Brenz  zu  über- 
lassen, bei  Christoph  nur  tauben  Ohren:  Christoph  konnte  dieses 
eifrige  Eüstzeug  der  Kirche  nicht  entbehren.    Hier  der  Brief: 

Wir  haben  E.  L.  schreiben,  des  datum  steet  den  26  jungst 
verschines  Monats  Februarii,  sambt  den  zweien  copien,  und 
Confutation,  auch  etlichen  getruckten  buechlin  empfangen. 
Und  wiewol  wir  zu  Gott  dem  Herrn  tröstlich  verhoffen,  das 
der  hochbeswerlich  misverstand  zwuschen  E.  L.  theologen  mit- 
lerweil  zu  Christenlicher  guter  Vergleichung  gebracht  worden: 
Jedoch  so  haben  wir,  auf  obberurt  E.  L.  uberschickung.  deren 
freuntlichen  begeren  nach,  unsere  theologos  ir  ferner  bedenken 
in  schritten  stellen  lassen,  wie  E.  L.  hieneben  bewart  ver- 
neinen werden,  Gott  den  Herrn  von  herzen  bittend,  wo  E.  L. 
theologen  noch  der  Zeit  nit  allerdings  verglichen  weren,  das 
solches  durch  bemelt  bedenken  oder  andere  fügliehe  Gotl  ge- 


i6)  8.  Arnold  ts  knrzgefasste  Kirchengeschichte  des  Königreichs  Preussen  (1769) 
S.  426  ff. 

n)  »Begründer  der  lutherischen  Kirche*  Th.  VIII.,  Speratus  v.  Pressel,  S.  81. 
")  Anecdota  Brentiana  n.  182:  Brief  an  Herzog  Albrecht  vom  3.  Juni  1552. 


394  Ans  der  Correspondens  Herzog  Albreehts  von  Preussen  etc. 

fellige  mittel,  forderlich  beschehe.  Und  gleichwol  so  hetten 
wir  solch  schidlich  bedenken  gerne  zeitlicher  verfertigen  lassen; 
So  hat  aber  solches  in  Bedenkung  der  vor  angen  schwebender 
beschwerlicher  kriegsleuff  und  anderer  obliegender  Sachen  nit 
sein  künden,  Bitten  deshalb  E.  L.  freundlich,  uns  des  verzugs- 
halber hierin  entschuldiget  zu  haben. 

Sovil  dann  magistrum  Johannem  Brencium  pp.  antrifft,  wie- 
wol  wir  E.  L.  mit  allem  freutlichem  und  Swägerlichem  willen 
und  in  vil  hoherm  zu  wilfaren  ganz  geneigt  seien,  aber  noch 
dannocht,  dieweil  wir,  auch  unsere  von  Gott  dem  Herrn  be- 
volhne  und  vertraute  unterthonen  nit  allein  an  seins  gleichen, 
sondern  vU  geringern  kirchendienern  grossen  und  hochbe- 
schwerlichen mangel  haben,  und  dann  das  rein  wahr  Ewan- 
gelium  in  dieser  Landsart  und  sonderlich  in  Reichs  stetten 
(Gott  hab  lob.)  widerumb  im  Schwankh,  dermassen,  das  ver- 
hoffenlich  der  rechte  Gotsdienst  (darzu  man  dann  sein  des 
Brenzen  gar  von  nötten  ist)  wider  angericht  und  gepflanzt 
werden  soll,  und  wir  deszhalber  sein  nit  entrathen  künden: 
So  bitten  wir  freuntlich  und  Swägerlich,  uns  solches  nit  zu 
ungutten  anzunemen,  Sonder  das  es  unser  auch  der  unsern 
und  ander  guthertzigen  Christen  hohe  notdurfft  sei,  Swägerlich 
zu  vermerken. 

Worin  wir  aber  sonst  E.  L.  freuntüche  und  anmuetige 
Dienst  beweisen  künden,   dess  seien  wir  ganz  gutwillig  und 
sonders  geneigt. 
Datum  Tübingen  den  12  Junii  anno  1552. 

Chiistoß.  Herzog  za  WirtUnbirg. 

(eighd.) 
Auch  nach  dem  bald  darauf  erfolgten  Tode  Oslanders  (17.  October 
1552)  hörte  das  dogmatische  Gezänk  unter  den  Königsberger  Theologen, 
denen  auch  auswärtige  assistirten,  keineswegs  auf;  alle  Yermittelungs- 
versuche,  von  Brenz  selber  und  den  übrigen  Theologen  Wirtembergs  aus- 
gehend, schlugen  fehl.  —  Wir  brauchen  den  kirchlichen  Hader  in  seinen 
einzelnen  Stadien  hier  nicht  weiter  zu  verfolgen,   sondern  nur  noch 


von  Dr.  Theodor  Wiehert.  395 

auf  den  Zusammenhang  aufmerksam  zu  machen,  in  den  die  beiden  von 
uns  im  folgenden  mitgetheilten  Briefe  Herzog  Christophs  an  Albrecht 
hingehören. 

Da  Christoph  seinen  ausgezeichneten  Berather  Brenz,  dem  Herzog 
Albrecht  mit  Uebersendung  seiner  eignen  Confession  (zu  der  Brenz 
später  eine  Vorrede  schrieb) l9)  von  neuem  das  Bisthum  Samland  an- 
geboten hatte,20)  nicht  missen  und  ausser  Landes  ziehen  lassen  durfte, 
so  schickte  er  seinem  Schwager  auf  dessen  dringendes  Begehren,  wenig- 
stens zum  Collegium  nach  Königsberg,  zwei  Wirtembergische  Theologen 
Jacob  Beurlin,  Professor  an  der  Universität  Tübingen,  und  Rupert 
Dürr,*1)  welche  freilich  dann  un verrichteter  Sache  heimkehrten.  Ausser- 
dem aber  theilte  ihm  Christoph  in  einem  —  darum  nicht  uninteres- 
santen —  Schreiben  (das  erstere,  welches  unten  folgt)  die  Masregeln 
mit,  die  er  selbst  anwandte,  um  den  Frieden  unter  den  Augsburger 
Confessionsverwandten  zu  erhalten  —  worunter  eine  Ueberwachung  der 
Universitätslehrer  mitzählte  — ,  ferner  seine  Kirchenordnnng  sammt  der 
ungedruckten  Instruction  zur  Durchführung  derselben.  Einen  Theologen 
aus  Wirtemberg  erhielt  Albrecht  für  seine  Landesuniversität  nicht;  und 
als  er  später  statt  des  Brenz  den  inzwischen  schon  zur  Bedeutung  ge- 
langten Jacob  Andreae22)  von  Christoph  forderte,  schlug  ihm  dieser 
(was  unser  Erachtens  bisher  nicht  bekannt  geworden  ist)  das  rundweg 
ab  aus  dem  Grunde,  weil  Tübingen  Mangel  aber  nicht  Ueberfluss  an 
Theologen  habe.  Das  letzte  von  uns  hier  mitgetheilte  Schreiben  stellt 
solches  in  das  richtige  Licht. 


1B)  1.  c.  n.  215. 

so)  s.  die  abschlägige  Antwort  Brenz'  an  Albrecht  v.  16.  April  1553  1.  c.  n.  193. 

")  s.  Arnoidts  Kirchengeschichte  S.  436. 

")  s.  dessen  Biographie  von  Hartmann  in  Herzogs  Realencyklopädie.  Jacob 
Andreae,  ein  geborner  Wirtemberger,  wnrde  von  Christoph  im  Jahre  1553  znm 
Superintendenten  von  Göppingen  ernannt,  später  Professor  der  Theologie,  Propst 
und  Kanzler  der  Universität  Tübingen.  »Nächst  Brenz,  als  dessen  eigentlichen  Nach- 
folger wir  ihn  zu  betrachten  haben,  hat  A.  zur  Ausprägung  des  Charakters  der 
wirtembergisohen  Kirche  am  meisten  beigetragen.*  Auch  ausserhalb  der  Landes- 
grenzen ist  A.  —  und  zwar  darum  wol  vorzugsweise  —  bekannt  als  Verfasser  der 
sog.  Concordienformel.    Er  starb  1590. 


396  Aus  der  Correspondenz  Herzog  Albrechts  von  Preuasen  etc. 

Herzog  Christoph  an  Herzog  Albrecht  zu  Preussen. 

Stuttgart  den  4  Januar  1554. 

E.  L.  jungst  schreiben  vom  dato  den  ersten  tag  nechstver- 
schienen  monats  Octobris  sambt  darbei  verwarten  schrifffcen 
sein  uns  durch  den  hochgelertten  unsern  lieben  getreuwen 
doctor  Jacob  Peurlin  professorn  der  hailigen  schrifft  bei  unser 
hohen  schul  zu  Tubingen  wol  uberantwort  worden,  welche  alle 
wir  ires  inhalts  verlesen  und  daneben  von  ime  doctor  Jacobum  (!) 
aller  darin  angezogner  auch  sonst  anderer  in  seiner  gegen- 
wärtigkeit gepflegten  tractation  halber  gnugsamen  bericht  ein- 
genommen und  sein  darauf  Vorhabens  gewesen,  £.  L.  freuntlich 
zu  beantworten,  so  hat  aber  jetzund  und  hiezwischen  E.  L. 
deren  Rath  doctorem  Jeorgium  Langium  zu  uns  mit  einer 
Credenzschrift  abgevertigt  und  durch  ine  bei  uns  in  obgemelter 
sache  drei  puncten  werben  lassen,  und  tragen  mit  E.  L.  ein 
freuntlichs  und  christliches  mitleiden,  das  sich  die  Zwiespalt 
von  der  rechtvertigung  des  menschen  u.  a.  in  E.  L.  fursten- 
thumb so  weit,  grob  und  beschwerlich  eingerissen  hat,  der 
tröstlichen  hofnung,  das  durch  E.  L.  den  Pfarrern  gegebenen 
Abschied  den  Kirchen  E.  L.  furstenthums  geholffen  werde. 
Das  sich  hierin  niemands  der  Unwissenheit  entschuldigen  und 
die  ungehorsamen  irer  gebürenden  straff  bericht  haben  konndten, 
möchten  E.  L.  ein  offen  mandat  in  Truck  ausgeen  auch  allent- 
halben in  deren  furstenthumb  verkündigen  und  darzu  anschlagen 
lassen,  ungevarlich  laut  beiliegends  concepts,  *)  darin  dann 
neben  der  leer  als  dem  haubtartickel  auch  die  Execution  nnd 
straff  unsers  erachtens  genugsamlich  angehefft  ist. 

Zum  andern  als  E.  L.  durch  gemelten  Doctor  Jeorgium  an 
uns  freuntlich  begeren  lassen,  das  wir  niemands  in  unserm 
furstenthumb  gestatten  wellen,  wider  obangeregten  E,  L.  ab- 
schid  was  im  Truck  ausgeen  zu  lassen  oder  jsonst  zu  schreiben. 


*)  dies  ist  nicht  mehr  dabei. 


▼on  Dr»  Theodor  Wiehert  397 

Hierin  werden  sich  E.  L.  ans  nnsern  hievordem  uberschickten 
schrifften  freuntlich  wissen  zu  erinnern  das  ans  allerlei  aus- 
gefürten  Ursachen  für  wolberatenlich  und  nutzlich  angesehen 
worden,  das  der  Augspurgischen  C.  verwandte  Stend  iren  Theo- 
logis und  universiteten  mit  ernst  gebieten  sollen  sich  der- 
gleichen Sachen  sonderlich  one  erlaubnus  der  Oberkeiten  zu 
enthalten.  Wie  wir  dann  unsers  theils  alsobald  gethon.  Und 
obgleich  solche  christenliche  nutzliche  und  ja  auch  notwendige 
vergleichung  nit  beschehen,  So  wollen  Wir  doch  nichts  desto- 
weniger  und  one  das  solches  mit  nichten  und  keineswegs 
gestatten. 

Dieweil  zum  dritten  E.  L.  in  irem  Abschied  in  gedachtem 
Hauptartikel  Justificationis,  wie  der  hinföran  gepredigt  werden 
soll,  lauter  und  genugsam  erklert,  so  achten  Wir  gantz  nit 
von  nöten  und  darzu  auch  nit  fruchtbar,  das  E.  L.  über  solches 
alles  nochmals  ein  confession  und  fumemlich  mit  einer  prae- 
fation  des  hochgelerten  unsrers  probsts  allhie  Johann  Breiitii 
in  Truck  ausgeen  lassen. 

Auch  erachten  Wir  nit  ungeraten  zu  sein,  E.  L.  unsere 
Kirchenvisitation  Superintendenten-Examination  und  Confirma- 
tion  der  prediger  Ordnungen  zu  senden  sambt  einer  Nebenin- 
struetion  unsern  Richtern  gegeben  **)  und  wie  wir  es  mit  den 
wiederteuffern  halten.  —  Es  möchten  auch  E.  L.  nach  Ge- 
legenheit deren  furstenthumbs  dergleichen  Ordnungen  verfassen. 

Wir  hielten  auch  nit  unratsam  zu  sein,  das  E.  L.  diejenigen 
beiderseits,  so  sich  mit  leeren,  schreiben  oder  in  andere  weg 
bisher  vertieft,  gnediglich  ermanen,  aus  christlicher  liebe  zu 
gelegen  zeitten,  das  solche  das  arm  gemeine  volk  widerumben 
der  rechten  leer  laut  Augspurg.  confession  und  E.  L.  abschied 
gemes  underwisen  hätten.  — 

[Eigenhändig  gezeichnetes  Original  mit  dem  forstlichen  Secret  im  Staatsarchiv 

zn  Königsberg.] 


**)  nicht  gedruckt. 


398  Ans  der  Correspoodona  Hersog  Albrechts  ron  Pretiosen  etc. 

Herzog  Christoph  an  Herzog  Albrecht  zu  Preussen. 

Stattgart  den  14  December  1556. 

[Antwort  auf  das  Schreiben  des  Herzogs  Albrecht  vom  27,  October  1556, 

das  nicht  erhalten  ist] 

Und  wiewohl  Wir,  und  sonderlich  in  betrachtung  E.  L.  aus- 
gefierter  Ursachen,  wolgeneigt  weren  E.  L.  Doctor  Jacoben 
Andree  halber  freuntlich  zu  willfaren,  so  kann  doch  solüchs 
nit  Statt  haben;  es  ist  bei  unser  universitet  zu  Tubingen  erst 
neulcher  tagen  ein  Professor  Theologie  aus  dieser  zeit  ver- 
scheiden und  sonst  noch  einer  alters  halber  also  onvermögen- 
lich  worden,  das  er  nit  mer  lesen  kan,  zu  dem  das  Wir  dem 
hocbgebornen  forsten  unserm  freuntlichen  lieben  Schwager, 
Bruder  und  gevatter  Marggraff  Carln  zu  Baden  zu  Visitation 
und  reformation  S.  L.  Kirchen  [einen]  unserer  fornemen  Doc- 
toren  Theologie  ein  jar  lang  mit  höchster  unser  ungelegenheit 
bewilliget  und  zugesandt.  Und  wo  Wir  zu  Tubingen  die  ordent- 
lichen lectiones  Theologie  (doch  dismals  allein  zu  eim  theil) 
versehen  wollen,  so  haben  Wir  von  einer  namhaftigen  pfar  ein 
Doctorem  dahin  verordnen  muessen.  Und  ist  dannocht  uff 
disen  tag  noch  ein  Lection  Theologie  ledig  und  one  versehen. 
Zu  dem  das  die  erblich  krankheit  der  pestilentz  vast  in  unser 
gantz  land  hefftig  auch  uberhandt  nimbt.  Da  dann  uns  dis 
jar  vil  Kirchendiener  in  Gott  verschiden  und  zu  besorgen  noch 
mehr  in  disem  Sterbend  hingehen  mögen,  also  das  Wir  war- 
lich selbst  an  gelerten  Kirchendienern  und  Seelsorgern  nit 
deinen  mangel  haben,  dermassen,  das  auch  Wir  vil  pfarren 
mit  Kirchendienern  nit  künden  besetzen.  Darumben  bitten 
Wir  E.  L.  freuntlichen,  die  wolle  uns,  die  wir  derselben  aus 
obvermelten  eehaften  Ursachen  nit  zu  willfaren  wissen,  freuntlich 
für  entschuldiget  halten.  — 

[Eigenhändig  gezeichnetes  Original  unter  dem  herzoglichen  Secret  im  Staatsarchiv 

zu  Königsberg.] 


Ortsnamen  der  Provinz  Preussen. 

Von 

F.  Hoppe, 

Qymnuial-Oberlehrer  in  Gumbinnen. 

V. 

Zu  Scriptor.  rer.  Pruss.  III,  80  „Gampanile  in  Mispilwalde  cum 
campanis  integrum  sine  fractura  fuit  motum  de  loco  suo  ad  spacium 
XIII  pedum"  bemerkt  E.  Strehlke:  „Mispilwalde,  ein  jetzt  nicht 
mehr  vorhandener  Ort,  lag  nach  Voigt  S.  24  im  Gebiete  von  Bra- 
thean  Er.  Löbau  in  der  Nähe  von  Badomno  und  Skarlin."  Mispel 
ist  soviel  als  Mistel  nach  Nessel  mann,  Thes.  1.  Pruss.  S.  36:  »emelno 
Mistel,  Schmarotzergewächs  auf  Bäumen,  viscum  album,  hier  im  Volks- 
munde allgemein  Mispel  gesprochen  und  so  auch  im  Elbinger  Vocabular 
geschrieben/  Die  Mistel  heisst  im  polnischen  jemiola;  davon  ist  be- 
nannt das  Löbauer  Dorf  Jamielnik  d.  h.  Leute  im  Mispelwalde; 
das  Dorf  gehörte  nach  Goldbecks  Topographie  zum  Domänenamtsbezirk 
Brattian,  zur  Kirche  Badomno.  Demnach  dürfte  Jamielnik  nur 
die  polnische  Benennung  des  alten  Mispilwalde  sein;  es  ist  dem 
Löbauer  Dorf  ebenso  ergangen,  wie  vielen  deutschen  Dörfern  in  Masuren, 
worüber  vgl.  Ortsnamen  IV.  und  Ortsnamen  des  Begierungsbezirks  Gum- 
binnen S.  8.  Ein  zweites  Dorf  Jamielnik  liegt  im  Kreise  Strasburg, 
Mispelsee  heisst  ein  Osteroder  Dorf.  Im  altslav.  lautet  das  Wort 
imela;  daher  stammen  die  Ortsnamen  Imielno  D.,  Imiolki  G.  Gnesen, 
Imielinko  D.  Gnesen,  D.  G.  Wongrowitz;  Imielin  D.  Pless,  Imielow 
Forsthaus  Tarnowitz,  sowie  —  Himmelwitz  D.  V.  G.  Gross-Strehlitz. 

Die  Erklärung  der  Ortsnamen  wird,  wie  schon  früher  gezeigt  worden 
ist,  durch  die  Kenntnis  von  Land  und  Leuten  gefördert;  dieselbe  muss 


400  Ortsnamen  der  Provinz  Preussen 

mit  der  Sammlung  und  Sichtung  der  Personennamen  Hand  in  Hand 
gehen.  Im  folgenden  stelle  ich  nun  Namen  von  Ortschaften  und  Per- 
sonen (d.  h.  Besitzern),  welche  offenbar  zusammenhängen,  neben  ein- 
ander; für  die  Benennung  der  lit.  Ortschaften  nach  ihren  Besitzern  ist 
meistens  der  urkundliche  Nachweis  nicht  mehr  beizubringen: 

1.  Adamischken  D.  Darkemen,  Adomischken  D.  Ragnit  (Suffix 

-iszkas);  Adamlaucken,  Adömlauken  (Datznaujenen)  D.  Gum- 
binnen  (laukas  Feld);  Adamkowo  G.  Konitz,  Jadomowo  = 
Adamsdorf  D.  Strasburg,  Kulm  (Suffix  -owo)  —  lit.  Adam,  Adoms, 
Adomat,  -atis,  aitis,  Adomeit,  Ademeit;  poln.  Adam,  Adamek 
(Adam). 

2.  Alecknen,  Alex-Meschkeit  G.  Tilsit,  Alexkemen  D.  Stallupönen; 

Alexwangen  G.  Fischhausen  (altpr.)  —  Aleckna,  Alex,  Alxnat, 
Alxnatis  (beide  mit  E.),  Alxnakohl,  Alexwangen,  Namen,  welche 
nicht  auf  Alexander,  sondern  auf  alksnis  (e.)  Erle  zurückzufahren 
sind;  Alexkemen  ist  nicht  ein  Erlendorf,  sondern  das  Dorf  des 
Alex,  dessen  Familie  aus  „Erlen*  stammt;  Alexwangen  dagegen 
eine  Erlenwange,  wonach  die  auch  im  pr.  Lit.  ansässige  Familie 
Alexwangen  benannt  ist. 

3.  Alischken  D.  G.  Insterburg  —  Ali  es  (alus  Gerstenbier). 

4.  Ambrasgirren  D.  Pillkallen  (girre  Wald),   Ambraskemen  D. 

Stallupönen  (kemas  Dorf)  —  Ambras  (ss),  Ambrassus  (aszus, 
assis),  Ambrassat  (atis)  ( Ambro sius);  Ambras  lit.  Taufname. 

5.  Andreischken  D.,  =Endrejen  D.,  Endreischken  D.  V.  Nie- 

derung, Endruhnen  G.  Bagnit,  D.  Pillkallen,  Endruschen  D. 
Darkemen,  EndruscheitenD.  Pillkallen  —  Endras,  Endrus  (seh), 
Endruschat  (ssatis),  Endreatis,  Endrenat,  Endrullat,  Endruweit  (is), 
Endruscheit,  Endrejus,  Endrun,  Endrunatis,  Enderleit  (An- 
dreas), während  Endrigkeiten  D.  Tilsit  zu  Endrikis,  Endnittis 
(Heinrich),  Endrigkeit  (tat),  Endrutait  gehört;  bei  Endrikis 
beachte  das  n  und  r  vermittelnde  d. 

6.  Annussewen   D.   Johannisburg  (poln.),   Annus-Siemoneit  D. 

Tilsit;  Enskemen  D.  Stallupönen,  Henskehmen,  Henskisch- 
ken  D.  Pillkallen  —  Ansas,  Ansät,  Anussas,  Annuszat,  Annus, 


von  P.  Hoppe.  401 

Annies,  Enskatis  (at),  Enskys,  Henskies,  Onusas,  Onus,  Onusseit 
(beide  mit  oh),  Ensuleit,  Ensull,  Ensullis,  Honusseit,  Hensiellus, 
Hanszel  (Hans). 

7.  Anstippen  D.  Eagnit  —  Anstipp,  Angstipp  (ankstybas  früh). 

8.  Antanischken,  Antanlanken  D.  Stallupönen,  Antonischken 
G.  Heydekrug,  Antonowen  V.  Lötzen  (poln.)  —  Antans  (Anton). 

9.  Aszmiesken  =  Nettschunen  G.  Eagnit  —  Aszmies,  Aszmus. 
Aschmoneit,  ein  unbebautes  Wiesenstack  Er.  Neukirch-Niederung, 
Aschmoweitkuhnen  D.  Eagnit  —  Aszmon,  Aszmann,  Aszmuttis, 
Aszmitat,  Aszmulaitis,  Asmoleit,  Aszmoneit(eitis,  atis),  Aszmontat 
—  alle  auch  mit  seh  —  (abzuleiten  vom  Taufnamen  Aszmys,  nach 
Schleicher  I,  143  =  Octavianus,  aszmas  der  achte). 

10.  Aschpalten  D.  Niederung  —  Aschpalt,  Oscbpalties  (abzuleiten 
vom  Taufnamen  Oswald). 

11.  Awiszen  D.  Darkemen  —  awiios  Hafer;  daher  Awiäns  (sz), 
Awiszatis  (cz). 

12.  Bagdohnen  D.  F.  Pillkallen,  D.  Darkemen  '(vgl.  S.42)  —  Bag- 
dons,  Bagdon,  Bagdonat  Bauer  in  Gross-Schorellen  im  vor.  Jahrh. 

13.  Bajohr-Görge,  B.-MitzkoD. Memel,  Bajohren  2 D. Gerdauen, 
G.  Eylau,  Bajohrenwalde,  -thal  A.  Gerdauen;  im  R.-B.  Gum- 
binnen  nur  Bajohrgallen  V.  Stallupönen  (Gallus  n.  propr.,  wie 
in  Gallus-Wilpien  D.  Tilsit;  vgl.  20.  114;  Laugallis  teils  = 
aus  Laugallen,  teils  =  Gallus  Lau);  Bojahren  G.  Stargard  — 
Bajohr,  Bajoratis  (lit.  bajoras,  poln.  bojar). 

14.  Balandszen  D.  Ragnit  —  Balandis  (mit  ie,  beide  mit  11),  Ba- 
landatis,  Ballendat  (balandis  Taube,  März). 

15.  Balschkemen  D.  Darkemen,  Balzen  G.  Osterode  —  Balszus 
(Balsys  Taufname  =  Balthasar  Ness.  319,  von  balsas  Stimme 
Schleicher  I,  143;  vielleicht  =  poln.  Bhräej,  Blasius). 

16.  BaltruszenD.,  BaltruszelenGr.  El.  D.  Pillkallen  (Diminutivum), 
Baltruszkemen  D.,  Baltruscheiten  2  D.  Niederung,  Baltru- 
szatschen  oder  Baltruszeiten  D.  Bagnit,  wo  Baltzer  Dressler 
1688  ein  Neusass  gründet  (vgl.  Ortsnamen  des  B.-B.  Gumbinnen 
S.  11  u.  12),  Baltrischken,  Antgulbinnen  D.  Bagnit  —  Baltrusz, 

Altpr.  Mon«t»»«hrift  Bd.  XIV.  Hft.  5  u.  6.  26 


402  Ortsnamen  der  Prorini  Preuaaen 

Baltruszeit,  Baltruszaitis  —  alle  mit  seh  —  Baltruweit 
(Baltras  Bartolomäus,  N.  319,  richtiger  wohl  =  Balzer);  Balze- 
rischken  G.  V.  Wehlau,  Balzer-Gretat,  Oszkarten  D.  Heyde- 
krug  —  Balzer,  Balzereit. 

17.  BardszenD.  Fillkallen,  Bartscbeiten  D.  G.  Niederung,  Bartsch- 
kemen  D.  Stallupönen,  Bartschkühnen  D.  Pillkallen  —  Bart- 
schies(tz),  Bartczus  (dsz),  Barszatis  (tsch). 

18.  Bartuszen  D.  Labiau;  Bartossen  D.  Lyck  gr.  1471  George 
Bartoss;  Bartuszat. 

19.  Barsuhnen  D.  Tilsit  —  Barschun. 

20.  Bauszen  D.  Pillkallen  —  Bauszus,  Bausze,  Bausas,  Bauszat, 
Bausgal  (=  Gallus,  verkürzt  aus  Grigallis  Gregor). 

21.  Bendiglauken  D.  Tilsit  —  Bendig,  Bendikkas  (Benedict).  — 
Bindszohnen  D.  Insterburg,  Bindszuhnen  D.  Darkemen  — 
Bendszus  (seh,  z),  Bindszus,  Bendszeit,  Bendszuweit,  *Bendszun, 
Bindszun  (Benedict). 

22.  Bioskeim  G.  V.  Bastenburg,  Blossin  =  Eackschen  köllm.  D., 
=  El.  Neuhof  D.  Bagnit,  Biossinnen  Krug  Darkemen  —  Blosze, 
Witwe  Bioszene,  Blossat,  Biossinn  (blusse  flohreich). 

23.  Bludszen  D.  Pillkallen,  2  D.  G.  Goldap  —  Bludszinat  (bhidas 
Schalk). 

21.  Bodzianowo  D.  Bössei  —  Bodzian  oder  bocian  Storch? 

25.  Brandwethen  D.  Bagnit  —  Brandies  (brandus  körnig). 

26.  Braschken  D.  Memel  —  Braskies  (braszkus  knarrend). 

27.  Brassen  D.  Darkemen  —  Brassas  (atis,  at,  aitis,  ait);  da  Am- 
brasgirren  unter  No.  4  auch  Brasgirren  heisst,  so  ist  am  viel- 
leicht die  deutsche  Präposition  (brazdas,  brazas  Saft  unter  der 
Binde  der  Bäume),  oder  Brassas  =  Ambrosius  ?. 

28.  Broedinen  D.  G.  Sensburg,  davon  Bredien  (*bredynai  Elentsort); 
Bredies  (oe,  ae;  bredis  Elent). 

29.  Broszaitschen  G.  Angerburg  —  Broszat  (eit,  ait),  Broszukat 
(-tis,  ck),  Broszus  (broäis  Vetter;  bruszokas  der  handfeste  Kerl?). 

30.  Bruisz-Pakull,  Bruiszen  D.  Heydekrug  —  Bruisz(sch)  (brui- 
szis,  bruisze  Pletze). 


von  F.  Hoppe.  40g 

31.  Brunischken  6.  Niederung  —  Brone,  Bronusch  (brone  d.  i.  Veronica 
weiblicher  Name,  brunas  braun??). 

32.  Buddern  D.  Angerburg  —  Buddrus  (as)  (budrus  wachsam). 

33.  Budszen,  Budszuhnen  D.  Pillkallen,  Budschen  D.  Angerburg 

—  Budszus,  Budszat,  Butzas,  Butzat. 
34  Budwethen  6  D.,  davon  Budweth. 

35.  Bugdszen  D.  Stallupönen  —  Bugdszus,  Bugdszuns  (bukszus 
Stammler). 

36.  Bu jacken  V.  Osterode  —  Bujack. 

37.  Bumbeln  I).  Gumbinnen  (Ortsnamen  des  R.-B.  Gumbinnen  S.  4) 

—  Bumblies  (o),  Bumbullis,  Bumbal  ?. 

38.  Bunden  D.  Holland  —  Bunde,  Bundeit. 

39.  Burbein  D.  Insterburg  —  Burblies,  Burblat  (burblys  Birkhahn). 

40.  BurkandtenD.  Bagnit  —  Burkand,  Burkantat  (burkantai Pastinak). 

41.  Buttken  D.  Memel,  G.  Oletzko,  Buttkischken  2D.  Niederung, 
Butkuhnen  D.  Bagnit,  Goldap,  Buttkus-Powiln,  Wieszen. 
Buttkus-Wilkomeden,  Wilkomeden  D.  Heydekrug  —  Buttkus, 
Butkun  (altpr.  Buteko). 

42.  D an i eilen  D.  G.  Oletzko  —  Daniel;  Danielis,  Dangehl,  Dangeleit. 

43.  Dargwill-Szodeiken  D.  Memel  —  Dargwill  (e). 

44.  Davidehlen  G.  Insterburg  —  David;  Dawidas  (o),  David eit 
Dowidat  (lit  Taufname  Dovs,  Dovas,  Dovidas). 

45.  Deeden  D.  Stallupönen,  Goldap,  letzteres  =  Dedelkemen,  daher 
Dedelat  (dedas  alter  Mann,  Oheim;  dede  Grossmütterchen). 

46.  Degimmen  D.  Niederung,  Stallupönen  —  degimas  Brandstätte 
oder  (indirect  davon)  Deggim  ?. 

47.  Demenen  D.Niederung  —  Demmehnus,  Deminatis,  Damien. 

48.  Deynen  D.  Pillkallen  —  Dainatis,  Dainat(ei);  daina  Volkslied. 

49.  Dickszen  D.  Pillkallen  —  Dickszatis  (eit). 

50.  Didszullen  D.  Goldap  —  Didszull  (didszullis  ein  Grosser); 
Didszus,  Didszuhns  (uhn,  un),  Titschuhns,  Didszunait  (didsziunas 
vornehmer);  Didwischus  (sz,  cz),  Dewischeit  (Didwischken  D.  Dar- 
kernen);  Diddrugies,  Drugies,  Drogies  (Drugehnen  D.  Fischhausen); 
Didkryszus,  Dittkrist  (kryius  Kreuz);   Ditt ballen  D.  Niederung 


404  Ortsnamen  der  Provin»  Preussen. 

(didis  gross,  bala  Bruch) ;  Didjurgis,  Didjurgeitis  (aitis,  eit)  =  Gross- 
gerge  (Jurgis,  Jurgaitis);  Didkus,  Didkuhn,  Dittkuhns(e);  Didlau- 
kies  ans  Didlauken  (Didlacken)  =  Grossfeld;  vgl.  Wissenschaft!. 
Monatsblätter  heraosgeg.  von  0.  Schade  1877  S.  90. 

51.  Dilben  D.  Ragnit  —  Dilba,  Dilbins,  Delbatis,  Tclbatis  (dilba 
Gluper). 

52.  Discherlauken  D.  Gambinnen  —  Diszer,  Diszeraitis  (ait,  at, 
atis,  eit,  eits,  seh)  (diszere  Tischler). 

53.  Dodszuhnen  D.  Stallupönen  —  Dadszun,  Dadßzat,  Dodzies(ts), 
Dodszuweit  (Taufname  Doczus,  vielleicht  =  Jodokus?). 

54.  Draeweningken  D.  Stallupönen  —  Draewenings  (drawininkas 
Bienenwärter). 

55.  Drosten  G.  2  V.  Labiau,  Drosdowo  F.  Karthaus,  D.  V.  Schwetz, 
Drosdowen  D.  G.  Oletzko,  D.  Johannisburg,  Karthans  —  Drosde, 
Drosdatis,  Droste  (drözd  Drossel). 

56.  Drozwalde  G.  Pillkallen,  gr.  Droz. 

57.  Drusken  F.  Wehlau,  G.  D.  Stallupönen  ■—  Druskus,  Drnskat 
(druskius  Salzbeamter). 

58.  Druszin  (cz)  2  D.  V.  Strasburg  —  Druschien. 

59.  Duden  2  D.  Pillkallen  —  Duda,  Dudatis  (duda  Hirtenhorn). 

60.  Dullen  D.  Oletzko  —  Dullo,  Dullat,  Dulaitis  (dullas  Stäbe  am 
Handkahn,  wie  Tüllen  2  D.  Pillkallen  —  Tullies  von  tulle 
Stäbchen  am  Kahn). 

61.  Dummen  2  D.  Niederung  —  Dummasch,  Dummatis. 

62.  Dwielen  D. Memel,  Labiau,  Dwillin  D.  V.  Gerdauen  —  Dwilies, 
Dwillies  (dwylas,  dwylis  schwarzköpfig  v.  Ochsen). 

63.  Dziubiellen  D.  Johannisburg  —  Dzubiel. 

64.  Eglin-Niclau  D.  Memel  —  Graf  Eglien,  Egglins,  Eglinski 
(poln.  Endung),  aus  Eglienen  „  Tannenwald  *  stammend. 

65.  Errehlen  D.  Ragnit,  daher  Errolatis  (erelis  Lämmchen). 

66.  Gaiden  D.  Insterburg  —  Gaidies,  Gaedies,  Geydies  (gaidys  Hahn). 

67.  Gallehnen  G.  Eylau  —  Galleinas,  G allin owski  (poln.). 

68.  Ganderkemen  D.  Gumbinnen  —  gandras  Storch  oder  Gandras? 

69.  Gawehnen  D.  Stallupönen  —  Gawehn,  Gawinnus,  Gawenat. 


von  F.  Hoppe.  405 

70.  Gentken  D.  Johannisburg  gr.  1445  Jörge  Göntke,  daher  Jent- 
katis,  Jentkutis  (Jentkutkampen  D.  Stallupönen). 

71.  Gerwinsthal  D.  Goldap  —  Gerwinatis  (gerwe,  gerwinis  Kranich). 

72.  Girgsden,  Gurgsden  D.  Heydekrug —  Girgsdies  (u),  Jurgs- 
dies,  Jursdies,  Gurgsdatis  (gurgidies  Kälberkropf;  girgidu  Nessel- 
mann 256  =  gurgidzu  N.  262). 

73.  Girnen,  Girnehlen  D.  Gumbinnen  —  Girnus,  Girnux  (ux  =  ukas; 
girnus  Steinmetz). 

74.  Gricklaugken  D.  F.  Pülkallen  —  Griegs  (grikkas  Buchweizen- 
korn);  Grickszen  D.  Memel,  davon  Grickszat  (schadt),  Grieczeitis. 

75.  Grieben  D.  Pülkallen,  Darkemen,  D.  2  G.  Osterode  —  davon 
Griebatis  (grybas  Pilz). 

76.  Gnddascben  2  D.  Ragnit,  Guddatschen  D.  Gnmbinnen  — 
Guddaschat,  Guddoszeit,  Gudatis(at),  Jadatis,  Guddath;  Gudweit- 
schen  D.  Stallupönen  —  Gudwoth  (vgl.  34),  Gudwits  (guddas  Pole; 
oder  gudde  Wald  ?  Zu  gudkarklis  und  gndnotere  gehört  auch  eine 
auf  feuchten  Wiesen  wachsende  Pflanze  guddebarsch  (bei  Tilsit), 
wohl  gudbarzdzei,  vom  Volk  durch  «polnischer  Bartsch*  erklärt). 

77.  Gudszen  D.  Ragnit  —  Gudszus. 

78.  Gulbien  D.  G.  Bosenberg  —  Gulbis,  Gulbins  (lit.  gulbe,  altpr. 
gulbis  Schwan). 

79.  Gumbeliscbken  G.  Niederung  —  Gumbalis  (ies),  Gombalies; 
demnach  ist  wohl  auch  Gumbinnen  nach  einem  n.  propr.  benannt; 
vgl.  G umbin  I).  G.  Stolp. 

80.  Gurkeln  D.  Sensburg  —  Gurklies(ck)  1696  (gurklys  Kropf). 

81.  Gwilden  G.  Memel  —  Gwildies  (kw,  Qu),  Gwüdat  (gwildyti 
ausschlafen). 

82.  Aus  Gröszpelken  D.  Tilsit  stammt  die  Familie  Gruszpelk, 
Gruczpelck. 

83.  Jouatcn  D.  Heydekrug,  Joneiten  D.Niederung,  Jonikaten  D. 
Tilsit  —  Jons,  Jonat,  Janeitis(o),  Jonuschies,  Januszeit,  Jonisch- 
kfit  (ait,  at),  Janikatis,  Janukatis  (o),  Jonickait,  Janeleit,  Janu- 
leit  (o),  Jonutatis,  Johnkun,  Jankun,  Jankcit,  Jannuttis  (Johann). 

84.  Jucknaten  D.  Bagnit,  Juckneitschen  D.  Goldap  —  Jucknat. 


406  Ortsnamen  der  Prorins  Frenssen. 

85.  Jureiten  D.  Memel  —  Jureit  (jures  Meer,  jura  Fluss). 

86.  Jurgeitschen  D.  Eagnit  —  Jurgis,  Jurgaitis  (Georg);  Jurge- 
leit,  Jurgszatis,  Jurgins,  Jnrglies. 

87.  Kackschen3D. Ilagmt, Kackscheiten D. Tilsit  —  Kackszies (seh). 

88.  Eailen  D.  Pillkallen,  Gumbinnen  —  Kailus,  Kailuhn(s),  Kai- 
luweit  (kailus  Kürschner);  wie  im  Deutschen,  so  finden  sich  auch 
im  litauischen  die  Namen  der  Handwerker  als  Familiennamen; 
vergl.  52  Tischler,  73  Steinmetz,  90  (96)  Schmied,  95  Gerber, 
111  Schuster;  Kuschnereit  (kusznerus  Kürschner),  Kraudszus 
(krauezus  iem.  Schneider,  vom  poln.  krawiec),  Kleischmentatis 
(an;  kleiszmantus  Kleinschmied),  Butkeraitis  (ait,  eit;  butkere 
Böttcher),  S zurät  (szuras  Schornsteinfeger),  Podszus,  Podczuhn, 
Podschuwat  (eit),  Podczuwatis,  Podszuks  (püdzus  Töpfer),  Szermoks 
(szermokas  Wagner). 

89.  Kalinischken  D.  Pillkallen,  Goldap,  Memel  — -  daher  stammt 
Kalinischkies, 

90.  Kaliweiten  G.Tilsit,  Kallweitschen  D.  Goldap,  Kallwellen 
D.  Bagnit,  F.  Pillkallen  —  Kallwaitis(ait,  eitis,  eit,  C),  Kalwis, 
Kallwellis;  gehört  Kaliwischken  D.  Memel,  G.  Insterburg, 
D.  G.  Darkemen  zu  kalve,  kalviszkas  ?. 

91.  Kandschen  D.  Tilsit,  Kandszen  2  D.  Darkemen  —  Kandscheit, 
Kantschat  (kandzus  bissig,  kandis  Motte). 

92.  Cannapinnen  D.  2 G.  Gumbinnen  —  Kanapien,Kannapin(nn), 
Kannapinat  in  Tretszacken  (kanape  Hanfstengel,  kanapinnis  von 
Hanf). 

93.  Karkeln  D.  G.  Heydekrug  —  davon  Karglies;  Karklienen  — 
davon  Karklinatis  (karklas  Wasserweide,  karklynai). 

94.  Kastaunen  D.  Niederung,  Insterburg  —  Kastaun  (kasztaunas 
kostbar). 

95.  Kaszemeken  D.  Tilsit,  Goldap  —  Kaszemeks,  kaszemeikat, 
Kaczmekat  (kazemekas  Gerber). 

96.  Kawolen  D.  Tilsit  —  Kawohl,  Kawolis  (poln.  kowal). 

97.  Kemsen  D.  Insterburg,  Kemsie  V.  Fischhausen  —  Kemsies, 
Kemmesies,  Kemsatis  (kimszis  Stöpsel). 


von  F.  Hoppe.  407 

98.  Kerwienen  D.  Heilsberg  —  Kerwien. 

99.  Ketturecken  D.  Ragnit  —  daher  Keturikat;  Eetturries,  Eet- 
torat  (keturi  vier);  Kettwergen  D.  Memel  —  *Eetwergis 
(ketwergis  vierjährig,  ketwergas  Donnerstag,  also  der  vierte  Wochen- 
tag); vgl.  Schleicher  I,  142  *keturakis  vier&ugig). 

100.  Kiauken  D.  Gerdauen,  Niederung  —  Kiaukus,  Kiaucka  (k). 
lOl.Eiebarten  D.  Pillkallen  —  Kibarth  (ie,  ü). 
102.  Kioschen  D.  Heydekrug  —  Eiosza. 
103.Kiupeln  D.  Tilsit  —  Eiupelis,  Kiupel  (11). 

104.  Eleipödszen  D,  Niederung  —  Eleipedszus  (oe). 

105.  Kl  ohne  n  D.  Pillkallen  —  El  onus;  (demnach  wohl  weder  zu 
klonas  noch  zu  klonis  gehörig). 

106.  Klumben  D.  Heydekrug  —  Elumbies  (klumbis  Lahmer,  Stümper). 

107.  Kneiffen  D.  Insterburg  —  Kneiwa. 

108.  Cruttinnen  F.  Sensburg,  Crottingen  D.  2G.  Memel  —  Eru- 
tinnis,  Krutinat  (krutinnis  die  Brust  betreffend,  krutingas  eine 
starke  Brust  habend). 

109.  Jon-Eugeleit  D.  Tilsit,  Eujehlen==Schilleningken  D.  Stallu- 
pönen  —  Kujelis  (mit  h),  Eujehl,  Eujeleit,  Eugeleit  (kuilys 
Eber,  nicht  kujelis  kleiner  Hammer).  Der  Familienname  Eojgal- 
wies  weist  auf  „kogalwe  (1875  S.  353)  ein  aus  gehackten  Schweine- 
füssen  und  Schweinekopf  bestehendes  Gericht11;  vergleicht  man 
damit  ,werszgalwei  ein  aus  Kalbskopf  und  Ealbsgekröse  bereitetes 
Gericht  *,  so  wird  die  Vermutung,  in  ko  (koj)  stecke  das  Stamm- 
wort von  kuilys,  äusserst  wahrscheinlich;  werszgalwis  Kalbskopf, 
kojgalwis  Schweinskopf. 

110.  Eummutschen  D.  Ragnit  —  Eumuttis,  Kumutatis  (mm)  (kumas, 
kumuttis  Gevatter,  Taufzeuge). 

111.  Eurpen  D.  Heydekrug,  Eurplauken  D.  Stalluptinen  —  Eurps, 
Eurpjus(b),  Eurpjuweit,  Eurbjuhns  (o),  Kurpatis  (at),  Kurpeickiß 
(kurpe  Schuh,  kurpjus,  kurpjunas  Schuster). 

112.  Kurschen  G.  Ragnit,  D.  Pillkallen,  Darkemen,  3  D.  Memel, 
Eurschelen  G.  Pillkallen  (Diminutiv),  Eorschen  G.  D.  Basten- 
burg, Korschellen  G.  Heiligenbeil  (Diminutiv),  Korschelken 


408  Ortsnamen  der  Provins  Prenssen 

V.  Heiligenbeil  (Ableitung)  —  Eurszus,   Kurszies,   Eurszait, 
Kurschat  (kurszys  Eure). 

113.  Katzen  G.  Tilsit,  D.  Oletzko,  Lyck,  Sensburg  —  Eutz,  Eud- 
8  zu  s,  Kutzat  (kuczus  Kutscher,  Stallknecht). 

114.  Laugallen  D.  Memel,  Heydekrug,  Tilsit,  4  D.  Bagnit,  2D.PM- 
kallen,  D.  Gumbinnen,  B.  F.  D.  Insterburg  —  Laugallis  (ies). 

115.  Laukanten  D.  Tilsit  —  Laukant,  Lauckandt. 

116.  Laukeninken  2  D.  Labiau  —  Laukenings  (i),   Lauckeninkus, 
Lauckeninkat  (laukininkas  Ackersmann,  der  auf  freiem  Felde  wohnt). 

117.  Launen  D.  Memel  —  Launus  (launys  hörnerlos). 
118. Leitwarren  2  D.  Niederung,  D.  Tilsit  —  Leitwarr. 

119.  Leng  wehnen  D.  Stallupönen  —  Lengwenus  (is),  Lengwenatis  (at), 
Lengweninks  (lengwas  leicht,  schwach,  sanft). 

120.  Lenkeitschen  D.  Interburg —  Lenkait  (atis,  at,  eit,  gk)  (Lenkas 
ein  Pole  oder  aus  Lenken  „Wiesen*). 

121.  Lukoschen  D.   Stallupönen  —  Lukoschus   (Lukoszius  Lukas, 
nicht  lukoszus  Klotz,  auf  dem  die  Verbrecher  gepeitscht  wurden). 

122.  Luttkomantscheit  D.  Heydekrug;  darin  lebte  1792  Bauer  Lutt- 
kus;  —  Luttken  D.  Osterode. 

123.Madeyken  D.  Lyck  —  Madeyka  1483. 

124.  Makos cheyen  D.  Lyck  —  Mayko  (=  Maikosch),  Makuszies  (seh). 

126.  Maleyken  D.  Goldap  —  Maleike. 
126. Malissen  D.  Stallupönen  —  Malies. 

127.  Ifankuslauken  D.  Heydekrug  —  Mankus,  Mankaitis  (manki- 
ninkas). 

128. Marglauken  D.Niederung,  Marguhnen  D. Eylau  —  Margies, 

Ifargulies  (margis  ein  bunter  Ochs). 
129.  Marschehnen,  Marscheiten  D.  Fischhausen  —  ICarschies 

(marszus  vergesslich). 
190.  Masten  D.  Johannisburg,  Mosteiten  2  D.  Niederung  —  Masteit. 
131.  Masuhren  D.  Oletzko,  Masuhren- Jakob  D.  Memel  —  Masur, 

Mosuraitis  (Maznras). 
132. Mattlauken  D.  Stallupönen,  Mattischken D.  Ragnit,  Mattisch- 

kernen  V.  Gumbinnen  —  Mattis,  Mateatis,  Mothejus,  Witwe 


ron  F.  Hoppe.  409 

Motejene,  Moteotis,  Matbeoszatis  (Matthäus) ;  Matzaten  D.  Memel 
—  Matzatis  (aitis);  Matzgirren  D.  Niederuug  (girre  Wald)  — 
Matz;  Matzmasuhren  D.  Memel  s.  131. 

133.  Mayruhnen  F.  Niederung  —  Meiries,  Meyrun,  Meyrunat. 

134.  Maurutschatschen  D.  Pillkalleu  —  Mauriszat,  Mauritsch,  Mau- 
ruszatis  (Moritz). 

136.  Meischlaugken  D.Tilsit  —  Meiszus,  Meiszies  (maiszas Sack). 

136.  MeschkenG.  Bagnit  —  meszka  Bär  oder  (indirect  davon)  Meszka, 
Meszkaitis  (atis,  onatis)  P. 

137.  Moskal  V.  Osterode  —  Maskolus  (maskolus  Russe);  vgl.  76. 
112.  120.  131. 

138.  Motzkuhnen  D.  Goldap  —  Motzkus,  Motzkuhns. 

139.  Mussaten  D.  Heydekrug  —  Mussat. 

140. Naujock  2  F.  Labiau,  Naujocken  D.  Darkemen  —  Naujox 
(ks,  cks),  Naujokatis  (at)  (naujokas  Neusasse). 

141.  Nauseden,  Nausseden  —  nausedys  Neusasse  oder  (davon  in- 
direct) Naused  (ss),  Naussedat;  vgl.  Wissenschaft!  Monatsblätt. 
a.  0.  S.  91  Naunienen. 

142.  Nelamischken  (Lamischken)  D.  Tilsit  —  Nelamischkies, 
Nalamiszkis  (ke). 

143.  Norbuden  D.  Gumbinnen  —  Norbud,  Narbut. 

144. Norkaiten  D.  Heydekrug,  Norkaten  D.  Memel  —  Norkus, 
Norkeit,  Norkuweitis,  Narkeit. 

145.  Norutschatschen  D.  Gumbinnen  —  Noruszaitis,  Noruszat 
Bauer  in  Uszrudszen. 

146.  Obscherningken,  Obscherninken  —  daher  Obszerninkait. 
147. Oszkarten  D.  Heydekrug  —  Oszkart  (Oskar?). 

148.  Paaris  D.  Bastenburg  —  Paries. 

149.  Padaggen  D.  Bagnit,  Paddag- Andres  I).  Memel  —  Paddags, 
Paddag  (von  *  padagas;  padegti  abbrennen;  vgl.  iszdagas,  usSdagas; 
zu  Wurzel  dag-  gehören  auch  altpr.  *  daga,  dagis  Sommer,  wovon 
A.  Bezzenberger  Podage  mit  Unrecht  ableitet,  lit.  daga  Erntezeit, 
degesis  der  Monat  August,  der  Erntemonat;  Degesies  n.  pr.,  da- 
von Degesen  Gross-,  Klein-  2  D.,  G.  Stallupönen);  vgl.  Deggim, 

26* 


410  Ortenamen  der  Provinz  Preusaen. 

Deginnus.  degesis  zeigt  das  seltene  Suffix-esjas,  esis;  Schleicher 
I,  110  führt  davon  an:  edesis  Prass,  kalbesis  Sprüchwort,  debesis 
Wolke;  dazu  füge  noch  hildesis  Gerassel,  gailesh  Bedauern,  gaudesis 
Ton,  genesis  Viehtrift,  pelesei  Schimmel  am  Brote,  szniakesis  Dialect, 
sznapszdesis  Geflüster,  sämmtlich  von  Verbstämmen  abgeleitet  (beld-, 
gail-,  gaud-,  gan-,  gin-,  pel-,  sznek-,  sznabzd-);  mit  Präpositionen 
(nu-,  pre-,  su-)  ist  kalbesis  componiert;  darkesis,  der  unreine  Mensch, 
hat  eine  übertragene  Bedeutung  erhalten.  —  Die  Präposition  pa 
erscheint  auch  in  Pagdzanzig  D.  Schlochau;  dieses  wie  Seedanzig 
D.  Orteisburg  sind  bei  der  Erklärung  von  Danzig  zu  beachten; 
vgl.  C.  Lobmeyer's  Bemerkungen  in  den  Wissenschaftl.  Monats- 
blättern 1877  S.  55.  —  Toussainen  R.  Ragnit  =  Hanspa-dieben 
d.  h.  Hans  von  Dieben. 

150.  Paducken  D.  Insterburg  —  Paduck  (padukis  toll). 

151.  Pauperischken  G.  Niederung  —  Pauper,  Paupereit. 

152. Pauren  D.  Heydekrug  —  Paurat,  Bauries  (bjaurus  schmutzig). 

153.  Pautkandszen  2  D.  Ragnit  —  Pautkandzus  (pautasEi,  kand- 
zus  bissig;  der  Familien-,  nicht  der  Dorfname,  ist  also  ein  „Spitz-, 
Scherzname"). 

154.  Paweln  D.  Heydekrug,  Powelischken  D.  Insterburg,  Paulen 
D.  Braunsberg  —  Powilas,  Pawilas,  Pawailus,  Pauluhn,  Paulien, 
Paulatis  (ait),  Paulikat  (gkait),  Paulutatis,  Pauluweit,  Powileit  (Paul). 

155.  Pempen  D.  Memel  —  pempe,  altpr.  peerape  Kiebitz  oder  (davon 
indirect)  Pempe? 

156.  Perkunischken  D.  Insterburg  (Ortsn.  d.  Reg.-Bez.  Gumbinnen 
S.  5),  Perkuhnen  D.  Heydekrug,  Ragnit,  Pierkunowen  Domäne 
Lötzen  (poln.  Suffix)  —  Perkuhn,  Lorenz  von  Perkuhn  1552  in 
Kruglinnen,  Berkuhn  (perkunas  Donnergott,  poln.  piorun  Donner; 
vgl.  pladißtas  Lauch  N.  304  =  bladystai  Lauch  N.  339,  =  blodustas 
Knoblauch  Geitler  S.  79,  =  poln.  plodziszek  wilder  Lauch  von 
plod  Frucht,  plodzirf  Früchte  hervorbringen). 

157.  Pesseln  D.  Wehlau,  D.  V.  Insterburg,  G.  Darkemen  —  Peszlies, 
Peszlatis  (peslys  Weihe). 

158. Peteraten  D.Tilsit,  Peterehlen  D. Gerdauen,  Petereithelen, 


▼on  F.  Hoppe.  411 

Petereitschen  D.  Pillkallen,  Peterischken,  Petrellen  D. 
Heydekrug,  Peterkemen  D.  Insterburg,  Peterlauken,  Petri- 
kalschen  D.  Stallupöuen,  Petraschen  D.  Meniel,  Petratschen 
2  D.,  Petroschken  D.  Ragnit,  Petrelskemen  D.  Darkemen, 
Petricken,  Petrusohkemen  D.  Labiau,  Pietraschen  D.  Gol- 
dap,  Lyk,  Pietrellen  D.  Angerburg,  Pietrzyken  D.  Johannis- 
burg,  Piotrowitz  D.  Neidenburg  —  Petrusch,  Peterkat, 
Petrullat,  Petereit,  Petrick,  Peteris;  poln.  Piotr  (Peter). 

159.  Pettelkau  D.  Braunsberg  —  Petulkat. 

160.  Pieraggen  D.  Eagnit,  Pieragienen  D.  G.  Insterburg,  Pyraggen 
D.  Pillkallen  —  Pierags,  Bieragis  (pyragas  Weissbrod);  Pirogo- 
wisna  A.  Strasburg  (pirogi  gefüllte  Klösse);  vgl.  twqos  Weizen. 

161.Pillacken2D.  Augerburg,  V.  G.  Sensburg  —  Pillekat. 

162.  Pill  wen  G.  Eylau,  Pilwe  D.  Angerburg,  Pillwogallen  D.  Inster- 
burg —  Pilwat  (11;  pilvas  Bauch). 

163.  Plauschinnen  D.  Niederung,  Kagnit  —  Plauschinnus,  Plau- 
schinat  (nn;  plauszinnis  von  Bast;  plusze,  pluszis  Schnittgras  N.  311 
=  plauszis  Schilf  in  der  Gegend  von  Tilsit  und  in  der  Niederung). 

164.  Piawischken  D.  Goldap  —  Pia  wischkies. 

165.  Pleiken-Görge  D.  Memel,  Pleikischken  D.  Heydekrug,  Memel 
—  Pleikies. 

166.Plicken  —  Plikatis  (ck). 

167.  Podszeit-Niclau,  P.-Stankus  D.  Memel,  Podszohnen  D. 
Stallupöuen,  Podszuhnen  D.  Kagnit  —  Podszus,  Podczuhn 
(pudzus  Töpfer;  vgl.  Nr.  88). 

168.  Poeszeiten  D.  Memel  —  Poeszeit  (pesza  Huss). 

169.  Posingen  D.  Memel  —  Posingies. 

170.  Prätzmen  D.  Heydekrug  —  Preschmatis  (praszmatas  Ueberfluss, 
übermütiger  Mensch,  „ein  Uebermut"). 

171.Prussen-Martin,  P.-Michel  D.  Memel  —  Prussas,  Prusseit, 
Pruszatis  (pnisas  Preusse);  s.  Nro.  137.  195.  203.  241. 

4 

172.  Pucknen  D.  Kagnit  —  Puknatis  (g),  Bucknat,  Bugnenings  (bugnas 
Trommel  =  bubnas  Ness.  336;  bubnininkas  Trommelschläger  = 
*  bugnininkas). 


412  Ortsnamen  der  Provinz  Preussen. 

173.  Pupken  F.  Osterode  —  Pupkus;  vgl.  pnpkaim  Toppen  comp. 
Geogr.  S.  153  (1.  pupa  Feldbohne;  2.  pupele  dicke  Knospe;  dazu 
gehört  puplaiszkis,  pnplaszkis,  lett.  puplakschi  Gänseblume  — 
*  pupe  und  laiszkas,  laksztas  Kohlblatt,  Blatt). 

174.  Purmallen  G.  Memel  —  Purmall;  vgl.  Augstumal(Ue)  Torf- 
bruch und  D.  Heydekrug  (auksztas  hoch);  die  Augstumalle  ist 
1/2  Meile  lang,  1/2  Viertelmeile  breit,  liegt  vor  den  Krakerort- Wiesen 
und  enthält  »etwas  Fichten  und  Dannen  jung  Hölzchen,  auch 
Ellern  und  Birkenstrauch;  westlich  davon  bei  Stanzlittau  oder 
Stankischken  ist  ein  mit  Fichten  und  Ellern  bewachsener  Strich, 
dessen  Umkreis  1/4  Meile  beträgt;  am  kurischen  Haff  ist  ein  1/2  Meile 
langer,  1/4  Meile  breiter  Wald  von  Dannen,  Fichten,  Ellern ;  zwischen 
Akminge,  Skirwitelle  und  Kuss  liegt  die  Heideseite,  Mikute,  1  Meile 
lang,  1/2  breit,  m^  Fichten,  Dannen,  Ellern,  Birkenhölzchen  be- 
wachsen; dort  ist  ein  Elentstand;  zwischen  Akminge  und  Karkell 
ist  die  1/2  Meile  lange,  zum  Teil  1/4  Meile  breite  Lindenseite, 
lepuspusse  (lepa,  *lepusze  kleine  Linde,  pusse  die  Hälfte,  die  eine 
Seite),  ausgehauen,  jetzt  mit  kleinen  Ellern  bewachsen;  zwischen 
dem  curischen  Haff  und  Karkeln  ist  ein  1  Meile  langer,  1/4  Meile 
breiter  Strich  mit  jungen  Ellern  und  etwas  Birken,  Wentaine  und 
Lökerort  (Lokusse);  am  Wasser  „ Leute"  ist  ein  kleines  Gehege  von 
jungen  Birken  Bersinellis  (berzynelis  kleine  Birke)4*;  vgl.  upe- 
malis  das  durch  den  Strom  abgespülte  Land. 

175.  Purwyn  D.  Memel  (Purwienen  D.  Gumbinnen  =  purvynas  kotiger 
Ort)  —  Purwin,  Purwidaitis;  s.  Nro.  252. 

176.  Puskeppeln  D.  Niederung,  (Puskeppallen)  2D.  Ragnit —  Pusz- 
keppelies  (Paszk.),  Puszkeppelat  (pus  halb,  kepalas  Leib  Brot, 
kepalatis  Diminutiv;  vgl.  Pus  am szi  es  Bauer  in  Kulligkemen,  pus 
halb,  amzis  Lebenszeit;  ein  Mensch,  der  die  Hälfte  seines  Lebens 
zurückgelegt  hat ;  Pusbatschka,  baczka  Tonne,  pusbaczkis  V2T.). 

177.  Radischen  D.  Ragnit  —  Radiszatis  (at). 

178.  Rads zen  2 D.  Pillkallen,  D.  Stallupönen,  fiadszuhnen  D.  Inster- 
burg  —  Radszuhn,  Radszatis  (cz),  Radszonatis,  Radszumatis, 
Radszuweit  (Radszewitz; '  ratas  Rad,   raczas,  raczius  Stellmacher) 


▼on  P.  Hoppe«  413 

s.  Nr.  88.  —  In  Schlesien  heisst  ein  Spiel  Kullerad  d.h.  =  kolo 
poln.  Bad;  der  Euf  zum  fortkollern  „külö*;  das  Kulo  =  Bad. 

179.  BageningkenD.  Heydekrug  —  Paragnincks  (ck . . .  g;  raginninkas 
Zolleinnehmer). 

180.  Eagoszen  D.  Darkemen,  Bogaischen  D.Heydekrug  —  Bogaszus, 
Bogaischies,  Bagoszat  (wohl  nicht  von  ragaiszis  Fladen,  sondern 
von  ragficzus  der  gehörnte;  vgl.  Nro.  117  launys  hörnerlos;  62  dwylis 
schwarzköpfig  vom  Ochsen,  72  gurgtfdies  Kälberkropf,  80  gurklys 
Kropf,  106  klumbis  lahm,  128  margis  bunt  v.  Ochsen;  35  bukczius 
Stammler,  51  dilba  Gluper;  kupratis(at),  kupries(kupra  Höcker, 
kuprys  Buckliger);  k umpries  (kumbrys  krummhalsig);  Lullies, 
Lolies,  Loleitis  (ait,  eit;  lulys  fett,  ungeschickt,  tölpisch); 
Besties(oe),  Bestatis  (at;  restys  Krauskopf);  Stories,  Sturries 
(storas  dick,  stark);  Schlupp  (szlubas  lahm). 

181.  Bauben  D.  Insterburg,  Darkemen  —  Bauba,  Baubszus. 

182.  Bauden  D.  Osterode,  Marienwerder,  Baude  V.,  Baudischken  D. 
Qerdauen,  Baudszen  D.Heydekrug,  Bagnit —  Baudies,  Baud- 
szus  (rudas  rot,  rauda  Böte,  raudzus  Botass).  —  Baudohnen  D. 
Stallupönen,  Darkemen,  Goldap,  Baudonatschen  D.  0.  V.  Bagnit 
—  Baudonat  (raudonas  rot  hellbraun);  s.  180. 

183.  Beckeitschen  D.  F.  Insterburg  —  Beckeit,  Beikatis. 

184.  E eckein  D.  Stallupönen,  Gumbinnen  —  Becklies  (reklas,  altpr. 
riclis  Bodenraum,  L  u  c  h  t  (auch  Personenname) ;  dasselbe  bezeichnet 
beningis  (Böning). 

185.  Bimlack  D.  Eylau  —  Bims,  Bimkus. 

186.  Bingen  D.  Oletzko,  BinglackenD.  Wehlau,  ringasir  —  Biugies, 
Bengies,  Bingatis  (at). 

187. Bödszen  D.  Gumbinnen  ■— ■  Baedszus,  Bedszuns  (reczus  Sieb- 
macher) s.  88. 

188. Bosoggen  D.  G.  Sensburg,  Bosocken  D.  Heiligenbeil,  Ko- 
sochen  F.  Löbau  (ruzogo  N.  thes.  151)  —  Bosegaitis,  Bassokatis, 
Bosokatis. 

189.  Buddecken  D.  Bagnit,  Budlacken  G.  Wehlau,  D.  V.  Insterburg, 
Budlauken  3  D.  Labiau,  D,  Insterburg  —  Budeck,  Euddakis, 


414  Ortsnamen  der  Prorini  Preusaen 

Buddackeit,  Buddies,  Buddat  (tt),  Eoddockus  —  alle  auch  mit  d  — 
(rudas  braun,  rötlich).  Die  Bodup,  Zufluss  der  Pissa,  ist  nach 
der  Farbe,  welche  das  Wasser  nach  dem  Begen  annimmt,  benannt. 

190.  Eupkalwen  D.  Heydekrug  —  Bupkalwies,  Buppeitis  (Eupp  = 
Buprecht). 

191.  Sabangen  D.  Osterode  —  Szabang  (sabange  lacus  N.  thes.  151). 

192.  Sagerlauken  V.  Friedland  —  Szagger. 

193.  Sauden  D.  Osterode  —  Saudin. 

194.  Schal  wen  V.  Wehlau  —  Szallwies  (szalvis  Aesche). 

195.  Schatten  3  V.  Bastenburg,  Schattlauken  D.  Bagnit  —  Schattat 
(szatas  Schotte,  Hausierer;  N.  thes.  167  weist  die  Ableitung  des 
Wortes  vom  Volksnamen  „ Schotte11  zurück;  doch  dürfte  dafür  das 
noch  jetzt  durchweg  in  preuss.  Litauen  gebräuchliche  und  beliebte 
n schottisch*  sprechen. 

196.  Schaudienen  D.  G.  Labiau,  Schaudianen  D.  Bagnit —  szaudas 
Stohhalm,  szaudinnis  von  Stroh,  szaudyne  Strohhaufen  oder  (indirect 
davon)  Szaudies,  Schaudinnus. 

197.  SchaulwethenD.  Bagnit —  Schaulies,  Schaulat (szaulis  Hüfte). 

198.  Schemen  D.  Bagnit  —  Szernus,  Szernat  (szernas  wilde  Eber); 
vgl.  Nro.  14  balandis  Taube,  24.  68  bocian,  gandras  Storch, 
28  bredis  Elent,  39  burblys  Birkhahn,  66  gaidys  Hahn,  71  gervinis 
Kranich,  78  gulbe  Schwan,  109  kuilys  Eber,  136  meszka  Bär, 
155  pempe  Kiebitz,  157  peslys  Weihe,  194  szalvis  Aesche,  214  silke 
Häring,  220  skeris  Heuschrecke,  233  stirna  Beh,  235  strazdas 
Drossel,  237  stnmbras  Auerochs,  250  tutlys  Wiedehopf,  255  vanagas 
Habicht,  256  varle  Frosch; —  Bublies,  Bubiatis  (bublysBohr- 
dommel);  Gar  nies  (garnys  Storch,  Beiher);  Geguszus  (geguze 
Kukuk);  Gennies,  Genatis,  Genuth  (genys,  genutis  Specht); 
Kattins  (t)  (katinas  Kater);  Karupkatis  (kurapka,  -atis  Bebhuhn); 
Kikill,  Kikillus  (kikillis  Hänfling);  Kuisatis  (kuisis  Mücke); 
Kurmis,  Kurmatis  (kurmis  Maulwurf);  Lokies  (lokis  Bär); 
Parplies  (parplys  Maulwurfsgrille);  Schirwat,  Szirwaitis 
(szirwas  Apfelschimmel);  Tillwicks  (tilwikkas  grosse  Brachvogel); 
Wilks  (vilkas  Wolf);  Winnyke  (vinyke  Baumfalk);  Woweries, 


von  F.  Hoppe.  415 

Wowries,  Woweraitis  (ait,  eit),  Wowerux  (vovere  Eichhörn- 
chen); Paukstat  (g,  dt;  pauksztatis  Vögelchen). 

199.  Schillgallen  —  Schillgallies;  vgl.  Sausgallen  D.  Heydekrug 
=  Paul  Sausgallies;  Laugallies. 

200.  Schillmeyszen  D.  Heydekrug  —  Schillmeiss. 

201.  Schimkeiten  D.  Tilsit  —  Schimkus,  Schimkatis  (at;  schimke 
Plossknecht  N.  thes.  164.) 

202.  Schlaszen  D.  Heidekrug,  Szlaaszcn-Görge  D.  Memel  — 
Slaszus,  Szloszus. 

203.  Schlaunen  D.  Tilsit  —  Szlaunatis  (szlaunis  Hüfte  N.  526);  s.  197. 

204.  Schleppen  2  D.  Tilsit  —  Schleps  (slapus  heimlich,  heimlich 
tuend;  vgl.  Leppuhn  (lepunas  Zärtling,  Wollüstling);  Talaszus 
(talazus  Schwätzer);  224  smailus  leckerhaft;  150  padukis  toll. 

205.  Schmilgen  D.  Pillkallen,  Stallupönen,  Gumbinnen,  Schmil- 
giehnen  D.  Labiau  —  Smilgies  (smilgas  Schmele;  smilgynas 
Schmelfeld). 

206.  Sehne pien  D.  Lyck  —  Schneppat,  Schnepatis;  s.  225. 

207.  Schuicken  D.  Insterburg,  Schuiken  2D.  Goldap,  Schukisch- 
ken  D.  Insterburg  —  Seh  ui  kies,  Sc  hu  kies.  Schukatis,  Szuckat 
(szukis  ein  Mensch,  der  nicht  alle  Zähne  hat). 

208.  Schweden  G.  Heilsberg  —  Swede,  Schwedat,  Swedatis,  Schwe- 
dux  (szwedas  Schwede). 

209.  Schwellinen  V.  Eylau,  Schwillgarben  D.  Braunsberg  (?)  — 
Swillus,  Schwillies,  Schwilluns  (swillus  glimmend,  Aschen- 
brödel; Schwein us  von  szwelnus  sanft?).  N.  thes.  183  Schwil- 
garben  =  Swilg-garben  Berg  des  Swilge?. 

210.  Schwenkitten  G.  2  D.  Heilsberg  —  Schwenkus. 

211.  Seliggen  D.  Lyck  —  Seligo. 

212.  Serguhnen  D.  Goldap  —  Serguhn,  Sergohn  (sirge,  sirgune  Pluss 
Sorge  N.  thes.  161). 

213.  Serpenten  —  serbenta  Bocksbeere,  serbentynas  (p)  oder  (indirect 
davon)  Serbent. 

214.  Sillginnen  G.  Gerdauen  —  Selke,  Silkinat  (silke  Häring,  silkin- 
nis  adjeet.). 


416  Ortsnamen  der  Provin«  Preussen 

215.  Skambrack  V.  Goldap,  Skambracken  D.  Tilsit  —  S'kambrax, 
Skambrakas  (Spielmann  N.  472). 

216.  Skarren  D.  Memel  —  Skarrus,  Skarat  (skaras  Lumpen). 
217.Skaticken  G.  Bagnit,  F.,  Skatiken  2  D.  Wehlau  —  Skattikatis 

(skatikas  Groschen);   Ygl.  Pelickis,  Peleckis  (pelikis  Pelchen; 
Tretczogs  (treczokas  Sübergr.);  Aidukatis  (eidzukas  Dreipelcher). 

218.  Skerswethen  D.  Tilsit  —  Skerswetaitis  (at;  skersas  quer). 

219.  Sköpen  2  D.  Niederung  —  Skepe(i)naitis. 

220.  S kören  D.  Memel,  3  D.  Niederung  —  Skeries(ö),  Skeratis  (at ,- 
skeris  Heuschrecke). 

221.  Skrebben  D.  Ragnit  —  Skrebbas  (skrebas  Hutkrempe). 

222.  Skroblienen  —  skroblus  Hagebuche ;  davon  Skroblien,  Skrob- 
linatis. 

223.Skrotlienen  D.  Labiau,  Skrodeln  D.  Tilsit  —  Skrodlies 
(altpr.  scrutele,  lett.  ökrohdalis  Zuschneider);  s.  88.  178.  187; 
Dirszus,  Dirszuweitis  (dirias  Gürtel,  Riemen;  —  Riemer?); 
Ballnus  (balnus  Sattler);  Odszuck  (üdzus  Gerber). 

224.  Smeilen  D.  Pillkallen  —  Smail,  Smailus,  Schmailies,  Smailuk 
smailus  leckerhaft,  Zeigefinger;  smilukas  Leckerer). 

225.  SnappenD. Pillkallen,  Insterburg  —  Schnapatis  (snapas Schnabel). 

226.  Sprakten  D.  Insterburg  —  Sprakties. 

227.  Stablacken  2  D.  G.  Insterburg,  Stablaugken  D.  Pillkallen, 
Stablack  G.  Gerdauen,  F.  Y.  Eylau  =  (stabis  Stein)  Steinfelden, 
teilweise  wohl  auch  Feld  des  Stab. 

228.  Staggen  D.  Bagnit,  Insterburg  —  Stagge,  Stagat,  Stegat,  Ste- 
guweit,  Stageleit,  Staginnus,  Staguhn,  Stagote  (N.  thes.  174). 

229.  Staldszen  D.  Heydekrug  —  Stalszus. 

230.  Stannen  D.,  Stanneitschen  D.  Domäne  Gumbinnen  —  Stannus 
Staneitis.  —  Stankaiten  D.  Memel  —  Stankat,  Stankuweit; 
ygl.  N.  thes.  175  Stanko  (Stankus  Stanislaus;  Stankischken  = 
Stanslittau). 

231.  StepponatenD.  Bagnit,  Stepponisehken,Steppon-Bödszen, 
St.-Wannag  D.  Tilsit  —  Steponat,  Steppuhn,  Stepat,  Step- 
patis, Steputis,  Stepputat  (Stephan). 


von  F.  Hoppe.  417 

232.  Sterpeiken  D.  Tilsit  —  Strupeickies. 

233.  Stirnlaug ken  D.  Pillkallen  =  Rehfeld,  stirna  Beb  oder  (indirect 
davon)  Stirna,  Stirnes,  Stirnus,  Stirnatis. 

234.  Stonischken  2  D.  Tilsit  —  Stonus,  Stonies. 

235.  Strasden  D.  Tilsit  —  Strasdatis  (at,  eit;  strazdas  Drossel). 

236.  Stnlgen  0.  Oumbinnen  —  Stulgies,  Stulgait,  Stulgeries. 

237.  Stumbern,  Stumbragirren,  Stumbrakemen  —  stumbras 
Auerochs;  Stumber,  Stumbries. 

238.  Surmienen  N.  thes.  181; lit.  Surmins,  Surmien  (surma Schalmei?). 

239.  Swarreitkemen  D.  Tilsit,  Swarren  D.  Heydekrug  —  S warraitis 
(atis,  at;  vgl.  Ortsnamen  des  E.-B.  Gumbinnen  S.  15;  svarus  schwer). 

240.  Szalies  A.  Insterburg  —  Szalies  (szalis  Seite?). 

241.  Szameiten  D.  Lyk  (vgl.  Ortsnamen  S.  9);  Szameitkemen  D. 
Heydekrug,  2  D.  Tilsit,  D.  Pillkallen,  Stallupönen,  Insterburg, 
Szameitschen  D.  Oumbinnen,  3  D.  Stallupönen  —  Szameit, 
Szameitatis,  Szameitat  (iemaitis  Niederlitauer). 

242.  Szauken  D.  Heydekrug  —  Sauckus. 

243.  Szieleitschen  0.  Insterburg  —  Szieleitis. 

244.  Taureggen-Bendig  D.  Memel  —  Taureck,  Taurux. 
245. Titschken  D.  Bagnit  —  Titschkus,  Ticzkus  (Tietz).     , 

246.  Tittnaggen  D.  Oumbinnen,  Titnaginis  Wiese  bei  Szirgupönen 
—  titnagas  Feuerstein;  Titnaks  (tt,  ck). 

247.  Tramischen  D.  Heydekrug  —  Tramiczus. 

248.  Trumpaten  D.  Bagnit,  Trumpeiten  2  D.  Niederung,  Trump- 
lauken D.  Insterburg  —  Trumpa,  Trumpions  (trumpas  kurz). 

249. Tru sehen,  Truschellen  D.  Memel  —  truszas  Bohr;  Truschies. 

250.  Tu  tt  ein  2  D.  Tilsit,  Bagnit  D.  Oumbinnen  —  Tutlies  (tt,  y; 
tutlys  Wiedehopf). 

251.  ürbschen  D.  Stallupönen  —  Urbschatis  (at,  eit),  Urbatis,  Urbuttis, 
Urbutat,  Urbikaitis,  TJrbigkeit,  Urbons,  Urbantatis  (ürban). 

252. Uszdrawen  D.  Pillkallen  (vgl.  Dräweningken;  Drawehn)  — 
Uszdraweit;  Uszkampchen  D.  Darkemen  —  Uszkampies  in  U.; 
Uszkurries,  Uszkurreit  (u£kurys  Nachheizer,  der  zweite  Mann  einer 
Frau  =preikszas,  Preugszat,  Preigszat);  Uszpelken  D.  Tilsit  — 

Altpr.  MoaattMhrlft  Bd.  XIV.  Hft.  6  o.  6.  27 


41g  Ortsnamen  der  Provinz  Prenssen  von  F.  Hoppe, 

Uszpelkatis  (at,  ck);  Uszpurwies  weist  auf  eine  Ortschaft  *Usz- 
purwen  hin;  Uschleit  (uszlaitas  ein  Tal  N.  35  gehört  zu  szlaitas 
Abhang,  Anberg;  uz).  Mit  der  Präposition  uz  zusammengesetzte 
Ortsnamen  im  russ.  Litauen  sind:  Uiworciel,  Uzlediie  an  der 
Niewiaia;  Uzkiertule  südlich  Yon  Kietur  nowizna;  Us  Zilien, 
Uszplenis,  Uzupie,  Uzbole  im  Gebiet  der  Schirwint;  Usch- 
mauden  (und  Maudischken)  östlich  vonPabbeln;  —  (szilas  Heide, 
upe  Pluss,  bala  Bruch,  mauda  Schierling). 

253.  Wallen  G.  Alienstein,  D.  Ortelsburg  —  Wallat,  Wallatis,  Wal- 
luttis,  Walukatis  (at),  Wallatkat. 

254.  Wallindszen  D.  Pillkallen  —  Wallenszus. 

255.  Wannaggen  D.  Memel,  2  G.  Labian,  Wannaginnen  D.  Dar- 
kemen,  Wannaglauken  2  D.  Niedening  —  vanagas  Habicht; 
Wannags  (x),  Wannagatis  (al). 

256.  Warlen  D.  Insterburg  —  Warlatis  (varle  Frosch,  varlate 
Fröschchen);  Wixwen  2  D.  Niederung  —  Wixwatis  (vikszwa  Spitz- 
gras); Wieszen  D.  Heydekrug  —  Wisznatis,  Wiszenat  (vyszne 
Weichselbaum);  Wirballen  D.  Heydekrug  —  Wirbaleitis  (virbalas 
Leitersprosse,  Stöpsel);  Wensken  D.  Memel,  Pillkallen,  Wensko- 
wethen  G.  Insterburg  —  Wenskat  (eit);  Wischtecken  D.  G. 
Gumbinnen,  Wischteggen  2  D.  Bagnit  —  Wischtuckat  (viszta 
Henne,  Tiszczukas,  *  visztukas  Küchlein ;  kalner-viszczukas  Koller- 
hahn). 

257.  Wedern,  Weedern  —  Weederaitis  gr.  Wederaitischken  D. 
Eagnit  1764  (vgl.  Ortsnamen  S.  13);  Schleicher  I,  143  Vederaitis 
von  vederai  Eingeweide? 

258.  Weszkallen  D.  G.  F.  Pillkallen  —  Weszies;  Woszkalnies  (11,  seh). 
259.Willuhnen   D.  G.  Pillkallen,   D.  Niederung  —  Willuhn  (ns), 

Willaus,  Willauszus,  Willuschat,  Willutat  (ait),  Willumat,  Willu- 
meit,  Willuweitis  (eit;  Wilhelm). 
260.Wittschen  D.  Tilsit  —  Witeschies. 

Nachtrag.  So  wie  Grigallis  Gregor  die  Koseform  Gallus  ergiebt, 
so  Erasmus  Asmus,  Aszmies,  Aszmys  (also  nicht  =  Octavianus,  wie 
Schleicher  I,  143  vorschlägt);  so  Barbusze  (Barbute,  Barbara)  Busze. 

Aus  diesem  Spicilegium  ist  ersichtlich,  dass  Schleicher  I,  142  mit 
Unrecht  behauptet:  «man  kann  die  Geschleohtssamen  auf  aitis  und  aus 
als  Regel  annehmen  und  die  andern  Namen  als  Ausnahmen.* 


ie  älteste  litauische  Chronik. 

Au3  dem  Russischen  übersetzt  von  F.  Neumann. 

Herausgegeben  von 

M.  Toppe  n.*) 


Chronik  der  Grossfürsten  von  Litauen. 

Zur  Heraasgabe  hergestellt  von 

A.  N.  Popow. 

Separatabdruck  aus  dem  1.  Bande  der  gelehrten  Denkschriften,  herausgegeben  von 
der  2.  Abtheilung  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 

S.  Petersburg, 
in  der  Buchdruckerei  der  kaiserl,  Akademie  der  Wissenschaften« 

1854. 

Die  ersten  Nachrichten  über  litauische  Chroniken  sind  aus  Strykowski 
geschöpft,  der  unter  der  Zahl  der  Quellen  seiner  Chronik  sich  auf 
litauische  und  russische  Jahrbücher  beruft.1) 

Was  hat  Strykowski  unter  der  Benennung  „litauische  Jahrbücher* 
verstanden?  Diese  Frage  haben  die  Gelehrten  sich  bemüht  aufzulösen. 
Durch  die  Namenverbindung:  litauische  und  russische  Chroniken 
hat  er  auf  der  einen  Seite  zu  dem  Glauben  Veranlassung  gegeben,  dass 
er  überhaupt  die  russischen  Chroniken  gemeint  habe,  in  denen  Nach- 
richten auch  über  die  litauische  Geschichte  eingeschlossen  sind;  auf 
der  andern  Seite  setzt  er  die  Existenz  besonderer  litauischer  Chroniken 
voraus.    Schlözer,  über  Strykowski  spottend,  sagt:  „Er  hat  ein  Dutzend 


*)  Man  vergleiche  die  Mittheilungen  in  der  Altpr.  Monatsschrift  Jahrg.  1869 
VI,  346.  Neumanns  Uebersetzung  ist  bisher  nur  von  den  Herausgebern  der  Scriptores 
rerum  Prussicarum  (II,  p.  452)  benutzt. 

')  Eronika  Polska,  Litewska  etc.  Warszawa  1846.  I,  57,  83,87;  H,  58,229,232. 

27* 


420  Die  älteBte  litauische  Chronik 

litauischer  Chroniken  benutzt,  —  litauischer?  ....  aber  die  Litauer 
haben  noch  nicht  seit  lange  her  das  Schreiben  gelernt  ....  und,  was 
er  Chroniken  nennt,  welcher  Art  waren  die  von  ihm  gebrauchten?  wo 
sind  sie  hingekommen?  Wenn  es  jemand  einfallen  sollte,  ihn  kritisch 
zu  betrachten,  so  würde  er  wahrscheinlich  finden,  dass  alle  gewisse 
alte  Geschichte  von  ihm  wie  auch  von  Dlugosch  aus  den  Russen  ent- 
nommen ist."  —  „Die  von  Kojalo witsch  herausgestrichenen  vetusti  et 
vetustissimi  Annales  Litvaniae"  bezieht  Schlözer  auf  die  späteren  Zeiten, 
indem  er  mit  Bestimmtheit  behauptet,  dass  „es  keine  einheimischen 
litauischen  Chroniken  gebe,  noch  auch  geben  könne.*2) 

Nach  den  Andeutungen  Strykowski's  verstand  er  hierunter  die 
Existenz  besonderer,  von  Litauern  in  ihrer  Sprache  geschriebener  Jahr- 
bücher und  behauptete  daher,  indem  er  die  Existenz  derselben  verneinte, 
dass  alle  Nachrichten  über  die  ältere  Geschichte  Litauens  nur  aus 
russischen  Quellen  entlehnt  sein  könnten.  Die  Meinung  Schlözers  stellt 
sich  zu  gleicher  Zeit  als  richtig  und  als  falsch  heraus,  und  zwar  des- 
halb, weil  er  die  Frage  entscheidet  ohne  vorgängige  kritische  Unter- 
suchung der  Aussage  Strykowski's,  welche  vorzunehmen  er  doch  selbst 
anräth.  Diese  Arbeit  ist  durch  den  Prof.  Danilowitsch  unternommen 
und  damit  die  Frage  über  litauische  Chroniken  schliesslich  entschieden 
worden. 3) 

Strykowski  sagt:  „alle  litauischen  Chroniken  —  die  von  ihm  be- 
nutzt wurden  —  sind  russisch  geschrieben;  sie  bilden  auch  die  ältesten 
Chroniken  für  Litauen."4)  Diese  Worte  heben  durch  sich  selbst  die 
Annahme  in  litauischer  Sprache  geschriebener  Chroniken  auf,  und  be- 
weisen anderseits,  dass  alle  Nachrichten  über  die  alte  litauische  Ge- 
schichte ausschliesslich  in  russischen  Quellen  enthalten  sind.  So  hat 
schon  vor  Schlözer  der  von  diesem  angeschuldigte  Strykowski  ganz 
dasselbe  behauptet.   Denn  er  sagt:  „ohne  Bussland  hätte  Litauen  nichts 


*)  Nestor  L   Gesch.  von  Litauen  1785.  §.  5. 

*)  Dessen  Abhandl.  über  lit.  Chroniken  im  Journal  des  Ministerii  fttr  Volks- 
aafklärung  T.  XXVIII.  1840.  6.  70—114.  In  poln.  Sprache  als  Beilage  zur  Ausgabe 
der  Strjkowskischen  Chronik  von  1848. 

4)  Rronlka  I,  354. 


k» 


hrsg.  von  Dr«  M.  Toppen,  421 

von  seiner  Geschichte  gewusst;  denn  die  Bussen  besitzen  die  ältesten 
Berichte.445) 

Unentschieden  blieb  die  Frage:  Sind  diese  russisch  geschriebenen 
litauischen  Chroniken  russische  Chroniken  oder  von  diesen  geson- 
derte? —  eine  Frage,  welche  demnächst  entschieden  worden  ist  durch 
die  Mittheilung  Narbuts  über  die  litauische  Chronik  des  By  cho  wietz,6) 
die  auch  in  der  Folge  von  ihm  herausgegeben  wurde,  und  durch 
die  von  Danilowitsch  aufgefundene  und  herausgegebene  Suprasler 
Chronik. 

Diese  Chronik  befand  sich  in  der  Kirche  des  Klosters  Suprasl  in 
russischer  Schrift  mit  den  Schriftzügen  des  16.  Jahrhunderts.  Auf  dem 
letzten  Blatte  befand  sich  folgende  Nachschrift:  „Wie  der  Hase,  der 
aus  dem  Garn  entkommen  ist,  so  freut  sich  jeder  Meister,  der  sein 
Werklein  beendet  hat.  Diese  Chronik  ist  ausgeschrieben  im  Jahre 
7028  (1520)  luna  XVIIL,  indict.  IX.,  am  6.  des  October,  dem  Ge- 
dächtnisstage des  heil.  Apostels  Thomä,  auf  Anlass  des  rechtgläubigen 
und  Christliebenden  Fürsten  Simeon  Iwanowitsch  Odintzewitsch,  auf 
Seiner  Gnaden  Gesundheit  und  Glückseligkeit,  das  ewige  Leben  und 
Vergebung  der  Sünden.  Die  Gnade  Gottes  sei  mit  Ihren  Gnaden  und 
Sr.  Gnaden  Fürstin  Katharina  und  Ihrer  Gnaden  Kindern.  Handarbeit 
des  grossen  Sünders,  des  Dieners  Gottes,  Gregor  Iwanowitsch,  zu  Gottes 
Ehre  und  Buhm,  in  Ewigkeit,  Amen.  Gedenke,  Herr!  des  abgeschiedenen 
Priesters  Iwan.*  „Ich  behaupte  dreist*  sagt  Danilowitsch,  „dass  wir 
bis  jetzt  keine  bessere  und  selbst  keine  ältere  litauische  Chronik  kennen. 
Ich  erhalte  aus  derselben  die  Ueberzeugung,  dass  man  im  14.  Jahr- 
hundert schon  besondere,  rein  litauische  Chroniken  geschrieben,  oder 


a)  Ebds.  I,  219. 

6)  Dzieje  staroz.  Lit.  I,  679.  699.  Die  Chronik  des  Bychowietz  ist  herausge- 
geben unter  d.  Titel:  Pomniki  do  dziejöw  Litewskich  zebrane  przez  Teodora Narbutta. 
Wilno.  Nakladem  Rubene  Rafalowicza  Ksi§garza,  Wilenskiego  1846.  78(90)pag.  in  4°. 
P.  Danilowitsch  hatte  seine  Chronik  anfanglich  in  dem  »Wilnaer  Tageblatt*  von  18*23 
abgedruckt;  späterhin  wurde  sie  von  A.  Martzinowski  für  sich  herausgegeben, 
unter  dem  Titel:  Latopisiec  Litwy  i  Eronika  ßuska.  Wilno.  1827.  Eine  Uebersetzung 
derselben  hat  Russow  abgedruckt  in  den  Memoiren  für  1832,  IV,  19—48; 
V,  16-39;  VI,  64,  68, 


422  ^*e  &toste  litauische  Chronik 

zum  wenigsten  solche  aus  schon  vorhandenen  älteren  zusammengestellt 
hat.*1)  Wo  sich  gegenwärtig  die  Originalhandschrift  befindet,  ist  un- 
bekannt. Danilowitsch  hat  die  Chronik  unter  Uebertragung  in  die 
lateinische  Buchstabenschrift  mit  polnischer  Rechtschreibung  heraus- 
gegeben und  die  bekannte  russische  Chronik  hat  sich  bis  dahin,  wie  er 
sagt,  in  fremdem  Gewände  befunden. 

Die  jetzt  von  uns  veröffentlichte  Abschrift  einer  litauischen  Chronik 
gehört  dem  Gr.  A.  S.  Uwarow.8)  Sie  ist  völlig  übereinstimmend  mit 
der  Suprasler  Chronik  und  mit  kyrillischen  Buchstaben  geschrieben.  Sie 
ergänzt  zwar  die  letztere  an  vielen  Stellen  und  wird  in  einigen  Fällen 
wiederum  von  dieser  ergänzt;  gleichwohl  stellen  augenscheinlich  beide 
nur  Abschriften  einer  und  derselben  Chronik  dar.  Der  Codex,  in  dem 
sich  die  letztere  Abschrift  befindet,  ist  in  kirchenslavischer  Schrift,  mit 
litauischen  Schriftzügen  des  15.  Jahrhunderts,  in  Sedezformat,  auf  ge- 
glättetem Papier  geschrieben  und  enthält  107  Blätter.  Die  Anfangs- 
blätter sind  nicht  vollständig;  von  den  vorhandenen  sind  die  ersten 
ohne  Ecken;  in  der  Mitte  und  am  Ende  sind  einige  wenige  Blätter 
verloren  gegangen.  Der  ganze  Codex  zerfällt  in  drei  Theile;  der  erste 
enthält  die  litauische  Chronik  (Bl.  1—76);  auf  diese  folgt :  «Chronik  des 
Grossfürsten  von  Moskau,  soweit  er  aus  dem  Geschlechte  Wladimirs*, 
ein  kurzes  Geschlechtsregister  der  Fürsten  von  Moskwa,  an  welches 
sich  die  Aufzählung  der  Bisthümer  anschliesst,  unter  der  Ueberschrift : 
,Und  dies  sind  die  Bischöfe,  soviel  ihrer  in  Bussland  vorhanden  sind* 
(76T— 79).  Weiter  folgt:  »Chronik  des  Grossfursten  Wladimir  von 
Kiew*  (80—107),  beginnend  mit  einer  Klage  der  Nowgoroder  darüber, 
dass  ihnen  Wladimir  zum  Fürsten  gegeben  sei,  und  endigend  mit  dem 
Einfalle  Baty's.  Zu  unterst  der  letzten  Blätter,  auf  der  Bückseite,  be- 
finden sich  neben  dem  Text  der  Handschrift  folgende  Beifügungen  von 

anderer  Hand:  (Bl.  107)  „ treuer  Knecht  von  Befehl  —  Johannis, 

dienstwilligen  Dieners  gehör und  meinem  Wohlthäter* ;  auf  der 

andern  Seite:  (108)  9 unserer  gnädigsten  Gebieterin,  Gemalin  des  Georg 


*)  üeber  lit  Chroniken«    Journal  d.  Minist,  f.  Anfiel.  S.  101—106. 
•)  Sie  ist  ihm  Überlassen  worden  von  J.  P.  Sacharo w. 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  423 

Simonowitsch  von  Slutzk,  Fürstin  Helena,  Tochter  des  Nikolaus  Bodi- 
wilowitsch  —  grossmächtig*;  ferner  (109)  „im  Jahr  1542,  am  17.  des 
April,  am  Tage  des  heil.  Vaters  Siraeon,  der  in  Persien  [den  Märtyrer- 
tod erlitt],  des  Sonntags,  auf  die  zweite  Stunde  Nachts,  verschied  der 
Fürst  Georg  von  Öluck;  er  war  das  Haupt  der  ganzen  Industrie".  Auf 
der  Rückseite  dieses  Blattes:  „Olkemontow,  des  Geschlechts  Golschan; 
Jewnutiew,  des  Geschlechts  Sheslaw;  Kgedimonow,  des  Geschlechts 
Alelkow;  Jakailow,  königlichen  Geschlechts;  Witowt  Kestutie witsch.* 

Aus  dem  Geschlechtsregister  ist  ersichtlich,  dass  der  Fürst  Georg 
von  Sluck  ein  Nachkomme  Olgerds  war.  Er  war  der  Sohn  Simeons 
von  Öluck,  dessen  Vater  Michael  der  Sohn  Olelks  war.  Olelk  aber 
oder  Alexander  war  ein  Sohn  Wladimirs  von  Bielsk,  des  fünften  Sohnes 
Olgerds.0)  Georg  von  Öluck  starb  in  der  That  i.  J.  1542,  und  war 
vermählt  mit  der  Tochter  des  Nikolaus  Badziwil,  der  Schwester  des 
litauischen  Hetmans  Georg  (t  1541). 10) 

Diese  Kandvermerke  sind  allerdings  nicht  gleichzeitig  mit  der 
Handschrift  selbst,  welche  älter  ist;  jedenfalls  aber  dürften  sie  den  Be- 
weis liefern,  dass  die  Handschrift  nicht  jünger  sein  kann  als  aus  dem 
16.  Jahrhundert.  Die  Schrift züge  der  Randbemerkungen  und  der  Zu- 
sätze zu  dem  Text   selbst  in  dem  untern  Theile  der  Seiten  stimmen 


9)  Wer  Siraeon  Iwauowitsch  Odintzewitsch  gewesen  sei,  hat  Danilowitsch  nicht 
gefunden  (Latop.  Litw.  Vorrede.  12);  bei  Nieäetzki  findet  sich  in  der  Reihe  der 
Odintzewitsch  keiner  dieses  Namens.  Auf  der  ersten  Seite  ist,  wie  Danilowitsch  Ter- 
muthet,  von  der  eigenen  Hand  dos  S.  I.  Odintzewitsch  die  Genealogie  desselben  ge- 
schrieben; hier  heisst  es:  »Dieser  Fürst  Alexander  kam  auch  mit  seinem  Sohne 
(Gregor)  zu  dem  Grossfttrsten  von  Moskwa,  Dienste  zu  nehmen.*  In  den  russischen 
Geschlechtsregistern  wird  erwähnt,  dass  die  Fürsten  von  Druck  »aus  Litauen  zu  dem 
Grossfürsten  Wasili  Iwauowitsch  gekommen*  seien.  Der  Fürst  Draitri  hatte  zum 
Sohne  den  F.  Wasilei,  Wasilei  den  Alezander  and  Alexander  den  Georg.  In 
einer  Handschrift  wird  aber  der  Vater  Alexanders  Andrei  genannt.  Unserm  Ge- 
schlechtsregister zufolge  wird  als  Sohn  des  Dmitri  Ioannowitsch  der  Bojar  Andrei 
Odynetz  angegeben,  als  dessen  Sohn  Alexander  Bielejut,  als  Bielejuts  Sohn  Gregor. 
Möglicherweise  gehörte  diesem  letztern  die  Suprasler  Abschrift  der  litauischen  Chronik. 

10)  Kionika  Stryjkowskicgo.  II,  399.  Tegoz  tei  roku  po  wielkiejnocy  Jerzj 
Semenowic,  xiaie  Shicka  mq,z  wielkiej  dzielnosci,  rozstal  sie,  z  swiatem,  (In  dem- 
selben Jahre,  um  Ostern  schied  von  dieser  Welt  Georg  Semenowitsch,  Fürst  von 
Sluck,  eiu  Mann  von  grosser  Thätigkeit.) 


424  ^ie  älteste  litauische  Chronik 

untereinander  sehr  überein  und  gehören  ohne  Zweifel  dem  16.  Jahr- 
hundert an.  Uebrigens  ist  die  Schrift  des  Textes  der  Chronik  selbst, 
wie  es  scheint,  nicht  später  als  aus  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts.  n) 

Ueber  die  Zeit  der  Abfassung  der  Chronik  selbst  lässt  sich  aus 
folgenden  Umständen  ein  Urtheil  fällen.  Bei  der  Erzählung  von  dem 
Tode  des  Grossfürsten  Ökirigail  sagt  der  Chronist:  „Ich  weiss  dieses 
nicht,  weil  ich  damals  noch  jung  war;  aber  Einige  sagen,  dass  dieser 
Thomas  dem  Fürsten  Ökirigail  ein  giftiges  Kraut  zu  trinken  gegeben 
habe.*  ÖMrigaü  verstarb  1394  ,s);  folglich  lebte  der  Verfasser  der 
Chronik  annäherungsweise  zwischen  1385  und  1450.  Demnach  kann  man 
die  Abfassung  der  Chronik  in  den  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  setzen. 
Die  beiden  bis  jetzt  bekannten  Abschriften  gehörten  zwei  litauischen 
Geschlechtern:  den  Odintzewitsch  und  Ölulzk. 

Bei  der  Beurtheilung-  der  litauischen  Chroniken  nimmt  Prof.  Dani- 
lowitsch  den  Angaben  Strykowski's  zufolge  eine  gewisse  Classificirung 
dieser  Chroniken  an.  In  vollständigen  Abschriften  sind  bis  jetzt  nur 
zwei  bekannt:  die  eine,  die  von  ihm  selbst  edirt  ist  und  jetzt  nach 
einer  neuen  Abschrift  in  kyrillischer  Schiift  herausgegeben  wird;  die 
andere,  unter  dem  Namen  der  Chronik  des  Bychowietz  bekannte,  welche 
Narbut  herausgegeben  hat. 

Die  letztere  Chronik  war  ebenfalls  russisch,  mit  kyrillischen  Buch- 
staben geschrieben,  denn  auf  der  letzten  Seite  der  von  Narbut  heraus- 
gegebenen polnischen  Abschrift  derselben  heisst  es:  »Kronika  Litewska, 
z  Buskiego  jgzyka  na  Polski  przethimaczona"  ");  aber,  wie  auch  der 
Herausgeber  selbst  bemerkt,  diese  „Uebersetzung"  beschränkt  sich  nur 
darauf,  dass  der  polnische  Abschreiber  die  kyrillischen  Buchstaben  mit 
lateinischen  vertauscht  bat.  Man  darf,  wie  es  scheint,  mit  Wahrschein- 
lichkeit hinzufugen,  dass  der  Abschreiber  auch  einige  russische  Wörter 
durch  polnische  ersetzt  habe,  und  zwar  auf  Grund  der  folgenden  Yer- 
gleichung.    Im  Jahr  1846  veröffentlichte  Gr.  Bodjanski  einige  Nach- 


n)  Proben  dieser  Schriftarten  sind  der  »Sammlung  von  Acten  der  Städte  Wilno, 
Kowno  und  Trok  Wilno  1843/  beigefügt. 
«)  Kronika  Stryjk.  II,  103. 
")  Pomniki  do  driejow  Lit.    Vorrede  S.  1  u.  2, 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen«  425 

richten  über  die  Handschriften  der  Posener  Bibliothek. ")  Es  befindet 
sich  dort  uuter  andern  eine  „Chronik  des  Orossfürstenthnms  Litauen 
und  Samaiten*.  Wenn  man  die  von  Bodjanski  beigefügten  Auszüge 
aus  dieser  Chronik  mit  der  von  Narbut  herausgegebenen  ")  vergleicht, 
so  zeigt  sich,  dass  dies  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  und  dieselbe 
Chronik  sei,  aber  die  erstere  das  russische  Original,  die  andere  die 
polnische  Uebersetzung,  oder  richtiger,  eine  nur  mit  einigen  Verände- 
rungen in  der  Sprache  versehene  Abschrift  vorstelle. 

Der  Beschaffenheit  des  Papiers  und  der  Schrift  nach  setzt  Narbut 
die  polnische  Abschrift  in  das  16.  oder  den  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts; aber  wie  es  scheint  gehört  auch  die  Abfassung  der  Chronik 
selbst,  wenn  sie  auch  nicht  gerade  in  diese  Zeit  fällt,  doch  in  jedem 
Falle  einem  in  Vergleichung  mit  der  jetzt  herausgegebenen  späteren 
Zeiträume  an.  Der  Verfasser  der  Chronik  des  Bychowietz  hat  mit 
andern  Quellen  zugleich  auch  diese  letztere  Chronik  benutzt.  Sie  ist 
fast  gänzlich  in  die  Zusammensetzung  seiner  eigenen  Chronik  einge- 
gangen, zuweilen  Wort  für  Wort,  häufiger  aber  in  abgekürzter  Gestalt 
oder  mit  Zusätzen  versehen.  Aber  auch  die  hier  erscheinende  Chronik 
ist  nicht  eine  ursprüngliche,  und  der  Verfasser  hat,  wenn  nicht  ältere, 
so  doch  wenigstens  andere,  kürzer  gefasste  Chroniken  benutzt.  Zu  dieser 
Annahme  haben  uns  die  am  Schlüsse  beider  Abschriften  angebrachten 
kurzen  Notizen  über  Begebenheiten,  die  nur  eben  zuvor  von  der  Chronik 
mit  viel  grösserer  Ausführlichkeit  erzählt  worden  sind,  geführt. 

Bei  dieser  Ausgabe  ist  die  Abschrift  des  Gr.  Uwarow  als  Text 
genommen,  mit  der  Abschrift  des  *c.  Danilowitsch  verglichen  und  sind 
die  Abweichungen  in  den  unten  stehenden  Noten  angegeben.  Die  Hand- 
schrift ist  buchstäblich  genau  abgedruckt;  nur  einige  wenige  in  der- 
selben vorkommende  Abkürzungen  aus  Flüchtigkeit  sind  ohne  Abkürzung 
der  Buchstaben  in  vollständiger  Form  übertragen.  Die  Rechtschreibung 
der  Handschrift  ist  beibehalten.  Die  in  Parenthese  (— )  eingeschlossenen 
Stellen  befinden  sich  nicht  in  der  Abschrift  des  Gr.  Uwarow  und  sind 


")  »Vorlesungen  in  der  kafeerl.  Mosk.  Ges.  f.  Gesch.  u.  Alterth/    1.  Jahrg. 
No.  1.  S.  1-45. 

")  Ebds.  S.  9  Igg.    Kronika  Litewska  von  Narbut.  8.  15  fgg. 


N 


426  Die  ]Ute8te  litauische  Chronik 

der  Abschrift  von  Danilowitsch  entnommen;  die  zwischen  Klammern  [ — J 
gesetzten  Stellen  befinden  sich  umgekehrt  allein  in  der  Abschrift  des 
Gr.  Uwarow  und  sind  in  jener  nicht  enthalten. 

Indem  wir  diese  Chronik  herausgeben,  glauben  wir,  dass  sie  als 
geschichtliches  Denkmal  und  zugleich  als  Probe  der  litauisch-russischen 
Sprache  des  14.  Jahrhunderts  von  Interesse  sein  werde. 

A.  Popow. 

Chronik 
der  Grossfürsten  von  Litauen. 

(Der  Grossfürst  von  Litauen,  Kedmin,  hatte  7  Söhne:  der  älteste 
war  Monwid,  dann  Narimont,  Oligord,  der  Vater  der  Könige,  dann 
Jewnutei,  dann  Kestuti,  der  Vater  des  Grossfürsten  Witowt,  dann 
Koriat,  und  der  siebente  Liubort.  Dem  Mondiwid  gab  der  Vater 
Eoraschew,  auch  Slonim;  dem  Narimont  Finesk;  dem  Olgird, 
dem  Vater  des  Königs,  Krewo;  auch  nahm  diesen  der  Fürst  von 
Witebsk,  der  keine  Söhne  hatte,  zu  seiner  Tochter,  Witebsk  einzu- 
nehmen; den  Jewnutei  setzte  er  in  .Wilno  als  Regenten  des  Gross- 
fürstenthums ;  dem  Kestuti  aber  gab  er  Troki;  dem  Koriat  Now- 
gorodok;  und  den  Liubort  nahm  der  Fürst  von  Wolodimer  zu 
seiner  Tochter  in  Wolodimer  und  in  Lutschesk  und  in  das  ganze 
Wolhynische  Land.  Olgird,  der  Vater  der  Könige  und  der  Vater 
des  Grossfürsten  Kestuti,  stand  in  grosser  Liebe  und  Gnade  und  in 
Ehrung.  Der  Grossfurst  Jewnutei  war  bei  der  Mehrzahl  nicht  beliebt, 
und  seine  Brüder  besprachen  sich  unter  einander,  der  Gr.-F.  Olgird 
und  der  Gr.-F.  Kestuti,  wie  sie  ihn  nach  der  Zeit  heraussetzen  und 
irgend  einen  von  ihnen  eiusetzen  möchten.  Und  sie  beredeten  sich 
unter  einander  und  unternahmen  einen  Handstreich,  welches  Tages  sie 
auf  Wilna  losrücken  und  die  Stadt  wider  den  Bruder,  den  Gr.-F. 
Jewnutei,  besetzen  möchten.  Aber  der  Gr.-F.  Olgird  kam  nicht 
zeitig  genug  zu  diesem  Handstreich,  und  der  Gr.-F.  Kestuti  drang 
gegen  die  Stadt  Wilno  an  und  jagte  in  die  Stadt.  Und  der  Gr.-F. 
Jewnutei  entsprang  und  floh  in  die  Berge,  da  fror  er  in  der  Nacht; 
erstarrt  führten  sie  ihn  zu  dem  Bruder,  dem  G.-F.  Kestuti;  er  wartete 


hrsg.  von  Dr.  Mf.  Toppen.  427 

aber  auf  seinen  altern  Bruder,  den  G.-F.  Olgird,  ihn  zum  Wächter 
zu  setzen  und  sandte  einen  Eilboten  seinem  Bruder,  dem  G.-F.  Oligord 
entgegen,  dass  er  in  Wilno  sässe  und  seinen  Bruder,  den  G.-F.  Jew- 
nutei  gefangen  habe.  Der  Eilbote  begegnete  ihm  in  Krewo  und  der 
G.-F.  Olgird  eilte  schnell  zu  seinem  Bruder,  dem  G.-F.  Kestuti. 
Und  der  G.-F.  Kestuti  sprach  zu  seinem  Bruder,  dem  G.-F.  Olgird: 
„Dir  gebührt  es,  Grossfürst  zu  sein  in  Wilno,  du  bist  der  ältere 
Bruder,  ich  aber  werde  mit  dir  vereint  leben."  Und  er  setzte  ihn  auf 
den  Grossfürstensitz  in  Wilna,  dem  Jawnuti  aber  gab  er  Isheslawl. 

Es  beschlossen  aber  der  G.-F.  Kestuti  und  der  G.-F.  Olgird, 
dass  die  ganze  Brü  lerschaft  gehorsamen  sollte  dem  G.-F.  Olgird,  oder 
wem  sie  dieses  Gebiet  vertheilt  hätten;  auch  beschlossen  sie,  das,  was 
sie  hinzugewinnen  würden,  es  sei  Stadt  oder  Gebiet,  zur  Hälfte  zu 
theilen,  auch  Zeit  ihres  Lebens  (unter  einander)  in  Liebe  und  grosser 
Gunst  zu  bleiben.  Auch  thaten  sie  unter  sich  einen  Eid  darauf,  keiner 
gegen  den  andern  Böses  zu  sinnen.  Also  blieben  sie  auch  ihr  Leben 
lang  in  diesem  Eide. 

Es  hatte  aber  der  G.-F.  Olgird  12  Söhne,  und  der  G.-F.  Kestuti 
hatte  6  Söhne.  Alle  Söhne  aber  liebten  einander:  der  G.-F.  Olgird 
liebte  den  G.-F.  Jagail  und  der  G.-F.  Kestuti  den  G.-F.  Witowt. 
Und  sie  sagten  sich  zu,  ihre  Lebenszeit  durch  auf  ihren  Stellen,  ihren 
Grossfürstenthümern,  zu  bleiben.  So  blieben  sie  und  desgleichen  .der 
G.-F.  Witowt  in  grosser  Freundschaft  bei  ihren  Vätern. 

Als  nun  danach  der  G.-F.  Olgerd  starb,  verliess  der  G.-F.  Kestuti 
nicht  seinen  Bruder,  den  G.-F.  Olgird,  wie  er  bei  seinem  Leben  in 
Einigkeit  (?)  mit  ihm  verharrt  hatte;  und  er  fing  an  als  Grossfürsten 
in  Wilno  seinen  Sohn,  den  G.-F.  Jagail,  anzusehen  und  fing  an,  vor 
die  alten  Käthe  zu  treten,  wie  er  vor  den  altern  Bruder  getreten  war. 

Es  war  aber  bei  dem  G.-F.  Olgird  ein  gewisser  Knecht,  ein  leib- 
eigner Bauer,  mit  Namen  Woidilo;  zuerst  war  er  Bäcker;  er  bestellte 
ihn  das  Bette  zu  machen  und  ihm  Wasser  zum  Trinken  zu  geben,  und 
danach  ward  er  ihm  zugethan  und  hatte  ihm  Li  da  zum  Besitz  gegeben 
und  hatte  ihn  zu  Vermögen  gebracht.  Als  nach  dem  Tode  des  G.-F. 
Olgird  etwa  zwei  Jahre  verflossen  waren,  erhob  ihn  der  G.-F.  Jagail 


428  Die  ilte8te  K^ui0cbe  Chronik 

sehr  hoch  und  gab  ihm  seine  leibliche  Schwester,  die  Fürstin  Maria, 
da  sie  von  dem  Fürsten  David  hinterlassen  war.  Dem  G.-F.  Kestuti 
aber  bereitete  er  grossen  Unwillen  und  Betrübniss,  weil  er  dessen 
Brudertochter  und  seine  Schwester  dem  Knecht  gegeben  hatte.  Und 
es  war  dieser  Woidilo  in  grosser  Macht  bei.  dem  G.-F.  Jagail;  er 
begann  aber  mit  den  Deutschen  in  Verbindung  zu  treten  und  sich  mit 
Briefen  gegen  den  G.-F.  Kestuti  zu  verschreiben. 

Es  war  aber  ein  gewisser  Komthur  von  Osterode,  Namens  Gunstyn; 
dieser  war  der  Gevatter  des  G.-F.  Kestuti,  er  hatte  seine  Tochter, 
die  Gemalin  des  Fürsten  Janusch,  aus  der  Taufe  gehoben.  Dieser 
berichtete  dem  G.-F.  Kestuti:  „und  du  weisst  das  nicht,  wie  der 
G.-F.  Jagailo  oftmals  den  Woidilo  zu  uns  sendet,  und  er  sich  schon 
mit  uns  verschrieben  hat,  ihre  Plätze  von  dir  zu  befreien,  und  wie  ihm 
mit  der  Schwester  des  G.-F.  Jagail  deine  Plätze  zu  Theil  werden 
sollen.* 

Da  nun  der  G.-F.  Kestuti  wusste,  dass  der  G.-F.  Witowt  eifrig 
mit  dem  G.-F.  Jagailo  verkehrte,  so  begann  er  sich  gegen  seinen 
Sohn,  den  G.-F.  Witowt  zu  beklagen:  „ du  verkehrst  zärtlich  mit  ihm 
und  er  hat  sich  doch  mit  den  Deutschen  gegen  uns  verschrieben/  Der 
G.-F.  Witowt  sprach  zu  seinem  Vater:  »Glaube  dem  nicht,  das  ist 
mit  nichten;  da  er  innig  mit  mir  verkehrt,  so  würde  er  es  mir  offen- 
bart haben." 

Darnach  aber  begab  sich  ein  grosses  Wunder.  Der  G.-F.  Jagailo 
hatte  seinem  Bruder  Skirigail  Plotzk  gegeben  und  sie  nahmen  ihn 
nicht  auf.  Und  der  G.-F.  Jagailo  sandte  sein  litauisches  und  russisches 
Heer  mit  seinem  Bruder  Skirigail  nach  Polotzk  und  sie  rückten  in 
die  Stadt  Und  der  G.-F.  Kestuti  begann  wiederum  sich  gegen  seinen 
Sohn  den  G.-F.  Witowt  zu  beklagen;  und  er  weinte  über  den  G.-F. 
Jagail  und  sprach:  „und  er  hat  dem  Woidilo  die  Schwester,  meines 
Bruders  Kind,  gegeben,  und  von  den  Deutschen  ist  mir  offenbart,  dass 
die  Deutschen  sich  wider  uns  verschrieben  haben.  Und  dies  ist  das 
dritte:  mit  denen)  wir  krie(gen,  mit  den  Deutschen,  mit)  denen  ge- 
winnen sie  Polotzk;  es  ist  schon  offenbar  geworden,  dass  sie  vollständig 
gegen  uns  gestanden  haben  mit  den  Deutschen/    Und  der   G.-F. 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  429 

Witowt  antwortete  seinem  Vater,  dem  G.-F.  Kestuti:  „Auch  dem 
traue  ich  noch  nicht  gross.  Ich  aber"  sagte  der  G.-F.  Witowt  „reise 
nach  der  Stadt  Drogitschin."  Da  brachte  (der  G.-F.  Kestuti  seine 
Macht  zusammen  und  eilte  in  die  Stadt)  Wilna  und  fing  den  G.-(F.) 
Jagailo  mit  der  Brüderschaft  und  der  Mutter  und  fand  daselbst  die 
Briefe,  darin  er  sich  mit  den  Deutschen  verschrieben  hatte.  Und  er 
sandte  einen  Eilboten  zu  seinem  Sohne,  dem  G.-F.  Witowt,  nach 
Dorogitschin,  dass  sich  diese  Dinge  zugetragen  hätten,  und  der  Eil- 
bote fand  den  Grossfärsten  in  Görodno,  und  er  war  eilig  (von  Dro- 
gitschin  nach  Grodno  gekommen.  Der  G.-F.  Witowt  aber  flog  in 
einem  Tage)  von  Grodno  zu  seinem  Vater,  dem  G.-F.  Kestuti,  und 
er  sprach  zu  seinem  Sohne,  dem  G.-F.  Witowt:  „Du  hast  mir  nicht 
geglaubt,  aber  siehe  diese  Briefe,  darin  sie  sich  gegen  uns  verschrieben 
haben;  Gott  aber  hat  uns  beschützt.  Ich  aber  habe  dem  G.-F.  Jagailo 
nichts  zugefügt,  ich  habe  seine  Schätze,  noch  seine  Heerden  nicht  be- 
unruhigt, und  bei  mir  selber  gehen  sie  nur  unter  geringer  (Bewachung. 
Aber  sein  Erbgut  Wedbesk  (Witepsk)  und  Krewo  und  alle  die  Plätze), 
die  sein  Vater  besessen  hat,  will  ich  ihm  geben;  aber  das  habe  ich 
gethan :  ich  habe  ihrer  Köpfe  geschont  und  mich  darüber  beruhigt,  dass 
sie  Arges  wider  mich  ersonnen  haben."  (Und)  der  G.-F.  Jagailo 
freute  sich  sehr  über  die  Ankunft  des  G.-F.  Witowt  und  schwor  einen 
Eid,  dem  G.-F.  Kestuti,  dass  er  niemals  gegen  ihn  stehen  nnd  in 
allem  ihm  ganz  zu  Willen  sein  wolle.  Und  der  G.-F.  Kestuti  liess 
ihn  frei  mit  der  Mutter  und  mit  der  Brüderschaft  und  mit  seinem 
Schatze  gänzlich. IC)  Und  der  G.-F.  Jagailo  ging  nach  Krewo  und 
der  G.-F.  Witowt  (geleitete  ihn  bis  nach  Krewo.  Und  der  G.-)F. 
Jagailo  ging  von  Krewo  nach  Witebsk.  Als  aber  der  G.-F. 
Kestuti  in  Wüna  sass,  sandte  er  zwei  Briefe  nach  Polotzk,  den 
einen  zu  dem  Heer,  den  andern  aber  an  die  Stadt;  und  die  Polotzker 
freueten  sich  und  jauchzten  dem  Heere  zu,  und  die  Kriegsleute  zogen 
hinweg  von  Skirgailo  und  zogen  nach  Wilna  zu  dem  Fürsten  Kestuti, 
der  Fürst  (Skirigailo  aber  zog)  zu  den  Deutschen  und  gen  (Liefland) 


")  »mit  6einem  Schatze  und  alle  dem  Beinigen/ 


430  Die  ftlto8te  l»*»nteche  Chronik 

mit  wenigen  Dienern.  Und  der  G.-F.  Kestuti  ging  nach  Nowogorod 
in  Severien  wider  den  Fürsten  Korbut;  seinen  Sohn  aber  den  G.-F. 
Witowt  liess  er  in  Lithauen  zurück.  Als  er  (aber)  nach  Nowogorod 
(in  Severien)  ging,  befahl  er  noch  den  Woidilo  zu  hängen,  dem 
G.-F.  Jakailo  aber  befahl  er  aus  Witebsk  (zu  ziehen  mit  ihm.17) 
Da)  vergass  der  G.-F.  Jakailo  gar  schnell  seines  Eides;18)  er  kam 
nicht  dorthin;  und  er  schwatzte  dem  Wilnaer  Statthalter  [den  Ein- 
wohnern von  Wilna] 19)  dem  Ganiulew  Dunst  vor  und  sie  besetzten 
Wilna.  Der  G.-F.  Witowt  aber  war  zu  dieser  Zeit  in  Troki,  und 
der  G.-F.  Jakailo  eilte  mit  allen  (den  Seinigen)  von  Witebsk  nach 
Wilna.  Und  der  G.-F.  (Witowt)  sandte  nach  Nowogorodek 
Sewerski,  zu  seinem  Vater  dem  G.-F.  Eestuti  (mit  dieser  Nachricht); 
aber  die  Deutschen  aus  Preussen  vernahmen  diese  Vorgänge  und  der 
Marschall  von  Preussen  kam  in  grösster  Eile  dem  G.-F.  Jakailo  mit 
seinem  Heere  (zu  Hülfe).  Und  als  der  G.-F.  Witowt  dieses  vernahm, 
dass  die  Deutschen  aus  Preussen  nach  Wilna  (und  nach  Troki  zögen), 
der  G.-F.  Jagailo  aber  von  Wilna  nach  Troki  ginge,  sich  mit  seinem 
Heer  mit  den  Deutschen  einzulassen,  so  ging  er  mit  der  Mutter  von 
Wilna  nach  Gorodno.  Wie  aber  jene  sich  Troki  näherten,  ergaben 
zieh  die  Trokier  dem  G.-F.  Jagailo.  Und  der  G.-F.  Eestuti  (begab 
sich)  nach  Gorodno  zu  seinem  Sohne;  daselbst  (fand  er)  auch  seine 
Gemahlin,  (und)  sie  sendeten  sie  nach  Berest  im  Vertrauen  auf  den 
Fürsten  Janusch  von  Masowien,  seinen  Eidam;  er  selbst  aber  zog 
nach  2emaiten  und  liess  seinen  Sohn,  den  G.-F.  Witowt,  in  Gorodno 
zurück.  Der  Fürst  Janusch  aber,  (?)  uneingedenk  der  Güter  und  der 
Freundschaft  seines  Schwiegers  und  seiner  Schwiegerin  und  seines 
Schwagers,  zog  mit  dem  Heere  nach  Dorogotschin,  besetzte  Doro- 
gotschin  stark,  eroberte  Öarasch,  eroberte  Kamenetz  und  zog  von 
Berest  ab;  seine  Schwiegermutter  in  Berest  und  Berest  erlangte  er 
nicht;  er  ging  hinweg  und  besetzte  diese  Städte:  Dorogotschin, 
Ghmelnik.  Der  G.-F.  Eestnti  aber  brachte  sein  Land  Äemaiten 
zusammen  und  alle  Kriegsmannschaft  und  ging  zum  Streite  nach  Wilna. 

n)  »dem  ganzen  Fürstetnhum  aber  befahl  er  und  dem  Jakail  aas  Witebsk  etc.* 
")  »brach  schnell  seinen  Eid4.    ")  »angesehene  Einwohner4  ?. 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  431 

Und  der  Fürst  Witowt  versammelte  sein20) (  .  .  .  zuerst 

zog  das  liefländische  Heer  dem  Fürsten  Skirigailo  zu  Hülfe  gen 
Plotzk,  danach  rückte  das  preussische  Heer  mit  dem  Marschal  gegen 
Troki  und  vereinigte  sich  mit  dem  dritten  Heere  aus  Liefland  und 
rückte  mit  demselben  dorthin.  Da  ward  es  schon  deutlich  (gingen  schon 
diese  Zeichen  hervor),  dass  sie  mit  ihm  vereinigt  zusammenständen) 
wider  den  G.-F.  Kestuti.  Und  der  G.-F.  Kestuti  rückte  aus  zum 
Kampfe,  mit  seinem  Sohne,  dem  Fürsten  Witowt,  gegen  den  G.-F. 
Jakailo.  Und  da  sich  zu  dem  Haufen  nicht  über  drei  oder  vier 
Pfeilschützen  sammelten,  so  eilten  die  Fürsten  und  Bojaren  von  dem 
G.-F.  Jagalo  in  das  Lager  des  G.-F.*1)  Kestuti;  sie  begannen  den 
G.-F.  Witowt  zu  versuchen:  „dass  wir  uns  mit  ihm  besprechen  möchten.* 
Sie  begannen  zu  dem  G.-F.  Witowt  zu  sprechen:  „Der  G.-F.  Jagailo 
hat  uns  zu  dir  gesendet,  dass  dn  uns  mit  deinem  Vater  auseinander- 
setzen möchtest,  auf  dass  wir  das  Unsrige  haben  mögen  und  ihr  das 
Eure,  und  dass  kein  Krieg  zwischen  uns  sei  und  kein  Blutvergiessen 
geschehe.  Komme  du  zu  deinem  Binder,  dem  G.-F.  Jakailo;  und 
wir  wollen  dir  einen  Eid  leisten,  dass  du  frei  in  dein  Lager  heimkehren 
kannst,  ob  vielleicht  ein  gutes  Ende  werden  möge  zwischen  uns." 

Der  G.-F.  Witowt  entgegnete:  „Den  Eid  nehme  ich  von  euch 
an;  möge  auch  der  Fürst  Skirigailo  hieher  kommen  und  gleichfalls 
den  Eid  ablegen,  so  will  ich  hinauskommen.  *  Da  sandten  sie  zu  dem 
Fürsten  Skirigailo  und  der  Fürst  Skirigailo  that  auch  seinen  Eid 
dem  G.-F.  Witowt,  wie  jene.  Und  der  G.-F.  Witowt  kam  zu  dem 
G.-F.  Jakailo  und  in  sein  Lager,  und  die  Befehlshaber  standen  unter 
einander  ohne  etwas  zu  unternehmen.  Und  der  G.-F.  Jakailo  begann 
Witowten  zu  bitten,  dass  er  zwischen  uns  sondern  möchte  und  nicht 
Blut  vergossen  würde.  Und  der  G.-F.  Witowt  nahm  den  Eid  von 
dem  G.-F.  Jakailo  an  für  seinen  Vater,  dass  seinem  Vater,  dem  G.-F. 
Kestuti,  nach  der  Zusammenkunft  völlig  frei  sein  solle  wiederum  weg- 


*°)  In  der  Hdschr.  ist  das  Blättchen  nicht  vollständig;  in  der  Abschr.  v.  Dan. 
sind  diese  Berichte  ganz  ausgelassen  and  die  Erzählung  lautet:  uneingedenk  (s.  ob.  $) 
der  Güter  ging  er  zu  dem  G.-F.  Jagailo,  und  zuerst  zog  etc. 

S1)  Die  Worte:  »Jagal  zu  dem  G.-F.*  sind  unten  am  Bande  beigeschrieben, 


432  Die  üteste  litaaitehe  Chronik 

zugehen,  und  der  G.-F.  Witowt  sagte  ferner  zu  dem  G.-F.  Jakailo: 
„sende  auch  noch  den  Bruder  Skirigailo,  dass  (er  und  auch  ich,  wir 
einsetzen)  mögen  einen  [Eid]  meinem  Vater,  dass  ihm  frei  sei  herzu- 
kommen und  wieder  fortzugehn  (in  das  Lager);  und  der  Fürst  Skirigailo 
möge  auch  für  dich  einen  Eid  abgeben."  Und  der  G.-F.  Witowt  mit 
dem  G.-F.  Skirigailo  gingen  zu  seinem  Vater,  dem  G.-F.  Eestuti, 
in  das  Lager,  seinem  Vater  den  Eid  zu  leisten  von  dem  G.-F.  Jakailo. 
Und  der  Fürst  Skirigailo  leistete  den  Eid  für  den  G.-F.  (Jakailo) 
und  für  sich,  und  der  G.-F.  Witowt  mit  seinem  Vater,  dem  G.-F. 
Eestuti,  gingen  beide  in  das  Lager  zu  Jakailo,  vertrauend  auf 
diese  Eide. 

Der  G.-F.  Jag ailo  aber  übertrat  [diese  Eide]  und  sprach:  »Komm 
nach  Wilna,  dort  wollen  wir  abschliessen ;  in  diesem  [Lager]  hat  sich 
nichts  anfangen  lassen.*  Und  als  sie  nach  Wilna  gekommen  waren, 
legte  er  den  (G.-)F.  Eestuti,  seinen  Oheim,  in  Fesseln  und  schickte 
ihn  nach  Krewo  und  setzte  ihn  in  den  Thurm,  den  G.-F.  Witowt 
aber  Hessen  sie  noch  in  Wilna  zurück.  Und  allda,  in  Erewo,  in  der 
fünften  Nacht  erwürgten  des  G.-F.  Jakailo w  Kämmerlinge  den  G.-F. 
Eestuti:  Prokscha,  der  ihm  das  Wasser  reichte,  auch  noch  andere 
waren  dort:  der  Bruder  Mostew  Jakutschik  und  Liäitza  Zebentai. 
Und  also  begab  es  sich  mit  [seinem]  des  G.-F.  Eestuti  Ende. 

Nach  dem  Tode  des  G.-F.  Eestuti  aber  schickte  der  G.-F. 
Jakailo  den  G.-F.  Witowt  nach  Erewo  mit  seiner  Gemalin  und 
befahl  ihn  in  einem  Zimmer  strenge  zu  bewachen,  und  Woidilo 
rächend  —  [weil  er  ihm  seine  Schwester  gegeben  hatte]  —  befahl  er 
ihrer  zwei  zu  rädern:  deren  einer  war  Widimont,  der  mütterliche 
Oheim  des  G.-F.  Witowt,  der  Vatersbruder  seiner  Mutter,  der  Uli  Jana 
besass,  danach  aber  kam  es  an  Monwid.  Auch  viele  andere  Bojaren 
nahm  er  fest,  so  Bache  nehmend  für  Woidilo.  Der  G.-(F.)  Witowt 
aber  sass  in  Erewo  (unter  scharfer  Bewachung  in  seinem  Zimmer,  und 
zwei  Mädchen)  gingen  immer  die  Fürstin  zu  legen  in  dem  Zimmer, 
wenn  sie  sie  aber  niedergelegt,  so  gingen  sie  hinaus,  der  Wächter  aber 
war  in  der  Nähe.  Die  Grossfürstin  horchte  aber  die  Leute  aus, a  ob  der 
G.-F.  Witowt  noch  länger  zu  sitzen  habe. 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen«  433 

Da  sie  aber  ausschwatzten,  dass  es  eben  so  (stehe),  wie  mit  dem 
Vater,  so  stellte  sie  ihm  vor,  wie  die  Mädchen  immer  kämen  zum 
Betten,  sie  würde  ihm  aber  die  Kleider  des  einen  der  Mädchen  anzu- 
legen geben;  so  wurde  er  hinausgehen  mit  dem  andern  Mädchen,  und 
jenes  bei  ihr  zurückbleiben.  Und  er  kleidete  sich  in  den  Anzug  des 
einen  Mädchens  und  ging  mit  dem  andern  hinaus  und  begab  sich  aus 
der  Stadt  und  eilte  zu  den  Deutschen  und  Preussen.  Als  er  aber  bei 
den  Deutschen  weilte,  in  Marienburg  bei  dem  Meister,  so  kamen  zu 
ihm  viele  litauische  Fürsten  und  Bojaren,  und  er  begann  mit  Hülfe  der 
Deutschen  das  litauische  Land  mit  Krieg  zu  überziehen. 

Der  G.-F.  Jakailo  aber  weilte  mit  seiner  Mutter  Ulijana  in 
Witebsk,  sein  Bruder  aber,  der  Fürst  Skirigailo,  im  Litauerlande, 
in  Troki.  Und  der  G.-F.  (Witowt)  (führte  häufige  Kriege  wider  das 
Litauerland,  der  G.-F.)  Jakailo  aber  (und)  Skirgailo  vermochten  nicht 
ihm  Widerstand  zu  leisten,  weil  sich  eine  grosse  Macht  um  ihn  ge- 
sammelt hatte.  Da  machte  der  G.-F.  Jakailo  ihn  abwendig  von  den 
Deutschen  und  gab  ihm  Lutschesk  mit  dem  ganzen  Lande  Wolynien 
und  sein  Erbgut  im  Litauerlande. 

Der  König  Kasimir  [in  Krakau]  war  nicht  mehr  am  Leben  und 
hatte  auch  keine  Söhne,  sondern  eine  Tochter,  Namens  Hedwig.  Und 
die  Lechen  begannen  von  Krakau  zu  senden  zu  dem  G.-F.  Jakailo, 
ob  er  die  Taufe  annehmen  möchte  des  alten  Born,  und  bei  ihnen  die 
Königin  Hedwig  zur  Gemalin  nehmen  und  bei  ihnen  König  werden 
möchte  in  Krakow  über  das  ganze  Lechenland.  Der  G.-F.  Jakailo 
aber  pflog  Bath  mit  seiner  Mutter  der  G.-F.  Ulijana  und  mit  seiner 
Brüderschaft  und  mit  allen  Fürsten  und  Bojaren  des  Litauerlandes  und 
kam  nach  Krakau  in  das  Land  der  Lechen.  Allda  ward  er  getauft, 
er  selber  und  seine  Brüderschaft  und  die  Fürsten  und  Bojaren  des 
Litauerlandes.  Und  er  nahm  zu  sich  die  Königin  Hedwig  und  ward 
gekrönt  mit  der  Krone  dieses  Königreichs;  und  von  der  Zeit  ab  be- 
gann man  die  Litauer  zu  taufen  auf  den  lateinischen  Glauben.  Und 
der  Erzbischof  sandte  [einen  Bischof]  nach  Wilna  in  das  Litauerland, 
und  alsdann  begann  man  Kirchen  zu  errichten  in  dem  ganzen  Litauerland. 
In  diesem  Winter  aber,  als  der  König  in  Krakow  weilte  mit  allen 

Altpr.  Monatatchrift  Bd.  XIV.  H/t.  5  u.  6.  28 


434  Die  Älte*te  litanisobe  Chronik 

litauischen  Fürsten  und  Bojaren,  kam  der  Fürst  Andrei  von  Polotzk 
mit  den  Deutschen  aus  Liefland,  mit  dem  ganzen  Letgallen,  in 
das  Litauerland,  und  bekriegte  dasselbe  und  verbrannte  viele  Flecken 
und  Dörfer;  mit  der  Stadt  des  Litauerlandes  aber  glückte  es  ihm  mit 
nichten,  und  so  kehrte  er  wieder  nach  Hause  zurück. 

In  diesem  Winter  schloss  der  Fürst  Swiatoslaw  vonSmolensk 
einBündniss  mit  dem  Fürsten  Andrei  von  Polotzk;  dieser  (zog)  gen 
Litauen,  der  Fürst  Swiatoslaw  aber  auf  Orscha,  [und]  friedlos  übten 
sie  viel  Böses  gegen  die  Christen;  die  Unmenschen  und  Unchristen 
(marterten  die  Christen),  dass  man  selbst  bei  den  heidnischen  Heeren 
von  solchen  Martern  nicht  gehört  hat.  Sie  peinigten  die  Christen, 
sperrten  sie  haufenweise  in  die  Stuben  (und)  verbrannten  sie;  andere 
errichteten  grosse  Tempel  von  Holzscheiten  und  legten  die  Gefangenen 
mit  den  Köpfen  unter  die  Wand  (und)  verbrannten  sie;  (andere)  aber 
steckten  ihre  Weiber  (und  Kinder)  auf  Pfähle;  noch  andere  Martern  an 
den  Christen  hat  man  der  Drohung  halber  nicht  aufgeschrieben,  —  wie 
denn  weder  der  Syrer  Antiochus  noch  der  abtrünnige  Julian  solche 
Martern  an  den  Christen  verübt  haben.  Die  Städte  beschickten  sie 
wohl,  erlangten  aber  nichts  und  kehrten  wieder  nach  Hause  zurück» 

In  diesem  Winter,  in  der  grossen  Faste  sann  Swiatoslaw  mit 
den  Smolensker  Bojaren  auf  Vergiessung  christlichen  Blutes,  gleichwie 
die  wilden  Thiere,  wie  die  Unchristen;  er  rückte  gegen  die  Stadt 
Mstislawl,  stand  vor  der  Stadt  und  belagerte  (und)  beschoss  die 
Stadt  mit  Büchsen;  sein  Heer  aber  liess  er  in  das  Gebiet  vonMstislaw 
und  vergoss  viel  Christenblut.  Das  war  aber  gräulich  zu  sehen,  wie 
die,  welche  Christen  gebeissen  wurden,  als  Unmenschen,  als  Unchristen 
ihre  christlichen  Brüder  marterten. 

Der  G.-F.  Skirigailo  aber  und  der  G.-F.  Witowt  kamen  von 
den  Lechen,  von  ihrem  Bruder,  dem  Könige,  [und]  vernahmen  wie  der 
Fürst  Swiatoslaw  von  Smolensk  zuvor  bei  Witebsk  gewesen,  dann 
aber  auf  Orscha  gezogen  sei  und  vor  Mstislawl  stehe  und  die  Stadt 
mit  Büchsen  beschiesse,  nnd  dem  G.-F.  Skirigailo  that  es  leid  und 
er  zog  mit  seinen  Brüdern,  dem  G.-F.  Witowt  und  mit  Konstantin 
und  mit  Korybut  und  mit  seinem  Sohne  Lykwen,  und  sie  gedachten 


hrog.  von  Dr.  M.  Toppen«  435 

des  göttlichen  Wortes,  welches  spricht:  „mit  welchem  Masse  der  Mensch 
misset,  damit  wird  ihm  wieder  gemessen  werden,  und  was  er  säet,  das 
wird  er  auch  ernten."  Sie  sprachen:  „Wir  haben  ihm  keinerlei  Böses 
zugefügt;  er  aber  ist  mit  uns  gewesen  bei  dem  Vertrage  und  er  hat 
den  christlichen  Schwur  und  Vertrag  übertreten;  er  bekriegt  unser  Land 
und  vergiesst  Christenblut;  so  wollen  wir  wider  ihn  ziehen,  vertrauend 
auf  Gott  und  christliche  Kraft.*  Und  sie  zogen  nach  der  Stadt 
Mstislawl;  der  Fürst  Stoslaw  aber  stand  vor  der  Stadt  und  be- 
schoss  die  Stadt  auf  die  dritte  Woche,  am  Freitage;  und  als  der 
Fürst  Swiatoslawl  hörte,  dass  der  G.-F.  Skirigailo  mit  der  Brüder- 
schaft wider  ihn  zog,  vereinigte  er  seine  Streiter  und  rückte  ihnen  ent- 
gegen. Wie  aber  die  Haufen  zusammentrafen,22)  da  erfüllte  Gott  das 
Wort  des  Propheten  David,  welches  sagt:  „Sein  Weh  wird  sich  auf 
sein  Haupt  kehren  und  das  Unrecht  auf  seinen  Scheitel  fallen,*  und 
wieder:  „Er  hat  eine  Grube  gegraben  und  ausgefuhret  und  ist  in  die 
Grube gerathen,  die  er  gemacht  hat.*  Gottstand  demG.-F.  Skirigailo 
und  dem  G.-F.  Witowt  bei,  und  der  Fürst  Swiatoslaw")  stürzte 
sich  in  die  Flucht  mit  seinen  Fürsten  und  Bojaren  von  Smolensk  und 
mit  seinem  Heer.  Durch  Gottes  Macht  geschah  allda  kein  geringes 
Wunder;  es  ward  eine  grosse  Menge  von  Kämpfern  getödtet,  Fürsten 
und  Bojaren,  aber  auch  den  (G.-)F.  Swiatoslaw  selbst  machten  sie 
nieder.  Seinen  Sohn  aber,  den  Fürsten  Georg,  heilte  der  G.-F.  Skiri- 
gailo von  seiner  Wunde  und  führte  ihn  nach  der  Stadt  Smolensk 
(und)  zu  seiner  Mutter,  der  Grossfürstin,  Swiatoslavs  Gemahlin,  und 
setzte  ihn  in  das  Grossfurstenthum  Smolensk,  weil  die  Gemahlin  des 
Fürsten  Georg  die  ältere  Tochter  der  Schwester  Skirigailos  war. 

Der  G.-F.  Skirigailo  zog  von  der  Stadt  Smolensk  hinweg  (und) 
ging  in  sein  litauisches  Land  und  begann  zu  regieren  in  Troki;  nach 
Wilna  aber  sandte  der  König  seinen  lechischen  Starosten.  Der  G.-F. 
Witowt  aber  hatte  zu  der  Zeit  Lutschesk  inne  und  das  ganze  Wo  1- 


M)  Neben  diesen  Worten  steht  in  der  Handschrrift:  Wie  Witowt  siegte  über 
Swiatslaw.  S3)  Die  Worte:  »und  der  Fürst  Swiatoslaw*  stehen  am  untern  Bande 
der  Seite. 

28* 


436  Die  älteste  litauische  Chronik 

hynierland  und  sein  Erbgut  im  Lande  Litauen.  Und  es  war  ihm 
schwer  zu  ertragen,  weil  vordem  im  Lande  Litauen  nie  ein  Fremder 
gewesen  war  unter  denen,  welche  die  Herrschaft  hatten  über  das  litauische 
Grossfürstenthum ;  da  hielt  er  Rath  mit  vielen  litauischen  Fürsten  und 
Bojaren.  Denn  Skirigailo  war  dazumal  abgereiset  nach  Polotzk, 
und  der  G.-F.  Witowt  ging  nach  Wilna,  um  sich  [darin]  festzu- 
setzen, seine  Gemahlin  aber,  die  G.-F.  Anna,  war  damals  in  Gorodno. 
Aber  die  von  Wilna  waren  ihm  nicht  zu  Willen,  weil  sie  den  Eid  ge- 
leistet hatten  dem  Könige  [und]  dem  Skirigailo.  So  erlangte  er 
diesmal  Wilna  nicht  und  ging  fort  zu  dem  Meister,  mit  seiner  Ge- 
mahlin und  mit  seinen  Fürsten  und  mit  vielen  Bojaren,  [und]  seit  der 
Zeit  begann  er  zu  bekriegen  das  Litauerland  mit  Hülfe  der  Deutschen 
und  hatte  schon  bezwungen  [die  Hälfte]  des  Litauerlandes  bis  an  den 
Fluss,  die  Welija,  und  [die  Stadt]  Polotzk  ergab  sich  ihm.  Da  der 
König  sähe  und  der  G.-F.  Skirigailo,  wie  es  [ihnen]  schon  unmöglich, 
das  Litauerland  zu  halten  vor  dem  G.-F.  Witowt  mit  der  deutschen 
Heeresmacht,  so  ging  er  nach  Wilna.  Es  kam  ihm  entgegen  der 
Fürst  Skirigailo  mit  seinem  Bruder  (Wigont)  und  mit  dem  litaui- 
schen Heere  bei  dem  Flusse,  der  Welija,  bei  Gorodek,  an  dem  Orte 
Weischischk  genannt;  und  als  die  Haufen  zusammentrafen,  da  lieh 
Gott  Beistand  dem  G.-F.  Witowt,  und  das  litauische  Heer  ward  be- 
siegt und  warf  sich  in  die  Flucht,  und  es  wurden  ihrer  viel  getödtet 
und  mehrere  Fürsten  und  Bojaren  nahmen  sie '  gefangen :  den  Fürsten 
Simeon24)  Jewuntiewisch,  den  Fürsten  Gljeb  Swiatoslaw  von 
Smolensk,  den  Fürsten  Gljeb  Konstantinowitsch,  den  Fürsten 
Iwan  Teta,  Lew  Plakäitsch,  und  viel  andere  Fürsten  wurden  ge- 
fangen. Und  der  G.-F.  Witowt  ging  nach  der  Stadt  Wilna  [und] 
mit  seinem  Heere,  und  sie  zogen  ab  von  der  Stadt,  und  er  begann  die 
Stadt  zu  belagern  und  mit  Kanonen  zu  beschiessen  und  nahm  die  Stadt 
ein.  Zu  der  Zeit  aber  tödteten  die  Deutschen  den  Fürsten  Skirigailo 
Olkirdowitsch;  es  stand  aber  damals  ein  lechisches  Zollhaus  in  der 
hohen  Stadt  und  sie  Hessen  den  Fürsten  Skirigailo  nicht  in  die  Stadt. 


S4)  Neben  diesen  Zeilen  ist  beigeschrieben:  Wie  Witowt  siegte  über  Skirigailo, 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  437 

Der  G.-F.  Witowt  aber  gewann  die  Stadt  und  nahm  das  verheerte 
Land  ein  und  kehrte  wieder  zurück  zu  den  Deutschen. 

In  demselbem  Jahre  kamen  zu  dem  G.-F.  Witowt  bei  den 
Deutschen  in  Marienburg  Gesandte  aus  der  Stadt  Moskwa  von  dem 
G.-F.  Waöilei  Dmitrejewitsch  und  begehrten  die  Tochter  des  G.-F. 
Witowt  fflr  den  G.-F.  WaSilei  Dmitro witsch.  Der  G.-F.  Witowt 
aber  gab  seine  Tochter,  die  Fürstin  Sophia,  und  er  entliess  sie  aus 
Marienburg  und  sandte  ihretwegen  den  Fürsten  Iwan  Olgimonto- 
witsch  aus  der  Stadt  Gdansk.  Und  sie  gingen  zu  Schiffe  übers 
Meer  und  gingen  nach  der  Stadt  Pskow;  sie  erwiesen  ihnen  aber  grosse 
Ehre  (und)  führten  sie  ehrenvoll  [nach  der  Stadt  Gross  Nowogorod* 
Die  Nowgoroder  bezeigteu  ihnen  wiederum  Ehre  und  führten  sie] 
ehrenvoll  nach  (der  Stadt)  Moskwa,  zu  dem  G.-F.  Waäilei  Dmitrie- 
witsch.  Der  G.-F.  Wagilei  sandte  ihnen  mit  Ehren  entgegen  seine 
Brüder,  den  Fürsten  Wolodimir  Andreiewitsch  und  den  Fürsten 
Andrei  Dmitriewitsch  mit  vielen  andern  Fürsten  und  Bojaren;  — 
[und  sie  begegneten  der  G.-F.  Sophia  mit  grossen  Ehren;  demnächst 
kam  der  geweihete  Metropolit  Kyprian  mit  den  Erzbischöfen  und  mit 
den  Bischöfen  und  mit  den  Archimandriten  und  Aebten  und  mit  allen 
geweiheten  Würdenträgern  ihnen  entgegen  würdevoll  mit  Kreuzen]  — 
vor  der  Stadt  Moskwa  und  er  vollzog  die  Vermählung  feierlich  und 
trauete  den  G.-F.  Waäili  Dmitriewitsch  mit  der  G.-F.  Sophia; 
und  die  Hochzeit  ward  begangen  mit  Ehren  und  Würde  und  mit  vieler 
Festlichkeit.     Wir  kehren  aber  zum  Vorigen  zurück. 

Da  der  G.-F.  Witowt  bei  den  Deutschen  war,  bei  dem  Meister 
zu  Marienburg,  schickte  der  König  einen  Gesandten  zu  ihm,  und 
auch  von  seines  Bruders  Skirigailo  wegen,  und  Hess  ihm  sagen: 
„Plage,  Bruder,  nicht  ferner  das  litauische  Land,  unser  und  dein  Erb- 
theil;  sondern  komme  zu  uns,  Bruder,  in  Frieden  und  in  aller  brüder- 
lichen Liebe;  nimm  das  Grossfürstenthum  in  Wilna  für  dich,  den  Sitz 
deines  Oheims,  des  G.-F.  Olgird,  und  deines  Vaters,  des  G.-F. 
Kestuti.*  Der  G.-F.  Witowt  aber  hielt  Rath  mit  seinen  Fürsten, 
mit  dem  Fürsten  Georg  Narimontowitsch  vonBielsk  und  mit  dem 
Fürsten  Iwan  Olgimontowitsch  und  ging  nach  Litauen  und  sass  zu 


43g  Die  älteste  litauische  Chronik 

Wilna  in  Litauen  auf  dem  Grossfürstensitze,  auf  dem  Stuhl  seines 
Oheims,  des  G.-F.  Olgird,  und  seines  Vaters,  des  G.-F.  Kestuti,  und 
es  freute  sich  seiner  das  ganze  litauische  und  russische  Land.  Der 
Fürst  Korybut  Olgirdowitsch  fing  an  etwas  unwillig  zu  werden  und 
ihm  nicht  Gehorsam  zu  leisten,  und  begann  seine  Kriegshaufen  zu- 
sammenzuziehen und  rückte  gegen  ihn.  Und  das  Heer  stellte  sich  an 
dem  Orte  Niedokudow,  und  die  Krieger  des  Fürsten  Korybut  wurden 
überwunden  und  warfen  sich  in  die  Flucht;  es  wurden  aber  ihrer  viele 
getödtet.  Der  Fürst  Korybut  aber  floh  nach  Nowgorodok  und 
rüstete  sich;  daselbst  war  auch  seine  Gemahlin  und  seine  Kinder.  Der 
G.-F.  Witowt  aber  zog  sein  Heer  zusammen  und  ging  selbst  nach 
Nowogorodok,  uod  sie  zogeu  aus  der  Stadt,  und  er  nahm  Nowo- 
gorodok,  den  Fürsten  Korybut  aber  und  seine  Gemahlin  und  seine 
Kinder  nahm  er  gefangen.  Die  Fürstin  Olgirdowaja  verstarb;  der 
König  aber  befahl  die  Stadt  Witebsk  seinem  Hoffalkenier  Fedor 
Wiosna,  der  Fürst  Schwitrigailo  aber  war  damals  noch  jung. 
Und  Fedor  Wiosna  begann  in  der  Stadt  Witebsk  zu  gebieten  nach 
Bath  und  Befehl  des  Königs  Jakailo.  Der  Fürst  Schwitrigailo 
mochte  es  nicht  dulden,  dass  Fedor  Wiosna  in  der  Stadt  gebot  und 
ihm  nicht  Gehorsam  leistete;  er  ermordete  den  Fedor  und  besetzte 
die  Stadt. 

Der  König  Jakailo  aber  trug  Leid  um  ihn,  und  er  schrieb  einen 
Brief  an  seinen  Binder,  den  G.-F.  Witowt,  dass  er  für  solches  sein 
Leid  Bache  nehmen  solle.  Da  nahm  der  G.-F.  Witowt  mit  sich  den 
Fürsten  Skirigailo  und  zog  viele  Kriegsmannschaft  zusammen  und 
zog  mit  dem  Heere  nach  der  Stadt  Witebsk  gegen  den  Fürsten 
Schwitrigailo.  Und  als  er  zu  der  Stadt  Drutzk  kam,  kamen  die 
Fürsten  von  Drutzk  ihm  entgegen  und  huldigten  ihm  zu  Dienst,  imd 
er  ging  von  da  nach  Orscha  und  die  Orschaner  schlössen  sich  in 
der  Stadt  ein  und  vertheidigten  sich  zwei  Tage  und  übergaben  die 
Stadt.  Und  von  dort  ging  er  auf  Witebsk  wider  den  Fürsten 
Schwitrigailo;  der  Fürst  Schwitrigailo  aber  verschloss  sich  in 
der  Stadt.  Und  der  G.-F.  begann  die  Stadt  zu  belagern;  daselbst  aber 
kam   zu  Hülfe   der  G.-F.  Swietslawitsch   von  Smolensk   mit   der 


hrsg.  tod  Dr.  M.  Toppen.  439 

ganzen  Kriegsmacht  von  Smolensk  und  huldigte  dem  G.-F.  Witowt 
zu  Dienst,  und  sie  begannen  die  Stadt  Witebsk  mit  Kraft  zu  belagern 
und  pflanzten  Geschütze  auf.  Die  Witepsker  aber  hielten  es  nicht  aus 
und  ergaben  sich  allgemach  dem  G.-F.  Witowt,  der  Fürst  Schwi- 
trigailo  aber  ging  aus  der  Stadt  hinaus  und  huldigte  dem  G.-F. 
Witowt.  Der  G.-F.  Witowt  aber  nahm  die  Stadt  Witebsk  ein  und 
ging  wieder  nach  Wilna.  [In  diesem  Winter  aber]  —  im  Frühlinge 
ging  der  G.-F.  Witowt  in  das  Podolierland;  der  Fürst  Wolo- 
dimir  Olgirdo witsch  aber  war  damals  in  Kiew  und  hatte  nicht 
Lust  sich  dem  G.-F.  Witowt  zu  unterwerfen  und  ihm  zu  huldigen. 

In  diesem  Frühlinge  zog  der  G.-F.  Witowt  aus  [und]  nahm  die 
Stadt  Shitomir  (und)  Wrucz  und  es  kam  der  Fürst  Wolodimer 
zu  ihm. 

In  diesem  Jahre,  im  Herbst,  nahm  der  G.-F.  Witowt  ihn  von 
Kiew  hinweg  und  gab  ihm  Kopyl  (inSlutzk);  und  in  Kiew  setzte  er 
denSkirigailo.  Der  G.-F.  Witowt  selber  aberging  in  das  Podolier- 
land, dem  Fürsten  Skirigailo  aber  gebot  er  von  Kiew  (zu  gehen) 
nach  Tscherkassy  und  nach  Zwinigorod.  Der  Fürst  Skirigailo 
aber  nahm  mit  der  Hülfe  Gottes  und  auf  Befehl  des  G.-F.  Witowt 
Tscherkassy  und  Zwinigorod  und  kehrte  wieder  zurück  nach  Kiew. 

Als  er  aber  dort  die  Herrschaft  führte,  in  Kiew,  war  ein  gewisser 
Thomas,  ein  Mönch  .  .  .  .,  der  von  dem  Metropoliten  bei  S.  Sophia 
zum  Verweser  bestellt  war,  auf  dem  Metropolitanhofe.  Wie  nun  der 
Fürst  Skirigailo  Lust  hatte  über  den  Dnepr  zu  gehen  zur  Jagd,  da 
lud  ihn  dieser  (vorgenannte)  Thomas  zum  Mahle  auf  den  Metropolitan- 
hof.  Da  aber  der  Fürst  Skirigailo  bei  dem  Mahle  war,  —  ich  weiss 
dies  zwar  nicht,  weil  ich  damals  noch  jung  war,  aber  Einige  erzählen  — 
dass  dieser  Thomas  dem  Fürsten  Skirigailo  ein  giftiges  Kraut  zu 
trinken  gegeben  habe.  Und  von  diesem  Mahle  ging  der  Fürst  Skiri- 
gailo über  den  Dnepr  nach  Miloslawitsch  und  daselbst  ward  er 
sehr  krank  am  Donnerstage,  am  Tage  vor  Dreikönigentag,  und  am. 
Samstage,  auf  Dreikönigen,  reisete  er  krank  nach  Kiew.  Nachdem  er 
sieben  Tage  krank  gewesen,  verschied  er  am  Mittwoch,  und  die  Priester 
trugen  ihn  auf  ihren  Häuptern,  Sterbegebete  singend,  mit  Lichtern,  aus 


440  ^'e  alte8*6  litauische  Chronik 

der  Stadt  Kiew  (zu)  der  heil.  Mutter  Gottes  von  Petscherski.  Und 
der  wundervolle,  gute  Fürst  Skirigailo  (in  der  h.  Taufe  Iwan  ge- 
nannt) ward  beigesetzt  neben  dem  Sarge  des  beil.  Theodosius  von 
Petscherski.  Da  der  G.-F.  Witowt  vernahm,  dass  der  Fürst  Skiri- 
gailo gestorben  war,  so  schickte  er  den  Fürsten  Iwan  Olgimonto- 
witsch  nach  Kiew  und  gab  ihm  Kiew  in  Besitz.  Wir  kehren  aber 
zu  dem  Vorliegenden  zurück. 

Als  der  G.-F.  Witowt  fortging  von  den  Deutschen  nach  dem 
Grossfurstenthum,  (so)  entliess  er  seinen  Gefangenen,  den  Fürsten  Gljeb 
Swiatoslawitsch,  nach  Smolensk  in  das  Grossfurstenthum;  dem 
Fürsten  Georg  Swiatoslawitsch  aber  gab  er  die  Stadt  Boälawl. 
Wie  der  Fürst  Gljeb  in  Smolensk  sass,  fing  er  an  sich  aufzulehnen 
gegen  den  G.-F.  Witowt;  da  schickte  der  G.-F.  Witowt  seine  Ge- 
sandten [zu  ihm]  um  Besserung  willen,  er  aber  mochte  sich  nicht 
bessern.  Darauf  zog  der  G.-F.  Witowt  mit  aller  Macht  nach  der 
Stadt  Smolensk  [auf  den  Fürsten  Gljeb  Swiatoslawitsch:  Und 
als  er  nach  Smolensk  kam,  da  ergab  Gljeb  sich  mit  der  Stadt 
Smolensk].  Der  G.-F.  Witowt  aber  gab  die  Stadt  Smolensk  dem 
Fürsten  Mant,  auch  Waäilei  Boreikowitsch  als  Statthalter,  dem 
Fürsten  Gljeb  aber  gab  er  die  Stadt  Polona.  Der  G.-F.  Witowt 
selbst  aber  ging  nach  Litauen. 

In  diesem  Winter  schickte  er  den  Fürsten  Simeon  Lykwen  mit 
vielen  Streitern  (und)  der  Smolensker  Kriegsmacht  wider  den  Fürsten 
Oleg  von  Bjazan,  und  sie  verheerten  eine  grosse  Strecke  des  Landes 
ßjazan  und  kehrten  siegreich  wieder  nach  Hause  zurück. 

Es  war  aber  damals  ein  sehr  kalter  Winter. 

In  diesem  Winter,  im  Frühjahr,  kam  der  G.-F.  Waäilei  Dmitro- 
witsch  aus  Moskwa  zu  seinem  (Schwieger-)  Vater,  dem  G.-F.  Witowt, 
nach  Smolensk,  in  der  grossen  Faste,  und  ehrte  den  G.-F.  Witowt 
mit  vielen  Geschenken,  mit  güldenen  Ketten  und  güldenen  Gürteln, 
(und)  mit  Zobeln,  Seidenzeugen,  güldenen  Gefässen  und  Bossen.  (Und) 
der  G.-F.  Witowt  ehrte  seinen  Eidam,  den  G.-F.,  und  beschenkte  ihn 
mit  mancherlei  Gaben,  mit  klafterlangen  Gewändern  und  kostbarem 
Sammet,  werthvollen  Steinen  und  güldenen  Sätteln  [und]  bewunderns- 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  441 

werthen  Geräthen;  und  entliess  ihn  nach  Moskwa  mit  grossen  Ehren; 
er  selber  reisete  nach  Litauen. 

[Im  Jahr  6903  (1395)  hatte  der  Zar  Temertiklui  Krieg  mit 
Taktamysch  und  jagte  (trieb)  den  Taktamysch  nach  Litauen  und 
setzte  sich  selber  auf  den  Zarenthron. 

In  diesem  Jahre  kam  der  G.-F.  Witowt  nach  Smolensk,  indem 
er  aber  wider  den  Temirtiklui  zog,  hielt  er  zuvor  eilige  Ansprache, 
und  der  Fürst  Gljeb  Swiatoslawitsch  kam  zu  ihm  hinaus,  und  er 
beschenkte  ihn  und  entliess  ihn  liebreich  und  sagte  ihnen:  „Dass  ihr 
verbrüderte  Fürsten  doch  alle  in  Liebe  zu  mir  herausgekommen  wäret, 
der  Vorsicht  gemäss.  Du  hast  gehört,  dass  Uneinigkeit  unter  euch 
ist  und  grosse  Feindschaft.  Welcherlei  Rede  unter  euch  entsteht,  oder 
welcherlei  Freundlichkeit,  berufet  euch  auf  (an)  mich  wie  auf  einen 
Dritten  (Schiedsmann),  ich  werde  euch  nach  Gerechtigkeit  entscheiden.11 
Und  so  übte  er  Verlockung  gegen  sie  und  rief  sie  mit  List  aus  der 
Stadt;  sie  aber  schenkten  ihm  auch  Glauben  und  kamen  zu  ihm  mit 
Geschenken,  die  ganze  Brüderschaft  Swiatoslawitsch  und  alle  Smo- 
lensker  Fürsten,  bis  auch  nicht  einer  mehr  in  der  Stadt  geblieben  war, 
und  auch  mit  ihren  Bojaren.  Er  aber  ergriff  sie  alle,  die  Fürsten  von 
Smolensk,  und  schickte  sie  in  sein  litauisches  Land,  auch  verbrannte 
er  selbst  die  Vorstadt  und  nahm  viele  Leute  gefangen.  So  nahm  er 
das  ganze  Fürstenthum  Smolensk  an  sich  und  setzte  seinen  Statthalter 
ein,  den  Fürsten  Jamont  auch  Waäilei  Boreikow.  Dies  ist  die 
erste  Einnahme  von  Smolensk,  28.  September 

Der  Fürst  Georg  Swiatoslawitsch  aber  war  zu  der  Zeit  (im 
Kriege)  gegen  die  Bjezaner  bei  seinem  Schwiegervater  dem  Fürsten 
Oleg  Iwanowitsch. 

Im  Jahr  6906(1398)  hatte  der  G.-F.  Witowt  eine  grosse  Schlacht 
mit  dem  Zar  Temirtiklui.  Der  G.-F.  Witowt  Kestuitiewitsch 
von  Litauen  versammelte  eine  zahllose  Kriegsmannschaft,  auch  der  Zar 
Taktamysch  (war  dabei)  mit  seinem  Hofe,  Litauer,  Deutsche,  Lechen, 
Zemaiten,  Tataren,  Wlachen  und  Polen.  Und  50  Fürsten  waren  mit 
ihm,  und  es  war  eine  gewaltige  Streitmacht,  und  nachdem  die  Haufen 
sich  aus  allen  Kräften  gerüstet,  zog  Witowt  wider  den  Zar  Timirtiklui 


442  Die  &*****  litauische  Chronik 

und  erhob  sich  prahlend  gegen  die  Horde  und  sprach:  „Lasst  uns 
ziehen  und  das  Tatarenland  einnehmen  und  den  Zar  Temirtiklui 
schlagen  und  uns  seines  Zarthums  bemächtigen  und  den  Zar  Takta- 
mysch  einsetzen,  er  aber  wird  mich  einsetzen  in  das  ganze  Russenland.* 
Nach  dem  allen  sandte  er  hin,  den  Tataren  anzugreifen.  Während 
dessen  ruckte  der  Zar  Timirtiklui  heran  mit  vielen  Kriegshaufen, 
mit  seinen  Fürsten  der  Horde,  und  sie  stiessen  mit  Witowt  zusammen 
in  zwei  Hälften  an  dem  Flusse,  Namens  Worskla,  und  sie  schlugen 
eine  grosse  Schlacht  am  12.  Tage  des  August,  am  Dinstage.  Lange 
kämpften  sie  heftig  mit  einander  und  Gott  liess  den  Tataren  gewähren ; 
der  G.-F.  aber  ergriff  die  Flucht  in  kleiner  Begleitung.  Und  der  Zar 
Temirtiklui  ging  sodann  nach  Kiew  und  nahm  von  der  Stadt 
3000  litauische  Kübel  Lösegeld,  und  entliess  seine  ganze  Macht  in 
das  Litauerland,  und  die  Tataren  streiften  selbst  bis  nach  Gross-Lutzk 
und  fügten  dem  litauischen  Lande  viel  Unheil  zu  und  gingen  (darauf) 
nach  ihrem  Lande.  Und  dies  sind  die  Namen  der  gefallenen  litauischen 
Fürsten:  der  Fürst  Andrei  und  (?)  Olgirdowitsch  von  Polotzk; 
sein  Bruder  Dimitrei  von  Dbransk(Dibran?);  der  Fürst  Iwan  Dimi- 
triewitsch  (Kindyr);  sein  Stiefsohn,  der  Fürst  Andrei  Dimitriejew; 
der  Fürst  Iwan  Jewlaschkowitsch,  der  Fürst  Iwan  Boroöowetsch 
von  Kiew,  der  Fürst  Gljeb  Swiatoslawitsch  von  Smolensk,  der 
Fürst  GljebKoriatowitsch;  sein  Bruder,  der  Fürst  Simon;  der  Fürst 
Michael  von  Podbierez;  sein  Bruder,  der  Fürst  Dmitrei;  der  Fürst 
Theodor  Patrikiejewitsch  von  Wolosk,  der  Fürst  Jatontowitsch, 
der  Fürst  Iwan  Georgewitsch  von  Bielsk. 

Im  Jahr  6909  (1401)  kam  der  Fürst  Georg  Swiatoslawitsch 
und  auch  der  Fürst  Oleg  von  Bjazan  nach  Smolensk;  in  der  Stadt 
Smolensk  aber  war  Aufruhr  und  Empörung:  die  Einen  wollten  Witowt, 
die  andern  aber  den  Fürsten  Georg,  den  Erbsohn.  Der  Fürst  Georg 
aber  unterhandelte  auch  mit  den  Stadtbewohnern  von  Smolensk.  Die 
Smolensker  aber  mochten  die .  Obergewalt  der  andersgläubigen  Lechen 
nicht  dulden  und  nahmen  den  Fürsten  Georg  auf  und  öffneten  ihm  die 
Stadt.  Und  der  Fürst  Boinan  von'Bransk  war  zu  der  Zeit  daselbst 
von  Witowts  wegen  und  ward  umgebracht  und  erlitt  einen  schweren 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  443 

Tod;  seine  Gemahlin  und  Kinder  aber  Messen  sie  gehen,  aber  die  Statt- 
halter Witowts  fingen  sie;  doch  die  Bojaren,  welche  weder  den  Vaters- 
erben, den  Fürsten  Georg,  noch  die  Bransker  wollten,  zerhieben  diese 
alle.  Der  G.-F.  Witowt  aber  kam  in  diesem  Herbst  nach  Smolensk 
wider  den  Fürsten  Georg  und  stand  viele  Tage  vor  Smolensk  und 
gewann  nicht  die  Stadt;  so  ging  er  nach  seinem  Lande  und  nahm  einen 
Beifrieden  an.  In  Smolensk  aber  war  Aufruhr,  sie  zerhieben  viele 
Leute,  und  es  war  eine  Seuche  unter  den  Leuten. 

Im  Jahr  6923  (1415)  am  7.  des  Juni,  am  Tage  des  heil.  Theodot 
verging  die  Sonne  und  verbarg  ihre  Strahlen  vor  der  Erde,  um  die 
vierte  Stunde  des  Tages,  in  der  Zeit  der  heil.  Messe,  und  die  Sterne 
zeigten  sich  wie  in  der  Nacht;  es  war  damals  9 Verkündigung*  am 
Montage  in  der  Charwoche.  Dazumal  hatte  der  G.-F.  Waäilei  Dmi- 
triejewitsch  26  (Jahre  gesessen?)  auf  dem  Grossfürstensitze. 

In  diesem  Jahre  verbrannte  Moskwa  und  Smolensk. 

Im  Jahr  6924  (1416)  ging  mit  göttlicher  Zulassung  der  G.-F. 
Witowt  seinem  Verlangen  nach  und  versammlete  die  russischen  Bi- 
schöfe, die  in  seinem  Gebiete  lebten;  Theodosius  Gritschin  von 
Polotzk,  Isakei  von  Tschernigow,  Dionysius  von  Lutzk,  Chariton 
von  Wolodimer,  Euphemius  von  Turow,  und  mit  diesen  Bischöfen 
bestimmte  er  für  Kiew  den  Metropoliten  Gregor  BolgarinTsamiwlak 
am  15.  des  November. 

In  diesem  Jahre  streiften  die  Tataren  in  der  Gegend  von  Kiew 
und  plünderten  das  Kloster  Petscherski  und  verbrannten  es. 

In  diesem  Jahr  war  eine  gewaltige  Drüsenpest  inNowogorod  und 
in  Ladog  und  in  fiussa  und  in  Porchow  und  in  Pskow  und  in 
Torzk  und  Twer  und  Dmitrow  und  in  den  Gebieten. 

Im  Jahr  6919  (1411)  ward  dem  Fürsten  Lykwen  ein  Sohn  ge- 
boren, Jaroslaw,  der  in  der  Taufe  Theodor  genannt  wurde. 

Im  Jahr  6920  (1412)  am  8.  September  ernannten  in  Gross-Lutzk 
die  Bischöfe  nach  Turow  den  Euphemei  von  Galizien,  er  ging  nach 
Moskwa  am  1.  August. 

Im  Jahr  6921  (1413)  nahm  der  Fürst  Daschko  Theodoro- 
witsch   von  Ostrosek   also   durch  List  Kremenetz   ein   des  G.-F, 


444  ^e  älteste  litauische  Chronik 

Witowt  am  Gründonnerstage:  er  bestellte  sich  zuvor  zwei  Männer, 
Dmitrei,  Daniel,  und  beredete  sie:  „Stellt  euch  dem  Eonrad  Prus 
(dem  Preussen?),  dem  Statthalter  von  Kremenietz,  zum  Dienst.  Ich 
werde  schwerlich  in  die  Stadt  kommen,  öffnet  ihr  den  Eingang  und  legt 
auch  eine  Brücke."  Darauf  gingen  sie  dahin  und  gaben  dem  Statt- 
halter Versicherung,  und  er  nahm  sie  freundlich  auf,  er  begriff  aber 
ihre  Absicht  nicht,  und  sie  kannten  sie  nicht.  Und  Daschko  kam 
nach  der  Stadt  um  die  neunte  Stunde  in  der  Nacht,  diese  seine  Kund- 
schafter  in  der  Stadt  aber  schlugen  den  Eingang  auf  und  legten  die 
Brücke,  und  Daschko  mit  seinen  Freunden  kam  in  die  Stadt,  und  sie 
erschlugen  den  Statthalter  Eonrad  und  brachten  die  königlichen  und 
des  Witowt  Amtleute  um;  den  Fürsten  Schwitrigailo  aber  be- 
freiten sie  von  den  Fesseln,  nachdem  er  neuntehalb  Jahre  gesessen, 
und  danach  ging  Schwitrigailo  nach  Ungarn,  nachdem  er  Lutschesk 
genommen,  und  von  den  Wolhynischen  Bojaren  entnahm  er  rasch- 
fliegende Pferde.] 

Als  der  Grossfürst  Olgird  in  dem  Lande  Litauen  die  Herrschaft 
führte,  zog  er  ins  Feld  mit  der  litauischen  Kriegsmacht  und  schlug 
den  Tataren  am  „blauen  Wasser ",  die  drei  Brüder,  den  Fürsten 
Chatschebei,  Kutlubug  und  Draitrei;  diese  drei  Brüder  aber  aus 
dem  Tatarenlande  waren  väterliche  und  grossväterliche  Erben  des  Landes 
Podolien,  und  von  ihnen  aus  sprengten  die  Atamane  daher,  und  die 
Boiskaken  (etwa  Eriegscouriere),  welche  von  diesen  Atamanen  anlangten, 
nahmen  Tribut  von  dem  Podolierlande.  Der  Bruder  aber  des  G.-F. 
Olgird,  der  Fürst  Koriat,  hatte  Litauisch-Nowogorodok  inne 
und  er  hatte  vier  Söhne:  die  Fürsten  Georg,  Alexander,  Kon- 
stantin, Theodor.  Diese  Fürstenschaft  Koriatowitsch  aber,  drei 
(der)  Brüder,  (zogen)  mit  Bewilligung  des  G.-F.  Olgird  und  mit  Bei- 
stand des  Litauerlandes  (in  das  Land  Podolien.  Und  es  war  damals 
in  dem  Podolierlande)  keine  einzige  Stadt,  weder  aus  Holz  gezimmert 
noch  von  Stein  erbauet.  So  kam  diese  Fürstenschaft  Koriatowitsch 
in  das  Podolierland  [und  sie  traten  in  Freundschaft  mit  den  Ata- 
manen und  begannen  das  Podolierland  zu  vertheidigen]  gegen  die 
Tataren  und  den  Barfüsslern  keinen  Ausgang  zu  gestatten.   Und  zuerst 


hrsg.  Too  Dr.  M.  Toppen.  445 

ermittelten  sie  sich  eine  feste  Stelle  an  dem  Pluss,  der  Smotritscha, 
[allda  legten  sie  die  Stadt  Smotritscha  an],  an  einer  andern  Stelle  aber 
befanden  sich  Heidelbeeren  anf  einem  Berge  und  an  dieser  Stelle  legten 
sie  die  Stadt  Bakota  an.  Und  indem  sie  jagten,  war  es  ihnen  bei 
dem  Fange  gelegen,  dass  sie  viele  Hirsche  in  die  Waldgruppe  trieben, 
wo  jetzt  der  Ort  Käme  netz  liegt.  Und  sie  verhauten  den  Wald  und 
mauerten  die  Stadt  Eamienetz  auf,  und  danach  mauerten  sie  alle 
Podolischen  Städte  auf  und  besetzten  das  ganze  Podoiierland. 

Und  demnächst.  .  .  .  der  König  von  Polen,  Kuzimir  Lokotko- 
witsch,  dass  diese  drei  Brüder  Koriato witsch  in  dem  Podolierlande 
ledige  Männer  waren,  und  er  sandte  zu  dem  Fürsten  Konstantin  be- 
siegelte Briefe  mit  grosser  Festigkeit  und  bat  ihn,  dass  er  möchte  zu 
ihm  kommen.  Er  hatte  aber  bei  sich  erwogen  und  mit  allen  Panen, 
dass  er  keinen  Sohn  hatte,  sondern  nur  eine  Tochter  und  er  wollte  ihm 
die  Tochter  geben  und  ihn  zum  Könige  einsetzen  nach  seinem  Tode.] 
Und  der  Fürst  Konstantin  reisete  auf  die  besiegelten  Briefe  zu  dem 
Könige  von  Polen  und  wie  er  sich  allda  umgesehen,  wollte  er  nicht  zu 
jenem  Glauben  übertreten  und  reisete  wieder  auf  diese  Briefe  ab  nach 
dem  Podolierlande  [nach  seinem  Reiche.  Und  als  er  dort  war,  in  dem 
Podolierlande],  in  seinem  Reiche,  da  starb  er.  Den  Fürsten  Georg 
aber  nahmen  die  Wlachen  zu  sich  zu  ihrem  Woiwoden  und  allda  ver- 
gifteten sie  ihn.  Den  Fürsten  Alexander  aber  erschlugen  die  Tataren. 
[Ihr]  Bruder  aber,  der  Fürst  Theodor  Koriatowitsch  hatte  hier 
Nowgorod  inne.  Und  als  der  Fürst  Theodor  dies  vernahm,  dass  die 
Brüder  nicht  mehr  am  Leben  waren,  da  ging  er  auch  (in  das  Podoiier- 
land) und  besetzte  das  Podoiierland. 

In  diesem  Jahre  aber  regierte  der  (G.-)F.  Witowt  in  dem  Lande 
Litauen,  und  das  Podoiierland  hatte  dem  G.-F.  Witowt  und  dem  Lande 
Litauen  nicht  Gehorsam  leisten  wollen,  wie  es  auch  vordem  [nicht]  ge- 
horsamt  hatte.  Und  der  G.-F.  zog  mit  der  ganzen  litauischen  Macht 
nach  Podolien.  Und  als  der  Fürst  Theodor  Koriatowitsch  solches 
hörte,  floh  er  aus  dem  Podolierlande  nach  Ungarn,  die  Städte  aber 
besetzten  die  Wlachen  und  der  Ungar  leistete  dem  Fürsten  Theodor 
Beistand.    Der  G.-F.  Witowt  aber  ging  zuerst  nach  Brzaslaw  und 


446  Die  ^teste  litauische  Chronik 

nahm  Brzaslaw  ein  und  ging  nach  Sokoletz  und  nahm  Sokoletz  ein, 
und  ging  nach  Eamienietz  bei  Nacht  und  eroberte  Kamienietz;  da- 
nach aber  nahm  er  Smotritscha  weg  und  Skala  und  das  Städtchen 
Tscherwlenoi  und  besetzte  alle  Städte.  Auch  den  Statthalter  des 
Fürsten  Theoder,  der  in  diesen  Städten  war,  Namens  Niestak,  nahm 
er  gefangen.  Und  in  allen  Städten  setzte  der  G.-P.  Witowt  seine 
Starosten  ein.  Solches  war  aber  gewonnen  durch  litauische  Kraft  und 
Niemand  hatte  ihm  Hülfe  geleistet  von  irgend  welcher  Seite. 

Alsdann  ging  der  König  den  G.-F.  Witowt  mit  Bitten  an  und 
sprach:  „Gott  hat  dir  Gnade  erwiesen,  Bruder,  du  hast  das  Podolier- 
land  bezwungen,  thue  mir  diese  Ehre,  gieb  mir  dasPodolierland."  [Und] 
der  G.-F.  (Witowt)  gab  dem  Könige  die  Hälfte  des  Podolierlandes, 
um  20000  ....  gab  er  Kamienietz  und  Smotritscha,  und  Skala 
und  das  Städtchen  Tscherlenoi  und  Bakota.  Und  in  alle  die  andern 
podolischen  Städte  setzte  der  G.-F.  Witowt  seine  Starosten,  in  Brja- 
slawl  und  in  Sokoletz  und  in  Wjenitza.  Der  König  aber  versetzte 
diese  Städte  für  20,000  dem  Pan  Spitko.  Und  als  der  G.-F.  ge- 
schlagen wurde  in  der  grossen  Tatarenschlacht,  war  auch  der  Pan  Spitko 
dem  G.-F.  Witowt  zu  Hülfe  gekommen,  und  da  erschlugen  die  Tataren 
den  Pan  Spitko  [in  diesem  Streit].  Die  Gemahlin  des  Pan  Spitko 
aber  blieb  als  Wittwe  zurück  und  kleine  Kinder.  Und  der  König  be- 
sandte den  G.-F.  Witowt  und  liess  ihm  sagen:  , Du  hast  uns  [gegeben] 
die  Hälfte  des  Podolierlandes  um  20,000  Geldstücke,  und  wir  haben  es 
dem  Pan  Spitko  gegeben  auch  um  20,000  Geldstücke,  aber  die  Ge- 
mahlin des  Pan  Spitko  ist  Wittwe  geworden,  und  die  Kinder  sind  noch 
klein,  und  irgend  wer  muss  die  Länder  vertheidigen  gegen  die  Tataren; 
so  gieb  [du]  zurück  die  20,000  Geldstücke  und  nimm  die  Städte  [wieder] 
zu  dir.*  Und  der  G.-F.  Witowt  sandte  dem  Könige  40,000  Geldstücke 
auf  den  Namen  durch  den  Pan  Niemir  und  Dmitrei  Wasiliewitsch 
(einen  Bojaren  von  Lutzk)  und  nahm  seine  Städte  wieder  zu  sich  und 
sandte  seinen  Starosten,  seinen  Hofherrn  Granski,  und  nach  dem 
Granski  gab  er  sie  dem  Pan  Peter  Montikgirdowitsch  und  nach  dem 
(Pan)  Peter  gab  er  sie  dem  Pan  Dedikgold,  nnd  darnach  gab  er  dem 
Pan  Dedikgold  Smolensk,  dem  Pan  Dolgord  aber  gab  er  Podolien. 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen.  447 

Der  Pan  Dolkgird  aber  waltete  in  allen  diesen  Städten,  in  Podolien, 
bis  zu  dem  Tode  des  6.-F.  Witowt.  Und  als  der  G.-P.  Witowt 
nicht  mehr  am  Leben  war,  da  kamen  die  Lechen  und  luden  den  Pan 
Dolkgird  von  der  Stadt  Kamienietz  (zu)  sich  zum  Vertrage,  und  sie 
Hessen  ihn  nicht  zum  Vertrage,  (sondern  nahmen  ihn  selber  gefangen) 
und  plünderten  ihn  aus  (und  besetzten  Kamienietz  und  rafften  alles 
weg),  was  das  Podolierland  hat. 

Im  Jahr  6939  (1431)  lud  der  G.-F.  Witowt  Kestutie witsch 
zu  sich  den  polnischen  König  Wladislaw,  den  Fürsten  von  Moskwa, 
Wasilei  Wasiliewitsch  und  den  G.-F.  von  Twer,  Boris  Alexan- 
driewitsch  und  den  Meister  aus  Deutschland  und  den  preussischen 
Meister  aus  Livland,  und  es  kamen  hohe  Gesandte  von  dem  Zaren 
Iwan  von  Zarigorod  (Byzanz)")  und  von  dem  Römischen  Kaiser,  und 
Gesandte  von  dem  Könige  vom  Don,  und  von  dem  G.-F.  Iwan  von 
Rjazan  und  von  dem  Wlacher  Woiwoden  kamen  Gesandte,  und  die 
Odojewsker  Fürsten  waren  selbst  dort,  und  von  Gross-Nowogorod 
und  von  Pskow  und  von  dem  Zaren  der  Horde  waren  dort  Gesandte 
und  noch  von  andern  Fürsten  des  Landes  waren  Gesandte.  (Und  diese 
Könige  und  Grossfürsten  und  Gesandte  waren)  bei  dem  G.-F.  Witowt 
7  Wochen  lang  auf  seine  Unkost  und  auf  jeden  Tag  wurden  geliefert 
300  Tonnen  Meth,  300  Rinder,  und  300  Hammel  und  Wildschweine. 

Der  G.-F.  Witowt  war  Willens  sich  die  Krone  aufzusetzen,  und 
seine  Feinde,  die  Polen,  Hessen  die  Krone  nicht  hinüber  (und  demzu- 
folge setzte  er  sich  die  Krone  nicht  auf).  Und  der  G.-F.  Witowt  fiel 
in  Krankheit,  und  er  liess  die  Grossfürsten  und  die  fürstlichen  Gesandten 
von  sich  mit  vielen  Geschenken  und  mit  Ehren;  der  polnische  König 
Wladislaw  aber  war  bei  dem  G.-F.  Witowt,  und  in  seinem  Beisein 
verschied  der  G.-F.  Witowt  im  Monat  October  (13.)  am  Gedächtniss- 
tage des  heil.  Apostels  Jacob,  des  Bruders  des  Herrn. 

[Lobrede  auf  den  Grossfürsten  Witowt] ") 

Die  Heimlichkeit  des  Fürsten  zu  verschweigen  geziemt  sich,  aber 
die  Thaten  des  grossen   Herrschers   zu   erzählen   geziemt   sich  auch. 


*5)  »hohe  Ges.  .  .  .  Zarigorod*  ist  Randvermerk, 

**)  Am  Rande  beigeschrieben  mit  Bezeichnung  der  SteUe, 


448  ^'e  ä^este  litauische  Chronik 

Ich  will  euch  erzählen  von  dem  G.-F.  Alexander,  Witowt  (genannt), 
von  Litauen  und  Bussland,  von  dem  Herrn  vieler  andern  Länder;  die- 
weil  aber  geschrieben  steht:  „Ihr  Bruder,  fürchtet  Gott  und  ehret  den 
König",  so  will  auch  ich  euch  erzählen  von  diesem  ruhmvollen  Herr- 
scher; aber  unmöglich  ist  es,  zu  verkündigen,  noch  in  Schrift  zu  fassen 
die  Thaten  des  grossen  Herrschers;  gleichwie  es  keinem  möglich  wäre 
die  Höhe  des  Himmels  zu  erforschen  und  die  Tiefe  des  Meeres,  eben 
so  möglich  würde  es  sein  zu  melden  die  Kraft  und  die  Tapferkeit  dieses 
ruhmvollen  Herrschers:  dieses  ist  der  Grossfürst  Witowt.  Er  besass 
das  Grossförstenthum  Litauen  und  Bussland  (und)  viele  andre  Länder, 
gerade  hinauszusagen:  das  ganze  russische  Land.  Aber  nicht  blos  das 
ganze  Bussland,  sondern  auch  der  Gebieter  von  Ungarland,  der  geheissen 
wird  der  römische  Kaiser,  lebte  mit  ihm  in  grosser  Liebe.  Solcherlei 
ist  mir  versichert  worden:  dass  dieser  berühmte  Herrscher  einstmals 
in  seiner  Stadt  war,  inGross-Lutzk,  und  er  schickte  seine  Gesandten 
zu  dem  Könige  von  Ungarn,  (geheissen)  der  römische  Kaiser  und  ent- 
bot ihn  zu  sich.  Er  aber,  ohne  allen  Ungehorsam  kam  eiligst  zu  ihm 
mit  seiner  Prinzessin  (?).  Und  sie  leisteten  ihnen  (ihm)  grosse  Ehre 
und  viele  Geschenke;  (und)  von  der  Zeit  an  verharrten  sie  in  grosser 
Liebe  zu  einander.  Wie  sollen  wir  uns  nicht  verwundern  über  die 
Ehre  des  grossen  Herrschers :  vor  dem  die  Länder  in  Osten  und  Westen, 
wohin  er  kam,'  sich  beugten  vor  dem  berühmten  Herrscher,  der  König 
ist  über  das  ganze  Land ;  und  wenn  er  dahin  kommt,  beugt  es  sich  vor 
dem  ruhmvollen  Könige,  dem  Grossfürsten  Alexander  (genannt  Witowt). 
Ja,  auch  der  türkische  Zar  hat  grosse  Ehre  und  viele  Geschenke  dar- 
gebracht dem  berühmten  Herrscher;  der  rechtgläubige  und  christliebende 
Zar  von  Zarigrod  aber,  auch  dieser  hat  mit  ihm  in  grosser  Liebe  ge- 
lebt. Und  auch  das  Tschechische  Königreich  hat  den  berühmten  Herr- 
scher gehalten  in  grosser  Ehre;  nicht  minder  der  Donische  König  hat 
grosse  Ehre  und  viele  Geschenke  dargebracht  dem  ruhmvollen  Herr- 
scher, dem  Grossfürsten  Witowt.  In  diesem  Jahre  aber  nahm  sein 
Bruder  Jakailo  den  Thron  ein  des  Königreichs  Krakow,  der  in  der 
Sprache  der  Lechen  Wladislaw  geheissen  wird;  auch  dieser  hat  mit 
ihm  gelebt  in  grosser  Liebe.    Und  auf  welches  Land  der  ruhmvolle 


hrsg.  von  Dr.  M,  Toppen*  449 

Herrscher  Witowt  erzürnt  war,  und  welches  Land  er  strafen  wollte,  da 
lieh  ihm  der  König  Wladislaw  stets  Hülfe.  So  auch  der  Grossfürst 
von  Moskwa  lebte  mit  ihm  in  grossser  Liebe.  (Aber)  auch  noch  andere 
grosse  Fürsten  aus  Deutschland  dienten  ihm  mit  allen  ihren  Städten 
und  Ländern ;  auch  jener  grosse  deutsche  Grossfürst,  in  deutscher  Sprache 
Meister  genannt.  Ferner  aber  der  Gebieter  des  Moldauerlandes  und 
von  Bassarabi,  in  wlachischer  Sprache  Woiwoden  genannt.  Und  der 
Herrscher  des  Bolgarenlandes,  der  in  der  Landessprache  Despot  (ge- 
heissen  wird).  Und  noch  andere  Grossfürsten:  der  G.-F.  von  Twer, 
der  G.-F.  von  Bjezan,  der  G.-F.  von  Odejew,  [der  G.-F.]  und  Gross- 
Nowogorod  und  Pskow.  Und  um  es  kurz  zu  sagen,  so  hat  sich  an  der 
ganzen  Meeresküste  nicht  eine  Stadt  noch  ein  Ort  befunden,  die  nicht 
diesem  ruhmvollen  Herrscher  Witowt  gedient  hätten.  Diese  grossen 
Herrscher  aber,  [die  Zaren],  die  Grossfürsten  und  grossen  Länder,  wie 
wir  schon  geschrieben  haben,  und  auch  andere  allhie  lebten  mit  ihm 
in  grosser  Liebe,  andere  aber  dienten  ihm,  (dem  berühmten  Herrscher) 
kräftig  und  boten  ihm  grosse  Ehre  und  grosse  Geschenke  und  vielen 
Tribut,  nicht  blos  in  jedem  Jahre,  sondern  auch  an  jedem  Tage.  (Wenn) 
der  ruhmvolle  Herrscher  Witowt,  (genannt  Alexander)  erzürnt  war  auf 
ein  Land  und  selber  ein  Land  strafen  wollte  oder  seine  mächtigen 
Statthalter  senden,  wo  er  hinwegging,  und  wenn  er  einem  aus  diesen 
grossen  Ländern  gebot  zu  ihm  zu  erscheinen,  so  kamen  sie  ohne  allen 
Widerspruch  eiligst  zu  ihm  aus  ihren  Ländern,  und  wenn  es  einem 
Fürsten  einmal  schwer  ward  aus  Krankheit,  so  sandte  er  alle  seine 
Streiter  und  seine  Macht  zu  Hülfe  zu  seinem  Dienst.  Dieser  grosse 
Fürst  (Alexander,  genannt)  Witowt  aber  stand  stets  in  grosser  Ehre 
und  Ruhm.  Als  er  einmal  von  seinen  Städten  fort  in  der  grossen  Stadt 
sich  befand,  (mit  Namen)  Kiew,  so  entbot  er  zu  sich  die  Grossfürsten 
der  Horde,  und  sie  kamen  zu  ihm  in  grosser  Dienstbereitschaft  und  er- 
baten von  ihm  einen  Zaren  für  ihr  Reich.  Und  es  waren  viele  Gross- 
fürten  der  Horde,  welche  dienten  an  seinem  Hofe.  Er  gab  ihnen  aber 
einen  Zaren,  Sultan  (genannt).  Jener  Zar  aber,  der  bei  der  Horde  war, 
als  er  gehört  hatte,  wie  dieser  ruhmvolle  Herrscher  seinen  Diener  ent- 
lassen habe  in  das  Zarthum,  unterstand  er  sich  nimmer  dem  berühm- 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hft.  5  n.  G,  29 


450  Die  ä,te8te  titanische  Chronik 

ten  Herrscher  sich  zu  widersetzen,  sondern  verliess  das  Reich  und  ent- 
floh.   Dieser  Sultan  aber  kam  zu  der  Horde  und  sass  auf  dem  Zaren- 
thron aus  Geheiss  des  grossen  Herrschers,  Witowt  (genannt)  und  diente 
ihm  in  grosser  Furcht,  und  nach  langer  Zeit  entwich  er  aus  dem  Leben. 
Die  andern  Aeltesten   der  Horde   aber   schickten  ihre  Gesandten  mit 
grossen  Geschenken  zu  dem  grossen  Herrscher  und  erbaten  von  ihm 
einen  andern  Zaren.    Und  er  sandte  ihnen  einen  kleinen  Sultan.    Als 
aber  dieser  kleine  Sultan  auf  dem  Zarenthron  sass,  wagte  er  nimmer 
dem   berühmten  Herrscher   ungehorsam  zu  sein:    wenn  er  ihm  gebot 
irgend  wohin  (zu  gehen),  so  zog  er  dorthin.    Nach  kurzer  Frist  aber 
sandten  die  Grossfürsten  der  Horde,  weil  sie  mit  nichten  wagten  den 
berühmten  Herrscher,  den  Grossfürsten  Witowt,  zu  erzürnen,  wenn  ihnen 
nicht  von  seiner  Hand  ein  Zar  hingesetzt  würde,  (zu  ihm)  mit  grossen 
Ehren  und  erbaten  von  ihm  einen  Zaren.    Er  aber  gab  ihnen  einen 
andern  Zaren,  Namens  Dawlad-Berdei.    Gleichwie  ein  Fluss  das  ganze 
Land  überströmt,  Menschen  und  Vieh  tränkt,  selber  aber  nicht  ver- 
mindert wird,   so  entlässt  auch   der  berühmte  Herrscher  eine  Menge 
von  Zaren  nach  der  Horde  und  besitzt  eine  Menge  Zaren.    Wir  kehren 
aber  zu  dem  Yorangeföhrten  zurück.   Als  aber  dieser  Zar  Dawlad-Berdei 
sich  eine  kurze  Zeit  dort  aufgehalten  und  jener  vorüberzog,  die  Aeltesten 
der  Horde  aber  vernommen  hatten,  dass  der  berühmte  Herrscher  in 
der  Nähe  sei  in  (der  vorgenannten  Stadt)  Kiew,  da  kamen  sie  selber 
herbei  und  beugten  die  Knie  vor  dem  ruhmvollen  Herrscher,  dem  G.-F. 
Witowt  und  brachten  viele  Geschenke  herbei  und  erbaten  sich  einen 
Zaren  von  ihm.    Er  gab  ihnen  aber   einen   andern  Zaren,   Namens 
Mahntet    Denn  so  wie  von  dem  Meere  eine  Fülle  von  Wasser  ent- 
strömt, —  [so  strömt  auch  die  Weisheit  von  diesem  grossen  Herrscher, 
dem  G.-F.  Witowt. 

Nach  dem  Tode  des  G.-F.  Witowt]  sass  der  Fürst  Schwitri- 
gailo  auf  dem  Grossfürstenstuhl  in  Wilna  und  in  Troki  und  der 
G.-F.  Schwitrigailo  regierte  zwei  Jahre  minder  zwei  Monate  und 
bei  seiner  Regierung  entliess  er  den  Wladika  von  Smolensk,  Gerasim, 
nach  Zarigrod  zu  der  Metropolie.  Und  er  herrschte  nicht  über  das 
Land,  die  Litauer  aber  setzten  den  G.-F.  Äidimont  Eestutiewitscb 


hrsg.  von  Dr«  M.  Toppen.  4&1 

auf  den  Grossfürstenstuhl  in  Wilna  und  in  Troki  am  1.  des  Monats 
September.  Und  Schwitrigailo  zog  nach  Foltesk  und  nach  Smo- 
lensk  und  die  russischen  Fürsten  und  Bojaren  setzten  den  Fürsten 
Schwitrigailo  auf  den  russischen  Grossfurstenstuhl.  (und)  in  diesem 
Herbst  versamralete  der  G.-F.  Schwitrigailo  eine  grosse  Macht,  und 
der  G.-F.  Boris  Alexandrowitsch  von  Twer  gab  ihm  seinen  Bru- 
der den  Fürsten  Jaroslaw  mit  seiner  ganzen  Macht,  und  er  zog  auf 
Litauen  und  kam  nicht  bis  Wilna  auf  6  Meilen  und  sie  standen  in 
Oschmiena  und  daselbst  stand  er  eine  Woche  hindurch.  [Und]  der 
G.-F.  Zidimont  kam  an  mit  der  litauischen  Macht,  und  sie  hatten 
eine  Schlacht  am  8.  December,  am  Gedächtnisstage  des  heil  Vaters 
Potaxi,  des  Montags.  Und  Gott  stand  dem  G.-F.  Zidimont  bei, 
und  sie  schlugen  den  G.-F.  Schwitrigailo,  und  schlugen  die  russischen 
Fürsten,  einige  aber  nahmen  sie  gefangen:  den  Fürsten  Georg  Lynk- 
wieniewitsch  fingen  sie,  den  Fürsten  Wasilei  Simonowitsch,  den 
Thedik  Odintzowitsch,  den  Pan  Dedikgold,  den  Woiwoden  von 
Wilna;  und  sehr  viele  andere  erschlugen  und  fingen  sie. 

In  diesem  Winter  aber  sammlete  der  G.-F.  Schwitrigailo  zum 
andernmal  eine  grosse  russische  Macht  und  zog  auf  Litauen  und  sie 
verheerten  einen  grossen  Theil  des  Litauerlandes  und  brannten  und 
führten  viele  in  die  Gefangenschaft. 

Im  Sommer  aber  sammlete  er  eine  grosse  russische  Macht,  und 
der  Meister  vonLivlarid  mit  seiner  ganzen  Macht  kam  dem  Schwitri- 
gailo zu  Hülfe,  und  der  G.-F.  von  Twer  gab  ihm  seine  Macht  und 
sie  zogen  in  das  Litauerland.  Auf  anderthalb  Meilen  von  Wilna  über- 
nachtete er  in  Budomin  und  zog  nach  der  Stadt;  (und)  er  gelangte 
» 

nicht  nach  Troki,  das  auf  das  alte  Troki  vertraute;  und  vor  Troki 

stand  er  am  Tage  des  Heilandes  (Fronl.?)  und  stand  vier  Tage  lang. 

Und  er  zog  ab  von  Troki,  den  G.-F.  Zidimont  aufzusuchen  und  das 

litauische  Heer,  und  er  stand  inWoitischka  vier  Tage  lang  (und  ging 

nach  Bussland  in  sein   Land.    Und  er  kam  nach  Krewo,  und  sie 

standen  zwei  Tage),  und  er  nahm   die   gemauerte   Stadt  Krewo  und 

verbrannte  sie,  und  sie  zerhieben  viele  Leute  und  führten  sie  in  die 

Gefangenschaft.    Von  da  aber  ging  er  nach  Molodetschno,  und  es 

29* 


452  Die  Älteflte  litauische  Chronik 

kam  dem  Grossfürsten  Scbwitrigailo  Kunde,  dass  die  Litauer  im 
Nachsetzen  begriffen  seien,  und  der  G.-F.  Schwitrigailo  sandte  den 
Fürsten  Michael,  den  Woiwoden  von  Kiew,  gegen  sie,  und  andere 
russische  Fürsten  mit  ihm.  Und  sie  erschlugen  denPan  PeterMonti- 
kirdo witsch  und  die  Litauer,  andere  aber  führten  sie  nach  Kopatschi. 
Und  von  da  zog  er  nach  Zeslawl  und  nahm  Zeslawl,  verbrannte  es 
denselben  Tag  und  führte  viele  Leute  in  die  Gefangenschaft.  Und  sie 
kamen  nach  Minsk  und  nahmen  die  Stadt  Minsk  und  brannten  sie 
und  fahrten  viele  Menschen  in  die  Gefangenschaft,  Männer  und  Weiber; 
er  ging  in  sein  Land,  aber  dem  Litauerlande  fugten  sie  viel  Unheil  zu. 
Und  sie  kamen  nach  Boriöow  und  allda  griffen  sie  den  Fürsten 
Michael  Iwanowitsch  Golschanski  an  dem  Flusse  der  Berezina, 
und  er  schickte  ihn  nach  (der Stadt) Witebsk  und  allda  befahler  ihn 
zu  ertränken  in  dem  Flusse,  der  Dwina,  bei  Witebsk;  sie  fingen  ihn 
(aber)  unschuldig.  Der  Meister  gelangte  nur  bis  auf  eine  Meile  von 
Lukomla  in  den  Seen  und  zog  in  sein  Land  Livland,  der  G.-F. 
Schwitrigailo  aber  ging  nach  Lukomla,  und  daselbst  liess  er  sein 
Heer  auseinandergehen,  Fürsten  und  Bojaren,  und  er  selber  ging  (nach) 
Kiew.  [Und]  in  diesem  Herbst  brachte  der  G.-F.  Zidiraont  eine 
grosse  Macht  zusammen  von  Litauern  und  Lechen  und  ging  in  das 
Litauerland,  und  sie  lagerten  sich  bei  Mstislawl  am  26.  October  am 
Tage  des  heil.  Märtyrers  Dmitrei,  Mittwochs,  und  er  stand  drei 
Wochen  und  gewann  die  Stadt  nicht  und  zog  in  sein  Land. 

Im  Sommer  aber  trat  Schwitrigailo  zusammen  mit  den  russi- 
schen Fürsten  und  Bojaren  und  der  ganzen  russischen  Macht  und  zog 
auf  Litauen;  der  Meister  aber  kam  heran  mit  seiner  Macht,  dem 
Schwitrigailo  zu  Hülfe  und  sie  vereinigten  sich  mit  Schwitrigailo 
in  Braslawl,  und  durch  Schickung  Gottes  fiel  ein  grosses  Wasser  auf 
das  Land;  darnach  konnten  sie  nicht  ziehen  in  das  Litauerland.  Der 
Fürst  Schwitrigailo  ging  wieder  in  sein  Land  und  der  Meister  ging 
auch  in  sein  Land,  und  er  liess  sein  Heer  auseinandergehen,  Fürsten 
und  Bojaren  nach  Polotzk,  er  selber  aber  ging  nach  Kiew. 

Im  dritten  Sommer  (Jahre?)  verbrannte  der  G.-F.  Schwitrigailo 
den  Metropoliten  Gerasim  in  Witebsk.  Und  der  G.-F.  Schwitrigailo 


hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen«  453 

vereinigte  sich  in  Witebsk  mit  den  russischen  Fürsten  und  mit  dem 
russischen  Heere  und  zog  nach  Braslawl,  und  allda  in  Braslawl 
kam  dem  Schwitrigailo  zu  Hülfe  der  Meister  aus  Livland  mit  seiner 
ganzen  Macht.  Und  er  zog  aus  Braslawl  durch  das  Land  Zawel, 
durch  Zawel  und  Wilkomir.  [Und]  der  G.-F.  Zidimont  zog  nicht 
selber  wider  Schwitrigailo,  und  der  König  gab  dem  G.-F.  Zidimont 
zur  Hülfe  800  Lanzen.  Und  der  G.-F.  Zidimont  sandte  seinen  Sohn, 
den  Fürsten  Michael  gegen  den  Fürsten  Schwitrigailo.  Und  der 
Fürst  Michael  kam  heran  mit  seiner  litauischen  Macht  und  mit  den 
Lochen,  und  er  hatte  einen  Streit  mit  Schwitrigailo  am  Tage  Simonis, 
am  Sonntage  nach  Ostern,  und  er  schlug  sie  jenseit  des  Flusses  Wil- 
komir. [Aber]  Gott  stand  dem  Fürsten  Schwitrigailo  nicht  bei, 
darum  weil  er  den  Metropoliten  Geras  im  verbrannt  hatte;  und  Gott 
half  dem  G.-F.  Zidimont  und  seinem  Sohne,  dem  Fürsten  Michael, 
und  sie  schlugen  den  Fürsten  Schwitrigailo  und  sein  ganzes  Heer, 
und  erschlugen  viele  Fürsten  und  andere  fielen  ihnen  in  die  Hände. 
Sie  erschlugen  seinen  Neffen,  den  Fürsten  Zidimont  [und]  Korybu- 
towitsch  und  den  Fürsten  Jaroslaw  Lynkwieniewitsch  (bei  Dan. 
Lygwieniwitsch)  und  den  Fürsten  Michael  Boloban  Simonowitsch 
und  den  Fürsten  Daniel  Simonowitsch  von  Golschan  und  den 
Fürsten  Michael  Lwo witsch  von  Wjazma,  und  noch  viele  andere 
Fürsten  erschlugen  sie ;  zu  Händen  aber  ergriffen  sie  42  Fürsten.  Na- 
mentlich fingen  sie  den  Fürsten  Ivan  Wolodimirowitsch  von  Kiew 
und  seinen  Bruder,  den  Fürsten  Theodor  Korbutowitsch,  und  den 
Meister  von  Livland  selber  erschlugen  sie  und  den  Landmarschal  und 
viele  andre  Komthure,  und  machten  alle  Livländer  nieder  und  einige 
[alle]  fingen  sie  lebendig,  nur  einige  wenige  von  ihnen  blieben  übrig. 
Auch  viele  Gäste  machten  sie  nieder:  Schlesier  und  Tschechen,  und 
viele  griffen  sie  zu  Händen. 

Nach  Ablauf  (aber)  'von  drei  Wochen  nach  dieser  Schlacht  ver- 
sammlet^ der  G.-F.  Zidimont  sein  ganzes  litauisches  Heer  und  sandte 
seinen  Sohn,  den  G.-F.  Michael  gegen  Bussland.  Und  der  Fürst 
Michael  ging  dahin  und  stellte  sich  auf  in  Orscha,  und  die  von 
Smolensk  gingen  dem  Fürsten  Michael  entgegen  auf  Orscha,  und  sie 


454  **'e  Kl*68*6  KtaoiBche  Chronik 

ergaben  sich  dem  G.-F.  Zidimont  und  seinem  Sohne,  dem  Fürsten 
Michael.  Und  der  Fürst  Michael  ruckte  nicht  vor  Smolensk,  son- 
dern ging  von  Orscha  nach  Witebsk,  nnd  als  er  beiWitebsk  ange- 
langt war,  stand  er  dort  6  Wochen,  und  er  bekam  die  Stadt  nicht  und 
zog  hinweg. 

Und  danach  sammlete  in  diesem  Winter  der  G.-F.  Zidimont  aber- 
mals seine  ganze  litauische  Macht  nnd  die  Pane  und  sandte  sie  nach 
der  Stadt  Polotzk,  und  da  die  Pane  dort  angelangt  waren,  standen 
sie  vor  Polotzk  eine  Woche  lang,  und  als  sie  nicht  die  Stadt  gewannen, 
gingen  sie  hinweg.  Und  auf  den  Sommer,  da  die  Polotzker  und  die 
Witebsk  er  von  nirgend  her  Hälfe  für  sich  vermerkten,  da  ergaben 
sie  sich  dem  G.-F.  Zidimont  Kestutiewitsch,  und  der  G.-F. 
Zidimont  begann  die  Herrschaft  zu  üben  in  dem  G.-F.thum  Litauen 
und  [in]  Bussland. 

Gm  Jahr  6944,  6945,  6946.  (1436,  1437,  1438.)  In  diesen  Jahren 
war  eine  grosse  Hungersnoth  in  Smolensk.  In  den  Wäldern  und  auf 
den  Wegen  frassen  die  wilden  Thiere  die  Menschen,  und  in  den  Städten 
und  Strassen  frassen  die  Vögel  die  Köpfe  und  Hände  der  Leichen  und 
schleppten  sie  an  den  Füssen.  Aber  auch  die  Menschen  verzehrten 
Katzen  und  kleine  Kinder  aus  grossem  Hunger.  In  der  grossen  Faste 
aber  ass  man  Fleischspeisen  und  wilde  Thiere  in  den  Gebieten  und 
Dörfern.  Das  Viertel  Korn  aber  galt  dazumal  2  Spiessgroschen.  Und 
die  Menschen  rafften  es  auf  den  Strassen  und  warfen  es  in  irdene  Töpfe. 

In  diesem  Jahre  schlug  der  Zar  [Mache mt]  die  Moskowiter.) 

Im  Jahr  6948  (1440)  wurde  in  Litauen  ein  grosser  Frevel  verübt : 
der  G.-F.  Zidimont  wurde  (in  Litauen)  in  (der  Stadt)  Troki  ermordet 
eines  Vormittags  in  der  Palmwoche;  und  es  geschah  ein  grosser  Auf- 
ruhr in  dem  Litauerlande.  Zu  dieser  Zeit  aber  hatte  der  Pan  Andrei 
Isakowitsch  von  Zidimonts  wegen  Smolensk  inne,  und  er  begann 
die  Smolensker  zu  bewegen  zu  einem  Eide :  dass  die  litauischen  Fürsten 
(und)  die  Pane  [und]  das  ganze  Litauerland  jemand  setzen  solle  (in 
Wilna)  auf  den  G.-F.stuhl  und  „ihr  nicht  abtreten  sollt  von  dem 
Litauerlande  und  dem  G.-F.  von  Litauen  und  zu  einem  andern  nicht 
übertreten,  mich  aber  bei  euch  halten  sollet  als  Woiwoden  so  lange,  bis 


hrag.  von  Dr.  M.  Toppen.  455 

ein  Grossfürst  sitzen  wird  in  Wilna.  Und  der  Wladyka  Simeon  von 
Smolensk  und  die  Fürsten  und  Bojaren  und  die  Bürger  und  das  ge- 
meine Volk  schwuren  dem  Pan  Andrei  (dies  alles:  von  Wilna  nicht 
abzugehn  und  den  Fan  Andrei)  redlich  bei  sich  zu  halten  als  den 
Woiwoden  von  Smolensk.  Und  um  den  hohen  Tag  (Char  frei  tag?)  in 
der  heiligen  Woche  des  Mittwochs  sannen  die  Smolensker,  das  ge- 
meine Volk,  die  Schmiede,  Gerber,  Schneider,  Fleischer,  Eesselmacher  • 
darauf,  den  Pan  Andrei  mit  Gewalt  aus  der  Stadt  zu  verjagen;  und 
sie  brachen  ihren  Eid  und  rüsteten  sich  mit  Harnisch  und  mit  Wurf- 
spiessen  und  Pfeilen  und  Sensen  und  Aexten  und  zogen  die  Glocke  an. 
Der  Pan  Andrei  (aber)  berieth  sich  [auch]  mit  den  Bojaren  von 
Smolensk,  und  die  Bojaren  sprachen  zu  ihm:  „Befiehl  deinen  Hof- 
leuten den  Harnisch  anzulegen,  wir  aber  sind  mit  dir,  oder  ist  es  besser, 
dich  ihnen  in  die  Hände  zu  geben?*1  Und  sie  gingen  mit  den  Lanzen 
zu  Pferde  auf  sie  los,  und  sie  hatten  [auch]  ihren  Gang  nach  der 
Stadt  Borisso-Gljeb,  sie  schlugen  [aber]  mit  ihren  Lanzen  eine 
Menge  Volks  zu  Tode,  und  die  andern  blieben  verwundet  am  Leben. 
Und  das  Volk  entlief  von  dem  Pan  Andrei.  (Und)  in  derselben  Nacht 
ging  der  Pan  Andrei  aus  der  Stadt  mit  seiner  Gemahlin  und  die 
Bojaren  von  Smolensk  mit  ihm.  Und  danach  war  ein  grosser  Auf- 
ruhr in  Smolensk:  die  Smolensker  ergriffen  den  Marschall  Petryk 
von  Smolensk  und  ertränkten  ihn  im  Dniepr;  und  sie  setzten  sich 
den  Fürsten  Andrei  Dmitriewitsch  von  Dorogobufc  zum  Woi- 
woden von  Smolensk. 

Der  litauische  Bath,  die  Fürsten  und  Pane  des  Grossflirstenthums 
und  das  gesammte  Land  beriethen  sich  und  nahmen  von  den  Lochen 
den  Kasimir  Eorolewitsch  an  für  das  G.-F.thum  Litauen  und 
setzten  ihn  mit  Ehren  in  die  Residenzstadt  Wilna  ein  (und)  in  das 
ganze  russische  Land. 

Und  es  kam  zu  dieser  Zeit  der  Fürst  Georg  Lynkwieniewitsch 
von  Nowogorod  nach  Litauen;  (und)  der  G.F.  Kazimir  Koro- 
le witsch  gab  ihm  sein  Erbgut  Ms tislawl.  Die  Bojaren  von  Smolensk 
aber  kamen  (zu  ihm)  aus  Litauen  nach  Smolensk  und  das  Volk  liess 
sie  nicht  in  die  Stadt,  da  fuhren  sie  umher  auf  ihren  Dürfern.    Und 


456  Di°  älteste  litauische  Chronik 

danach  entstand  ein  grosser  Kampf  zwischen  den  Bojaren  und  dem 
Volke.  (Und  ans  Furcht  vor  den  Bojaren)  rief  das  Volk  sich  den 
Fürsten  Georg  Lynkwieniewitsch  herbei  als  Oberhaupt.  Und  der 
Fürst  Georg  sandte  aus,  die* Bojaren  zu  greifen  und)  sie  griffen  die 
Bojaren  und  er  legte  sie  in  Fesseln  und  ihr  Gut  gab  er  seinen  Bojaren. 

(Und)  in  diesem  Herbst  auf  Philippi  Befreiung  kam  ein  litauisches 
Heer  nach  Smolensk  und  stand  drittehalb  Wochen  und  brannte  die 
Aussenstädte  und  die  Kirchen  und  Klöster  (und  hieb  eine  grosse  Menge 
Menschen  nieder)  und  führte  die  Lebenden  in  die  Gefangenschaft  und 
verübte  viele  Frevel  und  zog  wieder  davon. 

(Im  Jahr  6951  (1443)  war  ein  schrecklicher  Winter  und  ohne  Auf- 
hören Schneegestöber  mit  Frost,  und  es  starben  viele  Menschen  in  den 
Wäldern  und  auf  den  Wegen  vor  grosser  Kälte.  Und  der  Schnee  war 
sehr  hoch,  in  vielen  Jahren  erinnert  man  sich  nicht  solches  Unheils. 
In  diesem  Sommer  aber  war  eine  grosse  Wassersnoth  in  Smolensk, 
es  nahm  die  ganze  Aussenstadt  fort,  das  Wasser  ging  beinahe  bis  an 
die  Pokrower  Berge. 

In  diesem  Winter  verstarb  der  Archimandrit  Janothrei  des 
Erlöser- Klosters  Spaskoi  am  23.  September,  und  sie  geleiteten  ihn 
ehrenvoll. 

Im  Jahr  6952  (1444)  liess  der  G.-F.  Boris  von  Twer  das  Gebiet 
von  Gross  Nowogorod  verheeren.  Ihr  Woiwode  aber  war  Andrei 
Dmitriewitsch;  und  sie  eroberten  auf  dreizehntehalb  Aemter  und 
verübten  viel  Böses. 

In  diesem  Jahre  hatte  der  polnische  König  Wladislaw,  des  Kazimir 
Bruder,  eine  grosse  Schlacht  mit  dem  türkischen  Zaren,  und  in  dieser 
Schlacht  ward  der  König  von  Ungarn  erschlagen  und  der  türkische  Zar.) 

Im  Jahr  6953  (1445)  war  der  G.-F.  Kazimir  in  Unfrieden  mit 

» 

dem  G.-F.  von  Moskwa,  und  die  Moskowiter  und  Tataren  kamen 
und  verheerten  das  ganze  Gebiet  von  Wjazma. 

(Und)  in  diesem  Winter  sandte  der  G.-F.  Kazimir  seine  Woiwoden, 
Fürsten  und  Bojaren  hinwiederum  das  Gebiet  von  Moskwa  zu  verheeren, 
und  sie  verheerten  Kozelsk,  Werei  und  Kaluga  und  Mozaisk  und 
fügten  den  Moskowitern  viel  Schaden  zu  und  schleppten  viele  Menschen 


hrsg.  Ton  Dr.  M.  Toppen.  457 

in  die  Gefangenschaft.  [Und]  die  Moskowiter  thaten  sich  zusammen, 
ihror  auf  500,  und  setzten  den  Litauern  eiligst  nach  und  holten  sie  ein 
und  schlugen  sich  mit  ihnen.  (Und)  Gott  stand  den  Litauern  bei,  sie 
machten  viele  Moskowiter  nieder  [und  fingen  einen  Theil  im  Hand- 
gemenge] und  brachten  sie  nach  Smolensk  zu  dem  G.-F.  Eazimir, 
und  [die  Pane]  erwarben  dazumal  dem  G.-F.  und  sich  selber  Ehre; 
und  der  (G.-)F.  von  Moskwa  war  dazumal  nicht  im  Lande,  er  war 
nach  Mur  gegangen  [und  sie  schlugen  die  Tataren]. ") 

(In  diesem  Winter  starb  der  Wladika  Simeon  von  Smolensk  am 
3.  März,  des  Mittwochs  in  der  Mittfastenwoche;  und  man  geleitete  ihn 
ehrenvoll  in  das  Kloster  zum  heil.  Erlöser.) 


*7)  Dahinter  sind  in  der  Uwarowschen  Handschrift  die  folgenden  Notizen  über 
vorhergegangene  Begebenheiten  aufgeführt;  »Im  Jahr  6855  (1347)  starb  der  G.-F. 
Olgird.  Im  Jahr  6895  (1387)  ging  der  G.-F.  Jakailo  Olgirdowitsch  sich  in 
vermählen  nach  Ungarn  zu  dem  Könige,  and  als  er  sich  daselbst  vermählt  hatte, 
ward  er  getauft  auf  den  lateinischen  Glauben.  Und  seit  der  Zeit  begann  man  die 
Litauer  zu  taufen  in  dem  lateinischen  Glauben.  Im  Jahr  6...  (1420?)  kam  der 
Metropolit  Photei  (Phocius)  nach  Litauen  am  1.  Juni,  mit  ihm  der  Wladika  Am- 
brosei,  und  in  Nowogotodek  stiess  er  auf  den  G.-F.  Witowt.  Dazumal  war 
Philantropin  Gritschin  zarischer  Gesandter.  In  diesem  Jahre  ging  der  Metro- 
polit nach  Kiew,  und  in  Slutzk  taufte  er  den  Forsten  Simon  Aleiandro- 
witsch,  und  in  Mozyr  beglaubigte  der  G.-F.  den  Metropoliten«  In  diesem  Jahre 
aber  war  der  Metropolit  in  Galizien.  Im  dem  Jahr  6929  (1421)  auch  in  Lwow 
(Lemberg)  und  in  Wolodimir,  und  er  kam  an  des  Dienstags,  am  heiligen  Abende 
vor  Weihnachten,  und  in  Wilna  war  er  an  Dreikönigen  und  von  da  ging  er  nach 
Borisow  und  nach  Drutzk  und  nach  Teteran,  Auch  war  er  in  Mstislawl  bei 
dem  Fürsten  Cimon  Ljnkwien.  Und  in  Smolensk  hielt  er  Versammlung  bei 
dem  Fürsten  Simon  Iwanowitsch  und  kam  nach  Moskwa  in  der  grossen  Faste. 
Im  Jahr  6940  (1432)  ging  der  Bischof  Gerasin  von  Smolensk  nach  Zarigrod. 
In  diesem  Jahre  war  eine  grosse  Schlacht  in  Oschmiene.  Und  es  sass  in  diesem 
selbigen  Jahre  Zidimont  auf  dem  G.-F.sitz.  Im  Jahr  6943  (1435)  verbrannte 
Schwitrigailo  den  Metropoliten  in  Witebsk.  In  diesem  Jahre  war  eine  grosse 
Schlacht  bei  Wilkomir;  es  ward  eine  grosse  Zahl  von  Fürsten  und  Bojaren  und 
Bürgern  niedergemacht.  In  diesem  Jahre  schlug  der  Zar  Machemt  die  Mosko- 
witer. Im  Jahre  6919  (1411)  wurde  dem  Fürsten  Lyn k wie n  ein  Sohn  geboren, 
Jaroslaw,  der  iu  der  Taufe  Theodor  genannt  wurde/  —  In  der  Handschrift  von 
Danielowitsch  finden  sich  gleich  hinter  der  Lobrede  auf  Witowt  ebenfalls  einige 
von  diesen  Notizen,  und  zwar:  über  die  Abreise  des  Metropoliten  Gerasin  nach 
Zarigrod,  die  Schlacht  bei  Oschmiene;  demnächst:  »Im  Jahr  6941  (1433)  ging 
der  Metropolit  Gerasin  aus  Zarigrod.4  Danach  über  die  Verbrennung  des  Metro- 
politen Gerasin  und  die  Schlacht  bei  Wilkomir.  Die  übrigen  befinden  sich  nicht 
darin.    Ausg.  1827,  S.  65.  66. 


458  Die  a,te8te  litauisch«  Chronik  hrsg.  von  Dr.  M.  Toppen. 

[Im  Jahr  6953  (1445)]  im  Monat  Mai  schlug  sich  der  6.-F.  von 
Moskwa  mit  den  Tataren,  mit  dem  Zar  Machmet  und  seinem  Sohne 
Mamutiak,  und  sie  schlugen  die  Moskowiter;  und  denG.-F.  Waäilei 
selber  fingen  die  Tataren  in  der  Schlacht,  auch  den  Fürsten  Iwan  von 
Moiaisk  fingen  sie,  und  viele  andre  Fürsten  und  Bojaren  machten  sie 
nieder,  die  Schlacht  geschah  aber  in  Suzdal,  bei  dem  Kloster  des 
heil.  Erlösers. 

In  diesem  Jahr  verbrannte  Moskwa,  die  ganze  Stadt,  und  ihr 
Eigenthum  verbrannte  und  eine  Menge  Menschen.  Und  es  war  in 
Moskwa  viel  Elend  unter  den  Leuten. 

In  diesem  Jahre  ward  zwei  Nächte  in  der  Nacht  die  Erde  er- 
schüttert, die  Häuser  schwankten  gleich  einer  Wiege. 

[Und]  in  diesem  Herbst  an  Dmitritag  liessen  der  Zar  Machmet 
und  sein  Sohn  den  G.-F.  Waäilei  von  Moskwa  frei  gegen  Lösegeld: 
er  hatte  eine  grosse  Menge  Lösegeld  für  sich  zu  geben. 

Im  Jahr  695..  (14..)  nahm  der  Fürst  Dmitrei  Georgewitsch 
Sehern  iaka  seinen  älteren  Bruder  gefangen,  den  G.-F.  Wasilei  Wasi- 
liewitsch  (von  Moskwa),  und  man  stach  ihm  die  Augen  aus,  er  aber 
setzte  sich  selber  auf  den  G.-F.sitz  von  Moskwa. 

[In  diesem  Jahr  aber  war  eine  schwere  Seuche  in  Smolensk.]") 


2S)  Die  Uwarowsche  Handschrift  schliesst  mit  folgender  Notiz,  ohne  Beobach- 
tung der  chronologischen  Ordnung:  »Im  Jahr  68..  vermählte  sich  der  G.-F.  Wasilei 
D mit rie witsch,  er  nahm  zu  sich  die  Tochter  Witowts,  Sophia. 


nengefundene  litauische  Urkunde 

vom  Jahre  1578. 

Von 

Adalbert  Bezzenberger. 

Die  von  Nesselmann  (Neue  Preuss.  Provinzial-Bl&tter,  andere  Folge, 
Bd.  I  S.  241  ff.)  im  Jahre  1852  veröffentlichte  litauische  Urkunde  hat 
in  einem,  von  dem  Herrn  Staatsarchivar  Dr.  Philippi  im  Geh.  Archiv 
in  Königsberg  kürzlich  aufgefundenen,  litauischen  Mandat  vom  Jahre 
1578  einen  Genossen  gefunden.  Herr  Dr.  Philippi  ist  so  gütig  ge- 
wesen, dasselbe  mit  Genehmigung  des  Kgl.  Oberpräsidiums  der  Provinz 
Preussen  mir  hierher  zu  senden ;  indem  ich  ihm  für  seine  Freundlichkeit 
meinen  ergebensten  Dank  sage,  beeile  ich  mich,  dieses  sachlich  und 
sprachlich  in  mehrfacher  Hinsicht  werthvolle  Document  zu  besprechen 
und  zu  veröffentlichen.  Es  ist,  wie  auch  die  von  Nesselmann  veröffent- 
lichte Urkunde  —  diese  bezeichne  ich  mit  U,  jenes  mit  Ul  —  ein 
richtiges  Mandat,  wie  solche  besonders  an  den  Eirchthüren  publicirt 
zu  werden  pflegten;  beide,  U  und  U1,  waren,  wie  Spuren  des  Siegel- 

m 

wachses  unter  ihren  beiderseitigen  letzten  Zeilen  zeigen,  bereits  unter- 
siegelt, sie  wurden  aber  nicht  benutzt  und  zurückgelegt,  weil  sie  fehler- 
haft waren,  und  zwar  bestand,  wie  mir  Herr  Dr.  Philippi  mittheilt,  der 
Fehler  von  U  «in  der  allzu  kleinen  und  zu  wenig  deutlichen  Schrift 
und  in  den  über  die  Zeilen  gesetzten  Auslassungen,8  der  Fehler  von 
U1  hingegen  war  ein  Riss  in  dem  Papier,  der  übrigens  das  Lesen  des 
Textes  nur  wenig  erschwert.  Beide  Mandate  sind  vom  6.  December  1578 
datirt,  beide  schliessen  sich  hinsichtlich  ihres  Inhalts  und  vielfach  auch 
hinsichtlich  des  Ausdruckes  so  eng  aneinander  an,  dass  für  sie  eine  ge- 


460  Eine  nengefandene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578. 

meinsame  Vorlage  anzunehmen  ist,  die  jedoch  wohl  nur  in  einer  kurz 
gehaltenen  Anweisung  an  zwei,  des  Litauischen  kundige  Beamte  der 
fürstlichen  Kanzlei  bestand,  Mandate  von  bestimmt  angegebenem  Inhalt 
zu  verfertigen.  Dass  U  und  U!  von  verschiedenen  Verfassern  herrühren, 
springt  bei  einer  Vergleichung  beider  sofort  in  die  Augen,  schon  ihr 
verschieden  gefasster  Anfang  zeigt  das  sehr  deutlich.  Im  allgemeinen 
ist  zu  sagen,  dass  der  Verfasser  von  U  sich  seiner  Aufgabe  mit  viel 
grösserem  Geschick  entledigt  habe,  als  der  von  U1;  der  letztere  ge- 
braucht mehrfach  grammatisch  und  stilistisch  anstössige  Wendungen, 
die  jener  glücklich  vermieden  hat.  Sachlich  sind  beide  Mandate  von 
gleich  grossem  Werthe:  im  Gegensätze  zu  U  übergeht  U1  in  der  Auf- 
zählung der  heidnischen  Missbräuche  der  Litauer  das  Sieb-drehen  («Bei- 
träge z.  Kunde  d.  ig.  Sprachen8  I.  47),  es  erwähnt  dafür  aber  —  was 
in  U  fehlt  —  den  Besuch  [heiliger]  Haine.  Noch  ist  ein  Unterschied 
zwischen  U  und  U1  besonders  hervorzuheben:  hier  wird  sich  auf  eine 
begonnene  allgemeine  Visitation  und  auf  eine  vollendete  Visitation  der 
Aemter  Ragtnt  und  Tilsit  berufen  und  angegeben,  dass  die  anzuführenden 
Misstände  sich  in  Bagnit,  Wischwill,  Lasdehnen,  Pilkallen,  Schirwind, 
Kraupischken,  Wilkischken  und  in  anderen  Orten  gefunden  hätten,  dort 
aber  ist  von  der  begonnenen  Visitationsarbeit  und  von  der  Visitation 
des  Tilsiter  Amts  die  Bede  und  jene  Uebelstände  werden  Einwohnern 
von  Tilsit,  Kaukenen,  Goadjuten  und  Fiktuppenen  zur  Last  gelegt. 
Daraus  geht  zunächst  hervor,  dass  U  besonders  an  die  Einwohner  des 
Tilsiter  Amts  gerichtet  war  und  dass  zu  diesem  die  Orte  Tilsit,  Kau- 
kenen, Coadjuten  und  Fiktuppenen  gehörten,  und  dass  andrerseits  U1  sich 
besonders  an  die  dem  Bagniter  Amt  Angehörigen  richtete,  und  dass 
dieses  die  Orte  Bagnit,  Wischwill,  Lasdehnen,  Pilkallen,  Schirwind, 
Kraupischken  und  Wilkischken  umfasste;  ferner,  dass  zunächst  nur  die 
Aemter  Bagnit  und  Tilsit  visitirt  worden  sind  und  dass  wohl  auf  Grund 
dieser  Visitation,  bei  der  sich  mancherlei  Uebelstände  ergeben  hatten, 
eine  allgemeine  Visitation  angeordnet  wurde:  eine  theilweise  Bestätigung 
erhalten  diese  Annahmen  durch  die  in  dem  unten  mitgetheilten  Begleit- 
schreiben  zu  U1  enthaltene  Bemerkung,  dass  in  den  Aemtern  Inster- 
burg,  Georgenburg  und  Salau  —  im  Gegensatz  zu  denen  von  Tyls  und 


Von  Adalbert  Bessenberger.  461 

Rangnit  —  noch  nicht  visitirt  sei.  Aus  diesem  Begleitschreiben  erhellt 
ancht  dass  U  und  U1  nicht  ausschliesslich  an  die  Aemter  Tilsit,  bez. 
Bagnit  gerichtet  waren,  und  dass  sie  zur  Kenntnisnahme  und  Nach- 
achtung auch  an  die  übrigen  Aemter  geschickt  wurden.  Aus  der  Adresse 
des  Begleitschreibens  geht  endlich  hervor,  dass  man  nicht  von  einem 
„Amtsbezirk  von  Bagnit  und  Tilsit  *  sprechen  kann,  dass  also  der  Ver- 
fasser von  U1  mit  seinem  Ausdruck  „walfchcziaus  Bagaines  ir 
Tilßes*  (ZZ.  8,  38)  nicht  einen,  sondern  zwei  Amtsbezirke  gemeint 
hat  (der  Amtsbezirk  von  Bagnit  und  [der]  von  Tilsit)  und  dass  dieser 
Ausdruck  einer  seiner  vielfachen  Nachlässigkeiten  ist. 

Der  Text  von  U1  umfasst  die  eine  Seite  eines  Bogens  von  starkem 
Papier  (69  Zeilen);  er  ist  mit  Schwabacher  Schrift  gedruckt  und  es 
ist  in  typographischer  Hinsicht  nur  zu  erwähnen,  dass  in  den  letzten 
acht  Zeilen  eine  andere  Form  des  a  erscheint,  als  in  dem  ihnen  vorher- 
gehenden Text.  Hinsichtlich  der  Orthographie  weichen  U  und  U1  mehr- 
fach von  einander  ab,  nennenswerthe  Abweichungen  von  dem  Schreib- 
gebrauche gleichaltriger  litauischer  Texte  zeigen  beide  nicht.  Wer  in 
der  altlit.  Literatur  nicht  belesen  ist,  dem  mag  es  auffallen,  dass  in 
U1  die  s.  g.  Nasalvocale  fehlen,  dass  an  Stellen  an  denen  ganz  un- 
zweifelhaft ein  Nasal  gesprochen  wurde  (vgl.  z.  B.  atlakidami  Z.  40 
neben  atlankitas  Z.  95,  Wenczwianifte  für  vencziavonyst^-n  (a) 
Z.  70),  diese  Aussprache  nicht  bezeichnet  ist;  ich  verweise  in  dieser 
Beziehung  auf  meine,  nun  hoffentlich  bald  erscheinenden  „ Beiträge  zur 
Geschichte  d.  lit.  Sprache"  S.  30  f.,  wo  ich  ausgeführt  habe,  dass  der 
Mangel  der  Bezeichnung  nasaler  Aussprache  in  altlit.  Texten  nicht  den 
Mangel  dieser  Aussprache  beweise,  mit  anderen  Worten,  dass  häufig 
ein  einfacher  Vocal  für  einen  Nasalvocal  gesetzt  und  als  solcher  aus- 
gesprochen sei.  Hierauf  möchte  ich  ganz  besonders  diejenigen  hin- 
weisen, welche  der  Schrift  altlit.  Texte  einen  phonetischen  Charakter 
zuzuschreiben  geneigt  sind:  dass  in  dem  Text  von  U1  keine  Spur  von 
phonetischer  Schreibung  steckt,  wird  jeder,  der  mit  der  Geschichte  des 
preuss.-lit.  Dialekts  nicht  ganz  unbekannt  ist,  selbst  erkennen. 

Ich  gebe  zunächst  das  Begleitschreiben  zu  U\  dann  den  Text  sammt 
Uebersetzung  und  Anmerkungen. 


462  ®'ne  n*ngefandene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578« 

Georg  Friederich  etc. 
Erbar  lieber  getreuer,  Wir  haben  In  Jüngft  gehaltener  VHitation 
deines  verwaltenden  Ambts  vermerckt  vnd  befunden,  Das  die  Ambts 
Vnderthanen,  beuoraus  die  Littauen,  ein  wildes  rholoses f)  leben  fuhren, 
In  dem  üe  fleh  feiten,  auch  woll  gar  nicht  zur  kirche,  weniger  zu  den 
Hochwirdigen  heiligen  Sacramenten  halten  vnd  auch  allerley  Miss- 
breuche,  Abgettereyen,  Bortten*)  vnd  dergleichen  üben  vnd  treiben, 
welches  vns  als  einer  Chriftlichen  obrigkeit  keines  wegs  zudulden  fein 
will,  Derwegen  wir  dann  auch  folches  alles  durch  ein  In  druck  gefertigtes 
Mandath  abgeschafft  vnd  dye  vnderthanen  zu  fleißigem  Kirchengang  vnd 
horung  Gotlichen  worts  auch  gebrauebung  der  heiligen  Sacramente 
gnediglich  vnd  ernftlich  ermahnet.  Schicken  dir  demnach  deflelben 
Mandath8  n.  Exemplaria  mit  vnferer  eigenen  handt  vnderzeichnet  vnd 
aufgedrucktem  Secreth  bekrefftigt  hiemit  zu,  vnd  beuehlen  dir  darauff 
gnediglichen,  du  wolleft  folch  Mandath  In  den  Kirchen  auff  der  Ganzel 
durch  die  Pfarrherrn  ablefen,  volgends  daflelbe  an  die  Kirchenthüren 
vnd  andere  darzu  gelegene  orth  und  (teilen  anfchlagen  laflen,  auch  das 
demfelben  von  den  Ambts  vnderthanen  fowol  Deudfchen  als  Littauen 
also  nachgelebt  werde,  mit  ernft  darüber  halten  vnd  diejenigen,  fo  (ich 
dem  etwan  widerig  erzeigen  mochten,  nach  gelegenheit  Irer  verbrechung 
In  vnnachledlge  geburende  ernfte  straffe  nehmen.  Doran  gefchehe  vnfer 
zuuerleffiger  ernfter  wille  vnd  meynunge. 
Datum  Königsberg  den  xii  februar  79. 
An  die  HeubÜeute  zur 

Tyls 

Bangnit 

Insterburg       j  Nb.  hie  ift 

Georgenburg    j  noch  nicht 

Salau  )  vifitirt 

lieh  malanes  Diewa  |  mei  Iurgis  Triderichat  |  Mar-  J  grabas 
Brandenburg*  |  Pru/o/u  J  Stetine  \  Pomeraniai  \  Caffubofu  %r  Wen- 
do/u  |  teipaieg  ||  Schlefiai  Iegersdorfe  ir  etc.   Hertcikis  |  Burgrabas 


l)  d.  I  ruchloses.    2)  üeber  dieses  Wort  8.  u.  S.  478. 


Von  Adalbert  Bescenberger«  463 

Norimberge  ir  Wiefcbpats  Bugoie.  |)  IOg  kafznas  krikfchczionis  |  wiflafa 
fawa  fprawafa  tapirmiaus  tur  ant  Diewa  dabotifi  |  ir  nu  to  paties  pradzie  5 
dariti  |  ieng  |  galetu  nog  ija  |  ijo  daugiaus  perßegnoghimu  ap  tureti: 
Tada  ir  mes  dabar  prafideiofoijoi  pafpalitoi  mufu  Vifitatiai  |  ir  |  teipaieg 
paginetaie  Vifitatiai  walfcbcziaus  Bagaines  ir  Tilßes  |  tapirmiaus  rupi- 
naghiames  ape  Sluflba  Diewa  |  ape  ||  paskirtu  ant  ta  Baßnicziu  |  ir  ape 
kitus  tarn  reikinczius  daiktus.    Klaufeni  todelei  |  kaipa  Baßniczias  wifsur  |  10 
ira  ußuweif-  ||  detas  |  bau  ne  prifsiwalitu  ir  ftakatu  kakiu  daiktu  ant 
ifchlaikyraa.    Poklaufe  potam  radora  Pirmiaus  iog  parafianai  1 1  Bagaine  | 
Wiefchwilo  |  Lafdinufa  |  Pilkalnufu  |  Schirwinto  |  Kranpifchkie  |  ir  Wil- 
kifchkiufa  |  ir  Kitofa  wietofa  to  walfch-  fl  cziaus  |  tarp  kuru  ira  Scbul- 
tißus  |  Pakamores  |  ir  Baitmanai  \  kurie  ne  rodi  Baßniczan  eit  |  retai  15 
Szadzia  Diewa  klau-  ||  fa  |  ir  Scbwentus  Sacramentus  ne  tiktai  retai 
prigbim  |  bet   dabar  ant  ta  atßagarei  albs  biaurei  blusnidami  kalba. 
Kaktai  mes  |  iag  per  tiek  J  metu  Diewa  Szadis   gbiemus   cziftai   ira 
fakamas  |  bet  tapirmiaus  nog  tu  kurie  Vredofu  (ied  |  ir  pafpalitiems 
ßmaniems  turetu  gieru  pawaif-  ||  du  buti  |  ne  Tu  maßunuffiftebegbimu 3)  |  20 
bet   fn   didziu  ne   paflimegbimu   girdeiam.    0   iog  takfai   ne  lemtas 

4 

giwenimas  alba  ne  pabaßnas  |  Diewa  \  dangui  inartin  |  ir  ant  baifauß 
karaghima  ir  kafnijma  atweda  |  teipaieg  kaßnam  ischganims  dufchas 
ant  ta  ußgul:  Tada  mes  narim  kiekwiena  J  a  skirui  tus  |  kurie  Vredufa 
ira  |  malaningai  graudenti  |  ir  tikrai  prifaüti  |  idant  patam  kiekwienas  25 
tankiei  Baßniczion  eitu  |  Szadzia  Diewa  \  radas  klaufitu  |  ir  dufehas 
penufchkla1)  |  fchwentaghi  Sacramenta  |  tikroghi  kuna  ir  kraughi  wiefch- 
paties  mufu  Jefaus  Chriftaus  |  ant  atleidi-  |  ma  grieku  ir  aptureghima 
amflina  ßiwata  |  tikrame  gailefeie  ir  pakarnifteie  |  daßnai  ir  wertingai 
prighimtu.  Ir  teipa  wienas  antram  I  pagal  |  Diewa  prifakima  gieru  30 
krikfchczanifchku  pawaifdu  butu  |  bei  fawa  artimamuiem  ne  iokia  pafll- 
piktinima  ne  dotu.  Idant  teipa  Diewa  narfa  \  ir  karanes  ant  fawes  ne 
krautu  |  ifchganima  ne  patratitu  |  ir  ija  Deiwifchka  macis  ant  karanee 
ne  butu  pabudinta.  Kadangi  papeikimu  ija  ||  mielaia  ifch  ganitingaia  *) 
ßadzia  |  bei  Schwentu  Sacramentu  |  teip  ne  dekingi  paffirada  tada  to  35 


8)  d,  i.  mafln  nulfijtebeghimu,    4)  penukfcbla.    5)  Utebganiti 


464  ®'ne  ntngräuriene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578* 

paczu  fladi  galetn  ifch  fchu  kampu  atimti.  ||  Idant  tatai  ne  nuflidotu 
tur  panas  Diewas   fu  tikru  dufaughimu   fchirdes   buti  melftas.  ||  lies 
priegtam  ifch  tirem  iog  daug  Eurfchu  ir  Lietawniku  mufu  fcha  walfch- 
cziaus  Ragaines   ir  Tilßes  |  didi  Deiwiu   alba  (tabu  garbina-  ||  ghima 

40  dara  alba  laika  |  atiakidami  Gaius,  affierawadami  bernelius  wafchka  | 
alba  fanarius  kakius  ifch  wafchka  padaritus  ,  ir  paweikflius  ||  bandikfchczia 
kakia  daranczius  |  ir  kitus  flalineghimus  alba  ßinawimus  j  bei  burta- 
wimus  laikantis.  0  skirui  girdeiam  fchwenta  diena  Ne-  ||  deles  krikfch- 
czanifchku  fchwentu  ne  fchwentinantis  |  bet  diena  Nedeles  dirbantis  ; 

45  kaip  ir  Utas  dienas  |  a  tatai  wis  priefch  priefakima  Diewa  da-  ||  rantis. 
Ant  ta  dabar  girdeiam  tarp  Lietu  winiku 6)  didzus  griekas  |  tatai  esti 
necziftibes  |  biauribes  |  kiekfcbiftes  |  perflenghimus  wenczawaniftes  |  || 
ir  kitas  piktenibes  tarn  ligies  |  teipaieg  didzei  platinanczes  |  del  kuru 
panas  wiffa  Herne  galetn  karati  |  kaip  ir  tiemus  daiktams  ligus  pawifd- 

50  zins  ||  rafchte  fchwentame  randame.  Kurie  daiktai  mumus  kaip  krikfch- 
czanifchkai  Wiraufibei  weifdcti7)  ir  kienteti  ne  prifieit  Tadel  mes  narmi8) 
kiekwie-  |  nam  ußfakiti  |  idant  daugiaus  kiekwiens  nog  meldima  bal- 
wanu  alba  ftabu  atftatu  |  ßalinegbimus  alba  ßinawimus  atmeftu  |  fchwenta 

* 

nedele  ||  ir  kitas  fchwentes  |  pilnai  ir  nabaßnai  fchweftu  bei  pildmiea) 

55  fchluflbas  Diewa  |  fchas  fiemes  Baßniczias  pataflune  10)  ir  Corpori  Doc- 

trin«  ")  fawe  ||  pakluüiumis  daritu  |  bey  no  tu  pirm  fakitu  biauribiu 

atftatu  |  ir  fawe  fliwate  paflilepfchitu.    0  iei  tatai  teipa  ne  nußdos  | 

alba  ne  ftafifi  |  tada  mes  ||  tikru  mufu  ußweisdeghimu  priefch  perfienk- 

taius  tu  daiktu  |  ne  narim  praleifti  |  bet  takius  kitems  ant  pamakfla 

60  alba  pawaifda  karati.  ||  Priegtam  teipaieg  fafißedawime  |  ir  wenczawaniftes 

bilofb  |  ne   tiktai   wiffas  indiwnas  ir  prieg  krikfchtzaniu  painnktußus 

papraczius  ir  ||  Ceremonias  IS)  |  laika  |  bet  prieg  tarn  tikrai  Wencza- 

waniftei  iau  (antz  alba  effant  ne  patagei  ir  ne  wiefchlibai  girdim  nuffi- 

dodant  |  ir  atfiakirti  tula  |  gieidenti  |  per  kaktai  Schwenta  Wenczia- 

65  wanifte  |  kaip  ir  Diewa  feniaufefis  iftatimas  ")  daugiavs  numaflinama  ne 

kaip  pagarbinama  ira.  ||  Tadel  narim  matce  mulu  Herttzkilchka  14)  Vreda 


•)  Lietawiniku.  7)  weifdetl  •)  narim.  •)  püdime.  10)  paftatime.  ")  Die  Worte 
Corpori  Doctrin»  sind  im  Original  lateinisch  gedruckt.  ")  Ceremonias  ist  hier  und 
Z.  68/69  lateinisch  gedrückt.    ")  iXtaümas,    i4)  Hertzikifchia. 


Von  Ad  albert  Bexzenberger.  465 

takius  paganifchkus      nepatagus  ir  ne  wiefchlibus  daiktus  uUfakiti  ir 
ußdraufti  ir  tur  taliaus  ||  fudereghimofu  ir  bilafu  Wenczawanütes  |  Cere- 
monias  ir  paiunkimus  pagal  macis  Diewa   iftatitus  |  ir  pagal  iftatima 
Baflniczias  Prufu  j  lai-  ||  kiti.     Teipaieg  newiens  Wenczwianiste  l6)  ne  70 
tur  buti  prileifbas  j  net  turi  pirm  fawa  wirifchku  metu  fulaukti.    Wiffofu 
tofu  daiktofu  tur  kiekwienas  ||  plebanas  ant  fawa  klaufitaiu  dabatifi  | 
tus  daiktus  tikrai  be  glaudas  uflweisdeti  ir  tatai  ifchpilditi.  g  Priegtam 
randame  mes  teipaieg  iog  prieg  nekuru  kiemu  ne  wienas  tikras  wietas 
palaidaghimu   ne  laka  j  bet   fawa   nurairufiu  kunus  ||  ing   pufta  lauka  75 
laidaie  :  takiu  daiktu  tarp  krikfcbczaniu  ne  tur  buti:  Ir  narime  tarne 
teipa  paftatiti  |  bei  prifakam  |  idant  patam  tikra  fchwenta-  ||  riu  laikitu  | 
ta  pati  apdaritu  ir  aptwertu  |  in  kuri  numirurms  kunus  |  pagal  Diewa 
fladzia  ir  krikichcz  anifchka  ln)  giera  iftatima  ir  paiunkima  |  ||  gal  laidoti.  il 
Begwel  ifcbtirem  mes  |  iag  Lietuwinikai  ir  kiti  |  ne  kiek  cziefa   fawa  80 
paftatita  Baßnicze  laika  |  bet  kartais  ing  Szemaiczius  |  Baflniczian  ||  eit  i 
ir  tienai  pagal  Papiefl  ifchka  n)  buda  bei  paiunkima  doft  Oleu  teptifi 
ir  wenczawatifi.  Ifch  to  tada  fekafi  |  iog  tulas  del  naudos  |  fawa  kudiki.  || 
(Eaip  tatai  mumus  ataius  ing  Tilfle  |  ir  Bagaine  nußdawe)  ir  pa  du 
kartu  doft  krikfchtiti.    Eurfai  ne  tikumas  |  ir  kaip  wiena  karta  prijmta  |  85 
ir  ||  ifchpaßinta  tikra  Praraku  ir  Apafchtalu  makfla  |  ne  palaika  |  mumus 
kaip   ir   kits  ne  wiefchlibas    gi  wenimas ,8)  didei  ne  patinka  |  neg  ia 
kiencziam  |  Tadel   idant   tai   wifla   butu   ufdraufta  |  tada  na  |  rim  ir 
prifakam  drutai  |  idant  ne  wienas  fwetimu  Bafiniczu  ne  ufieitufe  |  narint 
tai  butu  mufu  ||  angu  fwetime  walfchczui.    Bet  kiekwienas  tafpi  Baß-  90 
nicziafpi  |  kuriafpi  paskirtas  ira  |  fu  klaußjmu  Diewa  fladzia  |  priemimu 
Sacramentu  |  wen  ||  czawaghimu  |  krikfchtijmu  |  ir  kitu  krikfchczanifchku 
iftatimu  |  tefti  laika.     Priegtam  idant  newienas  Plebanas  tarne  daikti 
antram  ne  ifikifclitu  |  ||  net  dideie  prigadaie  |  Narim  teipaieg  |  ieib  ant 
be  wcikiaußa  Baflniczas  vifitawatas  angu  per  Biskupa  atlankitas  butu:  95 
Tur  tada  padonieij  ||  prifigatawit  |  idant  kiekwienas  fu  maldamis  ir  kitu 
pamakflu  galetu  ifchftaweti.    Ir  kada  ta  Vintacia  bus  pradeta  |  tada 
Yißtawaiantemus  I  II  Scribele   alba   kamarnikas  I  alba    kits   kurfai  tarn 


ls)  Wencziawanifte.    16)  krikfchczanifchka,    17)  Papieflifchka,    1S)  giwenimas, 

AJtpr.  MonaUMhrlft  Bd.  XIV.  Hft.  5  u.  6.  30 


466  Eine  neugefundene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578. 

tikras  butu  |  bei  Lietuwifchkaimakas  ,9)  ifch  wiefchlibu  wiru  tur  buti 

100  priskirtas.  |  Tatai  wis  narim  nog  wiffu  ir  kiek  wiena  mufu  walfchcziaus 

Tilfles  bei  Ragaines  padaniu  |  ir  nog  wiffu  kitu  kur  Lietuwifchkas  Pleba-  J 

nias  ira  |  ftiprai  |  drutai  ir  ne  nuffidetinai  |  laikama.  ||  Ir  ne  abeiaghem 

ant  ta  |  iog  kiekwienas  tarne  kaip  krikfchczonis  |  ta  pakluAiuma  padaris  ' 

ir  pakarnei  laikitifi  flinas  |  ieng  ghiffai  bufenczia  1 1)  teip  fwietifchka  kaip 

105  amßina   karaghima  galetu   ifchwenkti.     Tatai    nuffidoft  wiffagalinczam 

Diewui  ant  amfiinas  fchlowes  ir  garbes  |  Ir  kaß-  j{  nam  ant  ifchlaikima 

ia   ifchganima.     Ir   nuffidoft   tarne    mufu  tikraie  walia  ir  flinia.    Ant 

paßinima  ir  paftiprinima  tu  daiktu  |  fchitai  fawa  tikray  |  ranka  ußrafchem. 

Ir  peczeti  fawa  pridedineiam.    Dotas  Tilfleie  6.  diena  menesia  Siekia. 

110  Metu  Chriftaus  1578. 


Von  Gottes  Gnade  wir  Georg  Friedrich,  Markgraf  zu  Brandenburg, 
Preussen,  Stettin,  Pommern,  Kaschuben  und  Wenden,  desgleichen  Herzog 
in  Schlesien,  Jägersdorf  u.  s.  w.,  Burggraf  zu  Nürnberg  und  Herr  zu 
Bügen.  Dieweil  jeder  Christ  in  allen  seinen  Geschäften  zuerst  auf 
Gott  achten  und  eben  von  ihm  den  Anfang  machen  soll,  auf  dass  er 
von  ihm  um  so  mehr  Segen  erlangen  könne,  so  bekümmerten  auch  wir 
bei  unserer  nun  begonnenen  allgemeinen  Visitation  und  ebenso  in  der 
vollendeten  Visitation  des  Amtsbezirkes  von  Ragnit  und  [des  von]  Tilsit 
uns  zuerst  um  den  Gottesdienst,  um  die  dazu  verordneten  Kirchen  und 
um  die  anderen  dazu  nöthigen  Dinge.  Wir  fragten  deshalb,  wie  die 
Kirchen  überall  verwaltet  sind,  ob  sie  nicht  bedürftig  seien  und  irgend 
welcher  Dinge  zu  [ihrer]  Erhaltung  entbehrten.  Auf  unsere  Frage 
fanden  wir  dann  erstens,  dass  die  Pfarrkinder  in  Ragnit,  Wischwill, 
Lasdehnen,  Pilkallen,  Schirwind,  Kraupischken  und  Wilkischken  und 
in  anderen  Orten  des  Amtsbezirkes,  unter  welchen  Schultheissen,  Unter- 
kämmerer und  Rathsmänner  sind,  welche  nicht  gern  zur  Kirche  gehen, 
das  Wort  Gottes  selten  hören  und  die  heiligen  Sakramente  nicht  nur 
selten  empfangen,  sondern  sogar  obendrein  mit  Abneigung  oder  mit 
abscheulicher  Lästerung  [über  dieselben]  sprechen.  Dieses  haben  wir, 
dieweil  so  viele  Jahre  hindurch  das  Wort  Gottes  ihnen  rein  gepredigt 


t9)  Lictuwifchkai  makas. 


Von  Adalbert  Bezeenberger.  467 

ist,  aber  besonders  von  denen,  welche  in  Aemtern  sitzen  und  den  ge- 
meinen Leuten  zu  gutem  Beispiele  dienen  sollten,  nicht  mit  geringer 
Verwunderung,  sondern  mit  grossem  Missfallen  gehört.    Und  weil  ein 
solches  schlechtes  oder  gottloses  Leben  Gott  im  Himmel  erzürnt  und 
zu  furchtbarer  Strafe  und  Züchtigung  bewegt,  desgleichen  [weil]  einem 
jeden  das  Heil  der  Seele  hierbei  am  Herzen  liegt:  So  wollen  wir  einen 
jeden,  aber  besonders  die,  welche  in  Aemtern  sind,  gnädiglich  ermahnen 
und  [ihnen]  recht  befehlen,  dass  künftig  ein  jeder  häufig  zur  Kirche 
gehe,  auf  das  Wort  Gottes  gern  höre,  und  die  Seelenspeise,  das  heilige 
Sakrament,  den  wahren  Leib  und  das  [wahre]  Blut  unseres  Herrn  Jesu 
Christi  zur  Vergebung  der  Sünden  und  Erlangung  des  ewigen  Lebens 
in  rechter  Eeue  und  Demuth    häufig   und   würdiglich  empfange,  und 
[dass]  so  einer  dem  anderen  nach  dem  Gebote  Gottes  ein  gutes,  christ- 
liches Vorbild  sei  und  [dass  niemand]  seinem  Nächsten  kein  Aergernis 
gebe,  damit  er  dadurch  Gottes  Zorn  und  Strafen  nicht  auf  sich  lade, 
um  die  Erlösung   nicht  zu   verscherzen,   und   [damit]    seine    göttliche 
Macht  zur  Strafe  nicht  gereizt  werde :  weil  man  durch  die  Verachtung 
seines  lieben,  selig  machenden  Wortes  und  der  heiligen  Sakramente 
sich  so  undankbar  zeigt,   so  könnte  er  das  selbige  Wort  aus  diesen 
Gegenden   wegnehmen.    Damit   dies   nicht   geschehe,   muss  der  Herr 
Gott  mit  rechtem  Seufzen  gebeten  werden.    Wir  erfuhren  ausserdem, 
dass  viele  unserer  Kuren  und  Litauer  dieses  Amtsbezirkes  von  Ragnit 
und  [des  von]  Tilsit  eine  grosse  Verehrung  der  Götzen  oder  Bildsäulen 
treiben  oder  unterhalten,  indem  sie  die  Haine  besuchen,  Wachskinder 
oder  irgend  welche,  aus  Wachs  verfertigte  Glieder  opfern  und  Bilder 
eines  gewissen  Tieres  verfertigen  und  andere  Zaubereien,  oder  Hexereien 
und  Losereien  treiben.    Und  besonders  hörten  wir,  dass  sie  den  heiligen 
Sonntag  als  ein  christliches  Fest  nicht  feiern,  sondern  am  Sonntage 
arbeiten,  wie  auch  an  den   anderen  Tagen,   und   [dass  sie]    das   alles 
gegen  das  Gebot  Gottes  tun.    Dazu  hörten  wir  nun,  dass  unter  den 
Litauern  grosse  Sünden,  nemlich  Unkeuschheit,  Unzucht,  Hurerei,  Ehe- 
bruch  und  ferner  andere   dem   gleiche  Laster  sich  sehr  ausbreiten, 
wegen  welcher  der  Herr  das  ganze  Land  strafen  könnte,  wie  wir  auch 

diesen  Dingen  ähnliche  Beispiele  in  der  heiligen  Schrift  finden.   Diese 

30* 


468  Eine  nengeftindene  titanische  Urkunde  vom  Jahre  1578. 

Dinge  anzusehen  und  zu  dulden,  geziemt  sich  [für]  uns,  als  einer  christ- 
lichen Obrigkeit,  nicht,  deshalb  wollen  wir  einem  jeden  befehlen,  dass 
[nun-]mehr  ein  jeder  von  der  Anbetung  der  Götzen  oder  Bildsäulen 
abstehe,  die  Zaubereien  oder  Hexereien  verwerfe,  den  heiligen  Sonntag 
und  die  anderen  Feste  voll  und  fromm  feiere  und  sich  in  der  Erfüllung 
des  Gottesdienstes  in  Hinsicht  auf  die  Kirchenordnung  dieses  Landes 
und  dem  Corpori  Doctrinae  gehorsam  erweise  und  von  den  vorhin  ge- 
nannten Lastern   abstehe   und   sich  in  [seinem]  Leben   bessere.     Und 
wenn  das  nicht  so  geschehen  oder  sich  ereignen  wird,  dann  wollen  wir 
unsere  ordentlichen  Ahndungen  gegen  die  Uebertreter  der  Dinge  nicht 
unterlassen,   sondern   solche   anderen   zur  Lehre  oder  [zum]  Exempel 
bestrafen.    Dazu  beobachten  sie  ferner  nicht  nur  bei  der  Verlobung 
und  den  Trau- Verhandlungen  lauter  wunderliche  und  gegen  der  Christen 
herkömmliche  Gewohnheiten  und  Cerimonien  [verstossende  Ccrimonien], 
sondern  obendrein,  wenn  die  richtige  Ehe  schon  besteht  oder  bevor- 
steht, geschieht  es,  wie  wir  hören,  in  unanständiger  und  unehrbarer  Weise, 
dass  sich  mancher  aus  Lust  scheidet,  wodurch  die  heilige  Ehe,  wie 
auch  die  älteste  Verordnung  Gottes,  mehr  verachtet  als  geehrt  wird. 
Deshalb  wollen  wir  kraft  unseres  herzoglichen  Amtes  solche  heidnischen, 
unanständigen  und  unehrbaren  Dinge   verbieten   und   verwehren,   und 
man  soll  bei  den  Verlöbnissen  und  den  Trau-Verhandlungen  die  Ceri- 
monien und  Gebräuche,  die  nach  göttlicher  Macht  eingesetzt  sind,  ge- 
mäss der  preussischen  Kirchenordnung  üben.    Auch  soll  niemand  zur 
Trauung  zugelassen  werden,  sondern  er  soll  vorher  seine  männlichen 
Jahre  erreichen.     In  allen  diesen  Dingen  soll  ein  jeder  Pfarrer  auf 
seine  Zuhörer  achten,  diese  Dinge  recht  ernstlich  ahnden  und  dies  er- 
füllen.  Ausserdem  finden  wir  ferner,  dass  sie  bei  einigen  Dörfern  keine  * 
rechte  Begräbnisstätte  halten,  sondern  sie  bestatten  die  Leiber  ihrer 
Verstorbenen  in  wüsten  Acker:  solche  Dinge  dürfen  zwischen  Christen 
nicht  sein  und  wir  wollen  dabei  so  verordnen  und  wir  befehlen,  dass 
sie  künftig  einen  ordentlichen  Kirchhof  halten,  denselben  einhegen  und 
umzäunen,  in  welchen  sie  die  todten  Leiber  nach  dem  Worte  Gottes 
und  christlicher,  guter  Ordnung  bestatten  können.    Und  wiederum  er- 
fuhren wir,  dass  die  Litauer  und  andere  sich  nicht  jeder  Zeit  zu  ihrer 


Von  Adalbert  Bezzenberger.  469 

verordneten  Kirche  halten,  sondern  bisweilen  nach  Zemaiten  zur  Kirche 
gehen  und  sich  dort  nach  papistischer  Sitte  mit  Oel  salben  und  trauen 
lassen.  Daraus  folgt  dann,  dass  mancher  des  Gewinnes  wegen  sein 
Kind  (wie  das,  als  wir  nach  Tilsit  und  Ragnit  kamen,  geschah)  zu 
zweien  Mal^n  taufen  lässt.  Dieser  Missbrauch  und  [der  Umstand],  dass 
sie  die  einmal  angenommene  und  bekannte  wahre  Lehre  der  Propheten 
und  Apostel  nicht  bewahren,  missfällt  uns,  wie  auch  das  andere  un- 
ehrbare Leben,  sehr  und  wir  dulden  das  nicht.  Deshalb,  damit  das 
alles  verwehrt  sei,  so  wollen  und  gebieten  wir  bestimmt,  dass  niemand 
fremde  Kirchen  besuche,  mag  es  in  unserem  oder  in  fremdem  Gebiet 
sein;  sondern  ein  jeder  halte  sich  zu  der  Kirche,  zu  welcher  er  ver- 
ordnet ist  mit  Anhörung  des  Wortes  Gottes,  Empfang  der  Sakramente, 
Trauung,  Taufe  und  anderer  christlicher  Einrichtung.  Ferner:  dass 
kein  Geistlicher  in  dieser  Sache  einem  anderen  sich  einmische,  ausser 
in  grosser  Noth.  Wir  wollen  auch,  dass  auf  das  schleunigste  die 
Kirchen  visitirt  oder  durch  den  Bischof  besucht  werden;  die  Unterge- 
benen sollen  sich  dann  vorbereiten,  damit  ein  jeder  mit  den  Gebeten 
und  der  anderen  Lehre  bestehen  könne.  Und  wenn  die  Visitation  be- 
gonnen werden  wird,  dann  soll  den  Visitatoren  ein  Schreiber  oder 
Kämmerer  oder  ein  anderer,  welcher  dazu  geschickt  und  des  Litauischen 
kundig  sei,  aus  den  ehrbaren  Leuten  zugeordnet  werden.  Dieses  alles 
wollen  wir  von  allen  und  einem  jeden  der  Unterthanen  unseres  Amts- 
bezirkes von  Tilsit  und  Ragnit  und  von  allen  anderen,  wo  litauische 
Pfarreien  sind,  genau,  bestimmt  und  streng  gehalten  [wissen].  Und  wir 
zweifeln  dabei  nicht,  dass  ein  jeder  darin  als  Christ  den  Gehorsam  üben 
und  sich  demüthig  zu  halten  wissen  wird,  damit  er  die  zukünftige,  so- 
wohl weltliche  als  ewige  Strafe  vermeiden  könne.  Das  geschieht  dem 
allmächtigen  Gott  zu  ewigem  Preis  und  Ruhm  und  einem  jeden  zur 
Erhaltung  seiner  Seeligkeit,  und  geschieht  darin  unser  rechter  Wille 
und  [unsere]  Meinung.  Zur  Erkenntnis  und  Bekräftigung  dessen  haben 
wir  dieser  mit  unsrer  eignen  Hand  unterschrieben  und  haben  unser 
Siegel  hinzufügen  lassen.  Gegeben  zu  Tilsit,  am  6.  Tage  des  Monats 
December  des  Jahres  Christi  1578. 


470  Eine  neugefundene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578« 

Z.  7.  Die  Form  prafideiofoijoi  (bestimmter  Loa  Sg.  Fem.  Part. 
Aor.  von  prasideti)  ist  sehr  beachtenswerth ;  sie  stimmt  zu  ateiufiam, 
pawargfifiu,  kelufifi  und  anderen  Formen  der  Art,  die  ich  in  meinen 
»Beiträgen  zur  Gesch.  der  lit.  Sprache*  aufgeführt  habe,  und  die  be- 
weisen, dass  das  suffixale  u  des  Part.  Aor.  Act.  zunächst  aus  u  =  ä 
(aus  $)  entstand.  Dieses  ä  reflectirt  prafideiofoijoi  besonders  deutlich. 

Z.  9.  Hier  ist  ape  zweimal  mit  dem  Accusativ,  einmal  mit  dem 
Genitiv  (ape  paskirtu  ant  ta  Baßnieziu)  verbunden.  Das  letztere  ist 
nicht  unrichtig,  vgl.  Giefmes  ape  pakutos,  Giefmes  ape  aptei- 
finimo  in  den  Sengstockschen  Giesmes  pp.  103,  105. 

Z.  12.  *Parafianas  (Nom.  Plur.  parafianai)  ist  das  heutige 
parapijonas  (Nesselmann  Wbch.  S.  278),  in  dem  nach  Ausweis  von 
♦parafianas  das  zweite  p  aus  f  entstanden  ist  (vgl.  tröpyti  poln. 
trafirf).  Neben  parapijonas  stehen  parapija  und  parakvija  die 
Parochie.  Für  das  letztere  Wort  habe  ich  „Beitr.  z.  Gesch.  d.  lit.  Spr." 
S.  77  Anm.  3  angenommen,  dass  es  aus  dem  deutschen  parochie  ent- 
lehnt und  dass  dessen  ch  im  Lit.  zu  kv  geworden  sei  (vgl.  akvata 
russ.  ochota).  Ich  halte  dies  jetzt  der  Form  parafianai  wegen  für 
unrichtig  und  nehme  an,  dass  parakvija  vermittelst  *parachvija  aus 
parafija,  poln.  parafia  (=  parapija)  entstanden  sei  (vgl.  kvartuna, 
alt  chwartuna  =  poln.  fortuna). 

Z.  13.  Die  urkundliche  Geschichte  des  Namens  Wisch  will  kann 
ich  hier  nicht  feststellen;  die  Form  Wiefchwilo  zeigt  als  erstes  Glied 
desselben  vesz-,  das  mit  dem  Namenelement  vaisz-  in  z.B.  Vaisz- 
noras  (so  hiess  der  Uebersetzer  der  Margarita  theologica)  identisch 
sein  wird.  Mit  Vaisz noras  stimmt  der  altpreuss.  Name  Waisnar 
genau  überein,  in  dessem  erstem  Bestandteil  also  nicht,  wie  ich  früher 
angenommen  hatte  (Die  Bildung  der  altpreuss.  Pesonennamen  Altpr.  M. 
XIII,  432)  lit.  vaisüs,  oder  preuss.  weis  in  steckt. 

Z.  17.  atflagarei  habe  ich  übersetzt  „mit  Abneigung";  wörtlich 
heisst  es  „in  zurückgehender  Weise".  Nesselmann  Wbch.  S.  538  ist 
geneigt,  atzagaras  (atzagarus,  atzagaroti)  zu  zagaras  „dürres 
Strauchwerk"  u.a.  zu  stellen;  das  wäre  jedoch  sehr  unrichtig.  Vielmehr 
gehört  at-Äagaras  zu  fcenkti  schreiten;  der  Wechsel  von  atfchagarni 


Von  Adalbert  Bessenberger,  471 

und  atfchugarni  im  Lettischen  beweist,  dass  für  atzagaras  richtiger 
atzq,garas  zu  schreiben  ist,  z%gara-  (schreitend)  entspricht  genau 
dem  zend.  zaiigra  (in  z.  B.  bizafigra)  „Fuss"  =  „der  schreitende*. 

Z.  18.  Hier  und  u.  ZZ.  50,  85  habe  ich  das  den  Satz  beginnende 
Belativuni  demonstrativ  übersetzt;  dies  ist  ganz  unbedenklich,  da  im 
Litauischen,  wie  im  Lateinischen,  ein  Satz  durch  ein  relatives  Pronomen 
an  einen  vorhergehenden  Satz  angeschlossen  werden  kann,  vgl.  u.  a. 
Geitler  Lit.  Stud.  S.  23  Z.  14. 

Das.  iag  hat,  wie  o.  Z.  4  (jog)  und  u.  Z.  21  causale  Bedeutung, 
was  jedenfalls  sehr  selten  ist. 

Z.  21.  Der  Sinn  der  sehr  prägnant  gefassten  Stelle  ist:  Weil  ein 
so  schlechtes  Leben  Gott  zu  schweren  Strafen  reizt  [die  man  durch 
Besserung  desselben  vermeiden  muss]  und  weil  einem  jeden  [also  auch 
mir]  das  Seelenheil  [der  im  vorstehenden  bezeichneten  Leute]  am  Herzen 
liegt,  so  ermahne  ich  [dieselben,  um  sie  dadurch  auf  den  richtigen  Weg 
zu  leiten  und  ihnen  so  zur  Seligkeit  zu  verhelfen]  u.  s.  w.  Ganz  ebenso 
ist  der  Sinn  der  entsprechenden  Stelle  in  U,  wo  tha  ya  mit  einander 
zu  verbinden  sind  (töjo). 

Z.  27.  Zu  tikroghi  (==  tikr^-ji)  vgl.  to  paczu  Z.  35/36  und 
„Beitr.  z.  Gesch.  d.  lit.  Spr."  SS.  123,  134,  168. 

Z.  39.  Ueber  Deiwiu  alba  ftabu  (vgl.  balwanu  alba  ftabu 
Z.  52/53)  vgl.  „Beiträge  z.  Kimde  d.  indog.  Sprachen"  I,  45,  164. 

Das.  garbinaghima  =  garbinojim$  von  einem  Verbum  garb- 
inoti  =  gärbinti;  über  den  Wechsel  von  Verbis  auf  -inoti  und  -inti 
s.  „Beiträge  z.  Gesch.  d.  lit.  Spr.*  S.  112  ff. 

Z.  40.  atlakidami  ...  affierawadami  gehören  syntaktisch  zu 
daug  Eurfchu  ir  Lietuwniku,  eine  constructio  ad  sensum;  nachher 
ist  der  Verfasser  mit  daranczius  und  laikantis  ganz  aus  der  Con- 
struction  gefallen,  indem  er  das  zwischen  ifch  tirem  und  daug  (Z.  38) 
stehende  iog  übersah.  Die  Acc.  Plur.  laikantis  (Z.  43),  fchwenti- 
nantis  (Z.  44),  dirbantis  (Z.  44),  darantis  (Z.  45)  können  aus  *lai- 
kantius,  *fchwentinantius  u.  s.  w.  (vgl.  käturis  und  keturius 
„Beiträge  z.  Gesch.  d.  lit.  Spr."  S.  178)  entstanden  sein,  sie  können 
aber  auch  Stämmen  auf  -anti-  angehören  (vgl.  a.  0.  S.  158  f.). 


472  Eine  neugefündene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578. 

Das.  atlakidami  (=  atlq,kydami)  Gaius;  den  lit.  Namen  solcher 
(heiligen)  Haine  habe  ich  „Beitr.  z.  Kunde  d.  indog.  Sprachen"  I,  42 
nachgewiesen. 

Das.  affierawadami  bernelius  wafchka;  richtiger  wäre  die 
Wortstellung:  a.  wafchka  bernelius.  In  dem  Opfern  wächsener 
Kinder  liegt  wol  eine  Reminiscenz  an  frühere  Menschenopfer  vor. 

Z.  41.  Bei  fanarius  kakius  ifch  wafchka  p ad ari tu s  erinnert 
man  sich  unwillkürlich  an  das  „de  ligneis  pedibus  vel  manibus  pagano 
ritu"  des  Indiculus  superstitionum  et  paganiarum  (Pertz  LL.  I,  19). 

Z.  41/42.  paweikflius  bandikfchczia  kakia,-  *bandiksztis 
„Tier*  fehlt  in  den  Wörterbüchern,  es  ist  aus  banda  die  Heerde  ge- 
bildet. Von  welchem  Tiere  man  Bilder  verfertigte  ist  uns  leider  nicht 
gesagt,  ich  würde  auf  die  Schlange  raten  (vgl.  Lit.  und  Lett.  Drucke 
I,  3.  4,  Simon  Grünau  ed.  Perlbach  S.  80,  Prätorius  Deliciae  Pruss. 
ed.  Pierson  S.  35  ff.),  wenn  nicht  *bandiksztis  deiner  Ableitung  nach 
(K.  Beitr.  8.  365)  ein  Nutztier  bezeichnete. —  paweikflius  führt  auf 
den  Nominativ  paveikslis  Nebenform  von  pave'ikslas  (Nesselmann 
Wbch.  S.  75);  pavdikslas,  *paveikslis  leite  ich  nicht  von  v^ikti 
ab,  sondern  betrachte  sie  als  aus  *pa-veizdlas,  pa-veizdlis  (vgl. 
paveizdas,  nach  Szyrwid  „Bild,  Figur*)  entstanden. 

Z.  42.  Zu  flalineghimus  (s.  u.  Z.  53)  vgl.  fzolinikas  „Beitr. 
z.  Kunde  d.  indog.  Sprachen*  I,  47. 

Z.  42/43.  burtawimus  ist  Acc.  Plur.  von  *burtavimas,  das  ein 
sonst  nicht  zu  belegendes  burtauti  „losen"  voraussetzt.  Das  Los  scheint 
bei  den  Litauern  eine  grosse  Bolle  gespielt  zu  haben,  im  Katechismus 
v.  1547  (Lit.  u.  Lett.  Drucke  I,  6.  19)  wird  eine  schwenta  burtinikie 
(heilige  Loserin)  genannt.  Aus  dem  lit.  bü  rtas  „Los*  ist  das  in  dem  oben 
mitgeteilten  deutschen  Schreiben  vorkommende  Verb.  „Bortten"  gebildet. 

Z.  43/44.  krikfchczanifchku  fchwentu  habe  ich  übersetzt  „als 
ein  christliches  Fest";  bei  dem  im  Litauischen  häufigen  Themenwechsei 
(Beitr.  z.  Gesch.  d.  lit.  Spr.  S.  94  ff.)  darf  neben  szvente  „das  Fest* 
ein  Mascul.  szventas  mit  gleicher  Bedeutung  angenommen  werden. 
Man  kann  aber  krikfchczanifchku  und  fchwentu  auch  als  Instr. 
Sg.  Adj.  (Ntr.)  auffassen:  als  etwas  christliches,  heiliges*. 


Von  Adalbert  Bessenberger.  473 

Z.  48.  platinanczes  steht  für  platinanczes-s(i);  richtig  wäre 
übrigens  platinanczus. 

Z.  52—56.  In  idant  .  .  .  kiekwiens  .  .  .  fawe  paklufnumis 
daritu  erscheint  wieder  eine  constructio  ad  sensum;  für  fawe  daritu 
stünde  besser  daritus,  indessen  das  Reflexivum  ist  in  der  älteren 
Sprache  auch  sonst  zuweilen  mit  fawe  gebildet,  vgl.  u.  a.  teip  linkfmin 
fawe  wargufu  Schwentas  Jobas  im  II.  Bande  der  Bretkenschen 
Postille  p.  40. 

Z.  58.  uflweisdeghimu  habe  ich  mit  „Ahndungen"  nicht  zu  frei 
übersetzt;  uzveizdejimas  ist  genau  lat.  animadversio. 

Z.  62.  Man  erhält  hier  einen  vernünftigen  Sinn  nur,  wenn  man 
nach  Geremonias  eine  Lücke  annimmt  und  dieselbe  so  ausfällt,  wie 
es  in  der  Uebersetzung  geschehen  ist 

Z.  62/63.  Wenczawaniftei  iau  fantz  alba  effant;  fantz  ist 
Gerund.  Praes.,  effant  Gerund.  Put. 

Z.  63/64.  girdim  nuffidodant  ir  atfiskirti  tula  gieidenti; 
hier  steht  nach  nufiduti  der  Accus,  c.  Inf.,  vgl.  Ir  nufidawe  [tikofi 
tropijos]  tha  Lauka  [Dirwa]  buti  Boas  Buth  2.  3  in  der  Bretken- 
schen Bibel. 

Z.  65.  numaflinama  „verachtet/  vgl.  pamafzina  ghi  Pone 
I.  Mos.  16.  4  in  der  Bretkenschen  Bibel. 

Z.  70.  Wenczwianifte  steht  für  Wencziawaniftg  =  Weczia- 
waniftena20);  dass  ich  vencziavonyste  bald  mit  Ehe,  bald  mit 
Trauung  übersetzt  habe,  wird  wol  keinen  Anstoss  erregen.  —  Der  Satz 
Teipaieg  newiens  u.  s.  w.  ist  übrigens  sehr  ungeschickt. 

Z.  81.  Meine  Uebersetzung  „sie  halten  sich  nicht  zu*  ist  frei, 
aber  bei  dem  z.  T.  sehr  freien  Gebrauch  des  Verbs  laikyti  gewiss 
nicht  zu  frei. 

Z.  93.   ZumLocat.  daikti  vgl.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  lit.  Spr.  S.  133. 

ZZ.  90,  95.  angu  „oder"  findet  sich  sonst  nur  in  der  Bretken- 
schen Bibel,  vgl.  einstweilen  Fortunatov  K.  Beitr.  8.  114. 

Z.  96.  padonieij  und  u.  Z.  101  padaniu  von  einem  *padänis. 

20)  Vgl.  war  da  (im  Namen),   danga  (in  den  Himmel)  im  ersten  Bande  der 
Bretkenschen  Postille  SS.  411,  412. 


474  Eine  neugefdndene  litauische  Urkunde  vom  Jahre  1578. 

Z.  107/108.  Ant  paßinima  ir  paftiprinima  tu  daiktu  wörtlich: 
„Zur  Erkenntnis  und  Bestätigung  der  Dinge". 

Z.  109.  *Siekis  habe  ich  mit  Nesselmann  (vgl.  dessen  Wörterbuch 
S.  459)  mit  „December*  übersetzt.  Der  Name  desselben  ist  im  preuss. 
Litauischen  sonst  saüsis,  wie  schon  Lepner  „Der  preusche  Littauer* 
S.  111  (»Der  Christ-Monath,  Saufis,  von  Saufas  Trucken,  weil  als- 
denn  der  Frost  alles  trucken  macht")  und  Praetorius  Delic.  Pruss.  S.  50 
(„December:  Sausis  weil  als  dann  trocken  zu  fahren  ist")  angeben. 
Nach  Szyrwid  (vgl.  Nesselmann  Wbch.  s.  v.  saüsis)  jedoch  —  also  im 
ostlitauischen  oder  zemaitischen  —  ist  saüsis  der  Name  des  „Januar". 
Da,  wie  wir  hieraus  sehen,  die  Monatsnamen  im  Litauischen  dialektisch 
verschieden  sind,  so  ist  siekis  möglicherweise  nicht  echt  preussisch- 
litauisch.  Darf  man,  wie  das  saüsis  nahelegt,  annehmen,  dass  siekis 
(=  sekis)  eigentlich  „der  trockene"  bedeute,  so  ist  in  ihm  ein  Reflex 
von  lat.  siecus,  zend.  hiku,  haecaiih  zu  erkennen. 


Zum  Schluss  gebe  ich  noch  eine  Anzahl  von  Verbesserungen  des 
Nesselmannschen  Textes  von  U,  die  Herr  Dr.  Philippi,  welcher  die  Güte 
hatte  denselben  mit  dem  Original  zu  collationiren,  mir  mitgeteilt  hat21): 

S.  241.  Z.  7  lies  ä  statt  ir.  Z.  15  1.  valseziaus  (das  i  ist  über 
der  Zeile  eingeschaltet)  st.  walsczaus.  Z.  17  im  Original  steht  basz- 
niseziams  st.  baszniteziams.  Z.  26  1.  ä  st.  a.  Jener  Accent  fehlt 
niemals.    Z.  29  1.  basznitezian  st.  baszitezian. 

S.  242.  Z.  5  1.  vriede  (so  immer)  st.  uriede.  Z.  8  1.  pagirdeiame 
st.  pagirdziame.  Z.  12  1.  kiek  wienam  (so  immer)  st.  kiekwienam. 
Z.  24  hinter  ghreku  steht  ein  Komma.  Z.  25  im  Original  steht  am- 
szinay  ä  st.  amszinaya.  Z.  28  im  Original  steht  pryniptu  st. 
prymtu.  Z.  32/33  1.  nepridotu  st.  nepridetu.  Z.  35  die  Worte 
duschias  ischganima  sind  zweimal  geschrieben.  Z.  36  1.  deiwischka 
st.  teiwischka. 


*»)  n S.  244  Z.  8  ergänze  ich  zu  macies  und  emendire  pridriame 

S.  246  Z.  11  in  prideiame. 


Von  Adalbert  Betzenberger.  475 

S.  243.  Z.  3  1.  wietasa  st.  wietusa.  Z.  8  1.  sunareis  st.  su- 
nareis.  Z.  17  1.  kekschiste  st.  nekschiste.  Z.  19  1.  szeme  st. 
scheine.  Z.  22  1.  issirad^s  .  Kurusgi.  Z.  28  1.  wissakiu  st.  wisso- 
kiu.  Z.  29/30  das  Komma  gehört  statt  hinter  buti  hinter  atsilaikitußi. 
Z.  33  im  Original  steht  issiratitusi  st.  issiraditnsi. 

S.  244.  Z.  4  1.  randassi  st.  randasi.  Z.  7  1.  Dielta  st.  Dielto. 
Z.  11  1.  prastai.  Z.  13  hinter  nszgerime  steht  ein  Komma.  Z.  16 
Frusischkas  steht  im  Original.  Z.  18  net  ist  zweifellos.  Z.  21  1. 
immer  klibanas  st.  klebanas.  Z.  24  hinter  randame  steht  kein 
Komma.  Z.  25  1.  niern  st.  niera.  Z.  30  hinter  prisakame  steht 
kein  Komma.    Z.  41  hinter  nuwaszuia  steht  ein  Komma. 

S.  245.  Z.  5  1.  antrü  st.  antra;  per  steht  über  der  Zeile.  Z.  6 
szmanies  steht  über  der  Zeile.  Z.  7  hinter  nekiste  steht  ein  Komma. 
Z.  9  hümti  corrigirt  über  humas.  Z.  17  hinter  prissistatitusi  steht 
kein  Komma.    Z.  32  1.  imssada  st.  imszada.    Z.  35  1.  pristaina. 

[Göttinger  Nachrichten  1877.  No.  12.  S.  241-264.] 


Nene  Copernicaua  aus  Upsala. 

Vortragi  gehalten  im  Copernicus- Verein  für  Wissenschaft  and  Kunst  zu  Thorn 

am  4.  Juni  1877 

von 

Maximilian  Curtze. 

Meine  Herren!  Sie  werden  alle  wissen,  dass  ich  in  den  Pfingst- 
ferien  mit  Hinzunahnie  eines  mehrtägigen  Urlaubes  im  Auftrage  des 
Fürsten  Boncompagni  in  Bom  einen  Ausflug  nach  Schweden,  speciell 
Upsala,  gemacht  habe.  Sie  wissen  ferner,  dass  Prof.  Prowe  dort  bei 
einem  noch  kürzeren  Aufenthalte  in  dieser  Stadt,  als  ich  denselben 
hatte,  und  unter  weit  ungünstigeren  Bedingungen  eine  Reihe  von 
Copernicana  gefunden  hatte,  welche  im  Laufe  des  dreissigjährigen  und 
der  übrigen  in  Deutschland  geführten  Kriege  der  Schweden  als  Kriegs- 
beute dahingelangt  waren;  und  so  war  es  natürlich,  dass  ich,  nachdem 
der  mir  gewordene  Auftrag  erledigt  war,  die  mir  bleibende  Zeit  zu 
ähnlichen  Untersuchungen  verwendete.  Diese  sollten  nicht  ohne  Frucht 
bleiben.  Ich  habe  eine  grössere  Zahl  von  Büchern  nachgewiesen,  welche 
einst  der  Dombibliothek  zu  Frauenburg  angehörten.  (Sie  tragen  sämmt- 
lich  die  von  ein  und  derselben  Hand  aus  dem  Ende  des  XVI.  Jahr- 
hunderts  herrührende  Inschrift  Liber  Bibliothecae  Varmiensis.)  Manche 
dieser  Bücher  waren  nur  durch  diese  Einzeichnung  interessant,  andere 
aber  enthielten  theils  von  der  Hand  anderer,  theils  von  der  des 
Copernicus  Randnoten  von  mehr  oder  weniger  Werth.  Ich  habe  die- 
jenigen, welche  von  Copernicus  selbst  heiTühren,  sämmtlich  copiert, 
von  denen,  welche  andere  gemacht  haben,  nur  diejenigen,  welche 
entweder  für  Copernicus  oder  für  Personen,  welche  mit  ihm  in  naher 
Beziehung  stehen,  von  Wichtigkeit  sind.  Am  letzten  Tage  meines 
Aufenthaltes  legte  mir  der  Bibliothekar,  Herr  Styffe,  eine  Reihe  von 


Neue  Copernicana  aus  Upsala«    Von  Maximilian  Cartse.  477 

erraländischen  Handschriften  vor,  in  denen  ich  zwei  längere  Auf- 
zeichnungen von  Copernicus  eigener  Hand,  sowie  sonstige  Acten  über 
ihn  verzeichnet  fand;  die  übrigen  Handschriften  stammen  sämmtlich 
aus  dem  Jesuitenkloster  zu  Braunsberg  (es  sind  die  Matrikeln,  das 
Examenprotokoll  mit  sämmtlichen  gestellten  Fragen  und  Antworten 
eine  Sammlung  der  von  den  Ordensobern  ergangenen  Verfügungen  und 
ähnliche  Sachen)1);  überhaupt  befindet  sich,  wie  ich  mich  zu  über- 
zeugen Gelegenheit  hatte,  die  gesammte  Bibliothek  der  Braunsberger 
Jesuiten  in  Upsala;  fast  jedes  zehnte  Buch  unter  den  älteren  Sachen 
ist  dieser  Abstammung.  Die  Untersuchung  war  dadurch  eine  lang- 
wierige, dass  das  Bibliotheksgebäude  einem  Umbaue  behufs  Einrichtung 
von  Wasserheizung  unterlag,  die  Bücher  dadurch  theils  an  andere  Orte, 
als  die  gewöhnlichen,  gebracht  worden  waren,  theils  durch  vorgeklebte 
grosse  Bogen  Papier  vor  der  Entfremdung  seitens  der  Arbeiter  ge- 
schützt waren;  die  Aufsuchung  der  von  mir  gewünschten  Bücher  war 
daher  eine  sehr  beschwerliche,  doch  unterzogen  sich  die  Beamten  der 
Bibliothek  derselben  in  so  aufopfernder  Weise,  dass  nur  eins  der  von  mir 
gewünschten  Bücher  nicht  aufgefunden  wurde,  freilich  eines,  auf  welches 
ich  sehr  gespannt  war,  die  Epistolae  diversorum  Philosophorum, 
Venetiis  1499,  aus  welchen  Copernicus  den  Theophylakt  übersetzt,  und 
von  dem  sich  ein  Exemplar  nachweislich  in  Frauenburg  befunden  hat. 
Wäre  das  upsalenser  und  das  frauenburger  Exemplar  dasselbe,  so  würde 
es  doch  sicher  das  Handexemplar  des  Copernicus  gewesen  sein,  dessen 
Bibliothek  mit  verschwindender  Ausnahme  der  Dombibliothek  einver- 
leibt wurde,  und  so  vielleicht  für  die  Beurtheilung  seiner  griechischen 
Studien  von  noch  grösserem  Werthe  sein,  als  das  Lexicon  des  Chresto- 
nius,  das  Sie  ja  alle  gesehen  haben.  Während  der  unfreiwilligen  Pausen, 
die  mir  die  zeitraubenden  Nachsuchungen  nach  den  verlangten  Büchern 
gaben,  suchte  ich  die  in  Upsala  in  grösster  Vollständigkeit  vorhandenen 
Kataloge  der  Handschriften  der  bedeutendsten  Bibliotheken  der  Welt 
durch  und  war  dabei  nicht  wenig  erstaunt,  auf  zwei  höchst  werthvolle, 
bis  jetzt  absolut  unbeachtet  gebliebene  Notizen  über  copernicanische 


*)  Man  sehe  Bipler,  Analecta  Waimiensia,  Braunsberg  1872.  S.  123—124, 


478  Neue  Copernicana  ans  Upsala. 

Handschriften  in  der  Wiener  Hofbibliothek  zu  stossen.  Die  eine  dieser 
Handschriften  führt  den  Titel:  „Nicolaus  Copernicus  de  Hypothesibus 
motuum  coelestium  a  se  constitutis  commentarius',  umfasst  11  Blatt 
und  stammt  aus  dem  16.  Jahrhundert,  könnte  also  sogar  Autograph 
sein;  die  zweite  ist  ein  Exemplar  der  „Epistola  de  octava  Sphaera"  an 
den  Domcantor  Wapowski  zu  Krakau,  von  dem  aber  gesagt  wird,  es 
sei  in  1524  Fehlern  nach  dem  avroy^atpov  verbessert  am  30.  März  1575. 
Von  diesen  Handschriften  hätte  die  erste  vor  allen  unschätzbaren  Werth. 
Es  sind,  soviel  ich  weiss,  schon  die  nöthigen  Schritte  gethan,  um  beide 
Handschriften  nach  Thorn  zu  erhalten. 

Auch  einige  Bucher,  welche  wir  durch  Prowe  schon  als  coperni- 
canische  kennen  gelernt  hatten,  deren  Bandglossen  aber  dieser  über- 
sehen, oder  die  zu  copieren  ihm  nicht  möglich  gewesen  war,  habe  ich 
excerpiert.  Ich  gebe  Ihnen  jetzt  ein  Verzeichniss  der  Schriften,  die  ich 
gesehen  habe,  und  hebe  bei  jedem  hervor,  wodurch  es  vorzugsweise 
interessant  ist.  Ich  beginne  mit  denjenigen  Büchern,  die  dem  mathe- 
matisch-astronomischen Fache  entspringen. 

1.  Plinii  historia  naturalis.  Venetiis  1487.  Dasselbe  hat  die 
Notiz:  Liber  Bibliothecae  Varmiensis  und  gehörte  zuerst  einem  gewissen 
Caspar  Salio  Cervimontanus,  von  dessen  Hand  sich  aber  nur  diese  eine 
Notiz  findet.  Darin  sind  aber  Bemerkungen,  welche  bestimmt  von 
Copernicus  herrühren,  zum  grossen  Theile  nur  kurze  Worte,  welche  ein 
schnelles  Auffinden  einer  gewünschten  Notiz  erleichtern  können,  dann 
aber  auch  eine  Notiz  aus  Cicero  liber  H  academicarum  questionum 
über  Niketus  oder  Hiketas,  auf  welche  in  der  Widmung  an  Papst 
Paul  UI.  hingewiesen  wird. 

2.  Instrumentum  primi  Mobilis  a  Petro  Apiano  inven- 
tum  etc.  Norimbergae  1534,  aus  der  frauenburger  Bibliothek,  schon 
durch  Prowe  bekannt.  Die  Noten  sind  sicher  nicht,  wie  Prof.  Prowe 
angiebt,  von  Bheticus,  dessen  eigenthümliches  kleines  d  nie  vorkommt, 
sondern  von  Copernicus  selbst,  dem  das  Buch  durch  Bheticus  geschickt 
wurde.  In  diesem  Bande  ist  auch  zuerst  die  Astronomie  des  Geber 
gedruckt  worden.  Besonders  in  diesem  Theile  sind  die  Noten  sehr 
zahlreich;  und  vor  allen  hebt  Copernicus  diejenigen  Stellen  hervor,  in 


Von  Maximilian  Cnrtte.  479 

welchen  Geber  seine  von  Ptolemäus  abweichenden  Ansichten  übeT  die 
Constitution  des  Weltgebäudes  zur  Geltung  bringt.  Unter  dem  Titel 
des  Geber  hat  er  z.  B.  geschrieben:  Egregii  calumniatoris  PtolemaeL 
Angebunden  ist  die  Optik  des  Witelo  in  der  Ausgabe  Nürnberg  1533. 
Darin  auf  dem  letzten  Blatte  und  dem  hintern  Deckel  interessante  No- 
tizen über  optische  und  mathematische  Fragen,  z.  B.  über  die  Bestim- 
mung des  Mittelpunktes  einer  Kugel. 

3.  Euklides,  griechisch,  Basileae  1533.  Von  Rheticus  an  Goper- 
nicus  geschenkt.  Darin  im  Proklos  Notizen  des  Copernicus,  welche  zum 
Theil  in  beigefugten  Figuren,  zum  Theil  aber  auch  in  kurzen  Bemer- 
kungen bestehen,  welche  Beziehungen  zu  früher  von  mir  veröffentlichten 
Bandnoten  des  Copernicus  besitzen.  Angebunden  ist  die  Trigonometrie 
des  Begiomontan,  Nürnberg  1533.  Ein  Beweis  mehr  für  die  Behauptung 
des  Bheticus,  welche  Berti  in  Zweifel  ziehen  wollte,  dass  Copernicus 
diese  Arbeit  Begiomontans  erst  kennen  lernte,  als  er  seine  Trigonometrie 
beendet  hatte,  denn  diese  Bücher  hat  er  erst  nach  1539  erhalten. 

4.  Almanach  Johannis  Stoefflerini  et  Jacobi  Pflaumen 
von  1499.  Gehörte  einem  gewissen  Hans  Gerschaw  und  ist  voller 
Notizen  desselben.  Aber  eine  Seite,  die  letzte  leere  Seite  der  Ephe- 
meris  für  1530,  enthält  von  Copernicus  Hand  10  Beobachtungen  von 
Sternen  aus  dem  September  und  November  des  Jahres  1537,  die  letzten, 
welche  bis  jetzt  von  ihm  bekannt  geworden  sind.  (Bis  jetzt  hatte  ich 
als  letzte  eine  Beobachtung  von  1532  veröffentlicht.) 

Die  übrigen  Notizen  des  Copernicus  finden  sich  in  medicinischeü 
Büchern  und  sind  auch  medicinischen  Inhalts.    Dieselben  sind: 

5.  Practica  Valesci  de  Tharanta.  Lugduni  1490.  Diese  trägt 
den  eigenhändigen  Namenszug  Nicolai  Copphernicj  *)  und  gehörte  testa- 
mentarisch dem  Domherrn  Fabian  Emerich.  Darin  sind  eine  grössere 
Reihe  von  Becepten  und  diätetischen  Regeln  enthalten,  auch  ein  solches 
zu  einem  Haarfärbemittel. 

6.  Chirurgia  Petri  de  Largelata.  Yenetiis  1499.  Auf  dem 
Titelblatt  steht  von  Copernicus  geschrieben:  „Pro  bibliotheca  Episcopali 

l)  Dieser  Namenszug  ist,  trotz  der  gegenteiligen  Meinung  Prowe's,  Mittheüungen 
aus  Sehwedischen  Archiven  und  Bibliotheken,  sicher  eigenhändig. 


480  Neue  Copernicaoa  aus  Upsala. 

in  arce  Heilsbergk"  und  darunter  von  der  gewöhnlichen  Hand:  Liber 
Bibl.  Varmien.  Darin  Recepte  von  Copernicus,  darunter  auch  das  von 
Prowe  in  Facsimile  aus  einem  andern  Buche  in  Copernicus  Besitz  heraus- 
gegebene. Angebunden  ist  Opus  pandectarumMatheiSilvatici  etc. 
Venetiis  1498,  das  ebenfalls  medicinischen  nicht  etwa  juristischen  In- 
haltes ist.  Auch  hier  befindet  sich  am  Schlüsse  ein  grosses  Becept, 
das  gegen  jede  Krankheit  hilft. 

7.  Ortus  sanitatis  s.  1.  et  anno.  Auf  dem  Titel  Liber  Biblio- 
thecae  Varmiensis.  Darin  eine  grosse  Zahl  Becepte  in  deutscher 
Sprache  von  Copernicus  Hand. 

8.  Petrus  de  Montagana,  Papie  1492,  angebunden  Practica 
Ouainerij.  Venetiis  1500.  Liber  Venerabilis  Capituli  Varmiensis, 
darin  hie  und  da  Bemerkungen  von  Copernicus  Hand. 

Das  sind  die  Werke,  welche  durch  Copernicus  eigene  Hand  aus- 
gezeichnet sind.  Es  folgen  nun  noch  einige,  welche  sich  auf  ihn  be- 
ziehen, respective  von  ihm  benutzt  sein  können. 

9.  Die  Originalausgabe  des  Buches  de  Bevolutionibus,  welches 
Exemplar  Georg  Donner  von  Rheticus  geschenkt  erhielt.  Dasselbe  ist 
dadurch  höchst  interessant,  dass  der  Besitzer  mit  Bothstift  auf  dem 
Titel  die  Worte  orbium  coelestium  gestrichen  hat,  sowie  ebenfalls  die 
Vorrede  des  Oslander  und  den  Brief  von  Schönberg  roth  durchkreuzt. 
Angestrichen  hat  er  die  Stelle  der  Vorrede,  in  welcher  der  Brief  von 
Lysis  an  Hipparch  erwähnt  wird,  sowie  noch  einige  weitere  Stellen  im 
Texte  des  Buches.  Das  Buch  hat,  ehe  es  an  die  braunsberger  Jesuiten 
kam,  ebenfalls  der  Capitelbibliothek  zu  Frauenburg  gehört,  wie  sich 
aus  einer  Notiz  auf  der  Rückseite  des  letzten  Blattes,  des  Erratablattes, 
folgert;  dort  steht  nämlich  Liber  V.  Capituli  Varmiensis. 

10.  Ein  Band,  der  der  Jesuiten-Bibliothek  zu  Braunsberg  gehörte,  in 
seinen  älteren  Theilen  aber  schon  aus  der  Bibliotheca  fratrum  minorum 
in  Braunsberg  stammt;  die  neueren  Bestandteile  sind  erst  nach  des 
Copernicus  Tode  hineingekommen.  Darin  ist  aber  eine  Pergament- 
Handschrift  des  Almanach  Prophatii  Judei  von  1302,  die  Coper- 
nicus sehr  wohl  benutzt  haben  kann,  der  den  Prophatius  mehrfach  in 
seinem  Werke  erwähnt« 


Von  Maximilian  Cnrtze.  4g  J 

Auf  Coperaicus  beziehen  sich  nun  noch,  oder  sind  direct  von  ihm 
yerfasst,  4  Stücke  einer  Handschrift  der  upsalenser  Bibliothek,  welche 
erst  in  neuerer  Zeit  aus  verschiedenen  Bestandtheilen  zusammengebunden 
zu  sein  scheint.  Darin  sind  zwei  Verhandlungen  d.  d.  Heilsberg, 
22.  September  1526,  beziehungsweise  d.  d.  Bartenstein,  Montag  nach 
Yi8itationis  Marie  1528,  welchen  Gopernicus  als  Zeuge  beiwohnte. 
Ausserdem  zwei  Gutachten,  von  Tabellen  begleitet,  für  das  Domcapitel 
zu  Ermland  vom  Jahre  1531  über  —  lachen  Sie  nur  nicht  —  über 
das  Gewicht  des  Brodes,  welches  bei  einem  bestimmten  Preise  des 
Scheffels  Getreide  für  6  oboli  geliefert  werden  muss.  Auch  hier  zeigt 
sich  der  exacte  Mathematiker,  denn  er  fordert  am  Ende:  „In  quibus 
omnibus  exacta  fiat,  trutinatio  non  cum  auäfd)Iag,  ut  solent  merca- 
tores,  quoniam  non  mercaturam,  sed  certum  modum  requirimus.* 

Von  den  sonst  in  den  Analecta  Varmiensia  Hiplers  verzeichneten 
Büchern  der  Dombibliothek  zu  Frauenburg  habe  ich  noch  gefunden: 

1.  Kalendarium  Johannis  de  Monteregio.  Darin  Vieles  von 
Jemand,  der  sowohl  1500  *)  als  1538  in  Born  war,  zum  Theil  in  Chiffre- 
schrift. Obwohl  der  Verfasser  verheirathet  war,  so  ist  doch  unzweifel- 
haft, dass  er  ermländischer  Domherr  gewesen. 

2.  Eueherii  Lucubrationes,  Basel  1531,  angebunden:  Ange- 
lomus  ennarr.  in  quatuor  libros  Begum.    Coloniae  1530. 

3.  Opera  fulgenti  Aphari,  Hagenau  1520.  Angebunden:  Al- 
berti  Pii  Carporum  Comitis  in  locos  lucubr.  Erasmi.  Venetiis 
(Iunta)  1531. 

4.  Moralia  Sancti  Gregorii.    Basel  1503. 

5.  Concordantiae  maiores  Bibliae.  Argentinae  1530.  In  die- 
sem Bande  stehen  eine  Reihe  von  Bemerkungen  über  Brände  im  Bisthum 
Ermland ;  er  gehörte  zuerst  Johann  Langhanken,  Pfarherr  czu  helsbergk 
iam  Canonici  Warmiensis. 

6.  Consilia  Magistri  Bartholomaei  de  Montagana  s.  1.  et  a., 
gehörte  zuerst  einem  Johannes  Falzi  de  Beke. 


3j  Es  ist  hier  die  Beobachtung  der  Mondfinsterniss  vom  6.  November  1500 
angemerkt,  welche  auch  Copernicua  in  seinem  grossen  Werke  notiert  hat. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hft.  5  a.  6,  31 


482  **ene  Copernican»  ans  üpsala.    Von  Maximilian  Cnrtse, 

7.  Plinii  naturalis  historia,  Romae  1473,  mit  vorzüglich  aus- 
geführter Miniatureinfassung  des  Titelblattes. 

Ausserdem  fand  sich  noch  eine  Handschrift  vor:  Ex  libris  Jo- 
hannis  ä  Preuck  Canonici  Varmiensis,  welche  an  erster  Stelle 
die  Statuta  ecclesiae  Varmiensis  von  1532  enthält,  unterzeichnet 
Alexander  Sculteti  Ganonicus  et  Cancellarius  manu  sua  subscripsit;  (der 
bekannte  Freund  des  Copernicus  und  verheirathete  Domherr).  Der  Best 
ist  schon  aus  Hosius  Zeit  und  von  Preuck  unterschrieben. 

Hier  ist  auch  die  Stelle,  auf  eine  sehr  werthvolle  Handschrift  hin- 
zuweisen, welche  der  Prauenburger  Bibliothek  entstammt,  aber  der  Auf- 
merksamkeit Hipler's  in  seinen  Analecta  Warmiensia  entgangen  ist. 
In  der  Ausgabe  des  Vitruvius  von  V.  Rose  und  H.  Müller-Strübing 
wird  unter  der  Chiffre  L.  ein  Codex  Leidensis  (Vass.)  88  angeführt, 
welcher  aus  dem  X.  Jahrhundert  stammt  und  einst  Johannes  Dantiscus 
gehörte,  der  ihn  von  Sebastianus  Sperantius  Bischof  von  Brixen  um 
1521  geschenkt  erhielt.  Er  trägt  die  Inschrift  Liber  Bibliothecae  Var- 
miensis und  ist  aus  der  ältest  bekannten  Handschrift  H  (Harleianus 
mus.  Britan.  2767  saec.  IX)  in  Deutschland  abgeschrieben  worden. 

Speciell  Wr  Thorn  von  Interesse  ist  noch  ein  Buch,  welches  den 
Vocabularius  Juris  utriusque,  Nürnberg  1481,  den  Arbor  Consanguini- 
tatis  des  Joh.  Andreae,  Nürnberg  1481,  und  den  Libellus  legendi  ab- 
breviat  in  utroque  jure  s.  1.  et  a.,  enthält,  da  auf  dem  Titel  des  ersten 
Baches  sich  die  Notiz  findet:  Georgius  Nijkke  ä  Thorun,  von  dessen 
Hand  auch  sonstige  Bemerkungen  in  dem  Buche  enthalten  sind. 

Sie  sehen,  meine  Herren,  dass  ich  manches  für  Copernicus  Inter- 
essante gefunden  habe.  Ich  entledige  mich  hier  zum  Schlüsse  nur 
noch  der  angenehmen  Pflicht,  allen  den  Herren  in  Upsala,  welche  mir 
für  meine  Studien  mit  der  höchsten  Zuvorkommenheit  entgegengekommen 
sind,  auch  öffentlich  meinen  tiefgefühlten  Dank  dafür  auszudrücken. 

[Thorner  Ztg.  v.  12.  Juni  1877.  Nr.  133.] 


Kritiken  und  Referate. 

&ef$i$t$b\toa  int  ^offisftyttfeti.  Stja^ungen  aus  bem  H!tert|nm, 
ber  beutföen  unb  branbenburgif  <$  *  preußif  <fcen  ©efötcfcte.  Unter 
ömidfidjtigimg  ber  mimfterteüen  allgemeinen  Sefttoramngen  Dom 
15. Octobet  1872  herausgegeben  Don  ßart  31.  Ärfiger,  §avtyt* 
leerer  in  Sab  3oj)j>ot.  3^^ite  unDer&nberte  Stoflage.  £>anjig, 
£)ru<f  unb  SBertag  Don  31.  SB.  Äafemann.  1877.  Wt  Stöbttbungen 
$rei*  50  $f. 

Die  Handbücher  der  Geschichte  für  den  Volksschul-Unterricht  haben 
früher  in  der  Mehrzahl  an  einer  confessionellen  Färbung  gelitten.  Anf 
Kosten  der  objectiven  Darstellung  waren  die  Begebenheiten  mit  ihren 
Ursachen  und  Wirkungen,  wie  die  historischen  Charactere  häufig  ten- 
denziös gefärbt.  Die  Verwaltungs-Grundsätze  der  Ministerien  Baumer 
und  Mühler  leisteten  jenen  Bestrebungen,  die  oft  zur  Geschichtsfälschung 
fahrten,  Vorschub.  Erst  den  Bestrebungen  des  Ministers  Falk  war 
eine  Besserung  vorbehalten. 

Als  Prodüct  des  freieren  Geistes,  welcher  das  Schulwesen  heute 
durchweht,  ist  das  vorliegende  Büchlein  (84  Seiten)  zu  erachten  und 
deshalb  schon  von  allen  Lehrern  und  Erziehern  mit  Dank  zu  begrüssen. 
Der  Verfasser  hat  aber  auch  im  Einzelnen  seinen  Stoff  in  geschickter 
und  für  den  Volksschul-Unterricht  entschieden  geeigneter  Weise  zu 
bearbeiten  gewusst. 

In  kurzen  anziehend  geschriebenen  Bildern  giebt  der  Verfasser  die 

Entwickelung  der  Völker  des  Alterthums,   die  wichtigsten  Ereignisse 

der  deutschen  Geschichte  vom  Ursprung  bis  zum  30jährigen  Kriege, 

brandenburgisch  -preussische  Geschichte  bis  zur  Neuzeit.    In  das  all- 

31* 


484  Kritiken  und  Referate, 

gemein  geschichtliche  Material  sind  in  entsprechender  Weise  kultur- 
historische Mittheilungen  verwoben  und  Characterzüge  grosser  Männer 
erwecken  bei  den  Schülern  ein  erhöhtes  Interesse. 

Die  Einprägung  der  Zahlen  wird  durch  eine  besondere  Geschichts- 
tabelle unterstützt.  Die  einzelnen  Bilder  sind  in  geschickter  Weise 
in  einen  Rahmen  gefasst,  so  dass  sie  ein  einheitliches  Ganze  bilden. 
Die  dem  Buche  beigegebenen  guten  Holzschnitte  zeigen  die  Bilder 
Carl  des  Grossen,  Heinrich  des  Finklers,  Otto  des  Grossen,  Heinrich  IV., 
Friedrichs  Barbarossa,  Rudolfs  von  Habsburg,  Gutenbergs,  Friedrich 
des  Grossen,  Josef  II ,  Friedrich  Wilhelm  III.,  Wilhelm  L,  der  Königin 
Louise,  des  Fürsten  Blücher. 

Das  Buch  ist  von  der  Kritik  und  von  der  Schule  sehr  günstig 
aufgenommen  worden,  so  dass  in  sehr  kurzer  Zeit  die  erste  starke 
Auflage  vergriffen  war.  Zweifellos  wird  die  Einfuhrung  des  Handbuches 
in  Volksschulen  sich  immer  mehr  verbreiten,  und  so  manchen  jugend- 
lichen Geist  anregen  und  zur  Vaterlandsliebe  hinfuhren.  Das  Buch 
erscheint,  übrigens  nicht  nur  als  Leitfaden  für  den  Unterricht,  sondern 
auch  zur  Anschaffung  für  Volks-  und  Jugendbibliotheken  ausserordentlich 
geeignet.  Die  Verlagshandlung  hat  für  gute  Ausstattung  gesorgt,  die 
um  um  so  mehr  anzuerkennen  ist,  als  der  Preis  des  Buches  ein  so 
ausserordentlich  billiger  ist.  Esca. 


Anthropologische  Gesellschaft  m  Dauig. 

R.  S.  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Alterthumskunde  der 

Provinz  Westpreussen. 

Die  „Danziger  Zeitung*  brachte  im  September  1876  (No.  9332) 
eine  Mittheilung  über  die  Bestrebungen  in  der  Provinz,  die  Eenntniss 
der  Zustände  unseres  Landes  und  ihrer  Bewohner  in  vorgeschichtlicher 
Zeit  zu  fördern.  Unser  Referat  ist  aus  der  „Danziger  Zeitung  *  in  ver- 
schiedene Zeitschriften  der  Provinz  übergegangen,  und  hat  auch  wohl 
im  Interesse  der  Sache  gewirkt.  Die  Theilnahme  an  den  Bestrebungen 
auf  dem  Gebiete  der  Anthropologie,  Ethnologie  u.  s.  w.  hat  sich  in 
unserer  Provinz  entschieden  gehoben. 


Anthropologische  Gesellschaft  zn  Dansig.  485 

Zu  den  Erfolgen  zählen  wir  zunächst  die  Gründung  eines  histori- 
schen Vereins  für  den  Regierungsbezirk  Marienwerder,  der  in  jüngster 
Zeit  einen  ziemlich  umfangreichen  Band  seiner  Arbeiten  herausgegeben 
hat.  Wir  constatiren  mit  Freude,  dass  der  neue  Verein  recht  thätig 
gewesen  ist.  Manches,  was  die  Druckschrift  enthält,  wird  vielleicht  nicht 
die  streng  wissenschaftliche  Kritik  passiren  können,  der  Combination 
ist  wohl  häufig  allzuviel  Spielraum  gelassen,  doch  es  ist  ja  erfreulich, 
dass  überhaupt  das  Bestreben  gefördert  wird,  Klarheit  zu  schaffen, 
wo  früher  das  Dunkel  der  Vergangenheit  undurchdringlich  erschien. 

Vor  einigen  Jahren  hat  sich  eine  Alterthumsgesellschaft  in  Elbing 
gebildet,  welche  in  den  Bereich  ihrer  Forschungen  und  Sammlungen 
auch  die  historischen  und  Kunst-Alterthümer  gezogen  hat.  Die  Berichte 
über  die  Sitzungen  jener  Gesellschaft  zeigen  eine  Mannigfaltigkeit  der 
Arbeiten,  ein  so  reges  Interesse  für  die  Sache,  dass  die  Erfolge  not- 
wendig sich  herausstellen  müssen. 

Von  grösseren  Publikationen  hat  die  Gesellschaft  wohl  bis  jetzt 
Abstand  genommen. 

Die  anthropologische  Section  der  naturforschenden  Gesellschaft  in 
Danzig  hat  ihre  Bestrebungen,  unterstützt  durch  die  Munificenz  der 
Staats-  und  Provinzialbehörden,  eifrig  verfolgt.  In  verschiedenen  Theilen 
der  Provinz  sind  von  hier  aus  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  vor- 
historischen Alterthumskunde  angeregt  und  ausgeführt  worden.  Die 
Theilnahme  der  Bewohner  Westpreussens  an  den  wissenschaftlichen 
Tendenzen  des  Vereins  hat  sichtbar  zugenommen.  Die  Sammlungen 
der  naturforschenden  Gesellschaft  auf  diesem  Gebiet  sind  nicht  allein 
numerisch,  sondern  auch  in  Bezug  auf  die  Bedeutung  der  Funde  sehr 
gewachsen.  Das  Bestreben,  hier  ein  anthropologisches  Provinzial-Museum 
für  Westpreussen  herzustellen,  geht  um  so  eher  seiner  Verwirklichung 
entgegen,  als  die  Zuwendungen,  welche  durch  den  Provinzial-Landtag 
in  jüngster  Zeit  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Danzig  gemacht 
wurden,  die  Mittel  gewähren  sollen,  entsprechende  Auf-  und  Ausstellungs- 
räume zu  schaffen.  Die  Gesellschaft  verfolgt  vor  Allem  den  Zweck, 
das  reiche  Material  dadurch  für  die  Wissenschaft  verwerthbar  zu  machen, 
dass  sie  die  Fundgeschichte  überall  zu  fixiren  sucht.    In  neuerer 


486  Kritiken  und  Referate. 

Zeit  haben  die  archäologischen  Sammlangen  der  Gesellschaft  die  An- 
erkennung von  Fachmännern  hervorgerufen. 

Der  bekannte  Archäologe  Dr.  Schliemann  hat  hier  die  immerhin 
bemerkenswerte  Thatsache  constatiren  können,  dass  unsere  pomme- 
rellischen  Gesichtsurnen  oft  bis  zur  Verwechselung  seinen  altgriechischen 
Funden  ähnlich  sind. 

Dr.  Schliemann  hat  der  Gesellschaft  seine  über  die  angeblich  tro- 
janischen Funde  herausgegebenen  Werke  zum  Geschenk  gemacht.  Am 
22.  Dezbr.  1875  hielt  Dr.  Lissauer  einen  Vortrag  über  Schliemann's 
Ausgrabungen  und  deren  besondere  Beziehungen  zu  den  pommerellischen 
Gesichtsurnen. 

Die  Schriften  der  naturforschenden  Gesellschaft  haben  auch  in  den 
letzten  Heften  (Neue  Folge  dritten  Bandes  viertes  Heft,  Danzig  1875) 
einen  Theil  den  antropologischen  Arbeiten  eingeräumt.  Das  Heft  bringt 
den  Bericht  über  die  Untersuchung  von  Alterthümern  in  der  Umgegend 
von  Neustettin  vom  Major  a.  D.  Kasiski  in  Neustettin.  Die  interessanten 
Mittheilungen  sind  durch  Holzschnitte  veranschaulicht. 

In  dem  demnächst  erscheinenden  Hefte  wird  eine  Arbeit  des  Herrn 
Dr.  Lissauer  über  drei  Burgwälle  bei  Dt.  Eylau  Platz  finden.  Die 
so  vielfach  vorhandenen,  mehr  oder  weniger  erhaltenen  fortificatorischen 
Anlagen  der  Vorbewohner  unserer  Gegend  haben  fortgesetzt  die  histo- 
rische Wissenschaft  beschäftigt.  Die  eingehende  Untersuchung  jener 
drei  Burgwälle  bei  Dt.  Eylau  hat  mit  Hilfe  der  Vergleichung  der  in 
anderen  Gegenden  gewonnenen  Resultate  den  Verfasser  zur  Entscheidung 
geführt,  dass  eine  dieser  Anlagen  (am  Scholtenberg)  ein  alter  preussicher 
Burgberg  ist. 

Nach  den  Befunden  der  beiden  anderen  Wälle  (am  Labenc-  und 
am  Silmsee)  reihen  sich  dieselben  den  nach  Virchow  genannten  wen- 
dischen Burgwällen  an. 

Jeder  von  beiden  Wällen  hat  seinen  eigenen  Charakter.  Der  Burg- 
wall am  Labencsee  enthält  eine  so  grosse  Masse  von  Knochen  vom 
Hirsch,  Rind  und  Hausschwein,  dass  man  unmöglich  annehmen  kann, 
dieselben  seien  nur  die  Abfalle  der  Küche  in  Zeiten  der  Noth,  zumal 
der  innere  Raum  nur  eine  verhältniss massig  kleine  Zahl  von  Menschen 


Anthropologische  Gesellschaft  m  Dansig.  487 

beherbergen  konnte.  Dem  Verfasser  der  Abhandlung  erscheint  es  wahr- 
scheinlicher, dass  der  Wall  lange  Zeit  hindurch  regelmässig  benutzt 
worden  ist,  entweder  als  allgemeiner  Koch-  oder  Opferplatz,  während 
die  Bevölkerung  selbst  in  der  Nähe  ihre  Wohnsitze  hatte.  Die  im  Walle 
gefundenen  charakteristischen  Thonscherben  lassen  den  Schluss  zu,  dass 
die  Anlage  dem  Ende  des  vorigen  Jahrtausends  angehöre. 

Der  Burgwall  am  Silmsee  dürfte  derselben  Zeit  seine  Entstehung 
verdanken.  Im  Wall  selbst  und  in  dem  innern  kesselartigen  Baum 
finden  sich  wenig  Thierknochen,  dagegen  seltsamer  Weise  ein  mensch- 
licher Schädel  in  einem  Gefäss  von  echtem  Burgwalltypus  auf  einer 
Feuerstätte  aus  Stein  4  Fuss  tief  in  der  Erde. 

War  dies  das  Grab  eines  in  der  Ferne  Verstorbenen,  dessen  Haupt 
die  Freunde  nach  der  heidnischen  Sitte  abgeschnitten  und  zu  Hause 
beerdigt  hatten  ?  Dann  Bleibt  es  auffallend,  dass  die  Beerdigung  nicht 
auf  dem  allgemeinen  Begräbnissplatz  stattgefunden  hat.  Oder  war  dieser 
Burgwall  nur  ein  heidnischer  Opferplatz  und  ist  hier  ein  Menschenopfer 
dargebracht  worden? 

In  der  Sitzung  der  anthropologischen  Section  am  5.  April  1876 
besprach  Dr.  Mannhardt  aus  dem  Kreise  seiner  umfassenden  Unter- 
suchungen für  mythische  Ackerbau-Gebräuche  eine  Fülle  von  ihm  neu 
erhobener  interessanter  Thatsachen  für  das  Verständniss  uns  überkomme- 
ner, unbewusst  geübter  Formen.  Der  Vortragende  hat  den  Nachweis 
geliefert,  dass  in  allen  nordeuropäiscben  Ländern  unter  dem  Landvolk 
eine  grosse  Anzahl  von  Gebräuchen  und  aus  alter  Zeit  überkommener, 
wenn  auch  in  moderne  Formen  umgestalteter  Redensarten  bei  Saat  und 
Ernte  erhalten  ist,  welche  heutzutag  nicht  mehr  verstanden,  und  nur  aus 
Gewohnheit  fortgeübt,  den  einstigen  Glauben  unserer  Vorväter  bekunden, 
dass  der  Pflanze,  zumal  der  Culturfrucht,  ein  dämonisches  Wesen  nach 
Art  der  griechischen  Dryaden  einwohne.  In  der  Provinz  finden  sich 
häufig  kegelförmige  Sandhügel  mit  regelmässigen  Steinsetzungen  an- 
scheinend regellos  gruppirt  vor.  Man  hat  bisher  jene  Hügel,  die  in 
der  äusseren  Anlage  den  hier  ebenfalls  vorkommenden  Hügelgräbern 
gleichen,  für  Grabstätten  gehalten.  Die  wiederholten  umfassenden  Unter- 
suchungen solcher  Denkmäler  der  Vorzeit  haben  das  Resultat  geliefert, 


4gg  Kritiken  and  Referat». 

dann  jene  Hügel  keine  Grabkammern  enthalten,  auch  in  der  Kegel  da- 
rin keine  Gegenstände  vorgefunden  werden,  welche  auf  den  Zweck  der 
Bestattung  schliefen  lassen.  Die  fibereinstimmenden  Befunde  haben 
nun  zu  der  Ueberzeugung  geführt,  dass  wir  es  hier  mit  Mal-  oderGe- 
dachtnisshögeln  zu  thnn  haben,  wie  sie  die  germanischen  und  die  classi- 
schen  Völker  des  Alterthnmes  zur  Erinnerung  an  Personen  oder  Ereignisse 
errichteten. 

Diesen  kurzen  Mittheilungen  über  die  Bestrebungen  auf  dem  Ge- 
biet der  Altcrthumsforachung  möchten  wir  wiederum  die  Bitte  hinzu- 
fügen, uns  allseitige  Unterstützung,  sei  es  durch  Beitritt  zur  natur- 
forschenden  Gesellschaft*),  sei  es  durch  Interesse  für  die  Vennehrung 
unserer  Sammlungen,  sei  es  durch  baldige  Mittheilungen  aller  Vor- 
kommnisse, welche  die  Bestrebungen  des  Vereins  berühren,  zu  gewahren. 
[Dilti.  Ztg.  1877.  No.  lOll&I 

Älttrthumsgf scilschaft  Prussia. 

Sitzung  dsn  16.  HSrt  Dr.  Bojaclt  hielt  einen  Vortrag  über  die  Opfer,  »eiche 
die  Danager  in  dem  Städtekriege  (HM— 6G)  brachten.  Nicht  allein  dia  Dansig« 
Chroniken  im  i.  Bande  der  scriptor.  rer.  Pruasicar.,  welche  Professor  Hirsch  heraus- 
gegeben, sondern  auch  spezielle  Studien,  welche  der  Vortragende  schon  vor  einige' 
Zeit  im  Danziger  Stadtarchiv  gemacht,  sehten  ibn  in  Stand,  die  Thätigkeit  derDan- 

liger  Bürger  nach  mehreren  Seiten  f-!-  '    ■  —  -     ■"-       *»  •        in]"  *d™ 

Prenssen  um  17,980  »volkreicher  un 
energische  Thätigkeit  der  damals  ; 
ist  nicht  allein  in  ihrem  Streben,  i 
zu  befreien  und  von  dem  Hinterl 
sondern  auch  in  dem  Martyrium  d 
nach  der  Schlacht  bei  Tannenber 
wurden.  Die  Bewohner  der  prenss 
ritterschaft  sahen  damals  nicht  mel 
deutschen  Ordensrittern,  denen  schi 
der  Taufe  der  Littaner  ihr  eigentli 

*)  Auswärtige  Mitglieder  zahlt 
werthvollen  Schriften  der  Gescllsc 
bedingt  einen  jährlichen  Beitrag  von 
einmal  erscheinende  Correspondenzl 


Alterthumsgesellachaft  Prussia.  489 

Heiden*  fehlte.  Die  Bürgerschaften  der  preussischen  Städte,  welche  im  preussischen 
Bande  zusammengethan  waren,  kannten  keine  Abneigung  mehr  gegen  die  Slaven, 
sondern  trugen  dem  polnischen  König  die  Oberherrschaft  über  Preussen  an,  welche 
er  als  eine  formelle,  aber  keine  thatsächliche  nach  dem  den  preussischen  Ständen 
bewilligten  Privilegium  annahm,  wofür  er  als  Befreier  begrüsst  wurde.  Aber  seine 
Befreiungsmittel  »Heer  und  Truppen*  waren  höchst  mangelhaft,  noch  mangelhaftet 
deren  Besoldung  und  endlich  der  König  selber  darauf  bedacht,  die  den  preussischen 
Städten  zugedachten  Privilegien  zu  brechen  oder  wenigstens  zu  seinem  Vortheil  aus- 
zubeuten. Danzigs  Bath  erkannte  die  ganze  Schwierigkeit  der  Lage,  aber  hielt  an 
dem  einmal  eingegangenen  Yerhältniss  mit  unveränderter  Zähigkeit  und  Aufbietung 
aller  Hilfsmittel  und  Kräfte  so  fest,  dass  er  den  Ausschlag  gab.  Freilich  ist  dies 
durch  die  Kriegsführung  allein  nicht  geschehen.  Dieselbe  bietet  ein  trauriges  Bild. 
Der  Hauptschlachten  werden  wenige  geschlagen,  die  Heerschaaren  bestehen  fast  nur 
in  einzelnen  Rotten  und  die  preussischen  Städte  wären  rathlos  gewesen,  wenn  ihre 
Bürger  nicht  in  früheren  Zeiten  vom  Orden  gelernt  hätten,  sich  wehrhaft  zu  machen. 
Mit  Bewaffneten  und  mit  Basteien  versehene  Schiffe  fahren  die  Weichsel  hinauf  und 
hinunter,  vor  den  Städten  wird  geackert  und  gesät,  trotzdem  Krieg  ist,  aber  die 
Ernte  nimmt  bisweilen  der  Feind  den  Besitzern  fort,  wie  das  vor  den  Stadtmauern 
weidende  Vieh.  Mit  Verrath  bemächtigt  man  sich  in  den  meisten  Fällen  einer  fried- 
lichen Stadt,  was  bei  den  grössten  Städten  Preussens,  wie  Danzig  und  Thorn,  von 
den  Anhängern  des  Ordens  wohl  versucht,  aber  nicht  ausgeführt  werden  konnte. 
Den  kriegerischen  Bewegungen  zu  Wasser  und  zu  Lande  lag  trotz  scheinbarer  Regel- 
losigkeit ein  Kriegsplan  zu  Grunde.  Auf  3  Linien  vollziehen  sich  die  Operationen 
der  bündischen  Städte,  auf  dem  untern  Lauf  der  Weichsel  von  Thorn  bis  zu  ihrer 
Ausmündung,  ferner  längs  der  preussischen  Küste  und  auf  einer  Linie  im  Binnen- 
lande von  Stuhm  bis  Wehlau.  Zum  See-  und  Flusskampf  und  zu  Abschneidung  der 
Zufuhr  traten  die  Danziger  vor  Allem  ein,  dagegen  zum  Landkampf  nur  in  Städten 
nahe  dem  Weichsellauf  und  ihrem  Stadtgebiet,  weshalb  nur  die  theilweise  Ausführung 
des  Kriegsplanes  gelungen  ist.  Welche  grossen  Geldmittel  die  Danziger  aufboten  und 
welche  Einzelheiten  der  Ereignisse  im  Kriegslager  stattfanden,  ist  für  den  Beginn 
des  Krieges  in  ausführlichen  Aufzeichnungen  erhalten,  wird  aber,  je  länger  der  Krieg 
dauert,  desto  knapper  und  kärger  mitgetheilt.  Aus  dem  Jahre  1466  wissen  wir,  dass 
die  dem  preussischen  Bunde  angehöligen  Mitglieder  nach  ihren  Steuerbeiträgen  in 
sechs  Klassen  eingetheilt  waren  und  dass  zur  6.,  zur  niedrigsten  Klasse,  unter  andern 
Gollub,  zur  5.  unter  andern  Strasburg,  zur  4.  unter  andern  Culm,  zur  3.  Elbing,  zur 
2.  Thorn,  zur  1.  Danzig  allein  gehörte  und  dass  solch  ein  Unterschied  für  die  Ab- 
gaben stattfand,  dass  Gollub  nur  100  Gulden,  Danzig  dagegen  33,750  Gulden  zahlte. 
Nächst  dieser  grossen  Geldabgabe  hatten  die  Danziger  noch  den  ganzen  Krieg  hin- 
durch 15,000  Söldner  zu  unterhalten,  während  Thorn  nur  den  5.  und  Elbing  den 
8    Theil  jener  Söldnerzahl  unterhalten  durfte.    Solche  für  Danzigs  Kraft  enormen 


490  Kritiken  und  Refciate. 

Leistungen  konnten  nur  durch  die  drückendsten  Steuern  and  Anleihen  verschiedenster 
Art  aufgetrieben  werden.    Im  Frieden  und  aar  Zeit  der  Ordensregierung  hatten  die 
Zünfte  und  die  ärmeren  Bewohner  Danzigs  sich  besser  befanden,  daher  konnten  sie 
Ton  einem  Anhänger  der  Ordensregierung,  die  das  Regiment  des  Raths  stürzen  sollte, 
gewonnen  werden.    Der  polnische  König  nahm  allerdings  nicht  die  Abgaben,  welche 
der  Orden  früher  eingetrieben,  für  sich  in  Anspruch,  sondern  liess  sie  der  Kasse  des 
preussischen  Bundes,  doch  hiess  er  die  Massregeln  des  Danziger  Raths,  neue  Geld- 
mittel zu  gewinnen,  stets  gut  und  gab  ihnen  seine  Königliche  Autorität.    So  u.  a. 
für  den  4.  Pfennig  von  den  Renten,  welche  nicht  allein  die  Kaufleute  und  Hand- 
werker, sondern  auch  alle  Dienstboten  traf.    Doch  die  mannigfachsten  Steuern  konnten 
nicht  ausreichen,  es  mussten  noch  Anleihen  gemacht  werden,  zum  Theil  bei  Danzi- 
gern,  zum  Theil  bei  Auswärtigen,  die  für  ihr  Darlehn  bisweilen  freies  Geleit  für  ihre 
Waaren  und  ihre  Kaufgesellen  nach  Danzig  sich  ausbedangen.    Bei  grosseren  Dar- 
lehnen wurden  auch  Unterpfander  in  dem  Kirchensilber,  einem  Fischamt  oder  einer 
Mühle  gegeben.    Kleinere  Summen  wurden  vom  Danziger  Ruth  u.  a.  gegen  Leibrenten 
aufgenommen  und  verblieben  nach  dem  Tode  oder  Parteiübertritt  des  Rentennehmers 
der  Stadt.    Doch  alle  diese  finanziellen  Anstrengungen  der  grossen  Weichselstadt 
hätten  der  Sache  der  Freiheit  durchschlagend  nicht  geholfen,  wenn  der  Rath  nicht 
Caperbriefe  ausgetheilt  und  Danzig  eine  maritime  Bedeutung  gewonnen  hätte.    Freilich 
sind  noch  zahlreiche  Reclamationen  wegen  unrechtmässig  genommener  Prisen  vor- 
handen; aber  der  Danziger  Rath  hatte  der  Ausreden  viele  und  schob  die  Schuld  im 
äussersten  Falle  auf  Piraten,  die  ohne  jegliche  Autorisirung  Danzigs  ihren  Privat- 
vortheil  suchten.    Der  geschickte  Agitator  bei  den  Zünften  und  dem  armen  Volke 
Danzigs  war  schon  hingerichtet  worden,  ehe  die  Stadt  solchen  Yortheil  von  dem 
Caperwesen  hatte,  und  keinem  Anhänger  der  Ordensregierung  gelang  es  mehr,  in  so 
erfolgreicher  Weise,  wie  der  hingerichtete  Martin  Kogge  es  vorher  gethan,  die  Zünfte 
und  das  Volk  gegen  den  Rath  aufzuwiegeln.    Allerdings  hatten  Gewohnheit  und  Zeit 
dazu  beitragen  müssen,  die  im  Anfange  schlechten  und  wenig  brauchbaren  Bürger- 
contingente  in  brauchbares  Kriegsvolk  umzuwandeln  und  die  Rathsherren  zu  tüchtigen 
Hauptleuten  umzuschaffen.    Ihren  grOsstenRuhm  im  Landkampf  erlangten  sie  durch 
die  Eroberung  der  Stadt  Marienburg  1460,  doch  das  meiste  für  die  Befreiung  vom 
Orden  thaten  sie  zur  See  und  in  Auftreibung  der  grossen  Geldmittel. 

Vor  dem  Vortrage  wurden  noch  2  Stücke  vorgelegt.  Zuerst  zeigte  Direktor 
Friederici  eine  Ordensurkundo  auf  Pergament  mit  Siegel  vom  Jahre  1410,  von 
dem  Ordensmarschall  Friedrich  von  Wallenrod  erlassen,  die  im  Jahre  1527  unter 
Herzog  Albrecht  von  Preussen  werthlos  gemacht  »getodtet*  wurde,  da  er  eine  neue 
Urkunde  auf  Grund  der  alten  aufsetzen  Hess. 

Hierauf  erfolgte  die  Vorlage  eines  sehr  kostbaren  Geschenkes  des  Ritterguts- 
besitzers von  Skopnick  zu  Gr.  Stürlack,  Kr.  Lotzen,  nämlich  eines  grossen  bronzenen 
Meisseis  für  die  archäologische  Sammlung,    Die  Länge  des  Meisseis  von  der  Bahn 


Alterthumsgesellschaft  Prmssia.  491 

bis  zur  Schneide  beträgt  18  ctm.,  die  Bahn  hat  die  Breite  von  3,5  ctm.,  die  Sehneide, 
die  in  Form  eines  Kreissegments  ausladet,  misst  von  dem  einen  Endpunkte  desselben 
bis  zu  dem  andern  in  gerader  Linie  10,7  ctm.  Die  Seiten  des  Bahnendes  sind  be- 
sonders an  der  sich  verbreiternden  Stelle  mit  erhöhten  Bändern  versehen. 

Von  solchen  in  Alt-Preussen  gefundenen  bronzenen  Meissein  (Palstäben),  die 
durch  Einsetzen  in  einen  krückenartigen  Schaft  als  Streitäxte  benutzt  wurden,  be- 
sitzt die  Sammlung  der  Prussia  ausser  dem  neu  hinzugekommenen  erst  11  Exemplare. 
Die  beiden  kleinsten  und  flachsten  Meissel,  fast  ganz  ohne  erhöhte  Bänder  an  der 
Bahn,  sind  gefunden  bei  der  Kreisstadt  Marienburg  in  West-Preussen  und  bei  Po- 
gauen,  Kr.  Königsberg;  4  Meissel  mit  einer  Schneide,  die  fast  halbkreisförmig  ausladet, 
sind  gefunden,  2  Exemplare  bei  DunkershOfen,  Kr.  Königsberg,  1  bei  Powunden,  Kr. 
Königsberg,  1  in  der  Kreisstadt  Pr.  Holland;  4  Meissel  haben  eine  Sohneide,  die  fast 
geradlinig  abschliesst  und  nicht  viel  breiter  ist,  als  die  Bahn  und  sind  gefunden  bei 
der  Kreisstadt  Lotzen,  bei  Germau,  Kr.  Fischhausen,  bei  Lindenau,  Kirchspiel  Gr. 
Ottenhagen,  Kr.  Königsberg,  und  bei  Radossk,  Kr.  Strasburg.  Nur  das  11.  Exemplar 
hat  ein  Oehr  mit  einem  Fuss  auf  dem  Bahnende  sitzen  zum  Durchziehen  eines  Draths 
damit  der  Meissel  in  den  krückenartigen  Holzschaft  um  so  fester  sass  und  er 
als  Streitaxt  um  so  dauerhafter  war.  Die  Schaftlappen  stehen  gerade  aufrecht  im 
rechten  Winkel  uud  zur  Schneide.  Ausser  diesen  12  Altpreussischen  Meissein  (Pal- 
stäben) besitzt  die  Prussia-Sammlung  noch  2  aus  dem  Königreich  Böhmen  und  3  aus 
der  Mark  Brandenburg;  diese  5  fremden  Meissel  haben  aber  eine  andere  Form,  be- 
sonders an  dem  Bahnende.  [Ostpr.  Ztg.  1877.  Nr.  91.  (Beil.)] 

Sitzung  den  20.  April.  Professor  Benecke  hielt  einen  Vortrag  über  die  Methode 
der  Schädelmessungen.  Von  Gall's  anthropologischen  Vorlesungen  am  Ende  des 
vorigen  Jahrhunderts  aasgehend,  führt  der  Vortragende  aus,  dass  eine  Lokalisation 
der  Geistesfähigkeiten  nur  in  Bezug  auf  die  Sprachwerkzeuge  nachgewiesen  werden 
kann,  sonst  nicht.  Die  Beschreibung  des  Schädels  selbst  erfolgt  durch  Vorzeigen 
einiger  in  verschiedenen  Stadien  der  Entwicklung  stehengebliebenen  und  verschieden- 
artig gebildeten  Exemplare,  von  denen  die  niedrigsten  Entwickelangen  die  Schädel 
eines  6  Monate  alten  Embryo,  eines  21/,  Jahre  alten  Kindes  und  eines  Wasserkopfs 
aufweisen.  Die  Theile  eines  nach  Verwachsen  der  Nähte  regulär  ausgebildeten  Schädels 
werden  an  einem  Exemplar  gezeigt,  an  welohem  die  vershiedenartigen  Knochentheile 
mit  je  einer  andern  Farbe  unterschieden  sind.  Die  Schädel  zerfallen  in  Betreff  der 
Form  in  Lang-  und  Kurzköpfe  (Brachycephal  und  Dolichocephal);  in  Rücksicht  auf 
den  Oberkiefer,  je  nachdem  derselbe  vortritt,  der  Ober-  und  Unterkiefer  in  einer 
senkrechten  liegen,  in  prognathe  oder  ortognathe  und  je  nachdem  die  Nähte  an  dem 
Schädel  rechtzeitig  oder  zu  frühzeitig  verknöchern  und  die  Schädelhohle  sich  nicht 
hinreichend  erweitern  kann,  in  regulär  gebildete  und  mikrozephale,  die  nicht  immer 
geistig  beschränkt  zu  sein  brauchen.  —  Von  den  Messungen  hebt  der  Vortragende 
von  allen  die  Virchow'sche,  von  der  deutsch-anthropologischen  Gesellschaft  festge- 


492  Kritiken  und  Referate. 

haltene  Methode  hervor,  welche  die  Jhering'sche  Horizontale  zu  Grunde  legt  nnd 
nach  welcher  die  Längen-,  Breiten-  nnd  Höhendimension  sich  unter  rechtem  Winkel 
schneiden.  Die  Jhering'sche  Horizontale  geht  durch  die  Mitte  der  Ohröffnungen  und 
den  untern  Band  der  Augenhöhle.  Bei  Betrachtung  des  Gesichtswinkels  wird  die 
immer  auf's  Nene  bestätigte  Beobachtung  erwähnt,  dass  derselbe  bei  den  mehr  civüi- 
sirten  Völkern  sich  einem  rechten  nähert,  bei  den  weniger  gebildeten  aber  spitzer 
ist.  Die  Capacität  des  Schädels  wird  durch  Hir^efüllung  gemessen.  Aber  Schlüsse 
auf  die  Gehirnthäthigkeit  und  die  geistigen  Eigenschaften  nur  aus  den  Messungen 
zu  machen,  sind  nicht  immer  zutreffend.  Eigentümlichkeiten  der  Neger-,  Patagonier- 
und anderer  amerikanischen  Schädel  finden  sich  auch  bei  europäischen  Schädeln, 
z.  B.  das  Inkabein  unter  300  Schädeln  in  Königsberg,  der  Sammlung  der  Königl. 
Anatomie,  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  und  der  AlterthumsgescUschaft 
Prussia  gehörig,  6  Mal.  Bisweilen  zerfällt  der  Inkaknochen,  der  am  untern  Theil 
des  Hinterhauptes  vorkommt,  noch  in  mehrere  Theile.  Wie  dieser  Inkaknochen  als 
eine  Abnormität  an  den  Schädeln  der  Sammlung  der  Prussia  vertreten  ist,  so  ein 
eigentümlicher  Schneidezahn,  der  an  der  Krone  nicht  meisselförmig,  sondern  kegel- 
förmig gestaltet  ist  und  den  Namen  des  »Eidechsenzahns4  trägt,  in  europäischen 
Sammlungen  erst  4  Mal  beschrieben.  Von  diesen  eigenthflmlichen  Bildungen  der 
Natur  sind  die  Deformationen,  die  künstlichen  Entstellungen  der  Schädeltheile  zu 
unterscheiden,  wie  sie  durch  einen  Druck  auf  den  Schädel  vor  seiner  Entwickelung 
mit  Hülfe  von  Brettern  und  Binden  in  Peru  und  Chili  vorkommen,  durch  letztere 
aber  auch  in  Europa.  Von  der  Detail-Beschreibung  der  Schädel  in  den  Sammlungen 
der  Prussia,  gefunden  bei  Wiskiauten,  Kreis  Fischhausen,  Lobitten,  Kreis  Königsberg, 
Löbertshof,  Kr.  Labiau,  Legden,  Kr.  Pr.  Eylau,  Keimkallen,  Kr.  Heiligenbeil,  Skatnick, 
Kr.  Bastenburg,  Wilhelmsmark,  Kr.  Schwetz,  nimmt  der  Vortragende  jetzt  noch  Ab- 
stand, da  dieselbe  von  Prof.  Xupffer  für  den  Gesammtkatalog  der  deutschen  Schädel- 
sammlungen ausgeführt  ist,  welche  in  dem  Archiv  für  Anthropologie  erscheinen  wird. 

Der  Vorsitzende  Dr.  Bujack  theilt  aus  einem  Schreiben  der  Königlichen  Re- 
gierung mit,  dass  auf  Bericht  derselben  des  Kultusminister  eine  Subvention  für  die 
Fortsetzung  der  Untersuchung  der  Wallberge  des  Bartener  Landes  gewährt  hat. 
Dr.  Bujack  und  Freiherr  v.  Bönigk  übernehmen  die  Arbeit. 

Der  Vorsitzende  legt  die  aus  dem  Nachlass  des  in  Kreuzburg  verstorbenen 
Schlossermeisters  Schötel  angekauften  Alterthümer  heidnischer  Zeit  vor.  Der  Ver- 
storbene hatte  für  zu  viel  Gebiete  Sammlungen  angelegt,  als  dass  er  in  einem  Felde 
durch  die  Zahl  seiner  Nummern  etwas  Hervorragendes  leisten  konnte.  Selbst  Natu- 
ralien, Muscheln  und  Versteinerungen  hatten  sein  Interesse  erregt  und  bildeten  neben 
dem  Porzellan,  alten  Bildern,  Münzen,  Miniaturen,  Dosen,  Waffen  neuerer  Zeit,  unter 
denen  eine  grosse  Zahl  schöner  Dolche  sich  auszeichnete,  und  Altertbümera  heidnischer 
Zeit  eine  besondere  Abtheilung.  Traf  der  Fremde  diesen  reichen  Alterthümler  in 
guter  Stimmung,  so  konnte  er  ihm  in  jeder  Abtheilung  seltene  und  kostbare  Stücke, 


Alterthumsgesellschaft  Prassia*  493 

auch  yon  Möbeln  und  anderen  Dingen  zeigen.  Unter  diesen  Umstanden  ist  es  er- 
klärlich, dass  seine  bunt  zusammengefügte  Sammlung  sich  nach  den  verschiedensten 
Stellen  zerstreut  hat  und  zerstreuen  wird.  Die  Zahl  der  Nummern  von  heidnischen 
Alterthümern,  die  nach  seinem  Tode  zurückblieben  und  von  der  Gesellschaft  gekauft 
wurden,  betragt  mit  Ausschluss  einiger  unwichtigen  Stücke  ca.  50.  Die  beiden  kost- 
barsten Stücke  seiner  Prussica  hatte  er  schon  vor  seinem  Tode  verkauft:  es  war  ein 
bronzenes  Schwert  etruskischer  Arbeit,  ca.  500  v.  Chr.,  gefunden  an  dem  schon  lange 
abgebrochenen  Gasthause  »der  Falke*  vor  dem  ehemaligen  Brandenburger  Thor 
unserer  Stadt  Königsberg,  und  ein  kleiner  Goldschmuck  (Filigranarbeit  auf  einer  Platte 
befestigt),  gefunden  bei  Rudau,  Kreis  Fischhausen.  Ersteres  Stück  kam  in  die  Samm- 
lung des  Kittergutsbesitzers  Blell  auf  Tüngen,  Kreis  Wormditt,  letzteres  durch  Ver- 
mittelang des  Photographen  Carl  Beyer  aus  Warschau  in  die  Sammlung  dor  Prussia. 
Den  Ankauf  der  jetzt  erworbenen  Gegenstände  übernahm  freundlichst  Kaufmann 
Liedemann.  Es  sind  sechs  durchlochte  Steinäxte  und  ein  Keil  aus  Diorit-Porphyr 
mit  ansehnlichen  Albit-Krystallen,  115  mm.  lang,  53  mm.  an  der  Schneide,  35  mm. 
an  der  Bahn  und  in  der  Mitte  36  mm.  dick.  Leider  ist  der  Fundort  dieses  Stücks 
nicht  angemerkt  gefunden,  während  dies  bei  den  sechs  durchlochten  Steingeräthen 
der  Fall  ist.  Eine  in  einem  Hünengrabe  zwischen  Bartenstein  und  Pr.  Eylau  1848 
gefundene  durchlochte  Axt  aus  Diorit  mit  winzigen  Albitkörnern  ist  merkwürdig 
wegen  des  nicht  senkrecht  gearbeiteten  Bohrlochs  und  wegen  seines  verschiedenen 
Durchmessers  an  den  Oeffnungen  und  in  der  Mitte  als  der  grössten  Verengung, 
Die  Axt  hat  die  Form  eines  sogenannten  Possekels  und  bildet  im  horizontalen 
Durchschnitt  fast  die  Figur  eines  gleichschenkligen  Dreiecks.  Eine  bei  Bartenstein 
im  Jahre  1845  gefundene  Axt  aus  Diorit  ist  ausserordentlich  kunstvoll  geschliffen. 
Ein  Doppelbeil  aus  Diorit  mit  hervorragenden  Hornblendekrystallen  ist  wegen  seines 
Fundorts  interessant.  Derselbe,  »unter  dem  Fundament  eines  Hauses  in  Lyckc, 
könnte  der  Vermuthung  Baum  geben,  dass  der  Erbauer  des  Hauses  durch  Ein- 
mauern dieses  Steingeräthes  Bein  Haus  vor  Einschlagen  des  Blitzes  schützen  wollte, 
ein  Glauben,  der  in  Masuren  noch  im  1P.  Jahrhundert  verbreitet  war.  Eine  durch- 
lochte Axt  aus  Diorit,  in  dem  durch  oberflächliche  Verwitterung  des  Albits  die  Horn- 
blende-Krystalle  vorragend  erscheinen,  ist  das  erste  innerhalb  unserer  Stadt,  nämlich 
in  einem  Garten  eines  Hauses  in  der  Bossgärter  Predigerstrasse  gefundene  Geräth, 
das  in  die  Prussia-Sammlung  kam.  Zwei  durchlochte  Aexte  aus  Sandstein  Bind  bei 
Gerdauen  gefunden,  beide  haben  ihr  Bahnende  in  besonderem  Ansatz,  eines  knopf- 
artig, das  andere  würfelförmig,  beide  haben  ihre  grösste  Breite  in  der  Wandung  des 
Bohrlochs.  Von  den  bronzenen  Gegenständen  gehören  2  Meissel  der  vorchristlichen 
Zeit  an,  leider  beide  ohne  Angabe  des  Fundorts,  aber  in  Formen,  die  in  Altpreussen 
schon  gefunden  sind.  Derselben  Zeit  gehört  ein  Diadem  aus  Bronzeblech  mit  fünf 
Reihen  eingeschlagener  Punkte  an,  das  in  einem  Grabe  bei  Bauschen,  Kreis  Fisch- 
hausen,  gefunden  wurde.  Desgleichen  4  Armbänder»  das  seltenste,  das  Sohlossermstr, 


494  Kritiken  und  Referate, 

# 

Sehötel  aus  dem  Naohlass  des  Geheimrath  Schubert  kaufte,  Tgl.  Lindenschmit: 
Die  Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit,  Bd.  II,  Heft  5,  Taf.  4,  Fig.  3  u.  4. 
Ein  2,5  ctm.  breites  Bronzeband  mit  eingeschlagenen  Reihen  in  der  Mitte  und 
einer  Zickzacklinie  auf  der  einen  Hälfte  des  Bandes  macht  eine  sechsmalige  Windung 
als  Spirale  und  verjüngt  sich  an  den  beiden  Enden  zu  einem  Bronzedraht.  Die 
Enden  legen  sich,  jedes  für  sich,  durch  neunmalige  Umwindung  zu  einer  Scheibe  zu- 
sammen, die- einen  Durchmesser  yon  4  ctm.  hat.  Die  andern  bronzenen  Armbänder 
sind  sämmtlich  einfach  in  Bandform,  die  einfachsten  aus  einem  kreisförmig  gebogenen 
Stabe,  oder  durch  drei  zusammengewundene  Bronzedrähte  hergestellt,  von  denen 
jeder  1,5  ctm.  Durchmesser  hat,  die  kunstvolleren  Armbänder  haben  3  ctm.,  1,7  ctm. 
und  2,7  ctm.  Breite;  das  letzte  ist  ganz  glatt  und  an  den  Enden  wulstartig  ver- 
breitert; das  breiteste  und  schmälste  Armband  haben  an  den  Enden  senkrechte  Strich- 
Verzierungen,  in  dem  dazwischen  liegenden  grösseren  Raum  horizontale  Linien- Ver- 
zierungen. Ein  schwereres  Schmuckstück  ist  ein  bronzener  Ring,  vielleicht  für  den 
Enkel,  wie  in  der  Januar-Sitzung  d.  J.  2  solcher  Ringe,  in  Alknicken  gefunden,  der 
Sammlung  geschenkt  wurden.  Der  Ring  besteht  aus  2  Hälften,  die  auseinander  ge- 
nommen und  zusammengeschoben  werden  können  und  durch  2  Stifte. in  je  2  über- 
einander liegende  Löchelchen  zusammengehalten  werden.  Der  Enkel,  um  den  der 
Ring  gelegt  wurde,  durfte  nicht  stärker  sein  als  8  ctm.  und  8,6  ctm;  denn  der  um- 
schlossene lichte  Raum  ist  nicht  kreisförmig,  sondern  oval.  Der  Durchmesser  des  Ringes 
selbst  beträgt  1,7  ctm.  7  Gewandnadeln  mit  einer  Nadel  am  Channer  aus  Bronze 
theilen  sich  in  folgende  Gruppen:  die  jüngste  ist  scheibenförmig  und  hat  ein  Muster, 
wie  es  Montelins,  antiquite*s  suädoises  M  578  und  M  579  abbildet,  eine  andere  ist 
eine  Armbrust-Fibula  vgl.  memoires  du  Nord  1872  Bornholm  PI.  9,  Fig.  7,  für  die 
übrigen  4  vgl.  Schriften  der  physikalisch -ökonomischen  Gesellschaft  1873  Tafel  8 
M 1  und  M  44.  Drei  hufeisenartige  Gewandnadeln  aus  Bronze  mit  lose,  in  einer 
Oese  hängender  Nadel  sind  dem  10.  bis  12.  Jahrb.  angehörig,  vgl.  Bahr,  Gräber  der 
Liven  Taf.  VII.  Fig.  10.  Auch  eine  bronzene  oder  messingne  Parierstange  eines 
Schwertes  in  Halbmondform,  so  wie  ein  Stück  bronzener  oder  messingner  Schaale, 
in  Samland  gefunden,  am  Rande  1  ctm.,  am  Boden  2%  ctm.  dick,  gehört  der  letzten 
heidnischen  Zeit  oder  schon  der  christliehen  Zeit  in  Preussen  an.  Die  inSergitten, 
Wiakiauten,  Enöppelsdorf  im  Samland  gefundenen  bronzenen  Schaalen- Fragmente 
und  die  im  Prömbooker  Schlossberg  Er.  Rastenburg  gefundene  Schaale  haben  eine 
viel  grössere  Dünnheit.  Von  den  andern  Alterthümern  sind  nur  noch  32  Bernstein- 
perlen  von  Wichtigkeit  und  als  heidnische  zu  bezeichnen,  alle  bis  auf  6  roh  be- 
arbeitet, von  denen  2  cylindrisch,  2  scheibenförmig  und  2  walzenförmig  sind.  — 

Hierauf  theilt  der  Vorsitzende  ein  Schreiben  des  Vorstandes  des  Peabödy-Mu- 
senms  aus  Cambridge  in  den  vereinigten  Staaten  mit;  berichtet,  dass  der  zu  Gr. 
Stürlack,  Er.  Rastenburg,  gefundene  grosse  bronzene  Meissel,  welcher  in  der  letzten 
Sitzung  vorgelegt  wurde,  ein  Geschenk  des  Grundbesitzer  Skopnick  zu  Gr.  Stürlack 


Alterthumsgeselkehaft  Prnssia.  495 

sei  und  giebt  die  Daten  der  von  Dr.  Tribukeit  in  Rastenburg  im  vorigen  Sommer 
am  WakUiati8  Görlitz,  Kr.  Rastenburg,  gemachten  Ausgrabung,  indem  er  eine  mit 
Ausschluss  des  Halses  wohl  erhaltene  Urne  vorlegt.  Dieselbe  ist  26  ctm.  hoch,  hat 
an  der  Bodenfläche  einen  Durchmesser  von  17  ctm.,  als  Durchmesser  der  gross ten 
Ausbauchung  39  ctm.,  als  Durchmesser  der  Halsöffnung  21  ctm.  Diese  Urne  stand 
in  einem  Urnenfeld,  ohne  das«  auf  der  Erdoberfläche  ein  Merkmal  gewesen  wäre, 
1%  Fus8  tief,  war  oben  mit  einem  Deckstein  zugedeckt,  der  2  Fuss  lang,  2  Fuss 
breit  und  über  einen  Fuss  dick  war,  zu  den  Seiten  kreisförmig  mit  Zwicksteinen 
umgeben.  In  3  Fuss  Entfernung  von  der  eben  beschriebenen  Urne  fand  Dr.  Tribnkeit 
in  derselben  Tiefe  auf  einer  Urne  aus  schwarzem  Thon  eine  kleinere  mit  umge- 
kehrtem Hake  stehen  und  auf  den  nach  oben  gerichteten  Boden  der  kleineren 
einen  Stein  gelegt.  Leider  konnten  nur  die  Stücke  der  Halsöffnung  der  grösseren 
untern  Urne  erhalten  werden;  dieselben  sind  jetzt  gut  zusammengesetzt.  Der 
Durchmesser  der  Halsöffhung  beträgt  12  ctm.,  derjenige  der  Bänder  des  aufgesetzten 
Halses  17,4  ctm.  Die  Musterung  dieser  Halsöffhung  ist  eine  seltene  und  geschmack- 
volle. Zwischen  concentrischen  Kreisen,  die  die  Oefraung  einschliessen ,  läuft  ein 
Zikzackmuster  und  in  jedem  der  innerhalb  und  ausserhalb  gebildeten  Winkel  ist  ein 
»Anker4  eingefügt.  Der  Inhalt  der  Urne  bestand  aus  drei  geschmolzenen  Glas- 
perlen und  einem  Stück  Feuerstein. 

Nicht  mehr  erhalten  waren  die  Urnen  auf  einem  Feld  des  Abbaus  Cobjeiten 
Kreis  Fischhausen,  dem  Grundbesitzer  Dagott  gehörig.  Dr.  med.  Hennig  und 
Mühlenbesitzer  Seilnick  konnten  das  im  vergangenen  Sommer  feststellen,  aber  sie 
fanden  in  den  vom  Pfluge  zerstörten  Urnen  40  roh  und  26  fein  bearbeitete  Bern- 
steinperlen, unten  denen  sich  eine  Paukenperle  (Tympane),  mehrere  cylindrische  und 
scheibenförmige  befinden,  von  welchen  letztere  einen  eingekerbten  Rand  hat. 

Ferner  war  als  Geschenk  von  Dr.  med.  Hennig  zur  Sammlung  heidnischer 
Alterthümer  Übergeben  ein  bei  Bauschen,  Kreis  Fischhausen,  gemachter  Fund,  be- 
stehend in  einer  bronzenen  Sohnalle,  4  bronzenen  Fingerringen  zum  Federn,  von 
denen  einer  auf  der  äussern  Seite  eine  Art  Ringschild  mit  Verzierungen  hat,  in 
2  Fragmenten  von  einem  bronzenen  Halsring,  der  aus  3  Dräthen  zusammengewunden 
ist,  in  einer  angeblich  dabei  gefundenen  8,3  ctm.  hohen  Bleifigur  eines  römischen 
Kriegers.  Yom  Gymnasiasten  Botho  von  Steegen  eine  kleine  Feuersteinspitze, 
gefunden  bei  Zoppot  in  Westpr.  Vom  Gerichtsrath  Münchmeyer  in  Sensburg 
folgende  Alterthümer  des  2.  und  3.  Jahrh.  n.  C.  aus  dem  Urnenfeld  bei  Gruneyken 
Kreis  Darkehmen:  ein  bronzener  Gewandhalter  in  Form  der  römischen  Armbrust- 
fibula,  eine  bronzene  Pincette,  2  bronzene  Zierstücke  in  Silbergroschenform  mit 
Oeaen  zum  Anhängen,  eine  gereifte  blaue  und  eine  goldene  Stangenperle  aus  Glas. 
Tom  Bittergutsbesitier  Giessel  auf  Kämmersbruch,  ein  im  Waldecker  Fliess  bei 
Freudenthal  Kreis  Fr.  Eylan  gefundener  eiserner  Steigbügel.  Der  Münzsammlung 
verehrten  Bauinspektor  Kapitzke,  Major  Weyl  und  Bittergutsbesitzer  Dorn  auf 


496  Kritiken  und  Referate. 

Kirschappen  verschiedene  Münzen,  letzterer  der  Bibliothek  »Geschichte  Preossens, 
bei  Heinrich  Degen  1791*,  »Charakteristik  von  Berlin,  Stimme  eines  Kosmopoliten  in 
einer  Wüste,  1.  Bd.  Philadelphia  17&5.*  »Pädagogische  Ideen  von  Louise  Grafin 
v.  K(rockow).  —  herausg.  vom  Grafen  von  Lehndorf,  Berlin  1793.*  —  (Hippel)  »Das 
Königsberger  Stapelrecht.  Eine  Geschichte-  u.  Rechtserzählang  mit  Urkunden.  Berlin 
bei  Lagarde  1791.*  Bittergutsbesitzer  Dorn  übergab  dann  ein  werth volles  histori- 
sches Stück,  einen  Sattel  des  prcussischen  Königs  Friedrich  des  Grossen,  ein  Erb- 
stück in  der  Familie  des  Gebers.  Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind  Oberlehrer 
Grase  in  Braunsberg,  Rechtsanwalt  Hennig  in  Rössel,  Stud.  med. Hollstein  hier, 
Dr.  med.  Kornalewski  in  Johannisburg, Kreisgerich tsrath  Münchmeyer  in  Sens- 
barg,  Rechtsanwalt  Weber  in  Sensburg  und  Stud. jur.  Weber.    [Ebd.  113 u.  114.] 

Sitzung  den  18.  Mai.  Die  Sitzung  wurde  in  dem  Saal  der  Sammlangen  zum 
ersten  Mal  in  diesem  Jahr  gehalten:  der  Vorstand  wünschte  den  Mitgliedern  die 
Aufstellung  der  im  vorigen  Jahre  neu  hinzugekommenen  reichen  Funde  und  die  des- 
halb nothwendig  gewordenen  Veränderungen  in  der  Anordnung  der  Sammlungen  zur 
Anschauung  zu  bringen.  Die  Glaskasten  mit  den  Gesammtfunden  bilden  die  über- 
wiegende Zahl,  während  die  Einzelfunde  nur  auf  10  Kasten  beschränkt  werden 
konnten,  von  denen  die  Steingeräthe  allein,  welche  am  häufigsten  vereinzelt  beim 
Grabenziehen  oder  Pflügen  gefunden  werden,  vier  Glaskasten  einnehmen.  Eine  Sonde- 
rung der  Gesammtfunde  nach  Wohnstätteu  d.  b.  Pfahlbauten  und  Schanzen  und  nach 
Grabstätten  der  vormetallischen  und  metallischen  Zeit  ist  leicht  möglich  gewesen, 
aber  die  Sonderung  der  Grabalterthümerfunde  als  Beigaben  bei  Verbrennung  und 
bei  Bestattung  konnte  schon  aus  räumlichen  Rücksichten  nicht  so  strikt  erfolgen  und 
ist  auch  historisch  vielleicht  nicht  so  nothwendig  geboten,  weil  Bronzeschmuck  der- 
selben Art  bei  verbrannten  Knochen  und  Asche  in  Urnen  und  bei  Skeletten  gefunden 
wurde  und  darauf  schliessen  lässt,  dass  Verbrennung  und  Bestattung  in  den  ersten 
Jahrhunderten  n.  Chr.  neben  einander  zur  Anwendung  kamen. 

Den  Vortrag  hielt  Dr.  A.  Hennig  über  einen  Samländischen  Begräbnissplatz 
bei  Klein  Blumenau,  Kirchspiel  Gross  Medenau,  Kreis  Fischhausen.  Seine  bei  einer 
Reihe  von  Ausgrabungen  gesammelten  Erfahrungen,  eine  scharfe  Beobachtungsgabe 
und  Beherrschung  der  Ostpreussen  auf  diesem  Gebiet  betreffenden  Literatur  machten 
nicht  allein  seinen  Bericht  für  die  vorliegenden  Alterthümer,  welche  er  im  September 
v.  J.  unter  schwierigen  Verhältnissen  ausgegraben,  interessant,  sondern  Hessen  ihn 
auch  ein  Stück  Geschichte  zum  Brennalter  in  Altpreussen  liefern,  so  weit  dies  über- 
haupt nach  den  Mittheilungen  über  die  bisher  gemachten  Ausgrabungen  vom  18.  Jahr- 
hundert an  möglich  ist. 

Der  zu  einem  Theil  ('/4  Morgen  gross)  untersuchte  Begräbnissplatz  liegt  an 
der  Grenze  von  Powayen  und  Kl.  Blumenau,  und  zwar  auf  dem  zuerstgenannten 
Terrain,  das  zur  Untersuchung  von  Rittergutsbesitzer  Reissert  in  dankenswerther 
Weise  überlassen  war.    Der  Theil  des  Begräbnissplatzes  auf  Kl.  Blumenauer  Gebiet 


Alterthnmsgesellschaft  Prnssia.  497 

war  schon  von  dem  Besitzer  H.  Hollstein  zugesät.  Aeusserlich  sind  keine  Merkmale 
für  Gräber  vorhanden,  erst  in  einer  Tiefe  von  6  bis  15  ctm.  finden  sich  Kopfsteine, 
welche  Kreise  von  1,4  bis  2,85  m.  im  Durchmesser  bilden.  Nor  in  zwei  Fällen  war 
die  Kreisfläche  ganz  mit  kopfgrossen  Steinen  ausgesetzt,  in  allen  übrigen  befand  sich 
aber  in  der  Mitte  oder  in  der  ungefähren  Mitte  des  Kreises  ein  Stein;  bei  dem  einen 
mit  Steinen  ausgefüllten  Kreise  war  es  ein  defecter  Mahlstein.  Wurde  dieser  Kopf- 
stein, der  in  6  bis  15  ctm.  Tiefe  lag,  aufgehoben,  so  fand  sich  wohl  zuerst  noch 

Erde,  aber  in  27  bis  53  ctm.  Tiefe  unter  der  Oberfläche  trat  der  oberste  Rand  einer 

• 

Urne  zu  Tage,  die  nur  mit  Erde,  aber  weder  mit  einem  Deckel  aus  Thon,  noch  mit 
oinem  Stein  belegt  war.   Nur  je  eine  Urne  stand  unter  dem  Mittelpunkt  eines  Stein- 
kreises, in  einem  einzigen  Falle  fanden  sich  zwei  Urnen  und  dieselben  so  dicht  bei 
einander,  dass  die  Seite  der  einen  eingedrückt  war.    Nach  Nordwest  zu  nahm  die 
Zahl  der  Steinkreise  mit  Urnen  ab,  nach  Südost  zu  wurden  sie  gedrängter«    Die 
Urnen  durften  weder  aus  einer  Steinpackung  herausgenommen,  noch  von  einem  Pflaster 
gehoben  werden,  sondern  standen  im  Grande  und  auf  verbrannten  Knochen  und  Kohlen, 
oder  hatten  dieselben  zur  Seite  liegen.    Die  Erhaltung  der  Urnen  war  in  fast  acht- 
zehn Fällen  möglich,  indem  ein  Erdkranz  von  20  ctm.  Dicke  und  80  ctm.  Hohe  stehen 
gelassen  wurde,  so  dass  der  Thon  durch  allmälige  Berührung  mit  der  Luft  wieder 
erhärten  honnte.    Darauf  wurden  die  Wandungen  des  Gefasses  sorgfältig  abgekratzt 
und  der  Inhalt,  zu  einem  Tb  eil  aus  Erde  bestehend,  ebenso  achtsam  herausgenommen. 
Dass  Dr.  Hennig  kein  einziges  Gefäss  zugedeckt  fand,  ist  eine  interessante  Wahr- 
nehmung; eine  zweite  machte  er  in  Betreff  der  in  den  Urnen  sich  befindenden  Steine, 
Nicht  von  oben  durch  die  Halsöffnung  sind  hier  die  Steine  hereingefallen,  sondern 
dieselben  lagen  stets  von  einander  getrennt  durch  Schichten  von  Aschenresten  und 
Knochen  oder  Asche  und  Erde,  und  auch  von  dem  Boden  durch  eine  solche  künst- 
liche Schicht  getrennt;  bis  vier  solcher  Schichten  und  Steine  fanden  sich  in  einigen 
Urnen,  in  den  meisten  zwei,  in  anderen  drei.    Auffallen  musste  es,  dass  unter  der 
zweiten  kreisförmigen  Steinbedeckung,  welche  3  m.  Durchmesser  hatte,  eine  Urne 
nur   den  Inhalt  von  Kohlen   und  Erde  und   drei  Steinen    in  den   beschriebenen 
Schichtungen  ohne  alle  verbrannte  Knochen  aufwies;  es  scheint  somit  dies  Grabmal 
ein  Kenotaph  zu  sein,  das  zum  Andenken  eines  Verstorbenen,  da  man  dessen  Leich- 
nam nicht  verbrennen  konnte,  hergestellt  wurde.    Die  bisweilen  noch  recht  gut  er- 
haltenen Kohlen  rühren  von  Kiefernholz  her  (pinus  silvestris),  wie  die  Bestimmung 
des  Prof.  Caspary  lautet.    Die  Beigaben  aus  Stein,  Thon,  Glas  und  Metall  waren 
sonst  im  Ganzen  sparsam  vertheilt  und  gehören  ihrer  Form  nach  dem  3.  oder  4.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  an.  Die  Form  der  grossen  Urnen,  die  im  Grande  standen,  ist  durch- 
weg eimerartig  mit  Stehfläche  und  etwas  verengtem  Halse  versehen,  die  Höhe  der 
schon  völlig  durch  Zusammensetzen  hergestellten  beträgt  38—40  ctm.;  sie  sind  frei- 
händig und  unsymmetrisch  gearbeitet,  zeigen  aber  auch  einige  Verzierungen,  wie 
kleine  Thonbuckei  und  Eindrücke  mit  den  drei  Mittelfingern  an  den  grössten  Aus- 

Altpr.  II oortiMhrift  Bd.  XIV.  Hf U  &  u.  6.  32 


498  Kritiken  and  Referate. 

ladungen  und  einen  eingekerbten  oder  mit  Nageleindrücken  versierten  Band.  Urne  1 
enthielt  drei  Stücke  eines  beschädigten  eisernen  Messers.  Urne  2  einen  8  ctm.  hohen 
kleinen  Topf  ans  Thon,  der  im  untern  Theil  halbkugelförmig,  im  oberen  cylindrisch 
war  und  auf  calcinirten  Knochen  stand.  Urne  3  enthielt  grosse  Kohlenstücke.  Urne  4 
einen  bronzenen  Fingerring  in  fünf  Spiralwindungen,  einen  Best  von  einer  ring- 
förmigen  Gewandnadel,  ein  23  ctm.  langes  eisernes  Messer  incl.  einer  6  ctm.  langen 
Angel.  Urne  5  ein  Stuck  von  einer  eisernen  Trense,  was  auch  auf  Verbrennung 
eines  Pferdes  schliessen  lässt,  ein  kleines,  eisernes  Messer  von  7,5  ctm.  Länge  und 
eine  einfache  Thonperle.  Im  Umfang  dieses  Steinkreises  stand  27  ctm.  tief  ein 
kleiner  8  ctm.  hoher  Topf  von  feinerem  Thon,  nur  mit  Grand  gefüllt  und  lose  im 
Grande.  Urne  6  enthielt  zwei  kleine  Urnen,  von  denen  eine  mit  Strichen  verziert 
ist  —  leider  nnr  in  Scherben  erhalten  —  einen  kleinen  bronzenen  Bing,  eine  kleine 
blaue  Glasperle,  eine  geschmolzene  Glasperle  und  ein  Fragment  von  Bronze.  Urne  7 
eine  Thonperle  in  Wirtelform  mit  sauberer  Strichverzierung  und  einen  bronzenen 
Bing  in  fünf  Spiralwindungen.  Urne  8  enthielt  eine  runde  eiserne  Schnalle.  Urne  9 
und  10,  welche  unter  der  Mitte  einer  kranzförmigen  geschlossenen  Steindecke  so 
dicht  neben  einander  standen,  dass  beide  an  den  sich  berührenden  Seiten  Schaden 
erlitten  hatten,  waren  verschieden  gefüllt,  die  grossere  mit  zwei  einfachen  Feldsteinen 
und  Erde,  die  kleinere  mit  Erde,  Kohlen  und  bearbeiteten  Steinstücken :  eben  solche 
fanden  sich  auch  neben  der  Urne.  Eine  Zusammensetzung  dieser  Stücke  aus  Sand- 
stein und  solcher  aus  Quarz  ergaben  zwei  Schleifsteine.  Die  einzelnen  Theile  derselben 
zeigten  an  ihren  geschwärzten  Flächen,  dass  sie  durch  Feuer  auseinander  gesprengt 
waren.  Der  grössere,  17  ctm,  lang,  ist  im  Durchschnitt  quadratisch  6  ctm.  hoch  und 
6  cmt.  breit,  an  dem  einen  Ende  läuft  er  von  allen  vier  Seiten  fats  spitzig  zu.  Der 
andere  Schleifstein  (?)  aus  Quarz  ist  oval  geformt,  7,8  ctm.  lang,  5,2  cmt.  breit.  An 
den  Enden  des  Längendurchmessers  findet  eine  Zuspitzung  in  je  eine  scharfe  Kante 
statt.  Der  Hühendurchschnitt  ist  an  den  Seiten  nicht  senkrecht,  sondern  zeigt  eine 
sanfte  Einladung  und  rnisst  2  ctm.  Der  Zweck  dieser  Einladung  war  ein  breites  Band 
um  den  Stein  zu  legen,  um  ihn  so  bequemer  tragen  zu  können.  Auf  den  ovalen 
Flächen  sind  zwei  Einritzungen  in  der  Mitte  merkwürdig,  eine  geradlinig»  die  andere 
einem  sehr  steif  gezogenen  lateinischen  S  ähnlich.  Ein  bei  Liekeim,  Kr.  Friedland, 
gefundener  Schleifstein  aus  hartem  Sandstein  derselben  Form  (9,6  ctm.  lang,  6,6  ctm» 
breit,  2,8  ctm.  hoch)  zeigt  nicht  solch  scharfe  Einfurchung,  sondern  unregelmässige 
Schleifstriche.  Urne  11  enthielt  eine  einfache  viereckige  eiserne  Schale  und  mehrere 
Eisenstückchen.  In  Urne  12  lag  auf  der  Oberfläche  eine  durch  Brand  beschädigte 
und  unkenntlich  gewordene  Bronzemünze,  Urne  13  barg  in  sich  eine  eiserne  Lanzen- 
spitze  ohne  Grat  und  mit  Tülle.  Die  andern  Urnen  waren  nur  mit  Grand,  Steinen 
oder  Knochen  gefüllt.  Die  Brandstätte  für  die  calcinirten  Knochen,  die  in  den 
meisten  Urnen  vorhanden  waren,  ist  von  Dr.  Hennig  noch  nicht  gefunden  worden, 
kann  aber  noch  immer  in  dem  zu  Kl.  Blumenau  gehörigen  Begräbnissplatz  gefunden 


Alterthumsgesellschaft  Prnssia*  499 

werden;  in  keinem  Fall  ist  aber  die  Brandstätte  innerhalb  des  beschriebenen  Stein- 
kreises anzunehmen.  —  Hierauf  legte  der  Vorsitzende  ein  eisernes  Schwert  mit  bron- 
zenem Knopf  vor,  ein  Geschenk  des  Rittergutsbesitzer  Steppnhn  auf  Liekeim,  Kreis 
Friedland,  auf  dessen  Territorium  gefunden.    In  einem  Begleitschreiben  wurde  der 
Fundort  als  ein  Platz  auf  einem  sandigen  Hügelrücken  beschrieben,  auf  dem  kein 
äusseres  Merkmal  irgend  eine  Bestattungsgruft  vermuthen  lässt.    Dies  Schwert  mit 
eiserner  Klinge,  das  bis  zur  Parierstange  77  ctm.  misst,  einen  Griff  von  der  Parier- 
stange bis  zum  bronzenen  Knopfe  von  11  ctm.  Länge  und  einen  bronzenen  Knopf 
von  2,5  ctm.  Höhe  und  5  ctm.  Durchmesser  hat,  gehört  dem  11.  Jahrhundert  an. 
Die  Parierstange  ist  halbmondförmig  mit  ihren  Enden  nach  der  Klinge  zu  gebogen, 
die  Klinge  misst  unter   der  Parierstange  eine  Breite  von   5,5  ctm.  und  ist  mit 
einer  Blutrinne  versehen.   Aehnliche  oder  fest  gleiche  Schwerter  besitzt  die  Prussia- 
Sammlung  aus  Gerraau,  Kr.  Fischhausen,  und  aus  Saalau  bei  Norkitten,  Kr.  Inster- 
burg.    Das  Liekeimer  Schwert  hat  aber  darum  eine  besondere  Wichtigkeit,  weil  es 
in  unmittelbarer  Nähe  eines  Skeletts  gefanden  wurde,   an  dessen  Halswirbeln  ein 
bronzener  grosser  Halsring  in  mehreren  Spiralwindungen  gefunden  wurde,  den  schon  im 
vergangenen  Herbst  der  Besitzer  von  Liekeim  den  Sammlungen  der  Prnssia  schenkte. 
Es  wurde  der  Wunsch  ausgesprochen,  dass  die  Angaben  über  ein  Skelett  mit  einem 
bronzenen  Halsring,  welches  bei  Liebstadt,  Kr.  Mohningen,  vor  mehr  als  Jahresfrist 
gefunden  wurde,  veröffentlicht  würden.  —  Es  folgte  dann  der  Bericht  über  ein  schon  vor 
längerer  Zeit  geöffnetes  Kistengrab,  den  Rittmeister  v.  Schlenssner  auf  TeistLmmen, 
Kreis  Rössel,  eingesandt  hatte.    Das  Grab  liegt  etwa  1000  Schritte  von  dem  sogen. 
Teistimmer  oder  königlichen  See  nnd  einige  hundert  Schritte  von  einem  ehemaligen 
kleineren  See  auf  der  Feldmarke  des  zu  Teistimmen  gehörigen  Vorwerks  Ludwigs- 
mühle.   Das  Grab  war  3  Meter  lang,  0,70  breit  nnd  0,70  Meter  tief  nnd  mit  mög- 
lichst platten  Steinen  ausgesetzt;  drei  grössere  nnd  zwei  kleinere  Urnen  wurden  ziem- 
lich wohl  erhalten  ausgehoben,  die  ganze  Zahl  der  darin  aufgestellten  Urnen  mag  aber 
25  bis  30  gewesen  sein,  doch  waren  dieselben  zerbrochen,  weil  die  Decksteine  schon 
vor  etwa  22  Jahren  fortgeschafft  waren.   Der  Inhalt  der  Urnen  bestand  in  calcinirten 
Knochen  und  in  einem  kleinen  bronzenen  Ring.    Zum  Schluss  wurde  das  Interesse 
der  einheimischen  Mitglieder  durch  das  von  dem  Stadtältesten  Dr.  W.  Hensche 
herausgegebene  und  der  Bibliothek  geschenkte  Werk  »Wappen  nnd  Siegel  der  Königl. 
Haupt-  nnd  Residenzstadt  Königsberg.    Königsberg  1877*  in  hohem  Grade  erregt. 
Seit  30  Jahren  hat  der  Verfasser  eine  solche  Arbeit  im  Auge  gehabt  und  durch 
mannigfache  Reisen,  Arbeiten  nnd  Studien  mit  Aufbietung  grosser  Kosten  sein  Ziel 
erreicht.  —  Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind:   Tribunals-Referendarins  Bartel 
in  Rössel,  Dr.  med.  Papendieck  in  Rastenburg,  Kaufmann  Richard  Plinck  hier 
und  Amtmann  Raabe  auf  Neuendorf,  Kreis  Lyck. 

[Ostpr.  Ztg.  1877.  No.  142  (Beil)] 

32* 


Mittheilnngen  und  Anhang. 


Z«  Drauuu's  Biographie.*) 

Nach  Mittheüung  dos  Prof.  A.  L.  Ewald,  veröffentlicht  von  Prof.  Carl  Lohmeyer. 

I,  Aus  dem  Universit&tsarchiv  zu  Halle. 

1. 

Wilh.  Carl  Aug.  Dramann,  3ter  Sohn  des  Prediger  Dramann  in  Dannstedt 

im  Fürstenthum  Halberstadt  18 */,  Jahr  alt,  welcher  2l/t  Jahre  die  I  Classe  unserer 

gelehrten  Domschule  besucht  hat,  u.  diesen  Ostern  nach  Halle  zu  gehen  gedenkt, 

um  Theologie  zu  studiren,  ist  auf  dem  vorletzten  Abiturientenexamen  am  3.  Aug.  1804 

von  der  Prnfdngscommission  für 

reif  znr  Akademie 
erklärt. 

Er  kam  mit  den  nöthigon  Vorkenntnissen  ausgestattet  zu  uns  u.  hat  sich  bei 

seinem  hiesigen  Aufenthalte  durch  regelmäßigen  Fleiß  u.  ausdauernde  Thätigkeit 

zur  academischen  Laufbahn  vorbereitet,  so  daß  wir,  da  er  außerdem  durch  sein  gutes 

sittliches  Betragen  sich  das  Zeugniß  der  allgemeinen  Zufriedenheit  erworben  hat, 

hoffen  können,  daß  er  auf  der  Akademie  sich  zu  einem  brauchbaren  Pädagogen  u. 

VoUslehrer  ausbilden  werde. 

Urkundlich  unter  vorgedrücktem  Deputationssiegel  u.  gewöhnlicher  Unterschrift. 

Halberstadt  2.  April  1805 

Gr.  v.  Alvensleben 

Domdechant. 

Roseirtreter.  Nachtigall 

C.  R.  Ephorus  u.  Dlrcctor  der  Domachole. 

Grahn,  Augwtln,  F.  G.  K.  Maas»        A.  Ph.  Ehlers 

Ober  Domprediger.     Domprediger.  Bector.  p    p    Marks 

J.  A.  Woldmann,       Frantz 

Inepector.  ^  g^,^ 

*)  Ygl.  den  Artikel  Drumann  von  Lohmeyer  in  der  »Allgem.  dtsch.  Biographie* 
Bd.  V.  S.  436-489.  D.  Bed, 


Zu  DrumaniTs  Biographie.  501 

2. 

Decano  spectabili, 

Professoribus  Facultatis  Philosophiae  Amplissimis 

S.  D.  P. 
Guilolmus  Carolas  Augustus  Drumann. 

Te,  Decane  Spectabilis,  et  Vos,  Professores  Aniplissimi,  aditurus,  ut  quid  mihi 
semper  visum  sit  optatissimum ,  quidque  valde  cupiam  vestrae  debere  benignitati, 
vobifl  proponam,  de  vita  mea  praefari  audeo: 

Danstadii,  vico  Halberstadiensi,  d«  XI.  Jan.  a.  M.  DCCLXXXVI  natas  sum. 
Pater,  evangelicae  ecclesiae  Danstadiensis  antistes,  deum  pie  colendi  recteque  vivendi 
omni  tempore  suasor  mihi  fuit  atque  auctor.  Ille  qoidem  non  solum  prima  me 
edocuifc  literarum  elementa,  sed  ad  maximum  etiam  ea  cognoscendi  Stadium  me 
accendens,  qua  potissimum  ratione  discenda  essenfc,  ut  fructua  uberrimos  ex  iis  per- 
cipere  possem,  oetendit;  imo  nullo  docendi  socio  adhibito,  literis  graecis  et  latmis, 
historia  aliisque  doctrinis  animum  iuvenilem  ita  imbuit,  ut  cum  scholam  pablicam 
adirem,  primae  classis  civibus  adnumerarer.  Scholam  cathedralem  Halberstadiensem 
ab  a.  MDCCCII  per  duos  annos  sex  menses  frequentavi.  Viris,  qui  ludum  illum 
literariam  ornant,  quae  qnantaque  dcbeam,  cum  eos  tales  semper  expertus  sim,  quales 
patres  filiis,  amicis  amici  sese  praestare  adsolent,  vix  verbis  adsequi  possum.  Post 
examen,  quo  testimonio  maturitatis  magistri  me  ornare  voluerant,  ex  illa,  quae 
arctioribus  finibus  cireumscribitur,  disciplina  scholastica  dimissus,  ut  ßtudiis  theologicis 
et  philosophicis  animum  excolerem,  a.  MDCCCV.  Halam  me  contuli.  Halae  artium 
deliciis  animum  ali  persentiens,  et  bene  mecum  agi  existimavi  et  quanta  essent,  quae 
nondum  attigissem,  Virorum  Doctissimorum  exemplo  ante  oculos  mihi  obversante 
cognovi. 

At  cum  intelligerem,  nihil  esse  tarn  ardaam,  quod  summa  Professorum  Specta- 
tissimorum  doctrina  adiutus  non  consequi,  nihil  tarn  abstrusum  et  spinosum,  quod 
iis  facem  praeferentibus  mihi  non  expedire  atque  addiscere  possem:  accidit,  ut  sab 
varios  tri&tissimosque  casus  Fridericiana  subiiceretur.  Anno  et  sex  mensibus  praeter- 
lapsis,  ex  quo  Halam  primum  adventaveram,  ut  lares  patrios  repeterem,  miserrima 
ista  fortnnae  vicissitudo  me  coSgit:  equidem  patrium  paene  solum  vertere  atque 
exsulare  mihi  visus  sum.  Accessit  dolor  ille  publicus  e  patria,  quam  fortuna  in 
maximis  malis  graviter  tunc  exercebat,  conceptus.  Parentibus  igitur,  hoc  ut  sibi 
darem,  rogantibus,  ne  deesse  viderer  dulcissimaque  pietatis  officia  negligere,  qaan- 
tum  per  strepitum  militarem  licebat,  in  artibus  versans,  hiemem  in  aedibus  paternis 
transegi. 

Sed  primo  vere  a.  MDOCCVU  Helmstadiuni,  ad  sedem  literarum  illustrissimam 
profectus,  praelectionibusi  quae  ibi  habebantur,  per  unum  annum  interfui;  nee  un- 
quam  fieri  posse  existimo,  ut  eorum,  quae  Fridericianae  atque  Juliae  Carolinae  de- 
beam,  memoria,  intimo  animo  impressa,  dilabatur. 


502  Mittheilongen  und  Anhang. 

Designatus  deinde  scholae  cathedralis  Halberstadiensis  collega,  a.  MDCCCVÜI 
in  valle  Nicolai  alumnos  inter  parietes  privatos  docendi  munus  suscepi,  eoque, 
quantum  mihi  erat,  otium,  ut  Halao  olim  et  Helmstadii,  in  legendis  historicis  graecis 
et  latinis  consumens,  plures  annos  functus  sum. 

A.  MDCCCX  probata,  quam  scripseram,  dissertatione  de  ratione  ac  disciplina 
Bomanorum  literas  artesque  tractandi,  Ordo  Amplissimus  Philosophorum  Academiae 
Helmstadiensis  dignum  me  habuit,  quem  philosophiae  doctorem  et  artium  tiberslium 
magistrum  crearet. 

Eodem  anno  collega  Paedagogii  Regii  Halensis  designatus  in  hac  urbe  sedem 
firi,  quod  quidem  non  casu  sed  divinitus  mihi  contigisse  arbitror.  Nam  cum  omnis 
generis  praesidiis  literarnm  Halam  affinere  iam  antea  persensissem,  nunc  ita  expertus 
sum,  ut,  quae  artibus  discendis  me  addicens  nuncupavi,  votorum  omnium  damnatus 
esse  mihi  videar,  Sed  nt  eo  magis  quo  Opportunität,  eodem  et  cupiditas  discendi 
progrediatur,  docendi  occasio  cum  soleat  efficere,  Vos,  Viri  Amplissimi  atque  IUustris- 
8imi,  omni  qua  par  est  observantia,  rogo,  ut  benigne  mihi  concedatis  in  Fridericiana 
praelectionee  habere  historicas, 

Commentationem  publice  defendendam  non  deprecans,  id  unice  opto,  ut,  si  in 
arenam  descendere  per  Vos,  Viri  Amplissimi,  mihi  licuerit,  talem  me  Vobis  probare 
possim,  qualis,  quod  in  me  Yolueritis  conferre,  beneficio  non  plane  indignus  videar. 
Vos,  Viri  Amplissimi,  grato  animo  colens,  olficiis,  quae  suscepero,  omnibus  quam 
potero  religiosissime  satisfaciam. 

Valete.  Scrib.  Halae.  d.  IV.  Jon.  a.  MDCCCXII. 

3. 

Meinen  hochgeehrtesten  Herren  Collegen 
habe  ich  die  Ehre  hierbei  ein  Schreiben  des  bei  dem  hiesigen  Königl.  Pädagogium 
als  Lehrer  stehenden  Herrn  Doctor  Drumann  vorzulegen,  in  welchem  er  um  Erlaub- 
nis ersucht,  akademische  Vorlesungen  zu  halten.  Da  er  sich  durch  das  beigefügte 
Helmstadtische  Diplom  v.  9  April  1810  legitimiret,  und  bereit  erklärt,  pro  loco  zu 
disputiren  u.  die  herkömmlichen  10  Thaler  zu  erlegen,  so  glaube  ich,  daß  seinem 
Gesuche  nichts  entgegenstehet  u.  bitte  darüber  zu  votiren. 
Halle  d.  10  Juni  1812 

J.  L  L  Rüdiger 

(Folgen   die   Unterschriften  der  Mitglieder  der  philos.  Facultät,  welche  sämmtlich 

mit  ,Jac  votiren.) 


Den  13.  Juni  ist  Herrn  Dr.  Drumann  mündlich  bekannt  gemacht,   daß  sein 
Gesuch  bewilligt  sei  u.  er  die  Disputation  zur  Ccnsur  einzureichen  habe. 

RMger. 


Mittheil uii gen  über  eine  Ausmessung  des  Seeteiches  bei  Dambitzen.     503 

n.  Aus  dem  Archive  das  eingegangenen  Pädagogiums 

der  Franeketchen  Stiftungen. 

(Ein  Actenstück  Ton  Drumann's  eigener  Hand,  auch  eine  Copie  ist  nicht  vor- 
handen.) Die  Durchsicht  der  Protocolle  über  die  Lehrerconferenzen  des  Königlichen 
Pädagogiums  ergiebt,  dass  Drumann  zuerst  am  17.  November  1810  als  Lehrer  des 
Königl.  Pädagogiums  erscheint. 

Eine  andere  amtliche  Acte  ergiebt,  dass  er  am  1.  October  1817  aus  seiner 
Lehrerstellung  abgegangen  ist. 

Die  Schule  (Pädagogium)  war  damals  gut  bestellt,  denn  ausser  Drumann 
wirkten  an  derselben:  Voigt  (Johannes)  und  Naeke. 


Mittheilungen  Aber  eine  Ausmessung  des  Seeteiches  bei  Dambitzen« 

Sonnabend,  28.  Juli  wurde  von  mehreren  Mitgliedern  der  Elbinger  Alterthums- 
gesellschaft  der  bei  dem  Knüppelberge  bei  Dambitzen  gelegene  Seeteich  gepeilt.  Ver- 
anlassung dazu  gaben  weniger  die  einander  widersprechenden  und  zum  Theil  offen- 
bar übertrieben  hohen  Angaben  über  die  Tiefe  des  Seeteiches  als  vielmehr  die  dort 
sowohl  vor  mehreren  Jahren  als  auch  in  neuester  Zeit  gemachten  Funde  aus  heid- 
nischer Zeit.  Dieselben  wurden  in  der  den  Band  des  Seeteiches  umgebenden  Torf- 
schicht und  zwar  in  einer  Tiefe  von  ungefähr  8—15  Fubs  gemacht.  Gutsbesitzer 
Teetz  fand  vor  mehreren  Jahren  in  der  Torfschicht  eine  steinerne  Streitaxt  mit  wohl- 
erhaltenem Stiel  von  Eichenholz  und  einen  aus  eichenen  Pfählen  und  verbindendem 
Flechtwerk  gemachten  Zaun.  Leider  ist  von  diesen  Funden  nichts  mehr  erhalten. 
Vor  einigen  Monaten  fand  Gutsbesitzer  Hering  in  Dambitzen  Kohlen,  in  einer  Tiefe 
von  ungefähr  8  Fuss  zum  Theil  verkohlte  Holzstücke  und  bald  darauf  in  unmittel- 
barer Nähe  dieser  Heerdstelle  ein  thönernes  Gefäss,  welches  er  der  Alterthumsge- 
sellschaft  geschenkt  hat  Die  eigentümliche  an  den  Burgwalltypus  erinnernde  Form 
und  Verzierung  desselben  sowie  die  technische  Behandlung  der  mit  Quarzbrocken  ge- 
mischten Thonmasse,  ferner  die  Tiefe  der  Fundstellen  berechtigten  zu  dem  Schluss, 
dass  an  dem  Ufer  des  Seeteiches  in  uralten  Zeiten  eine  Niederlassung  bestanden 
habe.  Es  war  daher  die  Aufgabe  der  Alterthumsgesellschaft  zunächst  den  Seeteich 
selbst  zu  untersuchen. 

Die  Umgebung  und  die  Ausdehnung  des  Seeteiches  hat  sieh  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten sehr  wesentlich  verändert.  Noch  wissen  viele  Elbinger  sich  sehr  gut  der 
Zeit  zu  erinnorn,  da  derselbe  ringsum  bewaldet  war  und  bedeutend  höher  stand,  als 
heute.  Ein  Blick  auf  die  Ausdehnung  des  Torflagers  sowie  auf  die  kolossalen,  in 
den  Torfgruben  zahlreich  sich  vorfindenden  Eichenstämme,  über  welchen  wie  z.  B. 
in  der  Grube  hart  an  der  Chaussee  noch  eine  etwa  10  ctm.  hohe  Sandschicht  ge- 
lagert ist,  bestätigt  dies«  Die  Erniedrigung  des  Wasserspiegels  ist  von  Herrn  Teetz- 


504  Mittheilnngen  and  Anhang. 

Dambitzen  mittels  einer  Röhrenleitung  vom  Seeteiche  bis  Dambitzen  bewerkstelligt 
worden.  Die  weitere  Tieferlegang  des  Wasserspiegels  aber  ist  durch  die  theilweise 
Verstopfung  der  Abzugsröhren  vorläufig  aufgehalten.  Sollte  das  Projekt,  den  See- 
teich um  20  Fuss  zu  erniedrigen,  ausgeführt  werden,  so  würde  eine  genaue  Unter- 
suchung des  Torflagers  gewiss  manchen  interessanten  Fund  zu  Tage  fördern  und  auch 
Gewissheit  darüber  verschaffen,  ob  die  Diagnose  auf  Pfahlhauten,  zu  welcher  man 
durch  die  Aussagen  der  seit  langer  Zeit  am  Seeteiche  beschäftigten  Arbeiter,  wenn 
auch  nicht  ohne  starke  Bedenken  geführt  wird,  richtig  ist.  Ein  Arbeiter  sagte  näm- 
lich aus,  dass  bei  niedrigem  Wasserstande  zwei  Reihen  von  Pfählen  sichtbar  würden, 
welche  im  spitzen  Winkel  in  den  See  hineingingen.  Allein  Gutsbesitzer  Teetz,  welcher 
seit  mehreren  Jahrzehnten  den  Seeteich  genau  kennt,  wusste  davon  nichts,  sondern 
meinte,  dass  die  fraglichen  Pfähle  vielleicht  Reste  derjenigen  Pfähle  seien,  die  er 
behufs  Befestigung  von  Fischernetzen  habe  einschlagen  lassen.  Doch  wusste  auch 
er  von  einer  aus  starken  eichenen  und  durch  die  Einwirkung  der  Torferde  schwarz 
gefärbten  Bohlen  bestehenden  Spundwand  zu  berichten,  welche  in  bedeutender  Tiefe 
vorgefunden  wurde.  Es  ist  auch  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  jene 
»Pfahle*  nichts  anderes  als  Baumstümpfe  sind,  deren  Vorhandensein  Gutsbesitzer  Teetz 
bei  seinen  Fischerei-Versuchen  zu  seinem  Schaden  oft  genug  hat  constatiren  müssen. 
Der  Seeteich  hat  eine  fast  kreisrunde  Gestalt  mit  einem  Durchmesser  von  un- 
gefähr 100  Metern.  Die  Auslothung  desselben  würde  nicht  ohne  grosse  Unbequem- 
lichkeit gewesen  sein,  wenn  Kaufmann  Madsack 'nicht  die  Freundlichkeit  gehabt  hätte, 
seine  sichere  Gondel  an  Ort  und  Stelle  zu  schaffen,  und  drei  seiner  Leute  zur  Ver- 
fügung zu  stellen.  Die  von  Gutsbesitzer  Hering,  Professor  Mehler,  Lehrer  Capeller 
und  Dr.  Anger  ausgeführte  Peilung  ergab,  dass  der  Seeteich  ein  kesselartiges  Bett 
mit  schroff  abfallenden  Wänden  hat.  Die  grösste  gemessene  Tiefe  betrug  gut  15  Meter 
(48  Fuss).  Dieselbe  befindet  sich  jedoch  nicht  im  Mittelpunkte  des  Teiches,  sondern 
in  demjenigen  Quadranten,  welcher  zwischen  der  Chaussee  und  dem  Wege  liegt, 
welcher  nach  den  Grünauer  Wüsten  führt.  In  der  Mitte  ist  der  Seeteich  nur  13,5  M. 
tief.  Der  nach  den  Grünauer  Wüsten  zu  liegende  Theil  hat  weniger  steile  Abhänge 
und  im  Durchschnitt  geringere  Tiefen  als  der  nach  der  Chaussee  und  der  Schleuse 
zu  liegende  Theil.  In  einer  Entfernung  von  etwa  20  Metern  vom  Mittelpunkte  be- 
trägt die  Tiefe  im  Durchschnitt  10  Meter.  —  In  der  Nähe  der  grössten  Tiefe  betrug 
die  Temperatur  des  Wassers  auf  der  Oberfläche  +  17°  B.f  auf  dem  Grunde  +  7°  B., 
was  die  bedeutende  Differenz  von  10°  R.  ergiebt.  Rechnet  man  von  den  7°  R.  noch 
einen  Grad  ab,  weil  während  des  Heraufziehens  des  Lothes  und  der  Oefihung  der 
Thermometerkapsel  die  Wärme  der  in  derselben  eingeschlossenen  Wassermasse  sehr 
leicht  sich  um  einen  Grad  gesteigert  haben  kann,  so  erhält  man  die  mittlere  Jahres- 
temperatur, welche  für  Elbing  +  6»18°  R-  beträgt.  —  Ob  der  Seeteich  nur  den 
atmosphärischen  Niederschlägen  seine  Existenz  verdankt,  oder  auch  einer  in  der  Tiefe 
befindlichen  Quelle,  das  lässt  sich  vorläufig  nicht  mit  Sicherheit  nachweisen.    In» 


UttiversitÄU-Chronik  1877.  505 

dessen  scheint  die  von  Vielen  behauptete  Thatsache,  dass  der  Seeteich  nie  ganz  zu- 
friere, für  die  letztere  Annahme  zu  sprechen.  Zwar  liegt  der  Seeteich  höher  als  das 
trigonometrische  Zeichen  auf  dem  Thumberge  (302Fuss),  allein  hei  Kl.  Stoboy  be- 
finden sich  Höhen  von  556  Fuss,  und  in  südöstlicher  Richtung  von  Stagnitten  Höhen 
von  477  Fqss.  Möglicherweise  ist  es  ein-  nnd  dasselbe  unterirdische  Quellennetz, 
welches  sowohl  den  Seeteich  als  auch  den  Sammelbrunnen  an  den  Pulverhäusern  mit 
Wasser  versorgt.  Eine  Entscheidung  könnte  nur  durch  erneute,  zahlreiche  und  mit 
guten  Apparaten  ausgeführte  Temperaturmessungen  so  wie  der  Wasserproben,  welche 
aus  verschiedenen  Tiefen  des  Seeteiches  herausgeholt  würden,  erfolgen. 

[Elbinger  Post  v.  l.Aug.  1877.  No.  176 J 


Universitats-Cbronik  1877. 

(Portsetzung.) 

21.  April.  Med.  Doctordiss.  von  Adolph  Eberhardt,  pract.  Arzt,  aus  Lyck:  Ueber  die 
Kerne  der  rothen  Blutkörperchen  der  Säugethiere  und  des  Menschen.  (32  S.  8.) 
24.  April.   Lectiones  cursorias  quas  .  .  .  Hermannus  Baumgart  phil.  Dr.  de  studiis 
aesthetico-criticis   quantuin   coutulerint   ad   excitandas   atque   alendas   recenres 
Germanorum  litteras  ad  docendi  facult.  rite  impetr.  habebit,  indicit  Car.  Hen. 
Kitthausen,  phil.  Dr.  P.  P.  0.  ord.  philos.  h.  t.  Decanus. 
Nro.  96.  Amtliches  Verzeichniss  des  Personals  u.  der  Studirenden  .  .  .  f.  d.  Sommer- 
Semester  1877.      (24  S.    8.)     [79  Doc.  —  6  theol.,  6  Jur.,  22  med.,  39  phil.,   3  Lector., 
5  Exercitieumeist.   —  u.  620  (40  aual.)  Stud.,  davon  44  Theol.,   181  Jur.,  125  Med.,  270  Phil., 
10  m.  spec.  Geuehm.  d.  zeit.  Prorect.] 

„Acad.  Alb.  Regim.  1877.  II."  Antonii  Zingerle  Professoris  Oenipontani  Dissertatio  de 
scriptorum  latinorum  locis  qui  ad  poenarum  apud  inferos  descriptionem  speetant 
qua  orationes  ad  celebrandam  memoriam  virorum  illustrium  Coelestini  de  Ko- 
walewski,  Jacobi  Friderici  a  Bhod,  Friderici  a  Groeben,  Joh.  Diterici  a  Tettau 

diebus  XXI  et  XXIII  Maji  et  XXIII  Juuii  h.  s habendas  indicit  Ludovious 

Friedländer  P.  P.  0.  die  XII  Maji.    (10  S.  4.) 
9.  Juni.  Lectiones  cursorias  quas  .  .  .  Paulus  Baumgarten,  med.  Dr.,  über  die  pa- 
tholog.  Bedeutung  der  Bacterien  ad  docendi  facult.  rite  impetr.  .  .  .  habebit, 
indicit  Maximil.  Jaffe  med.  Dr.  P.  P.  0.  ord«  med.  h.  t.  Decanus. 

21.  Juni.  Med.  Doctordiss.  v.  Heinr.  Lievin  (aus  Danzig),  Ueber  die  Grösse  und  Be- 
grenzung des  normal.  Gesichtsfeldes.    (32  S.  8.) 

23.  Juni.  Med.  Doctordiss.  v.  Berthold  Peurosch  (aus  Bussland):  Beitrage  z.  Lehre 
über  die  Entstehung  des  Indicans  im  Thierkörper.    (34  S.  8.) 

10.  Juli.  Lectiones  cursorias  quas  .  .  .  Paulus  Albrecht  med.  et  phil.  Dr.  über  die 
vergleichend  anatomische  Bedeutung  der  bemicephalen  Schädel  ad  doc.  facult. 
rite  impetr.  .  .  .  habebit,  indicit  Max.  Jaffe  med.  Dr.  P.  P.  0.  ord.  med.  h.  t.  De«. 


506  Mittbeiloagan  und  Anhang, 

12,  Juli.  Med.  Doctordiss.  v.  Dr.  Georg  Sefdlitz  (ans  Petersburg):  die  Parthenogenesis 
und  ihr  Verhaltniss  zu  den  übrigen  Zeugungsarten  im  Thierreich.    [Neu  nur  die 

Thesen  u.  Vita,  die  Abhandig.  selbst  .der  Versammlg.  dtscfa.  Natnrforoeh.  u.  Aerate  an  ihr.  SOjähr. 
Bestehen  gewidmet"  erschien  Leipzig,  Yerlag  von  E.  Bidder.  1872.    (31  8.  8.)] 

21.  Juli.  Phil.  Doctordiss.  v.  Ernst  Meyer,  cand.  hist.  aus  Insterburg:  Lambert  von 
Hersfeld  als  Quelle  zur  dtsch.  Geschichte  in  den  Jahren  1009—1077.  (60  S.  8.) 

„Acad.  Alb.  Regim.  1877.  III."  Index  lectionum  ...  per  hiemem  anno  1877  a.  d. 
15.  Octobr.  p.  p.  o.  instituendarum.  (16  S.  4.)  Praemissa  est  L  Friedtaenderi 
observationum  de  Martialis  epigrammatis  particula  I.    (S.  3.  4.) 

Verzeichniss  der  ...  im  Winter-Halbjahr  vom  15.  Oct.  1877  an  zu  haltenden  Vor- 
lesungen u.  der  öffentl.  acad.  Anstalten.    (4  Bl.  4.) 

30.  Juli  Lectiones  cursorias  quas  .  .  .  Georg.  Sefdlitz  med.  et  phil.  Dr.  über  Auf- 
gaben der  vergleichend.  Morphologie  u.  Entwickelgsgesch.  ad  docendi  facult.  rite 
impetr.  .  .  .  habebit.  indicit  Max.  Jaffe  .  .  . 

3.  Aug.  Med.  Doctordiss.  v.  Hans  Meyer,  pract.  Arzt  (aus  Insterburg):  Beitrage  zur 
Kenntniss  des  Stoffwechsels  im  Organismus  der  Hühner.    (35  S.  8.) 


Lyccnm  Hosianum  in  Braunsberg. 

(1876-77.) 

Index  lect.  in  Lyc.  reg.  Hosiano  Brunsbergensi  per  hiemem  a  die  XV.  Octbr.  anni 
1876  instituendarum.  [h.  t  ßector:  Dr.  Franc.  Dittrich,  P.  P.  0.]  (15  S.  4.) 
Praecedit  Prof.  Dr.  Franoisci  Dittrich  de  Tertulliano  christianae  veritatis  regulae 
contra  haereticorum  licentiam  vindice  commentatio.    Particula  I.    (S.  3 — 13.) 

Ind.  lect.  ...  per  aestatem  a  die  IX.  April,  a.  1877  instituendarum  [h.  t.  ßector: 
Dr.  Fr.  Dittrich]  (15  S.  4.)  Praecedit  Prot  Dr.  Franc.  Dittrich  de  Tertulliano 
.  .  .  Partie.  H.    (S.  3-12.) 

Ind.  lect.  .  .  .  per  hiem.  a  die  XV.  Oct.  a.  1877  instituend.  [Beet :  Dr.  F.  Dittrich] 
(22  S.  4.)  Praecedit  Lic.  Julii  Marquardt  commentatio  quid  de  baptismi,  s. 
•chrisniatis,  ss.  eucharistiae  sacramentis  S.  Cyrillus  Hierosolvmitanus  docuerit. 
Partie.  L    (S.  3—19.)  $ 


Altpre nssische  Bibliographie  1876. 

Abegg,  Dr.,  üb.  Bettgsmittel  b.  Verblutgsgefahr.    [Aus  »Schriften  d.  naturf.  Ges.  in 

Danzig.«]    Danz.  1875  (Anhuth.)    (10  S.  Lex.  8.)    —40.    (Seit  August  1876 

im  Bchhdl.) 
AbramowskI,  Mor.  (aus  Osterode  i.  Ostpr).  d.  acute  Gelenkrheumatism.  u.  s.  Verhalt. 

z.  inducirt.  Strom.  L-D.    Berl.    (36  S.  8.) 
»olf,  Hoxl  ($feub.)  bic  Sar3braut.    ßraftbluna.    Berlin.    3anfe.    (IV,  162  ©.  8.) 
jtbregftuä  f.  b.  aefammt  beutfd?en  ©runbbejt&.    5Ra*  b.  neueft.  amtl.  Queü.  bräa.  o. 

@.  93eut&  u.  Otto  ftriebel.    1.  Sfcü.    ^romnj  SBeftpr.    »>orn.  ©alt.  Satnbed. 

(ö4  6.  qx.  8  1.  25.)    (^Berlin.  6(mn  in  ©omm.)  baar  n.  2.56. 


AltpreoMische  Bibliographie  1876.  507 

Sbre#l»4  bet  &U  u.  SReflb^ftbt.  ÄönißSbera  f.  1876.  R&b$.  Würmberaer.    (IV,  336 

u.  131  6.  flr.  8.)    6.— 
fcborner,  f.  b.  3-  1876.  9lad)  amtl.  Quell,  bearb.  u.  &r3ß.  ».  &  ÜRoiorom&i  .  • 

Sbotn.  i'ambed.    (136  u.  72  6.  ßr.  8.) 
Album,  Neuestes,  von  Braunsbg.  8  photogr.  Ansichten.  Braunsb.  Huye.  gr.  16.  1.50 
von  Königsberg.   12  Orig.-Photogr.  v.  Miohalki.  Egsbg.   Akad.  Behh.  qu.  16. 

geb.  baar  n.  3.— 
von  Thorn.    12  Ansichten  in  photolith.  Manier.  Unterschrift,  in  dtsch.,  poln. 

u.  ms8.  Spr.    Thorn.  Lambeck.    1.80. 
^ottenbrdßet,  De  lütt.  $olietfd)c3  ffiocbenblabb  föt  plattbütfcb  eprefenbc.    (Seb.: 
SRob.  Äufety.)    9kumart  in  üöeftpr.   3-  Äöpte.    (Erschien  nur  %  Jahr  lang  von 

1.  Juli  bis  19.  Dec.  1876  in  25  Nrn.) 
Armtt,  Wilh.,  Schrifttafeln  z.  Gebrauch  bei  Vorlesgn.  u.  zum  Selbstunterricht.  Berlin. 

Weidmann  in  Comm.    (25  photolith.  Tat  Fol.  m.  4  S.  Text.)    9.— 

©eo.  Jpeinr.  *|kr&.    [3m  neu.  »ei*.  43.] 

Sud  ben  papieren  be*  9JMnifterg  u.  JButßßrafen  tjon  2Jtorienbura  Zbeobor  ö.  ©cbön. 

[2.  £&eü.]  3.  »b.  3».  2  Sttb.  u.  e.  Iitfc  3acf.  (4  6.  in  fof.)  »erf.  g.  Stander. 

(556  6.  ßr.  8.)  14.—  0eb.  15.—  .  .  .  [2lnlaaen  «im  2.  ZbeiL  —  ©AarnborfL] 

4.  93b.  2R.  1  Sitfr.  u.  1  diu).)  f$acf.  (IV,  608  8.)  14.-  ßeb.  15.-  (1-4. 
ßeb.:  51.50.) 

Babucke,  Dr.  (Bückeburg)  Bibliographisches  (z.  ostfries.  Spr.)    [Korrespondenxblatt 

d.  Vereins  f.  niederd.  Sprforschg.  No.  3.] 
Zur  Gesch.  d.  Krieges  geg.  Frankreich  v.  1672—74.   [Ztechr.  f.  pr.  Gesch.  u. 

Ldsk.    13.  Jahrg.    S.  237—249.] 
Baenttz,  Dr.  C,  Lehrbuch  d.  Zoologie  in  popui  Darstüg.    Nach  method.  Grdaatz.  f. 

gehob.  Lehranstalt.  .  .  .  Mit  .  .  Holzschn.  Berlin.  Stubenrauch.  (VIII,  2808. 

S.  8.)    2.- 
hrb.  d.  Physik  ...  4.  verm.  u.  verb.  Aufl.  Ebd.  (XVm,  178  S.  gr.  8.)  2.— 
gtaumgatt,  Dr.  £erm.,  bie  Hamlet  «Sragöbie  u.  it?re  flritif.    flß*bß*  i.  $r.  1877  (76.) 

Öarruiiß.    (VIII,  165  6.  ßr.  8.)"  4.— 
Bamg&rten,  Dr.  Paul  (Prosector  in  Königsbg.),  Ophthalmolog.-histol.  Mittheilgn.  I. 

[Graefe's  Arch.  f.  Ophthalmol.    33.  Bd.  2.  Abth.  S.  185—203.1 
©ebinaungen  f.  b.  SBeleaunfl  wm  UÄünbel*  u.  $fleßf<baftS--©clber<t  bei  b.  fteidtfbanf. 

Cöbau.    6rrjecget.    (3)eutf4  u.  poln.)    (8  6.  8.)  baat  —10. 
&c(rc!tb,  GommeräiemSR.,  ber  perfekte  ®eruf.    (Sine  Seeßefd)i<Jbte.    Sortr.,  geaalt,  am 

25.  3an.  1876  im  faufm.  herein  in  (Slbinß.    [Nltpr.  3ta.  9to.  23.] 
Behrend,  Paul,  üb.  d.  Einwirkg.  von  Sulrurylchlorid  auf  Alkohole.  [Berichte  d.  dtsch. 

ehem.  Ges.  z.  Berl.    9.  Jahrg.  No.  15.  S.  1334 — 38 J 

8ettrftQ,  ©in,  g.  ttöfunß  b.  (Sbauffeebaufraße  in  Oft*  u.  SBcjtpr.    ffletltn,  $uttfammer 

&  OJlübibrtHtt.  (31  6.  ßr.  8.)  —60.  [®e«nfAtift  gg.  bie  in  *Bf*g.  etf*.  $tcföttre: 
„3**  Sfftrbcrg.  bet  fcfranffee&aufrage  in  b.  $tot>«  $renB.  tc] 

Sergau,  SR.,  bie  ^ra*tau%  t>.  gRkbefonßeto'S  @ebid)ten.  [3>ic  ®renjboten  2.]  3teife.-$riefe 
ö.  Hart  Salier  r>.  Saüerftetn.  [7.  8.]  3»ei  ©über  $>an$  feolbein  beä  Kelteren. 
[15.]  3)er  enßllfdje  ©rufe  ».  Seit  6tcjj  in  b.  fioren^Äircbe  }u  Nürnberg.  [25.] 
2lu3  b.  Saßebucbe  &  öaller'3  t>.  £aQerMein  [33.]  Der  angebliche  Sobald  Schon- 
hofer.  [Repertor.  f.  Kunstw.  red.  v.  F.  Schestag.  I.  Bd.  4.  Hft.  S.  399—400.] 
Ist  d.  Sakramenthausch.  zu  Schwabach  ein  Werk  des  Adam  Kraffb?    [Ebd. 

5.  401—404.]  Die  Stadtmauer  von  Nürnberg.  [Ztschr.  t  Bauwesen.  Jahrg. 
XXVI.  Hft.  1/3.  Sp.  133—136.]  ftoeb  einmal  b.  3uaenbbtlb  ftembranbt*  im 
iHatbbaufe  3.  «Rürnberfl.  ßeitfdmit  f.  bilbenbe  Äunjl.  12. 3abtß.  1.  oft.  6-  32.1 
Rur  ^tnife  b.  SRürnb.  ©olbfcbmiebefunft.  |@bb.  ^unftebronit  XI.  ^abra.  9lo.  14.] 
3ob.  Kb.  allein.  oJtetro(.)  [@bb.  17.1  ^upferftt<be  t).  SÖenjel  3amt»er.  [@bb.  30.] 
3ur  ^enntnife  ber  91ürnbeia.  ©olbfcbmiebe  b.  16.  3abrb.    I@bb.  40] 

Bericht  üb.  d.  Handel  u.  d.  Schiffahrt  von  Königsberg  im  J.  1875.    Kbg.  Härtung. 

(IV,  91  S.  foL)    3.— 
Bericht  üb.  d.  4te  Gen.-Vsmlg.  d.  Vereins  v.  Lehrern  höh.  Unterr.-Anstalten  d.  Prov. 

Preussen,  geh  z.  Braunsberg  am  6.  Juri  1876.  .  .  Kbg.  Dalkowsü.  (41 S.  gr.  8.) 
Beseel,  Frdr.  Wüh.,  Abhdlgn.  hrsg.  v.  Rud.  Engelmann.    Bd.  II,  III.    Leipz.  Wilh. 

Engelmann.    (VIII,  404  u.  X,  504  S.  4.)    18.—  u.  22.— 


508  Mitteilungen  und  Anhang. 

Biitfttr,  gotftm.  t>.,  in  ÄnSog.  SibStoübe  fron,  eine  Sfoßfanbfrrede  auf  b.  bftnifA.  3toW 

Seelanb.    [  jotftl.  SBlätt.  31  3.  5.  3a&ra.  6.  8—10.  77-83.] 
Blas«.  Plutarch's  ausgewählte  Biographien.  Für  d.  Schulgebr.  1.  Bdch.  Philopoemen 

u.  Titus  Quinctius  Flaminius  v.  Otto  Siefert.    2.  Aufl.  besorgt  v.  Frdr.  Blass. 

Leipz.  Teubner.    (IV,  83  S.  gr.  8.)    —90. 
Bfaurook,  Rieh.,   de   oratione  quae  in  Sophoclis  Oedipo  Rege  v.  216—275  exstat 

obsenrationes  criticae.    Diss.  Rostochii  (39  S.  4.) 
Blümner.  Lessing's  Laokoon,  hrsg.  u.  erläut.  von  Prof.  Hugo  Blümner.  Hit  Holzschn. 

(anf  3  Taf.)    Berl.  Weidmann.    (XII,  336  S.  gr.  8.)    6.— 
—  —  Zu  Plutarch's  Perikles  [c.  12.]    [Neue  Jahrbuch,  f.  Phüol.     113.  Bd.  2.  Hft. 

S.  136—38.] 
Böttdjcr,  tfqrl,  SBunte  Sfmen.    gebergeiebmmaen.    tfoSbö.  Wieviel 
Bohn.  Jahrbuch  f.  Kinderheilkunde  n.  phys.  Erziehung.  N.  F.   Hrsg.  v.  Binz,  Prof. 

Bonn,  Bokai  ...  10.  u.  11  Bd.    Leipz.  Teubner.  a  10.40. 
Bedenken  geg.  d.  Contagiositat  des  Pemphigus  acutus  neonatorum  u.  seine  Ab- 

hängigk.  v.  d.  physiol.  Hautabschuppung  in  d.  erst.  Lebenswoche.    [Jahrb.  f. 

Kinderheilk.  u.  phys.  Erz.    9.  Jahrg.  3.  Hft.  1876.] 
BrattdHtfö,  @eb.  9Reß.*9i  3TO.  t>.,  bie  Dröamfation*flefc&te  bec  inneren  SBwalta.  f.  b. 

Skomng.  $reu&.,  SBranbcnba..,  $omm.,  Scfclef.  u.  Sa<bf.  .  .  Serl.  Gar!  Jpetomann** 

Scrl.    (VI,  378  6.  ör.  8.)    7.- 
Bredsohneider,  Walt.,  Beitrage  z.  Ktniss  d.  Vorstuf.  d.  Harnstoffes  u.  der  Oxydation 

aromatischer  Verbindgn.  im  Thierkörper.  I.-D.  Kgsbg.  (Leipz.  Kessler.  (29  S. 

gr.  8.)    baar  1.— 
Btefcfty,  Srof.  Dr.  $beob.,  ba3  £«1.  tfabettenbauS  au  @ulm  1776-1876.  3Ra<b  urhmb* 

heben  Quellen  bearb.  dulm.  (IV,  223  6.  ar.  8.)  [Nicht  im  Bchhdi. ;  in  ca.  4ooE*pi. 

gedr.  u.  als  Festgabe  vertheilt.] 

Brlschke,  Hptlehr.,  üb.  Hymenopteren-Bauten,  [Aus  »Schriften  d.  naturf.  Ges.  in 
Danzig.*]    Danz.  1«75  (Anhuth)  ( I  S.  Lex.  8.)  —20.   [im  Bchhdi.  seit  Aug.  1876.] 

Brunne*,  Dr.  2B.  ».,  ^ii^ccüe  (aus  e.  alttor.  Urfunbe  t>.  1249)  [3eitf*r.  f.  ftittöaefd». 
12.  39b.  3.  oft.  6.  491-92.] 

Brannemann,  2)ir.  Dr.  6.,  fiebrbueb  b.  franjöf.  6prad?e  f.  Sdjulen  [niebt  f.  b.  Selbft- 
unterr.],  nacb  b.  9Jletbobe  £ouffamk£anflenfieibt.  Jöeftebb.  auä  4  Slbtb.:  SBor* 
fdmle  u.  1—3.  Äurf.  SBerl.  1875.  fianaenfebeibt.  (XII,  83  6.  ar.  8.)  —75. 

Moliere,  ausgewählte  Lustspiele  f.  d  ober.  Klass.  höher.  Lehranstalt  hrsg.  v. 

Dir.  Dr.  K.  Brunnemann.  1.  Bd.  Le  Misanthrope.  Berlin.  Weidmann.  (XVI, 
77  S.  gr.  80.)    —90. 

Büttner,  Ö.,  Ueb.  b.  felbftftdnb.  Steife,  b.  oberen  SebrftanbeS.  ['San*.  3citß.  9945.] 
3ui  Sraae  üb.  SlnfteUß.  u.  ©ebaltöaScenfion  b.  fieferet  an  fcöljer.  Spulen,  [ßbb. 
9067.]  ©riefe  üb.  b..  Umaeftaltq.  b.  böb.  G*ul.  beb.  1>a$  Untrd>t$fleffc.  I  — VL 
[Gbb.  10041.  51.  59.  65.  77.  93.] 

Carnuth,  Otto,  de  etymologici  magni  fontibus.  Altera  pars:  De  iis  locis,  qui  ex 
Herodiani  iliaca  prosodia  in  etymologicum  magnum  translati  sunt.  Berl.  Born- 
träger.    (40  S.  gr.  4.)    2.40.    (1.  u.  2.:  4.—) 

S&oUbuiö,  $rof.  Dr.  £.  $t*»oiitionen  u.  Materialien  au  btf*.  Huffäft.  ...  1.  »beb. 
8.  nb.  Slufl.    Seipj.  Seubner.    (XXIV,  326  6.  8.)    3.60. 

Clebsch,  Alfr.,  Vorlesgn.  üb.  Geometrie;  bearb.  u.  hrsg.  v.  Dr.  Ferd.  Lindemann. 
M.  e.  Vorw.  v.  Fei.  Klein.  1.  Bds.  2.  TM.  Leipz.  Teubner.  (XH,  S.  497 
bis  1050.)    12.80. 

Clericu8.  Vierteljahrs8chr.  f.  Herald.,  Sphragist.  u.  Geneal.  Hrsg.  v.  Verein  »Herold* 
zu  Berlin.  Red.  v.  Ldw.  A.  Glericus.  4.  Jahrg.  Berlin.  Mitscher  &  Rösteil. 
(408  S.  gr.  8.)    8.  - 

Der  deutsche  Herold.  Zeitschr.  f.  Herald.,  Sphrag.  u.  Gen.  Organ  d.  Vereins 

»Herold*  zu  Berlin.  Red.:  L.  Clericus.  7.  Janrg.  12  Nrn.  (1—1 XU  Bog. 
gr.  4.  m.  eingedr.  Holzschn.  u.  Beil.)    Ebd.  baar  9. — 

Conrad,  Max,  d.  Refraktion  von  3036  Augen  von  Schulkindern  m.  Rucks,  auf  d.  Ueber- 
gang  d.  Hypermetropie  in  Myopie.  I.-D.  Kgsbg.  1875.  (Leipz.  1876.  Kessler) 
(45  S.  gr.  8.)  2 .—  Mit  2  (lith.)  Taf.  2.  Aufl.  Leipz.  Kessler.  (47  S.  gr.  8.)  2.— 

Conweirtz,  Hugo  (aus  St.  Albrecht  bei  Danzig)  Ueb.  d.  versteint.  Hölzer  aus  d.  nord- 
deutsch. Diluvium.  L-D.  Breslau.    (34  S.  8.) 


Altprenssiflche  Bibliographie  1876.  509 

[CopernkMis.]  Berti,  Dr.  Prof.  Domenico,  Copernico  e  le  vicende  del  sistema  Coperni- 
cano  in  Italia  nella  seconda  meta  del  secolo  XVI  e  nella  prima  del  XVII  con 
documenti  inediti  intorno  a  Giordano  Bruno  e  Galileo  Galilei:  Discorso  letto 
nella  B.  Universita  di  Borna  in  occasione  della  ricorrenza  del  IV  centenario 
di  Niccolo  Copernico.    Borna  tipografia  G.  B.  Paravia  e  Oo.    (255  S.  gr.  8.) 

(Fantor,  2Rorifc,  Ueb.  bie  Nationalität  beä  (SopernicuS.  [Hug9b.  %Üq.  &  r>.  1.  Slua. 
93cil.  au  214.1  Sulla  nazionalita  del  Copernico.  Tradnzione  dal  Tedesco  del 
Dr.  Alfonso  Sparagna.  [Bnllettino  di  bibliogr.  e  di  storia  delle  scienze  mat. 
e  fis.    T.  IX.  Dicembre.  p.  701— 7t6.] 

Copernic  et  Galileo.    [Ateneum.  Novembre  1876.] 

Förster,  Wilh.,  Sammig.  wissenschftl.  Vortrage.    Berlin.   Dümmler.    (V,  197  S. 

gr.  8.)     3.-—    [Bnth.  unt.  No.  7  Nicolaus  Copernicn«.] 

Seoparbi,  ©iacomo,  ßopemicu«.    2>eutf*  ü.  $aul  öenfe.    ISBeftermann'«  tfluftr. 

btfic  2Ronat$:6fte.  2Kai.  3.  %.  in,  156—161.] 
2>$am,  SRicol.  (Sopernicu*.    [Statur  u.  Dffbq.  3)ec.  1876.] 

€ofa<t,  2Bilbv  Materialien  j.  ©ottbolb  @pfer.  Seffwa/g  fcamburajfö.  Dramaturgie.  »ufr 
fübrl.  (Somment.  nebft  (SinL,  &n&.  u.  SReß.  $aberbont.  6cbömnfl&.  (VI,  451  6. 
ar.  8.)    4.50. 

SimphafftmuS.    (Sin  «Roman  b.  17.  $a&rb.  SBortr.  I3)anj.  3tp.  9673.  75.  77.1 

Cuno,  J.  G.  (in  Graudenz)  Zwei  gallische  Inschrift,  ans  Oberital.  [Nene  Jahrbuch, 
f.  Phüol.  n.  Päd.    113.  Bd.    3.  n.  4.  Hft.    S.  227-234.] 

Curtze,  Max.,  d.  Handschriften  n.  seit.  alt.  Drucke  der  Gymn.-Biblioth.  z.  Thorn  be- 
schrieb. 1.  Theil.:  Die  Hds.  u.  Incunabeln.  Thorn  1875.  (Leipz.  Qoandt  & 
Handel  1876.)    (40  S.  gr.  4.)    baar  2.— 

Schiaparelli,  Dir.  G.  V.,  die  Vorlauf,  d.  Copernic.  im  Alterth.  Histor.  Unter- 
such^. Unt.  Mitwirt,  d.  Verf.  ins  Deutsche  übtrag.  v.  Max.  Curtze.  Leipz. 
Quandt  &  Handel.    (VIII,  109  S.  gr.  8.)    baar  2.80 

Copernico  in  Italia.  Tradnzione  dal  tedesco  del  Dr.  Alfonso  Sparagna.  [Bnl- 
lettino di  bibliogr.  e  di  stör.  d.  sc.  mat.  e  fis.  T.  IX  Giugno.  p.  315—319.] 
Bemerkgn.  z.  d.  Aufsätze  Güntfcer's  »Zur  Gesch.  d.  dtsch.  Mathem.  im  löten 
Jahrb.*  [Bepertorium  d.  lit.  Arbeit,  auf  d.  Gebiete  cL  rein.  u.  angew.  Math. 
I.  BdL  3.  Hft.  S.  247.]  Beliquiae  Copernicanae.  [Ebd.  247— 4a  et  Altpr.  M. 
XIV,  381]  Hat  Copernic.  d.  Einleitg.  in  sein  Werk  selbst  gestrich.?  [Ebd.  249.] 
Letztes  Wort  üb.  d.  Biblioth.  hist.-natur.  [Ztschr.  f.  Math.  u.  Phys.  21.  Jahrg. 
5.  Hft.  Hist-liter.  Abth.  S.  151—54.]  rec.  Hankel  z.  Gesch.  d.  Math,  in  Altth, 
n.  Mittlalt.    [Jen.  Lit.-Z.  1876.  18.1 

©a&  6im.,  ©ebiite.  §tZq.  &.  £erm.  Oefterfoj.  Seipa.  1876.  $rod$au£.  [2>eutf<$e 
3)id>t.  b.  17.  Sabrfc.  9Wit  einleitan.  u.  $nm.  br$ß.  n.  Äarl  ©oebefe  u.  Jjul 
Sittmann.  9.  35b.l    (LVH,  236  S.  8.)    3.50.  aeb.  4^0. 

fiafrt,  f?cltr,  (Sin  Jtampf  um  9tom.  ipiftor.  Vornan.  93b.  1—4.  Spj.  SJreitfotof  &  fcArtel 

SnÜ,  416  6.;  400  6.;  488  6.  m.  1  litfr.  $lan;  488  6.  8  m.  2  Äatt.)  24.— 
önia  Stoberid).  ®n  Xrauerfp.  in  3  $lufe.  2te,  burebgefefr.  iL  fcanb.  SluSa.  6bb. 

(X,  222  6.  8.)    4.—  geb.  5.— 
2)eutf*.  SRetbtöbu*.  Gin  6tf eael  b.  beut,  bfiraetl.  S*e<6t8  in  2>tfcWb.    SWrblina. 

1877  (76)  »ed.    ffcanbbibltotfret  f.  b.  öfitL  Seben.  2  SBbJ  £fß.  1.  (VHI,  96  &" 

ar.  8.)  cplt  in  5  Sfan.  a  1.50. 
langobardische  Studien.  1.  Bd.  Paulus  Diaconus.  1.  Abth.  Des  Paulus  Diaconus 

Leb.  u.  Schrift.    Leipz.    Breitkopf  &  Härtel.    (LVI,  104  S.  gr.  8.)    3.50 

$te  »malunaen.    Gm  ©ebidtf.    (Sbb.    (69  6.  ar.  8.)   4.- 

Sa*  Jtriea3Ted>t.    Äurge  »oU3t&ümli4e  3)arfleUunaen  für  ^ebermann  jumal  f. 

btfefee  Solbaten.    [äuSjua,  av.3  b.  Kerne  du  droit  international.]    äBürgburg. 

«.  6tuber.    —80. 
2)en  SUamannen  u.  ©dtfnaben.  [Gartenlaube  37.]  fiueber*  (Senfertonvention.  (9tec.) 

[Huaeba.SUIa.3«  6.  (»etL)]  ©riefe  au«  3*ule.  VHI.  IX.  f@bb.  »eil  j.  37  u.  49.] 
Dengel)  Dr.  C.  J.,  Precis  de  l'hist.  de  la  litterat.  Frany.  .  .  4.  ^ait.,  nouveUem.  revue 

et  corr.    Kgsbg.  Beyer.  1877  (76).    (VI,  162  S.  gr.  8.)    2.— 
^Denff^Hft  ald  Chnlabung  gu  b.  gcft0otteßbien[ten  am  1.  Slbütfonnt.  b.  3.  3)ec  1876. 

bei  b.  lOOjabr.  äubelf.  ber  na*  b.  Sranbe  x>.  11.  9to*.  1764  in  b.  3.  1765—76 

nrieb.  erbaut  £öbem*tfa>.  Kirche.  Kbg.  Oftpr.  3tgd.«  tu  SBlg^Sr.  (32  6.  dt.  8.) 


510  Mittheilungen  und  Anhang. 

DoffilNL  Aufeeichngn.  üb.  d.  erloschenen  Linien  der  Familie  Dohna.    Als  Mac.  gedr. 
Berlin.    Geb.  Obhofbchdr.  (XIII,  343,  372  S.  gr.  8.  m.  Anh.   Hft.  1—3  enth. 

Stammtaf.  I — IV,  Karte  A.-D.  U.  Ueberaicht  47  S.)  Vorwort  nntB.:  Berlin,  April  1876. 
Siegmar  Graf  Dohna,  Gen.-Lieut.  b.  D.] 

Sorfseittttift,  lanbnrirtMcb.  .  .  fcr$ö.:  ©.  Äretfe.    XIII.  3a&ra.    ßbfl.    Mab.  $8<bb.  in 

(Somm.    4.— 
Dorn,  Heinr.,  Ergebnisse  ans  Erlebnissen.    5.  Folge  der  Erinnerungen.   Berlin.  1877 

(76)  LiebeL  (3  Bl.,  179  S.  8.)  3. —  [Die  vorhergehenden  sind:  (I.)  Aus  meinem  Leben. 
Mnsikal.  Skixicu  Berlin.  Behr.  1870.  (2  BI.,  32,  69  u.  34  S.  8.)  3 .—  (IL)  3u0  mein.  Sefcen. 
©rinnergn.  0erL  ^>au«fccunb»(5fpcb.  o.  3.  (3  33t,  154  @.  8.)  3.—  (III.)  ttu*  mein.  8 eben. 
Crinnctgn.  (3.  ©ammL)  «&b.  1872  (3  »t.  150  6.  8.)  S.—  (rv.)  OfhraciGimi*.  (Sin  Öeriä>t 
ererben  aufgetragen,   »erlim  »ebr.  1875.  (2  8L,  119  ©.  8.)  2.—] 

Sa«  pronifor.  Statut  b.  fönißl.  Mab.  b.  JÄünfte  in  »crlin  beurtb.    2krl.  1875. 

SBebr.    (15  S.  ftr.  8.)  baar  —25. 
Dorr,  Oberl.  Dr.  Rob.,  üb.  d.  Gestaltgsgesetz  d.  Fcstlandsumrisse  u.  die  symmetr. 

Lage  der  grossen  Landmassen.    3.  Aufl.    Vcrra.  durch  4  Vertheidiggsschrift. 

d.  Verf.    Liegnitz,  Kaulfuss.    (VI,  207  S.  gr.  8.  m.  2  Tai.)    2.25. 
Ein  Wort  üb.  d.  Citir.  der  Quellen  in  wissensch.  Büchern.    [Der  Antikritiker. 

Organ  f.  liter.  Vertheidigg.     I.  Bd.  No.  3.  S.  54-56.] 
£&W  fi*  bic  ©eftalt  ber  SeftlanbSföften  erflftren?    [®äa.  9ieb.:  Dr.  £.  JHein. 

12.  Sabta.  oft.  7.    SUtpr.  3tn.  109  («eil.)    Sreie  2ebrerjeUa.  5  u.  a.  a.  0.] 
fitttf,  Dr.  2Ub7  Stimme  ber  Sttenfcbbeit.    Gbriftltdje  ©laubenolebre.    diu  Sebrbucb  f. 

firdjenfreien  SReliaionSunterricbt  in  ©emembe,  Sdjule  u.  $au&    1.  $bcU:  Hxit. 

®laubeneh*re.    Seipj.  ginbel.    Sfa.  5.  6.  (X.  u.  S.  305-547  <\t.  8.)  ä  1.— 
flFbett,  $olyei*Setr.  *c,  b.  preujj.  ^oltaekörehitrobeamte.  .  .  2.  mn.  Slufl-    ÖraunSbß. 

$eter.    (213  S.  flr.  8.)  3.— 
fl£aloffftrftt*3lrtlitten,  Äarl  ®raf  *.,  ein  ©lief  auf  ©otteS  3öort  auf  bie  flßtoÄrt.  emfte 

3ett  u.  ibre  ernft.  3«*en.  (üJtattb.  1«,  2.  3.)  SBerl.  »etf.  (39  S.  8.)  baar  —60. 
Etohhorst,  Prof.  Dr.  Herrn.,  über  die  Diagnose  der  progressiv,  pernieiösen  Anämie. 

[Deutsche  Ztschr.  f.  prakt.  Medic.  33.  Gentralbl.  f.  d.  media  Wissenschftn.  26.] 
Cidbetn,  3.  &>  bie  Reform  be«  gleifcb-SBertaufeä,  ibre  SBerecbttfluna.  u.  »olfSiüirtbfcb. 

»cbeutfl.    9Wit  5  Suuffr.    San*.  flafemann.    (24  S.  flr.  8.)  —60. 
Efeentahn-Coursbuch,  ostdeutsch.,  nebst  d.  anschliess.  Posten  f.  d.  Provinz.  Preuss., 

Posen  n.  Pommern.  Von  Herrn.  Smalian.   Sommer  1876.  Ebd.  (16  S.  gr.  16.) 

baar  —30.  —  Decbr.  1876.  (24  S.)  baar  —25.  —  Januar  1877.  (24  S.)  —25. 
Erdnann,  Ose,  Untsuchgn.  üb.  d.  Syntax  der  Sprache  Otfrids.   1.  Thl.   Die  Forma- 
tionen d.  Verbums  in  einf.  u.  in  zsgesetzt.  Sätzen.    Halle  1874.    Buchh.  d. 

Waisenh.  (XVIII,  234  S.  gr.  8.)  6.—  .  .  .  Gekrönte  Preisschrift  d.  ksl.  Akad. 

d.  W.  in  Wien  [Paul  HaTsche  Stiftg.]  2.  Thl  Die  Formationen  des  Nomens. 

Ebd.  1876.    (VIII,  272  S.)  8.— 
(9altJ  Cbltt,  6m.,  3ot>anne3  galf  u.  bie  9tot&3&erxen  rj.  Stonjifl.    (29  6.  flr.  16.) 

l©rofd)en»$tbliotb.  f.  b.  btföe  »olt.  91r.  9  u.  10.  »armen.]  a  —10. 
Flach  Dr.  Hans,  das  dialektische  Digamma  des  Hesiodos.  Berlin.  Weidmann.  (VII, 

77  S.  p.  8.)    2.— 
die  Kaiserin  Eudoxia  Macrembolitissa.  Eine  Skizze  aus  d.  byzantin.  Gelehrten- 
leben d.  11.  Jahrh.    Vortrag  geh.  im  Königsbau  zu  Stnttg.    Tübing.  Fues. 

(38  S.  gr.  8.)  —50. 
Glossen  u.  Scholien  zur  Hesiodisch.  Theogonie  m.  Prolegomena.  Lpz.  Teubner. 

(XVI,  432  S.  gr.  8.)  8*— 
Kuniua,  Alb.,  Etewnetykts  ßiptiov  xqItov    Carminis  librum  111.  e  cod.  Tubingensi 

ed.  Jons.  Flach.    Tübing.  (Fues.)    (19  S.  gr.  4.)    1.— 
—  —  die  neuest.  Arbeiten  üb.  d.  Digamma  bei  Hesiodos.    [Neue  Jahrb.  f.  Philol. 

113.  Bd.  6.  Hft.  S.  369—75.]  rec.  K.  Brugman,   c.  Problem  d.  Homerisch. 

Textkritik.  [Ebd.  10.  Hft.  S.  657—62.]  Ein  codex  Tubingensis  des  Aristoteles. 

SSbd.  11.  Hft.  S.  733—34.]   Bericht  üb.  d.  i.  d.  J.  1874  n.  75  veröffentl.,  auf 
.  nachhomer.  Epiker  bezügl.  Arbeiten.  [Bnrsians  Jahresber.  üb.  d.  Fortachr. 
d.  class.  Altthsw.  2.  u.  3.  Jahrg.  1.  Hft.  S.  1— 26J 
Fftrttemaim,  E.  W.,  Mittheilgn.  aus  d.  Vwaltg.  d.  kgl.  öflftl  Biblioth,  z.  Dresd.  i.  d. 
J.  1871—75.  .  .  Dresd.  Burdach.  (50  S.  gr.  8.)  1.— 


Altpreufltucfae  Bibliographie  1876.  51 X 

Forsteaam,  E.  W.,  Enk  n.  Halm  [Areb.  f.  Litteraturgesch.  hrsg.  v.  Fn.  Sciaorr 
v.  Carolsfeld.  V.  Bd.  4.  Hft.  S.  622— 36.]  Ueb.  deutsche  Volksetymologie. 
[Ztschr.  f.  vgl.  Spracht  Bd.  XXIH.  Hft.  4.  S.  375—384.] 

9uebett£üote,  SHelißtöf.  ©onntaaöblatt  f.  djriftl.  gamilien.  iReb.  it.  SBerf.  $Forr.  ©roncrfc 

Äaäbq.  $bß.  (Öraun  &  üöeber.)  [$er  „fttitbtnmu*  tritt  t>.  l.  tfyrtl  1876  ab  an  bie 
©teile  be«  feit  l.  3am  1878  $1«  $r«g.  »Äat^olif.] 

Friedländer,  Dir.  Dr.  Konr.,  die  bürgerl.  Bilduug  im  Johanneum  u.  d.  Anfange  d. 

Realsch.  Hamburg.   [Progr.  d.  Realsch.  d.  Johanneums,  z.  Einzüge  in  d.  neue 

Schulgebäude.    (54  S.  gr.  4.) 
u.  Wüh.  Bahnson,  Beiträge  z.  Gesch.  d.  Bealsch.  d.  Johann  eums.  Ebd.  (Nolte.) 

(81  S.  gr.  4.  m.  5  Taf.)    baar  nn.  3.— 
Friedländer,  Prof.  Dr.  L.,  Jahresber.  üb.  d.  röm.  Satiriker  (ausser  Lucüius  u.  Horatius.) 

[Jahresber.  üb.  d.  Fortschr.  d.  class.  Altthsw.  2.  u.  3.  Jahrg.  1874—75.  4.  Hft 

5.  207—215.]    greifen  in  Italien  in  b.  iefet.  3  3a&rbb.    [$tf*e  Sfombfcbau. 

2.  ftobrß.  8.  £ft.  6.  233-251.]    tfant  in  feiner  öteQunß  jut  $olittf.    [<§bb. 

3.  3abr«.  2.  oft.  6.  241—255.] 

Fritchbier,  H.,  Preussische  Sprichwörter  u.  Volksthümliche  Redensarten.    Gesamm. 

u.  hrsg.    2.  Saramlg.    Mit  e.  Glossar.    Berl.  Enslin.   (XII,  264  S.  8.)  4.— 
Stbatier,  Dr.  Karl  @mil,  SReucftcr  Söeatoeifcr  bind?  Samlanb.     6.  Slufl.     ftßgbß. 

£artunfl.    (VIII,  101  6.  ßr.  16.  mit  1  Acute.)    1.50. 
(Bcmcinbe&latt,  e»anßeltfa>e$  .  .  .  br$ß.  t).  £erm.  ©Isberßer.    31.  3Mrß.    ÄßSbß. 

Dftpr.  3tfl«.*  u.  äßlßSbr. 
3fraclitifcbeö.    6pectalorßan  f.  b.  jfib.  ©emeinbelcb.  .  .  .  brSß.  &.  Rabbiner  Dr. 

6<breiber:<S(bina.   1.  3abrß.  Abg.  $r.  u.  SBerl.  x>.  2.  prange  &  (So.   2Bo*entl. 

1  ©oa.  4°.    SBiertelj.  1.25. 
ßentzen,  Assist.-Arzt  Felix,  Beobachten,  am  weich.  Gaumen  nach  Entferng.  e.  Ge- 
schwulst in  d.  Augenhöhle.    Kbg.   (Leipz.  Kessler.)    (31  S.  gr.  8.  m.  2  Taf.) 

baar  1.50. 
©eorgme.    SanbmirtMcbaftl.  3tf*r.  .  .  .'  3abrß.  1876. .  12  9fcn.  ä  y,— l  »oß.  ßT.  8. 

3nfterba.    (©umbinn.  6ter$el.)    3.75. 
©ct#,  Or.  5-  5-  in  ©üficlborf,  iHeujabrslieb  b.  Äüdbenbiener  m  @f?en  u.  bcS  prandium 

ber  6borf*ület  bafdbft.    [3tf*r.  b.  SBerßifd).  ©ef*icbt$öerein3.  %  g.  11.  »b. 

6.  101-103J  $a$  Setlißtbum  t.  Gffen.  [<§bb.  6. 108— 110-1  £Öfe  u.  £ofe& 
re*te  beS  ebemal.  6tift$  (Sfien.  l@bb.  6.  174—199.]  3>ie  S*ule  in  ßffen. 
(Gbb.  6.  102.] 

Geeohichtechreiber,  die  preussischen,  d.  16.  n.  17.  Jahrh.  hrsg.  v.  d.  Verein  für  die 
Gesch.  d.  Prov.  Preuss.  1.  Bd.  Lfg.  1. 2.  Leipz.  1875—76.  Duncker  &  Humblot. 

[Inhalt:  8imon  Grünau 's  preuss.  Chronik  .  .  .  hrsg.  v.  Dr.  If.  Perlbach.  1.  Bd.  Tractat 
I— XIV.    (VIII  S.,  8  Bl.  u.  755  8.  gr.  8.)    15.20. 

<Setoetbeblatt  f.  b.  $rm>.  $reujien.  ...  (2.  3afc*fl.)    9teb.  p.  Simons   (52  9trn.  a 

y2— 1  SBoß.  ßr.  4.)    Äßäbp.    £au*branb.    Quart.  —75. 
Blagau,  Otto,  d.  Börsen-  u.  Gründgs-Schwindel  in  Berlin.   Gesammelte  n.  stark  ver- 
mehrte Artikel  der  , Gartenlaube \    Leipzig.    Frohberg.    (XXXVI,  367  S.  8.) 

(4  Auflagen.)    5. — 
©olbfdjmibt.    8tfat.  f.  b.  ßefammte  £anbel3Tea}t  btfß.  t>.  @eb.  Sufllfcffl.  3Brof.  Dr. 

£.  ©olbfcbmibt  ...  21.  S3b.  SR.  3.  6. 93b.  4  £fte.  (l.  u.  2.  fcft  348  6.  ßr.  8.) 

6tuttß.    12.— 
®tau,  $rof.  SRub.    2)et  föetoeB  bed  ©tauben*.    UionatSfcbr.  . .  .  unt.  leitenb.  MU 

»irfß.  t).  35dlet  u.  91.  ©tau  .  .  .  Safrß.  1876  ob.  12. 83b.  ©OterSiob.  Wertet* 

mann.    8. — 
SBibelmett  für  b.  ©emetnbe.  3n  Sbbß*  m.  mebr.  euanp.  S^eoloß.  bearb.  u.  kte 

.  .  .  9leu.  Seftam.  Sfß.  1.  2.    SBielefelb  u.  Seingiß.    SBelbaßen  &  Jtlafmß.    (IV, 

332  6.  gr.  8.)    a  1.60. 
2>er  $roloß  b.  6DanßeItumS  6t.  3obanm3.    3ob.  1,  1—18.    [S)er  $bewm  be? 

©tauben^.  12.  »b.  6.  617-633?] 
<Sregoroviu3,  gerb.,  ©anberjabre  in  Stalten.    4.  93b.    SBon  ftanenna  btd  2Rentano. 

3.  2lu{l.    2eiw.  »rodbau*.    (lXf  379  6.  8.)    5.40.  geb.  6.— 
©eiftitbte  ber  6tabt  in  diom  im  9RittefaUer  ...  3.  »erb.  Sluft.  1.  So.  Stuttß. 

1875.  Sotta.    (IX,  475  S.  ßT.  8.)    9.— 


512  Mittheilungen  and  Anhang. 

Gregorovlus,  Ferd.,  Storia  della  citta  di  Borna  nel  raedio  evo  .  .  .  Prima  traduzione 

italiana  delT  aYY.  Benato  Manzato.  Vol.  VI.  VIII.  Veneria  1875.  76.  AntonelLL 

(852  u.  836  S.  16.)    L.  8,50  u.  11. 
Die  histor.  Stadien  im  alten  Calabrien,  der  heutigen  Terra  d'Otranto.   [Sitzgs- 

berichte  d.  philos.-philol.  u.  bist.  Cl.  d.  k.  b.  Akad.  d.  W.  zu  München  1875. 

Bd.  II.  Hft.  4.  S.  409—425.]    Sarent.    [3m  neu.  Meid).  17.]    $a*  9*ömif*e 

6taat$ar*to.    IStftor.  3tf*r.  18.  3afrra.  3.  oft.  ©b.  36.  S.  141—173.1 
Orimbuttg,  bie,  bei  SBefipreufj.  (StfenWtte.    6ep.*2lbbr.  au«  b.  Dffyr.  3tg.    ÄaSbß. 

Ofrpr.  3tflfr  u.  35la8br.    (19  6.  ar.  8.)    —30. 
Graenhagen,  Prof.  Dr.  A.,  Otto  Funke's  Lehrbach  der  Physiologie  f.  akad.  Vorlesgn. 

und  zum  Selbststadium,    6.,  neu  bearb.  Aufl.    I.  Bd.    Leipzig.    Leop.  Voss. 

(VIII,  711  S.  ct.  8.)    15.— 
GBterbock,  Prof.  Dr.  Carl,  die  Entstehgsgesch.  der  Carolina  auf  Grund  archi?alisch. 

For8chgn.  u.  neu  aufgefund.  Entwürfe  dargest    Würzburg.    Stuber.    (VIII, 

300  S.  ct.  8.)    8.— 
Gutschmkl,  Alfr.  ▼.,  Prof.  zu  Jena,  Neue  Beitrage  z.  Gesch.  des  Alten  Orients.    Die 

Assyriologie  in  Deutschland.    Leipz.    Teubner.    (XXVI,  158  S.  gr.  8.)    4.— 

(Beendigt  KSnigsb.  i.  Pr.,  den  6.  Febr.  1876.) 

Habracker,  Dr.  Paul,  Madvig's  Conjecturen  zu  den  Tragödien  des  L.  Annaeus  Seneca. 

[Wissenschaftl.  Monate-Blatt.  No.  8.] 
töaaebotn).   8ut  görbera.  bei  (Sfrauffeebaufraae  in  b.  $rot>.  $reuf*.  unter  b.  iefeiaen 

SBbltniffen  .  .  .  Äbß.  &  3-  5)alton)$ti.    (43  6.  ar.  8.  m.  1  Tabelle.)    2.— 
Äaaen,  2toa.,  Worica,  baS  futb  nümbera.  MoöeQen  au*  alt  Reit    9tad)  e.  $bfd)r.  b. 

16.  3aM.    5.  bur*aefefc  Rufl.    Seift,    äöeber.    (XVIII,  332  6.  8.)    6.- 
Äöniain  fiouifc  in  Sieb  unb  ©üb.    [$a&eim.  51.J 

Hagen,  G.,  Untersuchgn.  üb.  d.  gleichförm.  Bewegg.  d.  Wassers.  Berl.  Ernst  &  Korn. 

(IV,  104  S.  gr.  8.)  4.- 
[Hamann.]  Montoro,  W.,  Juan  Jorge  Hamann.  [Bevista  contemporanea.  15.  Novbr. 
Madrid.] 
•Joel,  ©.,  3°k  ®eo.  Hamann,  ber  ÜRaauS  im  Sorben.  Qrin  Sehen  u.  SRitt&eilan. 
au*  f.  Scbrift  in  2  3Jcil.  £ambß.  1874—76.  Agentur  o.  Raub.  fcaufe*. 
(XV,  438  €.  gr.  8.  m.  1  $l?otoH4.  u.  1  Sab.  in  qu.  4.  u.  XVIII,  640  6.) 
a6.~ 

^djtraalicbe*  }u  ben  „^freüunaen  au*  £/*  6ä)rifien*.  @bb.  1877.  -4a 

$anbt(**  u.  04t#fafctögeorau<$c  in  JföniaSb.  i.  $r.    3fntßeft  n.  b.  atorftefceramte 

b.  jtaufmfd).    Äba.    Wartung.    (25  6.  8.) 
tymftourg,  Dcton.*8i,  $)exitfd?e  lanbnrirt&f*.  ffeeffe  .  .  •  3.  3a&rß.    (104  SRrn.  ä  >/s 

big  1  Sog.  ar.  Sei.)    Berlin.    aBießanb,  fcempel  u.  $areü.    äJiertelj.  5 — 
«aufcÄalenbet  für  b.  $rot>.  Ereufr.,  $omm.,  $of.  u.  6d?lef.  f.  b.  3. 1877.  9. 3afrg. 

2Jttt  mel.  (einaebr.)  fcoUfan.    Äbß.    »euer.    (192  6.  ar.  16.)    —50. 
feimltcft,  Ärei*aer.s9i  in  Xtlftt,  3u  §  52  Slbfafc  3  ber  %urmunbfd)aftö«Oibnuna  x>vm 
5. 3uli  1875.  [@rud?ot'*  Settraße  g.  6d.  b.  btf*.  9te*t*.  91.  g.  V.  3.  u.  4>$ft. 
S.  425-26.] 
#ctaers,  Dr.  ©>.,  ®efd?id)te  jBreu&en*;  bearb.  u.  ö.  3afre  1867—71  fottaef.  p.  Dr. 
<L  3.  Smtbiett.  7.  Sluff.  .  .  .  2.  StL  Abg.  9ltab.  a9d)6.  (XXV,  607  6.  ar.  8.) 
5.—    (cplt.:  6.50.) 
gebrannte  lleberftdjt  b.  tjaterl.  <$efä).  SBoQftbg.  umßearb. .  .  .  n.  Dr.  gr.  Ärefta. 

17.  «.  18.  »ufL   (IV,  80  6.  8.  m.  1  Mftor.  (lift.  u.  color.  Äarte.)    —60. 
Hejnowski,  Leonh.  v.  (aus  Tarzno  i.  Westpr.),  die  Lohnzahlgsform.  u.  Lohnsrsteme 

in  d.  Landwirthsch.    Leipz.  L-D.    Thorn.    Buszczyiiski.    (74  S.  gr.  8.) 
Neiarich.  Docent  ln.9  Grammatik  d.  dtsch.  Stenographie.    Eine  Veranschaalichg.  d. 
Grandzüge  d.   Grabeisberg.  Systems.    2.  Aufl.    Egsbg.     Akadem.  Buchhdlg. 

£V,  16  S.  gr.  8.)    —60. 
esebuch  t  d.  Elementar-Unterricht  in  d.  dtsch.  Stenographie  nach  Gabeis- 
bergers  System.    Zur  y Gramm,  d.  dtsch.  Stenogr.*    Ebd.  in  Comm.    (2  BL,, 
32  S.  gr.  8.)    1.— 
Heiaze,  Dr.  fl.  (Marienburg),  Jahresbericht  über  Plutarch's  Moralia  für  1874  u.  75. 

EJahresber.  üb.  d.  Fortschr.  d.  claas.  Alterthumsw.    2.  u.  3.  Jahrg.    7.  Hft. 
J,  676—586.] 


AHpreuBsische  Bibliographie  1875.  513 

§  er  bort,  3?ob.  Sriebr.,  pübaaoflifdje  Scbriften.    1.  99b.  Mgem.  ^äbaaoajf  u.  tttttrifc 
päbaoofl.  Sorlefan.    9Wtt  Surnerf.  u.  Grtäut.  nerfeb.  &.  flarl  9M*ter.  oft.  1—8. 
Cl.  «b.  XCVI  u.  400  6.  or.  8.)    flßäbafl.  sBibliotb.  •  .  .  fcrSß.  t>.  Äarl  tHtc^ter. 
£ft.  64-71.    Seipj.  Sieatemunb  &  SBolteninfl.]    ä  -50. 
Staublungen,  päbafloa.,  d.  ÜJtitfllieb.  b.  roifftnfdjaftkpfibaaoa..  $racticumg  an  b. 
Uninerf.  £eip^ta,  Mfl.  n.  $rof.  S.  Strümpell.    2.  #ft.:  (Sine  fteftgabe  Jttt 
Öerbartfeiec.    gbb.   (109  6.  «r.  8.)  a  1/20. 
Drobtech,  Mor.  Wilh.;  üb.  d.  Fortbildg.  d.  Philos.  durch  Herbart.   Akad.  Vorles. 
z.  Mitfeier  sein.  lOQj.  Geburtstags  geh.  zu  Leipz.  am  4.  Mai  1876.    Lpz. 
Voss.    (40  S.  gr.  8.)    1.— 
$cmria,  £ebr.  ©.  21.,  3ob.  griebv.  £erbart.    gu  fm.  6äcularfleburt*taa.  nadj  fm. 
Sehen  u.  fr.  p&bafl.  SBcbeutß.  batflefteüt  in  4  Vortrag.]    [änü  „Sdjulblatt 
für  b.  $rot>.  tränten  bürg."]    tfpri&.    (Sehnig.    SiefliSimmb  &  Stoiteninß. 
(57  6.  or.  8.)    1.— 
3iifc  Dr.  £.  6.,  bie  goribilbfl.  ber  tfantifä.  Gtbif  bur*  fcerbart.  ©efrönte  $rei& 
f*rift.    ©tfena*.    SBacmeiftcr.    (1  81.,  39  ©.  8.)    |$ttag.  Srub,  &r*g.  *. 
Dr.  SBÜb.  Wein.    5.  6ft.J    —90. 
Lazarus,  M.,  Rede  auf  Herbart,  bei  d.  Enthüllg.  des  Denkmals  in  Oldenburg  z. 
lOQjahr.  Geburtstage  am  4.  Mai  1876  gehalt.    Berlin.    Dümmler's  Verl. 
(16  S.  gr.  8.)    —40. 
Schneider,  Dr.  Gern.,  die  metaph.  Grdlagen  d.  Herbartsch,  Psychol.  dargest.  n. 

krit.  untersucht.  L-D.  Erlangen.  (58  S.  8.)  I.— 
Zimmermann,  B.,  Perioden  in  Herbart's  philos.  Geistesgang.  [Aus  »Sitzgsber.  d. 
k.k.  Akad.  d.  Wiss.«]  Wien.  Gerolds  Sohn  in  Comm.  (58  S.  Lex.  8.)  —80. 
Scrbct**,  3feb.  ©ottfr.,  SBette.  17.  ®b.  (XXXII,  736  6.  at.  16.)  18.  »b.  (LXIV, 
720  6.)  [National;  93tbliotM  fämmti.  btfd).  Glaffifet.  I.  tnoblf.  tt.  üollftb. 
3lu$a.  ibr.  SWeifteroerte.  Berlin.  Tempel.  2fg.  501.  506.  510.  512.  513. 
518.  520.  523.  531.  542.  543.  545.  547—549.  651.]  ä  —25. 

Contes  choisies  des  feuilles  de  palmier;  par  Herder  et  Liebeskind;  pubL  a?ec 

des  notes  en  franc.  par  J.  Fortwengler.    Paris.  Berlin.   (III,  207  S.  12.) 

Bärenbach,  Frdr.  v„  Herder  als  Vorgänger  Darwin's  u.  d.  modern.  Naturpfcilot. 

Beiträge  z.  Gesch.  d.  Entwicklgslehre  im  18.  Jahrh.    Berlin  1877  (76). 

Grieben.    (71  S.  gr.  8.)    1.50. 

4&effe,  Dr.,  bem  Slnbenfen  3ob.  ©ottfr.  ßerbet'S.    gcftrebe  gefcalt.  ju  SBeimar  am 

©rabe  fcerber'3  b.  2.  Oct.  1876.    [^roteftant.  Äircbenjig.  42.] 
SWotrcS,  6b.,  Beiträge  *.  SBflrbiaung  ».  perber'ä  SßÄbagogtt.    8eip*.  3nauayS)iff. 
Setp*.  3)rud  *>.  g«*er  &  SBittia.    (2  23L,  56  6.  gr.  8.) 

Dr.  ßb.,  Öerber  aU  $Abaaog.    [$äbaaoa,  6tub.  &r«g.  ü.  Dr.  ©ilfc.  Mein« 

9.  <&ft.    ©fenaaj.    ©acmeifter.    (60  6.  gr.  8.)]    1.50. 
®d>mibt,  Sultan,  SRotig:  trit.  ©efammtauSa.  Berber'«  r>.  Dr.  Supfran,   Htaeaft. 

3a&rbü4.  37.  ob.  5.  oft.  6. 566—67.] 
Wegener.  Theod.,  Herder's  Forschgn.  üb.  Sprache  u.  Poesie.    Potsdam  1675. 
(Progr.  d.  städt.  Bealsch.) 
^erquet,  Dr.,  bad  Söreüe  be3  $apfted  Sttnoceng  VL  t).  3.  1355  an  ben  Sonoeat  ju 

Sibobofii.    [©ocbenbl.  b.  3obannit.=Orb.^aUep  SBranbenba.  M  5.] 
Herrendoerfer,  Gfr.,  physiol.  n.  mikroskop.  Untsuchgn.  üb.  d.  Aussoheidg.  t.  Pepsin, 

L-D.    Kgsbp.  1875.  (Leipz.  Kessler.)    (31  S.  gr.  8.)    1.50. 
Herstowski,  Felix  (aus  Pestün  L  Westpr.),  zur  Theorie  d.  Jacobisch.  Thetafunctwowi. 

Breslauer  I.-D.    Leipz.  Teubner.    (32  S.  8.) 
Hesse,  Otto,  Vorlesgn.  üb.  analyt.  Geometrie  d.  Baumes,  insbes.  üb.  Obfläch.  2.  Ordng. 
Bev.  u.  m.  Zusatz,  verseh.  t.  Prof.  Dr.  S.  Gundelfinger.    8.  Aufl.    Leipzig. 
Teubner.    (XVI,  546  S.  gr.  8.)    13.— 

Vorlesgn.  aus  d.  analyt.  Geom.  d.  Kegelschnitte.    [Ztschr.  f.  Math.  n.  Phys. 

21.  Jahr^f.  1.  Hft.  S.  1—27.]    Aufgabe.  [8.  73—74.} 
HHdebrandt.    Die  neue  gynäkolog.  Universitätsklinik  und  Hebammen-Lehranstalt  zu 
Kgsbg.  i.  Pr.    Bericht  unt.  Beihilfe  sr.  Assistenzärzte  Dr.  Bluhm,  Dr.  Münster, 
Dr.  Weger  bearb.  n.  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Hildebrandt.    Mit  3  (lithj  Grdrissen 
m  gr.  4 )    Leipz.    Breitkopf  n.  Härtel    (IV,  132  S.  gr.  8.)    5.— 

Geburtshülfe.    [Jahresber.  üb.  cL  Leistgn.  u,  Fortschr.  in  d«  gesammt,  Medic. 

X.  Jahrg.    Ber.  f.  d.  J.  1875.    2.  Bd.  HI.  Abth.  S.  683-625.] 

Altpr.  MoiwUMhrift  Bd.  XIV.  Hft.  5  u.  6.  33 


514  Mittheilungen  und  Anhang. 

Hipler,  Prot  Dr.  F.,  die  Chorographie  d.  Joach.  Bheticus.    Mit  e.  Einleitg.  ans  d. 

Autographon  des  Verf.  hrsg.    [Aus  »Ztschr.  f.  Mathem.  u.  Phys.«]    Dresden. 

fBraunsberg,  Huye.)    (26  S.  m.  1  Steintaf.  in  qu.  Pol.)    1.— 
Copernico  in  Bologna.    Traduzione  dal  tedesco   del  Dr.  Alfonso  Sparagna. 

[Estratto  del  Bullettino  di  bibliogr.  e  di  stör,  delle  sc.  matem.  e  fis.  T.  IX.] 
Hirsch,  Prof.  Dr.  A„  das  Auftreten  u.  d.  Verlauf  d.  Cholera  in  d.  preuss.  Prov.  Posen 

u.  Preuss.  währdL  d.  Monate  Mai  bis  Sept.  1873.    Beise-Ber.    Im  Auftrage  d. 

Cholera-Komm.  bearb.  u.  an  d.  Beichßkanzl.-Amt  erstatt.  2.  Aufl.  Mit  3  lith. 

Tat  gr.  fol.    [Berichte  d.  Cholera-Komm.  f.  d.  dtsche  Reich.    1.  Hft.    Hey- 

mannT8  Verl.    44  S.  gr.  4J 
Jahresber.  üb.  d.  Leisten,  u.  Fortschr.  in  d.  gesammt  Med.  hrsg.  v.  Virchow 

u.  Aug.  Hirsch.  ...  X.  Jahrg.  Ber.  f.  d.  J.  1875.  Berlin.  Hirschwald.  2  Bde. 

a  8  Abth.  hoch  4.    37.— 

—  —  Deutsche  Vierteljahrsschrift  f.  öffentl  Gesdhtspflege  hrsg.  v.  Göttisheim,  Prof. 

Dr.  Aug.  Hirsch ...  8.  Bd.  Braunschw.  Vieweg  &  Sohn.  (VIII,  776  S.  gr.  8.)  15.— 

—  —  Media  Geogr.  u.  Statistik.  Endemische  Krankhtn.   [Jahresber.  üb.  d.  Leistgn. 

u.  Fortschr.  in  d.  ges.  Med.  X.  Jahrg.    Bd.  I.    Abth.  2.  S.  393-437.]    In- 

fections-Krkhtn.    [Ebd.  Bd.  II.  Abth.  1.  S.  8—52.]    Was  hat  Europa  in  d. 

nächst.  Zeit  v.  d.  oriental.  Pest  zu  furchten?    [Dtsche  Vierteljahrsschrift  f. 
,     öffentl.  Gesdhtspflege.  8.  Bd.  3.  Hft.  S.  377—392.] 
Hiraoh,  Ferd.,  Byzantinische  Studien.    Leipz.  Hirzel.    (XI,  428  S.  gr.  8.)    9.— 
#fcfd),  Switt,  ba£  neue  SMatt.    ©n  iüuftr.  5amüien=3oum.    SReb.  Dr.  ftrana  £irf#. 

7.  Sobra.    Seip|.    $awe.    SBiertelj.  1.50. 
Hirschfeld,  Otto,  die  kapitolinisch.  Fasten.    2.  Artikel.    [Hermes.    XI.  Bd.  2.  Hft. 

S.  154—163.]    Die  Abfassgszeit   der  Responsa  des  Q.  Cervidius  Scaevola. 

POL  Bd.  1.  Hft.  S.  142-143.] 
«offmamt,  &  £  &,  Reiftet  Martin  ber  Äfifer  u.  feine  ©efeüen.    (SradWö.    Bremen. 

Hotbtoeftbtfa.  SBoitef*rift.»SBerl.    (47  6.  gr.  16.)    —25. 
äoffraeifret,  Dr.  SB.  (ftafterbg.),  SBeftimmQn.  be3  Xrodenßettricbta  ücrfcfcieb.  ^flanaen. 

[ganbto.  äabrbfi*.    »b.  V.  £ft.  4.  6.  709— 25.J 
Hoppe,  Gymn.-Oberl.  Ferd.,  Ortsnamen  d.  Prov.  Preussen.    [Aus  »Altpr.  Mtsschr.*] 

I— IV.    Gumbinnen.  Sterzel.    (17  u.  33  S.  gr.  8.)    baar  1.40. 
Zu  Moliere.  [Arch.  f.  d.  Stud.  d.  neuer.  Sprach,  etc.  LV.  Bd.  1.  Hft.  S.  123—24.1 

Zu  Caesar  de  bello  Gallico.     [Neue  Jahrbuch,  f.  class.  PhiloL    113.  Bd. 

9.  Hft.  S.  618.] 
$oM»e,  Stomfopitul.  Dr.  £.,  Sobet  ben  £errn!   Äat&oL  ©ebetbuty  .  .  .  Setpgiß  1875. 

«Beter.    (655  6.  16.)    2.— 
iacobi.  Reinhard  (aus  Kgsbg.),  die  Langobardengesch.  des  Paulus  Diaconus.    Thl.  I. 

I.-D.    Halle  a/S.    (34  S.  8.) 
Jacobson,  Dr.  Gust,,  prakt.  Arzt  aus  Ostpr.  (Pr.  Holland),  ein  Beitrag  z.  Casuistik 

d.  Ovariotomie.    L-D.    Greifswald.    (27  S.  8.) 
Jacobson  juxt.,  Jul„  üb.  d.  Auffindg.  des  Apriori.    Bede,  geh,  am  12.  Febr.  z.  Feier 

v.  Kant's  Sterbetage Berlin.  G.  W.  F.  Müller.    (24  S.  gr.  8.)  —60. 

3oco&9,  $tof.  Dr.  $erm.,  bte  Siturgif  b.  Reformatoren.  2. 9b.  Uiturajt  3Jtelanc&t&on$. 

©ot&a.    a*ert&e*.    (X,  299  S.  ar.  8.)    6.— 
SaeniC  SCIb.  (6bef«9teb.  b.  $r.*£it  3tfl.)/  Sieb  unb  Seib.  4  Honetten.  2  33be.  Salin. 

aBebetinb  &  6*tmeaet.    (351  u.  355  6.  8.)    8.- 
Jaenlcke,  Arth.  (aus  Graudenz),  Senile  Herzveranderungen.  L-D.  Bresl.  (59  S.  gr.  8.) 
Ottftetftlt&en,  grau  ».)  $feubon.:  ®.  *•  Äotfrcnf  el$,  £aibeblumen.  Roman.  2.  SlufL 

3  3*Ie.  in  1  ©be.    ©erlin.    3<mte.   (VHI,  541  6.  ar.  8.  m.  b.  $ort  ber  Serf. 

in  Mjfdm.)   4.— 
Jordan,  H.,  C.  Sallustii  Crispi  Catilina,  Jugurtha,  histonarum  reliquiae  potiores,  in- 

certi  rhetoris  suasoriae  ad  Caesarem  Senem  de  re  publica,  flenr.  Jordan  iterum 

recognovit.    Accedunt  incerti  rhetoris  invectivae  Tullii  et  Salustii  personis 

tributae.    Berl.    Weidemann.    (XVHI,  162  S.  gr.  8. 
Osservazioni  sul  tempio  di  Giove  Capitolino.    Lettera  al  eh.  sig.  cay.  B.  Lan- 

ciani.    (Mon.  delT  Inst.  vol.  X.  tav.  XXX  a).    [Annali  dell1  Instit  di  corri- 

spond.  archeoL  Vol.  XLVHL  Borna.  S.  145—172.]   De  sacris  Opis  aedibusque 

Opis  et  Saturni  disputatio  altera.    [Ephemeris  epigraphica  corp.  inscription. 


Nachrichten.  515 

latin.  supplem.  Vol.  HL  Fase.  1.   p.  57—73.]    Steinmetzzeichen  auf  d.  Ser- 

vianisch.  Wallmauer.  [Hermes.  X.  Bd.  4.  Hft.  8.  461—64.1    navale  u.  navalia. 

[Ebd.  XL  Bd.  1.  Hft.  S.  122—23.]  die  Invectiven  des  Sallust  u.  Cicero.  (Ebd. 

3.  Hft.  S.  305— 31J    Jahresber.  üb.  d.  Fortschr.  der  Topographie  v.  Rom. 

[Jahresber.  üb.  d.  Fortschr.  d.  class.  Altthsw.  2.  u.  3.  Jahrg.  1874— 75.  6.  Hft. 

IL  S.  167-189.] 
3otbati,  2öil&.,  epifdbe  Briefe.    Sranlf.  a.  9R.  SelbftoerL    (270  6.  gr.  8.)   5.— 
64ul6,  Mealfdmü.  Dr.  3M.,  bie  Sißfrib«6age.    $er  btf*.  3fugb.  na*  Btlt. 

3orbait  erjäbft.    2öi3mar  1877  (76).    J&inftorff.    (82  6.  gr.  16.)    —75. 
Novellen  zu  Homeros.   9.  Die  Farben  bei  Homeros.    [Nene  Jahrbb.  f.  PhiloL 

113.  Bd.  3/4.  Hft.  S.  161—168.] 
3oTban,  SBoIfß.  2lrt^ur,  etubettt  unb  S)ic%ter.    (Sine  2)id)tung.    Saftenburg  1875. 

64lemm.    (IV,  55  6.  gr.  16.)    1.— 
3Mttß,  2llcr.,  eine  Anthropologie  ü.  toSmofcolit.  Sragmeite.    ISTOagaj.  f.  b.  Süeratut  b. 

SluSlbä.  22.]    3ur  »eiteren  (S&aralteriftif  b.  2)iimft.  u.  »urggtaf.  n.  äRarienbg. 

£nu  p.  6d)ön.    [@bb.  29.] 
ättjtc,  6u»erint.  $fr.  3ÖU&.,  Dr.  Start,  Sut&er'S  Hein.  Äateätenu  aufgelegt.  6.  Aufl. 

ägäbg.    ©räfe.    (44  S.  8.)    cart.  —25. 
Aalettber,  neuer  u.  alter  oft-  u.  toeftyr.,  auf  b.  3.  .  .  .  1877  .  .  .  JtgSbg.   Wartung. 

(92  6.  gr.  16.)    —40.  je. 

Heiner  »reufe.,  auf  b.  3.  1877.    ebb.  (60  6.  16.)    -20. 

illuftr.  tfönigSberger,  f.  1877.    flgSbg.    S3e*er.    (76  6.  4.)    -50. 

S 


Eine  werthvolle  Sammlung  von  Büchern,  Manuscripten  und  Antographen  kommt 
am  II.  Oetober  bei  Lepke  in  Berlin  anter  den  Hammer.  Das  von  J.  A.  Star  gar  dt 
in  Berlin  vortrefflich  redigirte  Verzeichniss  (Preis  50  Pf.)  enthält  auf  84  Seiten 
900  Werke  und  ca.  250  Manuskripte.  Wir  heben  besonders  hervor :  Nr.  11  Weinreichs 
Danziger  Chronik  hrsg.  v.  Hirsch  u.  Vossberg,  Pergamentdruck  (es  wurden  nur  zwei 
Exemplare  auf  Pergament  gedruckt),  Nr.  29  ein  Sammelband,  unt.  and.  enthaltend 
ein  Unicum  Joh.  Hevelius  Brief  über  die  von  ihm  im  J.  1652  beobachtete  Sonnen- 
finsterniss.  Nr.  448  J.  Briessmann  Sermon  von  Anfechtung  des  Glaubens  gepredigs 
zu  Königsberg  in  Preusseu  1524  (2ter  Königsberger  Druck).  Nr.  468  Eyn  sermon 
des  würdigen  Herrn  Georgen  v.  Polentz  Bischoff  zu  Samland  am  Christtage  yn  der 
Thumkirche  zu  Königsberg  gepredigt  1524  (3ter  Königsberger  Druck).  —  Stamm- 
bücher, Fehde-  und  Ablassbriefe,  Diplome,  Msc.  mit  Miniaturen.  Unter  den  Anto- 
graphen befindet  sich  auch  ein  Brief  Kaut's  an  Motherby  vom  28.  März  1799«  — 


Za  Hern  Dr.  Perlfcach's  Kritik. 

Hinsichtlich  der  an  der  ersten  Lieferung  meiner  Kreisgeschichte  gemachten 
Ausstellungen  kann  ich  nur  auf  meine  »Abwehr*  verweisen,  welche  sich  auf  dem 
Deckblatte  der  zum  Drucke  bereits  fertig  gestellten  zweiten  Lieferung  befindet 
Doch  seien  mir  für  die  Leser  dieser  Zeitschrift  noch  einige  Zeilen  gestattet 

Meine  Kulmer  Kreisgeschichte  ist  und  will  nichts  anderes  sein,  als  eine 
Lokalgeschichte.  Wenn  sich  dieselbe  in  der  ältesten  Zeit  mit  der  Landesgeschichte 
vielfach  berührte,  so  war  dieses  unvermeidlich.  Sie  spitzt  sich  aber  mit  jedem  Jahr- 
zehnt mehr  zu  und  verengt  sich  in  gleichem  Maasse,  als  Kulm  von  seiner  politischen 
Bedeutung  zurücktritt.  Wer  wüsste  nun  aber  nicht,  wie  reich  gerade  unsere  Pro- 
vinzialgeschichte  an  Hypothesen  der  mannigfachsten  Art  ist,  sodass  die  eine  kaum 
überwunden  ist,  während  die  andere  nachdrängt.    Mein  Becensent  hingegen,  noch 


5X6  Mittheilwtgen  und  Anhang. 

yoll  der  Errungenschaften  aus  seiner  Ausgabe  S.  Grunau's,  stellt  alles  dasjenige 
als  falsch,  schief  etc.  hin,  was  mit  seinen  vermeintlichen  Resultaten  nicht  überein- 
stimmt Die  günstige  Beurtheilung,  welche  er  seitens  seiner  Special-Fachgenossen 
erfahren,  hat  ihn  in  diesem  Bewnsstsein  gestärkt.  Es  ist  nun  allerdings  für  mich 
als  Nicht-Historiker  erfreulich,  das  enge  Zusammenhalten  der  preussischen  Historiker 
zu  beobachten,  wie  Alle  für  Einen  aufzutreten  bereit  sind;  wie  sie  unangenehm  be- 
rührt werden,  wenn  Einem  unter  ihnen  Unrecht  geschieht;  wie  sich  beispielsweise 
Herr  Dr.  Perlbach  in  seiner  Recension  der  Jenaer  Literaturzeitung  auf  Dr.  Töppen's 
Uebereinstimmung  beruft;  mein  Becensent  in  Zarncke's  Centralblatt,  ohne  meine  Ent- 
gegnung abzuwarten,  sich  seinem  Yorrecensenten  blindlings  in  die  Arme  wirft;  wie 
sich  Herr  Dr.  Perlbach  wiederum  mit  solcher  Wärme  des  Dr.  Toppen  annimmt:  — 
allein  Yf.  ist  nun  einmal  gewöhnt,  sich  auf  eigene  Fasse  zu  stellen  und  überall 
selbst  xu  prüfen;  er  ist  einmal  nicht  im  Stande,  sich  durch  Autoritäten  imponiren 
zu  lassen,  noch  weniger  sich  um  die  Gunst  solcher  zu  bewerben.  —  Leider  habe 
ich  nun  Herrn  Dr.  Perlbach's  Ausgabe  von  S.  Grünau  für  meine  erste  Lieferung 
nicht  mehr  benutzen  können,  doch  habe  ich  geglaubt  mich  über  dieselbe  hinweg- 
setzen zu  können,  nachdem  sich  der  Autor  derselben  durch  seine  Abhandlung  über 
die  ältesten  preussischen  Urkunden  als  Hyperkritiker  in  die  preussische  Geschichte 
eingeführt  hatte.  Hätte  er  in  Kulm  angeklopft  und  sich  nach  späteren  Yerleihungs- 
urkunden  an  Kulmer  Bischöfe  umgesehen,  so  wäre  er  bei  den  wiederkehrenden  Aus- 
drücken cum  omni  jure  .  .  .  dominio  .  .  .  proprietate  .  .  .  anderen  Sinnes  geworden. 
Schon  mancher  Wissensdnrstige  hat  sich  in  jüngster  Zeit  hierher  gewandt  (München, 
Göttingen,  Leipzig,  Königsberg,  Danzig,  Marienwerder)  und  man  ertheilt  gerne  Jedem 
Auskunft.  Mancher  schwere  Irrthum  wäre  dieser  Abhandlung,  wie  auch  den  preussi- 
schen Regesten  erspart  geblieben. 

Die  erste  Lieferung  meiner  Kreisgeschichte  bietet  an  neuem  Material  verhältmes- 
mässig  nur  sehr  wenig;  die  jetzt  erscheinende  zweite  enthält  dessen  schon  viel  mehr. 
Um  dasselbe  für  die  preussische  Geschichte  überhaupt  nutzbar  zu  machen,  habe  ich 
die  neu  auftretenden  Urkunden  und  historischen  Nachrichten  wörtlich  unter  dem 
Texte  abdrucken  lassen.  Wie  natürlich  stand  mir  hiebei  eine  grössere  Müsse  zur 
Verfügung,  als  in  jener  beschränkten  Zeit,  da  ich  in  wenig  Tagen  hunderte  von 
Seiten  auf  dem  Geh.  Archiv  zu  copieren  hatte  und  Irrthümer  um  so  leichter  unter- 
laufen konnten,  als  die  Tragweite  der  einzelnen  Urkunden  sich  mir  erst  später  er- 
öffnete. Die  in  Arbeit  befindliche  dritte  Lieferung,  welche  nur  die  inneren  städti- 
schen Verhältnisse  bis  zum  Jahre  1479  behandeln  soll,  beruht  nur  auf  einheimischem, 
bisher  unbenutztem  Material  Ob  durch  diese  beiden  folgenden  Lieferungen  der 
preussischen  Geschichte  ein  guter  oder  schlechter  Dienst  erwiesen  wird,  darüber  wird 
sich  Herr  Dr.  Perlbach  gewiss  in  nächster  Zeit  wiederum  aussprechen. 

Kulm  den  13.  Juli  1877.  Dr.  Fr.  Schnlti. 


Entgegnung  von  Voelkel  und  Thomas.  517 

Entgegnung. 

Da  es  uns  darum  zu  thun  ist,  mit  unserem  »Taschenwörterbuch*  ein  wirk- 
lich zuverlässiges  Hilfsmittel  zu  bieten,  so  können  wir  es  nur  dankbar  anerkennen, 
wenn  Jemand  mit  dazu  hilft,  dass  Ungenauigkeiten  und  Unrichtigkeiten  ans  den  Ar- 
tikeln ausgemerzt  werden.  In  der  kleineren  Ausgabe:  Die  Aussprache  der  Geogr, 
Namen  aas  dem  Bereiche  der  Schule  —  haben  auch  bereits  von  der  Kritik  gemachte 
Ausstellungen  Berücksichtigung  gefunden.  Andererseits  darf  man  es  uns  nicht  ver- 
argen, wenn  wir  unbegründete  Vorwürfe  zurückweisen  und,  wo  man  unsere  richtigen 
Angaben  durch  notorisch  Falsches  verdrängen  will,  ein  solches  Verfahren  ans  Licht 
ziehen.  Dies  zur  Begründung  gegenwärtiger  Entgegnung  auf  eine  mit  ])  unter- 
zeichnete, in  diesen  Blättern  S.  355 — 360  enthaltene  Besprechung  unseres  T.-W. 

Die  auf  dem  Gebiete  der  entlegneren,  namentlich  asiatischen  Sprachen  gegebenen 
Verbesserungen  sind  zum  Theil  orthographischer  Art,  worauf  wir  erwidern,  dass  wir 
uns,  gegenüber  der  durch  blosse  Transskription  morgenländischer  Zeichen  in  die 
abendländischen  Buchstaben  erzielten  Schreibweise,  an  die  Orthographie  allgemein 
gebräuchlicher  Lehrbücher  der  Geschichte  und  Geographie  halten  zu  müssen  glaubten, 
da  wir  »für  das  allgemeine  Bildungsbedürfnis*  schrieben.  In  Uebereinstimmung 
mit  Stoll,  Erz.  a.  d.  Gesch.  IV,  45.  Weber,  Allg.  Wertgesch.  V,  118  ff.  Knochen- 
hauer, Lehrb.  d.  Weltgesch.  II,  76.  haben  wir  daher  »Ab derrhaman*  geschrieben. 
Die  gerügten  Formen  Chandernagor,  Chandernagore  finden  sich  u.  a.  bei 
Daniel,  Handb.  I,  291);  Kairwän  bei  Daniel  I,  451,  Kiepert,  Neu.  Handatlas,  Berl. 
Bl.  33,  und  sogar  Eirwän  ib.  Bl.  35;  Kerman  in  den  Atlanten  von  Kiepert,  von 
Lichtenstern  u.  Lauge,  27.  Aufl.  Braunschw.  1875*  in  den  geogr.  Lehrbb.  von  Daniel, 
v.  Seydlitz,  Guthe;  Bassora  in  den  DanieFschen  Lehrbb,  d.  Geogr.  Ebenso  sind 
die  Formen  Palibotra,  Warakadu,  Bugdahd  populären  Büchern  und  Zeitschriften 
entnommen.  Balfrusch  als  »bahl-fernhsch*  erscheint  uns  zweifelhaft,  vgl.  Kiepert  28: 
Bärrurusch,  26:  Barferusch,  Lichtenstern  34:  Bälfurusoh.  Die  bei  Daniel,  Guthe, 
v.  Seydlitz  sich  findende  Form  Balfrusch  kann  nicht  gut  bahl-fertthsch  gesprochen 
werden.  Als  falsch  müssen  wir  zurückweisen  »Udschain  =  Udien  (in  beiden  Formen 
zweisilbig)*,  Egli,  Nomina  Geogr.,  giebt  Udschain,  daher  haben  wir  udxa-in  figurirt; 
femer:  Bahrein  nach  Globus  XXXVII,  157;  Dehli  nach  Egli;  Kambodja  nach 
Bastian,  Geogr.  u.  Ethnol.  Bilder  S.  436.  Von  Sahara  kennt  auch  Wappäus  (vgl.  eine 
Recension  unseres  T.-W.  in  Gott.  Gel.  Anz.  1877.  S.  1055  f.)  zweierlei  Aussprache.  Was 
die  Bemängelung  der  durchaus  üblichen  Form  »Kairo*  (S.  359)  besagen  will,  verstehen 
wir  nicht.  Bei  China  haben  wir  die  von  dem  geehrton  Herrn  Kritiker  verlangte  Aus- 
sprache: tschina  S.  173  selbst  gegeben.  In  Bezug  auf  die  für  Ahriman,  Brahmaputra, 
Brahmanen,  Dehli,  Bahrein  aufgestellte  Forderung :  »mit  konsonantisch  hörbarem  h* 
zu  sprechen  —  wird  man  uns  zugeben,  dass  eine  derartige  Bemerkung  keinen  Werth 
hat»,  so  lange  das  Einem  nicht  wirklich  vorgesprochen  ist,  in  einem  populären  Werke 


513  Mittheilungen  und  Anhang, 

wäre  sie  müssiger  Prunk.  Parias  ist  absichtlich,  der  Kürze  wegen,  als  Kaste  be- 
zeichnet worden.  Hydaspes  =  Dschelam  (S,  359  urgirt)  will  sagen,  dass  D.  der 
moderne  Name  für  jenen  Fluss  ist.  Rhone  und  Tiber  sind  deutsche  Flussnamen, 
und  wolle  uns  d.  g.  H.  K,  erlauben,  dieselben  auch  ferner,  mit  Bitter,  geogr.  Leiikon, 
Peter,  röm.  Gesch.  etc.  etc.,  als  Femininum  zu  gebrauchen.  Cynoscephalä  und 
Cyazares  (S.  357)  sollen  als  künoskeffalä  und  küaxares  bezeichnet  werden.  Dass  die 
Römer  c  wie  k  gesprochen  haben,  gilt  als  ausgemacht  und  ist  wol  allgemein  be- 
kannt, vgl.  Zumpt,  Lat  Spracht  10.  Aufl.* S.  6;  wir  überlassen  es  dem  g.  H.  K.  die 
auf  unseren  Gelehrtenschulen  gangbare  Aussprache  des  Lateinischen  zu  reformiren. 
Zu  den  »mehr  allgemein  zugänglichen  Sprachen*  dürften  in  erster  Linie 
wol  das  Französische  und  Englische,  ferner  das  Polnische  und  Spanische  gehören, 
Sprachen,  auf  deren  Gebieten  Ausstellungen  gemacht  worden  sind,  die  in  Verbindung 
mit  den  allgemeinen  Bemerkungen  S.  358  über  das  Französische  unser  Buch  in  den 
Augen  des  Lesers  stark  herabzusetzen  geeignet  sind,  da  derselbe  sich  sagen  muss: 
wenn  die  Verfasser  nicht  einmal  für  das  Französische  eine  richtige  zuverlässige  Aus- 
sprache bieten,  was  wird  man  da  in  anderen  Sprachen  erwarten  dürfen?  Dem  gegen- 
über sind  wir  in  der  angenehmen  Lage,  das  Urtheil  eines  kompetenten  Gelehrten 
anzuführen.  Herr  Prof.  B.  Schmitz  bezeichnet  unser  Buch,  nachdem  er  es  »eine  Zeit 
lang  in  Gebrauch  gehabt*,  also  nicht  aufs  ungefähr  hin,  als  »eine  sehr  nützliche  und 
recht  sorgfältige  Arbeit*.  Von  welchem  Werthe  die  bei  den  Namen  Babelais  und 
Rousseau  gemachten  Verbesserungen:  rabelä  (siclj,  rüßo  für  rablä,  mhßo  sind,  wolle 
man  aus  folgendem  Citate  ersehen:  »Wer  da  behauptet,  dass  die  Namen  Rabelais, 
Pascal,  Fenelon,  Bossuet,  Boileau,  Voltaire,  Rousseau,  Chateaubriand,  Guizot,  Musset 
u.  s.  w.  in  Frankreich  von  jedem  Gebildeten  jederzeit  mit  einer  irgend  wie  merk- 
baren Betonung  der  letzten  Sübe  gesprochen  werden,  der  hat  gebildete  Leute  diese 
Namen  wohl  selten  selbst  aussprechen  hören,  oder  er  ist,  als  er  nach  Paris  kam, 
von  der  ihm  in  Deutschland  eingeimpften  Accentregel,  die  keine  Ausnahme  haben 
soll,  bereits  dermassen  eingenommen  gewesen,  dass  er  in  diesem  Punkte  zum  unbe- 
fangenen Hören  überhaupt  nicht  mehr  fähig  war/  Ploetz,  Anleitung.  9.  Aufl.  S.  10. 
Wenn  sich  d.  g.  H.  K.  bei  den  Namen  Beuregard,  Beaurevoir,  Gemappe,  Geneve 
veranlasst  fühlt,  über  eine  »stiefmütterliche  Behandlung4  zu  klagen,  die  wir  dem  e 
in  noch  vielen  anderen  Namen  zu  Theil  werden  lassen,  so  müssen  wir  ihm  entgegen- 
halten, dass  wir  dies  in  Uebereinstimmung  mit  den  Autoritäten  auf  diesem  Gebiete 
thun;  vgl.  Mätzner,  Schmitz,  Ploetz,  Toussaint-Langenscheidt,  Benecke,  Sachs.  Was 
derielbe  aber  über  die  silbenbildende  Kraft  des  stummen  o  sagt,  klingt  naiv,  denn 
1)  sind  die  Wörter  Gemappe,  Geneve  u.  ä.  nicht  zweisilbig,  wie  er  behauptet,  son- 
dern gelten  dem  Franzosen  als  dreisilbig;  2)  giebt  beispielsweise  Sachs  in  seinem 
Wörterbuch  Geneve  (z'nähw),  das  Wort  wird  also  einsilbig  gesprochen;  3)  fällt 
die  8ilbentheilung  in  Orthographie  und  Orthoepie  nicht  immer  zusammen,  z.  B. 
tris-tes-se  (spr.  tri-fltäß),  nous  avons  (nu-sawohng1),  vgl.  Ploetz,  Anl.  S.  16;  4)  haben 


Entgegnung  von  Voelkel  und  Thomas.  519 

wir  bei  dem  Bestreben,  die  Aassprache  mit  deutschen  Bachstaben  anter  möglichster 
Vermeidung  diakritischer  Zeichen,  die  den  nicht  sprachlich  Geschalten  oft  verwirren 
wiederzugeben,  von  dem  Rechte  Gebrauch  machen  müssen,  wo  es  galt,  einen  Vokal 
als  kurz  oder  geschärft  zu  bezeichnen,  entweder  den  folgenden  Konsonanten  zu  ver- 
doppeln, wie  bei  dem  engl,  river  (riwwer),  oder  Bachstaben,  die  eigentlich  den  An- 
laut der  folgenden  Silbe  bildeten,  zur  vorhergehenden  zu  ziehen,  daher  das  polnische 
Modlin  mit  modl-ihn  bezeichnet  ist,  was  wir  dem  von  d.  g.  H.  K.  empfohlenen 
modlin  entschieden  vorziehen,  weil  darin  der  o-Laut  nicht  richtig  und  deutlich  an- 
gegeben ist,  vgl.  bourg  mesfcre  (bur-gmäßtr)  bei  Ploetz,  Anl.  S.  68,  mother  (m5dh-er) 
bei  Schmitz,  Engl.  Eiern.  5.  Aufl.  S.  4  u.  s.  w.  Wie  man  Viscount  (walkdunt)  in 
wiskaent  verbessern  kann,  begreifen  wir  nicht.  Die  von  ans  gegebene  Aassprache 
ist  zwar  alt,  aber  nicht  veraltet.  Walker,  Pronoancing  Dictkraary,  London  1819, 
figurirt  vi'- könnt  and  verweist  auf  die  Principles  etc.,  wo  anter  458  (S.66)  wörtlich 
zu  lesen  ist:  >S  is  silent  in  .  .  .  viscount.*  vgl.  Schmitz,  Engl.  Ausspr.,  Berl.  1849 
S.  90;  Mätzner,  Engl.  Gr.  I,  Berl.  1860,  S.  68.  Darby  (dabe)  müssen  wir  anver- 
ändert aufrecht  erhalten,  ebenso  Newgate  (njuhgeht),  Newmarket  (njuhmarket),  New- 
port  (njnhpohrt)  und  Varzin  (farzihn),  das  wir  an  Ort  und  Stelle  so  gehört  haben. 
Auf  einem  Lokaltermin  könnte  sich  d.  g.  H.  E.  auch  von  der  Richtigkeit  unserer 
Angabe:  Erotoschin  (genauer:  krottoschihn)  überführen.  So  wird  der  Name  faktisch 
von  den  Deutschen  gesprochen.  Die  Aussprache  Erotoschin  (besser:  krottosch-inn), 
würde  sich  an  den  polnischen  Namen  anlehnen,  der  aber  nicht  Erotoszin,  wie 
d.  g.  H.  E.  irrthümlich  angiebt,  sondern  Erotoszyn  geschrieben  wird.  Der  beschränkte 
Raum  verbietet  uns  auf  Alles  einzugehen,  aber  Eins  dürfen  wir  nicht  verschweigen. 
S.  359  belehrt  man  uns:  »Ueberhaupt  hat  im  Spanischen  ch  immer  den  Laut  des 
deutschen  seh,  nie  tsch*.  Dass  hier  kein  Druckfehler  vorliegt,  beweist  der  Fall  mit 
Don  Quichote  [tief  statt:  Quixote,  Quijote]  de  la  Mancha,  wo  der  gelehrte  Eritiker 
unsere  richtige  Aussprache  (mantscha)  in  die  falsche  (mancha)  ändert.  Das  klingt 
allerdings  spanisch,  oder  vielmehr  gar  nicht  spanisch !  Diez,  Gramm,  d.  rom.  Spr.,  I, 
Bonn  1836,  sagt  S.  97  ch  entspricht  dem  ital.  ce,  und  20  Jahre  später  heisst  es  in 
der  2.  Aufl.  desselben  Werkes  I,  363:  »Sein  Laut  (ch)  entspricht  ungefähr  dem  des 
deutschen  tsch,  wobei  man  jedoch  den  ganzen  vorderen  Theil  der  Zunge  gegen  den 
Gaumen  drücken  muss.*  Man  vgl.  ferner  Franceson,  Gramm,  d.  sp.  Spr.,  Berl.  1822, 
S.  6:  »Diese  Verbindung  von  Buchstaben  (ch)  hat  ungefähr  den  Ton  des  ital.  c  vor 
e  und  i,  d.h.  des  franz.  ch  mit  vorhergehendem  t,  oder  der  deutschen  Buchstaben- 
verbindung tsch.*  Fr.  Martinez,  Gramm,  de  la  langue  espagn.,  Bordeaux  1818, 
p.  8—11;  D.  J.  Lindner,  Vergl.  Gramm,  d.  lat.,  ital.,  span.  etc.  Spr.,  I,  Lpz.  1827, 
S.  19;  Fr.  Funck's  Span.  Gr.  nach  Ollend.  Meth.,  2.  Ausg.,  Frkft.  a/M.  1855,  S.  1 ; 
Boltz,  Neuer  Lehrg.d.sp.  Spr.,  1851,  S.2;  G.  de  Lopez,  d.  Spanier,  Hamb.  1850,  S.  1. 
Wir  werden  demnach  eine  Verbesserung  in  den  Artikeln:  Chimborazo  (tschimboraflo), 
Mancha  (mantscha).  Pichincha  (pitschintscha)  u.  dergl.  dankbar  ablehnen  müssen. 


520  Mlttheilungen  and  Anhang. 

Zum  Schliias  zählt  d.  g.  H.  E.  31  antike  Namen  auf,  die  wir  durchaas  richtig 
gegeben  hatten,  und  fügt  die  Bemerkung  hinzu:  »Einen  ganz  besonderen  Dank  haben 
die  Herren  Verfasser  noch  zu  erwarten  von  den  Besitzern  unvollständiger  lateinischer 
Wörterbücher,  denen  ihr  Werkchen  Gelegenheit  bietet,  in  den  bezeichneten  Wörter- 
büchern die  darin  fehlenden  Artikel  nachzutragen/  Wir  freuen  uns  dieser  neuen 
Perspektive,  wollen  uns  im  übrigen  aber  völlig  damit  begnügen,  dem  »allgemeinen 
Bildungsbedürfnis*  zu  dienen. 

Tilsit,  im  August  1877.  Voükel  ä  Thomas. 


Briefkasten  der  Redsetion* 

Herrn  Geh.  Staate-Archrvar  Dr.  Max  Lehmann  in  Berlin.  Ihnen  wird  durch  den 
einfachen  Abdruck  Ihres  Schreibens  wol  am  besten  gedient. 

Berlin  W„  Regentenstr.  21 
20.  August  1877. 

An  die  Redaktion  der  Altpreussischen  Monatsschrift. 

In  dem  anonymen,  »Der  24.  Januar  1813  in  Königsberg*  überschriebenen  Artikel 
Ihres  3.  4.  Heftes,  welches  mir  leider  erst  jetzt  zu  Gesichte  kommt,  findet  sich  auf 
S.  299  der  Satz : 

»Die  konventionelle  Geschichtschreibung,  welche  das  mot  d1 ordre  empfangen 
hatte*  xl  s.  w. 
und  auf  S.  300:  »Diese  Taschenspielerei  ist  mit  grosser  Kunst  in  der  bis- 
herigen Geschichtschreibung  durchgeführt*  In  der  Folge  werden  die  Vertreter  der 
»konventionellen*  resp.  der  »bisherigen*  Geschichtschreibung  aufgezählt:  Fr.  Förster, 
Parts,  Droysen,  und  zuletzt  auf  8.  302  der  Unterzeichnete. 

Da  es  mir,  an  nnd  für  sich  und  besonders  in  meiner  Stellung  als  Redakteur 
der  »Historischen  Zeitschrift*,  nicht  gleichgültig  sein  kann,  wenn  ich  in  Ihrer  Zeit- 
schrift als  ein  von  oben  herab  beeinnusster  Literat  dargestellt  und  der  Künste  von 
Taschenspielern  bezichtigt  werde,  so  ersuche  ich  die  geehrte  Redaktion  hierdurch 
ganz  ergebenst,  sich  Öffentlich  in  dem  nächsten  Hefte  Ihrer  Zeitschrift  von  den  oben 
bezeichneten  Behauptungen  Ihres  Mitarbeiters  loszusagen. 

In  vorzüglicher  Hochachtung 
Ihr 
ganz  ergebenster 

Dr.  Max  Lehmann, 

Och.  8Uat»-Arehlw. 


Mnekt  in  *tr  Albert  Roibaeh'wdMB  B«ehdni«k«c«l  In  Känigtberf. 


Einiges  über  Yorstädtische  Gerichtsbarkeit 

von 

Dr.  Franz  Schultz. 

Dass  mehrere  Vorstädte  Preussens  eine  von  der  Stadt  selbst  ge- 
sonderte Gerichtsbarkeit  besasssen  und  nur  mittelbar  von  den  städtischen 
Behörden  ressortierten,  ist  schon  an  sich  eine  merkwürdige  Erscheinung; 
dieselbe  nimmt  unser  Interesse  deshalb  noch  um  so  mehr  in  Anspruch, 
weil  sie  sich  nicht  gerade  bei  den  grössten  Städten  des  Landes  findet 
und  auch  da,  wo  sie  vorkommt,  meist  nur  von  kurzer  Dauer  gewesen. 
So  scheint  in  Danzig  keine  Spur  eines  vorstädtischen  Gerichtes  zu 
ermitteln;  wir  erfahren  im  Gegentheile,  dass  der  Hauskomthur  als 
Vorsitzender  des  altstädtischen  Gerichtes  auch  über  alle  Bechtsßlle 
entschied,  die  auf  dem  zur  Ordensburg  gehörigen  städtischen  Gebiete 
vorgekommen1).  —  Anders  in  Thorn,  woselbst  bereits  im  Jahre  1346 
eines  vorstädtischen  Gerichtes  gedacht  wird,  und  im  Jahre  1388  so- 
gar eine  neue  Ordnung  eingeführt  wurde,  nach  welcher  der  Vorsitzende 
des  vorstädtischen  Gerichtes  aus  der  Mitte  des  Eathes,  die  8  vorstädti- 
sehen  Schoppen  aber  aus  der  Gemeine  gewählt  werden  sollten1).  Wie 
lange  dasselbe  freilich  bestanden  hat,  ist  nicht  ersichtlich;  es  müsste 
zu  diesem  Behufe  das  Thorner  Kürenbuch  (auf  dem  Geheimen  Archive 
zu  Königsberg  befindlich)  um  Aufklärung  angegangen  werden.  Doch 
nach  dem  Schweigen  des  Thorner  Forschers  Wernicke  zu  schliessen, 
dürfte  es  kaum  das  Ende  der  Ordensherrschaft  erreicht  haben.  —  Jo- 
hannes Voigt  hat  im  sechsten  Bande  seiner  preussischen  Geschichte 
zwar  eine  zum  Theil  eingehendere  Darstellung  des  städtischen  Gemeine- 


»)  Scr.  r.  Pr.  IV,  S.  310. 

*)  Wernicke,  Geschichte  der  Stadt  Thorn  S.  111. 

Altpr.  MonaUMhrift  Bd.  XIV.  Hft.  7  u.  8.  34 


522  Einiges  Aber  vorstäd tische  Gerichtsbarkeit 

wesens  geliefert,  allein  seine  Mittheilung  über  die  vorstädtische 
Gerichtsbarkeit  beschränkt  sich  auf  folgende  Worte:  „Die  städtische 
Gerichtsbarkeit  —  sagt  er  —  dehnte  sich  zugleich  auch  über  die  ganze 
Stadtfreiheit,  also  über  die  in  ihr  liegenden  Dörfer  und  Höfe  aus.  In 
Kulm  und  wahrscheinlich  auch  in  andern  Städten  sass  neben  dem 
Stadtschultheissen  noch  ein  besonderer  Richter  der  Stadtfreiheit  d.  h. 
des  Stadtbezirkes143).  —  In  der  That  ist  Kulm  wohl  die  einzige  Stadt 
Preussens,  bei  welcher  sich  unter  ganz  eigenthümlichen  Formen  und 
Verhältnissen  eine  vorstädtische  Gerichtsbarkeit  schon  im  14ten  Jahr- 
hunderte nachweisen  und  bis  zum  Jahre  1772  verfolgen  lässt.  Da 
nun  auch  diese  Seite  des  Gemeinlebens  einige  Ansprüche  auf  unsere 
Beachtung  hat,  so  soll  im  Anschlüsse  an  urkundliche  Nachrichten  eine 
wenn  auch  nicht  vollständige,  so  doch  der  Mehrzahl  der  Leser  ver- 
muthlich  neue  Darstellung  der  vorstädtischen  Gerichtsbarkeit,  wie  sie 
sich  zunächst  in  Kulm  entwickelt  hat,  versucht  werden.  Ausser  einigen 
vereinzelten  Angaben  sind  dabei  zu  Grunde  gelegt: 

1.  Die  Handfeste  von  Schöneich  v.  J.  1364  (Geheimes  Staatsarchiv 
A.  78  S.  90  und  92). 

2.  Liber  Scabinorum  libertatis  Culmensis  a.  1407  compilatus  et 
inceptus  —  reichend  bis  zum  Jahre  1457  (Geh.  Archiv  A.  71). 

3.  Die  Kulmer  Willkür  v.  J.  1430  (Städtisches  Archiv  zu  Kulm). 

4.  Die  städtische  und  vorstädtische  Willkür  v.  J.  1589  (Städtisches 
Archiv). 

5.  Das  kulmer  Kürenbuch  (Abschnitt  im  Manuale  Bitschins)  v.  J. 
1430  bis  in  das  sechzehnte  Jahrhundert*  hinein  (Städtisches 
Archiv). 

6.  Die  Akten  de3  vorstädtischen  Schöffengerichtes  zu  Kulm  v.  J. 
1559  an,  welche  bis  z.  J.  1624  in  deutscher,  von  1624—53  in 
polnischer,  von  da  bis  1666  in  lateinischer,  demnächst  wieder 
in  polnischer  und  vom  Jahre  1726  an  bis  zum  Eintreffen  Friedrichs 
des  Grossen  halb  in  polnischer,  halb  in  lateinischer  Sprache  ab- 
gefasst  sind  (Städtisches  Archiv). 


*)  Voigt  6,  &  710, 


▼od  Dr.  Frans  Schnitt.  523 

Die  Uebervölkerung  der  Städte,  welche  den  sog.  Neustädten,  hat 
auch  den  Vorstädten  ihren  Ursprung  gegeben,  indem  sich  diese  von 
jenen  nur  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  verkümmerten  ehe  sie  es  bis 
zur  Stadtgerechtigkeit  gebracht  hatten.  Nun  konnte  es  aber  bei  den 
grossen  Vorrechten,  mit  welchen  namentlich  die  Stadt  Kulm  ausgerüstet 
war,  nicht  ausbleiben,  dass  ein  bedeutender  Zuwachs  von  aussen  selbst 
dann  noch  kam,  als  der  erste  Andrang  von  „Pilgerinen*  schon  über- 
wunden war.  Da  nun  die  Gewinnung  des  städtischen  Bürgerrechtes 
meistens  auch  den  Kauf  oder  das  Miethen  eines  Erbes  nach  sich  zog,  ja 
manche  Erwerbsquellen  geradezu  an  den  Besitz  eines  Eigenthums  ge- 
knüpft waren,  so  reichten  bald  die  Grundstücke  in  der  Stadt  nicht  mehr 
aus:  man  musste  sich  ausserhalb  umsehen,  wo  die  Stadt  selbst  eine 
Menge  von  Zinserben  gegen  ein  angemessenes  Geschoss  an  das  Bath- 
haus  zu  vergeben  hatte.  Wer  ein  solches  ausserhalb  der  Stadt  befind- 
liches Grundstück  nicht  selbst  bewirthschaften  wollte,  war  berechtigt, 
einen  Hofmann  oder  Gärtner  einzusetzen;  nur  durfte  dieser  nicht  zugleich 
ausserhalb  der  Stadtfreiheit  Eigenthümer  sein.  Es  war  somit  der  Be- 
gründung und  Erweiterung  der  Vorstädte  in  ausreichendem  Masse  Vor- 
schub geleistet.  Sollten  sich  dieselben  aber  zu  einer  Neustadt  gestalten, 
so  waren  noch  andere  Bedingungen  erforderlich. 

Wo  nämlich  der  Zuwachs  der  städtischen  Bevölkerung  sehr  be- 
deutend und  zugleich  das  Terrain  günstig  waren,  da  konnten  sich  die 
vor  den  Thoren  neu  Angesiedelten  um  so  eher  zu  einer  neuen  Stadt- 
gemeinde zusammenthun,  als  sie  gegen  die  ursprüngliche  oft  eine  er- 
wünschte Rivalin  und  Nebenbuhlerin  bildete.  Wo  sie  aber  örtlich  ge- 
trennt, ja  zerrissen  waren,  und  wo  auch  die  Verschiedenartigkeit  des 
Gewerbes  oder  der  Nationalität  das  Hand  in  Hand  gehen  verboten,  da 
konnte  auch  eine  Neustadt  nicht  gedeihen.  Dieses  Letztere  war  auch 
in  Kulm  der  Sali.  Die  Stadt  hatte  auf  drei  Seiten  zum  Theil  recht 
steile  Abhänge.  Beinahe  jede  der  vier  Vorstädte  lag  aber  nach  einer 
anderen  Sichtung:  Die  Bewohner  der  einen,  der  Aldenstadt,  waren 
nur  Fischer;  später  wurde  es  geradezu  zum  Gesetz  erhoben.4)    Die 


4)  In  der  Willkür  von  1689  heisst  es:  »Wir  willkühren  auch,  dass  vorhin  Nie- 

34* 


524  Einiges  über  vorstädtische  Gerichtsbarkeit 

Vorstadt  Fröbyn,  an  dem  etwas  sanfteren  Südabhange  war  fast  aus- 
schliesslich  von  Wein-   und  Hopfenbauern    bewohnt.    Die   Bewohner 
der  grossen  und  kleinen  Kohrgasse   waren  überwiegend  Gemüsebauern 
und  nur  die  Vorstadt  Pantkensee  unbestimmten  Charakters.    Ausser 
diesen   in   der  Kulmer  Willkür    namentlich   aufgeführten   Ortschaften 
gehörten  noch  eine  ganze  Menge  anderer  Strassen  und  kleinerer  Häuser- 
gruppen dazu,  welche  in  eben  jener  Kuliner  Willkür  mit  der  bündigen 
Bezeichnung  „und  dobey*   abgefertigt  werden.    Aus  allen  diesen  eine 
Neustadt  zu  gestalten,  wäre  fast   unmöglich  geworden;   es  sei  denn, 
dass   man  die   ursprüngliche    Stadt   am   Fusse    des    Hügels    wie    mit 
einem  Ringe  hätte  umlegen  wolleu,    was   sich    die  Bewohner  Kulms, 
die  ihre  Sicherheit  gerade  in  ihrer  isolierten  Lage  und  ihren  schroffen 
Abhängen   suchten,    ebenso    verbeten,    als    es    die    Umwohner   selbst 
verschmäht  haben  würden,  deren  Beschäftigung  und  Ansiedelung  mehr 
einen  ländlichen  Charakter  an  sich  trug.     So  hatte  es  also  bei  den 
Vorstädten   sein   Bewenden:    dieselben   participierten    aber   weder   an 
den  sonstigen  Vorrechten  der  Stadt  noch  an  deren  Vermögen,  sondern 
standen  unter   der   unmittelbaren  Jurisdiction  des  Käthes.    Als   aber 
später  Verwaltung  und  Gericht,  Bathmannen  und  Schoppen  sich  trennten 
und  sogar  mehre  dörfliche  Gemeinden  auf  städtischem  Territorium  einen 
gewissen  Grad  von  Selbstständigkeit  erlangten,  da  konnten  auch  die 
Vorstädte  nicht  zurückbleiben  und  mussten  eine  der  städtischen  Ver- 
fassung wenigstens  parallel  laufende  erhalten.    Die  nahen  Beziehungen 
der  Vorstädte  zu  der  eigentlichen  Stadt  brachten  es  mit  sich,  dass  sie 
bald  geradezu  als  ein  integrierender  Theil  der  Stadtbevölkerung  ange- 
sehen wurden.     Für  sie  wurden  bestimmte  polizeiliche  Verordnungen 
erlassen,  welche  ihre  Aufnahme  hinter  der  städtischen  Willkür  fanden; 
und  die  für  die  Vorstadt  cooptirten  sog.  vorstädtischen  Schoppen  wurden 
bald  hinter  den  städtischen  aufgeführt.    In  welche  Zeit  die  Anfänge 
der  gesonderten  vorstädtischen  Gerichtsbarkeit  zurück  zu  verlegen  sei, 
ist  heute   nur  noch   schwer  zu  ermitteln.    Jedenfalls  ist  es  unwahr- 


mand  auf  der  Fischerei  wohnen  soll,  der  nicht  ein  Fischer  ist*    Die  Fischerei  ist 
die  neue  Bezeichnung  für  die  Altstadt. 


von  Dr.  Franz  Schnitz.  525 

scheinlich,  dass  schon  in  dem  ältesten  Weichbildsrechte,  das  in  dem 
Jahre  1267  erwähnt  wird,  auf  die  Bewohner  der  Vorstadt  irgend  welche 
Rücksicht  genommen  sein  sollte,  da  dieses  nur  für  die  Stadtbewohner 
ausgestellt  zu  sein  scheint. 6)  Mit  annähernder  Bestimmtheit  lässt  sich 
eine  Art  vorstädtischer  Gerichtsbarkeit  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  nachweisen.  Es  ist  dieses  dieselbe  Zeit,  in 
weicher  auch  in  dem  benachbarten  Thorn  gleiche  Erscheinungen  her- 
vortraten und  gleiche  Kechte  den  Vorstädtern  bewilligt  wurden;  es  ist 
die  Zeit,  in  welcher  auf  dem  Gebiete  der  Kulmer  Stadtfreiheit  auch 
eine  Anzahl  von  Dorfschaften  gegründet  wurden,  welche  vom  Bathe  der 
Stadt  zu  gleichen  Bechten  ausgethan,  wie  die  vom  Orden  angelegten, 
bald  zu  bedeutendem  Wohlstande  gelangten.  Einen  sicheren  Anhalt 
gewährt  uns  die  Schöneicher  Handfeste  vom  Jahre  1364.  In  derselben 
wird  dem  Dorfe  freie  Gerichtsbarkeit  zugestanden,  doch  (heisst  es  darin) 
solle  von  den  eingelaufenen  Strafgeldern  der  dritte  Theil  der  Stadt, 
der  dritte  dem  Waldmeister,  der  dritte  dem  Dorfschulzen  zufallen. 
Wer  war  nun  dieser  Waldmeister?  Was  verlieh  ihm  diese  Bedeutung? 
Wie  gelangte  er  zum  Vorsitze  des  vorstädtischen  Gerichtes? 

Waldmeister  ist  die  gangbare  Bezeichnung  für  solche  Beamten, 
welchen  der  Schutz  und  die  Pflege  der  Porsten  anvertraut  war.  Wir 
finden  solche  ebensowohl  im  Dienste  des  deutschen  Ordens  wie  auch 
im  kommunalen  Dienste.  Die  Ersteren  waren  Ordensbrüder  und  den 
benachbarten  Komthuren  untergeordnet,  wobei  es  oft  eine  blosse  Titulatur 
gewesen  sein  mag,  welche  man  gerne  beibehielt,  wenn  auch  die  Function 
schon  aufgehört  hatte.6)  Die  Waldmeister  der  Städte  waren  Rath- 
mannen;  so  wie  der  Kämmerer  die  Kasse,  der  Kirchvater  die  Verwal- 
tung des  Kirchenvermögens,  der  Schulze  den  Vorsitz  bei  den  Schoppen 
zu  führen  hatten,  so  übernehmen  diese  die  Aufsicht  über  die  der  Stadt 


5)  In  der  Urkunde  des  Jungfrauen-Klosters  vom  Jahre  1267  (Geh.  Arch.  A  78 
S.  66)  heisst  es:  Vendent  dietas  areas  secularibus  personis  quae  similiter  omne  jus 
civitatis  adimplebunt,  quod  wichbilde  vocatnr. 

6)  Vgl.  Toppen,  Geographie  S.  164  u.  165:  »Die  Komthureien  zerfielen  in 
kleinere  Bezirke,  welche  von  Vögten,  Pflegern,  Hanscomthnren,  Waldmeistern  und 
Fisch  meistern  verwaltet  wurden.*  Er  hätte  vielleicht  auch  noch  den  Kellermeister, 
z.  B.  von  Sobbowitz  mit  auffuhren  können* 


526  Einiges  über  vorstSdtiBche  Gerichtsbarkeit 

zugehörigen  Waldungen  als  Obliegenheit.7)  Nun  bestand  aber  das  der 
Stadt  Kulm  in  der  berühmten  Handfeste  zugewiesene  Gebiet  zum 
überwiegenden  Theile  aus  Waldungen,8)  an  deren  Ausrodung  und  Ko- 
lonisirung  man  nur  langsam  heranging.  Erst  am  Anfange  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  scheint  man  sich  dieser  Aufgabe  mit  Ernst  unter- 
zogen zu  haben  und  die  Ortschaften  Köln  und  Podigest  (später  Podwiesk, 
heute  Podwitz)  sind  vermuthlich  die  Ersten  gewesen,  welche  Dorf- 
gerechtigkeit erhielten  (1322). 9)  Noch  blieb  aber  der  ganze  nordwest- 
liche Winkel  des  Kulmer  Stadtgebietes  übrig,  welcher  nachweislich  am 
längsten  mit  schönen  Eichenwäldern  besetzt  war  und  auf  welche  sich 
die  Thätigkeit  des  Waldmeisters  vornehmlich  erstreckt  haben  muss. 
Durch  solche  „Aus Satzungen"  von  Ortschaften  wurden  immer  grössere 
Landstriche  urbar  gemacht,  mit  einer  selbstständigen  Verwaltung  aus- 
gerüstet und  so  der  Botmässigkeit  des  Waldmeisters  entzogen.  Ent- 
weder um  ihn  für  den  Ausfall  der  ihm  zustehenden  Gebühren  schadlos 
zu  erhalten,  oder  weil  er  auch  über  die  neu  gegründeten  Dorfschaften 
noch  immer  die  Stelle  eines  Vogtes  vertrat,  wurden  ihm  bei  Gründung 
des  Dorfes  Schöneich  im  Jahre  1364,  einer  Ortschaft,  welche  ihren 
Namen  nur  von  den  schönen  Eichenwaldungen  erhalten  haben  soll, i0) 
der  dritte  Theil  aller  eingelaufenen  Strafgelder  zugewiesen.  In  einer 
wenig  jüngeren  Urkunde,  das  Bischofsgetreide  betreffend,  werden  schon 
neun  selbstständige  Ortschaften  der  Kulmer  Stadtfreiheit  namentlich 
aufgeführt,  darunter  einige  recht  bedeutende. ")  So  musste  denn  die 
Function  des  Waldmeisters  allmählig  nach  jener  Seite  hin  zusammen- 
schrumpfen ")  und  zwar  um  so  mehr,  als  man,  auch  bald  besondere 


*)  Ueber  den  Waldmeister  im  städtischen  Dienste  läset  sich  Joh.  Voigt  folgender- 
massen  ans  (Bd.  6,  S.  708):  »Was  die  dem  Bathe  obliegende  Verwaltung  des  städti- 
schen Eigenthums  betrifft,  so  waren  mit  dem  eigentlichen  Verwaltungsdienste  der 
Kämmerer  und  Unterkämmerer,  ein  Waldmeister,  Kirchväter  und  ähnliche  Be- 
amte der  Stadt  beauftragt.* 

8)  Priv.  Culm  §.  4:  Supra  dicta  tarn  in  silvis  quam  in  pratds  et  agris  etc. 

°)  üssatzung  der  Dorffer  Coln  und  Podigest  a.  1322.    Geh.  Arch.  A  78  S.  90. 

10)  Vgl.  meine  Geschichte  des  Kulmer  Kreises  S.  334. 

")  Von  des  Bischoffs  getreydes  1396  Geh.  Archiv  A  78  S.  45. 

")  Die  neun  in  der  Kulmer  Stadtniederung  aufgeführten  Ortschaften  zinseten 
dem  Bischöfe  im  Ganzen  von  15  Pflügen.    Die  Ortschaft  Schöneich  mit  80  Hufen 


von  Dr.  Franz  Schalt».  527 

Stadtdiener  anstellte,  denen  die  Beaufsichtigung  der  städtischen  Forsten 
auferlegt  wurde. ,3)  Doch  was  ihm  nach  der  einen  Seite  an  Thätigkeit 
und  Bedeutung  verloren  ging,  erwuchs  ihm  auf  der  andern  Seite  neu. 
Während  in  einiger  Entfernung  von  der  Stadt  die  selbstständig  ge- 
wordenen Ortschaften  seiner  unmittelbaren  Jurisdiction  entzogen  wurden, 
entstanden  vor  den  Thoren  der  Stadt  blühende  Vorstädte,  denen  er 
seine  ganze  Aufmerksamkeit  widmen  musste.  Es  war  deshalb  nur  die 
Macht  der  Gewohnheit  und  das  Pesthalten  am  Althergebrachten,  wenn 
derjenige  städtische  Beamte,  dem  nunmehr  als  Hauptthätigkeit  die 
Bechtspflege  der  Vorstädte  zufiel,  in  der  Erinnerung  an  seine  ehemaligen 
Functionen  immer  noch  den  Titel  eines  Waldmeisters  führte,  ein 
Ausdruck,  der  übrigens  nur  im  Deutschen  beibehalten  wurde,  während 
die  lateinische  Bezeichnung  von  Anbeginn  judex  foris  civitatem  oder 
judex  suburbanus  war. ") 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  der  Waldmeister  in  ältester  Zeit,  als 
die  Bevölkerung  noch  eine  dünne  und  das  soziale  Leben  wenig  ent- 
wickelt war,  in  unumschränkter  Vollmacht  seine  richterlichen  Obliegen- 
heiten ausgeübt  haben  wird.  Nachdem  die  Vorstädte  aber  eine  der 
städtischen  Verfassung  adäquate  erhalten  hatten,  gestaltete  sich  das 


allein  von  2  Pflügen.  Würden  wir  dieselbe  als  Maassstab  nehmen,  so  müssten  die 
genannten  neun  Ortschaften  600  Hafen  umfasst  haben,  etwa  so  viel  betrug  aber 
nur  die  ganze  Stadtfreiheit,  bei  «reicher  ausser  den  Vorstädten  und  Kirchenhafen 
noch  ein  bedeutendes  Areal  für  die  Wiesen  and  für  die  erhaltenen  und  gepflegten 
Waldangen  in  Abrechnung  gebracht  werden  muss.  Es  scheint  demnach,  dass  die 
Ortschaft  b'chftieich  höher  als  die  andern  besteuert  war. 

13)  Schon  die  Kulmer  Willkür,  deren  Bestimmungen  zum  grösseren  Theil  ins 
vierzehnte  Jahrhundert  zurückreichen,  enthält  einen  Paragraphen:  Von  der  Wald- 
furster  missehandelunge:  Wir  wellen  auch,  das  welch  man  der  Stat  waldfurster  adir 
Jmand  anders  In  der  Stat  dinste  inissehandelt,  der  sal  nicht  wissen  was  her  vor- 
burt,  gleicher  weise  als  ob  her  eynen  wechter  missehandelte  In  der  Stat  wache. 

t4)  Die  Thatsache,  dass  ursprüngliche  Waldgerichte  einen  ausgedehnteren  Wir- 
kungskreis erhielten  oder  ihrer  ursprünglichen  Bestimmung  untreu  wurden,  steht 
nicht  vereinzelt  da.  Ich  erinnere  nur  an  die  sog.  Zeidelgerichte,  welche  ur- 
sprünglich nur  die  Controle  der  Bienenstöcke  zu  üben  hatten,  später  Waldfrevel 
überhaupt  überwachten,  endlich  die  Gerichtsbarkeit  über  ganze  Gütercompleze  (sog. 
Zeidlergüter)  umfassten.  Dieselben  sind  auch  an  der  Westgrenze  unserer  Provinz, 
sowie  in  der  Provinz  Brandenburg  in  Thätigkeit  gewesen.  —  Aehnlich  der  Wald- 
richter in  Scheffels  Trompeter  von  Säckingen  XI.  Stück  S.  168. 


528  Einiges  über  vorstädtitfche  Gerichtsbarkeit 

vorstädtische  Gericht  etwa  folgendermassen:  Es  wurden  aus  der  Gemeinde 
zwölf  Männer  als  Schoppen  gewählt ,  denen  einer  der  städtischen  Eath- 
mannen, der  Waldmeister,  —  durchschnittlich  war  es  der  siebente  — 
als  Vorsitzender  übergeordnet  wurde.  Es  entsprach  diese  Einrichtung 
der  städtischen,  bei  welcher  ebenfalls  durchschnittlich  zwölf  Schoppen 
in  Thätigkeit  waren,  über  welche  der  Scholze,  gewöhnlich  der  vierte 
Eathmann,  den  Vorsitz  führte.  Mögen  einige  Jahrgänge  aus  dem  Kulmer 
Kürenbuche  die  Belege  liefern.  Im  Jahre  1430  war  Scholze  (also  Vor- 
sitzender des  städtischen  Schöppengerichtes)  Lorenz  von  der  Leynau, 
zugleich  sechster  Eathmann;  Waldmeister  (also  Vorsitzender  des  vor- 
städtischen Schöppengerichtes)  Nikolaus  Koler,  zugleich  achter  Eathmann. 

1431:  Scholze:  Lorenz  König,  sechster  Eathmann;  Walmeister: 
Mertin  Peyser,  achter  Eathmann. 

1432:  Scholze:  Johannes  Plote,  sechster  Eathmann;  Waldmeister: 
Nicolaus  Koler,  neunter  Eathmann. 

1433:  sind  nur  die  Eathmannen  und  der  Scholze  Lorenz  von  der 
Lynow  (oben  Leynau)  sechster  Eathmann  aufgeführt. 

1434:  Scholze:  Lorenz  von  der  Lynow,  vierter  Eathmann;  Wald- 
meister: Jobann  von  Sclodsee,  zehnter  Eathmann. 

1435:  Scholze:  Bartholomäus  Eosenick,  fünfter  Eathmann;  der 
Waldmeister  ist  durch  ein  Versehen  des  Schreibers  ausgefallen. 

1436:  sind  nur  die  Eathmannen  und  der  Scholze  Martin  Peyser 
(fünfter  Eathmann)  genannt. 

1437:  Scholze:  Lorencz  von  der  Leynow,  fünfter  Eathmann;  Wald- 
meister: Niclos  Koler,  siebenter  Eathmann. 

1438:  Schultiss  Bartholomäus  Eosenick,  fünfter  Eathmann;  Wald- 
meister: Hans  von  der  Schlodzee  sechster  Eathmann. 

1439:  Schultheiss  Mertin  Peyser  fünfter  Eathmann;  Waldmeister: 
Johann  von  Schlodsee  sechster  Eathmann  u.  s.  f. 

Die  vorstädtischen  Schoppen  scheinen  bei  Weitem  der  Mehrzahl 
nach  ebenfalls  aus  der  eigentlichen  Stadtgemeinde  genommen  zu  sein; 
wenigstens  möchte  man  es  daraus  schliessen,  dass  i.  J.  1450  bei  dem 
jüngsten  Schoppen  Lorenz  Doryng  es  als  besonderer  Vermerk  hinzu- 
gefügt ist,  dass  er  in  der  Vorstadt  Pantkensee  ansässig  gewesen  sei. 


von  Dr.  Frans  ßchultz.  ^29 

Im  Uebrigen  waren  es  der  Mehrzahl  nach  Männer  von  geringem  Ein- 
flüsse. Denn  während  die  städtischen  Schoppen  sich  gewöhnlich  bis 
zur  Stufe  eines  Rathmanns,  oft  zu  der  eines  Bürgermeisters  emporarbeiten, 
gelingt  es  den  vorstädtischen  Schoppen  nur  selten;  und  wenn  dieses 
der  Fall  ist,  müssen  sie  zuvor  die  Stufe  der  städtischen  Schoppen  durch- 
machen. So  lernen  wir  i.  J.  1435  den  ersten  vorstädtischen  Schoppen 
Michel  Segemundt  kennen,  welcher  nach  dreijähriger  Verwaltung  dieses 
Postens  1439  unter  die  städtischen  Schoppen  aufgenommen  wird  und 
i.  J.  1445  als  letzter  Rathmann  fungiert.  Im  Jahre  1454  ist  er  Scholze, 
fünfter  Rathmann,  und  schwindet  als  vierter  Rathmann  aus  dem  Küren- 
buche. Eine  solche  Ausnahme  bestätigt  aber  nur  die  Regel.  Es  konnte 
nun  natürlich  nicht  ausbleiben,  dass  sowohl  in  Bezug  auf  die  Anzahl 
der  Schoppen,  als  auch  ihre  Bezeichnung,  wie  endlich  auch  auf  ihre 
richterlichen  Functionen  die  Reihe  der  Jahrhunderte  manche  Veränderung 
im  Gefolge  hatte.  So  wurde  im  sechzehnten  Jahrhunderte  der  erste 
Schöppe  des  städtischen  ebensowie  die  des  vorstädtischen  Gerichtes, 
Scheppmeister  genannt,  der  zweite  hiess  sein  Compe.  Der  Schepp- 
meister  war  zugleich  Vertreter  des  Waldmeisters.  Auch  begnügte  man 
sich,  vermuthlich  weil  es  bei  der  dürftigen  Anzahl  von  Bewohnern  an 
geeigneten  Persönlichkeiten  fehlte,  oft  mit  neun  und  noch  weniger  vor- 
städtischen Schoppen.  Hienach  sah  ein  Register  aus  dem  Jahre  1555 
folgendermassen  aus: 

Scholze:  Urban  Tobelbyr  (judex) 

1.  Scheppmeyster,  Bartel  Trypmacher. 

2.  Sein  Compe  Thomas  Grosse. 

3.  Gregor  Scheffer, 

4.  Andres  Barthke, 

5.  Brosien  Rosmüller, 

6.  Hans  Scholcze, 

7.  Blasien  Hancke, 

8.  Mertin  Radau, 

9.  Christoff  Molwytcz, 

10.  Bartel  Bornmann, 

11.  Matz  Nitcze, 


Geschworene  Scheppen 
uff  dy  czyth. 


530  Einiges  über  rorstEdtisohe  Gerichtsbarkeit 

Waldmayster:  Niclas  von  Sabin. 

1.  Scheppmayster:  Bernhart  Gassner, 

(vicescultetus  judicii  suburbani) 

2.  Sein  Compe :  Niclas  von  der  Leutte, 

3.  George  Varoge, 

4.  Heiiger  Scholcz,  \  Scheppen  des 

5.  Michel  Grünwaldt,  /    Vorstetter-Gerichtes. 

6.  Urban  Braunsbergk, 

7.  Valten  Silber, 

8.  Thomas  Enapptwargk, 

9.  Urban  Krasse, 
In  noch  späterer  Zeit,  als  die  städtische  Freiheit  illusorisch  geworden 

war,  sah  man  von  den  vorstädtischen  Schoppen  ganz  ab  und  begnügte 
sich  mit  einem  vorstädtischen  Richter,  welcher  nebst  einem  Bürger- 
meister, einem  Burggrafen,  einem  Vicebürgermeister,  einem  bis  zwei 
Kämmerern  und  einem  städtischen  Richter  den  Vorstand  bildete  (1719). 
Um  sich  nun  von  der  Thätigkeit  des  vorstädtischen  Gerichtes  ein 
vollständiges  Bild  zu  entwerfen,  wäre  es  nothwendig,  die  Akten  des- 
selben einzusehen.  Dieselben  fehlen  aber  leider  für  ein  Jahrhundert 
vollständig  (1467—1555);  auch  sind  sie  nur  kümmerlich  angelegt  und 
setzen  mancherlei  Lokalkenntnis,  sowie  eine  eingehende  Bekanntschaft 
mit  den  gerichtlichen  Verhältnissen  und  Formalitäten  voraus.  —  Die 
Vorstädte  waren  nämlich  durchweg  die  Stiefkinder  der  Städte.  Sämmt- 
liche  Verordnungen  der  Landeswillkür  sowie  der  Städtischen  Willkür 
galten  auch  für  sie;  ausserdem  aber  waren  eine  ganze  Anzahl  von 
Paragraphen  speziell  an  sie  adressiert  und  darauf  berechnet,  sie  in 
einer  beständigen  Vormundschaft  zu  halten.  Mögen  nur  einige  der- 
selben ihre  Stelle  finden.  Es  war  ihnen  speziell  verboten,  sich  nach 
der  Zeit,  da  die  Thore  geschlossen  waren,  in  der  Stadt  aufzuhalten, 
es  sei  denn,  dass  ein  ehrliches  Geschäft  sie  zurückhielte.  Nur  den 
Bürgern  der  Stadt  war  es  erlaubt,  Kuthen  in  der  Stadtfreiheit  zu 
schneiden.  Die  Berechtigung  der  Holznutzung  war  für  die  Vorstädter 
eine  beschränkte,  sie  mussten  sich  mit  den  sog.  Afterschlägen  begnügen. 
Hatte*  ein  Bewohner  der  Vorstädte  das  Unglück,  dass  seine  Schweine 


von  Dr.  Frani  Schultz.  531 

in  den  Gemeindeacker  einbrachen,  so  verlor  er  nicht  nur  die  Schweine, 
sondern  musste  auch  seinen  Wohnsitz,  aufgeben.  Die  Geschosse  von 
Zinserben  wurden  mit  grosser  Härte  eingetrieben;  ja  es  wurden  die- 
selben sogar  oft  von  der  Stadt  zum  Verkaufe  gebracht.  —  Nach  allen 
diesem  will  es  den  Anschein  haben,  als  sei  es  nicht  einmal  sehr  ehren- 
werth  gewesen  in  einer  der  Vorstädte  zu  wohnen;  sondern  man  liess 
ein  solches  Grundstück,  mochte  es  nun  Weinberg,  Hopfengarten,  Kraut- 
garten, Schabernack  oder  sonst  ein  Erbe  sein,  lieber  von  Dienstleuten 
und  Tagelöhnern  bewirtschaften,  welchen  letzeren  ihr  Lohn  in  der 
Willkür  ein  für  alle  Male  bestimmt  war.  Ganz  abgesehen  von  den 
Fischern,  welche  fast  in  einer  Art  von  Leibeigenschaft  gehalten  wurden, 
waren  die  Vorstädter  namentlich  Abends  nicht  gern  gesehene  Gäste. 
Sie  machten  sich  nächtlicher  Holzdiebstähle  verdächtig;  ebenso  Nach- 
schlüssel zu  einzelnen  Stadtthoren  angefertigt  zu  haben.  Der  Viehstand 
war  wenigstens  den  Bewohnern  der  Fischerei  eingeengt.  Alle  Erträge 
ihres  Gewerbes  oder  Ackers  mussten  die  Bewohner  der  Stadtfreiheit 
auf  dem  Kulmer  Marktplatze  zum  Verkaufe  bringen  und  vieles  Andere 
mehr.  —  Entsprechend  dieser  im  Ganzen  etwas  gedrückten  Stellung  der 
Vorstädter  war  auch  ihre  Gerichtsbarkeit,  welcher  eigentlich  jede  Selbst- 
ständigkeit fehlte  und  welche  nur  in  ihrer  äusseren  Zusammensetzung 
der  städtischen  ähnelte.  Zwar  versammelte  sich  auch  das  vorstädter 
Gericht  gleich  dem  städtischen  und  dem  Landgerichte  „vor  gehegtem 
Dinge";  der  Waldmeister  nennt  sich  gern  der  „vorstädter  Scholze*,  auch 
beliebte  man  wohl  für  das  vorstädter  Gericht  die  Bezeichnung  „vor  dem 
Bürgerdinge  %  jedoch  wo  es  auf  Genauigkeit  ankam  und  man  "Misver- 
ständnissen  vorbeugen  wollte,  gab  man  ihm  die  richtige,  gebührende 
Bezeichnung,  und  dann  hiess  es:  das  vorstädter  Gericht,  das 
Afterding,  das  Beiding,  die  vorstädter  Bank.  Auch  die  sonstigen 
Formalitäten  waren  dieselben  wie  beim  städtischen  Gerichte:  Wald- 
meister und  Schoppen  waren  speciell  für  ihr  Amt  vereidigt,  und  die 
geladenen  Parteien  erschienen  „vor  gerechtem  und  gehegtem  Dinge* 
oder  „vor  vollmächtigem  Gerichte  und  gehegtem  Dinge*.  Man  unter- 
schied wie  beim  Landdinge  zwischen  ordentlichen  und  ausserordentlichen 
Sitzungen.  Demungeachtet  ist  dasselbe  nur  ein  Untergericht  des  städti- 


532  Einiges  über  vorstädtische  Gerichtsbarkeit 

sehen;  auch  geht  seine  Thätigkeit  hauptsächlich  auf  die  Eegelung  der 
Besitzverhältnisse,  Verkauf,  Erbschaft,  Belastung  von  Grundstücken  und 
Aehnliches.  Schon  das  ganze  Gericht  erscheint  nur  als  eine  Commission, 
welche  vom  Bürgermeister  zu  diesem  Behufe  eingesetzt  ist;  denn  wenn 
der  Waldmeister  behindert  ist  zu  erscheinen,  so  überträgt  der  Bürger- 
meister das  Gericht  einem  Andern  der  vorstädter  Schoppen,  gewöhnlich 
dem  Scheppmeister  als  dessen  natürlichen  Vertreter  („welchem  im  Mangel 
des  Waldmeisters  vom  Herrn  Bürgermeister  das  Gericht  übergeben  ist"). 
Kriminalfälle,  also  die  ganze  höhere  Gerichtsbarkeit,  waren  von  dem 
vorstädtischen  Gerichte  in  ältester  Zeit  überhaupt  ausgeschlossen;  nur 
die  niedere  Gerichtsbarkeit  übte  es  aus.  Wahrscheinlich  fielen  dem 
Waldmeister  von  derselben  ein  Theil  der  eingelaufenen  Strafgelder  zu, 
wie  wir  es  bei  der  Dorfschaft  Schöneich  kennen  gelernt.  Ausserdem 
gab  es  aber  eine  grosse  Anzahl  von  Fällen,  in  denen  Bürger  der  Stadt 
ihre  Sache  aus  dem  vorstädtischen  in  das  städtische  Gericht  hinüber- 
bringen konnten;  wie  denn  überhaupt  die  beiderseitigen  Befugnisse  oft 
schwer  auseinander  zu  halten  waren,  da  die  meisten  Besitzer  vorstädti- 
scher Grundstücke  in  der  Stadt  ansässig  waren.  Da  mussten  denn  die 
beiden  Gerichte  einander  in  die  Hände  arbeiten.  Einem  solchen  Falle 
hat  aber  schon  die  alte  Kulmer  Willkür  vorgesehen.  Wird  nämlich 
ein  Bürger  der  Stadt  vom  vorstädtischen  Gerichte  zn  einer  Summe  ver- 
urtheilt,  deren  Zahlung  er  verweigert  oder  nicht  zu  leisten  vermag,  und 
liegt  sein  Hauptbesitz  innerhalb  der  Stadt,  also  ausserhalb  des  Bereiches 
des  vorstädter  Gerichtes,  so  begiebt  sich  der  Waldmeister  mit  zwei 
Schoppen  aus  gehegtem  Dinge  vor  den  Schultheiss  der  Stadt,  legt 
Zeugniss  ab,  worauf  dann  dieser  aus  seinem  Gerichte  ihm  Boten  mit- 
giebt,  um  die  Auspfändung  zu  bewerkstelligen. ,6)  Aber  noch  weiter: 
Das  städtische  Gericht  hat  von  Anbeginn  als  eine  höhere  Instanz  für 
das  vorstädtische  Gericht  gegolten.   Sei  es  nun,  dass  das  vorstädtische 


1S)  Kulmer  Willkür:  »Wie  man  eynen  us  eynem  Gerichte  in  das  andere  sal 
brengen.  Ab  uff  ymanden  in  der  Stat  freiheit  Gerichte!  Geld  adir  Gut  erfurdert 
wurde,  das  her  in  ghenem  Gerichte  nicht  hette  zu  vorpfanden,  der  doch  unsir 
Barger  were,  des  sal  der  Waldmeister  mit  zween  Scheppen  us  gehegtem  Dinge  vor 
den  Schultheiss  in  die  Stat  komen  und  das  gcczeugen,  so  sal  denn  der  Schultheiss 
us  diesem  Gerichte  helffen  uspfenden  mit  sienem  Boten/ 


voh  Dr.  Frans  Schnlti.  533 

Gericht  kein  eigenes  Schuldgeföngniss  hatte,  sei  es,  was  noch  wahr- 
scheinlicher ist,  dass  das  städtische  Gericht  dem  andern  übergeordnet 
war,  —  eine  alte  Bestimmung  gestattete  dem  Gläubiger,  welchem  ein 
Schuldner  zur  Schuldhaft  übergeben  war  („mit  der  Hand  geantwortet 
war"),  denselben  in  das  städtische  Gericht  zu  bringen  und  ihn  daselbst 
zurückzuhalten,  so  lange  es  überhaupt  gesetzlich  freistand. 18)  Dieses 
Instanzen-Verhältnis  wurde  in  späterer  Zeit,  als  Kulm  Bischofsstadt 
geworden,  noch  schärfer  begrenzt  und  bestimmt.  Es  bestand  nämlich 
der  gesammte  Magistrat  der  Stadt  aus  vier  Factoren :  den  zehn  Rath- 
mannen  (deren  erster  der  Burgermeister),  zehn  städtischen  Schöffen  unter 
dem  Vorsitz  eines  Scholzen,  zehn  vorstädtischen  Schöffen  unter  dem 
Vorsitze  eines  Scultetus  suburbanus,  und  zehn  Gemeindevertretern;  an 
der  Spitze  des  Ganzen  stand  der  Burggraf,  welcher  je  nach  den  Zeit- 
umständen mit  dem  Bürgermeister  um  den  Vorrang  stritt.  Während 
nun  von  den  städtischen  Schoppen  in  Fiscal-Sachen  nur  eine  Appella- 
tion an  den  Bischof,  in  den  übrigen  der  übliche  Instanzenweg  des 
polnischen  Keiches  gestattet  war,  galt  für  das  vorstädter'  Gericht  als 
nächste  Instanz  der  Magistrat,  vom  Magistrate  an  den  Bischof  etc. 
Uebrigens  wurde  dem  vorstädter  Gericht  das  jus  gladii  zugestanden, 
doch  nur  im  Beisein  des  Burggrafen.  ")  Es  finden  sich  denn  auch 
mehrfache  Appellationen  an  das  städtische  Gericht,  so  z.  B.  im  Jahre 
1568,  wenn  es  von  einem  Erkenntnisse  heisst:  „Von  diesem  einem  Er* 
baren  Gerichtsspruch  der  Herr  Niclas  Bayerski  appellieret  hat  an  eine 
E.  Stadt,  welche  Appellation  ein  E.  Gericht  nachgegeben.*  Als  eine 
Appellation  an  die  dritte  Instanz  (da  der  Starost  von  Althausen  des 
Bischofs  perpetuirlicher  Vertreter  war)  ist  vermuthlich  folgender  Pro- 


")  Kühner  Willkür:  »Wenn  eyner  dem  andern  geentwerdt  wirdt  mit  der  Hand 
vor  schulden.  Wer  dem  andern  geentwerdt  wirdt  mit  der  hand  vor  schulden  in  dem 
Gerichte  vor  der  Stat,  den  mag  ghener  brengen  in  der  Stat  Gerichte  en  dorinne 
haldende  als  eyn  recht  ist/ 

n)  Der  Abschnitt  ans  der  späteren  bischöflichen  Städteordnnng  über  das  vor- 
städtische Gericht  lautet:  Ordo  Scabinorum  subnrbanorum,  qui  itidem  numero  sunt 
decem;  his  praesidet  scultetus  suburbanus,  Jus  gladii  suburbani  habens,  illud  etiam 
sine  Hagi8tratus  Praeside  Borggrabio  non  exequitar.  Appellatio  ab  eo  ad  Magistratum; 
a  Magistratu  his  qui  Jure  Civitatis  tantum  gaudent  ad  IUnstrissimum, 


534  Einiges  aber  voratädtische  Gerichtsbarkeit 

test  anzusehen  aus  dem  Jahre  1580:  „Der  ehrbare  Michael  Scholtz  hat 
gerechtlich  protestiret  kegen  und  wider  des  Ersamen  Georg  Schmiedes 
gethanes  Arrestes,  sich  femer  anzeigende,  dass  er  sich  hierkegen  des 
Herrn  Hauptmanns  auf  Altenhaus  Decrets  halten  will.  *  —  Es  will  uns 
als  selbstverständlich  erscheinen,  dass  die  Acht,  wenn  sie  von  einem 
der  beiden  Gerichte,  oder  richtiger  dem  städtischen  Gerichte,  ausge- 
sprochen war  (weil  das  vorstädtische  hiezu  allein  kaum  die  Befugniss 
gehabt  haben  wird),  auch  für  den  ganzen  Stadtbezirk  galt;  dennoch  fand 
man  es  für  nöthig,  dieses  in  einem  besonderen  Paragraphen  noch  auf- 
zuzeichnen: «Alle,  die  in  der  Stat  achte  seyn,  die  sullen  auch  seyn  in 
der  Stat  freiheit  achte;  wer  aber  zu  besserung  wil  komen,  der  sal  den 
schaden  bessern  in  der  Stat,  do  der  schade  ist  gescheen,  domete  sey 
her  gelediget  von  beyden  ochten."  So  lange  Kulm  unter  dem  deutschen 
Orden  unbedingte  Selbstständigkeit  genoss,  gipfelten  beide  Gerichte  im 
Bathe  der  Stadt;  sie  mussten  Hand  in  Hand  gehen.  Als  aber  später 
der  bischöfliche  Burggraf  das  Heft  allein  in  Händen  hatte  und  beiden 
Gerichten  die  Ausübung  des  jus  gladii  unter  seinem  Vorsitze  gestattet 
ward,  da  konnte  auch  eine  Achterklärung  einseitig  vorgenommen  werden. 
Als  einen  niederen  Grad  solcher  Aechtung  haben  wir  ein  Protokoll  an- 
zusehen, welches  sich  nur  in  dem  vorstädtischen  Gerichtsbuche  ver- 
zeichnet findet,  in  dem  städtischen  nicht.  Ein  mehrfach  bestrafter 
Verbrecher  muss  den  Eid  leisten,  das  Kulmer  Stadtgebiet  nie  wieder 
betreten  zu  wollen:  „Ich  Brosien  Bartnick  bekenne  öffentlich  vor  Tder- 
menniglich,  wes  Standes  der  sein  mögen,  ungenötiget,  das  ich  wegen 
meiner  geübeten  Frefeltheit  und  Ungehorsamb  bin  in  Gefenknis  vorhattet, 
so  denn  aus  diesem  vorloffen,  dadurch  ich  des  E.  Bats  und  Bichters 
und  Scheppen  Autoritet  hefftigk  verletzet  und  dornach  eynem  Fischer 
einen  Kenen  sambt  etczlichen  Kledern  entwandet  und  seine  Fische 
dorzu  genommen,  durch  welches  ich  nach  Ausweisung  göttlichen  und 
beschriebenen  Rechtes  die  Halsstrafe  vordienet,  weyl  der  Ersame  Bat 
mir  aus  milder  Gute  das  Leben  geschenkt  und  zur  Besserung  gefristet, 
welches  ich  nach  höchstem  Vermögen  in  allem  Besten  zu  vordienen 
mich  verpflichte,  aber  das  Alles  ich  dieser  Stadtfreiheit  verschwere, 
(lorin  nimmer  zu  kommen  bei  voriger  vordienter  Strafe  und  mit  Yder- 


von  Dr.  Frans  Schalte.  535 

menigklichen  gelobe  ich  ewigk  und  fridlich  zu  leben  so  warlich  mir 
Gott  helffe  und  das  heylige  Evangelium.  *  — 

Es  wurde  in  späterer  Zeit  das  vorstädtische  Scheppengericht  für 
den  Kulmer  Bischof  eine  namhafte  Einnahmequelle,  indem  bei  Contrakt- 
brüchen  Verpfändungen  und  Aehnl.  die  Hälfte  der  Strafe  ihm  zufiel; 
so  heisst  es  in  einer  Verhandlung  vom  22.  Juni  1602;  „und  er  hat 
dies  zu  halten  bei  Verlust  von  200  Mark  preussisch  halb  Ihrer  Hoch- 
würdigsten Gnaden,  der  andern  Helfte  dem  beleidigten  Part."  Aehnliche 
Bestimmungen  finden  sich*  in  grosser  Anzahl.  Bei  allem  dem  sind  aber 
die  Schöppenbücher  des  vorstädtischen  Gerichtes  im  Vergleiche  zu  den 
städtischen  nur  wenig  voluminös;  bei  zunehmender  Verarmung  und 
nach  Kriegsverheerungen  überwiegen  bei  Weitem  die  Regulierungen  der 
auf  den  Grundstücken  lastenden,  den  Besitzer  erdrückenden  Schulden- 
lasten. Interessant  werden  sie  für  die  specieüe  Stadtgeschichte  da- 
durch, dass  eine  Menge  grösserer  und  kleinerer  Ortschaften  und 
Liegenschaften  darin  vorkommen,  und  weil  gerade  die  Patrizier- 
familien als  Inhaber  solcher  Grundstücke  darin  auftreten.  Mancher 
ßathmann  wusste  sich  in  den  Besitz  einer  fetten,  städtischen  Pfründe 
zu  setzen. 

Das  Amt  eines  vorstädtischen  Richters  sinkt,  je  länger  je  mehr, 
zu  dem  eines  executiven  Polizeirichters  zurück,  was  der  Waldmeister 
ursprünglich  gewesen  war,  wie  ihm  denn  auch  schon  in  der  zweiten 
Kulmer  Willkür  nur  noch  eine  Anzahl  untergeordneter  polizeilicher 
Maassnahmen  übertragen  werden  z.  B.  die  alljährliche  Anordnung  einer 
Umzäunung  der  Niederungsgrundstücke,  von  welcher  es  heisst:  „Und 
wenn  das  vorstädter  Gerichte  die  Zeit  anordnen  wird,  welcher  dann  nicht 
bei  seinem  Stücke  und  Zaune  sein  wird,  der  verbüsst  des  ersten  Tages 
5  Groschen,  des  andern  10,  des  dritten  15;  des  vierten  soll  ihm  dies 
Jahr  dasselbige  Stück  genommen  werden.' 


Der  grosse  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525. 

Von 

I>r.  Johannes  Strebitzki. 

Der  1874  erschienene  fünfte  und  letzte  Band  der  Scriptores  Herum 
Prussicarum  herausgegeben  von  Dr.  Theodor  Hirsch,  Dr.  Max  Toppen 
und  Dr.  Ernst  Strehlke  bietet  neben  vielen  anderen  wichtigen  Quellen- 
editionen für  die  Geschichte  unsrer  Provinz,  speciell  für  die  Geschichte 
der  Stadt  Danzig  am  Ende  des  fünfzehnten  und  am  Anfang  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  in  der  Fortsetzung  der  Danziger  Chroniken  ein 
ausserordentlich  reichhaltiges,  von  ihrem  Herausgeber  Hirsch  vorzüglich 
erklärtes  Quellenmaterial,  das  namentlich  über  die  ersten  reformatorischen 
Bewegungen  in  Danzig  und  den  mit  diesen  zusammenhängenden  Aufruhr 
im  Jahre  1525  eine  Reihe  der  genausten  Nachrichten  bringt.  Der 
Verfasser  der  nachstehenden  Abhandlung  war  gerade  damit  beschäftigt 
diese  Chroniken  zu  studiren,  allerdings  nur  um  eine  kultur-historische 
Skizze  jener  Zeit  zu  geben,  als  ihm  folgendes  Urtheil  des  Historikers 
Winkelmann1)  über  jene  den  Aufruhr  des  Jahres  1525  in  Danzig  be- 
richtenden zeitgenössischen  Chroniken  zu  Gesicht  kam,  welches  der- 
selbe gelegentlich  einer  Besprechung  des  V.  Bandes  der  Scriptores  r.  pr. 
fällt:  „Ueber  den  Verlauf  dieser  merkwürdigen  kirchlich -politischen 
Bewegung  wird  hier  und  in  den  vom  Herausgeber  hinzugefügten  An- 
merkungen, dann  in  Berat  Stegmanns  Chronik  vom  Aufruhr  1525 
p.  544  fT.  und  in  einigen  kleineren  zeitgenössischen  Aufzeichnungen, 
welche  als  Beilagen  zu  derselben  p.  577 — 591  abgedruckt  sind,  ein 
überaus  reiches  und  zum  Theil  noch  nicht  verwerthetes  Material  bereit 


')  Historische  Zeitschrift  von  H.  v.  Sjbel  1875.  4.  Heft  437  ff. 


Der  grosse  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525.  537 

gelegt.  Die  patricische  und  demokratische  Anschauungsweise,  Vertreter 
des  alten  Glaubens  und  Anhänger  des  neuen  kommen  nach  einander 
zu  Worte  und  in  solcher  Lebendigkeit,  dass  man  sich  wundern  müsste, 
wenn  nicht  bald  ein  preussischer  Historiker  diese  Bewegung  zum  Gegen- 
stand einer  Monographie  machte,  welche  wegen  der  Beziehungen  zur 
allgemeinen  Reformationsgeschichte  auch  weitere  Kreise  interessiren 
würde." 

Zwar  wird  wohl  Winkelmann  nicht  unbekannt  sein,  dass  Th.  Hirsch 
in  seiner  Geschichte  von  St.  Marien,  in  einem  Buche  das  unter  diesem 
bescheidenen  Titel  eigentlich  die  ganze  Kirchengeschichte  Danzigs 
kritisch  erzählt,  auch  diese  Partie  in  seine  Darstellung  verwoben  hat, 
aber  das  neu  edierte,  so  ausserordentlich  reiche  Material  scheint  in 
Winkelmann,  und  wie  ich  glaube  in  manchem  Geschichtsfreunde,  den 
Wunsch  wachgerufen  haben,  dass  dasselbe  zu  einer  neuen  Erforschung 
und  Darstellung  jener  Zeit  verwendet  werde.  Ich  bin  diesem  Wunsche 
willig  gefolgt  und  bringe  diese  Abhandlung  hiemit  zur  Publikation, 
hauptsächlich  auch  deshalb  weil  ich  in  nicht  unwesentlichen  Punkten  von 
den  bisherigen  Darstellungen  ahweiche. 

Der  Aufruhr  des  Jahres  1525  zu  Danzig  in  seiner  Veranlassung 
und  in  seinen  Polgen  ist  uns  glücklicher  Weise  in  so  vielen  Quellen 
überliefert,  dass  wir  uns  über  denselben  ein  ausserordentlich  treues 
Bild  entwerfen  können.  Die  genaueste  und  umfangreichste  Quelle  über 
diesen  Gegenstand  ist  Bernt  Stegmanns  Chronik  vom  Aufruhr  1525  *). 
Obwohl  sie  mit  den  Worten:  „Eczwas  zcu  schreiben  von  der  zcweytracht, 
parteye  und  auffrur  der  borger  und  eynwoner  der  gutten  stadt  Dantczike 
und  wellet  mir  nicht  vor  obel  haben,  ab  ich  etczwas  dy  alten  hobete 
mitte  anrure,  szo  ich  doch  ungerne  imande  wolde  cze  noe  schreiben, 
das  do  were  an  seyne  ere  ader  gelymppfe,  ader  das  dy  unworheit  were 
und  nicht  gescheen*  beginnt  und  die  Veranlassung  dieses  Streites  aus 
Ursachen,  die  viele  Jahre  früher  liegen  ableitet  (»Das  yst  gesehen  lengk 
wen  XX  jar  vor  dissem  auffrur,  ee  das  is  eynen  vortgangk  krigete,  in 
der  ezeyt,  do  do  lebeten  und  regirten  dy  stadt  Dantczike  dy  iiij  borger- 


*)  Scr.  V,  S.  544—577. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hft.  7  n.  8»  35 


538  Der  grosse  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525 

meisters  also  mit  namen  her  Hynrich  Falke,  her  Jürgen  Bück,  her 
Hynrich  von  Suchten,  her  Jolian  Pcrfer,  bei  den  gezceiten  quam  dy 
erste  zcweytracht  und  parteye  mangk  dy  eldesten  und  vormemeaten 
der  stadt  Dantczke*),  so  ist  doch  diese  Arbeit,  wie  ihr  Herausgeber 
Prof.  Dr.  Hirsch  im  fünften  Bande  der  Scr.  rer.  Prus.  mit  Recht  sagt, 
eine  tendenziöse  Parteischrift,  die  im  Sinne  der  städtischen  Aristokratie, 
die  nach  jenem  Aufruhr  zur  Herrschaft  gekommen  mit  tyrannischer 
Härte  die  selbstständigen  Regungen  der  Bürgerschaft  auf  politischem 
und  religiösem  Gebiete  unterdrückte,  gleich  nach  der  Dämpfung  jenes 
Aufstandes  zwischen  den  Jahren  1526—30  geschrieben  ist.  Den  Beweis 
bietet  die  Art  und  Weise,  wie  Stegmann  die  Veranlassung  des  Auf- 
standes characterisiert.  Während  er  im  ersten  Theil  seiner  Chronik  be- 
hauptet, des  Aufruhrs  Gründe  lägen  in  den  Verhältnissen  und  Ereig- 
nissen früherer  Zeiten,  in  der  Verfeindung  der  grossen  patricischen 
Geschlechter  unter  einander,  in  dem  Auftreten  des  Bürgermeisters 
Eberhard  Ferber  gegen  die  Stadt,  in  den  Bannflüchen  der  verschiedenen 
geistlichen  Gerichte,  wird  er  auf  einmal  anderer  Gesinnung  und  macht 
von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  er  der  Einführung  der  reformatorischen 
Lehren  in  Danzig  gedenken  muss,  nur  die  Reformatoren  und  ihren 
Anhang  für  den  Aufruhr  verantwortlich,  ja  seine  bis  dahin  decent  ge- 
haltene Erzählung  artet  an  manchen  Stellen  in  rohe  Schimpfereien 
gegen  die  der  reformatorischen  Lehre  Anhängenden  aus.  So  bietet 
gerade  seine  Chronik  in  gewisser  Weise  viel  Gelegenheit  zu  einer  ge- 
rechten Beurtheilung  der  damaligen  Zeit. 

Die  zweite  Quelle  über  das  in  Rede  stehende  geschichtliche  Er- 
eigniss  ist  gerade  von  entgegengesetzter  Seite,  von  einem  Anhänger 
der  reformatorischen  Lehren,  der  nach  den  Bemerkungen  am  Ende  der 
Schrift  zn  schliessen  im  Juli  1526  aus  Danzig  vertrieben  wurde,  gleich 
nach  dieser  Zeit  verfasst.  Sie  ist  von  Hirsch  in  einem  Sammelbande 
der  ehemaligen  Schlieffschen  Bibliothek  vor  einigen  Decennien  erst 
aufgefunden  und  neuerdings  ebenfalls  in  dem  fünften  Bande  der  Scr* 
rer.  Pr.   von  Hirsch   veröffentlicht. 3)    Sie   beginnt  mit  den  Worten: 


»)  Scr.  V,  S.  577-587. 


Von  Dr.  Strebitzki.  539 

„Im  jähr  1525  sind  diese  nachbeschriebene  geschieht  und  auffruhre 
zwischen  dem  raht  und  der  gantzen  gemeine  geschehen  und  solte  ein 
solch  blutvergiszen  worden  seyn,  das  auch  vor  nie  gehöret  wäre,  seit 
Danczig  gestanden  hatte,  so  es  der  allerhöchste  Gott,  dem  allezeit  danck, 
lob  und  ehre  sey,  durch  seine  gottliche  gnade  nicht  gewehret  hätte, 
das  doch  sonst  kein  mensch  nicht  hätte  können  stören. *  Auch  dieser 
Bericht  ist  ein  ausserordentlich  genauer,  ja  was  die  Aufstandstage 
angeht,  wohl  der  genaueste,  er  beginnt  aber  erst  mit  der  Schilderung 
des  Aufstandes  selbst  mit  dem  22.  Januar  1525  und  reicht  bis  1526, 
während  Stegmann  auch  die  Ereignisse  der  vorhergehenden  Jahre, 
namentlich  von  1523  an  sehr  genau  berichtet. 

Nächst  diesen  beiden  sehr  umfangreichen  Quellenschriften  enthält 
die  Perberchronik4)  sehr  zuverlässige  Angaben  über  den  Aufruhr.  Die 
Ferberchronik  ist  auf  den  Bürgermeister  Eberhard  Ferber,  der  bis  1522 
in  Danzig  seines  Amtes  waltete,  zurückzuführen,  aber  nicht  von  ihm 
selbst  verfasst,  sondern  auf  seine  Veranlassung  geschrieben,  wie  sie 
denn  auch  den  letzten  Theil  einer  auf  seine  Anregung  damals  ver- 
fassten  chronikalischen  Sammlung  bildet.  Ich  theile  jedoch  nicht  die 
Ansicht  ihres  Herausgebers  Hirsch,  dass  nämlich  der  zweite  Theil  von 
demselben  Verfasser  geschrieben  sei,  wie  der  erste.  Mir  scheint  der 
zur  reformatorischen  Lehre  sich  hinneigende,  trotzdem  aber  völlig  un- 
parteiisch schreibende  Autor  der  Reformationsbewegungen  in  Danzig 
ein  ganz  andrer  zu  sein,  als  derjenige  der  kurz  vorher  in  dieser  Chronik 
die  Seeunternehmung  Danzigs  gegen  Dänemark  im  Jahre  1520  so  leb- 
haft mit  kriegerischem  Mitgefühl  schildert. 

Die  nächst  wichtige  Quelle  ist  der  betreffende  Abschnitt  aus  dem 
Chronikenwerke  des  Kaufmanns  Jacob  Melmann,5)  der  1487  geboren 
wurde  und  1528  starb.  Nach  Hirsch  Ansicht  hat  er  den  Stegmann- 
schen  Bericht  in  seine  Chronik  aufgenommen,  aber  als  evangelischer 
Christ  die  gegen  die  Reformatoren  beleidigenden  Stellen  gemildert. 
Meiner  Ansicht  nach  zerfällt  dieser  Bericht  in  zwei  Theile,  in  dem  ersten 
giebt  Melmann  eine  Schilderung  im  Sinne  der  Stegmannschen  Auffassung, 


4)  Scr.  V,  S.  529—543.        6)  Scr.  V,  S.  589—591. 

35* 


540  Der  grosse  Aufruhr  su  Dansig  im  Jahre  1525 

im  zweiten  eine  neue,  nach  seinen  eigenen  Urtheilen  gemodelte.  Denn 
während  er  im  ersten  Theile  die  Bestrebungen  der  Reformatorischen 
Partei  („das  lose  volk"),  wie  er  sie  nennt/)  verwirft,  gesteht  er  im 
zweiten  Theile  offen  ein,  dass  selbst  der  Bath  zum  grossen  Theil  der 
Anschauung  jener  Bürger  sei  und  dass  derselbe  nur  warten  wolle,  bis 
man  sähe,  wohin  sich  „die  gemeine  Christenheit  und  die  Königl.  maj.'7), 
der  König  von  Polen,  werde  hinkehren. 

Eine  fünfte  Quelle  bietet  der  Bericht,  den  Herr  Mathis  Lange 
„burgermeister  in  Danczke  in  sein  haubtbuch  1522  eingeschrieben.11  Es 
ist  ein  verhältnissmässig  kurzer  Bericht,  der  auch  nur  zwei  Aufstands- 
tage umfasst. 

> 

Ausser  diesen  chronikalischen  Quellen  haben  wir  noch  eine  Reihe 
urkundlicher;  zunächst  die  Notizen  der  „libri  missivi"  aus  jenen 
Jahren,  die  Hirsch  in  seiner  Geschichte  von  St.  Marien  im  Auszuge 
mittheilt,  dann  die  eben  dort  zum  ersten  Male  abgedruckten  Urkunden 
aus  dem  Archive  des  Generaldirectoriums  zu  Berlin:  1)  den  Artikelbrief 
der  Danziger  Gemeinde  von  1525;  2)  die  Danziger  Instruction  vom 
Jahre  1526  für  die  Gesandten  der  Stadt  an  den  König  Sigismund; 
3)  die  Vollmacht  der  Stadt  Danzig  an  ihre  Gesandten  an  König  Sigis- 
mund,  ebenfalls  aus  dem  Jahre  1526;  4)  der  Versicherungsbrief  König 
Sigismunds  an  die  Danziger,  auch  vom  Jahre  1526;  5)  zwei  Lieder 
aus  der  damaligen  Zeit,   eins   im   Sinne   der   reformatorischen  Partei, 

schliessend  mit  den  Worten: 

»Dies  Lied  ist  uns  gesungen  von  einem  Studenten  gut 
Der  Wohnung  ist  er  entrannen,  die  man  zu  Dantzke  geben  thut 
Der  Teufel  mag  sie  begehren,  ihr  Oele  ist  zu  roht 
Damit  sie  ihre  Priester  schmieren,  die  Platten  scheeren  sie  zu  grot.* 

zweitens  ein  Papistenlied  vom  Aufruhr  mit  folgender  Andeutung  über 
den  Verfasser: 

»Dies  liedlein  ist  gesungen  zu  Redlau  in  dem  Kruge 
Von  einem  Landsmann  jungen.« 

Einen  urkundlichen  Werth  haben  ferner  die  Berichte  des  über 
imitationum,  die  uns  Hirsch  ebenfalls  im  V.  Bande  der  Script  rer.  Pr. 


•)  Vgl.  Scr.  V,  S.  689.       7)  Vgl.  a,  a,  0.  S.  590. 


von  Dr.  Strebitaki  54 1 

S.  559  ff.  auszüglich  mittheilt.  Auch  die  mittlere  olivensische  Chronik, 
wie  kurz  sie  in  annalistischer  Weise  die  Nachrichten  auch  einzwängt, 
bietet  uns  für  die  chronologische  Bestimmung  an  einer  Stelle  Aushilfe. 
Dieses  reiche  Quellenmaterial  fesselt  noch  mehr  die  Aufmerksamkeit 
des  Forschers,  wenn  er  die  Darstellungsweise  der  einzelnen  zeitgenössi- 
schen Chronisten  beachtet  und  bemerkt,  wie  bei  ihnen  trotz  der  schein- 
bar naivsten  Ausdruckweise  doch  die  religiösen  und  politischen  Motive 
der  Aufrührer  eine  vollständig  entgegengesetzte  Beurtheilung  erfahren. 
Von  der  einen  Seite  wird  der  Aufruhr  des  Jahres  1525  als  ein  Auf- 
stand gegen  alle  gute  Ordnung,  nur  als  eine  Revolution  der  untersten 
Klasse  gegen  den  Bath  und  alle  conservativen  Elemente  geschildert, 
in  der  andern  erscheint  er  als  eine  Erhebung  für  die  Durchführung  der 
Lehre  vom  Worte  Gottes,  d.  h.  der  reformatorischen  Bestrebungen. 
So  entgegengesetzt  denn  auch  hie  und  da  die  Angaben  erscheinen,  sie 
lassen  sich  doch  bei  ihrer  Menge  combiniren  und  kritisch  sichten,  so 
dass  die  historische  Wahrheit  wohl  aufzufinden  ist.  Nicht  unter  dem 
Deckmantel  der  Religion  suchte  man  politische  Vorrechte,  sondern  zu- 

r 

gleich  mit  der  verlangten  Aenderung  des  religiösen  Bekenntnisses  ver- 
band man  das  Bestreben  auch  das  politische  Regiment  der  Stadt  zu 
verändern,  um  jenes  neue  religiöse  Bekenntniss  mehr  zu  befestigen. 


Schon  im  fünfzehnten  Jahrhundert  hatten  die  Missbräuche  in  der 
damaligen  Kirche  sich  auch  in  Danzig  offen  gezeigt.  Unter  diesen 
Missbräuchen  war  einer .  das  bürgerliche  und  öffentliche  Leben  am 
meisten,  aber  auch  am  nachtheiligsten  berührende,  die  Möglichkeit,  in 
einem  weltlichen  Processe  das  Urtheil  eines  geistlichen  Gerichts  als 
einer  höhern  Instanz  anrufen  zu  können.  Sehr  oft  kam  es  vor,  dass 
die  eine  Partei  dieses,  die  andere  jenes  geistliche  Gericht  anrief  und 
dass  dann  beide  Parteien  nach  einander  mit  dem  Banne  belegt  wurden, 
dessen  Folge  es  war,  dass  jeder  Gottesdienst  in  der  Stadt  so  lange 
eingestellt  wurde,  bis  die  Gebannten  dem  Urtheile  des  geistlichen  Ge- 
richts sich  unterworfen  hatten.0)    Es  bedurfte  daher  auch  in  Danzig 


•)  Vgl  Hirsch,  Geschichte  v.  St  Marien.  I.  Bd.  S.  222  ft 


542  ^er  &roö8ü  Aufruhr  su  Dan  zig  im  Jahre  lf»2ö 

der  kräftigen  Intervention  des  Bathes,  einmal  auch  selbst  des  Königs 
von  Polen,  um  Buhe  und  Frieden  in  der  Stadt  wieder  herzustellen.  So 
z.  B.  wurde  ein  solcher  Process  in  Danzig  um  die  Mitte  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  zwischen  den  Patricierfamilicn  Hake  und  Eklinghof  geführt. 
Nachdem  die  erstere  Familie  beim  geistlichen  Gericht  in  Danzig  Becht 
erhalten  hatte,  wendete  sich  die  verurtheilte  an  das  höhere  geistliche 
Gericht  zu  Born  und  erreichte  es,  dass  sie  1475  Becht  erhielt,  die 
Hake's  aber  verurtheilt  wurden.  Hierauf  wurde  uun  die  Familie  Hake» 
die  sich  diesem  neuen  Urteilsspruche  nicht  fügen  wollte,  und  der  mit 
ihr  verschwägerte  Bürgermeister  Bischof  aus  der  Stadt  getrieben,  Hake 
selbst  als  Gebannter  von  Wegelagern  ermordet.  Als  darauf  der  Bürger- 
meister Bischof  die  Stadt  betrat,  stellten  die  Geistlichen,  da  ein  Ge- 
bannter sich  im  Bezirke  der  Stadt  befand,  alle  ihre  geistlichen  Hand- 
lungen ein,  und  es  entstand  eine  Aufregung  und  ein  Unwille  unter  der 
Bürgerschaft,  so  dass  der  König  von  Polen,  Casimir,  die  Pfarrer  Danzigs 
nach  Marienburg  citieren  lassen  und  ihnen  die  Aufnahme  der  kirch- 
lichen Handlungen  unter  Androhung  der  Amtssperrung  gebieten  musste. 
Erst  jetzt  fugten  sie  sich  und  die  Buhe  ward  wieder  hergestellt.9)  — 
Im  Anfange  des  sechszehnten  Jahrhunderts  mehrten  sich  solche  Ban- 
nungen, so  im  Processe  des  Moritz  Ferber  gegen  Max  Pilomann,  und 
in  dem  des  Sebald  Becher  gegen  Berthold  Hake. ,0) 


•)  Vgl.  Scr.  IV,  S.  712  und  Altpr.  Monatsschr.  Bd.  XI.  meine  Abhandlung  über 
Lubbe's  Chronik  S.  242  ff. 

10)  Beide  Processe  schildert  eingehend  Stegmann  in  seiner  Chronik  vom  Aufruhr, 
ich  führe  den  letzteren  nach  dem  Berichte  seiner  Chronik  hier  vor:  Item  es  war  auch 
eyn  erlicher  reycher  borger  in  der  stadt  mit  namen  her  Tydeman  Gyse.  Noch  abe- 
gange  desselbigen,  seyne  nochgelossen  hauszvrawe  vortrawete  irer  beyder  tochter 
eynem  gesellen  von  siechten  erlichen  elderen  geboren,  auch  eynes  borgers  son  not- 
dorfft  habende.  Do  sy  beyde  etczliche  zeeit  beyeynander  gelebet  hatten,  und  sy 
eyn  junges  meyedeleyn  von  ym  hatte,  ich  weys  nicht  was  der  jungen  vrawen  mutter 
feylete  an  derselbigen  irer  tochter  man,  Bertolt  Haken,  das  sy  mit  irem  manne 
Sebalt  Becher  in  abwesen  des  selbigen  irer  tochter  man  Bertolt  Haken,  nomen  sy  im 
aus  seynem  hawse,  seyn  weyb  und  kynt  mit  etlichem  irem  gesmeyde  dy  mutter  in  ir 
haus,  also  das  sy  auch  bei  irer  mutter  storb  und  quam  nicht  widder  zeu  irem  manne. 

Dis  weyb  und  kyntnement  fasseten  dy  jungen  gesellen  vor  und  machten  davon 
eyn  fastnachtspil  offenbar  auf  dem  merkete  aus,  also  men  den  fastelabent  eynholete. 
Hy  quam  vele  arges  aus,  dis  mocht  bey  wertlichem  gerichte  nicht  entscheden  werden, 
sunder  dy  sache  quam  zeu  Roma  ins  geistliche  recht,  der  grosse  ban  quam  zeu 


von  Dr.  Strebitzki.  543 

So  bildet  sich  denn  allmählig  eine  Abneigung  gegen  Priestermacht 
und  Priesterherrschaft  aus,  dass  die  reforraatorische  Lehre  einen  günstigen 
Boden  in  Danzig  finden  musste. 1!)  Dazu  kam,  dass  die  Pfarrherrn  in 
den  einzelnen  Pfarreien  ihre  Pflicht  versäumten  und  ihre  reiche  Pfründe 
in  ganz  entfernten  Orten  verzehrten.  So  hielt  im  Anfange  des  sechs- 
zehnten Jahrhunderts  Dr.  Scultetus,  der  Pfarrherr  von  St.  Marien  sich 
zu  Kom  auf,  der  Pfarrherr  von  St.  Johann,  Johann  v.  Suchten  (1509—16) 
war  zu  gleicher  Zeit  Domherr  von  Prauenburg  und  Eeval.  Der  Pfarr- 
herr von  St.  Catharinen,  Albrecht  Bifchof,  hielt  sich  eine  Zeit  lang  in 
Born,  dann  an  andern  Orten,  nur  nicht  in  seiner  Pfarrei  in  Danzig  auf. 


Dantczke,  dar  wart  interdickt  geleget,  das  men  nicht  syngen  ader  gotisdynst  halden 
mochte  offenbar.  Bartolt  Hake  mit  seynem  anhange  mästen  bannes  halben  aus  der 
stat.  Bertolt  Hake  irlangete  hulffe  und  quam  aus  dem  banne,  der  bannete  do  das 
anderteyl  jo  so  sere,  dy  musten  widder  aus  der  Stadt,  der  borgermaister  her  Philippus 
Bischof,  der  war  der  Tideman  Giseschen  bruder,  muste  auch  bannes  halben  aus  der 
Stadt.  Dar  wart  trefflich  gros  gelt  und  gut  vorzceret  von  beyden  teylen,  Bertolt 
Hake  muste  durch  armute  vorkawfen  seyne  legende  gründe,  sunderlich  eyn  erbe  in 
der  lange  gasse,  das  kawfte  Berndt  Tüle.  Disser  Bemdt  Tüle  und  ander  mee 
wurden  von  Bartolt  Haken  wegen  aus  der  stadt  gebannet,  Haus  Lutkeherc  starb 
aussen  der  stadt  in  des  babistes  banne,  des  geleichen  Berndt  Töle  sterb  auch  aussen 
der  stadt  in  des  babestes  banne,  Herman  German  zcogk  auf  zeu  Borna  und  lis  sich 
do  aus  dem  banne  absolviren,  Sebolt  Becher  war  auch  lange  zeeit  zu  Borna. 

Do  sy  sich  undereynander  lange  zceyt  gejaget  hatten,  und  Bertolt  Hake  vor- 
zceret hatte  alle  seyn  gut  und  habe,  das  her  sam  nichtis  behilt,  do  musten  sy  von 
beyden  teylen  aufhören. 

Sulliche  geschefte,  eynem  manne  seyn  weyb  undc  kynt  zeu  nemen,  eyn  den 
anderen  zeu  bannen,  aus  der  stadt  zeu  treyben,  aussen  der  stadt  in  deme  banne  zeu 
sterben,  das  synt  alle  dynge,  dy  schaden  eynbrengen;  dis  machet  alle  böse  blut, 
iieyt  und  has  in  den  gesiechten,  dy  is  antreffende  ist.    Scr.  V,  S.  548. 

")  Is  yst  gescheen  in  der  fasten  auff  eynen  sontagk  noch  der  vesper  vorsam- 
melte sich  eyn  hawffe  von  dem  gemeynen  volke  in  dor  pferre  u.  1.  v.  kirche  und 
wolden  haben  dem  stadthalder  der  kirchen,  her  Kirstianus  genant  eyn  hundefell  ge- 
zcogen.  Bsunder  er  entquam  in  dy  dresekamer  und  lis  sich  darinne  beslissen.  Szo 
quam  der  obersten  publicus  eyner,  eyn  schottisch  pfaffe,  her  Hynrich  genant;  alse 
sy  den  wolden  angreifen,  so  weech  er  in  eyn  gestulte  bey  sant  Jürgens  altar;  do 
zeogen  sy  in  mit  macht  daraus,  das  auch  der  stuel  zeubrach  und  ym  do  eyn  gros 
hundefeil;  zeum  letezten  res  er  aus  und  liff  aus  der  kirchen  und  quam  in  eynes 
borgers  haws  zeu  seynem  gelucken,  sust  were  her  todt  geslagen  wurden.  Hy 
quam  nicht  guttis  aus,  dy  kirche  wart  entweiget,  der  pfaffe  treb  is  auch  hogk. 
Solde  dis  versonet  werden,  so  most  der  here  bisschoff  von  derKoye  personlich  komen 
und  weygen  dy  kirche  aufs  newe  und  vorsonen  auch  dy  sache  mit  dem  pf äffen;  dis 
kostede  auch  nicht  eyn  kleyn  gelt.    Scr.  V,  S.  552. 


544  Der  grosse  Aufruhr  so  Danzig  im  Jahre  1525 

Ebenso  verhielt  es  sich  mit  den  Pfarrverwesern  von  St  Bartholomäi, 
Niederhof,  und  von  Petri  und  Pauli,  Tideman  Giese.  Ausser  diesen 
ihres  Amtes  ganz  vergessenden  Seelenhirten  erregten  in  Danzig  auch 
die  Ablasshändler,  die  wie  die  heil.  Geist-  und  Antonius-Brüder  aus 
der  Fremde  kamen  und  gegen  baare  Zahlung  oder  Leistung  von  Na- 
turalien die  Ablässe  veräusserten,  Widerwillen  gegen  die  alte  Kirche. 
Reformatorische  Ideen  pflegten  dagegen  in  Westpreussen  die  Brüder 
des  gemeinschaftlichen  Lebens,  die  im  Jahre  1508  in  Eulm  ein  Institut 
errichtet  hatten,  in  dem  sie  freie  Künste,  besonders  Philosophie  lehrten, 
dann  aber  namentlich  jene  Männer,  die  von  Danzig  aus  ihre  höhere 
Bildung  auf  den  nächsten  Universitäten  Wittenberg  und  Frankfurt  ge- 
sucht hatten.  Dennoch  kann  man  nicht  genau  sagen,  wann  und  durch 
wen  die  ersten  Anregungen  zur  neuen  Lehre  gekommen  seien.  Der 
früheste  Bericht  über  das  Auftreten  reformatorischer  Ideen  findet  sich 
in  Hans  Grunewegs  Familienchronik.  Gruneweg  erzählt  hier,  dass  der 
Pfarrverwalter  von  St.  Peter,  Jacob  Knode  (oder  Knade),  1518  ein 
Freund  und  Verkünder  der  lutherischen  Lehre  und  der  erste  Priester 
in  Danzig  gewesen  sei,  der  geheirathet  hätte.  Der  interessante  Bericht, 
der  von  einem  Anhänger  der  alten  Lehre  geschrieben  in  parteiischer 
Auffassung  nur  die  Neigung  zum  Heirathen  als  den  alleinigen  Beweg- 
grund für  die  Hinneigung  Knode's  zur  Reformation  bezeichnet,  lässt 
deutlich  erkennen,  wie  gross  unter  den  Würdenträgern  der  alten  Kirche 
die  Furcht  vor  den  reformatorischen  Ideen  war. 12) 

Während  nun  auffälliger  Weise  dieser  Vorgang  des  Jahres  1518, 
so  viel  wir  wenigstens  aus  den  Quellen  entnehmen  können,  keinen  Ein- 
fluss  zur  Nachfolge  in  der  Bürgerschaft  ausübte,  sehen  wir  vier  Jahre 
später  auf  einmal  Prediger  der  reformatorischen  Lehre  auftreten,  die 
namentlich  beim  gemeinen  Bürger  grosse  Unterstützung  und  zahlreichen 
Anhang  finden.  —  Zu  der  Unzufriedenheit  mit  der  alten  Kirche  ge- 
sellte sich  aber  bei  dem  gemeinen  Bürger  auch  Unzufriedenheit  mit 
der  städtischen  Verwaltung  und  diese  beiden  Beweggründe  sind  es,  die 
die  Bürgerschaft  zu  jenem  Aufruhr  des  Jahres  1525  führte. 


»)  Scr.  IV,  S.  721  ff. 


von  Dr.  Strebittki.  545 

An  der  Spitze  der  Stadt  stand  seit  dem  Jahre  1510  der  Bürger- 
meister Eberhard  Ferber,  der  grösste  Repräsentant  des  grossen  Danziger 
Ferbergeschlechtes,  der  1497  auf  einer  Reise  nach  dem  heiligen  Grabe 
mit  dem  Herzoge  von  Pommern  von  diesem  den  Ritterschlag  erhielt 
und  neben  seinem  städtischen  Amte  auch  noch  die  Würde  eines  Haupt- 
manns von  Dirschau  bekleidete.  Mit  ihm  gerieth  im  Jahre  1522  die 
Stadt  in  Zwist,  Der  Grund  desselben  ist  in  den  Quellen  nicht  klar 
angegeben,  vielleicht  deshalb  nicht,  weil  die  damaligen  Chronisten  sich 
scheuten  das  mächtige  Geschlecht  der  Ferber  zu  verletzen.  Indess,  so 
viel  wird  klar,  dass  der  Bürgermeister  Ferber,  als  er  1522  bei  einer 
Kriegsgefahr  erklärte,  die  Stadt  habe  kein  Geld,  von  der  Bürgerschaft 
gezwungen  wurde,  Rechenschaft  über  die  pekuniäre  Lage  der  Stadt  ab- 
zulegen. Obgleich  er  dies  versprochen  hatte,  so  verliess  er  doch  plötzlich 
nach  Anheftung  einer  Vertheidigungsschrift  an  die  Marien-Pfarrkirche 
und  den  Artushof  am  19.  November  1522  die  Stadt  und  begab  sich 
nach  Dirschau.  Bei  seiner  Abreise  hatte  Ferber  noch  Schreiben  an 
die  Handwerke  geschickt,  welche  diese  aufforderten,  in  seinem  Streite 
gegen  die  Stadt  nicht  gegen  ihn  Partei  nehmen  zu  wollen. I3) 

Die  fluchtähnliche  Abreise  des  ersten  Bürgermeisters  rief  natür- 
lich eine  grosse  Aufregung  in  der  Stadt  hervor  und  am  Tage  darauf 
fand  eine  Versammlung  der  anderen  drei  Bürgermeister  des  Rathes  und 
der  Gemeinde  statt.  Man  beschloss  gegen  Eberhard  Ferber  seitens  der 
Stadt  vorzuge Im  und  am  21.  November  wurde  im  Namen  des  Rathes 
bekannt  gemacht,  dass  die  Verwandten  Eberhard  Ferbers,  Jacob  Rees, 
sein  Schwiegersohn,  und  sein  Bruder  Hildebrand  Ferber,  die  Stadt 
zu    verlassen    hätten,   da   sie    „wider   der   stadt    reces    und   wilkor* 


13)  Scr.  V,  S.  65' \  Her  hatte  den  tag  zcuvor  gesant  in  etczliche  hantwerko 
briffe  also  lawtende:  ab  sy  vornemen,  das  er  mit  etlichen  in  der  Stadt  was  zcn 
handclen  hatte,  do  sullen  sy  stille  zcu  sitczen  und  keren  sich  nicht  daran,  went  is 
were  auf  sy  nicht  geton.  Dis  quam  mangk  dy  borgers,  do  von  wart  eyn  gros  romor 
in  der  stadt,  von  der  gemeyn  auf  den  radt,  so  das  beynoch  dy  radtklocke  were  zcn 
storine  geslagcn.  Bsunder  Got  halff  und  frome  lewte,  das  is  nicht  geschagk;  so 
men  gestormet  hette  is  hette  villeichte  mennygen  seyn  lebent  gekostet.  Got  gab, 
das  das  volk  nüchteren  was,  went  is  war  Vormittage  und  fasteltagk  unser  lieben 
vrawen  tempelopperunge  .... 


546  ^er  ß1"0880  Aufruhr  an  Damig  im  Jahre  1525 

gehandelt  hätten.  Zu  gleicher  Zeit  wurde  vom  Ratbe  eine  Verteidigungs- 
schrift gegen  die  Anklagen  Eberhard  Ferbers  an  den  Artushof  ange- 
schlagen. Am  22.  November  übernahm  des  Burgermeisters  Compan, 
Mathis  Lange,  Eberhard  Ferbers  Stelle  und  an  Jacob  Rees  Stelle,  der 
Schulze  gewesen  war,  trat  Hennynk  Summe.  Kurze  Zeit  hierauf, 
am  3.  December,  beschloss  Rath  und  Gemeinde  zusammen  über  die 
Handlungsweise  Eberhard  Ferbers  bei  dem  Schutzherrn  Danzigs,  dem 
Könige  von  Polen,  Beschwerde  zu  führen,  und  einige  Tage  darauf 
reisten  die  Deputirten  der  Stadt  (seitens  des  Rathes  der  Bürgermeister 
Mathis  Lange,  der  Rathmann  Eberhard  Nyderhof,  der  Schöppe  Ebert 
Rocke  und  der  Stadtschreiber  Jacob  Forstenberger,  seitens  der  Bürger- 
schaft Hans  Krakau,  Hans  Nymetz,  Hans  Aptishagen,  Hans  Angermünde) 
nach  Krakau  ab,  um  dort  vor  dem  Könige  die  Klage  anzubringen. 
Die  Deputation  kehrte  am  12.  April  1523  zurück  und  überbrachte  auch 
den  Wortlaut  der  Gegenklage  Ferbers  dem  Rathe  mit. 

So  stand  noch  im  April  1523  Rath  und  Gemeinde  fest  zusammen, 
ja  zum  Zeichen  jener  Einigkeit  wurde  eine  Münze  geschlagen,  die 
Melmann  in  seiner  Chronik  die  lutherischen  Schillinge  nannte.  Aber 
die  Anzeichen  des  drohenden  Zwistes  Hessen  nicht  lange  auf  sich  warten, 
denn  am  14.  August  desselben  Jahres  erhob  sich  ein  junger  Bürger, 
Gregor  Matterne  von  Langgarten,  aus  der  St.  Barbara-Pfarrei,  um  das 
Rath  haus  zu  stürmen.  Den  Grund  dieses  Angriffes  erfahren  wir  aus 
den  Quellen  nicht,  wohl  aber,  dass  die  Volksaufregung  durch  die  so- 
fortige Verhaftung  Gregor  Matterns  und  «seine  Enthauptung  niederge- 
halten wurde.  ")  Vielleicht  war  eine  solche  Stimmung  unter  den  Bür- 
gern dadurch  hervorgerufen,  dass  die  Verhandlungen  der  Stadt  in  dem 
Processe  gegen  Ferber  sich  sehr  in  die  Länge  zogen,  auch  die  Depu- 
tationen ein  bedeutendes  Stück  Geld  kosteten.  Nachdem  auf  der  Tag- 
fahrt zu  Marienburg  am  18.  August  1523,  zu  der  der  Bürgermeister 
Mathis  Lange  deputiert  war,  die  Sache  an  den  König  von  Polen  verwiesen 
war,  musste  die  Stadt  nun  zur  Vertretung  ihrer  Interessen  den  Secre- 
tarius  Ambrosius  Sturm  an  den  König  absenden,  dem  dann  im  folgenden 


M)  Scr.  V,  S.  551. 


von  Dr.  Strebitaki.  547 

Jahre  zum  3.  Februar,  dem  Tage  der  Klagebeantwortung  in  Krakau 
vor  dem  Könige  von  Polen  der  Licentiat  beider  Rechte  Philipp  Holkener 
und  Jacob  Forstenberger  nachgesandt  wurden,  aber  ohne  Erfolg. ,5) 

Diese  misslichen  Verhältnisse  in  der  Verwaltung  der  Stadt  mochten 
wohl  im  gemeinen  Manne  manche  Zweifel  an  der  Aufrichtigkeit  des 
Käthes  wachrufen,  und  die  so  zur  Unzufriedenheit  gegen  alte  Kirche 
und  städtische  Verwaltung  geneigte  Menge  war  um  so  empfänglicher 
für  die  Predigten  der  nun  auftretenden  reformatorischen  Geistlichen. 
Als  der  erste,  der  nach  Knade  und  fünf  Jahre  später  als  er  im  Sinne 
der  Reformatoren  in  Danzig  wirkte,  wird  der  weltliche  Priester  Jacob 
Hegge  genannt, ,fi)  in  den  officiellen  Papieren  immer  unter  diesem  Na- 
men vorkommend,  von  Melmann  Finkenblock,  von  der  mittleren  oliven- 
sischen  Chronik  Kanblok  genannt.  Er  versammelt  zum  ersten  Male 
am  Margarethentage  1522  eine  grosse  Zuhörerschaft  auf  dem  Hagels- 
berge ")  um  sich,  vor  der  er  die  Einrichtungen  und  die  Geistlichkeit 
der  alten  Kirche  arg  tadelt.  Sein  Anhang  wuchs  so,  dass  ihm  nach 
einiger  Zeit  die  heil.  Leichnamskirche  eingeräumt  wurde  und,  da  auch 
diese  die  Menge  der  Hörer  nicht  fasste,  predigte  er  auf  dem  Gertruden- 
kirchhofe unter  freiem  Himmel.  Nachdem  Hegge,  wie  früher  Knade, 
geheirathet  hatte,  gaben  ihm  seine  Anhänger  die  nöthigen  Mittel,  da- 
mit er  sich  zu  Wittenberg,  in  der  Stadt  des  grossen  Reformators,  zum 
Predigtamt  weiter  bilde.  Schon  nach  einem  halben  Jahre  kehrte  er 
von  dort  zurück  und  wurde  zum  Hohne  der  Mönche  mit  aus  den  drei 
Mönchsklöstern  geliehenen  Wagen  und  Pferden  von  einem  Bürger  Hans 
Pellichen  feierlich  eingeholt,  in  die  Pfarrkirche  geführt  und  hier  auf- 
gefordert die  Kanzel  zu  besteigen.  Diese  Predigt,  welche  am  27.  Sep- 
tember 1523  stattfand,  muss  besonders  auf  die  Menge  eingewirkt  haben, 
denn  der  Rath  berichtet  über  dieselbe  am  28.  September  in  einem 
Missive  an  den  Bischof  von  Cujavien  oder  Leslau,  dem  Vorgesetzten 


,6)  Scr.  V,  S.  552.    ,fl)  Vgl.  a.  a.  0.  S.  553. 

")  Stegmanns  Chronik  (Scr.  V,  S.  553)  sagt  am  Magarethentage  15*23  sei  dies 
gewesen.  Hirsch  weist  a.  a.  0.  Anm.  2  nach,  dass  dieses  früher  gewesen  sein  müsse, 
die  mittlere  olivensische  Chronik  (Scr.  V,  S.  642)  giebt  aber  auch  richtig  an:  Anno 
1522  in  festo  s.  Magarethae  .... 


548  ^er  g*0880  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525 

der  Danziger  Geistlichkeit.  ")    Stegmann  nennt  in  seinem  Zorne  diesen 
Hegge  nie  anders  als  den  „Schendcrprediger*. 

In  jene  Zeit  fallen  denn  auch  einige  Edikte  des  Königs  von  Polen 
an  den  Rath  der  Stadt,  die  eine  scharfe  Inquisition  und  Verfolgung  der 
Anhänger  Luthers  anordnen.  Aber  diese  Androhungen  fruchteten  nichts, 
vielmehr  wandte  sich  die  Erregung  der  Bürger  noch  mehr  gegen  den 
Bath  der  Stadt.   — 

Im  nächsten  Jahre  zur  Fastenzeit  trafen  auf  Sendung  des  Königs 
Sigismund  von  Polen,  der  Erzbischof  von  Gnesen  und  der  Bischof  von 
Leslau  in  Danzig  ein,  um  in  Gemeinschaft  mit  den  Bevollmächtigten 
des  Markgrafen  von  Brandenburg  und  des  Herzogs  von  Pommern,  die 
in  Danzig  anwesend  waren,  jene  Unregelmässigkeiten  der  Geistlichen  und 
der  Gemeinde  abzustellen.  Als  diese  Bischöfe  aber  nach  einem  Verhör 
mit  einem  der  Geistlichen  (nach  dem  Bathsdenkeboek  von  1524  ist  es 
Paul  Gronewalt)  denselben  wegen  Ungehorsams  verhaften  und  in  einem 
Keller  des  Pfarrhofes  einsperren  hatten  lassen,  entstand  am  nächsten 
Morgen  ein  Auflauf  der  Bürger  und,  da  der  Bürgermeister  auf  Ersuchen 
einer  an  ihn  gesandten  Deputation  den  Verhafteten  nicht  sofort  befreien 
wollte,  drang  der  Haufe  der  Bürger  auf  den  Pfarrhof,  vor  die  Wohnung 
des  Bischofs  und  erreichte  durch  offene  Drohungen  und  durch  Stein- 
und  Messerwürfe  gegen  die  Fenster  seiner  Wohnung  endlich  die  Frei- 
lassung jenes  Geistlichen.  Dieses  Auftreten  soll  namentlich  nach  der 
Angabe  Stegmanns  den  König  von  Polen  erzürnt  haben. ")  Im  Spät- 
sommer dieses  Jahres  organisierte  sich  die  Partei  derjenigen,  die  der 
reformatorischen  Lehre  anhingen.  Eine  Versammlung  auf  dem  Elisabeth- 
kirchhofe wählte  12  Bürger,  welche  für  die  Einführung  der  neuen  reinen 
Lehre  sorgen  sollte.  Der  oberste  derselben  war  der  Lic.  Johann  Wend- 
land, ihr  Sprecher  der  Grobschmied  Peter  Konig  (oder  König)  auf  der  Alt- 
stadt (nach  den  Angaben  Stegmanns  in  der  Chronik  Melmanns  wird  Conrad 
von  Suchten  als  Führer  genannt.)  Eben  diese  Versammlung  wählte  auch 
fünf  Prediger,  welche  das  Wort  Gottes  ohne  alle  Menschenlehre  und 
Zusatz  predigen  sollten.20)     Diese  fünf  Prediger  waren  Jacob  Hegge 

")  Vgl.  a.  a.  0.  S.  553.    19)  VgL  a.  a.  0.  S.  554. 
t0)  Vgl.  Ferberchronik  a.  a.  0.  S.  538. 


von  Dr.  Strebiteki.  549 

zu  St.  Catharinen,  Jacob  Molner  (oder  Müller)  zu  St.  Barbara,  Am- 
brosius  Hitfeld  zu  St.  Petri,  Hans  Paulus  zu  St.  Johannis  und  Mathias 
Bienwald  zu  St.  Bartholomäi.  Aus  dieser  Wahl,  die  von  den  Gemeinden 
acceptirt  wurde,  und  dem  Umstände,  dass  der  Rath  in  äusserst  zuvor- 
kommender Weise  den  fünf  Predigern  und  den  12  Deputirten  einen  be- 
sondern Platz  auf  dem  Pfarrhofe  zu  ihren  Berathungen  einräumt,  scheint 
mir  klar  hervorzugehen,  dass  die  Majorität  der  Bürgerschaft  der  neuen 
Lehre  zugethan  war,  dass  sie  eine  zu  respectierende  Macht  besass  und 
dass  nur  die  Mönche  in  den  drei  Mannsklöstern,  die  Karmeliter  (die 
weissen),  die  Dominikaner  (die  schwarzen)  und  die  Franziskaner  (die 
grauen)  Mönche  auf  der  entgegengesetzten  Seite  standen.  Während 
des  Herbstes  bis  zum  Beginn  des  nächsten  Jahres  1525  müssen  jene 
Gemeinde-Deputierten  sehr  thätig  gewesen  sein,  denn  nachdem  unter 
Bewilligung  des  Käthes  das  Silberzeug  aus  den  Klöstern  (mit  Ausnahme 
der  zum  Messecelebrieren  nöthigen  Kelche)  eingezogen  und  in  der 
Wohnung  des  Bürgermeisters  Wiese  deponiert  war,  wurde  nach  sorg- 
fältiger Berathung  mit  dem  Ralhe,  den  Kaufleuten  und  Gewerken  ein 
Edikt  verfasst,  welches  sich  namentlich  gegen  die  Mönche  wandte  und 
die  Kirchenordunng  neu  festsetzte.  Am  15.  Januar  wurde  dieses  Edict 
(Artikel  genannt)  von  allen  Kanzeln  zur  Nachachtung  verkündet.  Am 
einschneidendsten  waren  die  Bestimmungen  über  die  Mönche,  die  der 
neuen  Lehre  entgegengesetzt  blieben  und  eine  Disputation  am  12.  Ja- 
nuar ausgeschlagen  hatten.51) 


Sf)  Vgl.  die  Berichte  der  Ferberchronik  (Scr.  V,  S.  539  ff.):  Zcum  ersten:  sie 
soUen  in  der  stat  nicht  predigen  noch  heimlich  noch  offenbar  in  beiwesen  unser 
burger;  die  betteley  sal  in  der  stat  in  undersaget  und  Vorboten  seyn.  It.  aus  den 
clostern  man  und  frauenbilde  mag  ein  ider  der  do  wil  austreten  und  nimand  Vor- 
boten werden  daraus  zcu  gehende,  auch  von  dem  obersten  mit  geczwange  nicht 
davon  gehalten  werden.  It.  nimand  sal  von  in  in  dieselbigen  closter  genommen 
werden  oder  hinein  geczogen  werden.  It.  auch  sal  denselbigen  mennern  der  kloster 
underaagt  sein  zcur  zceit  das  beichtehorent  Domitte  sal  die  beichte  nicht  aufge- 
haben sein,  dovon  man  protestiret  Item  in  die  heuser  der  burger  sallen  sie  nicht 
gehen,  auch  nicht  gift  ader  zcwitracht  seen,  es  sey  heimlich  ader  offenbar  mit  Worten 
noch  mit  Schriften.  Die  messe  und  ander  gezceite  sal  in  zcugelaseen  sein;  bsonder 
aber  vigilien  zcu  singen  in  der  burger  heuser  sol  inen  gancz  vorbotten  sein,  auch 
bey  nachtzceiten  keine  glock  leuten  aber  des  tages  ein  zceichen  zcur  messe.  Item 
zcur  completen  und  andern  gezceiten  keinesweges  einige  glocke  raren  lossen;  und 


550  D°r  grosse  Aufruhr  zu  Dan  zig  im  Jahre  1525 

Der  erste  jener  Artikel  das  Verbot  des  Predigens  der  Mönche 
bietet  nach  den  uns  vorliegenden  Quellen  den  Anlass  zu  dem  grossen 
Aufruhr  in  den  folgenden  Tagen.  An  der  Pfarrkirche,  so  erzählen  sio, 
wirkte  damals  als  Prediger  ein  gelehrter  Mönch  des  Franziskanerordens, 
Dr.  Alexander,  versöhnlicher  Gesinnung  und,  wie  man  allgemein  an- 
nahm, der  reformatorischen  Lehre  Freund.  Auch  dieser  hatte  am 
15.  Februar  jenes  eben  erwähnte  Verbot  des  Predigens  der  Mönche 
abgekanzelt,  bestieg  aber  am  folgenden  Sonntage  am  22.  Februar  mit 
der  Mönchskappe,  und  nur  daran  nahm  man  Anstoss,  wiederum  die 
Kanzel.  Da  trat  ein  junger  Mann,  Bernt  von  Eyten,  an  ihn  heran  und 
fragte,  indem  er  auf  seine  Kappe  deutete,  wie  er  unter  solchen  Verhält- 
nissen, da  er  sich  doch  als  Mönch  geriere,  dazu  käme,  angesichts  jenes 
Verbots  die  Kanzel  zu  besteigen.  Dr.  Alexander  wies  ihn  mit  kurzen 
Worten  ab,  aber  dieser  Auftritt  muss  sonst  in  der  Kirche  grosses  Auf- 
sehn erregt  haben,  denn  bald  darauf  wurde  Bernt  von  Eyten  auf  Befehl 
des  Baths  ergriffen  und  ins  Geföngniss  gesetzt. S2) 

Das  ist  nach  der  genausten  als  auch  parteiischsten  Quelle,  der 


die  grosse  glock  der  schwarczen  manchen  sal  abgethan  sein.  Sonst  sollen  sie  alles 
dasjenige  nachlassen,  das  irrungen  zcwitracht  und  Widerwillen  stiften  mochte  in 
disser  konigl.  stat  Disse  handlangen  und  was  also  ondersagt  ist  sollen  die  closter- 
leute  strax  halten  bis  also  lange,  das  sie  iren  orden  und  wesen  ans  gottlicher  schrift 
ausfuren  and  erhalten.  Des  wü  e.  e.  r.  and  die  gancze  nachbarschaft  dieser  konigl. 
stat  durch  alle  stende  bey  der  ganczen  weit  and  idermenniglich  geprotestirt  haben, 
und  protestiren  das  feierlich,  das  sie  denselben  leuten  nichts  vorbiten  oder  verboten 
wollen  haben,  das  aas  gütlichen  Worten  mag  erhalten  werden  and  beschirmet  .... 
")  Vgl.  Scr.  V,  S.  557:  Es  yst  gesehen  vitf  tage  darnoch  anno  Dni  XVCXXV. 
ime  rrijsten  tage  in  Januario  und  war  der  sontagk  vor  sant  Pawels  bekerange,  do 
gefeyert  auf  eynem  mittewoche,  in  demselbigen  sontage  Vormittage  alze  derselbige 
monnich  doctor  Allexander  wolde  auf  den  predickstuel  geen,  quam  eyner  aas  des 
parteyschen  pfaffen  anhange,  derselbige  war  genant  Berndt  von  Eyten,  eyn  los  ge- 
selle ane  hawsfrawe  auch  keyn  borger,  derselbige  greyf  den  doctor  an  und  zcog  ym 
doselbest  in  der  kirchen  bey  seyner  kappen  and  sprach:  »here,  wo  wellet  ir  hyn?« 
Antwert  der  doctor:  >ich  wil  hyn  and  predigen  das  wort  Gotis.*  Sprach  der  geselle: 
»Seyt  ir  doch  eyn  monnich,  wy  wellet  ir  denne  predigen?  habet  ir  doch  abgekundiget 
im  negest  vorgangen  sontage  von  dem  predigstole,  is  solle  keyn  monnich  predigen, 
wie  wellet  yr  denne  predigen?  Der  doctor  sweygk  stille  unde  gab  ym  keyn  antwort 
und  gyng  seynen  wegk.  Dis  quam  von  standen  an  in  den  radtstuel  vor  den  radt, 
dy  sauten  ire  dyner  aas  and  lissen  den  vorgedochten  Berndt  angreyffen  and  setezten 
in  gefenglich  in  dy  tralge. 


ron  Dr.  Strebitski.  55  X 

Chronik  Stegmanns,  das  Signal  zum  Aufstande.  Nach  der  Nachmittags- 
predigt, die  von  einem  Geistlichen  der  reformatorischen  Partei,  in  der 
St.  Marienkirche  gehalten  wurde,  versammelte  sich  der  Bath  mit  seinem 
Anhange  auf  dem  langen  Markte,  die  Anhänger  der  Gemeinden  auf 
dem  Fischmarkt,  nachdem  der  Bossmann  Johann  Schultze,  so  wird  er 
in  der  Stegmannsehen  Chronik,  in  der  Melmannschen  und  in  dem 
Hauptbuch  des  Burgermeister  Lange  genannt,  dazu  in  der  Kirche 
aufgefordert  hatte.  Dieser  Bericht  ist  denn  auch  in  die  meisten  neuern 
Darstellungen  der  Geschichte  Danzigs  in  jener  Zeit  übergegangen,  in 
Löschin  und  Gralaths  Geschichte  Danzigs,  ja  selbst  in  Hirsch,  Geschichte 
von  St.  Marien,  und  doch  muss  diese  plötzliche,  feindliche  Stellung 
uns  überraschen,  wenn  man  die  Vorgänge  vorher  in  Erwägung  zieht 
Wenn  man  nämlich  erwägt,  dass  noch  im  August  1524  offen  unter 
den  Augen  des  Bathes  eine  Versammlung  der  reformatorischen  Partei 
abgehalten  wurde,  dass  die  hier  neu  eingesetzten  Pfarrer  vom  Bathe 
aeeeptiert  wurden,  ja  ihnen  zu  ihren  Berathungen  mit  den  zwölf  Ge- 
meinde-Deputierten vom  Bathe  ein  eigener  Platz  auf  dem  Pfarrhofe 
angewiesen  wurde,  dass  mit  Genehmigung  des  Baths  die  scharfen  Ar- 
tikel gegen  die  Mönche  ausgearbeitet  und  auf  Befehl  des  Baths  ver- 
kündigt wurden,  so  muss  es  auffallen,  wie  es  gekommen,  dass  acht 
Tage  nach  jener  Abkündigung  plötzlich  die  reformatorische  Partei,  die 
unzweifelhaft  die  Majorität  unter  der  Bürgerschaft  hatte,  dem  Bathe, 
der  bis  dahin  mit  ihr  Hand  in  Hand  gegangen,  mit  den  Waffen  in  der 
Hand  gegenüber  tritt.  Man  kann  nicht  annehmen,  dass  das  oben  ge- 
schilderte Bencontre  des  jungen  Bernt  von  Eyten  mit  dem  Pred.  Dr. 
Alexander  so  die  Bürger  erregen  konnte,  und  es  müssen  tiefliegendere 
Gründe  gewesen  sein,  die  einen  solchen  Biss  herbeiführten;  ich  glaube 
vielmehr,  dass  eine  Schwenkung  des  Bathes  zu  der  mönchischen  Partei 
wahrscheinlich  auf  Grund  einer  Warnung  seitens  des  Königs  von  Polen, 
der  allerdings  in  den  Quellen  übergangen  ist,  den  innern  Anlass  zu  dem 
nun  folgenden  Aufruhr  geboten  hat.  Darin  bestärkt  mich  auch  die 
Stelle  in  der  Melmannschen  Chronik:  „Wiewol  der  alte  rath  und  die 
bürgerschaft  auf  dem  marekt  waren,  nie  nicht  und  wolten  auch  nicht 
wesen    wider    der   wort  Gottes,    sondern    wolten   königl.    mandaten 


552  Der  grosse  Aufuhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525 

gnugthun  und  alle  dinge  beruhen  lassen,  bis  man  sehge,  wo  sich  die 
gemeine  Christenheit  hinkehret  und  auch  die  königl.  maj.ß  ")  Jeden- 
falls fällt  danach  die  von  gewisser  Seite  beliebte  Darstellung,  als  seien 
die  der  reformatorischen  Lehre  ergebenen  Bürger  nur  unter  dem  Pöbel 
der  Stadt  zu  finden  gewesen,  in  sich  zusammen. 

So  standen  um  die  Mittagszeit  des  22.  Januar  1525  im  Gebiete 
der  Rechtstadt  die  Bürger  in  zwei  feindlichen  Lagern  sich  gegenüber; 
auf  dem  Markte  stand  der  Anhang  des  Bathes  besonders  das  Fleischer- 
gewerk in  voller  Rüstung  „mit  Harniseh  und  Gewehr"  und  „buxen*, 
Geschützen,  auf  dem  Damme  und  der  Breitengasse  stand  der  Anhang 
der  Gemeinde  oder  wie  die  in  der  Schlieffschen  Bibliothek  aufgefundene 
Quelle  sagt,  die  Anhänger  des  wortes  Gottes. 2I)  Um  einen  blutigen 
Zusammenstoss  zu  vermeiden  beschloss  die  Gmeinde  Abgesandte  auf 
den  Markt  zu  senden  um  zu  unterhandeln,  aber  die  Abgesandten  der 
Gemeinde  der  Grobschmied  Peter  Konig  von  der  Altstadt  und  der 
Brauer  Hans  Netak  aus  der  Breitengasse,  wurden,  auf  dem  Markte  an- 
gelangt, sofort  verhaftet.  Dies  erregte  natürlich  noch  mehr  den  Un- 
willen des  Volkes,  und  in  der  Absicht  ihre  Anzahl  zu  verstärken,  rückte 
man  gegen  das  Hausthor  vor,  das  der  Rath,  wie  alle  andern  Thore, 
die  zur  Alt-  und  Vorstadt  fährten,  um  eine  Verbindung  mit  den  Alt- 
und  Vorstädtern  zu  verhindern,  hatte  verschliessen  lassen,  warf  es  aus 
den  Haken  und  vereinigte  sich  mit  den  Altstädtern,  so  dass  die  An- 
zahl der  Gemeinde  über  4000  Mann  betrug.  Diese  imposante  Zahl 
und  dann  auch  wohl  die  unentschiedene  Stellung  einiger  Rathsmitglieder 
bestimmte  den  Rath  zur  Nachgiebigkeit.  Noch  an  demselben  Tage 
um  4  Uhr  Nachmittags  kamen  2  Rathsherrn  als  Abgesandte  des  Raths 
auf  den  Damm  und  eröffneten  den  Bürgern,  dass  der  Rath  gesonnen  sei 
die  Gefangenen  den  Grobschmied  Eonig  und  den  Brauer  Nytak  herauszu- 
geben, wenn  sie  die  wirklichen  Rädelsführer  Hans  Joachim  und  Hans 
Schulz  ausliefern  würden.  Darauf  ging  jedoch  die  ihrer  Kraft  sich 
wohl  bewusste  Bürgerschaar  nicht  ein,  vielmehr  machten  sie  sogar 
Miene  die  beiden  Rathsherrn  als   Pfand   für   ihre  Abgesandten   fest- 


»)  Scr.  V,  S.  590.        f4)  vgl  Scr.  V,  S.  577. 


von  Dr.  Streb itzki.  553 

zunehmen  und  entliessen  diese  erst,  als  sie  versprochen  hatten  mit  Leib 
und  Gut  für  die  Befreiung  der  beiden  Gemeindeabgesandten  zu  wirken. 
In  der  Nacht  rückte  die  Gemeinde  auch  gegen  die  andern  innern 
Stadtthore  vor  und  vermittelte  durch  das  Einwerfen  des  Ketterhager- 
und  Fischerthores  das  Heranrücken  der  Vorstädter,  durch  das  Einwerfen 
des  heil.  Geistthores  die  weitere  Beihilfe  der  Altstädter.  Nun  suchte 
der  Rath  zu  unterhandeln  und  verlangte  nur  eine  Abbitte  seitens  der 
Gemeinde,  aber  auch  das  wurde  den  beim  Volke  nicht  unbeliebten  Ab- 
gesandten Coi  t  von  Suchten  und  dem  Magister  Zimmermann  abgeschlagen. 
Unter  solchen  Verhandlungen  verging  die  Nacht  von  Sonntag  auf  Mon- 
tag den  23.  Januar;  auf  dem  langen  Markte  wurden  während  der  Nacht 
die  Feuerpfannen  angesteckt,  Bier  herumgereicht,  aber  auch  dieSchaaren 
auf  dem  Damme,  die  immer  an  Zahl  zunahmen,  hielten  aus,  ja  sie 
nahmen  sogar  einige  von  der  Rathspartei  gefangen.  Da  auch  die  Vor- 
städter erklärten  für  die  Befreiung  der  Gefangenen  Leib  und  Blut  ein- 
zusetzen, gab  der  Rath,  der  sich  der  Zahl  der  Gemeine  gegenüber 
machtlos  sah,  morgens  um  4  Uhr  am  Montage  die  beiden  Abgesandten 
und  Bernt  von  Eyten  frei. 26) 

Nachdem  der  Rath  sich  so  schnell  ergeben  hatte,  wuchs  das  Selbst- 
vertrauen der  Bürger  immer  mehr  und  man  stellte  am  folgenden  Tage 
an  den  Rath  durch  Herbert  Kemraerer  ganz  bestimmte  Forderungen, 
die  sie  in  der  Nacht  zuvor  in  Goldeners  Hause  auf  dem  Damme  be- 
schlossen hatten.  Der  Rath,  in  der  Niederlage,  musste,  wenn  auch 
zögernd,  auf  dieselben  eingehen  und  schob  nur  die  feierliche  Aner- 
kennung in  einem  Edikt  an  den  nächsten  Tagen  immer  hinaus,  viel- 
leicht nicht  ohne  die  geheime  Hoffnung,  dass  schon  in  kürzester  Frist  von 
irgend  einer  Seite  Hilfe  eintreten  könne.  Auch  noch  am  Dienstage,  den 
24.  Januar  zögerte  der  Rath  mit  seinem  Versprechen  die  Beschlüsse 
der  Gemeinde  öffentlich  anzuerkennen,  ja  man  erzählte  sich  sogar  in 
der  Stadt,  er  habe  nach  Marienburg  um  Hilfe  gegen  die  aufständischen 
Bürger  geschickt.     Obwohl  der  Rath  verbürgte,  dies  sei  nicht  der  Fall, 


a&)  Vgl.  die  Schilderung  der  Stegmannschen  Chronik  a.  a.  0.  S.  558,  die  der 
lutherischen  Quelle  a.  a.  0.  S.  577. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  UfL  7  u.  8.  36 


554  Der  grosse  Aufuhr  su  Danzig  im  Jahre  1525 

so  wurden  doch  die  Thore  der  Stadt  verschlossen  und  nun  dringlichst 
die  Anerkennung  ihrer  Beschlüsse  des  sogenannten  Artikelbriefes  verlangt. 
Da  erschien  der  Stadtschreiber  Jörgen  Zimmermann  vor  dem  Rathhause, 
las  dem  Volke  eine  Copie  des  verlangten  Briefes  vor,  fragte  an,  ob 
alles  der  Gemeinde  so  gefalle  und  versprach  dann  die  feierliche  An- 
erkennung, die  Versiegelung  werde  Tags  darauf  am  25.  Januar  Vor- 
mittags von  8— 9  Uhr  auf  dem  Markte  stattfinden.  Zu  gleicher  Zeit 
wurde  den  Nonnen  und  Mönchen  in  den  verschiedenen  Klöstern  eröffnet, 
dass  es  von  nun  an  ihnen  gestattet  sei  hinzugehen,  wohin  sie  wollten, 
diejenigen,  welche  ihrer  klösterlichen  Pflicht  nicht  entsagen  wollten, 
sollten  sich  alle  zusammen  im  Kloster  der  Karmeliter  aufhalten.  Am 
25.  Januar  Vormittags  fand  die  feierliche  Versiegelung  des  Artikel- 
briefes auf  dem  Markte  statt. 26) 


*e)  Das  interessante  Schriftstück,  für  die  Beurtheilung  der  damaligen  Zustände 
äusserst  wichtig,  war,  da  es  bald  darauf  nach  Krakau  an  den  König  von  Polen  ein- 
gesandt wurde,  allen  Chronisten  unbekannt,  doch  1817  von  Polen  nach  Berlin  ge- 
bracht, ist  es  im  Archiv  des  Gcneraldirectorimns  aufbewahrt  und  von  Hirsch  zum 
ersten  Male  in  seiner  Geschichte  von  St.  Marien  abgedruckt.  Ich  hebe  daraus 
folgende  Stelle  besonders  hervor  (vgl.  Beilage  X.  Hirsch,  Gesch.  v.  St.  Marien  S.  26 
des  Anhanges).    Es  beginnt  wie  folgt: 

Alenn  vnnd  Itczlichen,  Eegenwertigenn  vnnd  Zuckunftigenn,  denn  dyeser  ojfenner 
Brieff  vorkumptt  zeu  seenn,  Horenn  oder  Lesenn,  Sey  künde  vnnd  uffennbar.  Nach 
deme  an  deme  vergangennen  Szuntage  cyn  Unwylle  zewisschen  dieser  lobelichenn 
Burgerschafft  sich  erhabenn  het,  Szo  das  eynn  kegenn  den  andenin  uffgerisenn» 
weicherenn  zeu  stillenn  vnd  abczulegenn  durch  gottliche  hulffe  fyle  handeis  auss 
beder  parte  perssonen  yrschien;  uff  das  alle  dynngk  mit  der  bannherezickeit  gotes 
zum  kristlichenn  eynickeit,  freuntschafftt  vnnd  bürgerlichem!  cyntracht  gedeyen  mochtt 
vnnd  reychen,  Szo  yst  durch  szunderliche  schickunge  des  allerhogestenn  gotes  der 
begriffen  ne  Unwylle  ane  eynige  verserunge  eynes  menschen  oder  bluttsturtczunge 
hingeleget  vnd  gestyllett.  Und  was  nu  zeu  dyeser  Zceitt  oder  vorhin  bas  off  dieszen 
heutigenn  tagk  gescheen  yst,  das  alles,  nichts  nicht  auszgenommenn,  szoll  gannz  vnd 
gaer,  Reyn  Lauter  vnd  ausz  eynem  guttenn  herezenn  Vergeben,  Ycrgessenn  ynd  vff- 
gehabenn  sein. 

Ynd  derwegenn  szo  habenn  wir  Burgermeistere,  Radttmanne,  Scheppen  vnd 
ganeze  gemeynheit  der  stadtt  Danntzick  zeu  gotes  eren  vnd  wolfartt  dieser  statt 
folgende  artikell  vffgerichtet. 

Ueber  kirchliche  Angelegenheiten  enthält  er  namentlich  folgende  Bestimmungen: 

Dieszcr  stadt  pfarrere  (ausgenommen  zeu  vnser  lyebenn  Frauen)  szollen  schrifltt-  . 
lieh  vormanett  werden,  sich  zeu  gestellen  ynwennigk  eynes  Monots;  Vnnd  yre  eygenne 
schafe  noch  der  Ordnnnge  Christi  weyden,   Vnnd  myt  deme  worte  gotes,  wye  sie 
schuldick,  Vorsorgen,  Wo  eye  aber  nicht  in  den  beenanten  Monte  sich  gestellen,  ader 


von  Dr.  Strebitzki.  555 

Die  einzelnen  Bestimmungen  dieses  Briefes  wurden  im  Auftrage 
des  Käthes  später  noch  besonders  verkündigt,  wie  uns  das  ebenfalls 
von  Hirsch  auf  dem  Archive  zu  Danzig  gefundene  über  imitationum, 
das  Buch  der  öffentlichen  Abkündigungen  beweist.") 

So  hatte  die  Gemeinde  den  Sieg  errungen,  sie  hatte  zugleich 
den  Kath  genöthigt  ihre  Forderungen,  kirchliche  und  communale,  in 
umfangreichen  Masse  anzuerkennen.  Aber,  wie  gewöhnlich,  bei  so 
plötzlichem  Umschwünge  blieben  die  Führer  der  Menge  bei  dem  als 
noth wendig  Erstrebten  nicht  stehn,  sondern  sie  suchten  statt  des 
Theiles  alles  zu  erlangen,  um  alles  zu  verlieren.  Von  nun  an,  so 
stimmen  alle  Quellen  überein,  ist  es  der  Bossmann  Hans  Schultze,  der 
sich  an  die  Spitze  derjenigen  stellt,  die  das  ganze  Regiment  der  Stadt 
in  den  Händen  der  Menge  sehen  wollen.  Noch  an  dem  Tage  der 
Versiegelung  des  Artikelbriefes  am  25.  Januar  Nachmittags  versammelte 
er  und  sein  Anhang  den  Kath,  die  Gemeinde  und  die  zwölf  von  der 


zcur  Stete  fugen  wurden,  szollen  sye  alsdenne  yrer  pfarrenn  entsatczt  vnnd  beroubett 
szeynn,  Vnd  czur  stunt  andere  dögentliche  perszonen  des  Wortes  gotes  wolkundick 
in  yre  stelle  gesatezt  werden. 

Ueber  communale  Bestimmungen  enthält  er  folgende  Anordnungen: 

Nu  aber  noch  diesem  tage  nicht  mehr  wollen  sein  ein  heuffechen  folek.  Vnn- 
sern  Nahmen  aber  gunck  zeu  thuende,  alszo  lautende,  von  den  genadenn  gotes 
Danntczker,  Vnnd  seint  szo  bestricktt  gewestt  mit  zeween  Netczenn,  Nu  noch  dyesem 
tage  rnd  nymmer  mehr,  vormittelst  der  hulffe  gotes  nicht  nick  habenn  wollen  noch 
dyesem  tage  diso  Netcze,  als  nemelych  die  Thore  zcwysschen  den  Steten,  Wyer  wollen 
lossen  eynen  Badtt  eynen  Radtt  seyn,  Aber  mit  solcheym  beschede,  das  dye  lobe- 
liche  gemeynheitt,  alle  die  burger  seynn,  Das  dye  dye  Wele  szollen  habenn,  als  dye 
kristlichen  Menner  noch  deysem  tage  feste  wollen  gehalten  habenn  wye  vorlautende 
yst,  Das  dye  gemeine  dye  wale  zcoll  habenn  Scheppen,  Badttleute,  Burgermeistere 
zeu  welen  vnnd  aller  offener  ammachtsleute. 

Alle  dye  uberbieter  des  kauffes,  szollen  dasselbige  gudtt  vorfallen  seynn.    Der 
üerde  von  fysschen  vnnd  fögeln,  ouch  Wylttbrete  szall  frey  seynn  in  vnser  gebietenn. 
Persönliche  Auszeichnungen  erhalten  die  Führer  der  Volkspartei: 

Hans  nyetack  szoll  holmeister  szeyen,  Hans  schultcze  szall  die  grosse  wage 
haben,  Joachim  nyeman  szall  den  hoppenscheffell  habenn. 

*27)  So  wird  z.  B.  am  12.  Februar  veröffentlicht:  To  weten,  dat  eynem  elken 
borger  dieser  kgl.  Stadt  frey  und  ungehindert  zien  zall  in  der  «tat  fryheit  unde 
ehren  watern  to  fischen  efte  fogele,  idt  zie  enten,  kricken  ader  anuer  wilt  to  fangen, 
allein  to  zinem  dische  und  notturft  unde  sust  nicht  anders  uthgenamen  de  jacht  up 
der  Neringe,  der  sick  ein  elck  entholden  sal,  dwile  desulvige  kgl.  maj.  unsem 
allergn.  erfiieken  herren  thokumpt.    Vgl.  Scr.  r.  Pr.  V,  S.  542,  559  ff. 

36* 


556  ^er  grosse  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525 

Gemeinde^  erwählten  Männer  und  fragte,  fassend  auf  eine  Bestimmung 
des  Artikelbriefes,  an,  ob  die  Versammlung  noch  länger  den  alten  Rath 
haben  wolle?  Die  Majorität  der  Versammlung  verneinte  diese  Frage 
und  sofort  beauftragt  dieselbe  die  früher  gewählten  zwölf  Männer  die 
Neuwahl  des  Rathes  vorzunehmen, "nachdem  sie  sich  durch  je  zwölf 
Männer  aus  der  Rechtstadt,  Altstadt  und  Vorstadt  cooptiert  hatten. 
Diese  achtundvierzig  Männer  gehn  schon  am  nächsten  Tage  an  die 
Wahl  des  Rathes.  Nur  solche  Bürger  sollten  gewählt  werden,  die  der 
gemein  zu  rechter  liebe  und  nach  dem  wort  gottes  sotten  vorwesen. 2B) 
Nachmittags  schon  wurde  der  neue  Rath  auf  dem  langen  Markte  ver- 
kündigt. Am  genauesten  ist  in  der  Angabe  der  Namen  die  Ferber- 
chronik.  *9)  Danach  bleiben  nur  drei  der  alten  Rathsherrn  im  Rathe 
der  Rechtstadt,  Philipp  Bischof,  Curt  von  Suchten,  Herwert  Kemmerer, 
auf  der  Altstadt  nur  Peter  Braun. 30)  Am  nächsten  Tijm  riHff1  wuiluluii 
der  alte  Rath  abgetreten  war,  die  Vereidigung  des  neuen  öffentlich  auf 
dem  langen  Markte  statt,  der  Rath  schwor  der  Gemeinde,  die  Gemeinde 
dem  Rathe;  man  schwor:  bey  dem  wort  Gottes  lebendig  und  tod  zcu 
bleiben,  und  unserm  aller  gnedigsten  herrn  Konige  von  Polen,  Sigis- 
mundo  getreue  undersassen  zcu  sein  und  seine  Königl.  majestaten  vor 
ihren  erbherrn  zcu  haltende,  dergleichen  e.  e.  r.  disser  konigl  maj. 
stat  Danczke  gehorsam  zcu  wesende. 3I) 

Zu  gleicher  Zeit  wurde  zur  Warnung  und  Abschreckung  mitten 
auf  dem  langen  Markte  ein  Galgen  und  ein  Rad  errichtet  und  oben 
an  dem  Galgen  ein  Schwert  angenagelt,  wie  die  Ferberchronik  sagt: 
„zcu  schrecken  und  straf  der  bösen  und  hant  zcu  haben  und  zcu  be- 
schirmen die  frumen  und  gutten. 3S)    Am  folgenden  Tage  wurden  die 


")  Vgl.  a.  a.  0.  S.  581. 

20)  Scr.  V,  S.  541  u.  542.  It.  am  donnerstag  noch  conversionis  Pauli,  den 
XX Vj  tag  im  Januari,  wart  der  gancze  aide  rat  nud  die  scheppen  von  der  gemein 
abegeseczt,  desgleichen  auch  die  eltisden  und  die  scheppen  von  der  Altenstat  und  in 
der  rechten  stat.  Wurden  aufs  neue  widergekoren  her  Philippus  Bischof,  Conrad 
v.  Suchten  und  Herbert  Kemerer. 

30)  Vgl.  Ferberchronik  a.  a.  0.  S.  542. 

8I)  Vgl.  Ferberchronik  a.  a.  0.  S.  542. 

n)  a,  a.  0.  S.  643. 


von  Dr.  Strebitzki.  557 

Mitglieder  des  alten  Rathes  auf  das  Katbhaus  geladen  und  mussten 
liier  eine  Erklärung  unterschreiben  und  untersiegeln,  in  der  sie  zugeben, 
dass  sie  allein  an  dem  Aufrühre  der  vorhergehenden  Tage  schuldig 
sein.  Diese  Erklärung  wurde  am  folgenden  Tage  von  den  Kanzeln 
aller  Pfarrkirchen  abgekündigt  und  jeder  Burger  zur  Mässigung  aufge- 
fordert. 33)  Dann  wurden  die  Verhandlungen  über  den  Verlauf  des 
ganzen  Aufstandes  an  den  König  von  Polen  gesandt. 

In  verhältuissinässig  kurzer  Zeit  war  also  das  Erstrebte  erreicht, 
die  Buhe  war  hergestellt  und  in  dem  Wahne,  dass  die  Gegenpartei, 
besonders  die  mönchische,  beim  Könige  von  Polen  nichts  durchsetzen 
werde,  ging  man  an  den  Ausbau  der  reformatorischen  Lehre.  Die 
Nonnenconvente  wurden  aufgelöst,  das  Schwarzmönchen  (Dominikaner)- 
Kloster  zu  einem  Hospitale  und  das  Graumimchen  (Franziskaner)- 
Kloster  zu  eiuer  griechischen  Schule  eingerichtet.  Der  Prediger  Dr. 
Alexander,  der  den  Unwillen  in  seiner  Gemeinde  durch  Beibehalten 
der  Mönchskappe  erregt  hatte,  wurde  aus  der  Stadt  verbannt.  Seine 
Stelle  suchte  man  durch  einen  tüchtigen  im  Sinne  Luthers  wirkenden 
Prediger  zu  besetzen  und  sandte  zu  diesem  Zweke  den  Pfarrer  von 
St.  Barbara  Jacob  Bonholt  an  Luther  nach  Wittenberg,  damit  er  den 
Danzigern  einen  tüchtigen  Prediger  in  der  Person  des  Dr.  Bngenhagen 
aus  Wittenberg  mitbringe.  Doch  gelang  es  Bonholts  Bemühungen  nicht 
diesen  Mann  zu  gewinnen,  sondern  einen  gewissen  Dr.  Michael  Hän- 
lein,  der  bald  darauf  als  Prediger  an  der  Marienkirche  eintritt.  Während 
der  Fastenzeit  (1525)  desselben  Jahres  wurden  die  lateinischen  Gesänge 
in  den  Kirchen  abgeschafft;  die  deutsche  Sprache  bei  Messe  und  Vesper 
eingeführt,  die  Anbetung  des  Altarssacramentes  und  die  Verehrung  der 
Bilder  aufgehoben,  die  Appellation  an  ein  geistliches  Gericht  verboten 
und    einige    Bestrafungen    auf  dem   Rechtsgebiete   geändert. 3i)     Die 

33)  Scr.  V,  S.  582. 
'  3I)  Scr.  V,  S.  5C3.  Sy  taste  ton  auch  in  keyserrecht  sprechende,  inen  solde 
keynen  getawften  menschen  totten  umb  dybereye  willen.  Ist  ys  gesehen  in  der 
zceyt,  wen  ymant  stacl,  der  noch  wertlichem  rechte  in  galgen  zen  hangen  vor- 
dynet  hatte,  den  mäste  men  nicht  hangen,  bsunder  men  spannete  yn  umb  beyde 
beyne  eyscren  fesscr  und  schickete  in  yn  das  feit  zeu  arbeyten,  dy  graben  auf  zeu 
rewmen,  do  solden  sy  denne  arbeyten  all  ir  leben  langk;  do  quam  Yele  arges  aus. 


558  ^er  £ros8e  Aufruhr  zu  Danaig  im  Jahre  1525 

Sicherheit,  in  die  sich  die  reformatorische  Partei  gewiegt  hatte,  uud 
die  Gewissheit,  der  König  von  Polen  werde  mit  ihren  Aenderungen 
einverstanden  sein,  blieb  aber  nicht  lange  bestehen.  Dass  der  König 
von  Polen  nicht  sofort  auf  die  Beschwerden  der  mönchischen  Partei 
einschritt,  lag  an  den  Zeitverhältnissen,  er  fürchtete,  dass  durch  eine 
renitente  dem  Orden  günstige  Stellung  der  Stadt  Danzig,  der  bevor- 
stehende Friede  zu  Krakau,  (der  am  8.  April  wirklich  abgeschlossen 
wurde)  in  Frage  gestellt  werden  könnte.  Und  in  der  That  müssen 
schon  um  diese  Zeit  von  den  Anhängern  der  alten  Lehre  Versuche 
gemacht  worden  sein  an  massgebender  Stelle  eine  Abstellung  der 
neuen  Lehre  durchzusetzen.  Das  geht  aus  einer  Bemerkung  Steg- 
manns in  seiner  Chronik  hervor,35)  ebenso  weist  hierauf  die  unsichere 
Lage  der  Bürger  hin,  die  sich  gerade  zu  dieser  Zeit  der  erkämpften 
Kühe  mit  den  auf  dem  Rathhause  befindlichen  Waffen  bewaffneten. 
Nach  dem  Abschluss  des  Friedens  zu  Krakau  aber  nahm  der 
König  von  Polen  feste  Stellung  zu  den  Neuerungen  in  Danzig  ein,  um 
dieselbe  Zeit  (im  April  1525)  wurde  auch  der  Process  Eberhard  Ferbers 
zu  Ungunsten  der  Stadt  entschieden  und  bald  traf  der  bestimmte 
Befehl  in  Danzig  ein  die  Neuerungen  abzustellen.  Natürlich  gerieth 
die  Bürgerpartei  darüber  in  die  grösste  Aufregung,  man  versammelte 
sieh  auf  dem  Hofe  der  grossen  Mühle  und  dachte  daran  mit  gewaffneter 
Hand  dem  König  von  Polen  gegenüber  zu  treten  und  die  Stadt  möglichst 
zu  befestigen. 36)    Nur  iu  soweit  fügte  man  sich,  als  auf  den  Befehl 


Dy  dibe  vorlissen  sich  darauf  und  stolen  frey  getrost,  so  das  dibereye  und  mort  ge- 
meyne  wart,  dy  auch  denne  aus  den  fcsseren  gespannet  ausbrachen  unde  entliffen, 
der  wurde  etczliche  vele  argir;  und  hetto  dis  alzo  lange  gestanden,  man  hette  nicht 
dorst  sicher  aus  dem  stadtthoer  geen. 

35)  Vgl.  a.  a.  0.  die  Chronik  Stegmanns  S.  562:  Dy  edelen  lewte  alse  her 
Jürgen  von  Baysen  und  her  Zceme  und  her  Balinsky  auf  Marienborgk  mit  sampt 
anderen  fromen  cddelingcn,  die  sich  in  dy  saclic  legeten,  is  wolde  als  nicht 
helfen  .... 

3fl)  Vgl.  a.  a.  0.  Stegm.  Chronik  S.  562  .  .  .  do  gyngen  sy  zeu  rote  auf  dem 
molehoffe,  do  sy  gemeynlich  ire  radtslege  hilden  und  beslossen  is  also,  das  do  wurden 
gebawet  auf  der  Vorstadt  auf  den  wal  ij  buxen  hewser,  eyns  bey  das  karrenthor  das 
ander  bey  den  newen  torm.  Do  wurden  karrenbuxen  und  ander  gros  feltgeschos 
eyngeleget  kegen  den  wegk  und  gebergete.   Hans  Nytack  der  molemaister  hatte  den 


ron  Dr.  Strebittki.  55g 

des  Königs  von  Polen  am  22.  Juni  das  Ead  nnd  der  Galgen  mit  dem 
Schwerte  entfernt  wurden. 37) 

Anfangs  Juni  beschlossen  nach  längerer  Berathung  sämmtiiehe 
Handwerkerzünfte,  die  Brauer  und  Schiffleute  den  König  von  Polen 
auf  Grund  einer  von  ihnen  ausgearbeiteten  Schrift  die  Forderungen 
der  Gemeinde  zu  genehmigen.  Von  diesem  Ersuchen  schlössen  sich 
nur  die  Kaufleute  aus,38)  aber  ohne  einen  Einfluss  dadurch  auszuüben, 
denn  am  13.  Juli  reiste  die  zu  diesem  Zwecke  ernannte  Deputation, 
bestehend  aus  dem  Bürgermeister  Jürgen  Zimmermann,  Badmann  Jacob 
Flint,  den  beiden  Schoppen  Hans  Ostendorp  und  Jürgen  Kloke  (bei 
Ferber  Kluge  genannt)  und  dem  Grob3chmied  Peter  Konig  mit  jenem 
Schriftstück  nach  Krakau  ab.  —  Aber,  was  man  wohl  nicht  erwartet 
hatte,  der  König  empfing  die  Deputation  höchät  ungnädig,  ja  er  liess 
die  Mitglieder  derselben  in  ihren  Wohnungen  gefangen  halten.  Wenige 
Wochen  hierauf  am  31.  August  sandte  der  König  von  Polen  „Lade- 
briefe" an  die  Stadt,  in  denen  Jacob  Hegge  „der  Schenderprediger*, 
der  Prediger  Hans  Frank,  der  Molemeister  Hans  Nytak,  der  Bosmann 
Hans  Schultze  nach  Krakau  vorgeladen  wurden,  eine  gleiche  Ladung 
erhielt  der  ganze  alte  Rath  mit  der  Weisung  am  Hofe  Aufschlüsse 
über  den  Aufstand  zu  geben.  Von  den  Rathsniitgliedern  folgten  einige 
diesem  Befehle,  die  Prediger  aber  und  jene  Führer  der  Bürgerpartei 
erklärten  demselben  keine  Folge  zu  leisten,  denn,  wie  sie  glaubten, 
„were  disse  ladunge  gesehen  ane  wissen  und  willen  des  koniges *.39) 
Doch  nach  einiger  Zeit  schon  wurden  sie  kleinmüthiger  und  baten  in 
Rücksicht  auf  die  weite  Reise  und  ihre  beschränkten  Mittel  von  einer 
Ladung  nach  Krakau  abzusehen,  im  Preussenlande  würden  sie  sich 
vor   dem  Könige   oder   einem   seiner   Bevollmächtigten   gern   stellen. 


molehoff  mit  buxen  and  bagek chos  und  ander  zeubehorunge  zeu  buxen  auch  mee 
ander  were  wol  besorget,  desgelcichen  auch  Hans  Scholtzce  der  bosraan  ....  hatte 
sich  auch  wol  besorget  mit  gewerc,  buxen  und  ander  zeuhehorunge,  desgelcichen 
auch  dy  vornemesten  ires  anhanges. 

3")  Scr.  V,  S.  563  oben. 

38)  a.  a.  0.  S.  564. 

3»)  Vgl.  Scr.  V,  S.  564. 


560  ^er  8roS8e  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525 

Auf  bliese  Entschuldigung  folgt  dann  ein  Schreiben  des  Königs,  welches 
den  llath  auffordert  die  Güter  jener  zur  Verantwortung  gezogenen 
Bürger  einzuziehen  und  mit  Beschlag  zu  belegen,  den  Artikel-  und  den 
sogenannten  Schandbrief  (in  dem  der  alte  Rath  zugestanden  hatte,  er 
sei  an  dem  Aufrühre  allein  Schuld,)  nach  Krakau  einzusenden.  Hier- 
auf traf  ein  vom  15.  December  ausgefertigtes  Mandat  dos  Königs  von 
Polen  am  25.  December  in  Danzig  ein,  das  iu  ausserordentlich  strengen 
Worten  der  Stadt  Danzig  befahl,  zum  8.  Januar  des  künftigen  Jahres 
1526  Abgeordnete  der  Stadt  nach  Petrikau  an  das  Hofgericht  des 
Königs  zu  senden,  widrigenfalls  die  Stadt  ungehört  verurtheilt  werden 
würde,  dieses  Mandat  wurde  lateinisch  und  deutsch  an  die  Marienkirche 
angeheftet. 

In  dieser  Noth  eutschloss  sich  die  Stadt  ihre  gewandtesten  Leute 
den  Bürgermeister  Philipp  Bischof  und  den  alten  Kathssccretarius  Am- 
brosius  Sturm  nach  Petrikau  zu  senden  und  ein  Schriftstück  auszu- 
arbeiten, in  dem  demüthigst  seitens  der  Stadt  gebeten  wurde  das  Urtheil 
aufzuschieben.  Auch  diese  interessante  historische  Urkunde  ist  uns  im 
Archive  des  General-Directoriums  zu  Berlin  erhalten  und  von  Hirsch 
zum  ersten  Mal  abgedruckt  worden.  10)  Sie  bemüht  sich  nachzuweisen, 
dass  die  Massregeln  gegen  die  Mönche  und  Nonnen  durchaus  nicht  so 
strenge  gewesen  sind,  wie  es  seiner  Majestät  mitgetheilt  worden,  denn  im 
Brigittinerkloster  lebten  noch  sechsunddreissig  Jungfrauen  und  Mönche, 
in  den  anderen  Mönchsklöstern  seien  auch  noch  überall  Mönche,  „den  och 
gestattet  und  nochgegeben  ist,  ir  leben  und  "Religion  tzw  fureu  vnd 
halten,  wie  In  der  geist  gotes  tzwtregt."  Sie  schliesst  dann  mit  der 
Bitte:  „So  dy  koningl.  Majestät  wirt  ausz  gnaden  vnserer  bethe  noeh- 
geben,  So  ist  Ire  Majestät  antzufollen,  einen  adder  mehr  herren  ko- 
ninglichs  Roths,  hieher  tzu  vns  Iun  dy  Stadt  tzu  kommen."  Die 
Urkunde  ist  unterzeichnet  von  allen  Gewerken,  den  Schiffern,  Brauern 
und  Kaufleuten  und  ihr  angehängt  sind  sechsunddreissig  Pergament- 
faden,  an  deren  jedem  mehrere  Siegel  hängen.  Der  König  durch  diese 
Deputation  besänftigt  schob  das  Urtheil  auf,  und  versprach  in  eigener 


40)  Vgl.  Hirsch,  Geschichte  vou  St.  Marien,  Beil.  XI. 


von  Dr.  Strebitzki.  561 

Person  nach  Danzig  zu  kommen  und  die  Sache  zu  ordnen.  Diese  Nach- 
richt erregte  in  Danzig  grosse  Sensation,  die  Gemeinde  versammelte 
sich  wieder  auf  dem  Mühlenhofe  und  dachte  darauf  die  Stadt,  für  den 
Fall,  dass  der  König  heranziehe,  zu  vertheidigen.  Indess,  als  im 
Jahre  1526  der  König  Sigismund  nach  Marienburg  gekommen  war, 
wurden  die  dorthin  aus  Danzig  citierten  Bürger  freundlich  aufgenommen 
und  bald  entlassen.  Kurz  darauf  am  12.  März  begab  sich  der  Bürger- 
meister Bischof  nochmals  zum  Könige  und  unterhandelte  mit  ihm  auf 
Grund  einer  seitens  der  Stadt  ihm  gegebenen  Vollmacht.  Auch  dieses 
Schriftstück,  die  Plenipoter.tia  Civitatis  Gedanensis  suis  delegatis  ad 
regem  Sigismundum  ist  uns  im  Archive  des  General- Directoriums  er- 
halten. u)  Es  ist  nicht  von  allen  Gewerken  unterschrieben,  ja  wohl  den 
meisten  unbekannt  geblieben,  denn  es  enthält  die  vollständig  ausge- 
sprochene Unterwerfung  der  Stadt  unter  den  König.  Hierauf  kamen 
am  3.  April  1526  als  Abgesandte  des  Königs  von  Polen  der  Woywod 
und  erste  Kanzler  von  Polen,  Herr  Christophorus  von  Schidlouijecz, 
der  Woywod  von  Sandomir,  Andreas  von  Thanczyn,  der  Woywod  von 
Marienburg,  Georg  von  Baysen  nach  Danzig.  Da  ihre  Ankunft  grossen 
Schrecken  erregte  und  man  fürchtete,  es  könne  abermals  ein  Aufstand 
des  Volkes  entstehn,  so  erlassen  diese  Namens  des  Königs  eine  Ver- 
sicherungsurkunde, in  der  sie  feierlichst  denen,  die  S.  Majestät  dem 
Könige  von  Polen  gehorsam  sich  erweisen  würden,  versprechen,  dass 
er  gegen  diese  wohlwollend  und  milde  sein  werde,  wie  es  einem  christ- 
lichen Fürston  gezieme.  Aber  in  dieser  Versicherung  werden  zugleich 
alle  geheimen  Zusammenkünfte  bei  Todesstrafe  verboten,  und  befohlen 
die  Kanonen  von  den  Mauern  und  Thürmen  zu  entfernen.  vi) 

Doch  traute  man  dieser  Versicherung  keineswegs,  ja  noch  wenige 
Tage  vor  der  Ankunft  des  Königs  in  Danzig  in  der  Nacht  zwischen 
dem  15.  und  16.  April  sollte  nach  den  Beschlüssen  der  Volkspartei  die 
Gesandten  des  Königs  und  die  Führer  der  Gegenpartei  gefangen  ge- 
nommen werden.     Aber  sowohl   die   Gesandten,  als  auch  der  Bürger- 


4!)  Vgl.  Hirsch,  Geschichte  von  St.  Marien,  Beil.  XII.  S.  39  des  Anhanges. 
42)  Vgl.  Hirsch,  Geschichte  von  St.  Marien,  Beil.  XIII.  S.  40  ff. 


562  Der  8™***  Aufruhr  zu  Danaig  im  Jahre  1525 

meister  Philipp  Bischof,  der  von  -nun  an  vollständig  auf  Seiten  des 
Polenkönigs  steht,  hielten  durch  grosse  Aufmerksamkeit  den  Aufstand 
nieder,  und  am  nächsten  Tage  war  es  schon  für  eine  solche  Unternehmung 
zu  spät,  denn  der  Herzog  Jürgen  von  Pommern  und  der  Bischof  von 
Kamin  rückten  mit  grossem  Gefolge  „alle  im  blanken  hämisch*  in  die 
Stadt  und  verstärkten  die  Macht  der  königlichen  Partei.  So  wurde  die 
Volkspartei  von  ihren  Plänen*  abgehalten  hauptsächlich  durch  die  vor- 
sichtige, ja  schlaue  Handlungsweise  des  Bürgermeisters  Philipp  Bischof. 
Er  ist  es,  den  die  lutherische  Quelle  mit  herben  Worten  der  Mantel- 
trägerei  bezichtigt  und  zum  Beweise  dafür  anführt,  dass  er,  als  der 
König  mit  grosser  Macht  heranzog  und  die  Gemeinde  die  Absicht  hatte 
die  Thore  zu  schliessen  und  die  Geschütze  in  Bereitschaft  zu  halten, 
durch  eine  beruhigende  Rede  die  Gemüther  besänftigte  und  die  ver- 
söhnliche Gesinnung  des  Königs  gegen  die  Stadt  verbürgte. 43) 

So  viel  wenigstens  wird  klar,  Bürgermeister  Bischof  und  die  Partei 
des  alten  Baths  hatten,  um  die  Herrschaft  des  Volks  zu  beseitigen, 
einen  Compromiss  geschlossen,  bei  dem  einige  Rathsherrn  und  patricische 
Familien,  die  im  Herzen  wohl  der  neuen  Lehre  zugethan  waren,  zu 
Gunsten  einer  patricischen  Regierung  der  Stadt  ihr  religiöses  Bekenntniss 
zum  Opfer  brachten. 

Der  König  von  Polen  trat  nach  seinem  feierlichen  Einzüge  in 
Danzig  am  17.  April,  zuerst  sehr  milde  auf,  gleichsam  als  ob  er  sich 
seine  Stellung  erst  sichern  wollte,  denn  es  wurden  Briefe  an  die  Kirchen- 
thüren  angeschlagen  „mit  königl.  sccret,  dass  keiner  sich  solle  fürchten, 
auch  die  Schuldner  nicht,  was  vergeben  were,  soll  auch  vergessen  sein 
bey  seiner  königl.  ehren*.  n)    Ob  es  nun  vornherein  in  der  Absicht  des 


")  Vgl.  die  in  der  Schlieffschen  Bibliothek  gefundene  Chronik  a.  a.  0.  S.584: 
Lieben  treuen  bürger,  das  vornehmen  stellet  ab  und  kehret  ench  nicht  an  das  grosze 
volck,  das  mit  kg],  maj.  komet.  Ich  schwere  es  bei  meiner  secle  sehligkeit,  darzu 
mit  meinem  leib  und  gut,  das  kgl.  maj.  nit  anders  komt  denn  wie  ein  vater  zu 
seinen  kindern  und  will  ftied  und  einigkeit  «wischen  euch  und  dem  radte  und  in 
alleu  parten  uffrichten.  Die  und  ander  viel,  wie  oben  berurt  ist,  viel  verheischungen 
hat  eine  gemeine  zufrieden  gestelt.  Aber  wie  das  Philipp  Bischof  mit  dem  herzen 
hat  gemeint,  ist  offenbar. 

«»)  Vgl.  a.  a.  0.  S.  584. 


von  Dr.  Strebitski.  563 

Königs  gelegen  hat  die  alten  Zustände  mit  Gewalt  wieder  herzustellen, 
oder  ob  der  alte  Rath  und  die  patricische  Partei  darauf  hindrängte, 
ist  aus  den  Quellen  nicht  zu  ersehen. 

Am  3.  Mai  1526,  nachdem  der  König  etwa  zwei  Wochen  in  Danzig 
verweilt  hatte,  an  demselben  Tage  als  der  Herzog  Albrecht  von  Preussen, 
der  ja  soeben  mit  Genehmigung  Polens  zur  protestantischen  Kirche 
übergetreten  war,  in  Danzig  zum  Besuche  eintraf,  wurde  der  neue  Rath 
plötzlich  auf  das  Rathhaus  geladen.  Hier  wurde  er  von  dem  alten 
Rathe  wegen  jenes  Aufruhrs  angeklagt  und  in  Folge  dieser  Anklage 
der  Bürgermeister  LicT  Hans  Wendland,  drei  Rathsherrn,  der  Gold- 
schmied Hans  Myke,  der  Schneidermeister  Ludicke  Foss,  der  Brauer 
Kasper  Nyman,  der  Sekretär  Hans  Nymetz,  aus  der  Gemeinde  Hans 
Nytak,  der  Bosmann  Hans  Schultze,  der  Brauer  Lorenz  Balhagen  und 
einige  andere,  im  Ganzen  achtzehn  Mann,  gefönglich  eingezogen.  Ebenso 
erging  es  den  Predigern  Michael  Hänlein  von  der  Pfarrkirche,  dem 
Prediger  von  St.  Bartholomäi  und  Jacob  Molner,  dem  Pfarrer  zu  St. 
Barbara,  während  Jacob  Hegge,  der  Pfarrer  zu  St.  Catharinen  und  der 
Pfarrer  zu  St.  Johann  die  Flucht  ergriffen.  In  den  beiden  folgenden 
Wochen  zwischen  dem  3.  und  18.  Mai  wurde  dann  die  alte  kirchliche 
Lehre  auf  Befehl  des  Königs  von  Polen  wiederhergestellt,  am  17.  der 
Orden  der  schwarzou  Mönche  und  am  18.  der  der  grauen  Mönche  durch 
den  Bischof  v.  Gujavien  Mathias  und  einen  Vertreter  des  Raths  in 
ihr  Kloster  wieder  zurück  geführt.  Unterdess  hatten  die  zum  Besuche 
in  Danzig  eingetroffenen  hohen  Herrschaften  am  8.  Mai  der  Herzog 
Jürgen  von  Pommern,  am  26.  der  Herzog  Albrecht  von  Preussen  die 
Stadt  verlassen,  und  nun  ging  der  König  an  die  Bestrafung  der  vom 
alten  Rathe  Beschuldigten.  Am  13.  Juni  erfolgt  dann  die  Verkündiguug 
des  Todesurtheils  gegen  sechs  der  Beschuldigten:  den  Brauer  Kaspar 
Nymetz,  den  Goldschmied  Hans  Myke,  die  Brauer  Joachin  Nymann 
und  Hans  Nytak,  gegen  Lorenz  Balhagen  und  Lorenz  Otte.  Nachdem 
das  Volk  durch  diese  Massnahmen  eingeschüchtert  war,  fand  am  18ten 
Juni  ein  besonderer  Huldigungsact  der  Stadt  Danzig  dem  Könige  von 
Polen  gegenüber  statt,  bei  dem  viele  Mitglieder  des  restituierten  Rathes 
an  der  Spitze  der  Bürgermeister  Philipp  Bischof,  der  zum  Königlichen 


564  ^er  Srosse  Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525 

Burggrafen  ernannt  worden  war,  auch  der  kurz  vorher  in  Folge  seines 
gegen  die  Stadt  gewonnenen  Processes  zurückgekehrte  Bürgermeister 
Eberhard  Ferber,  der  aber  der  Bürgermeisterwürde  entsagte,  zu  Kittern 
geschlagen  wurden.  Vier  Wochen  nach  jener  ersten  Vcrurtheilung  am 
19.  Juli,  wenige  Tage  vor  dem  Atmigc  Sigismunds  aus  Danzig  wurden 
noch  sieben  an  dem  Aufstände  des  Jahres  1525  betheiligte  Personen, 
Hans  Fischer,  der  Bürgermeister  Lic.  Johannes  Wendland ,  der  Gold- 
schmied Hans  Brusekorn,  der  Bötticher  Karsten  Schlaff,  der  Brauer 
Hans  Scholze,  der  Brauer  Andreas  Heyke  vom  Damme,  Niclas  Schuze, 
ein  Bäcker  wohnhaft  in  der  Tobiasgasse  und  schliesslich  der  Bosmann 
Hans  Schultze  mit  dem  Tode  der  Enthauptung  bestraft.  Am  Tage  drauf 
fand  denn  auch  die  Enthauptung  des  Grobschmieds  Peter  Konig  von 
der  Altstadt  doch  nicht  in  Danzig,  sondern  in  Marienburg  statt. ib) 

Ausserdem  wurden  viele  Bürger  gefangen  gesetzt,  viele  für  immer 
aus  Danzig  verbannt,  zu  den  letztern  gehörte  unter  andern  der  Stadt- 
sekretär Georg  Zimmermann,  Jacob  Flint,  Jorge  Klocke  und  Hans 
Osterdag,  von  den  gefangenen  Predigern,  die  nach  Polen  transportiert 
wurden,  entkamen  drei;  welche  ist  nicht  angegeben.  Ja  sogar  an  den 
Leichnamen  Verstorbener  nahm  man  Strafe,  so  wurde  der  Leichnam 
des  Nadlers  und  Kathmanns  Biosyn  German  aus  der  Nadlergasse,  der 


15)  Interessant  ist  es  die  Berichte  der  beiden  entgegenstehenden  Quellenschriften 
über  diese  Verurtheilung  zu  hören.  Jene  im  reformatorischen  Sinne  geschriebene 
Quelle  sagt  (Scr.  V,  S.  &Ö5j:  Nacli  etlicher  zeit  wurden  6  bürger  entheupet  und 
14  tage  danach  7,  die  alle  ohn  verurtheilen  und  antwort  wurden  uff  dem  marekt 
gebracht,  die  jämmerlichen  gepeinigt  waren,  und  hatten  müssen  bekennen  alles,  was 
ihnen  wart  vorgestimmet,  sonst  nit  ehe  mit  der  pein  wolten  uffhören,  ehe  sie  das 
zuvor  bchärthen,  das  sie  alles  widerrieften  öffentbahrlich  do  für  alle  weit  bey  dem 
todte,  den  sie  nun  leiden  sollen  und  bey  ihrer  scelen  seeligkeit.  Einer  von  den  uff 
an  kgl.  maj.  geschickten,  mit  namen  Peter  König,  der  zwischen  dem  radte  und  ge- 
meine viel  böses  gewehrt  hatte,  ward  zu  Marienborg  mit  dem  schwerdte  gerichtet, 
das  war  seine  belohnunge. 

Bernt  Stegemanns  Chronik  bemerkt  darüber  (S.  57.5):  Des  anderen  tages  dar- 
noch  wart  zeu  Marienborgk  Peter  Konigk  dor  grobsmyt  burger  zeu  Dantczke,  wan- 
haftigk  anf  der  Altenstadt,  seyn  howbet  abgehawen,  der  war  im  aufrur  der  vornomeste 
und  fürte  das  wort  ime  rynge,  do  men  den  radt  ausstis  und  eynen  newen  radt 
seezte  auch  in  anderen  ireu  ratsiegen  meer.  Szo  seyn  irer  in  der  summa  xiiij 
burgers  offenbarlich  gerichtet  mit  dem  swerte  von  des  aufrures  wegen.  Got  vorgebe 
yn  alle  ire  sunde  amen. 


von  Dr.  Strebitzki.  565 

sich  an  der  Einführung  der  reformatorischen  Lehre  hervorragend  be- 
theiligt hatte-,  aber  vor  der  Ankunft  des  Königs  von  Polen  schon 
gestorben  und  auf  dem  St.  Katharinenkirchhofe  begraben  war,  ausge- 
graben und  von  jenem  Kirchhofe  weggeschafft. 40) 

Am  20.  Juli  erliess  der  König,  um  die  kirchliche  und  weltliche 
Verfassung  der  Stadt  zu  ordnen  und  zu  befestigen  die  sogenannten 
Statuta  Sigismundi. 47)  Diese  verordneten  znnächst,  dass  die  alte  Kirche 
und  deren  Gebräuche  wieder  eingeführt  würden,  dass  diejenigen  Bürger, 
die  sich  diesen  Vorschriften  nicht  fügten,  innerhalb  14  Tagen,  die 
Mönche  und  Nonnen  aber,  die  sich  dem  alten  Ritus  nicht  unterwerfen 
wollten,  innerhalb  24  Stunden  das  Gebiet  der  Stadt  zu  verlassen  hatten. 
Ferner  wurden  die  alten  Gesänge  und  Liturgien  wieder  eingeführt,  alle 
lutherischen  Bücher  und  Schriften  verboten,  alle  den  vorigen  Auf- 
stand betreffenden  Keden,  ebenso  alle  geheimen  Zusammenkünfte  aufs 
Strengste  untersagt.  Dem  Königl.  Burggrafen  wird  die  erste  Stelle  in 
der  Stadt  und  der  Vortritt  vor  den  Bürgermeistern  eingeräumt,  die 
Uebungen  der  Bürger  im  Schiessgarten  wurden  auf  drei  Tage  um -die 
Pfingstzeit  eingeschränkt,  jedem  Bürger  wurde  erlaubt  die  Kaufmann- 
schaft zu  betreiben,  dagegen  durfte  niemand  ein  Handwerk  betreiben, 
der  nicht  nachgewiesen  hat,  dass  er  die  Meisterschaft  darin  erlangt 
hätte.  Für  das  von  der  Stadt  Danzig  früher  ohne  Berechtigung  er- 
hobene Pfahlgeld,  den  Besitz  von  Heia,  die  Zueignung  gestrandeter 
Güter  und  die  Hinterlassenschaft  solcher  Personen,  die  ohne  Erben 
gestorben  waren,  wurde  dem  Könige  eine  Summe  von  viertausend  ge- 
ringen Mark  Preussisch  zahlbar  in  zwei  Terminen  bestimmt,  dafür  fer- 
tigte der  König  ein  eigenes  Privilegium  der  Stadt  aus,  wonach  die 
Stadt  nun  mit  Fug  und  Recht  jene  Vorrechte  ausüben  konnte.  Für  die 
Beilegung  der  Unruhen  aber  musste  die  Stadt  dem  Könige  die  Accise 
von  Malz  und  Getreide  auf  zehn  Jahre  bewilligen.  — 

So  endete  der  grosse  Aufstand  des  Jahres  1525  in  der  Stadt 
Danzig.  Scheinbar  war  die  reformatorische  Lehre  mit  Gewalt  unterdrückt, 


46)  Vgl.  a.  a.  0.  S.  574. 

47)  Vgl.  Dogiel,  codex  diplom.  Poloniae  IV. 


566        ^er  £r0fi8e  Aufruhr  zu  Daneig  im  Jahre  1525  von  Dr.  Strebiteki. 

in  der  That  aber  haftete  sie  fest  in  den  Herzen  der  Bürger,  die  sie 
vertheidigt,  in  den  Herzen  der  Partricier,  die  zufrieden  waren,  auf  diese 
Weise  die  Herrschaft  des  Volkes  gestürzt  zu  haben.  Und  nach  sieben- 
undvierzig Jahren  erlangte  die  Stadt  1573  ebenfalls  von  dem  vorge- 
setzten Schutzherrn,  dem  Könige  von  Polen,  bereitwilligst  die  Genehmi- 
gung zur  Ausübung  des  Augsburgischen  Bekenntnisses,  selbst  in  den- 
jenigen Kirchen  der  Stadt,  über  welche  der  König  von  Polen  das 
Patronatsrecht  sich  vorbehalten  hatte. 


lieber  die  Verleihung  PommereUens 
an  Herzog  Przemyslaw  von  Gross-Polen  1282. 

Von 

Dr.  W.  Ketrzynski. 

Es  ist  heute  allgemein  bekannt  und  auch  durch  Documente  er- 
wiesen, dass  Herzog  Przemyslaw  von  Gross-Polen  durch  eine  Schenkung 
Herzogs  Mestwin  in  Besitz  von  Pommerellen  gelangt  ist.  Die  Schenkungs- 
lirkunde war  jedoch  bisher  völlig  unbekannt  und  daher  auch  die  Aus- 
Stellungszeit  derselben  nicht  sicher.  Die  neueren  Gelehrten,  wie  Voigt 
und  Boepell  nehmen  auf  Grund  urkundlicher  Zeugnisse,  nach  welchen 
1284  Przemyslaw  zum  ersten  mal  in  Mestwins  Documenten  als  successor 
auftritt,  das  Jahr  1284  als  das  der  Ausstellung  an;  sie  haben  sich 
aber,  wie  wir  sehen  werden,  um  zwei  volle  Jahre  geirrt. 

Auch  was  die  Form  der  Schenkung  anbetrifft,  sind  die  Zeugnisse 
an  sich  widersprechend.  Von  den  Zeugen  im  grossen  Processe  wider 
den  deutschen  Orden  (1320)  meinten  einige,  es  hätte  zwischen  beiden 
Fürsten  ein  Vertrag  bestanden,  nach  welchem  der  Ueberlebende  der 
Erbe  des  Besitzthum3  des  Anderen  sein  sollte;  andere  Zeugen  jedoch 
behaupteten,  Herzog  Mestwin  habe  durch  eine  donatio  inter  vivos 
Pommerellen  dem  Herzoge  Przemyslaw  verschrieben.  Dass  während 
des  Processes  man  sich  in  dieser  Beziehung  auf  Zeugen  berief  und  die 
Schenkungs-Urkunde  selbst  nicht  vorlegte,  darf  als  Beweis  gelten,  dass 
das  Original  im  Jahre  1320  nicht  mehr  existirte.  Dasselbe  war  wohl 
während  der  Katastrophe  des  Jahres  1296,  in  welcher  Przemyslaw  ums 
Leben  kam,  zu  Grunde  gegangen. 


568  lieber  die  Verleihung  Pommerellens  an  Herzog  Przemysläw 

Dass  diese  Schenkungs-Urkunde  von  eminenter  Bedeutung  sowohl 
für  die  polnische  als  auch  für  die  preusshche  Geschichte  ist,  wird  wohl 
Niemand  bestreiten  und  allen,  welche  sich  für  die  Geschichte  jener 
Zeit  interessiren,  wird  die  Nachricht  gewis  willkommen  sein,  dass  es 
mir  gelungen  ist,  eine  Abschrift  dieses  Documents  aufzufinden. 

Diese  Abschrift  stammt  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  und  be- 
findet sich  auf  einem  Blatte  Papier,  das  einstmals  zu  irgend  einem 
Codex  gehört  haben  muss.  Jede  Seite  des  Blattes  enthält  zwei  Co- 
lumnen  und  am  Schlüsse  des  Documents  findet  sich  noch  eine  Nach- 
schrift des  Schreibers.  Da  das  Original- 1320  sicher  nicht  mehr  existirte, 
so  haben  wir  hier  nur  eine  Abschrift  einer  Copie,  die  entweder  direct 
oder  indirect  aus  dem  Original  geflossen  ist;  es  ist  daher  nicht  zu 
verwundern,  wenn  der  Text  etwas  verderbt  ist,  besonders  da  in  der 
Mitte,  wie  es  scheint,  der  Abschreiber  eine  Linie  übersprangen  hat, 
so  dass  ein  langer  und  wichtiger  Satz  nicht  ganz  verständlich  ist 

Dies  wichtige  Blatt  fand  ich  unter  den  Papieren  des  vor  einem 
Jahre  verstorbenen  Directors  der  Ossolhiskischen  Bibliothek  in  Lemberg, 
August  v.  Bielowski,  der  als  Historiker  und  Herausgeber  der  Monumenta 
Poloniae  historica  in  weitesten  Kreisen  rühmlichst  bekannt  ist. 

Aus  dem  Texte  der  Urkunde  ergeben  sich  zwei  wichtige  Re- 
sultate :    ' 

1.  die  von  Mestwin  für  Przemysläw  ausgestellte  Urkunde  war 
eine  „  donatio  inter  vivos"; 

2.  die  Schenkung  erfolgte  schon  am  15.  Februar  1282  in  Kempen 
(Kgpno),  einem  festen,  an  der  schlesischen  Grenze  gelegenen 
Schlosse  Herzogs  Przemysläw. 

Mestwin  war  damals  also  bereits  auf  dem  Wege  nach  Milien,  wo- 
hin der  päpstliche  Legat  Philipp,  Bischof  von  Firmano,  den  Orden, 
Herzog  Mestwin  und  das  Kloster  Oliva  wegen  einer  Streitsache  über 
das  Land  und  Gebiet  von  Mewe  geladen  hatte. 

Da  ich  an  dem  Docurnente  nichts  verdächtiges  wahrgenommen  habe, 
so  beeile  ich  mich,  dasselbe  den  Freunden  der  Geschichte  mitzu- 
t  heilen. 


von  Dr.  W.  K§trzj>iiski.  569 

Xn  nomine  domini   amen.     Quum  ea,  que  aguntur  in  tempore, 
labantur1)  tempore  a  memoria  homiuum  [et]2)  euanescant,  nisi  testibus 
uel  scriptum  autentica  fuerint  perhennata :  Vt  super  ducatum  Pomoranie 
omnis  quo  et  quouis  [modo]3)  materia   euitetur    et   scandalum,    quod 
inter   plures   post   nostrum    decessum  in   posterum    valeat   subhorriri, 
nobis  viuentibus  disponere  voluimus,  quod  per  nos  posset,  morle  super- 
ueuientc,  variis  et  diuersis  casibus  pretermitti  et  ideo,  preliberacione 
prouida  prehabita,  ad  presentem  donacionom  inter  viuos  faciendam 
venimus  et  de  tranquillo  statu  atque  pacifico  dicti  ducatus  intendimus 
ex  infrascripta  donacione  singulariter  singulis  et  vniuersaliter  vniuersis 
bominibus  predicti  ducatus  veraciter  pronidere;  idcirco  nos  Ssciwy  [sie]*) 
diuina  prouideneia  dux  Pomoranie  notum  faeimus  tarn  presentibus  quam 
futuris  presentem  paginam  inspecturis,  quod  nos  non  vi  uel  metu  coacti, 
sed  proprio  motu  et  spontaneo   pro  nobis  nostrisque  successoribus  et 
hcredibus  tytulo  vere  et  pure  donacionis  inter  viuos  damus,  tradi- 
mus  et  concedimus  dileclo  filiolo*)  nostro,  inclito  prineipi  Premisloni 
dei  gracia  duci  Polonie  totam  terram  nostri  ducatus  scilicet  Pomoranie 
cum  omnibus  ciuitatibus,  castris,  villis,  vasallis,  ecclesiis,  patronatibus, 
dominus,  terris,  possessionibus  cultis  et  incultis,  nemoribus,  aquarum 
decursibus  cum  accessibus  et  egressibus  suis,  censibus  suis,  fewdis,  per- 
tineneiis  et  seruitutibus  vniuersis,  item  et  iurisdiciones  omnesque  ac- 
ciones  reales  et  personales,   duras,   vtiles   siue   mixtas,    que  et  quas 
habemus  uel  habere  possemus  in  ducatu  et  ciuitatibus  et  aliis  supra- 
dictis  ex  quaeunque  occasione  seu  causa  competencia  et  competitura, 
ad  liabendum,  tenendum  et  possidendum  et  quidquid  sibi  et  suis  here- 
dibus  deineeps  placuerit,  perpetuo  faciendum,  et  constituimus  dictum 
ducatum  cum  omnibus   aliis    supradictis  ipsius  .P.  nomine  possidere, 
donec  corporalem  aeeeperit  possessionem,  quam  aeeipiendi  sibi  omni- 
modam  concedimus  licenciam  atque  damus,  vt  autoritate  propria  intrare 


f)  Im  Texte  steht  »labcntur*;  gewöhnlich  sagt  man  jedoch  »elabantur  cum 
tempore.  2)  fehlt  im  Texte.  3)  Ursprünglich  stand  »modo*,  doch  hat  es  der 
Schreiber  in  »materia*  umgeändert.  5)  Der  polnische  Namen  Mestwin's  ist  Msciwoj; 
dem  Schreiber,  der  das  wenig  hörbare  ,M*  ausliess,  schwebte  vor  den  Augen  daß 
Wort  »msciwy*  (rachsüchtig),  dessen  Stamm  allerdings  auch  in  »Msciwoj*  enthalten 
ist.    a)  Ueber  die  Verwandtschaft  der  beiden  Fürsten  siehe  Script,  r.  Pruss.  I,  796. 

Altpr.  Monatasohrift  Bd.  XIV.  Hft.  7  a.  8.  37 


570  Ueber  die  Verleihung  Pommerellena  an  Hersog  Prsemyslaw 

possit  de  nostra  licencia  et  concessione,  vt  amodo  prefatus  .P.  dux 
Polonie  possit  de  dicto  ducatu  et  omnibus  supradictis  agere,  experiry, 
excipere  et  replicare  et  ipsum  ducatuin  et  iura  ipsius  teuere  et  possi- 
dere  et  omnia  et  singula  facere,  que  nos  met  ipse  faceremus  et  exercere 
possemus  nunc  et  in  futurum,  ponentes  eum  in  ius  et  locum  nostrum 
et  eum  in  rem  suam  procuratorem  constituimus  et  promittimus  ei  oc- 
casione  dicte  donacionis  facte  nee  alia  qualibet  causa  litem  aliquam 
uel  controuersiam  non  facere  uel  inferre  nee  inferenti  conssentire  et 
dictum  ducatum  uel  partem  ipsius  non  dabimus  alicui  nee  faciemus 
huic  donacioni  coutrarium  uel  dampnosum,  etsi  dieta  donacio  modum 
excederet,  donamus  et  tot  volumus  esse  donaciones,  quot  sunt  summe, 
seeundum  quas  donari  potest.    Quam  quidem  donacionem  et  omnia  et 
singula  supradieta  promittimus  nos  dictus  Sciwy  [sie]  pro  nobis  nostris- 
que  heredibus  et  successoribus  dicto  .P.  duci  Polonie  pro  se  suisque 
heredibus  et  successoribus  stipulanti  attendere,  obseruare  et  adimplere 
et  contra  ipsam  donacionem  non  facere  uel  uenire  ipsamque  non  re- 
uocare  pretextu  ingraütudinis  uel  quia  legitdmum  modum  excedat  uel 
qualibet  alia  causa  et  contra  predietam   uel   aliqua  predictorum  non 
facere  uel  venire  vllomodo,  et  tactis  sacrosanetis  ewangeliis  prestamus 
super  hoc  corporale  sacramentum,  renunciantes  excepeioni  dicte  dona- 
cionis non  facte  et  omni  legum  et  iuris  auxilio  canonici  et  ciuilis,  con- 
suetudini  fori,  privilegio,  condicioni  indebite  et  sine  causa  appellacionis 
remedio  cuiuslibet,  tempori  seriato,  legi  dicenti  generalem  renunciacionem 
non  valere,  eunetis  legibus  editis  uel  edendis  et  constitucioni  de  dueibus 
dictis  edite  in  concilio  generali,  conuencioni  locorum  et  iudicum . . . . 6) 
si  quas  nomine  ipsius  .P.  literas  apostolicas  contigerit  impetrari  et  Om- 
nibus aliis  excepeionibus  et  defensionibus,  que  contra  predietam  dona- 
cionem obicy  possent  uel  oponi,   et  insuper  de  predictis  omnibus  et 
qualibus  predictorum  promittimus  nos  .M.  dux  Pomoranie  eidem  .P. 
duci  Polonie  facere  confessionem,  in  quaeunque  curia  sibi  placuerit,  ad 
sensum  ipsius  sapientis. 


6)  In  der  uns  vorliegenden  Abschrift  ist  der  Text  nicht  unterbrochen;  doch 
scheint  hier  etwas  ausgelassen  zu  sein. 


von  Dr.  W.  Kejryyriaki.  57  J 

Testes  ad  hoc  rogati  et  vocati  Wasyl  Pomoranie,7)  Benyamim 
Poznanie  et  Arkemboldus 8)  Gneznensis  palatini,  Nicolaus  Poznaniensis, 
Andreas  Kalisiensis  iudices,  frater  Petrus  ordinis  predicatorum  et  alii 
inulti  reguläres  et  seculares  clerici  et  layci.  Vt  autem  hec  dicta  do- 
nacio  robur  obtineat  firmitatis,  presentem  literam  nostri  sigilli  muni- 
mine  fecimus  comuniri.  Actum  et  datum  in  Campno9)  anno  domini 
M°  ducentesimo  octuagesimo  secundo  in  crastino  Valentini  martyris. ,0) 

Dem  Documente  fugte  der  Abschreiber  noch  folgendes  hinzu: 

Hec  sunt  cause,  quarnm  [.nc]  clux  Pomoranie  donat  ducatum  suum 
duci  Polonie,  qui[a]n)  progenitores  ducis  Polonie  semper  fuerint  fau- 
tores,  defensatores  et  protectores  ducatus  Pomoranie;  item  quia  dux 
Premislyus  ipsum  tarn  in  defendendo  quam  in  tuendo  ducatum  pre- 
dictum  se  opposuit  viriliter  hostibus  pro  eodem  ducatu  et  ipsum  ducem 
Pomoranie  habet  pro  patre  et  reueretur  tamquam  patrem  et  omnia 
seruicia  sibi  et  suo  ducatui  nsque  ad  sui  et  suorum  effusionem  sangwinis 
exhibendo  etc. 

Eine  spätere  Hand  fügte  darauf  noch  folgende  ^Worte  hinzu: 

in  landem,  in  laudem;  Manus  scribentis  hoc  pium  scriptum  sit  bene- 
dicta  in  secula  seculorum.    Amen. 


7)  In  pommerellischen  Doonmenten  wird  Wasyl  gewöhnlich  palatinus  Getanen sis 
genannt;  es  liegt  hier  möglicherweise  eine  Lizenz  des  Abschreibers  vor,  da  in  der 
zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  Pommerellen  und  Danzig  vielfach  als 
gleichbedeutend  genommen  wurden;  so  heissen  z.  B.  die  Wojewoden  und  Castellane 
von  Danzig,  auch  Wojewoden  und  Castellane  von  Pommerellen.  8)  im  Texte  Arlcem- 
boduldns*.  °)  Heute  Kempen  im  Schildberger  Kreise,  nicht  weit  von  der  schlesischen 
Grenze.     ,0)  15.  Februar.     !l)  im  Texte  ,quic. 


S7* 


Friedlich  der  Grosse,  ein  Mehrer  des  Reichs  im  Osten. 

Bede  am  Geburtstage  des  Kaisers  und  Königs  1872  gehalten 

von 

Bernhard  Suphan. 

Eine  einzige  grosse  Festgenossenschaft  bildet  heute  das  deutsche 
Volk.  Von  der  Hütte  im  Hochgebirge  bis-  zur  Hütte  am  Meeresstrande 
ein  Zug  der  Herzen,  vom  Bodensee  bis  zum  Belt,  ein  brausender 
Jubelruf,  ein  stiller  Segenswunsch:  Gott  erhalte  den  Kaiser!  —  Und 
uns,  die  wir  diesem  allgemeinen  Segensspruche  unsern  eigenen  alt- 
gewohnten anschliessen:  Heil  unserm  Könige !  —  uns  schwillt  das  Herz 
vor  Freude,  uns  ergreift  ein  stolzes  Entzücken,  wenn  wir  auf  diese  all- 
weite Genossenschaft  hinblicken,  wenn  wir  unsere  deutschen  Brüder  in 
Verehrung  und  Liebe  für  dasselbe  hehre  und  teure  Haupt  mit  uns 
vereinigt  sehen. 

Wie  es  gekommen  ist,  dass  unser  Königliche  Herr  des*  deutschen 
Volkes  Kaiser  geworden,  in  welchem  Kampfe  er  das  lichte  Kleinod 
errungen  hat,  das  nun  über  unserm  Lande  strahlt  —  das  ist  auch  dem 
Jüngsten  unter  uns  mit  unvergänglichen  Zügen  ins  Gedächtniss  ge- 
graben. Denn  auch  der  Jüngste,  der  sie  mit  erlebt  hat,  diese  grosse 
Zeit,  der  die  Wacht  am  Bhein  von  begeistertem  Munde  gehört  und  mit 
begeistertem  Munde  eingestimmt  hat,  er  hat  seiner  Seele  ein  Bild 
eingeprägt,  das  an  jedem  Gedenktage  mit  unvergänglicher  Frische  auf- 
lebt Es  bedarf  der  Worte  nicht,  dies  Bild  heraufzurufen.  Auch 
dünkt  mich,  vermöchten  dies  Worte  nicht.  Denn  die  Bede,  die  es  um- 
fassen und  darstellen  wollte,  was  in  den  Jahren  1870  und  1871  zwischen 
den  beiden  Geburtstagen  unsers  Königs  inne  liegt,  die  müsste  wahrlich 
jenem  Biesenkinde  aus  Elsass  gleichen,  das,  wie  die  Sage  meldet,  von 


Friedrich  d.  Gr.,  ein  Mefarer  des  Reichs  im  Osten  von  B.  Snpbao.        573 

Berg  zu  Thal  niedersteigend  Boss  und  Mann  und  Männerwerk  im  Spiele 
aufraffen  und  hurtigen  Laufs  davontragen  konnte. 

So  sei  es  denn  der  Phantasie,  dem  Biesenkinde,  überlassen  jenem 
Siegesläufe  souder  gleichen  nachzueilen,  in  dem  die  köstlichste  Beute 
erjagt  worden  ist.  Sei  es  ihr  überlassen  den  herrlichen  himmelan- 
strebenden Bau  auszumessen,  unter  dem  wir  mit  stolzer  Freude  als  ein 
mächtiges,  glückliches  Volk  uns  zusammenfinden.  Aber  die  Grund- 
mauern dieses  Baues  zu  prüfen  und  zu  sehen,  wie  tief  sie  iip  Erdreich 
wurzeln,  das  gibt  unserer  Freude  Halt  und  Zuversicht. 

Nicht  schöner  wussten  die  Griechen  den  Helden  zu  erheben,  der  den 
höchsten  Ehrenpreis  errungen  hatte,  als  wenn  sie  seine  Grosstaten 
ableiteten  von  der  Tüchtigkeit  und  den  Werken  der  Vorfahren.  Unseres 
Königs  schlichtes  Heldentum,  die  hohe  Bescheidenheit  seines  Wesens 
und  seiner  Bede,  sie  weisen  unsere  Festbetrachtung  auf  denselben  Weg. 

„Nun  ist  die  Kette  wieder  voll4*,  so  begann  die  Inschrift  am 
Postament  der  Germania,  die  in  den  Tagen  des  Einzugs  unseres  sieg- 
reichen. Heeres  vor  dem  Hauptportal  des  Schlosses  thronte.  Ihr  zur  Seite 
standen  die  beiden  wiedergewonnenen  Kinder,  Elsass  und  Lothringen; 
durch  unsern  König  sind  sie  dem  Vaterlande  wieder  zugeführt.  Unten 
aber  am  Fusse  des  Postaments  lagerten  die  Gottheiten  der  deutschen 
Ströme  um  den  Vater  Rhein.  Er  und  sie  alle  zeugen  mit  beredtem 
Munde  von  dem  Wirken  der  Fürsten  aus  dem  Hohenzollerngeschlechte 
zu  Deutschlands  Ehre  und  Deutschlands  Heil;  dass  sie  deutsch  ge- 
blieben, dass  sie  wieder  deutsch  geworden,  wem  anders  als  ihnen  ist 
es  zu  danken?  Da  erschien  auch  auf  ihr  Buder  gelehnt  unter  den 
Stromgottheiten  das  Bild  der  Weichsel.  Dass  der  östliche  Strom  aus 
den  Händen  der  Fremden  befreit,  Deutschland  zurückgegeben  ist,  das 
ist  das  Werk  des  grossen  Königs,  dessen  Bild  als  ein  Wahrzeichen 
ächter  Hohenzollernart  unseren  Königen  vor  Augen  steht. 

Die  Geschichte  des  Weichsellandes  Westpreussen  —  wie  es  deutsch 
geworden,  wie  es  verloren  gegangen,  und  wie  es  vor  nun  hundert  Jahren 
für  Deutschland  wiedergewonnen  worden,  diese  soll  uns  als  ein  Vor- 
spiel, als  ein  Gegenbild  der  jüngsten  Buhmestat,  die  dem  deutschen 
Beiche  den  Vollbestand  seines  Gebietes  und  unserm  Könige  die  Herr- 


574  Friedrich  der  Grosse,  ein  Mehrer  des  Reichs  im  Osten 

schaft  über  das  deutsche  Reich  zugebracht  hat,  in  dieser  Stunde  be- 
schäftigen. Friedrich  der  Grosse  als  „ Mehrer  des  Reichs*  im  Osten  — 
ein  Bahribrecher  zu  dem  Kaisertum  der  Hohenzollern. 

Unbezweifelbare,  unveräusserliche  Rechte  hat  die  deutsche  Nation 
auf  das  Land  an  der  Ostsee  diesseit  und  jenseit  der  Weichsel. 

Der  deutsche  Orden,  der  jüngste  von  den  drei  morgenländischen 
Ritterorden,  durch  Schenkung  des  Kaisers  und  Papstes  zum  Herrn  des 
Landes  an  der  Ostsee  jenseit  der  Weichsel  bestellt,  hat  sich  in  mehr 
als  fünfzigjährigem  Kampfe  gegen  die  heidnischen  Bewohner  die  Herr- 
schaft an  dieser  Stätte  errungen.  Aber  nicht  die  Macht  des  Schwertes 
war  es,  welche  schliesslich  die  unbedingte  Unterwerfung  der  alten  Be- 
völkerung herbeiführte.  Wol  ist  im  Feuer  erbitterten  Vernichtungs- 
kampfes, auflodernder  Empörungsglut  die  alte  Volksmasse  gewaltsam 
umgeschmolzen  und  in  die  deutsche  Form  gezwungen;  aber  völlig  zu- 
sammengeschmolzen sind  die  beiden  feindlichen  Volkselemeute  erst  in 
dem  gemeinsamen  Kampfe  gegen  die  Macht  gemeinsamer  Feinder  gegen 
die  Meeresflut  und  den  tückischen  Strom.  Diesem  das  fette  Ackerland 
abzukämpfen,  den  Wald  zu  lichten,  prangende  Städte  und  reiche  Dörfer 
der  Wildniss  abzugewinnen,  das  lernte  der  mit  arbeitseligem  offenem 
Sinne  begabte  Preusse  dem  Deutschen  ab;  in  dieser  Schule  gab  er  mit 
dem  Heidentume  zugleich  seine  Nationalität  auf,  entwönte  er  sich /zu- 
letzt seiner  alten  Sprache.  Nicht  die  hohe  Tapferkeit  der  Ordensritter 
vollendete  den  Sieg  des  deutschen  Wesens,  sondern  der  ausharrende, 
tatkräftige  Geit  der  Städter  und  Bauern,  die  der  Orden  ins  Land  rief. 

„In  Gottes  Namen  fahren  wir**,  mit  dem  Gesänge  kamen  sie  aus 
den  Städten  und  Landen  Norddeutschlands,  ein  rüstiges,  tatenfrohes 
Geschlecht:  Bauern  aus  den  gesegnetsten  Gauen  am  Unterlaufe  der 
deutschen  Ströme,  Bürger  aus  den  blühendsten,  handelsmächtigsten 
Städten.  Ihre  Betriebsamkeit  fiel  auf  ergiebigen  Boden.  Um  die  Burgen 
des  Ordens,  an  den  Flüssen  erhoben  sich  die  neuen  Städte,  deren  Wol- 
stand  durch  den  Anschluss  an  die  deutsche  Hansa  mächtig  wuchs. 
Diese  Städte  förderten  am  treuesten  das  Wachstum  des  deutschen 
Lebens:  sie  verliehen  das  Burgerrecht,  das  Recht  in  Zünfte  und  Ge- 
werke  einzutreten  nur  dem,  der  der  deutschen  Sprache  mächtig  war. 


r 


von  B.  Suphan.  575 

Der  Ordensstaat  stand  in  seiner  höchsten  Blüte,  als  er,  seine  bis- 
herige Westgrenze  überschreitend,  das  Land  Pommerellen,  den  Haupt- 
teil von  Westpreussen,  an  sich  zog.  Das  Gebiet,  das  er  achtzig  Jahre 
nach  seiner  Niederlassung  in  Preussen  zwischen  Weichsel,  Leba  und 
Netze  erstritt,  war  von  slawischem  Volke  bewohnt;  nur  vereinzelt  sassen 
Deutsche  in  dem  alten  Handelsorte  Danzig.  Nach  dem  Friedensschlüsse, 
der  dem  Orden  endgiltig  das  Besitzrecht  verlieh,  hat  das  jüngstge- 
wonnene Gebiet  kaum  fünfviertel  Jahrhunderte  den  Deutschen  gehört; 
aber  die  Hälfte  dieser  Zeit  hat  dazu  ausgereicht,  dass  die  deutsche 
Cultur  auch  hier  gründlich  Wurzel  fasste. 

Ein  neues,  schöpferisches  Zeitalter  hob  mit  der  Herrschaft  des 
Ordens  für  das  in  öder  Buhe  verkommene  Land  an.  Gerade  damals 
hatte  der  Hochmeister  seinen  Sitz  nach  Preussen  verlegt,  und  edle, 
hochstrebende  Männer  nahmen  nach  einander  den  Meisterstuhl  ein. 
Unter  ihren  Begententugenden  glänzte  nicht  zum  mindesten  die,  welche 
der  Dichtermund  an  dem  herrlichsten,  Winrich  von  Kniprode,  preist 
sie  waren  Freunde  der  Städte  und  der  Bauernschaft.  Unter  ihrer  milden 
Herrschaft  gedieh  das  neuerworbene  Land  zu  höchstem  Wolstande: 
Danzig  wurde  die  mächtigste  unter  den  östlichen  Hansestädten.  Unter 
Winrichs  Herrschaft  wurde  die  Marienburg  vollendet.  Unfern  dem 
Lande  des  linken  Weichselufers  thronte  sie  am  Strandender  Nogat  weit- 
hin sichtbar  mit  ihren  hohen  Zinnen,  in  ihrer  schlichten  Majestät,  in 
der  Kühnheit  ihres  Innenbaues  ein  sichtbares  Bild  des  erhabenen,  kühnen 
und  reinen  Sinnes,  der  das  Werk  der  Bekehrung  und  Germaüisierung 
vollbracht  hatte. 

Was  waren  es  aber  für  Gaben  der  Cultur,  die  unter  dem  Schutze 
des  schwarzen  Kreuzes  iu  dem  Ordenslande  gediehen?  Das  Heidentum 
haben  die  deutschen  Herren  aus  dem  Lande  getrieben,  dem  Christentum 
und  damit  der  milderen  menschenfreundlichen  Sitte  den  Weg  gebahnt; 
aber  sie  haben  auch  dafür  gesorgt,  dass  in  ihrem  Lande  die  Macht 
des  Clerus  nicht  in  der  Weise  steigen  konnte,  wie  anderwärts  in  deut- 
schen Landen.  Hier  verfing  nicht  der  Bannstral  des  Papstes,  hier  gab 
es  weniger  Klöster,  hier  wurden  weniger  Heilige  verehrt,  als  sonst  in 
Deutschland.     Ein   freierer,   milderer   Geist,   abhold   der  päpstlichen 


576  Friedrich  der  Grosse,  ein  Mehrer  des  Reichs  im  Osten 

Tyrannei,  frischer  —  wie  die  Luft  im  Norden  —  herrschte  iiu  Ordens- 
lande. Und  noch  lange  nach  dem  Verfall  der  Ordensherrschaft  hat 
diese  dem  Aufschwung  der  Geister  günstige  Strömung  sich  erhalten. 
Hier  haben,  frei  von  geheiligtem  Aberglauben,  Copernicus  und  Hevelius 
zu  den  Sternen  aufgeschaut;  hier  hat,  als  ein  neuer  Morgen  für  das 
Christentum  in  Deutschland  tagte,  der  neue  Glaube  seinen  Einzug  ge- 
halten mit  so  siegreicher  Schnelligkeit,  dass  Luther  frohlockte:  ,Nach 
Prcussen  eilt  das  Evangelium  mit  vollem  Lauf  und  ausgespannten  Segeln!* 

Förderer  der  Kunst  und  Wissenschaft  war  der  Orden.  Zahlreich 
waren  die  Bibliotheken  im  Lande;  nirgends  gab  es,  so  rühmt  ein  allerer 
Geschichtsschreiber,  so  viele  weise,  verständige,  gelehrte,  rechtserfahrene 
Leute,  als  in  Preussen,  derohalben  viel  Herren,  Ritter  uud  Knechte  den 
Orden  zu  sehen  begehrten  und  mit  Macht  nach  Preussen  kamen.  Der- 
selbe edle  Hochmeister  Winrich,  der  eine  Reehtsschulc  zu  Marienburg 
gründete,  verordnete  auch,  dass  jedes  Dorf  von  sechszig  Familien  seine 
eigene  Schule  besitzen  sollte. 

Kein  Land  im  deutschen  Reiche  war  vorzüglicher  verwaltet,  als 
das  des  Ordens.  Die  Einrichtungen,  die  die  Hochmeister  zur  Blute 
und  zur  Sicherheit  des  ganzen  Landes  trafen»  hoben  zugleich  die  per- 
sönliche Tüchtigkeit  des  Einzelnen,  erzogen  die  Einwohner  zu  tüchtigen 
Kriegern,  Bürgern,  Landbauern.  Im  Ordenslande  bestand  die  allgemeine 
Wehrpflicht,  als  sie  in  Deutschland  langst  durch  den  Ritterdienst  des 
Adels  verdrängt  war.  Ein  gemeinsames,  nationales  Recht  herrschte  im 
Lande  zu  einer  Zeit,  wo  in  Deutschland  die  Sonden-echte  in  Blüte 
standen  und  Verwirrung  anstifteten. 

Aber  eine  harte  Dauerprobe  hat  die  deutsche  Cultur  in  Preussen 
auszustehen  gehabt.  So  mächtig  waren  die  Stände  des  Landes  unter 
der  Ordensherrschaft  geworden,  dass  sie  dieser  Herrschaft  eutwachsen 
zu  sein  glaubten.  Das  unseligste  Mittel  wählten  sie,  um  die  alte 
Landesherrschaft  zu  verdrängen  —  den  Anschluss  an  den  Fremden, 
den  Landesfeind.  Ein  wüster  Krieg  brach  aus,  der  die  Blüte  des  Landes 
verzehrte.  Und  auch  der  Friede,  zu  dem  endlich  der  Orden  gezwungen 
war,  brachte  den  Abtrünnigen  keinen  Segen.  Die  Osthälfte  des  Landes 
mit  der  Hauptstadt  Königsberg  verblieb   dem  Orden.     Die  Westhälfte 


von  B.  Suphan.  577 

fiel  an  Polen :  nicht  blos  die  Landschaft  an  dem  linken  Ufer  der  Nogat 
und  Weichsel.  Das  Kulmerland,  von  wo  des  Ordens  Herrschaft  aus- 
gegangen war,  die  Eesidenz  und  Hauptfeste  Marienburg,  Elbing,  endlich 
das  ganze  Ermland  wurde  vom  Ordenslande  losgerissen.  Die  reichsten 
Landschaften,  die  stärksten  Festungen,  der  wichtigste  Stromlauf,  die 
besten  Häfen  waren  dem  Feinde  verfallen.  Jene  Osthälfte,  das  spätere 
Herzogthnm  Preussen,  wie  eine  Insel  von  polnischem  Gebiete  um- 
schlossen und  als  Lehen  von  der  Krone  Polen  abhängig,  hat  ihren 
deutschen  Character  leichter  zu  wahren  vermocht.  Als  bei  dem  Aus- 
sterben des  Herzogshauses  die  Hohenzollerischen  Kurfürsten  Herzöge 
des  Landes  wurden,  war  die  Gefahr  polnisch  zu  werden*  beseitigt.  Für 
alle  Zeit,  als  der  grosse  Kurfürst  Preussen  aus  dem  Lehnsverhältniss 
löste  und  zu  einem  souveräneu  Herzogthume  machte. 

Schwerer  ist  es  den  Westpreussen  geworden  ihre  deutsche  Natio- 
nalität gegen  das  übermächtige  Slawentum  zu  erhalten.  Politische 
Selbständigkeit,  Glaube  und  Sprache,  diese  drei  teuersten  Güter  hatten 
sie  in  ungleichem  Kampfe  zu  verfechten.  Ihre  Selbständigkeit,  die  sie 
in  arger  Verblendung  selbst  verraten  hatten,  konnte  ihnen  auch  der 
zäheste  Widerstand  nicht  retten.  Glauben  und  Sprache  haben  sie  unter 
harter  Bedrückung  sich  erhalten. 

Hundert  Jahre  nach  dem  Friedensschlüsse,  der  Preussen  mit  Polen 
vereinigte,  wurde  den  Preussen  ihre  politische  Selbständigkeit  genommen. 
Mit  den  polnischen  Magnaten  sollten  hinfort  die  Abgeordneten  des 
Preussenlandes  auf  den  gemeinsamen  polnischen  Eeichstagen  erscheinen. 
Zwanzig  Jahre  später  verstummte  die  deutsche  Sprache  in  den  Pro- 
vinziallandtagen,  und  das  Polnische  wurde  als  Amtssprache  eingeführt. 
Die  deutschen  Ortsnamen  wurden  slawisiert,  deutsche  Adelsgeschlechter 
wurden  vermocht,  polnische  Namen  anzunehmen.  Aber  erfolgreich 
wehrten  sich  die  Städte  gegen  Unterdrückung  des  deutschen  Wesens 
und  der  deutschen  Sprache.  Besonders  wacker  zeigten  sich  die  Bürger 
in  Thorn,  am  gefährdetsten  Orte.  Und  überall,  wo  der  Bing  der  Stadt- 
mauer das  deutsche  Leben  schützend  einschloss,  erhielt  es  sich  iraver- 
fälscht;  ohne  Ausnahme  in  den  Städten  des  Weichseltales,  wo  nur 
deutscher  Fleiss  und  deutsche  Kraft  im  Stande  war,  Grund  und  Boden 


578  Friedrich  der  Grosse,  ein  Mehrer  de«  Reiche  im  Osten 

gegen  den  Strom  zu  schützen.  Weniger  glücklich  konnte  sich  das 
Deutsche  im  offenen  Lande  behaupten,  am  wenigsten  da,  wo  noch  von 
Alters  her  und  wenig  berührt  von  der  ersten  Colonisation  das  Slawische 
sich  erhalten  hatte.  Wo  noch  heute  in  Westpreussen  die  polnische 
Sprache  geredet  wird,  dahin  ist  auch  unter  der  Ordensherrschaft  das 
Deutsche  nicht  vorgedrungen. 

Der  evangelische  Glaube  hatte  sich  in  Polnisch-Preussen  zu  gleicher 
Zeit  als  im  Herzogtum?,  verbreitet.  Die  Städte  und  die  meisten  Land- 
gemeinden wurden  evangelisch;  nur  Ermland  ist  ganz  katholisch  ge- 
blieben. Auch  in  Polen  fand  Anfangs  der  evangelische  Glaube  viele 
Anhänger.  Als  aber  hier  mit  Einführung  des  Jesuiten-Ordens  die 
Gegenreformation  mächtige  Fortschritte  machte,  und  besonders  der  Adel 
sich  dem  Eatholicismus  wieder  zuwandte,  war  der  evangelische  Glaube 
den  ärgsten  Verfolgungen  ausgesetzt.  Blutgierige  Banden  durchstreiften 
das  Land,  mordeten,  mishandelten  Geistliche  und  Sehullehrer,  brannten 
die  evangelischen  Kirchen  nieder.  Neue  Kirchen  zu  bauen  war  den 
Protestanten  untersagt.  „Veia  Lutheranum,  dabit  tlialerum",  das  war 
der  Grundsatz  der  katholischen  Edelleute.  Am  unerträglichsten  wurde 
er  geübt  im  letzten  Jahrhundert  der  polnischen  Herrschaft 

Der  rechtlose  Zustand,  die  Gräuel  der  Anarchie,  die  in  Polen 
herrschten,  verpflanzten  sich  nach  Preussen;  der  Bauernstand  verkam 
in  der  Leibeigenschaft,  für  ihn  gab  es  kein  anderes  Recht,  als  die 
Peitsche  des  polnischen  Starosten.  Wie  konnte  dabei  die  Blüte  des 
Ackerbaues  fortdauern,  die  in  der  Ordenszeit  den  Wohlstand  des  Landes 
geschaffen  hatte?  Was  der  wetterfeste,  im  Kriegsdienst  zum  Bewusst- 
sein  seines  persönlichen  Wertes  gelangte  Bauernstand  des  Ordens  ver- 
mocht hatte,  das  konnte  und  wollte  der  in  Knechtschaft  verkommene 
polnisch  -preussische  Bauernstand  nicht  leisten.  Die  Landstädte  ver- 
ödeten, aber  auch  grössere  und  befestigte  Orte,  in  denen  zur  Ordens- 
zeit eine  wolhabende  Bürgerschaft  gesessen  hatte,  verfielen.  So  gab 
es  in  Culm  Strassen,  von  deren  Häusern  nur  die  Keller  als  Wohnräume 
übriggeblieben  waren;  die  meisten  Häuser  an  dem  grossen  Marktplatze 
standen  herrenlos,  ohne  Türen  und  Fenster,  ohne  Dach  und  Fach. 

Nach  den  dreihundert  Jahren  polnischer  Herrschaft  drohte  das  Land 


von  B.  Suphan.  579 

wieder  in  den  Zustand  zu  versinken,  aus  dem  es  durch  die  Kraft  und 

• 

Tüchtigkeit  des  deutschen  Stammes  gezogen  war.  Hohe  Zeit  war  es, 
dass  der  rechtmässige  Besitzer  wieder  in  sein  Erbteil  gelangte.  Der 
rechtmässige  Besitzer  —  denn  was  erteilt  einer  Nation  das  Recht  ein 
Stück  Erde  als  ihr  Eigentum  anzusprechen?  Nicht  die  Dauer  der  Zeit, 
die  die  Vorfahren  darin  gehaust  haben,  sondern  die  Tiefe  der  Furche, 
welche  ihre  Culturarbeit  dem  Boden  eingedrückt  hat.  Westpreussen 
ist  deutsch;  denn  es  verdankt  den  Deutschen  seine  Cultur!  Die  Polen 
haben  es  weder  vermocht,  dem  Lande  eine  Cultur  zu  geben,  noch  die- 
jenige zu  erhalten,  zu  der  es  unter  deutscher  Herrschaft  gediehen  war. 
An  ihnen  selbst  musste  sich  das  Wort  erfüllen,  das  der  polnische  König 
auszusprechen  gewagt  hatte,  indem  er  Besitz  nahm  von  dem  geraubten 
Lande:  „Die  Preussen  wären  zu  ihrem  Abfalle  nach  menschlichem  und 
göttlichem  Eechte  befugt  gewesen,  da  Niemand  einer  ungerechten  und 
Böses  verübenden  Obrigkeit  Gehorsam  schuldig  sei." 

Friedrich  der  Grosse  hat  Westpreussen  mit  seinem  Staate  ver- 
einigt —  er  hat  es  damit  für  Deutschland  zurückgewonnen.  Friedrich 
hat  Westpreussen  zu  einem  würdigen  Gliede  seines  Staates  zu  er- 
heben vermocht,  —  er  hat  es  getan,  indem  er  der  deutschen  Cultur 
darin  wieder  eine  Stätte  bereitet  hat. 

Schon  als  Jüngling  hat  er  in  einem  Aufsatze,  den  er  während 
seiner  Haft  zu  Cüstrin  verfasst  hat,  sich  über  die  Notwendigkeit  der 
Zurücknahme  Westpreussens  geäussert.  Er  wiederholt  den  Gedanken 
mit  derselben  Bestimmtheit  in  seinem  sogenannten  politischen  Testamente 
vom  Jahre  1752.  „Eine  uneigennützige  Macht  mitten  zwischen  ehr- 
geizigen müsse  untergehen**  fügt  er  hinzu,  und  mit  dieser  politischen 
Sentenz  hat  er  selbst  die  Rechtfertigung  des  Verfahrens  gegeben,  das 
zur  Wiedererwerbung  der  Provinz  geführt  hat. 

Am  5.  August  1772  wurde  zu  Petersburg  zwischen  Russland, 
Oesterreich  und  Preussen  der  Vertrag  über  Besitzergreifung  bisheriger 
polnischer  Gebiete  abgeschlossen.  Durch  diesen  Vertrag  erhielt  Friedrich 
Polnisch -Preussen  mit  Ausschluss  von  Thorn  und  Danzig,  dazu  den 
Netze-District.  Ohne  Widerstand  nahm  der  König  vom  Lande  Besitz. 
Am  27.  September,  —  demselben  Tage,  au  dem  Strassburg  wieder 


580  Friedrich  der  Grosse,  ein  Mehrer  do*  Reichs  im  Osten 

unser  ward  —  traten  die  Stände  der  Provinz  in  der  Marienburg  zu- 
sammen und  leisteten  in  dem  grossen  Ordensremter,  dem  Hauptsaale 
der  Burg,  den  Huldigungs-Eid.  „Regno  redintegrato  praestata  fides* 
—  der  wiederhergestellten  Herrschaft  ist  der  Treuschwur  geleistet  — 
lautet  die  Umschrift  der  Denkmünze,  die  Friedruh  auf  den  Tag  hat 
prägen  Jassen. 

Die  Wiederherstellung  der  alten  deutschen  Herrschaft, 
sie  bedeutete  für  das  Land  die  Wiederherstellung  seines  alten  Wol- 
standes,  seiner  alten  Cultur. 

Mit  unermüdlicher  Fürsorge  hat  Friedrich  die  Culturarbeit  zur 
Hebung  des  armen  verkommenen  Landes  eingeleitet  schon  Jahr  und 
Tag  vor  der  Besitznahme,  in  Angriff  genommen  an  dem  Tage,  wo 
er  seine  Herrschaft  proclamieren  liess,  gefördert  die  vierzehn  Jahre 
hindurch,  die  ihm  zum  Wole  seiner  Länder  noch  vergönnt  waren. 
Glaube  Niemand,  dass  der  grosse  König  sein  Culturwerk  nur  als  ein 
Geschäft  getrieben  hat,  das  seinem  Unternehmer  die  Auslagen  reich- 
lich wieder  einbringen  würde.  Die  Ehrenpflicht  eines  deutschen 
Regenten  hat  er  darin  geleistet.  „Es  war  billig,  dass  ein  Land,  das 
den  Copernicus  hervorgebracht  hat,  nicht  länger  in  jeder  Art  von  Bar- 
barei schmachtete,  in  welche  mächtige  Tyrannen  es  gestürzt  hatten"  — 
mit  diesem  Gedanken  begab  er  sich  ans  Werk.  „Man  hat  mir  einen 
Zipfel  Anarchie  gegeben,  den  ich  in  Ordnung  bringen  muss*  —  so 
kennzeichnet  er  die  Grösse  der  Aufgabe,  der  er  sich  unterzog. 

Er  selbst,  mit  der  ganzen  Macht,  mit  dem  ganzen  Feuer  seiner 
Persönlichkeit.  Ein  Wort  über  die  alles  umfassende,  alles  durchdringende 
Tätigkeit  Friedrichs,  aufgezeichnet  von  einem  Manne,  dessen  Blick  auch 
alles  durchdrang,  alles  umfasste,  ein  Wort  Goethe's  kommt  uns  in  den 
Sinn.  Er  spricht  von  der  grossen  Walze  mit  gar  vielen  Stiften  und 
Häkchen,  Fridericus  Rex  gezeichnet,  die  unermüdlich  sich  drehend,  das 
ganze  künstlich  feine  Triebwerk  rege  und  reguliere.  Nirgends  spüren 
wir  mehr  von  der  wunderbaren  Triebkraft  der  Walze,  als  bei  der  Ver- 
waltung Westproussens.  Persönlich  kümmerte  sich  der  König  um  £lle 
Massregeln  zur  Wiederaufrichtung  des  Wolstandes ;  bis  in  das  Einzelnste 
erstreckte  sich  seine  wahrhaft  hausväterliche  Sorgfalt.    Täglich  empfing 


Ton  B,  ßaphan.  581 

er  Berichte  seiner  Beamten  über  die  Provinz.  Es  waren  die  geschick- 
testen, die  er  für  sie  ausgewählt  hatte;  mit  ihnen  correspondierte  er 
unausgesetzt,  und  die  zahlreichen  Cabinetsordern  und  Handschreiben 
sind  gar  beredte  Zeugnisse  von  seiner  treuen  Hingabe. 

Unverdrossen  war  der  sonst  so  sparsame  Monarch,  bedeutende 
Summen  zu  bewilligen  zum  Aufbau  der  Städte.  Culm,  das  traurig  ver- 
ödete,  wurde  fast  eine  Neugründung  Friedrichs.  Reichlich  flössen  die 
Mittel  aus  den  Königlichen  Kassen  zur  Wiederherstellung  der  Deiche 
und  Wasserbauten;  zur  Hebung  des  Handels  und  Verkehrs  wurde  der 
vierthalb  Meilen  lange  Bromberger  Canal  gebaut ;  des  Königs  Ungeduld 
trieb  die  Beamten  an,  ein  Jahreslauf  musste  zur  Vollendung  genügen, 
und  schon  im  Sommer  des  zweiten  Jahres  sah  der  König  zu  seiner 
Freude  beladene  Oderschiffe  der  Weichsel  zufahren. 

Was  Friedrichs  rastloser  Eifer  in  kurzer  Zeit  ins  Leben  gerufen 
hat,  ist  mit  denselben  Mitteln  gelungen,  wie  die  Culturschöpfungen  des 
Ordensstaates.  Colonisten  rief  der  König  ins  Land,  aus  den  Gegenden 
Deutschlands,  wo  der  betriebsamste  Menschenschlag  wohnt.  Viele  kamen 
aus  denselben  Gegenden,  denen  die  Pfleger  der  ersten  Culturblüte  des 
Weichsellandes  entstammten.  Viele  kamen  aber  auch  aus  Süddeutsch- 
land: Baiem,  Schwaben,  auch  das  Elsass  entsandte  seine  Kinder  nach 
Westpreussen.  Wol  Elftausend  sind  in  den  vierzehn  Jahren  der  Frie- 
dericianischen  Aera  eingezogen.  Eine  keimkräftige  Saat  streute  Friedrich 
über  das  ganze  dünn  mit  Bewohnern  besetzte  Land;  je  nach  Bedürfniss 
der  Ortschaften  vertheilte  er  die  Einwanderer.  Am  liebsten  warf  der 
König  die  neue  Bevölkerung  in  die  echt  polnischen  Landstädte,  am 
liebsten  gründete  er  die  deutschen  Dörfer  mitten  unter  den  elenden 
Hütten  der  polnischen  Bauern.  Und  damit  hatte  er  einen  doppelten 
Zweck  im  Auge,  Hebung  des  materiellen  Wolstandes  und  Ausbreitung 
der  Civilisation.  „Es  müssen  gleich  ganze  Dörfer  und  Colonien  —  so 
lautet  eine  seiner  Instructionen  —  mitten  unter  dem  groben  Zeuge 
angelegt  werden,  die  ganz  allein  wohnen  und  ihre  Nahrung  und  Ge- 
werbe für  sich  treiben,  damit  das  hiesige  Volk  um  so  besser  siehet  und 
gewahr  wird,  wie  jene  sich  einrichten  und  wirthschaften.  Wenn  sie 
sodann  den  Nutzen  davon  sehen,  so  werden  sie  nach  und  nach  sich 


582  Friedrich  der  Grosse,  ein  Mehrcr  den  Reichs  im  Orten 

auch  schon  gewöhnen,  fieissiger  und  ordentlicher  zu  werden."  Aber 
nicht  nur  Vermittler  des  materiellen  Wohlstandes  sollten  die  deutschen 
Colonisten  werden.  Es  galt  in  dem  verkommenen  Landvolke  das  Be- 
wusstsein  der  Menschenrechte,  die  Würdigung  der  persönlichen  Freiheit, 
die  Liebe  zur  Bildung  zu  erwecken.  Die  alte  Woltat  eines  gemein- 
samen Rechtes,  die  diesem  Lande  schon  einmal  zu  Teil  geworden  war, 
sie  sollte  wiederum  empfunden  werden.  Die  Leibeigenschaft  hob  der 
König  auf;  aber  das  arme  Landvolk  musste  erst  begreifen  lernen,  was 
ihm  damit  beschert  war.  „Sie  werden  die  Woltat  der  aufgehobenen 
Leibeigenschaft  nicht  nach  ihrem  wahren  Werte  einsehen  —  schreibt 
der  König.  Das  sicherste  Mittel,  um  diesen  sklavischen  Leuten  bessere 
Begriffe  und  Sitten  beizubringen,  wird  immer  sein,  solche  mit  der  Zeit 
mit  Deutschen  zu  meliren,  und  wenn  es  auch  nur  anfänglich  mit  zwei 
oder  drei  in  jedem  Dorfe  geschehen  kann." 

Als  ein  anderes,  sicher  durchgreifendes  Mittel  zur  Durclifüruiig 
seiner  humanen  Ideen  erkannte  Friedrich  die  Schulen.  Unablässig 
trieb  er  darum  seine  Beamten,  das  Capital,  das  er  zu  Besoldung  von 
Lehrern  ausgesetzt  hatte,  vorteilhaft  anzulegen,  damit  die  Zahl  der 
Stellen  fortwärend  gesteigert  werden  könnte.  So  wurden  mehr  als  zwei- 
hundert Schulen  gegründet.  Nicht  invalide  Unterofficiere  und  Hand- 
werker, wie  an  manchen  andern  Orten  der  Monarchie,  sondern  wolge- 
schnlte,  selbst  von  Universitätslehrern  vorbereitete  Volksschullehrer 
brachte  der  König  in  seine  neue  Provinz.  Auch  an  den  Orten,  wo  blos 
polnisch  gesprochen  wurde,  sollte  der  Schullehror  deutsch  verstehen. 

Doch  nicht  um  das  Zurückdrängen  der  polnischen  Sprache  und  Na- 
tionalität war  es  dem  Könige  in  der  ersten  Reihe  zu  tun;  er  dachte  nicht 
an  Bevorzugung  der  deutschen  Sprache.  Von  den  Vorzügen  der  deutschen 
Sprache  war  er  selbst  noch  zu  wenig  durchdrungen.  Deutsch  denken 
und  fühlen,  deutsch  arbeiten  lernen  sollten  seine  Westpreussen,  damit 
sie  aus  Irokesen  —  so  nannte  er  sie  im  Scherz  —  zivilisierte  Menschen 
würden.  Und  das  ist  ja  auch  die  Hauptsache  der  Germanisierung : 
Ablegung  der  alten  slawischen  Unsitten,  der  Trägheit,  des  Hanges  zur 
Gesetzlosigkeit,  der  staatsfeindlichen  Wilkür,  der  bildungsfeindlichen 
Glaubenswut. 


von  B.  Saphan.  5gg 

Der  Glaubenswut,  dem  unduldsamen  Fanatismus  war  von  dem 
Tage  der  Besitznahme  an  ein  Ende  gemacht.  „Unter  denen  kathol.  und 
evangel.  Untertanen*  ordnete  Friedrich  an  »muss  nicht  der  allermindeste 
Unterschied  gemacht  werden.*  Gewissens-  und  Glaubensfreiheit  wurde 
gewärt;  jetzt  atmete  auch  die  evangelische  Kirche  wieder  auf.  Ihr,  der 
lange  und  schwer  unterdrückten,  wandte  der  König  besondere  Sorgfalt 
zu.  Er  unterstützte  reichlich  den  Bau  evangelischer  Kirchen;  er  brachte 
Ortschaften,  in  denen  der  evangelische  Glaube  durch  die  katholische 
Gutsherrschaft  verfolgt  wurde,  käuflich  an  sich,  um  die  Einwohner  in 
ihren  teuersten  Interessen  schützen  zu  können.  —  So  ist  der  grosse 
König  unermüdlich  für  sein  liebes  Westpreussen  bis  zu  seinem  letzten 
Krankenlager  besorgt  gewesen.  Eine  seiner  letzten  Gabinetsordern  be- 
schäftigt sich  mit  dieser  Provinz. 

Und  ihm  ist  noch  bei  Lebzeiten  der  schönste  Lohn  für  seine  landes- 
väterlichen Sorgen  geworden.  Er  konnte  noch  wenige  Monate  vor 
seinem  Tode  mit  herzlicher  Befriedigung  an  einen  hohen  Beamten 
der  Provinz  schreiben:  „Demnächst  fangen  die  Preussen  an,  etwas  in- 
dustrieuser  und  aufgeklärter  zu  werden,  und  es  hat  mich  dieses  sowol, 
als  der  Fortgang  der  Fabriken  überhaupt  gefreut.  * 

Basch  und  eng  ist  Westpreussen  mit  den  alten  Gliedern  des  preussi- 
schen  Staates  zusammengewachsen.  Schon  zwanzig  Jahre  nach  Fried- 
richs Tode  hat  es  sich  wacker  bewärt.  Als  im  Jahre  1806  die  nach 
Friedrichs  Tode  erworbenen  polnischen  Landesteile  von  der  Monarchie  ab- 
fielen, wankte  Westpreussens  Treue  nicht.  Unter  den  wenigen  Festungen, 
die  damals  den  Buhm  der  preussischen  Tapferkeit  wahrten,  steht  Grau- 
denz  herrlich  da.  Und  als  im  Jahre  1813  von  Ostpreussen  der  Ruf 
zur  Erhebung  ausging,  fand  er  in  Westpreussen  kräftigen  Widerhall. 
Die  erste  grössere  patriotische  Gabe  aus  dem  Jahre  1813  ist  ein  Ehren- 
zeugniss  für  die  jüngste  Provinz. 

Wenn  im  September  dieses  Jahres  im  Huldigungssaale  der  Marien- 
burg die  hundertjährige  Zugehörigkeit  von  Westpreussen  zum  Hohen- 
zollernstaate  begangen  wird,  so  wird  die  Bedeutung  dieser  Feier  über 
die  Grenzen  der  Provinz,  über  die  Grenzen  unserer  preussischen  Monarchie 
hinaus  empfunden  werden.    So  weit  geschichtliches  Yerständniss  reicht, 


584       Friedrich  d.  Gr.,  ein  Mehrer  des  Reichs  im  Osten  von  B.  Suphan. 

wird  man  im  ganzen  deutschen  Vaterlande  erkennen,  wie  hoher  Dank 
dem  grossen  Friedrich  gebürt,  der  dort  im  Osten  die  Kette  wieder  voll 
gemacht  hat. 

Wie  sollten  wir  es  uns  versagen,  von  dieser  Errungenschaft  Fried- 
richs hinüberzuschauen  nach  den  beiden  köstlichen  Schlussgliedern,  die 
unser  König  der  Kette  des  deutschen  Volkstums  wieder  eingefugt  hat, 
den  herrlichen  Westmarken  an  Rhein  und  Mosel?  Ist  doch  die  Weise, 
mit  der  jene  und  diese  dem  deutschen  Volke  entwandt  worden  sind, 
sind  doch  die  Listen,  die  hier  wie  dort  der  Feind  angewandt  hat, 
deutsche  Sprache  und  Sitte  zu  ertöten,  einander  so  ähnlich.  Ja  auch 
die  Landesfeinde  selbst,  der  Slawe  im  Osten,  der  Wälsche  im  Westen, 
sind  nicht  so  gar  verschiedenen  Charakters. 

Aber  noch  lieber  möchten  wir  die  Zukunft  und  Entwicklung  der 
durch  unseren  König  wiedergewonnenen  Landesteile  vergleichen  mit 
der  Periode  der  Wiederbelebung  von  Westpreussen.  Drei  Lustra  der 
Regierung  des  grossen  Königs  haben  ausgereicht  zur  innigen  Verbin- 
dung von  Jung-  und  Altpreussen.  Friedrich  selbst  hat  sich  noch  des 
neuen  Geistes  gefreut.  Kräftig  und  emsig  wird  unter  der  Obhut  des 
erhabenen  Kaiserlichen  Schirmherrn  das  Werk  getrieben,  Pflanzschulen 
deutscher  Gesittung  und  Gesinnung  in  den  neuen  Reichslanden  anzu- 
legen. So  möge  denn  auch  unser  König  den  Tag  schauen,  da  man 
in  Elsass  und  Lothringen  ihm  in  Treuen  dankt  für  die  Wiedergeburt 
zum  deutschen  Leben.  Dazu  wolle  ihn  der  Höchste  erhalten;  ja  möge 
es  bei  seinem  Volke  fürderhin,  wie  bisher  durch  Gottes  Gnade  von  dem 
teuern  Fürsten  heissen  dürfen:  „Seiner  Augen  Glanz  ist  nicht  dunkel 
worden,  und  seine  Kraft  ist  nicht  verfallen.*  — 


Der  preussische  Landberg ,  das  älteste  Romowe. 

Von 

Adolf  Rogge. 

Lange  ist  das  einstige  Dasein  eines  Nationalbeiligthums  in  der 
Gegend  von  Heiligenbeil  bezweifelt  worden.  Da  die  Nachricht  von 
einem  solchen  bisher  lediglich  auf  einer  Notiz  Gronaus  beruhte,1)  die 
freilich  dem  polnischen  Schriftsteller  Miechow  entnommen  war,  so 
konnte  solchen  Zweifeln  ihre  innere  Berechtigung  nicht  abgesprochen 
werden.*  Dennoch  dürften  sich  die  Nebel,  welche  Jahrhunderte  lang 
über  dem  alten  Göttersitz  gelegen ,  durch  den  einfachen  Nachweis 
lichten,  dass  sämmtliche  Namen  der  östlich  an  Heiligenbeil  stossenden 
Ortschaften  so  deutliche  Beziehungen  zum  Curche-  oder  Perkunsdienst 
verrathen,  dass  man  aus  ihnen  noch  heute  die  Grenzen  des  heiligen 
Gebietes  mit  Sicherheit  feststellen  kann. 

Den  Schlüssel  zu  unserer  Untersuchung  liefert  die  von  uns  bereits 
in  diesen  Blättern2)  dargelegte  Wahrnehmung,  dass  die  Namen  Per- 
kunos  und  Gorcho  mit  ihren  Nebenformen  ursprünglich  nichts  wie  eine 
Bezeichnung  für  den  „Eber*  seien,  dessen  Bild  nach  Tacitus  bei  den 
Aestiern  göttliche  Ehre  genoss.  Der  erste  dieser  Namen  ist  auf  eine 
slavische  Wurzel  „prB,  die  auch  in  „kr",  im  littauischen  in  „szr* 
(szernas,  der  Eber)  umschlägt,  der  zweite  auf  eine  nordische  „br*,  die 
sich  in  den  verschiedenen  nordischen  Sprachen  in  fr,  gr,  pr,  jr,  wr 


*)  Ausgabe  von  Perlbach  I,  S.80. 

8)  Urpreuesen,  Altpr.  Mtsschr.  XIV,  8.  251—96.  Ueber  das  Wort  Eber  siehe 
Gebr.  Grimm,  deutsches  Wörterbuch  3.  Bd.  Leipzig  1872,  8p.  17.  üeber  den  Wechsel 
von  b  und  w  siehe  ebenda  I,  S.  1054  und  Bacmeister,  alemannische  Wanderungen. 

Altpr.  MoMtwetirift  Bd.  XIV.  Hit.  7  u.  8.  38 


586  Der  pro  maische  Landberg,  das  älteste  Ilomowe 

abwandelt,  Beide  Wurzeln  dürften  jedenfalls  auf  eine  gemeinsame 
Quelle  [zurückzuführen  sein  und  aus  der  Urform  „vr"  hervorgegangen,  die 
in  , Varaha",  so  hiess  Wischnu  in  der  Eber-Awatare,  und  dem  lateinischen 
„verres*  am  reinsten  erhalten  ist.  Auf  preussischem  Gebiete  finden  wir 
die  slavische  Wurzel  angedeutet  in  den  Stämmen  Per,  Cur,  Scur,  die 
nordische  in  den  Stämmen  Bar,  Ber,  Gar,  Ger,  Gor,  Jor,  Jur,  War, 
Wer,  Wor,  Wur.  Beiläufig  bemerken  wir  noch,  dass  auch  die  gothische 
Form  „baia-  z,  B.  im  Kamen  der  Natangachen  Hauptfestnng  Beisleiden 
(Beselede)  vertreten  ist. 

Betreten  wir  nun  das  Heiligthum  bei  dem,  südlich  von  Heiligenbeil 
gelegenen,  Dorfe  Wermten,  so  deutet  uns  noch  eine  Urkunde  ans  dem 
Jahre  1615  die  Bedeutung  seines  Namens  an.  In  der  Damerau  zwischen 
Wermten  und  Birkenau  hiess  damals  noch  eine  Wiese  „die  Schwein*.1) 
Wermten  1404  Wermitten,  1478  u.  1560  Wormithen,  1534  Wermenith, 
1547  zuerst  mit  seinem  beutigen  Namen  genannt,')  bedeutet  offenbar 
nichts  anderes  als  Wormditt,  welches  1308  Wormedith,  1312  Warme- 
dith, 1330  Wormedythin  und  1351  Wurmdith  beisst.*)  Dieser  Name 
bedeutet  „Ebersitz".  Die  slavische  Form  für  denselben  Namen  finden 
wir  nach  zwei  Seiten  hin  ausgeprägt,  sobald  wir  die  Bahnau  (BaisenawP) 
und  Jarft  (Eberfluss)  überschreiten  und  die  an  diesen  Flüssen  gelegenen 
Ortschaften  Thomasdorf  und  Schirten  betreten.  Dieselben  haben  beide 
eine  lange  merkwürdige  Geschichte  und  bilden  eine  der  reizendsten 
Gegenden  unserer  Provinz.  Beide  Ortschaften  wurden  1262  dem  Prenssen 
Gedun  anfGedilgen  verschrieben.  Die  erste  hiess  damals  Pralsede,  die 
andere  Scurbenite  wird  1482  noch  SMrtain  genannt.")  Zur  Erklärung 
des  letzten  Namens  ziehen  wir  wohl  am  besten  die  littauische  Bezeich- 
nung für  den  Eber  „szeraas"  heran,  ausserdem  ist  eine  Uebersetzung 
desselben  im  Namen  der  angrenzenden  Ortschaft  Jürkendorf  gegeben, 


»)  No.  307  der  von  uns  in  diesen  Blättern  Bd.  VI,  167—508  n.  VII,  97-135 
(viertes  n.  fünftes  Kapitel  von  ,Du  Amt  Balga')  veröffentlichten  Urknnden-Änszüge, 
von  denen  wir  künftig  nur  die  Nuramor  anfahren. 

*)  No.  44,  91,  197,  224  n.  307. 

')  Enal.  Zeitschr.  I,  8.  23  Anm.  2. 

*)  Vgl.  meine  Abhandlung  .Der  alte  Qedan*  Altpr.  Mtsschr.  XII,  299—309: 


von  Adolf  Rogge»  587 

die  noch  1619  Jurkendorf  genannt  wird.7)  Die  Ortschaft  Pralsede  führte 
später  den  Namen  „Bischofen  Thomasdorf  *,  in  welchem  wir  nur  eine 
Hinweisung  auf  den  Bischof  Anseimus  sehen  können,  der  nach  einer 
Sage,  die  sich  leicht  zur  Geschichte  gestalten  kann,  die  heilige  Eiche 
bei  Heiligenbeil  fallen  liess.  Hier  stellen  wir  nur  fest:  Wermten,  Pral- 
sede, Scurbenite  sind  drei  Namen,  welche  dieselbe  Bedeutung  , Ebersitz* 
haben  und  sobald  wir  diesen  Fingerzeig  beachten,  dürfen  wir  nicht 
mehr  weit  nach  dem  Throne  des  Donnerers  suchen. 

Zwischen  den  Ortschaften  Thomasdorf  und  Schirten  am  linken  Ufer 
der  Jarft  steigt  jäh  eine  circa  200  Fuss  hohe  Bergwand  empor,  be- 
grenzt von  zwei  Schluchten,  die  sich  von  dem  südlicher  gelegenen 
Grünwalde  zum  Jarftthal  herunterziehen.  Noch  jetzt  ist  auf  der  circa 
450  Schritte  langen  und  abwechselnd  350—400  Schritte  breiten  Hoch- 
ebene, welche  sich  über  dieser  Bergwand  erhebt,  eine  80—100  Fuss 
hohe  Umwallung  zu  erkennen.  Ein  oft  nur  10  Schritte  breiter  Berg- 
grat verbindet  dieselbe  mit  dem  aus  dem  Grunde  des  Jarftthals  circa 
200  Fuss  hoch  emporsteigenden  sogen.  Schlossberg,  auf  dessen  oberer 
170  Schritte  langen,  70  Schritte  breiten  Fläche  noch  zwei  Haupt- 
abtheilungen (Vorburg  und  Hauptburg?)  bemerkbar  sind,  während  der 
Nordrand  dieses  Berges  zwei  künstlich  aufgeworf ene  Wälle  zeigt. s)  Von 
diesen  wunderbar  schön  gelegenen  Höhen  streift  der  Blick  nach  SW. 
bis  zu  den  Elbinger  Beigzügen,  nach  NW.  bis  zu  den  sandigen  Dünen 
hin.  Dieselben  haben  einen  so  ausgeprägt  geschichtlichen  Gharacter, 
dass  wir  auf  ihnen  das  Bauschen  der  Sage  in  den  Baumwipfeln  zu  hören 
glauben,  während  aus  wild  zerrissenen  Schluchten  die  Heldenschatten 
der  Vorzeit  emporsteigen.  Knaben,  die  Schüler  der  ehemaligen  lateini- 
schen Schule  zu  Heiligenbeil,  welche  hier  ihre  Feste  und  unblutigen 


?)  No.  824.  Vom  Worte  Szernas  ist  auch  die  litt  Bezeichnung  für  das  Be- 
gr&bnissmahl  Szermenys,  szermens  (Zarm)  hergenommen.  Ein  Beweis  mehr  für 
unsere  in  »Urpreussen*  aufgestellte  Behauptung,  dass  man  auch  bei  der  Todten- 
bestattung  nur  an  Perkunos,  nicht  an  Pikollos  dachte. 

•)  Wir  folgen  der  Beschreibung  des  Ober-Steuer-Inspectors  v.  Winkler,  der  in 
seinem  Aufsatz  »Die  Yesten  der  Vorzeit  im  Ermlande',  2ter  Artikel,  Erml.  Zeitscbr. 
II,  652—664,  zuerst  auf  die  wunderbare  Schönheit  dieser  Gegend  und  auf  ihre  Be- 
deutung im  Alterthume  hingewiesen« 

38* 


58 8  ^er  preussische  Landberg,  das  älteste  Romowe 

Kampfspiele  feierten,  haben  merkwürdiger  Weise  dieser  Stätte,  die  den 
verzweifelten  Todeskampf  eines  gewaltigen  Volkes  gesehen,  den  Namen 
„Latemerberg"  gegeben  und  sich  dadurch,  wenn  auch  unwissentlich,  an 
der  Geschichte  ihres  Vaterlandes  schwer  versündigt.  Viel  Schweiss  und 
Mühe  wäre  manchem  Geschichtsforscher  erspart,  wenn  der  Berg  für 
ihn  den  rechten  Namen  an  der  Stirn  getragen  hätte.  Das  Sesam, 
welches  die  Geheimnisse  desselben  enthüllt,  ist  mit  verblassten  Zügen 
auf  ein  einzig  Pergament  gezeichnet.  Noch  im  Jahre  1430  nannte  man 
diesen  Berg  den  „Lantberg*9)  d.  i.  Landesberg.  Von  ihm  verkündeten 
einst  die  lodernden  Flammen,  weit  in  die  Nacht  hineinleuchtend,  dem 
anbetenden  Volke  die  Sonnenwende  und  der  wilde  Jubel  der  Eresze 
und  Sabotuka  klang  durchs  Land,  wenn  nun  mit  Zauberschnelle  ein 
Berg  nach  dem  andern  im  Glanz  der  Fanale  erstrahlte,  welche  mit 
feurigen  Zungen  das  neue  Licht  des  alten  Gottes  verkündeten.  Hier 
sammelten  sich  die  Wetter  und  wenn  düsteres  Gewölk  über  dem  Berges- 
gipfel lagerte,  sah  das  Volk  mit  Schrecken  den  leuchtenden  Eberzahn 
durch  dasselbe  hindurch  fahren  und  hörte  aus  dem  rollenden  Donner, 
der  sich  an  den  Bergen  brach  und  die  Schluchten  durchtobte,  die 
zornige  Stimme  seines  Gottes  heraus.  Als  dieser  den  Landesberg  ver- 
lassen und  weiter  ins  Innere  des  Landes  geflüchtet  war,  blieb  noch  die 
Eiche,  deren  Laub  ihn  gedeckt,  deren  Frucht  ihn  genährt,  und  mahnte 
das  Volk  an  den  heiligen  Boden,  auf  dem  er  gestanden.  Es  wäre  un- 
natürlich gewesen,  wenn  derselbe  nicht  Schritt  für  Schritt  vertheidigt 
und  anders  als  mit  Strömen  Bluts  getränkt,  dem  siegenden  Feinde  in 
die  Hände  gefallen  wäre.  Hatte  ihn  doch  die  Natur  selbst  zur  stärksten 
Festung  gemacht.  Obschon  wir  bisher  der  von  Voigt ")  als  möglich 
hingestellten  Ansicht  nicht  beistimmen  mochten,  dass  die  Wehrburg, 
welche  Markgraf  Dietrich  v.  Meissen  1272  beim  Eingange  in  Natangen 
vorfand  und  nach  blutigem  Kampfe  eroberte,  u)  an  dieser  Stelle  zu 
suchen  sei,  so  möchten  wir  nach  nochmaliger  Prüfung  der  Sache  diese 
Ansicht  als  die  einzig  richtige  hinstellen.     Ganz  abgesehen  von  der 


*)  No.  51.      ,0)  III,  S.  315  Anm.  2. 

,l)  Dusb.  III,  133.    Ser.  r.  Pr.  I,  116.    ßogge,  Beiträge  z.  (frech,  des  Heüigen- 
beiler  Kreises,  Altpr.  Mtsschr.  VIII,  S.  333  Anm.  33. 


von  Adolf  Rogge.  589 

religiösen  Bedeutung  des  Ortes,  waren  die  Preussen  bei  ihrer  Verteidi- 
gung auf  denselben  durch  seine  natürliche  Lage  hingewiesen.  Man  stösst 
sich  daran,  dass  er,  nach  bisher  gangbaren  geographischen  Begriffen,  in 
Warmien  und  nicht  in  Natangen  gelegen,  doch  dürfen  wir  dabei  nicht 
vergessen,  dass  die  altpreussische  Geographie  noch  keineswegs  so  sicher 
begründet  ist,  dass  wir  auf  die  bisherigen  Forschungen  auf  diesem  Ge- 
biete uns  mit  voller  Zuversicht  stützen  könnten. ,s)  Schon  die  einfache 
Thatsache,  dass  der  Orden  die  Gegend  zu  Natangen  rechnete,  muss 
ihre  inneren  Gründe  gehabt  haben  und  es  ist  nicht  zu  schwer,  dieselben 
zu  ermitteln.  Bereits  früher  haben  wir  nachgewiesen,  dass  das  Gebiet, 
in  dem  der  Landesberg  lag,  den  Namen  »Natangen*  schon  in  der  Heiden- 
zeit fahrte  ,3)  und  wir  können  uns  der  Vermuthung  nicht  entschlagen, 
dass  dieser  Name  zum  Heiligthume  in  naher  Beziehung  stand.  Ohne 
vorläufig  weitere  Schlüsse  zu  ziehen,  wollen  wir  nur  an  das  litauische 
Wort  „dangus,  Himmel*  erinnern.  Warraia,  das  man  bisher  immer 
scharf  von  den  übrigen  Gauen  geschieden,  ist  ein  Name,  so  allgemein 
wie  Prucia  und  Barcia,  und  bedeutet  nichts  als  „Eberland". 

War  nun  die  Wehrburg  (propugnaculum),  der  Landesberg,  so  hat 
man  nicht  nöthig,  wie  bisher  geschehen,  das  Ende  von  Dietrichs  Kreuz- 
zug in  die  Gegend  von  Dexen  nach  Görken  zu  versetzen.  u) 

Aus  dem  Wortlaut  des  Dusburgschen  Berichts  scheint  uns  hervor- 
zugehen, dass  das  Kreuzheer  nicht  allzuweit  in  Natangen  eingedrungen 
sei.  ")  Die  ganze  Gegend,  um  die  es  sich  bei  uns  handelt,  hiess  Goerken 
in  dieser  oder  jener  Form  und  die  Lesart  „Cierkin"  in  der  Hartknochschen 
Ausgabe  weist  deutlich  genug  auf  Schirten  hin.  Es  ist  nicht  annehm- 
bar, dass  damals  am  Zusammenfluss  der  Bahnau  und  Jarft  keine  An- 
siedelung bestanden  und  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür, 
dass  das  Heer  des  Markgrafen  vom  nachmaligen  Heiligenbeil  aus,  Na- 
tangen, das  heilige  Land  verwüstet  habe. 

Doch  wir  verlassen  den  Landberg  und  wandern  über  Schuten  nach 


,2)  Toppen,  Geogr.  S.  16:  »Von  .  .  .  Warmia  darf  man  wohl  annehmen !€ 

,3)  Altpr.  Mtsschr.  V,  S.  123. 

")  Voigt  HI,  316. 

")  Dusb.  in,  133.  Intrans  terram  Nattangie  usque  ad  forum  qtjod  dicitur  Gerkin. 


590  **er  Preu8*i8Ch6  Landberg,  das  älteste  Bomowe 

Norden  hinauf,  vorüber  an  Stein  dorf,  das  zum  ersten  Male  1476 16)  er- 
wähnt wird  und  neuern  Datums  zu  sein  scheint,  nach  Bregden  hinauf,  das 
1374, 1430  und  1487  „Pobreyden",  im  letzten  Jahre  auch  „Bobreyden  V) 
1533  „Pobreyen*  '•)  genannt  wird.  Der  Ausdruck  hat  offenbar  die  Be- 
deutung „am  Ebersitz*  und  dass  wir  uns  in  derselben  nicht  irren,  be- 
zeugt das  im  NO.  dicht  angrenzende  Perschein,  noch  1522 ,9)  „Persal* 
d.  i.  Pralsede. 

Noch  nördlich  hinaus  über  Perschein  zog  sich  der  heilige  Wald, 
über  Wangnicken,  1662  Plotemeiten,  dann  Wangnieskeim 20)  geheissen, 
nach  Komansgut,  noch  1575  „Regitten",  und  Newecken,  wo  urkundlich 
noch  die  Bezeichnung  Werzowald  „Eberwald*  1303  gebraucht  wird.21) 

Die  natürliche  nordöstliche  Grenze  des  heiligen  Gebietes  bildete 
die  bei  Lauk  entspringende  Fedderau.  Die  kurz  vor  derselben  gelegenen 
Ortschaften  Grund,  Mickühnen  und  Bolbitten,  zusammen  „Palapita*  ge- 
nannt, lagen  nach  einer  Urkunde  vom  Jahre  1284 22)  in  Warmia.  Ziehen 
wir  von  der  Haffküste  aus  an  den  „steilen  wildschönen  zum  Theil  be- 
wachsenen Abhängen*23)  der  Fedderau  (1521  Widderaw)  hin,  so  stossen 
wir  auf  Bejoten,  Buttlitten  (früher  Potlitten  von  „Pota"  Saufgesellschaft) 
und  Warnekam,  welches  noch  unter  dem  Markgrafen  Albrecht  eine  Be- 
güterung  bildete  mit  Lauk,  Ködersdorf,  Schönrade  und  Freudenthal. 
Hier  an  der  Ostgrenze  liegt  ebenso  wie  an  der  Westgrenze  unter  dem 
gleichen  Breitengrade  eine  Ortschaft  Eeimkallen,  1262  Keimal,24)  ein 
Wort,  das  sich  aus  dem  litt,  „kiem&is,  Dörflein*  erklärt  und  die  Grenze 
des  Heiligthums  bezeichnet. 

Ueber  Freudenthal  liegen  uns  ältere  Urkunden  nicht  vor,  doch 
könnte  der  deutsche  Name  die  Uebersetzung  eines  altpreussischen  sein. 
Wir  wollen  wenigstens  nicht  unterlassen  beiläufig  darauf  hinzuweisen, 
dass  Prätorius25)  „Rykoiot*  von  rykiauti  oder  rykaujoti,  „Wohlleben* 


lö)  No.  86.     ")  No.  33,  51,  108.     ")  No.  193.    »)  No.  180. 

so)  Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  heutigen  nördlicher  gelegenen  Wangnieskeim. 

at)  No.  9. 

**)  Abgedruckt  Altpr.  Mtsschr.  V,  6.  125  Anm.  36. 

*3)  v.  Winkler,  Bomowe  in  Warm.    Erml.  Zeitschr.  m,  S.  525. 

")  Altpr.  Mtsschr.  V,  S.  127  Anm.  39. 

*•)  Schaubühne  hrsg.  v.  Pierson  S.  16. 


von  Adolf  Rogge.  59 \ 

herleitet  und  Eikoioth  mit  „Freuden-  oder  Saufhaus"  übersetzt,  wobei 
dann  Freudenthal  sein  Pendant  im  nördlich  gegenüberliegenden  Potlitten 
haben  würde.  Die  von  Prätorius  vorgeschlagene  Ableitung  Hesse  sich 
mit  der  von  Brikis,  Herr"  übrigens  wohl  vereinen,  denn  das  Herren- 
leben jener  Tage  bestand  in  Preussen  im  keineswegs  immer  massigen 
Essen  und  Trinken.  Wir  wollen  auch  noch  erwähnen,  dass  ein  anderes 
altnordisches  Wort,  welches  buchstäblich  einer  gothischen  Bezeichnung 
für  den  Eber  entspricht,  das  Wort  „iöfur"  nur  in  der  Bedeutung  von 
„rex  oder  princeps"  vorkommt,  sodass  Eberland  und  Herrenland  identische 
Begriffe  werden  konnten.  Dieser  Auffassung  verdankt  vielleicht  das  im 
Kreise  des  Heiligthums  befindliche,  1504  zuerst  erwähnte, 2fl)  Königsdorf 
seinen  Namen.  Aehnlich  erklärt  sich  vielleicht  das  russische  „Czar". 
Wenn  wir  die  Lage  der  bisher  besprochenen  Ortschaften  übersehen, 
so  haben  wir  ein  stattliches  Gebiet  für  den  Sitz  des  alten  National- 
götzen gewonnen,  das  vom  Omaza,  der  Bahnau  und  Fedderau  umzogen, 
sich  im  Osten  an  einen  Wald  lehnte,  der  erst  in  der  Ordenszeit  ge- 
lichtet ward.  Ursprünglich  hatte  dasselbe  sicher  einen  Namen,  der 
sich  noch  in  allen  Namen  der  Ortschaften  spiegelt,  in  die  es  zerstückelt 
ward,  wobei  die  verschiedenen  Dialecte  der  Landesbewohner  zur  Geltung 
kamen.  Merkwürdig  ist  es,  dass  kein  einziger  der  Namen,  die  wir  bis- 
her betrachtet,  auf  die  landesübliche  Bezeichnung  für  das  Heiligthum 
„Romowe"  klar  hinweist.  Wir  finden  jedoch  den  Stamm  dieses  Wortes 
noch  in  den  Namen  der  benachbarten  Ortschaften  an  der  Haffküste, 
Bossen  (Bussen),  Runenberg  und  Rosenberg,  sowie  in  der  ursprünglichen 
Bezeichnung  für  Romansgut,  „Rogiten  oder  Roitten",  welche  noch  an 
das  littauische  „rojus*  (Paradies)  deutlich  erinnert.  Romowe  heisst 
wahrscheinlich  nichts  anderes,  als  „Landesberg",  „der  Berg0  in  ganz 
besonderem  Sinne.  Wir  halten  das  Wort  Romowe  für  ein  Urwort,  dessen 
Stamm  im  lateinischen  Roma,  robur  (Eiche),  rogus  (Himmel)  hervor- 
tritt und  nicht  nur  bei  den  Indogermanen  und  Slaven,  sondern  selbst 
bei  den  Semiten  im  Gebrauch  war.  Auch  im  hebräischen  heisst  „rom* 
oder  „rüm*  die  Höhe. 


2e)  No.  152. 


592        ^er  Prosaische  Landberg,  du  iiltesle  Roidowo  von  Adolf  Bogge. 

Geschützt  war  das  Heiligthum  auf  der  Westseite  durch  die  „Eber- 
burgen"  Partegal  und  Parteinen,  hinter  welchen  sich  ein  undurchdring- 
licher Sumpf  nach  der  Haffküste  zog,  deren  Ufer  noch  besonders  durch 
die  „Snmpfburg*  (Balga,  Wolga,  Wolitta)  bewehrt  waren.  Südlich  von 
derselben  befand  sich  ein  uraltes  Dorf  Beynis  (ßeinschhof),  das  1262 
der  Keimkallcnschen  Begüterung  zugetheüt  wurde  und  dessen  Namen 
wir  nicht  zn  erklären  wissen.  Am  übrigen  Theil  der  Haffküste  deckt« 
der  „Bey  stern*  (Büsterwalde)  mit  geheimniBsvollem  Dunkel  das  heutige 
Schettnienen,  dessen  Namen  sich  ans  dem  litauischen  gleichfalls  mit 
szernas  zusammenhangenden  Worte  Bsze"tonas'  (Teufel)  erklären  lässt. 

Sobald  sieh  der  Schlüssel,  den  wir  gefunden,  als  echt  erprobt,  fällt 
nicht  nur  ein  neues  Liebt  auf  die  verschiedensten  Orte  und  Gegenden 
unserer  Provinz,  sondern  auch  auf  die  Urgeschichte  der  europäischen 
Volksstämme.  Germanen,")  Kelten,  Sarmaten,  Pruzen,  Warmier,  Barter 
waren  sammt  und  sonders  einst  Eberanbeter. 

Iu  unserer  Provinz  ging  die  Sonne  des  europäischen  Heidenthums 
unter,  das  sich  noch  einmal  matt  in  ihren  letzten  Strahlen  spiegelt. 
Der  edle  Varaha,  der  einst  mit  den  Spitzen  seiner  gewaltigen  Bauer 
die  Erde  dem  Abgrund  enthoben  und  auf  die  Wasser  gewälzt,  ist  zum 
Gorcho  geworden,  die  Biesengestalten,  welche  das  Himmelsgebirge  er- 
zeugt, versinken  ruhmlos  als  matte  Schemen  im  Cbronos. 


s:)  ,Ger*  heisst  jedenfalls  .Speer*  erat  in  abgeleiteter  Bedeutung.   Der  Ursinn 
des  Wortes  war  erst  Eber,  dann  Blitz.    Achnlich  bei  den  Kelten, 


Nach  Absendung  des  Mannscripts  theilte  mir  noch  Herr  Pfarrer 
Kleist- Bladiau  mit,  dass  sich  in  Jurkendorf  wie  in  Newecken  und  Wind- 
keim gesprengte  Opfersteine  gefunden.  „Uebrigcns",  sagt  er,  „giebt  es, 
glaube  ich,  kein  Dorf,  wo  sich  noch  so  zu  laugen  Wällen  zusammen- 
geschobene grosse  Feldsteine  finden,  wie  iu  Jurkendorf."  Ein  zu  Thomas- 
dorf gehöriges  Gütchen  heisst  noch  heute  „Eichwald",  obgleich  keine 
Eichen  da  stehen. 


Immanuel  Kants 
Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht. 

Tischrede  am  153.  Geburtstage  des  Philosophen,  den  22.  April  1877 

in  der  Köuigsb  erger  Kant- Gesellschaft  gehalten 

von 

I>r.  Benno  Boforik. 

Hochgeehrte  Festgenossen ! 

Der  grosse  Denker,  dessen  153sten  Geburtstag  in  herkömmlicher 
Weise  zu  feiern  wir  uns  heute  hier  vereinigt  haben,  lebte,  wie  Ihnen 
Allen  bekannt  ist,  im  Cölibat.  Einzelne  seiner  Zeitgenossen  hielten  ihn 
geradezu  für  einen  Feind  des  Ehestandes.  Dieser  Umstand  schien  mir 
an  und  für  sich  verlockend,  seine  Lehren  und  Ansichten  Aber  das  weib- 
liche Geschlecht,  wie  sie  uns  theils  in  seinen  eigenen  Schriften,  theils 
in  Aufzeichnungen  seiner  Freunde  erhalten  sind,  zusammenzustellen. 
Dazu  kam,  dass  sich  hierbei  Gelegenheit  fand,  Kant's  Grundsätze  über 
Erziehung  und  Bildung  der  Frauen  kennen  zu  lernen,  was  gerade  in 
unseren  Tagen,  in  denen  man  der  besonders  von  Amerika  und  Kuss- 
land ausgehenden  Strömung  folgend  eifrig  bemüht  ist  die  von  Natur 
gesteckten  Schranken  weiblichen  Erkennens  und  Wissens  zu  durch- 
brechen, von  allgemeinerem  Interesse  zu  sein  versprach.  — 

Wollen  Sie,  meine  Herren,  die  Wahl  dieses  Themas,  bei  dessen 
Ausführung  es  sich,  wie  ich  schon  andeutete,  nicht  sowohl  um  eine 
kritische  Beurtheilung,  als  vielmehr  wesentlich  um  eine  Wiedergabe 
Kant'scher  Ideen,  zumeist  mit  seinen  eigenen  Worten  handelt,  damit 
entschuldigen,  dass  ich,  dessen  ganzem  Wirkungskreise  eingehendere 
Beschäftigung  mit  Philosophie  für  gewöhnlich  fern  liegt,  nicht  durch 
eigene  Initiative,  sondern  durch  Laune  des  Schicksals  auf  diesen  einem 
Würdigeren  gebührenden  Ehrenplatz  gefuhrt  bin. 


594  Immanuel  Kants  Ansichten  aber  das  weibliche  Oeschleefat 

Wenngleich,  einem  physiologischen  Gesetze  gemäss,  „alle  Ge- 
schlechts Verschiedenheiten  nur  als  Abänderungen  identischer,  beiden  Ge- 
schlechtern gemeinsamer  Grundbildungen  anzusehen  sind",  so  ist  doch 
in  jedem  der  beiden  Geschlechter  der  Mensch  körperlich  in  so  charak- 
teristischer Weise  modificirt,  dass  der  Inbegriff  der  dem  mannlichen 
Körper  eigentümlichen  Formen  uns  das  prägnante  Bild  des  männlichen 
Körpers,  sowie  die  Eigenthümlikeiten  des  weiblichen  Körpers  das  Bild 
der  Weiblichkeit  geben.  Während  beim  Manne  der  ganze  Bau  des 
Körpers  auf  Kraftentwickelung  und  grössere  Wirkung  nach  Aussen  be- 
rechnet ist,  zeigt  die  Organisation  des  Weibes  eine  auffällig  zartere  und 
schwächere  Beschaffenheit,  mit  welcher  eine  vermehrte  Sensibilität  un- 
zertrennlich verbunden  ist.  Der  ganze  Bau  desselben  ist  berechnet  auf 
innere  Bildung  und  Aufnahme  äusserer  Einflüsse. 

Dem  entsprechend  besteht  auch  ein  bestimmt  ausgesprochener 
Unterschied  der  Geschlechter  in  geistiger  Beziehung.  Während  aber 
die  eigentümlichen  Anlagen  des  Mannes  sich  unter  den  verschiedensten 
Verhältnissen  offenbaren,  bedürfen  die  des  Weibes,  um  sich  zu  entwickeln 
und  kennbar  zu  werden,  des  begünstigenden  Einflusses  der  Cultur.  Denn 
„im  rohen  Naturzustände  kann  man  sie"  —  wie  Kant  meint1)  —  .ebenso 
wenig  erkennen,  als  die  der  Holzäpfel  und  Holzbirnen,  deren  Mannig- 
faltigkeit sich  nur  durch  Pfropfen  oder  Inoeulireu  entdeckt.*  Immerhin 
sind  diese  weiblichen  Beschaffenheiten  nicht  durch  die  Cultur  hinein- 
gebracht, sondern  Naturanlagen.  Wenn  man  daher  zu  einer  Charak- 
teristik des  Weibes  gelangen  will,  muss  man  darauf  zurückgehen,  welchen 
Zweck  die  Natur  hei  Einrichtung  desselben  gehabt  hat.  Dieser  Zweck 
ist  nach  Kant'):  .die  Erhaltung  der  Art  und  die  Cultur  der  Gesellschaft 
und  Verfeinerung  derselben  durch  die  Weiblichkeit  * 

„Als  die  Natur  dem  weiblichen  Schoosse  ihr  thenerstes  Unterpfand, 
nämlich  die  Species,  in  der  Leibesfrucht  anvertraute,  durch  die  sich 
die  Gattung  fortpflanzen  und  verewigen  sollte,  so  fürchtete  sie  gleich- 
sam wegen  Erhaltung  derselben  nnd  pflanzte  diese  Furcht,  nämlich 


')  Immanuel  Kant,  Anthropologie  in  pragmatischer  Hinsicht.  2.  Aufl.  Königs- 
berg 1800.  S.  283. 
')  Ebenda  S.  287. 


von  Dr.  Benno  Bobrik.  595 

vor  körperlichen  Verletzungen  und  Schüchternheit  vor  dergleichen 
Gefahren,  in  ihre  Natur;  durch  welche  Schwäche  dieses  Geschlecht  das 
männliche  rechtmässig  zum  Schutze  für  sich  auffordert. 

«Da  sie  auch  die  feineren  Empfindungen,  die  zur  Gultur  gehören, 
nämlich  die  der  Geselligkeit  und  Wohlanständigkeit,  einflössen  wollte, 
machte  sie  dieses  Geschlecht  zum  Beherrscher  des  männlichen,  durch 
seine  Sittsamkeit,  Beredheit  in  Sprache  und  Mienen,  früh  gescheut,  mit 
Ansprüchen  auf  sanfte  höfliche  Begegnung  des  männlichen  gegen  das- 
selbe, so  dass  sich  das  letztere,  durch  seine  eigene  Grossmuth,  von 
einem  Kinde  unsichtbar  gefesselt,  und  wenngleich  dadurch  eben  nicht 
zur  Moralität  selbst,  doch  zu  dem,  was  ihr  Kleid  ist,  dem  gesitteten 
Anstände,  der  zu  jener  die  Vorbereitung  und  Empfehlung  ist,  ge- 
bracht sah.*  — 

Gebührt  den  Frauen  in  Ansehung  ihrer  geringeren  körperlichen 
Stärke  gegenüber  den  Männern  der  Namen  des  schwachen  Geschlechts, 
so  kommt  ihnen  mit  nicht  geringerem  Rechte  die  Bezeichnung  schönes 
Geschlecht  zu.  „Denn,0)  ohne  in  Erwägung  zu  ziehen,  dass  ihre  Ge- 
stalt überhaupt  feiner,  ihre  Züge  zarter  und  sanfter,  ihre  Miene  im 
Ausdruck  der  Freundlichkeit,  des  Scherzes  und  der  Leutseligkeit  be- 
deutender und  einnehmender  ist,  als  bei  dem  männlichen  Geschlechte: 
ohne  auch  dasjenige  zu  vergessen,  was  man  für  die  geheime  Zauber- 
kraft abrechnen  muss,  wodurch  sie  unsere  Leidenschaft  zum  vortheil- 
haften  Urtheil  für  sie  geneigt  machen:  so  liegen  vornämlich  in  dem 
Gemüthscharakter  dieses  Geschlechts  eigentümliche  Züge,  die  es  von 
dem  unseren  deutlich  unterscheiden,  und  die  darauf  hauptsächlich  hin- 
auslaufen, sie  durch  das  Merkmal  des  Schönen  kenntlich  zu  machen.1 

„Die  Frauen  haben  ein  angeborenes  stärkeres  Gefühl  für  Alles, 
was  schön,  zierlich  und  geschmückt  ist.*  „Sie  ziehen  das  Schöne  dem 
Nützlichen  vor."  „Sie  haben  grossen  Sinn  für  Reinlichkeit  und  Ab- 
scheu vor  Allem,  was  Ekel  verursacht. *  „Sie  lieben  den  Scherz  und 
sind  von  Natur  überhaupt  mit  einem  heitern  Lebenssinne  ausgestattet.  * 


3)  Immanuel  Kant,  Beobachtungen  Über  das  Gefühl  des  Schönen  und  Erhabenen, 
Vermischte  Schriften  2.  Bd.  1799.  S.  386  ff. 


596  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

„Sie  haben  sehr  früh  ein  sittsames  Wesen  an  sich,  wissen  sich  einen 
feinen  Anstand  zu  geben  und  besitzen  sich  selbst.11  „Sie  sind  von  sehr 
zärtlicher  Empfindung  in  Ansehung  der  mindesten  Beleidigung  und 
überaus  fein,  den  geringsten  Mangel  der  Aufmerksamkeit  und  Achtung 
gegen  sie  zu  bemerken. *  —  Schamhaftigkeit  gehört  zu  ihren  schön- 
sten —  Bescheidenheit  zu  ihren  liebenswürdigsten  Eigenschaften. 

Selbst  manche  ihrer  Schwachheiten,  wie  die  Eitelkeit,  in  sofern 
sie  nur  nicht  in  närrisches  oder  aufgeblasenes  Wesen  ausartet,  ist  als 
ein  Antrieb,  das  eigene  Bedürfniss  des  Schönen  zu  befriedigen  und  in 
grösserem  Masse  zu  gefallen  und  zu  erfreuen,  nur  —  so  zu  sagen  — 
„ein  schöner  Fehler*.  Thränen  des  Schmerzes  oder  solche,  die  wegen 
Beleidigung  oder  Unglück  vergossen  sind,  würden  den  Mann  verächtlich 
machen,  das  Weib  verunzieren  sie  nicht. 

Es  wäre  thöricht  anzunehmen,  dass  das  Weib  mit  geringeren 
Kräften  des  Verstandes  ausgestattet  sei,  als  der  Mann.  Derselbe  ist 
aber  von  anderer  Beschaffenheit.  Während  des  Mannes  Verstand  ein 
umfassender,  durchdringender,  tiefer  sein  soll,  hat  das  Weib  einen 
«schönen  Verstand",  „der  zu  seinen  Gegenständen  alles  wählt,  was 
mit  dem  feineren  Gefühle  nahe  verwandt  ist,  dagegen  abstracte  Specu- 
lationen  oder  Kenntnisse,  die  nützlich  aber  trocken  sind,  dem  emsigen, 
gründlichen  und  tiefen  Verstände  überlässt.' 

Verstand  und  Herz  sind  gewissermassen  bei  ihnen  eins;  oder  das 
letztere  ist  vielmehr  das  Organ  für  die  Offenbarungen  des  ersten. 

Die  Stelle  von  Grundsätzen,  deren  Kant  das  sohöne  Geschlecht 
kaum  für  fähig  hält,  vertreten  bei  ihnen  Empfindungen  des  Mitleidens, 
dea  Wohlwollens  und  der  Gefälligkeit,  welche  an  und  für  sich  zwar 
nicht  die  Grundlage  wahrer  Tugend  sind,  aber  indem  sie  das  Gefühl 
einer  unmittelbaren  Lust  an  schönen  Handlungen  enthalten,  Gründe 
zu  solchen  werden  können,  daher  gewissermassen  Supplemente  der 
Tugend  bilden  und  wegen  dieser  Verwandschaft  mit  der  wahren  Tugend 
von  Kant  als  adoptirte,  auch  schöne  Tugenden  bezeichnet  werden. 4) 

„Die  Frauen  vermeiden  das  Böse,  nicht  weil  es  unrecht,  sondern 


4)  a.  a.  0.  S.  367,  368,  392. 


von  Dr.  Benno  ßobrik.  597 

weil  es  hässlich  ist  und  tugendhafte  Handlungen  bedeuten  bei  ihnen 
solche,  die  sittlich  schön  sind." 

Jeder  Zwang,  jeder  Befehl,  alles  Sollen,  Müssen,  Schuldigsein  ist 
ihnen  unleidlich.  „Sie  thun  etwas  nur  darum,  weil  es  ihnen  so  beliebt, 
und  die  Kunst  besteht  darin,  zu  machen,  dass  ihnen  nur  dasjenige  be- 
liebe, was  gut  ist* 

Während  des  Mannes  Ideal  das  Grosse,  Edle,  Erhabene  ist  und 
er  Sinn  für  Schönheit  fast  nur  gegen  das  Weib  hat,  schätzt  und  be- 
wundert dieses  die  Grösse  im  Manne,  seine  eigene  Sphäre  aber  findet 
es  in  der  Welt  des  Schönen. 

Diese  in  der  Natur  begründeten  eigentümlichen  Geistes-  und 
Gemüthsanlagen,  verbunden  mit  dem  Gefühl  körperlicher  Schwäche  und 
dadurch  bedingter  Schutzbedürftigkeit  machen  das  Wesen  der  Weiblich- 
keit aus.  Sie  in  harmonischer  Weise  der  Art  zur  Entwickelung  zu 
bringen,  dass  der  Charakter  der  Weiblichkeit  rein  erhalten  bleibt,  dass 
nach  keiner  Seite  hin  die  Absichten  der  Natur  ignorirt,  ihre  vorge- 
schriebenen Wege  und  Grenzen  überschritten  werden,  ist  die  alleinige 
Aufgabe  aller  Erziehung  und  Unterweisung.  Um  mich  eines  Bildes  zu 
bedienen,  besteht  also  nach  Kant  das  Wesen  weiblicher  Bildung  darin, 
dass  der  von  der  Natur  gewissermassen  in  grossen  Umrissen  vorge- 
zeichnete Carton  in  sorgfältigster  Weise  ausgeführt,  dabei  aber  strenge 
vermieden  wird,  irgend  welche  neuen  Ideen  hinzuzufügen. 

Weil  die  Frauen  immer  nur  Dasjenige  vollständig  verstehen,  wo- 
bei das  Herz  nicht  weniger  empfindet,  als  der  Verstand  denkt,  so  ist 
bei  ihrer  Unterweisung  jeder  „kalte  speculative  Unterricht*  zu  vermeiden, 
vielmehr  immer  an  „Empfindungen"  anzuknüpfen,  »und  zwar  an  solche, 
die  so  nahe  wie  möglich  bei  ihtem  Geschlechtsverhältnisse  bleiben/ 6) 
Aus  diesem  Grunde  werden  sie  „keine  Geometrie  lernen*,  sie  werden 
nicht  über  das  innere  Wesen  und  die  Ursachen  der  Dinge  grübeln, 
„sie  werden  in  der  Geschichte  sich  nicht  den  Eopf  mit  Schlachten  Und 
in  der  Erdbeschreibung  nicht  mit  Festungen  anfüllen;  denn  es  schickt 
sich8  —  nach  Kant  —  „für  sie  ebensowenig,  dass  sie  nach  Schiesö- 


•)  a.  a.  0.  S.  392. 


598  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

pulver,  als  für  die  Männer,  dass  sie  nach  Bisam  riechen  sollen.*6) 
»Der  Inhalt  der  grossen  Wissenschaft  der  Frauen  ist  vielmehr  der 
Mensch,  und  unter  den  Menschen  der  Mann.8  — 

«Man  wird  daher  ihr  gesammtes  moralisches  Gefühl,  und  nicht 
ihr  Gedächtniss  zu  erweitern  suchen  und  zwar  nicht  durch  allgemeine 
Kegeln,  sondern  durch  einiges  Urtheil  über  das  Betragen,  welches  sie 
um  sich  sehen.  Die  Beispiele,  die  man  aus  anderen  Zeiten  entlehnt,  um 
den  Einfiuss  einzusehen,  den  das  schöne  Geschlecht  in  die  Weltgeschäfte 
gehabt  hat,  die  mancherlei  Verhältnisse,  darin  es  in  anderen  Zeitaltem 
oder  in  fremden  Landen  gegen  das  männliche  gestanden;  der  Charakter 
beider,  sofern  er  sich  hierdurch  erläutern  lässt,  und  der  veränderliche 
Geschmack  der  Vergnügungen,  machen  ihre  ganze  Geschichte  und  Geo- 
graphie aus/  —  „Ebenso  werden  sie  von  dem  Weltgebäude  nichts  mehr 
zu  kennen  nöthig  haben,  als  nöthig  ist  den  Anblick  des  Himmels  an 
einem  schönen  Abende  ihnen  rührend  zu  machen,  wenn  sie  einiger- 
massen  begriffen  haben,  dass  noch  mehr  Welten ,  und  daselbst  noch 
mehr  schöne  Geschöpfe  anzutreffen  seien.  Gefühl  für  Schildereien  vom 
Ausdrucke  und  für  die  Tonkunst,  nicht  insofern  sie  Kunst,  sondern 
Empfindung  äussert,  alles  dieses  verfeinert  oder  erhebt  den  Geschmack  des 
Weibes  und  hat  jederzeit  einige  Verknüpfung  mit  sittlichen  Regungen.* 

Da  es  „zur  Schönheit  aller  Handlungen  gehört,  dass  sie  Leich- 
tigkeit an  sich  zeigen,  und  ohne  peinliche  Bemühung  scheinen  voll- 
zogen zu  werden,  so  schicken  sich  tiefes  Nachsinnen  und  eine  lange 
fortgesetzte  Betrachtung  nicht  wohl  für  die  Frauen.*7)  „ Mühsames 
Lernen  oder  peinliches  Grübeln*  —  meint  Eant  —  „wenn  es  gleich  eine 
Frau  darin  hoch  bringen  sollte,  vertilgen  die  Vorzüge,  die  ihrem  Ge- 
schlechte eigentümlich  sind,  und  können  dieselben  wohl  um  der  Selten- 
heit willen  zum  Gegenstande  einer  kalten  Bewunderung  machen;  aber 
sie  werden  zugleich  die  Beize  schwächen,  wodurch  sie  ihre  grosse  Ge- 
walt über  das  andere  Geschlecht  ausüben.* 

Gelehrsamkeit  verträgt  sich  eben  so  wenig  mit  der  Natur  als  der 
Bestimmung  des  Weibes.    Alles  Wissen,  welches  der  Stimmung,  dem 


*)  a.  a.  0.  S.  889  ff.       *)  a.  a.  0.  S.  388  fL 


von  Dr.  Benno  BobrJlc.  59$ 

Gefühle,  dem  Wunsche  fremd  bleibt,  ist  eitler  Flitterstaat  und  ver- 
unstaltet das  Weib,  bei  dem  „ungezwungene  Beize  nichts  anders,  als 
eine  schöne  Natur  zeigen  sollen.  ■ 

Wenn  Kant  auch  nicht  so  unhöflich  sich  ausdrückt,  wie  der  Frei- 
herr von  Knigge8),  welcher  gesteht,  „dass  ihn  immer  eine  Art  von 
Fieberfrost  befällt,  wenn  man  ihn  in  Gesellschaft  einer  Dame  gegen- 
über oder  an  die  Seite  setzt,  die  grosse  Ansprüche  auf  Schöngeisterei 
oder  gar  auf  Gelehrsamkeit  macht",  so  sind  ihm  die  gelehrten  Frauen 
doch  eben  so  wenig  sympathisch. 

Borowski9)  ist  überzeugt  davon,  dass  Kant  von  einem  weiblichen 
Wesen,  das  ihn  an  seine  Kritik  der  reinen  Vernunft  erinnert,  oder  über 
die  französische  Revolution,  davon  er  sonst  in  männlicher  Gesellschaft 
sich  leidenschaftlich  unterhielt,  mit  ihm  ein  Gespräch  hätte  anketten 
wollen,  sicher  augenblicklich  sich  weggewandt  haben  würde.  — 

„Ein  Frauenzimmer,*  —  sagt  Kant10)  —  „das  den  Kopf  voll 
Griechisch  hat,  wie  die  Frau  Dacier,  oder  über  die  Mechanik  gründ- 
liche Streitigkeiten  fuhrt,  wie  die  Marquisin  von  Chätelet,  mag  nur 
immerhin  noch  einen  Bart  dazu  haben;  denn  dieser  würde  vielleicht 
die  Miene  des  Tiefsinns  noch  kenntlicher  ausdrücken,  um  welchen  sie 
sich  bewerben.* 

An  einer  anderen  Stelle  ")  meint  er  in  Betreff  der  gelehrten  Frauen, 
„sie  brauchen  ihre  Bücher  etwa  so  wie  ihre  Uhr,  nämlich  sie  zu 
tragen,  damit  gesehen  werde,  dass  sie  eine  haben;  ob  sie  zwar  gemeinig- 
lich still  steht  oder  nicht  nach  der  Sonne  gestellt  ist* 

„Einmal  liess  er*,  wie  Borowski11)  erzählt,  „gegen  eine  vornehme 
Dame,  die  durchaus  mit  ihm  ganz  gelehrt  sprechen  wellte  und,  da  sie 
bemerkte,  dass  er  immer  auswich,  fortwährend  behauptete,  dass  Damen 
doch  auch  wohl  eben  so  gut  gelehrt  sein  können,  als  Männer,  und  dass 


8)  Adolph  Freiherr  von  Knigge:  »Ueber  den  Umgang  mit  Menschen*.  4*  Aafl. 
1792.    2.  Theil.  S.  112. 

9)  Ludw.  Ernst  Borowski,  Darstellung  des  Lebens  und  Characters  Immanuel 
Kants.    Königsberg  1804.    S.  147. 

10)  Imm.  Kant,  Beobacht.  üb.  d.  Gel  <L  Schönen  u.  Erhab,  S.  389. 
u)  Imm.  Kant,  Anthropologie  S.  290. 

la)  Borowski  Lc8,  147. 


600  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

es  wirklich  gelehrte  Frauen   gegeben   hätte,   sich   den   freilich   etwas 
derben  Ausdruck  entfallen:  Nun  ja,  es  ist  auch  darnach. u 

Wenn  ein  langjähriger  Freund  Kant's,  der  Kriegs-  und  Domänen- 
rath  Heilsberg  an  Kraus  schreibt "):  „Kant  behauptete,  dass  die  Frauen 
nirgends  als  in  ihrem  Hause  durch  häusliche  Tugenden  Achtung  ver- 
dienten *,  so  ist  das  in  manchen  Beziehungen  vielleicht  zu  viel  gesagt, 
trifft  aber  doch  im  Ganzen  das,  was  Kant  über  Bildung  und  Bestim- 
mung des  Weibes  dachte.  Es  fixirt  zugleich  den  Standpunkt,  welchen 
Kant  der  heute  zum  Theil  schon  in  practischer  Lösung  begriffenen 
Frauenfrage  gegenüber  unzweifelhaft  eingenommmen  haben  würde.  Dass 
dieser  ein  verneinender  gewesen  wäre,  davon  bin  ich  durchaus  über- 
zeugt, verhehle  auch  nicht,  dass  es  mein  eigener  Standpunkt  ist. 

Wer,  meine  Herren,  würde  nicht  mit  Freuden  und  mit  Dank  jede 
Gelegenheit  begrüssen,  welche  für  die  zahllosen  —  auf  ihren  eigenen  Ver- 
dienst angewiesenen  Mädchen  und  Frauen  das  Feld  ihrer  Thätigkeit  in 
angemessener  Weise  erweiterte?  —  Aber  die  unerlässliche  Bedingung 
dabei  ist,  dass  dieses  Feld  immer  innerhalb  der  dem  Weibe  von  der 
Natur  gezogenen  Grenzen  bleibt.  Sobald  den  körperlichen  Kräften  des 
Weibes  dabei  Zumuthungen  gemacht  werden,  denen  sie  nicht  gewachsen 
sind,  sobald  die  dem  Weibe  angeborene  Schüchternheit  —  sobald  sein 
Zartgefühl  ignorirt,  sobald  die  Regungen  und  Empfindungen  des 
Herzens  denen  des  kalten  Verstandes  vollständig  untergeordnet  werden 
sollen,  kurz,  sobald  das  Weib  aus  seiner  weiblichen  Sphäre  heraus- 
treten muss,  wird  damit  einerseits  die  schöne  Natur  des  Weibes  ver- 
nichtet, —  andererseits  ist  nicht  zu  erwarten,  dass  das  Weib  den  ihm 
obliegenden  Verpflichtungen  werde  gerecht  werden.  —  Werfen  wir  nur 
einen  flüchtigen  Blick  auf  ein  Studium,  welches  den  Frauen  in  manchen 
Ländern  bereits  zugänglich  gemacht  ist  und  dessen  sie  sich  dort  mit 
einer  Art  von  Gier  bemächtigen  —  ich  meine  das  Studium  der  Medizin. 
»Dem  Schönen  ist*  —  nach  Kant ")  —  „nichts  so  entgegengesetzt, 
als  der  Ekel.*    Welche  Fülle  von  Ekel  erregenden  Eindrücken  muss 


,3)  »Kantiana*.    Beiträge  sra  Imm.  Kant's  Leben  und  Schriften  herausg.  von 
Dr.  Bad.  Reicke.    Königsberg  1860.    S.  50. 

")  Kant,  Beobacht.  üb.  d.  Gefühl  d.  Schönen  u.  Erhab.    S.  395. 


ton  Dr.  Benno  ßobrik.  gQ^ 

das  für  alles  Schöne  von  Natur  so  empfängliche  Geniüth  des  Weibes 
beim  Studium  und  bei  Ausübung  dieser  Wissenschaft  überwinden! 
Welche  Beleidigungen  seines  Zartsinns  muss  es  sich  gefallen  lassen! 
Welche  Kegungen  des  Mitgefühls  muss  es  zeitweise  zu  unterdrücken, 
wie  ganz  allein  bei  seinem  eingreifenden  Handeln  immer  nur  diejenige 
Indikation  im  Auge  zu  behalten  verstehen,  welche  es  auf  dem  Wege 
ruhiger  Reflexion  als  die  allein  richtige  erkannt  hat! 

Ich  zweifele  keinen  Augenblick,  es  wird  einzelne  Frauen  geben, 
welche,  durch  männliche  Anlagen  unterstützt,  mit  .männlichem  Sinn 
dieses  Alles  ermöglichen  werden.  Aber  in  Kant's  Augen  würden  sie 
dadurch  sich  nicht  über  das  Weib  erhoben  haben,  sondern  tief  unter 
dasselbe  gesunken  sein.  Die  Beize,  mit  denen  die  Natur  ihren  Gemüths- 
charakter  ausstattete,  und  mit  denen  sie  des  Mannes  Herz  bezaubern, 
sind  verloren  gegangen,  dem  Princip  der  Natur,  welches  sie  zur  Gattin, 
zur  Mutter  —  kurz  für  das  häusliche  Leben  bestimmte,  ist  Hohn 
gesprochen.  — 

Weil  eben  alle  unterscheidenden  Anlagen  des  Geistes  und  Herzens 
bezeugen,  dass  das  Weib  für  das  Haus  bestimmt  ist,  verlangt  Kant, 
dass  die  Frauen  ihrer  allgemeinen  Ausbildung  unbeschadet,  sich  auch 
für  die  speciellen  Zwecke  als  Gattin  und  Hauswirthin  gehörig  ausbilden 
sollen,  um  ihre  künftige  Bestimmung  ganz  zu  erfüllen.  Zu  dem  Ende 
hielt  er  es,  wie  Jachmann  schreibt, l5)  für  räthlich,  dass  man  seine 
Tochter  ebenso  von  einem  Koch  eine  Stunde  in  der  Kochkunst  unter- 
richten lassen  möchte,  als  von  dem  Musikmeister  in  der  Tonkunst,  weil 
sie  sich  bei  ihrem  künftigen  Manne,  er  sei,  wer  er  wolle,  Gelehrter 
oder  Geschäftsmann,  weit  mehr  Achtung  und  Liebe  erwerben  würde, 
wenn  sie  ihn  nach  vollbrachter  Arbeit  mit  einer  wohlschmeckenden 
Schüssel  ohne  Musik,  als  mit  einer  schlechtschmeckenden  mit  Musik 
aufnehmen  möchte.  —  Als  Jemand  Kant  erzählte,  dass  in  Schottland 
in  den  besten  Häusern  der  Gebrauch,  den  Töchtern  in  der  Kochkunst 
von  einem  Koche  Lectionen  geben  zu  lassen,  wirklich  stattfinde,  hörte 


")  Reinh.  Beruh.  Jachmann :  Imm.  Kant  geschildert  in  Briefen  an  einen  Freund. 
Königsberg  1804.    15.  Brief.    S.  171  ff. 

Altpr.  MonAUMhrift  Bd.  XIV.  Hft.  7  o.  8.  39 


602  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

er  nicht  allein  mit  Vergnügen  zu,  sondern  pflegte  diese  Erzählung  auch 
öfters  zur  Bekräftigung  seines  Bathes  anzuführen,  um  jeden  Hausvater 
zur  Benutzung  dieses  Bildungsmittels  bei  seinen  Töchtern  desto  ge- 
neigter zu  machen. 

Ueberhaupt  kam  Kant  in  der  Unterhaltung  mit  Frauen  gerne 
auf  Angelegenheiten,  die  sich  aufs  Haus-  und  Küchenwesen  beziehen. 
Einmal ,  erzählt  uns  Borowski, ,6)  als  eben  sein  Gespräch  über  Zube- 
reitungen der  Speisen  etwas  ausführlich  ward,  sagte  ihm  eine  würdige, 
auch  von  ihm  sehr  geschätzte  Dame:  „Es  ist  doch,  lieber  Herr  Pro- 
fessor, wirklich,  als  ob  sie  uns  alle  blos  für  Köchinnen  ansehen8.  Und 
da  war  es  nun  eine  Freude  zu  hören,  mit  welcher  Gewandtheit  und 
Feinheit  Kant  es  auseinandersetzte,  dass  Kenntniss  des  Küchenwesens 
und  die  Direction  davon  jeder  Frau  wahre  Ehre  sei;  —  dass  durch 
Erfreuungen  und  Erquickungen  des  Mannes,  der  von  seinem  geschäfte- 
vollen Vormittage  nun  müde  und  matt  an  den  Tisch  käme,  sie  eigentlich 
sich  selbst  Erfreuungen  für  ihr  Herz,  erheiternde  Tischgespräche  u.  s.  f. 
verschaffe.  Wirklich,  er  zog  die  Herzen  aller  Damen  durch  diese 
Auseinandersetzungen,  die  er  lebhaft  und  launig  vortrug,  ganz  an  sich. 
Jede  wollte  nun  von  ihrem  Manne  das  Zeugniss  an  den  Professor  haben, 
dass  sie  eine  solche  Frau  sei;  jede  in  der  Gesellschaft  bot  sich  dazu 
an,  ihm,  wenn  er  Fragen,  die  zum  Haus-  und  Küchenwesen  gehörten, 
ihnen  vorlegen  wollte,  diese  willig  und  prompt  zu  beantworten.  — 

Doch,  meine  Herren,  um  die  Charakteristik  des  Weibes  nach  Kant 
zu  vervollständigen,  müssen  wir  dasselbe  noch  in  seinen  Beziehungen 
zum  Manne  betrachten. 

„Zur  Einheit  und  Unauflöslichkeit  einer  Verbindung",  sagt  Kant "), 
„ist  das  beliebige  Zusammentreten  zweier  Personen  nicht  hinreichend; 
ein  Theil  musste  dem  andern  unterworfen  und  wechselseitig  einer 
dem  andern  irgend  worin  überlegen  sein,  um  ihn  beherrschen  oder  re- 
gieren zu  können.  Denn  in  der  Gleichheit  der  Ansprüche  zweier, 
die  einander  nicht  entbehren  können,  bewirkt  die  Selbstliebe  lauter  Zank. 
Ein  Theil  muss  im  Fortgange  der  Cultur  auf  heterogene  Art  über- 


")  Borowski  LcS.  148.       ")  Kant,  Anthropologie  S.  283  ff. 


von  Dr.  Benno  ßobrik,  g03 

legen  sein:  der  Mann  dem  Weibe  durch  sein  körperliches  Vermögen 
und  [seinen  Muth,  das  Weib  aber  dem  Manne  durch  ihre  Naturgabe 
sich  der  Neigung  des  Mannes  zu  ihr  zu  bemeistern." 

„Die  Natur  will,  dass  das  Weib  gesucht  werde,  daher  verhält  sich 
das  Weib  weigernd,  der  Mann  bewerbend;  ihre  Unterwerfung  ist 
Gunst.*  „Daher  musste  sie  selbst  nicht  so  delikat  in  der  Wahl  nach 
Geschmack  sein  als  der  Mann.8  —  „Eine  Frau  ist  darüber  wenig 
verlegen,  dass  sie  gewisse  hohe  Eigenschaften  nicht  besitze,  dass  sie 
furchtsam  und  zu  wichtigen  Geschäften  nicht  aufgelegt  ist  u.  s.  w.  — 
sie  ist  schön  und  nimmt  ein,  und  das  ist  genug.  Dagegen  fordert  sie 
alle  diese  Eigenschaften  vom  Manne,  und  die  Erhabenheit  ihrer  Seele 
zeigt  sich  nur  darin,  dass  sie  diese  edlen  Eigenschaften  zu  schätzen 
weiss,  sofern  sie  bei  ihm  anzutreffen  sind.  Wie  würde  es  sonst  wohl 
möglich  sein,  dass  so  viele  männliche  Fratzengesichter,  ob  sie  gleich  Ver- 
dienste besitzen  mögen,  so  artige  und  feine  Frauen  bekommen  könnten.11 ") 

„Er  liebt  den  Hausfrieden  und  unterwirft  sich  gerne  ihrem 
Regiment,  um  sich  nur  in  seinen  Geschäften  nicht  behindert  zu  sehen. 
Sie  scheut  den  Hauskrieg  nicht,  den  sie  mit  der  Zunge  führt,  und 
zu  welchem  Behuf  die  Natur  ihr  Redseligkeit  und  effectvolle  Beredheit 
gab,  die  den  Mann  entwaffnet.  Er  fusst  sich  auf  das  Recht  des 
Stärkeren,  im  Hause  zu  befehlen,  weil  er  es  gegen  äussere  Feinde 
schützen  soll,  Sie  auf  das  Recht  des  Schwächeren:  vom  männlichen 
Theile  gegen  Männer  geschützt  zu  werden  und  macht  durch  Thränen 
der  Erbitterung  den  Mann  wehrlos,  indem  sie  ihm  seine  Ungross- 
müthigkeit  vorwirft.  • ,8) 

9Der  Mann  bewirbt  sich  in  der  Ehe  nur  um  seines  Weibes, 
die  Frau  aber  um  aller  Männer  Neigung;  sie  putzt  sich  nur  für  die 
Augen  ihres  Geschlechts  aus  Eifersucht,  andere  Weiber  in  Beizen  oder 
im  Vornehmthun  zu  übertreffen:  der  Mann  hingegen  für  das  weibliche; 
wenn  man  das  Putz  nennen  kann,  was  nur  soweit  geht,  um  seiner  Frau 
durch  seinen  Anzug  nicht  Schande  zu  machen/10) 


")  Kant,  Beobacht.  üb.  d.  Gefühl  des  Schönen  u.  Erbab.    S.  406. 
")  Kant,  Anthropologie.    S.  284. 
>0)  Ebd.  S.  289  ff. 

39* 


604  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

„Der  Mann  ist  eifersüchtig,  wenn  er  liebt,  die  Frau  auch,  ohne 
dass  sie  liebt.8 

„Der  Mann  hat  Geschmack  für  sich,  die  Frau  macht  sich  selbst 
zum  Gegenstande  des  Geschmacks  für  Jedermann.* 

„Die  Ehre  des  Mannes  besteht  in  der  Schätzung  seiner  selbst,  die 
des  Weibes  in  dem  Urtheil  Anderer;1421)  denn:  »Was  die  Welt  sagt, 
ist  wahr  und  was  sie  thut,  gut,  ist  ein  weiblicher  Grundsatz.*") 

„Der  Mann  ist  leicht  zu  erforschen,  die  Frau  verräth  ihr  Geheim- 
niss  nicht,  obgleich  anderer  ihres  (wegen  ihrer  Sedseligkeit)  schlecht 
bei  ihr  verwahrt  ist.* 

„Der  Mann  beurtheilt  weibliche  Fehler  gelind,  die  Frau  aber 
(öffentlich)  sehr  strenge  und  junge  Frauen,  wenn  sie  die  Wahl  hätten, 
ob  ihr  Vergehen  von  einem  männlichen  oder  weiblichen  Gerichtshofe 
abgeurtheilt  werden  solle,  würden  sicher  den  ersten  zu  ihrem  Richter 
wählen.*  — 

„Sie  ist  empfindlich  —  Er  empfindsam;  sie  setzt  der  Unge- 
rechtigkeit Thränen  —  Er  Zorn  entgegen." 

„Sie  fragt  nicht  nach  der  Enthaltsamkeit  des  Mannes  vor  der  Ehe; 
ihm  aber  ist  an  derselben  auf  Seiten  der  Frau  unendlich  viel  gelegen.* 

„Das  Weib  wird  durch  die  Ehe  frei  —  der  Mann  verliert  dadurch 
seine  Freiheit.* 

„Des  Mannes  Wirthschaft  ist  Erwerben,  die  des  Weibes  Sparen.* 

„Die  Frau  will  herrschen,  der  Mann  beherrscht  sein  (vornehmlich 
vor  der  Ehe).* 

Wer  soll  denn  aber  den  oberen  Befehl  im  Hause  haben?  Denn 
nur  einer  kann  es  doch  sein,  der  alle  Geschäfte  in  einen  mit  diesen 
seinen  Zwecken  übereinstimmenden  Zusammenhang  bringt.  Kant  sagt: 
„Ich  würde  in  der  Sprache  der  Galanterie  (doch  nicht  ohne  Wahrheit) 
sagen:  die  Frau  soll  herrschen  —  und  der  Mann  regieren;  denn 
die  Neigung  herrscht  und  der  Verstand  regiert.* 


S1)  Kaut's  Fragmente  aas  seinem  Nacblass  hrsg.  von  F.  W.  Schubert.  11.  Thl. 
1.  Abth.  S.  221.    Bemerk,  zu  d.  Beobacht.  üb.  d.  Gefühl  d.  Schönen  u.  Erbab. 
")  Kant,  Anthropologie.    S.  290  ff. 


Ton  Du  Benno  Bobrik*  gQ5 

„Im  Uebrigen  soll  in  dem  ehelichen  Leben  das  vereinigte  Paar 
gleichsam  eine  einzige  moralische  Person  ausmachen,  welche  durch  den 
Verstand  des  Mannes  und  den  Geschmack  der  Frau  belebt  und  regiert 
wird.  Es  ist  in  einem  solchen  Verhältnisse  ein  Vorzugstreit  läppisch, 
und  wo  er  sich  ereignet,  das  sicherste  Merkmal  eines  plumpen  oder 
ungleich  gepaarten  Geschmacks.  Wenn  es  dahin  kommt,  dass  die  Bede 
vom  Rechte  des  Befehlshabers  ist,  so  ist  die  Sache  schon  äusserst 
verderbt:  denn  wo  die  ganze  Verbindung  eigentlich  nur  auf  Neigung 
errichtet  ist,  da  ist  sie  schon  halb  zerrissen,  sobald  sich  das  Sollen 
anfängt  hören  zu  lassen/29) 

»Das  Weib  in  jedem  Alter  wird  für  bürgerlich  -  unmündig  er- 
klärt: der  Ehemann  ist  ihr  natürlicher  Curator.  Wenn  sie  aber  mit 
ihm  in  getheilten  Gütern  lebt,  ist  es  ein  Anderer.  Denn  obgleich  das 
Weib  nach  der  Natur  ihres  Geschlechts  Mundwerk  genug  hat,  sich  und 
ihren  Mann,  wenn  es  aufs  Sprechen  ankommt,  auch  vor  Gericht  (was 
das  Mein  und  Dein  betrifft)  zu  vertreten,  mithin  dem  Buchstaben  nach 
gar  für  übermündig  erklärt  werden  könnte,  so  können  die  Frauen 
doch,  so  wenig  es  ihrem  Geschlechte  zusteht  in  den  Krieg  zu  ziehen, 
ebensowenig  ihre  Bechte  persönlich  vertheidigen  und  staatsbürgerliche 
Geschäfte  für  sich  selbst,  sondern  nur  vermittelst  eines  Stellvertreters 
treiben,  und  diese  gesetzliche  Unmündigkeit  in  Ansehung  öffentlicher 
Verhandlungen  macht  sie  in  Ansehung  der  häuslichen  Wohlfahrt  nur 
desto  vermögender,  weil  hier  das  Recht  des  Schwächern  eintritt,  welches 
zu  achten  und  zu  vertheidigen  sich  das  männliche  Geschlecht  schon 
durch  seine  Natur  berufen  fühlt."24) 

Es  geschieht  garnicht  selten,  dass  Aeusserungen  berühmter  Männer, 
welche  von  diesen  gelegentlich  einmal  hingeworfen  oder  auf  einen 
ganz  speciellen  Fall  bezüglich  gethan  worden  sind,  von  irgend  einem 
Zeitgenossen  uns  als  deren  allgemein  gültige  Meinung  mitgetheilt  werden, 
wodurch  bei  Jedem,  der  nicht  in  der  Lage  ist  der  Sache  prüfend  näher 
treten  zu  können,  sehr  leicht  ganz  verkehrte  Vorstellungen  über  die 


")  Kant,  Beobacht  üb.  d.  Gefühl  d.  Schönen  u.  Erhab.    S.  293. 
")  Kant,  Anthropologie.    S.  135. 


ßQß  Immanuel  Kanta  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

eigentliche  Ansicht  Jener  erzeugt  werden  können.  So  theilt  Professor 
Metzger  mit is):  „Kant  war  Misogyn  d.  h.  er  hatte  keine  günstige  Meinung 
von  dem  Glück  des  Ehestandes  und  der  Gabe  des  Weibes  dem  Manne, 
wenn  sie  will,  Blumen  auf  den  Pfad  seines  Lebens  zu  streuen.  Er 
behauptete,  das  conjugium  beweise  schon  hinlänglich,  dass  beide  Ehe- 
leute an  einem  Joche  tragen;  und  in  ein  Joch  gespannt  sein,  könne 
doch  keine  Glückseligkeit  genannt  werden."  —  Ferner  schreibt  Jach- 
mann "):  „Uebrigens  dachteer  über  den  Ehestand  ganz  wie  der  Apostel 
Paulus  1.  Chorinter  7,  7—8  und  bestätigte  dies  noch  durch  das  Ürtheil 
einer  sehr  verständigen  Ehefrau,  welche  ihm  öfters  gesagt  hatte:  ist 
Dir  wohl,  so  bleibe  davon.*  — 

Doch,  meine  Herren!  es  wäre  falsch,  wenn  man  aus  diesen,  vielleicht 
bei  Tische  einmal  hingeworfenen  Aeusserungen  des  sechszig-  bis  siebzig- 
jährigen Mannes  schliessen  wollte,  dass  Kant  überhaupt  ein  abgesagter 
Feind  des  Ehestandes  gewesen  sei.  Er  hielt  den  Ehestand  nicht  nur  für 
ein  noth wendiges  Bedürfhiss,  sondern  er  rieth  selbst  seinen  Freunden, 
die  er  durch  eine  gute  Parthie  zu  beglücken  wünschte,  und  deren  Stand 
die  Ehe  räthlich  machte,  die  Heirath  an  und  sorgte  sogar  selbst  für 
eine  gute  Wahl.  Allerdings  hatte  er  dabei  seine  eigenen  Grundsätze. 
Er  war  der  Meinung  dass,  wenn  man  bei  der  Wahl  einer  Gattin  noch 
auf  ein  sinnliches  Motiv  sehen  wolle,  man  lieber  auf  Geld  Bücksicht 
nehmen  möchte,  weil  dieses  länger,  als  alle  Schönheit .  und  aller  Beiz 
vorhalte,  zum  soliden  Lebensglücke  sehr  viel  beitrage  und  selbst  das 
Band  der  Ehe  fester  knüpfe,  weil  der  Wohlstand,  in  welchen  sich  der 
Mann  dadurch  versetzt  sieht,  ihn  wenigstens  mit  liebenswürdiger  Dank- 
barkeit gegen  seine  Gattin  erfülle.27) —  „Er  pflegte  öfters  anzufahren: 
ein  verständiger  Mann,  Herr  C,  habe  zweimal  geheirathet,  die  erste 
Frau,  welche  nichts  weniger  als  wohlgestaltet  gewesen,  habe  er  vor- 
züglich ihres  Vermögens  wegen  gewählt;  die  andere,  ein  schönes  Frauen- 
zimmer, habe  er  aus  herzlicher  Liebe  genommen;  am  Fnde  aber  doch 
gefunden,  dass  er  mit  beiden  gleich  glücklich  gewesen  wäre.*18)  — 


SB)  »Aeusserungen  über  Kant,  seinen  Charakter  u.  seine  Meinungen.  Von  einem 
billigen  Verehrer  seiner  Verdienste.*    1804.    S.  10—11. 

»«)  Jachmann  1.  c.  S.  94.     *7)  Ebenda.    *•)  Ebd.  S.  98. 


von  Dr.  Benno  Bobrik.  607 

Für  einen  Bruder  Jachmann's  hatte  er  schon  mehrere  Monate 
vor  dessen  Zurückkunft  aus  England,  Demoiselle  B.  —  damals  eines 
der  reichsten  Mädchen  in  Königsberg  ausgesucht,  und  schon  am  ersten 
Tage  seines  Besuches  legte  ihm  Kant  diese  Wahl  mit  solcher  Theil- 
nakme  an's  Herz  und  erbot  sich  selber  so  dringend  als  Freiwerber, 
das3  jenes  Geständniss,  er  habe  bereits  nach  seinem  Herzen  gewählt, 
ihm  wirklich  unangenehm  war.29)  — 

Er  selbst  konnte  dagegen  Aufmunterungen  zum  Heirathen  gar- 
nicht  leiden  und  ging  mit  Unwillen  aus  einer  Gesellschaft  in  welcher 
ihm  auch  nur  zum  Scherz  dazu  Vorschläge  geschahen.30)  Dabei  will 
ich  nicht  unerwähnt  lassen,  welchen  höchst  sonderbaren  Heirathsplan 
der  Pfarrer  Becker  mit  Kant  noch  in  seinem  69.  Lebensjahre  hatte. 31) 
Eines  Tages  kommt  Becker  zu  Kant  und  fängt  an  dem  Greise  das 
Angenehme  und  Wünschenswerte  des  ehelichen  Standes  auseinander- 
zusetzen. Wie  Kant  versichert,  dass  er  dieses  Alles  ffir  Scherz  auf- 
nehme, so  zieht  Becker  eine  kleine  gedruckte  Piece  aus  der  Tasche, 
betitelt:  „Raphael  und  Tobias  oder  das  Gespräch  zweier  Freunde  über 
den  Gott  wohlgefälligen  Ehestand",  überreicht  sie  dem  Professor  mit 
der  Versicherung,  dass  er  sie  hauptsächlich  für  ihn  habe  drucken  lassen 
und  zwar  in  der  Hoffnung,  dass  der  Inhalt  dieser  Abhandlung  ihn 
noch  zur  Ehe  bewegen  würde.  Kant,  welcher  mit  Freundlichkeit  den 
Raphael  und  Tobias  annahm  und  den  Verfasser  für  gehabte  Mühe  und 
Druckkosten  entschädigte,  hatte  seine  grosse  Freude  an  dieser  Geschichte 
und  gab  sie  später  in  launigster  Weise  seinen  Tischgenossen  zum  Besten. 

Es  liegt  hier  ausserordentlich  nahe,  zu  fragen,  ob  Kant  selbst  denn 
niemals  geliebt  habe  oder  ob  etwa  sein  Hang  nach  metaphysischen 
Speculationen  und  wissenschaftlichen  Beschäftigungen  ihm  anriethen 
der  Ehe  zu  entsagen? 

Meine  Herren!  Kant  hat  geliebt,  —  Er  hat  zweimal  die  ernste 
Absicht  gehabt  sich  zu  verheirathen ;  aber  allerdings  war  er  damals  nicht 
mehr  im  Jünglingsalter,  wo  man  sich  schnell  bestimmt  und  rasch  wählt. 


")  Jachmann  1.  c.  S.  95. 

«0  »Kantiana«:  Wald's  Gedachtnissrede,  S.  12. 

31)  Jachmann  1.  c.  S.  55.    6.  Brief. 


ßOg  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

Einmal  fiel  seine  Neigung  auf  eine  junge  schöne  und  sandte 
auswärtige  Wittwe,  welche  zum  Besuche  ihrer  Angehörigen  hergekommen 
war.  Er  läugnete  nicht,  dass  es  eine  Frau  wäre,  mit  der  er  gerne 
leben  würde,  berechnete  Einnahme  und  Ausgabe  und  schob  die  Ent- 
Schliessung einen  Tag  nach  dem  andern  auf.  Die  schöne  Wittwe  be- 
suchte noch  Freunde  im  Oberlande  und  gab  dort  einem  rechtschaffenen 
Manne  ihre  Hand,  der.  schneller  als  Kant  im  Entschliessen  und  Zusage- 
fordern war. 

Das  zweite  Mal  rührte  ihn  ein  hübsches  Westphälisches  Mädchen, 
welches  als  Beisegesellschafterin  einer  Edelfrau,  die  in  Preussen  Be- 
sitzungen hatte,  mitgebracht  war.  Kant  war  mit  dieser  artigen,  zu- 
gleich häuslich  erzogenen  Person  gerne  in  Gesellschaft;  und  liess  sich's 
oft  merken,  säumte  aber  wieder  so  sehr  mit  seinen  Anträgen,  dass  er 
sich  vornahm  einen  Besuch  bei  ihr  abzustatten,  als  sie  mit  ihrer  Ge- 
bieterin sich  schon  an  der  Westphälischen  Grenze  befand.33) 

Nach  einer  Anmerkung  von  Kraus  zu  Wald's  Gedächtnissrede  auf 
Kant33)  scheint  es,  dass  Kant  noch  einmal  Lust  verspürt  hat  sich  zu 
verehelichen  und  zwar  mit  einer  Königsbergerin  —  und  ich  habe  Grund 
anzunehmen,  dass  dieses  Mädchen  die  am  12.  August  1826  im  Alter 
von  achtzig  Jahren  verstorbene  verwittwete  Frau  Obereinnehmer  Louise 
Rebecca  Ballath  geb.  Fritz  gewesen  ist.34)  Von  dieser  ist  mir  durch 
eine  sehr  ehrenwerthe  Dame*),  in  deren  älterhchem  Hause  die  Frau 
Ballath  ein-  und  ausging,  die  Mittheilung  zugegangen,  dass  sie  oft  und 
viel  und  immer  mit  stolzem  Rühmen  davon  erzählte,  dass  Kant  sie 
einst  geliebt  habe. 

Was  Kant  selbst  darüber  fallen  liess,  ging  —  nach  Kraus  —  dar- 
auf hinaus,  dass  bei  näherer  Ansicht  das  Gleissende  sehr  geschwunden 
sei  d.  h.  dass  Kant  eine  seiner  würdige  weibliche  Seele  da  nicht  ge- 
funden habe. 


32)  »Kantiana4 :  Wald's  Gedächtnissrede,  S.  12.  —  Aus  einem  Brief  Heilsbergs 
S.  51.    Vgl.  auch  Borowski  1.  c.  S.  146. 

«)  »Kantiana«  S.  12  Anm.  16. 

M)  Dieselbe  wohnte  nach  einer  ans  dem  Todtenregister  der  Haberberger  Kirche 
entnommenen  Notiz:  Steindamm  rechte  Strasse  No.  120. 
*)  Die  verw.  Frau  Major  Amalie  von  Eatzeler. 


▼on  Dr.  Benno  Bobrik.  609 

Wenn  Kant  also  auch  selber  nicht  verheirathet  war,  so  hatte  er 
doch  selbst  in  seinem  höchsten  Alter  noch  Sinn  und  Gefühl  für  weib- 
liche Schönheit  und  Beize.  —  An  einer  jungen  Engländerin  (Miss  A.) 
—  welche  sich  einige  Zeit  im  Hause  seines  Freundes  Motherby  auf- 
hielt und  für  dessen  ältesten  Sohn  zur  Braut  bestimmt  war,  fand  Kant 
noch  in  seinem  siebzigsten  Jahre  ein  so  besonderes  Wohlgefallen,  dass 
er  sie  bei  Tische  stets  auf  der  Seite  seines  gesunden  Auges  Platz  zu 
nehmen  bat. 35)  —  Ueberhaupt  liebte  er  den  Umgang  mit  gebildeten 
Damen  und  Hess  sich  gerne  in  Unterhaltung  mit  ihnen  ein  und  war 
überzeugt  davon,  dass  Nichts  so  geschickt  sei  die  letzte  Hand  an  die 
Bildung  eines  Jünglings  zu  legen,  seine  Sitten  zu  verfeinern  und  zu 
veredeln,  als  der  Umgang  mit  gebildeten  und  gesitteten  Frauen.  Ja, 
er  hielt  die  Benutzung  dieses  Bildungsmittels  für  ebenso  nothwendig, 
als  die  Sorge  für  die  Ausbildung  des  Geistes  und  für  die  Vermehrung 
von  Kenntnissen  und  Geschicklichkeiten  und  war  daher  der  Meinung, 
dass  ein  junger  Mann,  der  sich  für  die  Welt  ausbilden  will,  Gesell- 
schaften gebildeter  Damen  so  oft  besuchen  müsse,  als  nicht  besondere 
höhere  Pflichten  es  ihm  verbieten.  Kant  selber  hatte  den  Ton  des 
feineren  Umganges,  den  er  für  sein  ganzes  Leben  fest  hielt  und  in 
allen  Beziehungen  des  bürgerlichen  Lebens,  des  Lehrers  und  des  Schrift- 
stellers in  Handlung  und  Ausdruck  durchblicken  liess,  ferner  die  Kunst 
des  gefälligen  Erzählens,  mit  der  er  auch  weniger  Gebildete  auf  eine 
überraschende  Weise  zu  fesseln  verstand,  lediglich  dem  langjährigen 
Umgange  in  Häusern  zu  verdanken,  in  denen  er  mit  den  feingebildetsten 
Frauen  damaliger  Zeit  in  nächste  Berührung  kam. ")  Keine  Frau  hat 
jedoch  einen  so  sichtlichen  Einfluss  in  dieser  Beziehung  auf  Kant  ge- 
übt, als  die  Gräfin  von  Kayserling,  eine  Dame,  von  der  er  selbst  be- 
hauptete: „dass  sie  die  Zierde  ihres  Geschlechts  war.* 

Als  der  Beichsgraf  Heinrich  Christian  von  Kayserling,  ein  Mann 
von  den  ausgezeichnetsten  Eigenschafben  des  Geistes  und  Herzens, 
welcher  in  Leipzig,  Halle,  Frankfurt  a.  M.  studirt,  demnächst  eine 


35)  Jachmann  1.  c.  S.  96. 

")  Friedr.  Wilh.  Schubert,  1.  Kants  Biographie,  sämmtliche  Werke.   11.  Theil. 
2.  Abtii.  S.  82. 


610  Immanuel  Kants  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht 

glänzende  diplomatische  Carriere  in  sächsischen,  österreichischen  und 
rassischen  Diensten  durchgemacht  hatte,  nach  der  ersten  Theilung 
Polens  sich  von  den  Staatsgeschäften  zurückzog  und  seit  1772  fast 
ausschliesslich  in  Königsberg  lebte,  war  Eant,  welcher  ursprünglich 
als  Erzieher  des  Stiefsohnes  desselben  engagirt  war,  der  tägliche  Gast, 
—  später  Freund  der  gräflichen  Familie.  —  Die  geistvolle  Gemahlin 
des  Grafen,  Caroline  Charlotte  Amalie  geb.  Gräfin  Truchsess  von 
Waldburg,  welche  mit  der  einnehmendsten  Liebenswürdigkeit  des  Be- 
nehmens die  feinste  geistige  Bildung  verband,  welche  u.  A.  die  Philo- 
sophie Gottscheds  ins  Französische  übersetzt,  auch  Antheil  an  den  von 
ihrem  Manne  1781  herausgegebenen  „Nachrichten  aus  dem  Monde"  hatte 
und  in  der  Malerei  ein  so  hervorragendes  Talent  bewies,  dass  sie  von 
der  Berliner  Akademie  der  Künste  und  mechanischen  Wissenschaften 
zum  Ehrenmitgliede  ernannt  wurde,  —  diese  Dame  war  damals  die 
Tonangeberin  für  die  Gesellschaft  der  höheren  Stände  in  Königsberg. 

In  dem  gastlichen  Kayserling'schen  Palais,  demselben,  welches 
gegenwärtig  dem  Commandirenden  General  als  Dienstwohnung  dient, 
versammelte  sich  Alles,  was  Königsberg  und  Umgegend  von  hervor- 
ragenden Talenten  und  Persönlichkeiten  besass.  „Der  Unterschied  des 
Standes  vermochte  niemals  die  heitere  Geselligkeit  zu  stören,  denn  einem 
jeden  der  Gäste  wurden  die  ihnen  gebührenden  Aufmerksamkeiten  mit 
gleicher  Achtung  erwiesen  und  so  mit  zarter  Sorgfalt  innere  und  äussere 
Harmonie  geschaffen  und  erhalten.  ■  Der  vertrauteste  Umgang  mit  den 
gelehrtesten  Männern  jener  Zeit,  einem  Kant,  Hamann,  Hippel,  Scheffher 
und  anderen  wurde  von  Kayserling  und  seiner  Gemahlin  9  nicht  gesucht, 
um  sich  den  Schein  von  Beschützern  der  Wissenschaften  zu  geben, 
sondern  dieser  Umgang  war  ihnen  Bedürfhiss,  in  den  begabten  Dienern 
der  Wissenschaft  ehrten  sie  diese  selbst.  •") 

Kant  bildete  bald  die  belebende  Seele  des  Geist  durchwehten  Lebens 
in  diesem  Hause  und  die  Reichsgräfin  fand  an  seiner  Gesellschaft  so 
ausnehmendes  Gefallen,  dass  Kant  bei  Tische  immer  auf  der  Ehren- 


*7)  Stammtafeln,  Nachrichten  and  Urkunden  von  dem  Geschlechte  derer  von 
Keyserlingk,  zusammengetragen  v.  H.  A.  L  Freih.  v.  Keysexlingk.  Berlin  1853.  S.  66. 


von  Dr.  Benno  Bobrik.  g21 

stelle  unmittelbar  der  Gräfin  zur  Seite  sitzen  musste,  falls  nicht  zu- 
fällig ein  ganz  Fremder  da  war,  dem  man  convenienzmässig  diese  Stelle 
einräumen  musste.39)  Die  Frau  von  der  Recke  schreibt:  „Oft  sah  ich 
Kant  hier  so  liebenswürdig  unterhaltend,  dass  man  nimmer  den  tief 
abstracten  Denker  in  ihm  geahnt  hätte,  der  eine  solche  Revolution  in 
der  Philosophie  hervorbrachte.  Im  gesellschaftlichen  Gespräche  wusste 
er  bisweilen  sogar  abstracto  Ideen  in  ein  liebliches  Gewand  zu  kleiden 
und  klar  setzte  er  jede  Meinung  auseinander,  die  er  behauptete.  An- 
muthtsvoller  Witz  stand  ihm  zu  Gebote  und  —  bisweilen  war  sein 
Gespräch  mit  leichter  Satyre  gewürzt,  die  er  immer  mit  der  trockensten 
Miene  anspruchslos  hervorbrachte."30) 

Der  mannigfachste  Stoff  aus  der  französischen,  italienischen  und 
englischen  Litteratur,  wie  aus  den  Wechselfällen  des  politischen  Lebens 
bildete  die  tägliche  Nahrung  für  die  Tischgespräche  im  Kayserling'schen 
Hause  und  diese  Art  von  Tischunterhaltungen  in  fortwährendem  Wechsel 
über  Gegenstände  der  Wissenschaft  und  der  Tagesgeschichte  wurden 
von  dieser  Zeit  ab  Kaut's  liebste,  späterhin  fast  seine  einzige  Unter- 
haltung, der  er  auch  bei  der  grössten  Hinfälligkeit  seines  Greisenalters 
nicht  entsagen  mochte.  Sie  wissen  ja  Alle,  meine  Herren,  dass  Kant 
in  den  letzten  Jahren  zu  dem  Ende  sich  taglich  einige  seiner  Freunde 
zu  Tische  lud.  — 

Es  war  eine  schöne  und  eines  treuen  Freundes  würdige  Idee,  dass 
Motherby  dieser  Lieblingssitte  Kant's  dadurch  eine  bleibende  Erinnerung 
bereitete,  dass  er  nach  dem  Tode  des  grossen  Weisen  an  der  ersten 
Wiederkehr  seines  Geburtstages  am  22.  April  1805  die  Männer,  welche 
Kant  im  Jahre  vorher  zu  Tische  um  sich  versammelt  hatte,  zu  einem 
geselligen  Mittagsmahle  berief,  „zum  Erinnerungsfeste  seines  Werthes 
als  Mensch  und  Freund B  —  und  mit  ihnen  die  jährliche  Feier  dieses 
Tages  beschloss.  — 

Wenn  Motherby  in  der  Einladung  dazu  sagt:40)  »Kant  wird  als  vor- 
züglicher Denker   der  Welt  unvergesslich  bleiben  —  möge  Er  von 


38)  »Kantiana«  S.  60. 

39)  Borowski  1.  c.  S.  150. 

40)  Aoten  der  Gesellschaft  der  Freunde  und  Verehrer  I.  Kant's  in  Königsberg. 


612      Immanuel  Kants  Ansichten  üb,  d,  weibK  Geschlecht  t.  Dr.  B.  Bobrik. 

uns,  die  wir  ihn  handeln  sahen,  nie  vergessen  werden  *  —  so  knüpfe 
ich  daran  den  Wunsch,  mag  Er  auch  uns,  die  wir  uns  im  Sinne  der 
einstigen  Stifter  dieser  Liebesmahle  alljährig  hier  vereinen  und  die  wir 
leider  des  Glückes  nicht  mehr  theilhaftig  gewesen  sind  den  grossen 
Mann  »zu  kennen,  welcher  so  lebte,  wie  er  lehrte,  mag  Kant  auch  uns 
ewig  unvergesslich  sein!  — 

Seinem  Andenken  weihen  wir  dieses  volle  Glas!! 


Heber  die  Lage  von  Truso  nnd  über  die  Möglichkeit, 

dieselbe  wieder  aufzufinden. 

Vortrag  gebalten  in  der  Alterthamggesellschaft  in  Elbing  am  6.  Dezember 

von 

I>r.  Anger. 

Wulfstan  sagt  in  seinem  Bericht:  Thonne  cymedt  Ilfing  eastan  in 
Estmere  of  tham  mere  the  TrÜso  standedh  in  stadhe,  d.  h.  „Dann 
kommt  der  Elbing  gegen  (im)  Osten  in's  Estenmeer  ans  jenem  Meere, 
an  dessen  Gestade  Truso  steht". 

Unser  verehrte  Mitbürger,  der  vor  einigen  Jahren  verstorbene  Stadt- 
rath  F.  Neumann,  hat  in  einer  grösseren  Abhandlung:  „Ueber  die  Lage 
von  Wulfstan's  Truso,  Wislemund  und  Witland*  (Preussische  Pro- 
vinzialblätter  VII,  p.  291)  die  mit  gewichtigen  Gründen  unterstützte 
Ansicht  ausgesprochen,  dass  jenes  Wulfstanische  Truso  da  gelegen 
habe,  wo  jetzt  das  Dorf  „Preuschmark*  steht.  Das  wahre  Grundwort 
in  dem  Namen  sei  nicht  „Mark*,  sondern  „Markt";  denn  so  nennen 
ihn  zuerst  zwei  Urkunden  vom  Jahre  1349  (in  villa  nostra  Pruschin- 
markt),  deren  Originale  sich  im  hiesigen  Archive  befinden.  Auch  auf 
dem  Preuschmarker  Kirchenkelche  laute  die  Inschrift  „preu sehen  marcht 
1504*.  Neumann  vermuthet  nun,  dass  das  Wort  „Markt*  nur  eine 
Uebersetzung  des  Wortes  Trüso  sei;  denn  im  Lit.  bedeute  trüsas  „an- 
gestrengte Bemühung  in  Geschäften*  (auch  im  russ.,  poln.,  böhm.,  serb. 
bedeute  trud  „Arbeit,  Mühe,  Beschwerde*).  Eine  Bestätigung  dieser 
Ansicht  findet  Neumann  in  dem  Umstände,  dass  das  Dorf  „Neuendorf*, 
welches  nur  V4  Meile  von  Preuschmark  entfernt  liegt,  in  einem  Zins- 
bucht aus  dem  Anfange   des  16.  Jahrhunderts  „Dutschendrusen  vel 


6X4  Heber  die  Lage  von  Trnso 

Nuedorff8,  ein  andermal  nur  einfach  .Deutschindrusen"  genannt  werde. 
Letzteres  habe  nur  deutsche  Bewohner  und  deutsches  Hecht  gehabt 

Anstatt  eines  Truso  hätten  wir  nunmehr  deren  zwei;  nämlich 
1.  das  alte,  zur  Zeit  der  Einwanderung  des  deutschen  Ordens  (1228) 
noch  nicht  zerstörte  Truso,  einen  von  den  heidnischen  Preussen  besuchten 
Marktplatz,  welcher  allmählich  an  Bedeutung  verlor  und  schliesslich 
in  das  unbedeutende  Preuschmark  sich  verwandelte,  und  2.  ein  deutsches 
Trnso,  einen  von  Deutschen  erbauten  und  mit  deutschem  Rechte  aus- 
gestatteten Markt.  Vielleicht  sollte  derselbe  dem  preussischen  Markte 
Goncurrenz  machen. 

Man  kann  nun  sehr  wohl  der  Ansicht  beitreten,  dass  „ Preuschmark* 
zur  Zeit  der  Einwanderung  des  deutschen  Ordens  wirklich  ein  von  den 
heidnischen  Preussen  besuchter  Marktplatz  gewesen  sei,  ohne  dass  man 
darum  genöthigt  wäre,  in  ihm  jenes  alte,  am  Gestade  des  Drausensee's 
gelegene  Truso  Wulfstan's  zu  erkennen.  Denn  weder  liegt  jetzt  noch 
lag  zu  Wulfstan's  Zeit  die  Stelle,  wo  heute  Preuschmark  sich  befindet, 
,am  Gestade*  des  Drausensee's,  sondern  mindestens  3/g  Meilen  da- 
von entfernt  und  zu  dem  noch  325  Fuss  über  dem  Seespiegel.  Es  wäre 
doch  sehr  seltsam,  wenn  Wulfstan  einen  so  weit  vom  Drausensee  ent- 
fernten Ort  als  »am  Gestade11  des  Drausensee's  liegend  bezeichnet 
hätte.  Kein  Seefahrer  von  heute  würde  z.  B.  Dambitzen  an  das  Ufer 
des  Elbing,  oder  das  Dorf  Lenzen  an  das  Gestade  des  Haffs  versetzen. 
,  Aber  vielleicht  hat  der  Drausensee  zu  Wulfstan's  Zeit  einen  erheblich 
grösseren  Umfang  gehabt;  vielleicht  hat  der  Spiegel  des  Drausensee's 
viel  höher  gelegen?11  Darauf  ist  zu  antworten:  Nach  Süden,  Westen 
und  Norden  hin  hat  sich  der  See  ganz  bestimmt  weiter  ausgedehnt,  als 
heute,  nicht  aber  nach  Preuschmark  zu,  also  nach  Nordosten,  wenigstens 
nicht  in  erheblichem  Grade.  Der  Umfang  des  See's  kann  unmöglich 
grösser  gewesen  sein,  als  er  es  bei  der  letzten  Ueberschwemmung  ge- 
wesen ist,  in  keinem  Falle  kann  er  zu  Wulfstans  Zeit  und  auch  in  den 
vorhergegangenen  5—7  Jahrhunderten  das  heutige  Neustädter  Feld  be- 
deckt haben,  —  man  müsste  denn,  da  wir  auf  diesem  Felde  ein  aus« 
gedehntes  Leichen-  und  Urnenfeld  vorfinden,  annehmen,  dass  die  heid- 
nischen Bewohner  so  unverständig  gewesen  wären,  die  Beste  ihrer  Todten 


▼on  Dr.  Anger.  615 

in's  Wasser  zu  legen.  Und  weiter:  Wir  wissen  aus  historischer  Zeit, 
mit  welcher  Schnelligkeit  die  Alluvionen  an  der  Mündung  des  Elbing 
anwachsen.  Zur  Zeit  der  Einwanderung  des  deutschen  Ordens  (1228) 
hat  das  Haff  sicherlich  bis  zum  heutigen  Bollwerkskruge  gereicht,  und 
zu  Wulfstan's  Zeit  dürfte  das  Haff  kaum  eine  Meile  von  dem  heutigen 
Elbing  entfernt  gewesen  sein.  Legen  wir  nun  den  Spiegel  des  Drausen- 
see's  erheblich  höher,  so  bleibt  von  dem  Elbingflusse  fast  garnichts 
übrig.  Der  Drausensee  würde  dann  nur  als  ein  Theil  des  Haffs 
erscheinen,  welches  nur  durch  eine  sehr  schmale  und  ganz  kurze 
Abschnürung  —  den  kaum  noch  zu  nennenden  Elbingfluss  —  vom 
Drausensee  getrennt  erschiene.  Wulfstan  aber  nennt  den  Ilfing,  den 
Elbing,  ganz  bestimmt,  und  aus  der  Art  und  Weise,  wie  er  ihn  nennt, 
geht  ganz  klar  hervor,  dass  er  in  ihm  einen  Fluss  erkannt  hat:  „Dann 
kommt  der  Elbing  gegen  Osten  in's  Estenmeer B,  In  Summa:  Entweder 
hat  Wulfstan  sich  sehr  ungenau  ausgedrückt,  —  oder  Neumann's 
Identificirung  des  Dorfes  Preuschmark  mit  dem  Truso  Wulfstan's 
ist  unrichtig. 

Aber  nehmen  wir  an,  Wulfstan's  Bericht  sei  ungenau,  —  die  Mög- 
lichkeit ist  wenigstens  nicht  ausgeschlossen  —  wie  erklärt  es  sich  denn, 
dass  man  gerade  in  Preuschmark  äusserst  selten  Funde  aus  vorhistorischer 
Zeit  gemacht  hat,  dagegen  sehr  viele  und  sehr  werthvolle  in  Grünau, 
Meislatein,  Wöcklitz,  Bapendorf  und  nicht  die  schlechtesten  —  bei 
Elbing?  Eolberg  leitet  in  seiner  Schrift:  Wulfstan's  Seekurs  (Brauns- 
berg 1876,  p.  40)  das  Wort  Truse  von  dem  litauischen  Worte  truszai 
Bohr,  Bohrgegend  ab,  —  woran  auch  der  Name  »Drausen-  oder  Bohr- 
krug *  erinnert.  Es  würde  in  diesem  Sinne  das  Truso  Wulfstan's  von 
dem  Drausensee  seinen  Namen  erhalten  haben,  ähnlich  wie  Elbing 
nach  dem  Flusse  Elbing  genannt  worden  ist.  Nun  bedenken  wir.  Im 
Jahre  1228  kommt  der  Orden  nach  Preussen,  im  Jahre  1237  wird 
Elbing  gegründet,  —  und  keine  einzige  Andeutung  wird  von  jenem 
uralten,  in  der  unmittelbaren  Nähe  Elbing's  liegenden  Handelsorte  Truso 
gemacht.  Nichts  erwähnt  wird  von  einer  etwaigen  Rivalität  zwischen 
jenem  die  Tradition  eines  mindestens  sechshundertjährigen  Handels  be- 
sitzenden Truso,  jenes  Preussischen  Marktes,  und  dem  neu  gegründeten) 


616  Heber  die  Lage  von  Trusö 

kräftig  aufstrebenden  Elbing.  Dass  Elbing  so  ohne  weiteres  den  preus- 
sischen  Handel  in  die  Hände  genommen  haben  sollte,  ist  für  jeden 
mindestens  sehr  zweifelhaft,  welcher  die  Macht  der  Gewohnheit  über 
die  Menschen  überhaupt  und  besonders  über  die  halbcivilisirten  Völker 
kennt.  —  Also  drei  Bedenken  sind  es,  die  wir  gegen  Neumann's  An- 
sicht aussprechen  müssen:  1.  Wulfstan's  Bericht  müsste  ungenau  sein; 

2.  Preuschmark   selbst   ist  arm   an  Besten  aus   vorhistorischer  Zeit; 

3.  die  ältesten  Urkunden  schweigen  absolut  über  das  alte  Truso. 

Gehoben  werden  diese  Bedenken,  wenn  wir  annehmen,  dass  das 
Truso  Wulfstan's  am  Gestade  des  Drausensee's  selbst  gestanden  habe, 
in  der  Zeit  zwischen  dem  Besuche  Wulfstan's  und  der  Einwanderung 
des  deutschen  Ordens  zerstört  worden  sei  und  dass  in  der  Zeit,  als  der 
Orden  hierher  kam,  an  der  Stelle,  wo  heute  Preuschmark  liegt,  ein 
preussischer  Markt  bestanden  habe. 

Dass  man  nicht  genau  dieselbe  Stelle  wählte,  wo  früher  Truso 
gestanden,  wird  ganz  gewiss  seine  guten  Gründe  haben ;  wahrscheinlich 
war  die  Lage  am  Drausensee  nicht  sicher  genug.  Man  zog  sich  daher 
mehr  auf  die  Höhe  zurück  und  zwar  auf  einen  Punkt,  welcher  ähnlich 
wie  die  vielen  heidnischen  Burgen  rings  um  den  Drausensee  z.  B.  wie 
die  Burg  Wöcklitz  durch  tiefe  Schluchten  schon  von  Natur  gesichert 
und  durch  Verbaue  noch  mehr  befestigt  werden  konnten.  So  hatte 
man  einen  doppelten  Vortheil,  nämlich  den  der  persönlichen  Sicherheit 
und  den  der  Gewissheit,  dass  die  Landesbewohner,  die  seit  Jahrhunderten 
begangenen  Handelswege  auch  in  Zukunft  betreten  würden.  Und  sie 
wurden  betreten,  —  freilich  nicht  wie  einst  von  den  Händlern  des  fernen 
Italiens,  welche  die  Erzeugnisse  einer  hochentwickelten  Cultur  hierher 
brachten,  um  den  vielbegehrten  Bernstein  dafür  einzutauschen,  dieser 
Magnet  hatte  seine  Anziehung  zum  Theil  verloren,  zum  Theil  wurde 
seine  Wirksamkeit  durch  die  Unsicherheit  der  politischen  Verhältnisse 
des  12.  und  13.  Jahrhunderts  geschwächt. 

Die  Preussen  selbst  brachten  zu  Markte,  was  das  Land  trug  und 
die  geringe  Geschicklichkeit  des  einfachen  Mannes  eben  produciren 
kann,  und  deutsche  Händler  brachten  die  Erzeugnisse  der  eben  erwachen- 
den deutschen  Industrie  herbei    Da  mag  dann  der  Markt  der  heidnischen 


von  Dr.  Anger.  ßJY 

Preussen  kläglich  genug  gewesen  sein.  Er  befriedigte  aber  nur  die  aller- 
nothwendigsten  Bedürfnisse. 

Wir  dürfen  uns  daher  garnicht  so  sehr  darüber  wundern,  wenn 
die  Kitter,  als  sie  in  diese  Gegend  kamen,  von  dem  heidnischen  Markt- 
platze nicht  viel  Aufhebens  machten.  Es  war  eben  nicht  viel  davon 
zu  sagen;  und  als  nun  die  Deutschen  gar  in  unmittelbarer  Nähe  von 
Preuschmark,  in  dem  Dorfe  Neuendorf,  einen  eigenen  Markt  eröffneten, 
da  wird  der  heiduische  Markt  sicherlich  schnell  genug  eingegangen 
sein.  Denn  die  Deutschen  konnten  mannigfachere,  bessere  nnd  billigere 
Waare  liefern.  —  Dass  aber  das  Wort  Truso,  die  Bezeichnung  jenes 
uralten  am  See  gelegenen  Handelsortes,  von  den  Landesbewohnern  ohne 
weiteres  auf  den  neuen  Handelsplatz  übertragen  wurde,  das  hat  gar- 
nicht s  auffallendes.  Wenn  Truso  wirklich  „Markt,  Handel"  bedeutet 
—  nun,  so  war  ja  der  neue  Ort  gar  nichts  anders,  als  ein  Truso,  jetzt 
zwar  nicht  ein  Truso  der  Esten  wie  zu  Wulfstan's  Zeit,  wohl  aber  ein 
Truso  der  Preussen.  Dasselbe  ist  zu  sagen,  wenn  Truso  von  truszai 
Bohr  abzuleiten  wäre,  eine  Ableitung,  die  freilich  ebenso  wenig  sicher 
ist,  als  diejenige  Neumanns.  Ein  klares  Bewusstsein  von  dem  ety- 
mologischen Zusammenhange  hatten  doch  nur  diejenigen  einheimischen 
Bewohner,  welche  die  Gründung  des  Wulfstanschen  Truso  erlebt  hatten. 
In  späterer  Zeit  war  Truso  doch  immer  nichts  anderes,  als  ein  Handels- 
platz und  zwar  der  grösste  und  bedeutendste  im  weiten  Umkreise. 
Ebenso  selbstverständlich  ist  es  dann,  dass  der  deutsche  Handelsort, 
jenes  „Nuedorff*,  welches  mit  dem  Marktrechte  ausgestattet  wurde, 
„Dutschendrusen"  genannt  wurde. 

Anstatt  eines  Truso  haben  wir  nunmehr  deren  drei:  1.  das  Truso 
Wulfstan's,  2.  das  preussische  und  3.  das  deutsche  Truso.  —  Es  gilt 
nun  das  Truso  Wulfstans  aufzufinden.  —  Wird  das  möglich,  —  noch 
möglich  sein? 

Diese  Frage  ist  mit  Bestimmtheit  natürlich  weder  zu  bejahen  noch 
zu  verneinen.  Von  absoluter  Gewissheit  kann  hier  überhaupt  gar  nicht 
die  Rede  sein,  sondern  nur  von  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit.  — 
Was  soll  nun  zunächst  geschehen?  Zunächst  haben  die  Besitzer  in 
Preuschmark,  da  sie  im  Verdachte  stehen,  nicht  auf  der  Stelle  des 

AJtpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hfl.  7  u.  8.  40 


618  Uebor  die  Lage  von  Truso 

Truso  Wulfstan's  zu  wohnen,  Beweise  für  das  Gegentheil  beizubringen. 
Wenn  es  ihnen  gelingen  sollte,  auf  den  in  unmittelbarer  Nähe  von 
Preuschmark  liegenden  Feldern  oder  in  Preuschmark  selbst  Küchen- 
abfälle, He  er  ds  teilen,  Kohlen,  Knochen,  Zähne,  eiserne  Gegenstände, 
Scherben  von  alterthürnlichen  Gefässen,  Schmucksachen  und  dgl.  in 
grösseren  Massen  und  auf  einem  grösseren  Gebiete  nachzuweisen,  so 
würde  Neumanns  Ansicht  im  Rechte  sein,  und  Preuschmark  wäre  sicher- 
lich Wulfstan's  Truso.  Möglich  ist  es,  —  also  gilt  es  aufzupassen,  zu 
sammeln  und  Nachricht  zu  geben. 

Einen  höheren  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  haben  die  Dörfer 
Grünau,  Neuendorf,  Hansdorf,  Kämmersdorf,  Plohnen,  Meislatein,  — 
und  auch  noch  Bartkamm,  Wöcklitz  und  ßapendorf.  Längs  dieses 
ganzen  Striches  sind  viele  Alterthümer  gefunden  worden  und  werden 
bei  einiger  Aufmerksamkeit  sicherlich  noch  gefunden  werden.  Es  ist  sehr 
möglich,  dass  hier  irgendwo  Truso  gestanden  hat.  Bis  jetzt  sind  freilich 
dort  fast  nur  solche  Dinge  gefunden  worden,  welche  von  den  Heiden 
den  Todten  mitgegeben  wurden.  Vielleicht  sind  auch  Heerdstellen"  auf- 
gedeckt worden.  Sehr  erwünscht  wäre  es,  wenn  diejenigen  Besitzer  in 
den  genannten  Orten,  welche  sich  an  die  Zeit  erinnern,  da  die  Chaussee 
und  der  Bahndamm  gebaut  wurden,  der  Elbinger  Alterthumsgesellschaft 
Mittheilungen  über  die  damals  gemachten  Funde  zugehen  Hessen  und 
wenn  sie  die  Namen  der  Bauaufseher,  welche  die  betreffenden  Strecken 
bauten,  angeben  möchten.  Ohne  Frage  ist  damals  viel,  sehr  viel  ge- 
funden, aber  zum  Theil  zerstört,  zum  Theil  aus  Unkenntniss  verschleudert 
worden.  Es  liegt  eine  bestimmte  Nachricht  vor,  dass  im  Jahre  1822 
auf  dem  Preuschmarker  Felde  beim  Chausseebau  Urnen  gefunden  sind ; 
aber  weder  sind  die  Stelle  noch  die  Zahl  und  Beschaffenheit  der  Urnen 
genau  angegeben.  Doch  gerade  darauf  kommt  es  an.  Sobald  in  der 
Nähe  bei  den  genannten  Orten  unmittelbar  unter  der  Muttererde  Kohlen- 
gruben, mit  Knochen  und  Gefössscherben  gefunden  werden,  muss  mit 
Vorsicht  und  Umsicht  Alles  gesammelt  werden,  was  irgendwie  auffällt. 
Eine  kurze  Benachrichtigung  an  den  Vorsitzenden  der  Elbinger  Alter- 
thumsgesellschaft, Dr.  Anger,  wird  mit  Dank  angenommen  werden,  und 
an  dem  rechten  Eifer,  das  Gewonnene  zu  sammeln  und  zu  vermehren, 


von  Dr.  Anger.  g£§ 

wird  es  nicht  fehlen.  —  Vor  allen  Dingen  hüte  man  sich  vor  jedem 
nnzeitigen  Bedenken  und  unbegründeten  Zweifel;  denn  ob  aus  den  Be- 
mühungen ein  erfreuliches  Resultat  erwachsen  wird  oder  nicht,  das 
kann  nur  die  Erfahrung  und  nur  sie  allein  lehren.  Die  einzig  noch 
vorhandenen  Urkunden  üher  Truso  liegen  in  der  Erde.  Es  gilt,  dieselben 
an's  Licht  zu  bringen.  Der  Anfang  ist  bereits  gemacht.  Herr  Besitzer 
Bormann  aus  Rapendorf  hat,  angeregt  durch  die  Mittheilungen  der 
Alterthumsgesellschaft,  Perlen  und  Stücke  eines  Fischskeletts,  welches 
durch  die  Einwirkung  des  Humus  und  der  Kohle  eine  fischbeinartige 
Beschaffenheit  angenommen  hat,  der  Gesellschaft  übergeben.  Nach 
seiner  Beschreibung  der  Fundstellen  verheisst  Rapendorf  noch  manchen 
interessanten  Fund.  Möchte  das  gute  Beispiel  recht  bald  Nach- 
ahmung finden. 

Soweit  wäre  Alles  ganz  schön,  und  man  müsste  nur  abwarten, 
welche  Erfolge  die  hoffentlich  regen  und  anhaltenden  Bemühungen  haben 
werden,  wenn  nicht  die  in  letzter  Zeit  gemachten  zahlreichen  und  mannig- 
fachen Funde  auf  dem  Neustädter  und  Spittelhöfer  Felde  den  unbefangenen 
Beobachter  stutzig  machten.  Soviel  steht  fest:  Auf  dem  Spittelhöfer 
Felde  zwischen  Weingrundforst  und  Dambitzen  hat  ein  Dorf  in  heidni- 
scher Zeit  gestanden.  (Vgl.  den  Bericht  der  Elbinger  Zeitung  vom 
7.  November  d.  J.)  Auf  dem  Neustädter  Felde  dagegen  befindet  sich 
ein  Urnen-  und  Leichenfeld,  dessen  Ausdehnung^  zwar  noch  nicht  be- 
kannt ist,  das  aber  nach  allem,  was  man  bis  jetzt  davon  weiss,  nicht 
klein  sein  kann.  Die  Fundstelle,  so  weit  sie  untersucht  ist,  zeigt,  dass 
die  Leichen  in  Reihen  und  zwar  in  zwei  Etagen  übereinander  liegen, 
in  einer  Tiefe  von  2  m  und  1  m.  Darüber  stehen  zahlreiche  Urnen 
und  zwar,  wie  die  letzte  Ausgrabung  ergeben  hat,  wenigstens  an  einer 
Stelle,  in  einem  Abstände  von  I1/2  m-  —  Diese  beiden  Fundstellen 
sind  also  da  und  zum  Theil  untersucht.  Von  einer  dritten  Stelle  hat 
dem  Vorsitzenden  der  Aufseher  Plath,  welcher  auf  dem  Neustädter 
Felde  seit  Jahren  mit  Kiesgraben  beschäftigt  gewesen  ist,  die  Mit- 
theilung gemacht,  dass  er  dort  ebenfalls  Urnen  und  an  einer  Stelle 
eben   solche   Heerdstellen  gefunden  habe,   wie   auf  dem  Spittelhöfer 

Felde.    Diese  Stelle  liegt  nicht  weit  von  dem  Gräberfelde  auf  dem  sanft 

40* 


620  Ueber  die  Lage  von  Truso 

abfallenden  Hügel,  über  welchen  der  Weg  von  Georgenhöhe  nach  dem 
Viehhofe  führt.  Eine  weitere  Nachricht  von  Herrn  Goldarbeiter  Borishof 
lässt  stark  vermuthen,  dass  auch  da,  wo  jetzt  das  Georgenhospital  steht, 
Urnen-  und  Skelettfunde  gemacht  sein  müssen.  Denn  ihm  wurden  einst 
von  den  dort  mit  den  Fundamentirungsarbeiten  beschäftigten  Arbeitern 
wiederholt  Fibeln,  Armbänder  u.  dgl.  zum  Verkaufe  angeboten.  Ver- 
folgen wir  nun  diese  Linie  weiter,  welche  im  Halbkreise  den  Hünen- 
zug entlang  sich  nach  Nordosten  hinzieht,  so  finden  wir  auf  dieser 
ganzen  Strecke  ebenfalls  zerstreute  Reste  aus  jener  alten  Zeit,  —  an 
keiner  Stelle  aber  soviele,  als  auf  dem  Neustädter  Felde. 

Ferner:  die  Ausgrabungen  auf  dem  Neustädter  Felde  beweisen 
ganz  deutlich,  dass,  so  lange  dort  Leichen  begraben  und  Urnen  beige- 
setzt worden  sind,  niemals  ein  Wald  auf  dem  Gebiete  gestanden  haben 
kann,  denn  niemals  ist  in  den  Urnen  eine  Wurzel  gefunden  worden. 
Nun  weiss  aber  ein  jeder,  welcher  mit  dergleichen  Ausgrabungen  zu 
thun  gehabt  hat,  dass  die  Urnen  von  den  Baumwurzeln  mit  Vorliebe 
aufgesucht  und  dann  regelmässig  zerstört  werden.  Auch  die  Skelette 
liegen  frei  von  jedem  Wurzelgeflechte  in  der  fetten  Muttererde.  Es 
ergiebt  sich  hieraus  mit  Gewissheit,  dass  das  Neustädter  Feld  ein  seit 
mindestens  fünfzehnhundert  Jahren  beackerter  Landstrich  gewesen  ist, 
ein  Eulturfeid  ältester  Zeit. 

Es  ist  also  garnicht  auffallend,  wenn  neben  diesem  fruchtbaren 
Gartenfelde  seit  vielen  Jahrhunderten  viele  Geschlechter  gelebt  haben 
und  dort  auch  begraben  worden  sind.  Die  Wohnungen  standen  auf  dem 
sanften  Abfalle  des  Höhenzuges,  die  Friedhöfe  befanden  sich  in  der 
Nähe,  am  Fusse  des  Abfalles,  so  hoch  über  dem  Drausensee  liegend, 
dass  die  Gräber  nicht  unter  Wasser  gesetzt  werden  konnten;  auf  dem 
Ausgrabungsfelde  macht  sich  eine  ganz  sanfte  Bodenanschwellung 
auch  noch  heute  ziemlich  deutlich  bemerkbar.  —  Wenn  wir  dies  alles 
bedenken  und  dann  noch  dazu  den  Umstand  in  Erwägung  ziehen,  dass 
die  Beigaben  reich  und  mannigfach  sind  und  dass  auch  Wulfstan  die 
Bewohner  als  wohlhabend  schildert,  so  erhebt  sich  die  Frage,  ob  Truso 
nicht  vielleicht  noch  näher  an  Elbing  heranzurücken  ist  und  wie  in 
diesem  Falle  Wulfstan's  Bericht  über  die  Lage  von  Truso,  als  „am 


▼on  Dr.  Anger.  621 

Gestade  des  Drausensees *  befindlich,  damit  in  Uebereinstimmung  zu 

bringen  ist. 

Die  Uebereinstimmung  lässt  sich  herstellen,  wenn  wir  die  Annahme 
machen,  dass  der  Drausensee  von  den  Stromhäusern  und  Streckfuss 
in  wesi nordwestlicher  Richtung  sich  etwa  bis  zu  dem  Punkte  hiner- 
streckte, wo  jetzt  die  Fischau  in  den  Elbing  mündet.    Man  braucht, 
um  die  Annahme  wahrscheinlich  zu  finden,  nur  einen  Blick  auf  die 
Karte  zu  werfen.     Noch   heute   liegt   dieses    ganze   Gebiet  sehr   tief, 
an  den  meisten  Stellen  kaum  einen  Fuss  über  dem  mittleren  Wasser- 
spiegel.    Es   ist   nun   keineswegs    nöthig,   die    Annahme    zu   machen, 
dass  der  Spiegel  des  Drausensee's  darum  erheblich   höher  als  heute 
gelegen  habe;  vielmehr  genügt  die  auch  heute  noch  zu   beobachtende 
Thatsache,  dass  das  Land  durch  die  allmählig  sich  ablagernden  Sink- 
stoffe sich  allmählig   aus    dem  Wasser   erhebt.     Zwar  verkürzen  wir 
durch  diese  Annahme  den  Lauf  des  Elbings  um  fast  eine  halbe  Meile, 
indessen  gewinnen  wir  auf  der  anderen  Seite  einen  reinlichen  und  klaren 
Ausflusspunkt  des  Elbing  aus  dem  Drausensee.    Nebenbei  wollen  wir 
noch  bemerken,  dass  zur  Zeit  der  Ritter  die  alte  Nogat  etwa  an  der 
Stelle,  wo  heute  die  Fischau  in  den  Elbing  mündet,  sich  mit  dem  Elbing 
vereinigte;  zur  Zeit  Wulfstan's  mag  das  anders  gewesen  sein;  vielleicht 
mündete  die  Nogat  damals  sogar  in  den  Drausensee.     In  jedem  Falle 
konnte  Wulfstan  den  flussartigen  Charakter  des  Elbing  damals  leichter 
als  wir  heute  erkennen,  weil  der  Elbing  damals  auch  das  nicht  unbe- 
deutende Wasserquantum  der  Nogat  abzuführen  hatte. 

Wer  diese  Annahme  gelten  lässt,  wird-  nun  vielleicht  geneigt  sein, 
Truso  etwas  näher  bei  Elbing  zu  suchen.  Es  würde  dann  Truso  etwa 
auf  einem  der  nach  dem  Neustädterfelde  zu  abfallenden  letzten  Hügel 
des  Höhenzuges  zu  suchen  sein,  vielleicht  auf  dem  Hügel,  auf  welchem 
die  sogenannten  Pulverhäuser  stehen,  vielleicht  sogar  noch  näher  nach 
Elbing  hin.  Die  Entfernung  bis  zum  Drausensee  würde  dann  noch 
ein  wenig  mehr  als  f/8  Meile  betragen.  Wir  können  es  dann  auch 
verstehen,  warum  die  Ritter  die  Stadt  Elbing  gerade  da  gebaut  haben, 
wo  sie  jetzt  liegt.  Einmal  hatte  die  Stadt  das  Neustädterfeld,  die 
fruchtbarste  und  seit  Jahrhunderten  am  dichtesten  bevölkerte  Gegend, 


J  Ucber  die  Luge,  von  Truso  vun  Dr.  Anger. 

mittelbarer  Nähe,  ferner  lag  es  au  der  Wasserstrasse ,  die  nicht 
rom  Drauseusce,  sondern  auch  von  der  Weichsel  zum  Haffe  führte, 
ins  lag  es  weit  genug  vom  Haffe  selbst  entfernt,  um  von  den 
vässern  desselben  nicht  unmittelbar  getroffen  zu  werden  und  viertens 

es  Raum  genug  zur  Ausbreitung.  Dass  es  nicht  wie  Truso  den 
I  des  Höhenzuges  suchte,  hatte  seinen  Grund  darin,  dass  es  nicht 
fruso  vorzüglich  wegen  des  Bernsteins  gerade  auf  den  Landhandel 
viesen  war.  Elbings  ältester  Handel  war  durchaus  Seehandel. 
Aber  stand  denn  bei  dieser  Voraussetzung  Truso  , auf  dem  Gestade 
lee'sp*  Kann  man  denn  nun  behaupten,  dass  Wnlfstan  sich  klar 
'drückt  habe?  —  Nun,  jedenfalls  viel  klarer,  als  wenn  Truso  da 
en  hat,  wo  heute  Preuschmark  liegt.  Bedenken  wir  ferner,  dass 
Gestade"  gerade  beim  Drausensee  zu  den  Zeiten  Wulfstan's  ebeu- 
lig  eine  ganz  feste  Linie  gewesen  sein  kann,  wie  heute.  Das  Stati- 
jr  ans  dem  Haffe  musste  anch  damals  die  unmittelbaren  Drausensee- 
ebenso  sehr  verändern ,  wie  es  jetzt  der  Fall  ist.  Auch  damals 
gab  es  ein  Vorland,  niedrig,  zum  Theil  sumpfig,  zum  Theil  Wiese. 
In  Summa:  Auch  die  lieben  Elbinger  werden  die  Augen  anfall- 
en haben.  Zu  finden  giebt  es  genug.  Aber  nicht  nur  zu  sehen 
zu  finden,  sondern  auch  zu  helfen,  dass  die  Alterthums-Gesellschaft 
Zwecke  auch  wirklich  erreicht.  Und  da  können  die  Herren  Be- 
■  auf  Neustädterfeld  sehr  wesentlich  dadurch  helfen,  dass  sie  der 
thums-Gesellschaft  behufs  Feststellung  der  Ausdehnung  des  Gräber- 
}  die  Erlaubniss  nicht  verweigern,  an  einigen  Stellen  einen  Meter 

einen  Meter  breite  und,  wenn  nöthig,  3—4  Meter  lange  Gräben 
eben.  In  günstiger  Jahreszeit  begonnen,  könnte  eine  zweitägige 
it  von  5 — 7  Männern  mit  einem  Schlage  eine  ziemliche  Gewissheit 
die  Ausdehnung  des  Leichenfeldes  verschaffen.  Selbstverständlich 
en  die  Leiter  der  Ausgrabungen  dafür  Sorge  tragen,  dass  bei  der 
liüttnng  der  gezogenen  Gräben  die  Muttererde  wieder  obenauf  zn 
1  kommt.  Und  ebenso  könnten  einige  Nachgrabungen  auf  dein 
inten  Hügel  sehr  leicht  den  Nachweis  liefern,  dass  dort  eine  Nieder- 
ng  in  heidnischer  Zeit  bestanden  hat.    Audi  hier  gilt  es,  zu  handeln. 


Kritiken  und  Referate. 

Geschichtliche  Nachrichten  von  dem  Geschlechte  von  Gaudecker. 

Mit  14  Stamm-  und  Ahnentafeln,  sowie  zwei  Blättern  mit 
Wappen-  und  Siegelabbildnngen.  Gesammelt,  bearbeitet  und 
im  Auftrage  der  Familie  für  dieselbe  herausgegeben  von 
G.  A.   v.  Mülverstedt.     Magdeburg  1877.    IV  u.   121  S. 

Eine  neue  willkommene  Gabe  des  um  die  Adelsgeschichte  hoch- 
verdienten Verfassers,  zumeist  hervorgegangen  aus  dem  reichen  Schatze 
der  Sammlungen,  welche  derselbe  aus  Veranlassung  seiner  historischen 
und  besonders  adelsgeschichtlichen  Studien  im  Provinzialarchiv  und 
anderen  Archiven  sowie  Bibliotheken  zu  Königsberg  in  der  Zeit  von 
1848  bis  Ende  1854  zusammengebracht  hatte.  Man  erinnert  sich  sehr 
wohl  der  für  die  Adelsgeschichte  unserer  Provinz  Bahn  brechenden, 
Schlag  auf  Schlag  folgenden  Abhandlungen,  welche  er  in  jenen  Jahren 
(1849—1857)  in  den  neuen  Preussischen  Provinzialblättern  veröffent- 
lichte. Seine  Versetzung  nach  Magdeburg  wies  ihm  neue  Aufgaben, 
neue  Gebiete  der  Forschung  zu,  doch  hat  er  auch  in  dieser  neuen  Pe- 
riode seiner  literarischen  Thätigkeit  die  Adelsgeschichte  unserer  Provinz 
nicht  aus  den  Augen  verloren,  wie  eine  Eeihe  von  Mittheilungen  und 
kleineren  Abhandlungen  in  verschiedenen  Zeitschriften,  wie  dann  nament- 
lich das  zu  Nürnberg  1874  erschienene  Wappenbuch  des  ausgestorbenen 
Adels  der  Provinz  Preussen  und  jetzt  wieder  in  erfreulichster  Weise 
die  zunächst  freilich  nur  für  die  Familie  und  ihre  Angehörigen  bestimm- 
ten geschichtlichen  Nachrichten  von  dem  Geschlechte  von  Gaudecker 
beweisen.  Möchte  es  nicht  die  letzte  Schrift  sein,  welche  unsere  Pro- 
vinzialgeschichte  seinem  Forschergeiste  zu  verdanken  hätte. 


ß24  Kritiken  und  Referate. 

Das  Geschlecht  der  Gaudecker  vermag  seinen  Ursprung  bis  in  die 
Zeiten  des  Heidenthums  hin  zu  verfolgen;  seine  Ahnherrn  gehörten  zu 
den  edeln  Withingen  des  Samlandes,  und  Saraland  ist  daher  auch  die 
Heimath  seines  Stammes.  Schon  in  den  Zeiten,  da  es  in  die  Geschichte 
eintritt,  gehört  es  zu  den  ausgebreitetsten  seiner  Heimath  und  selbst 
beim  Beginne  des  Jahrhunderts,  welches  das  letzte  seines  Bestehens  in 
seiner  uralten  Heimath  war,  des  achtzehnten,  zählte  es  so  viele  Söhne, 
dass  sein  Erlöschen  hier  nicht  sobald  vermuthet  werden  konnte.  Vor 
dem  Jahre  1740  hat  aller  Grundbesitz  desselben  im  Samlande  aufge- 
hört; nach  dem  Jahre  1764  verklang  der  Gaudeckersche  Name  auch 
in  den  übrigen  Theilen  der  Provinz.  Aber  in  eben  diesem  Jahre  wurden 
in  Pommern  diejenigen  Güter  des  Geschlechtes  Eigen,  welche  seitdem 
ununterbrochen  bis  zum  heutigen  Tage  in  seinen  Händen  sind  und  die 
Grundlage  seiner  heutigen  Blüthe  und  seines  Wohlstandes  bilden. 

Eine  vollständige  Geschlechts-  und  Familiengeschichte  der  Gau- 
decker zu  liefern  lag  nicht  in  der  Absicht  des  Verfassers.  Doch  han- 
delte es  sich  auch  nicht  blos  um  den  Abdruck  der  Stammtafeln  und 
der  aus  verschiedenen  Quellen  gesammelten,  chronologisch  zu  ordnen- 
den und  regestenartig  zu  behandelnden  Notizen;  es  wurde  auch  eine 
Einleitung  in  die  Geschlechtsgeschichte  hinzugefügt,  welche  sich  mit 
den  allgemeinen  Verhältnissen  der  Familie,  mit  der  Untersuchung  über 
ihre  Herkunft  und  Heimath,  einer  Uebersicht  ihres  Grundbesitzes  und 
einer  Erwähnung  ihrer  heraldischen  und  sphragistischen  Alterthümer 
beschäftigt.  Und  diese  Einleitung  eben  ist  es,  welche  von  dem  Stand- 
punkte der  allgemeinen  Provinzialgeschichte  aus  ein  besonderes  Iuteresse 
erweckt,  um  so  mehr,  als  die  Zahl  derjenigen  Glieder  der  Familie, 
welche  sich  zu  besonders  hervorragenden  und  historisch  bedeutsamen 
persönlichen  Stellungen  emporgeschwungen  haben,  nicht  eben  gross  ist. 

Dass  der  Verfasser,  wie  kein  anderer,  im  Stande  und  berufen  war, 
das  sehr  zerstreute  Material  für  die  Schrift  zu  sammeln,  und  dass  er 
das  seit  Decennien  vorräthige  Material  auch  in  neuester  Zeit  noch  nach 
Möglichkeit  zu  vervollständigen  bemüht  war,  versteht  sich  von  selbst; 
ebensowenig  bedarf  es  der  Versicherung  des  Keferenten,  dass  er  mit 
besonderem  Geschick  und  Scharfsinn  dieses  Material  combinirt  und  ver- 


»  * 


v.  Mülverstedt,  Geschieht!.  Nachrichten  von  d.  Goschlechte  v.  Gaudecker.      625 

arbeitet  bat.    Die  Methode  der  in  der  That  äusserst  schwierigen  Unter- 
suchung ist  im  Allgemeinen  gewiss  als  mustergültig  anzuerkennen. 

Von  Einzelnheiten  sei  nur  erwähnt,  dass  auf  die  ingenui  Withingi 
durch  v.  Mülverstedt's  Untersuchungen  ein  neues  Licht  fällt.  Rogge's 
Hypothese  über  den  alten  Gedune  (Altpr.  Monatsschr.  XII,  299—309) 
verwirft  er,  wie  es  mir  scheint,  mit  Recht.  Oh  der  Ausdruck  Ambrosius 
miles  de  Wargen  (S.  22,  37)  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  das 
Geschlecht  im  Besitze  von  „Burglehen"  gewesen  sei,  bezweifle  ich.  Die 
Vermuthung,  dass  die  merkwürdige  Urkunde  mit  dem  Datum  in  castro 
nostro  Marienburg  anno  d.  1433  ipso  die  s.  Thome  apostoli,  von  welcher 
nichts  als  ein  Pergamentstreifen  mit  dem  Datum  und  51  Siegeln 
preussischer  Edelleute  erhalten  ist,  „ein  Verbündniss  preussischer  Land- 
stände oder  (mit  Rücksicht  auf  den  Ausstellungsort)  eine  Verhandlung 
mit  dem  Orden  verbrieft  haben  möge,  die  zum  Rechtsschutze  der  Ordens- 
vasallen gefasst  war*,  erscheint  mir  in  der  Geschichte  der  preussischen 
Landstände  obne  Anhalt,  ja  dem  Gange  derselben  widersprechend.  Ich 
möchte  eher  annehmen,  dass  dieselbe  sich  auf  den  Bestand  des  eben 
geschlossenen  Waffenstillstandes  zu  Lanczicz  bezogen  habe.  Dass  Hans 
Wargel,  welcher  dem  preussischen  Bunde  von  1440  beitrat,  ein  Vasall  der 
ermländischen  Kirche,  mit  deu  Wargel-Gaudecker  des  Samlandes  nichts 
zu  schaffen  hat,  erkennt  v.  Mülverstedt  (S.  35,  70)  an;  es  kann  also  nur 
ein  Versehen  sein,  tf  enn  dieser  Hans  Wargel  mit  Hans  von  Candeynen 
einem  der  Ahnherrn  des  Gaudeckerschen  Hauses  an  einer  andern  Stelle 
identificirt  wird  (S.  32).  Dies  zugegeben  kommen  wir  zu  der  auch  an 
sich  wahrscheinlichen,  übrigens  durch  die  Beitrittserklärungen,  welche 
dem  Bundesbriefe  von  1440  angehängt  sind,  direct  zu  erweisenden  That- 
sache,  dass  die  Gaudecker  dem  preussischen  Bunde  nie  angehört  haben. 

Als  anspruchslose  Ergänzung  zu  den  Regesten  (S.  92)  kann  ich 
anführen,  dass  Gerlach  Gaudecker  und  Salomo  Canitz  im  Jahre  1603  als 
Abgeordnete  des  Schakenschen  Hauptamtes  am  Landtage  theilnahmen. 
Auf  dem  Landtage  zu  Königsberg  1609  waren  Gerlach  Gaudecker  und 
Salomon  Kanitz  Vertreter  des  Amtes  Schaken,  Sebastian  Thiesel  und 
Johann  Philipp  Gaudecker  Vertreter  des  Amtes  Fischhausen. 

Dr.  M.  Toeppen. 


ß26  Kritiken  und  Referate. 

Wald-  und  Feld-Kulte.    Erster  Theil:  Der  Baumkultus  der  Ger- 
manen und  ihrer  Nachbarstämme.   Mythologische  Unter- 
suchungen. Berlin  1875.    Zweiter  Theil :  Antike  Wald- und 
Feld-Kulte  aus  nordeuropäischer  Ueberlieferung  er- 
läutert von  Wilhelm  Mannhardt.     Berlin  1877. 
Dieses  in  jeder  Hinsicht  ausgezeichnete  Werk   wird   am   Besten 
aus  seiner  Entstehungsgeschichte  heraus  gewürdigt.     Das  Vorwort  zu 
dem  zweiten  Bande  giebt  Mittheilungen  über  den  Werdegang  des  hoch- 
verdienten Verfassers  und  dieses  Buches  zugleich  —  und  damit  sehr 
werthvolle  Beiträge  zur  Entwicklung  der  Wissenschaft  der  deutschen 
und  der  vergleichenden  Mythologie  in  den  letzten  Jahrzehnten.    Hören 
wir  die  Worte  des  Verfassers  selbst: 

„Schon  frühe  ist  in  mir  ein  Gefallen  an  mythologischen  Gegen- 
ständen geweckt  worden.  Als  Knabe  lange  Zeit  an  ein  Streckbett  ge- 
fesselt, das  dem  Uebel,  welches  das  grosse  Hemmniss  meines  Lebens 
werden  sollte,  nur  weitere  Ausdehnung  gab,  nahm  ich  in  freien  Stunden 
die  hehre  Wunderwelt  der  griechischen  Götter  und  Heroengestalten  in 
Beckers  meisterhafter  Wiedererzählung  in  die  Seele  auf,  um  sie  auf 
dem  Lager  mit  lebhafter  Einbildungskraft  in  mir  weiter  zu  verarbeiten. 
Zudem  von  Jugend  auf  durch  ungewöhnliche  Kurzsichtigkeit  einer 
scharfen  Erfassung  der  Dinge  der  Aussenwelt  beraubt,  ward  ich  auf 
die  innere  Welt  der  Phantasie  zunickgeworfen  und  gewöhnte  mich,  ihre 
Gestalten  auseinander  zu  halten  und  unter  verschiedenen  Verhüllungen 
wieder  zu  erkennen.  Als  angehender  Jüngling  lernte  ich  im  grünen 
*  Wald  und  an  rauschendem  Meeresstrand  zugleich  Milton,  Ossian  und 
eine  nordische  Mythologie  kennen.  Der  Wunsch,  einem  befreundeten 
Dänen  Widerpart  zu  halten,  der  mir,  dem  gebornen  Schleswig-Holsteiner, 
als  auszeichnenden  Vorzug  seines  Volkes  wieder  und  wieder  dessen 
herrliche  Götterwelt  vorhielt,  veranlasste  mich,  Jacob  Grimm' s 
„ Deutsche  Mythologie"  heran  zu  ziehen.  Es  waren  die  Sommer- 
ferien: der  Augustapfelbaum  inmitten  unseres  Gartens  warf  mir  seine 
rothbackigen  Früchte  in  den  Schos:  —  so  habe  ich,  damals  Sekundaner, 
das  schwer  errungene  Meisterwerk  von  Anfang  bis  zu  Ende  golesen  — 
und  die  Sichtung  meines  Lebens  war  entschieden.* 


Wilhelm  Mannhardt,  Wald-  und  Feld  Kulte.  §27 

Es  werden  nun  in  tief  eindringender  Erörterung  die  Eigenschaften 
des  Ingeniums  von  Jacob  Grimm  dargestellt,  welche  in  seltenster  Ver- 
einung ausgebreitetste  Gelehrsamkeit  und  philologische  Akribie  mit 
einer  wunderbaren  Kombinationsgabe,  mit  einem  feinfühligen  Ahnungs- 
vermögen für  das  Poetische,  mit  einer  lebendigen  Aneippfindung  der 
mythologischen  Vorstellungsweise  verbanden:  —  aufgedeckt  werden  dann 
auch  die  Gefahren  und  Schranken  jener  Eigenart:  aber  in  pietätvoller 
Weise,  wie  in  deutscher  Sprache  überhaupt  nur  von  Jacob  Grimm 
gesprochen  werden  darf,  soll  nicht  ein  Frevel  des  Undanks  begangen 
werden.  Ohne  jene  Ausrüstung  mit  Phantasie,  ohne  die  Fähigkeit, 
im  Sinne  des  poetisch  gestaltenden  Mythen  bildenden  Triebes  an- 
zuschauen und  vorzustellen,  wird  keine  noch  so  gelehrte  Forschung 
auf  dem  Gebiet  der  Mythenkunde  produktiv  wirken  können:  man  darf 
ein  bekanntes  Wort  leise  ändernd  sagen:  »auch  wer  Mythen  will  ver- 
stehn,  muss  in  Dichters  Lande  gehn".  Und  das  ist  es  eben,  was  in 
hohem  Mass  auch  unsern  Verfasser  auszeichnet,  was  ihn  zu  mehr  als 
blos  sammelnder,  was  ihn  zu  bauender  Arbeit  in  der  Mythenforschung, 
zur  genetischen  Konstruction  beruft,  dass  er  in  einer  vielfach  an  Jacob 
Grimm  gemahnenden  Sinnigkeit  der  Anschauung  die  mythenbildende 
Thätigkeit  der  Volksseele  nach  zu  empfinden  versteht:  ohne  solche  Be- 
gabung hätte  auch  Ludwig  Uhland  nicht  in  seinem  „Thor"  und 
„Odhin"  mit  so  räthsellösender  Dichter- Weisheit  schaffen  können.  Der 
Verfasser  schildert  dann,  mit  grosser  Bescheidenheit  und  in  seltener 
Selbsterkunntniss  begangene  Fehler  und  irrig  eingeschlagene  Wege  auf- 
zählend, seinen  weiteren  Entwickelungsgang  unter  den  Einflüssen  von 
A.Kuhn,  W.Schwartz,  Müllenhoff,  Steinthal,  Th.  Waitz  u.  a. 

Das  ausgedehnte  Gebiet,  welches  der  gelehrte  Verfasser  beherrscht, 
ist  aber  nicht  nur  die  Welt  der  Bücher:  mit  rührender  Aufopferung  hat 
er  überall  aus  dem  Munde  des  Volkes  zu  schöpfen  sich  bemüht:  so  hat 
er  unermüdlich,  trotz  der  Cholera,  welche  in  den  Kasernen  und  Baraken- 
Lagern  herrschte,  von  vielen  hunderten  von  gefangenen  Dänen,  Juten, 
Nordschleswigern  im  Kriege  von  1864,  von  den  Gefangenen  aus  dem 
vielsprachigen  Oesterreich  1866,  endlich  von  den  zahlreichen,  allen 
Departements  Frankreichs  von  den  Vogesen  bis  an  die  Pyrenäen  und 


ß28  Kritiken  and  liefern te. 

von  Dieppe  bis  nach  Marseille  angehörigon  Gefangenen  von  1870 
Sagen  und  Gebräuche  von  Mund  zu  Munde  gesammelt  mit  weiser  Be- 
schränkung zunächst  auf  Acker  und  A  ernte- Kulto,  da  ja  vor  Allem  die 
bäuerliche  Bevölkerung  die  Heere  füllte  und  die  Gefangenen  lieferte. 
Wir  müssen  darauf  verzichten  an  dieser  Stelle  auch  nur  eine  summa- 
rische Uebersicht  des  ausserordentlich  reich  gehäuften  und  musterhaft 
klar  gegliederten  Stoffes  zu  geben  und  auf  das  Studium  des  Buches 
selbst  verweisen,  welches  nicht  minder  Genuss  als  Belehrung  gewährt 
und  als  eine  ganz  hervorragende  Leistung  zu  rühmen  ist.  — 

Das  sehr  umfassende  Material,  welches,  in  allen  sieben  rechts- 
rheinischen Kreisen  Bayerns  für  König  Mai  II.  besonders  von  unserm  zu 
früh  verstorbenen  Freuude  Lentner  in  mehr  als  zwanzig  dicken  Folio- 
Manuscript-BBnden  gesammelt,  unserer  Redaktion  und  Bearbeitung  in 
dem  ethnographischen  Theil  der  „Bavaria*  übergeben  wurde,  hat  in 
unglaublich  vielen  Fällen  Beläge  oder  Analogien  für  die  Aufstellungen 
des  Verfassers  geboten.  Wir  selbst  haben  Jahrzehnte  lang  besonders 
im  Chiem-Gau  die  Reste  heidnischer  Ueberlieferung  in  den  Volks- 
gebräuchen verfolgt  nnd  könnten  aus  eigner  Erfahrung  gerade  für  den 
Baum-Kult,  dann  für  das  Not-Feuer  interessante  Beiträge  zu  den 
Sammlungen  des  Verfassers  liefern.  Davon  vielleicht  ein  ander  Mal. 
Zum  Schluss  nur  eine  leise  Andeutung  in  Betreff  der  Methode.  Der 
Verf.  zeigt  au  vielen  Stellen,  dass  ihm  eine  Klippe,  an  welcher  gerade 
die  geistvollsten  Mythologen  am  häufigsten  scheitern,  sehr  wohl  be- 
kannt ist:  nämlich  die  Gefahr  in  die  Mytbenbildiingen  eine  Folge- 
richtigkeit, eine  logische  Consequenz  zu  verlegen,  welche  nur  in  dem 
Gedanken  des  Mythologen,  aber  nicht  in  der  frei  spielenden  arabeskenbaft 
den  Grundstoff  umrankenden  Phantasie  der  Mythen  bildenden  Volks- 
seele vorhanden  ist.  Widersprüche  erträgt  unser  Forschen  nicht,  aber 
sehr  wohl  das  Objekt  unserer  Forschung.  Nothwendige  Folgerungen 
ans  einer  festgestellten  Anschauung  zu  ziehen  ist  ein  Bedürfniss  des 
Mythologen,  aber  durchaus  nicht  der  Mythologie.  Ganz  unerschöpflich 
und  unberechenbar  sind  die  Verbindungen  oder  auch  die  Sprünge  und 
Lücken  in  dem  Gewebe  der  mythischen  Vorstellungen:  sie  bilden 
nicht   ein   System.     Die   Poesie,    welche    sich   frei    schaltend    der 


Anthropologisch»  Gesellschaft  zu  Dans  ig.  629 

mythischen  Stoffe  bemächtigt  —  auch  schon  die  Volkspoesie,  nicht  erst 
die  Kunstpoesie  —  bindet  sich  an  kein  Gesetz  als  an  das  ihres  Schönheits- 
bedürfnisses :  sie  schafft  Mythen,  welche  andern  Mythen  des  gleichen 
Stoffes  widerstreiten:  sie  flicht  Züge,  Eigenschaften,  Färbungen  in  eine 
Mythe,  welche  mit  dem  Kern,  dem  Grundgedanken  der  Mythe  gar  nichts 
zu  schaffen  haben,  vielmehr  demselben  widersprechen.  Deshalb  müssen 
wir  uns  hüten,  Alles  erklären  zu  wollen:  es  bleibt  sehr  oft  ein  rein 
phantasiemässiger  Rest.  Und  hüten  müssen  wir  uns  ferner,  alle  Striche 
eines  Mythos  als  aus  seinem  Centrum  gezogene  Radien  zu  erklären: 
spielend  schlingt  die  Poesie  ihre  Banken  durch  den  Kreis,  das  Centrum 
verbergend,  die  wirklich  von  ihm  ausgehenden  Radien  ebenfalls  ver- 
hüllend und  ihre  graden  Linien  umwuchernd,  zwischen  den  Radien  un- 
zählige und  unentwirrbare  Windungen  knüpfend  und  endlich  mit  ihren 
ausgreifenden  Luftwurzeln  weit  über  die  Peripherie  des  Einen  Mythen- 
kreises nach  allen  Seiten  hinüber  langend  in  benachbarte  nicht  nur, 
nein,  oft  mit  Auslassung  der  nächst  liegenden,  in  fernab  liegende  andere 
Mythenkreise,  deren  Zusammenhang  in  nichts  anderem  besteht,  als  in 
diesen  übermüthig  spielenden  Arabesken  der  Phantasie. 

Das  Alles  weiss  Meister  Mannhardt  theoretisch  so  gut  und  besser 
als  wir.  Aber  er  wird  vielleicht  selbst  zugeben,  dass  er  es  in  seiner 
Praxis,  im  schönen,  im  heiligen  Eifer  begeisterter  Erklärung  hie  und 
da  einmal  ausser  Acht  gelassen  hat.  Und  wir  danken  ihm  dafür. 
Denn  wer  nicht  das  Wagniss  übernimmt,  mit  der  Wünschelruthe  auch 
einmal  neben  den  verborgenen  Schatz  zu  schlagen,  dem  versagen  die 
Götter  den  Schatz  selbst  jemals  zu  treffen.  In  diesem  Werk  aber 
liegt  ein  reicher  Hort  glücklich  gehobener  Weisheit  und  Schönheit. 

Königsberg,  Winter  Sunwend  1877.  _  _.    _  , 

00  Felix  Dahn. 


Anthrtptltgisehe  Gesellschaft  n  Daniig. 

Sitzung  den  7.  November  1877. 

1)  Der  Vorsitzende  legte  zuerst  die  eingegangenen  Geschenke  vor. 
Herr  Suter  hatte  aus  Loebcz  eine  sorgfaltige  Beschreibung  zweier  Stein- 
kistengräber und  zweier  darin  gefundener  Qesichtsurnen  übersandt,  Herr 


(530  Kritiken  nnd  Referate. 

Pfeffer  eine  schön  erhaltene  broncene  Pincette  aus  einem  Urnengrabe 
bei  Mewe,  Herr  Lampe  mehrere  sehr  schön  gearbeitete  indianische 
Pfeilspitzen  aus  verschiedenen  Theilen  der  V.  St.  Nordamerikas,  Herr 
Sachs  aus  Cairo  vier  Mumienschädel  und  eine  Menge  in  der  Wüste 
gefundener  Feuer  stein  waffen,  Herr  Boy  aus  Katzke  endlich  den  Inhalt 
eines  Urnengrabes  mit  interessanten  Broncebeigaben. 

2)  Herr  Dr.  Mannhardt  sprach  über  mehrere  von  ihm  geleitete 
Ausgrabungen  in  den  Kreisen  Pr.  Stargardt  und  Danzig.  In  der  Pfingst- 
woche  dieses  Jahres  wurde  in  Gesellschaft  des  Herrn  Gutsbesitzer 
Gramms  auf  Rathsdorf  der  auf  dessen  Grund  und  Boden  zwischen 
Rathsdorf  und  Miwodow  gelegene,  seit  Alters  so  genannte  „Schloss- 
berg"  untersucht.  Derselbe  bildet  ein  9  Meter  hohes  Doppelplateau 
auf  einer  Halbinsel  des  Pathensee's,  welche  durch  eine  tiefe  Schlucht 
und  einen  zur  natürlichen  Schutzwehr  dienenden  Hügel  auch  auf  der 
Landseite  von  dem  dahinterliegenden  Terrain  isolirt  und  von  diesem 
aus  nur  durch  einen  schmalen  Erdrücken  zugänglich  ist.  Ausserdem 
wird  diese  Seite  der  Halbinsel  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  (70  Meter) 
auch  noch  durch  einen  15  Meter  über  dem  oberen  Plateau  ansteigenden 
künstlich  aufgeschütteten  Wall  abgeschlossen  und  vertheidigt,  in  welchem 
der  Spaten  unter  der  oberen  Humuslage  eine  Culturschicht  von  70  cm 
Mächtigkeit  biossiegte.  Dieselbe  enhält  eine  spärliche  Beimischung  von 
Holzkohlen  und  viele  zerbrochene  Urnenscherben  grobkörnigen  Materiales, 
häufig  sehr  roth  gebrannt,  oft  mit  Verzierungen  versehen,  die  aus  ein- 
geritzten wellenförmigen  oder  horizontalen,  parallelen  •Linien  bestanden. 
Keine  Thier-  oder  Menschenknochen,  keine  Metallgeräthe  kamen  zum 
Vorschein.  Die  ganze  Situation  entspricht  genau  den  als  Wohnsitz 
lettischer  Edeln  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  Heidenthums  histo- 
risch beglaubigten  Burgbergen  in  Kurland  und  ähnlichen  Anlagen 
in  Littauen  und  Ostpreussen.  Die  Aufschüttung  zerbrochener  Scherben 
von  Hausgeräth  und  die  denselben  eingeritzten  eigentümlichen  Ver- 
zierungen stimmen  dagegen  mit  dem  Typus  der  Funde  in  den  slawi- 
schen Burgwällen,  Pfahlbauten  nnd  Stadtanlagen  aus  der  Zeit  des 
8.— 12.  Jahrhunderts  überein.  Es  war  somit  der  Rathsdorfer  Schlossberg 
ein  Burgberg,  d.h.  eine  nach  lettischer  Bauweise  hergestellte  Burg- 


Anthropologische  Gesellschaft  an  Danzig.  631 

anläge,  aber  dereinst  bewohnt  und  benutzt  von  Leuten,  welche  nach 
slawischer  Sitte  lebten.  Diese  Mischung  ethnographischer  Charakter- 
zuge entspricht  genau  der  geographischen  Lage  des  Fundorts  auf  dem 
Boden  eines  slawischen  Volksstamms,  hart  an  der  Grenze  eines  lettischen 
Volkes,  der  Pomesanier.  Ein  Situationsplan  und  Zeichnungen  der  ge- 
fundenen Töpferei  erläuterten  diesen  Nachweis. 

Einige  Tage  vorher  fand  die  Untersuchung  mehrerer  Steinkreise  am 
Schwarzwasserfluss  südlich  von  Bordzichow,  gegenüber  den  Ausbauten  von 
Ossowo  statt.  Dieselben  erwiesen  sich  ganz  analog  den  von  Dr.  Lissauer 
bei  Krissau  und  von  Sanitätsrath  Dr.  Behrend  bei  Meisterswalde  unter- 
suchten Steinsetzungen.  Nur  einen  einzigen  Steinring  jedoch  erwies  die 
Nachgrabung  als  im  Innern  noch  einigermassen  intact  erhalten. 

In  einer  Tiefe  von  IV*  Meter  lagen  auf  dem  gewachsenen  Boden 
mit  den  Füssen  nach  Westen  gekehrt,  zwei  Skelette  mit  dolichokephalen 
Schädeln,  deren  Masse,  so  weit  eine  Feststellung  möglich  war,  mit  den 
Verhältnissen  der  Krissauer  Schädel  und  dem  Typus  der  germanischen 
Beihengräberschädel  übereinstimmten.  An  der  Seite  des  einen  Körpers 
lag  das  auch  aus  den  genannten  Fundorten  bekannte  Eisenmesser.  Ob 
ein  etwas  oberhalb  gefundenes  Fragment  einer  Broncescheide  mit  darin 
steckender  eiserner  Dolchspisze  zu  den  Skeletten  oder  zu  den  Begräb- 
nissen der  oberen  Lage  gehörte,  war  nicht  mehr  auszumachen.  Ueber 
den  Skelettgräbern  hatte  nämlich  eine  jüngere  Zeit  mehrere  Urnen  mit 
den  Gebeinen  ihrer  Todten  beigesetzt,  deren  durch  eine  spätere  Um- 
wühlung des  Bodens  auseinandergerissene  Trümmer  (Scherben,  Knochen, 
Holzkohlen)  bis  zu  1  Meter  Tiefe  sich  vorfanden.  Die  Töpferei  war 
diejenige  der  Burgwälle  und  genau  übereinstimmend  mit  den  auf  dem 
Bathsdorfer  Schlossberg  gefundenen  Stücken.  Das  sichere  Ergebniss 
dieser  Untersuchung  in  Verbindung  mit  den  Thatsachen  der  beiden 
anderen  genau  entsprechenden  Fundorte  war  mithin  dies,  dass  eine  Be- 
völkerung mit  slawischer  Cultur  es  war,  welche  hier  mit  einer  ge- 
wissen Begelmässigkeit  ältere  (vermuthlich  germanische,  vor  saec.  VI 
angelegte)  Begräbnissstätten  aufs  neue  als  Friedhöfe  benutzte. 

In  der  Kurve,  welche  das  Radaunenthal  südlich  von  Bölkau  macht, 
erheben  sich  (bei  Bölkau-Ziegelscheune)  drei  Hügel  von  beträchtlicher 


632  Kritiken  und  Referate. 

Höhe  und  bedeutendem  Umfange.  Der  eine  derselben,  welcher  ein 
Areal  von  mehreren  Morgen  Umfang  umfasst,  ist  die  Stätte  eines 
grossen  Heidenkirchhofes.  In  Folge  einer  an  den  anthropologischen 
Verein  gelangten  gütigen  Berichtigung  übernahm  Dr.  Mannhardt  im 
Auftrage  desselben  die  Untersuchung  des  Platzes,  wobei  ihn  das  liebens- 
würdige Entgegenkommen  des  Besitzers  Herrn  Thaumann  fördernd  unter- 
stützte. Bei  mehrmaligen  Excursionen,  an  deren  einer  die  Herren  Walter 
Kauffmann  und  Dr.  Kestner  sich  betheiligten,  wurden  mit  Hilfe  ange- 
nommener Arbeiter  Ausgrabungen  vorgenommen,  aus  denen  hervorgeht, 
dass  der  ganze  Hügel  auf  seinem  oberem  Abhänge  von  einem  doppelten, 
zuweilen  dreifachen  Kranze  von  Steinkistengräbern  umgeben  war,  von 
denen  der  grössere  Theil  durch  den  Pflug  bereits  völlig  zerstört,  ein 
anderer  so  stark  beschädigt  war,  dass  eine  genauere  Feststellung  des 
Inhalts  nicht  mehr  erfolgen  konnte.  Doch  gaben  selbst  an  der  Stelle 
der  ersteren  die  ausser  einzelnen  Decksteinen  zahlreich  vorhandenen 
Scherben  Gelegenheit  zu  einer  interessanten  Sammlung  durch  Ornamente 
ausgezeichneter  Stücke,  welche  zu  einer  vergleichenden  Gegenüber- 
stellung mit  den  Formen  der  Burgwalltöpferei  verwerthet  werden  wird. 
Es  wurden  circa  zwanzig  Gräber  noch  unversehrt  vorgefunden,  doch 

i 

gestattete  die  Feuchtigkeit  des  Bodens,  nur  wenige  Urnen  unzerbrochen 
ans  Tageslicht  zu  fördern.  Die  Begräbnisse  gewährten  durchweg  Be- 
stätigungen für  den  bekannten  Charakter  der  Steinkisten.  Mehrere  der- 
selben pflegten  aneinander  zu  stossen,  dann  folgten  andere  in  1—  2  m 
Entfernung.  Ihre  Langseite  hielt  die  Kichtung  von  Nordwesten  nach 
Nordosten  und  umgekehrt  ein.  In  jedem  Grabe  standen  mehrere  Urnen, 
meistentheils  zwei  bis  fünf.  Die  Mehrzahl  war  aus  grobem  Material  in 
rundbauchiger  Gestalt  geformt  und  ohne  Verzierungen ;  statt  des  mützen- 
förmigen  Deckels  war  vielfach  eine  zu  wirtschaftlichem  Gebrauch  be- 
stimmte Schale  über  den  Obertheil  des  Gefässes  gestülpt.  Zwischen 
den  grösseren  Urnen  standen  zuweilen  einzelne  kleine  (Kinder-Urnen) 
mit  Knochen  und  Asche  gefüllt.  Kunstreichere  Gefasse  (darunter  Ge- 
sichtsurnen) von  feinerem  Thon,  besserem  Brande,  eleganterer  Form, 
mit  Verzierungen  und  Schmuck  von  Bronceringen,  Glas-  und  Bernstein- 
perlen fanden  sich  vereinzelt  neben  den  einfacheren  Urnen  und  zwar  in 


V 


Anthropologische  Gesellschaft  zu  Danaig.  633 

denselben  Gräbern,  wie  diese,  vor;  sonstige  Beigaben  fehlten.  Ein  be- 
sonderes Interesse  nehmen  drei  Urnen  in  Anspruch:  a)  Die  eine  der- 
selben aus  feinem  Thon  mit  schön  geglätteter,  in's  Schwärzliche  spielender 
Oberfläche,  40  cm  hoch,  zeichnet  sich  durch  ihre  ausserordentlich  ge- 
fällige Form  und  das  Ebenmass  ihrer  Verhältnisse  aus.  Sie  erreicht  8  cm 
über  dem  Boden  ihren  grössten  Umfang  (88  cm),  der  zwei  und  ein  halb 
mal  so  gross  als  derjenige  des  Bodens  ist.  Von  da  steigt  sie  allmälig 
sich  verjüngend  mit  zierlichem  Halse  empor,  dessen  obere  Oeffnung 
um  ein  Sechstel  hinter  der  Peripherie  des  Bodens  zurückbleibt.  Wiederum 
8  cm  unterhalb  des  oberen  Randes  beginnt  um  die  Brust  der  Urne 
eine  Zeichnung  von  fünf  parallelen  Strähnen,  welche  aus  je  drei  parallelen 
Linien  bestehen,  die  durch  Querstriche  fein  gefiedert  sind.  Die  Zwischen- 
räume werden  von  zwei  zickzackförmigeu  Doppellinien  ausgefüllt,  welche 
in  der  obersten  Reihe  und  unterhalb  derselben  ebenfalls  die  federartigen 
Seitenstriche  zeigen.  —  Die  beiden  anderen  Urnen  gehören  zur  Klasse 
der  Gesichtsurnen,  deren  mehrere  weniger  bemerkenswerthe  zum  Vor- 
schein kamen,     b)  Das  erste   dieser  Gefasse,  28  cm  hoch,  trägt  an 

• 

Stelle  der  Nase  einen  einfachen  Knauf;  die  Augen  werden  durch  zwei 
Kreise,  die  Ohren  durch  platte  Erhöhungen  mit  je  zwei  Löchern  dar- 
gestellt, in  denen  die  Ohrringe  fehlen.  Der  Mund  ist  nicht  angedeutet. 
Von  der  Stelle  unterhalb  der  Nase,  welche  er  einnehmen  müsste,  laufen 
drei  aus  eingeritzten  Punkten  bestehende  Linien  bis  auf  den  Bauch  der 
Urne  hinab,  die  am  untersten  Ende  durch  drei  kürzere  punktirte  Linien  ge- 
kreuzt sind.  Wir  haben  es  hier  augenscheinlich  abermals  mit  der 
Darstellung  eines  langhinabfallenden,  im  Uutertheil  durch- 
flochtenen  Bartes  zu  thun;  ein  solcher  muss,  wie  der  Vortragende 
schon  früher  an  der  Warmhöfer  Gesichtsurne  nachgewiesen  hat,  in  dem 
Zeitalter  der  Steinkistenbegräbnisse  zur  Tracht  der  hiesigen  Landes- 
einwohner gehört  haben.  Der  Bart  legt  sich  deutlich  über  eine  andere 
Zeichnung  in  erhabener  Arbeit,  welche  aus  kleinen  das  Obertheil  der 
Urne  umziehenden  Strichelchen  bestehend  den  Eindruck  mehrerer  auf 
die  Brust  herabhängender  Halsketten  gewährt.  Auf  dem  Hinterkopfe 
bemerkt  man  zwischen  einem  eigentümlichen,  offenbar  einen  Hals- 
kragen abbildenden  Ornament  die  deutliche  Darstellung  eines  Zopfes, 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIV.  Hft.  7  u.  8.  41 


(334  Kritiken  und  Referate. 

ein  neuer  Beweis  dafür,  dass  auch  dieser  zur  Männertracht  gehörte. 
c)  Die  zweite  Gesichtsurne,  33  cm  hoch,  ist  einfacher;  sie  zeigt  keine 
Augen,  an  Stelle  der  Nase  einen  Knauf,  in  den  Ohren  je  drei  Löcher 
für  Ohrringe;  aber  sie  ist  bemerkenswerth  durch  die  Zeichnung  von 
Halsringen  in  Gestalt  von  sechs  von  Ohr  zu  Ohr  tief  eingeritzten  Linien. 
3)  Der  Vorsitzende  theilte  ferner  die  Kesultate  seiner  Untersuchungen 
über  die  ethnologischen  Charaktere  der  Kassubenschädel  und  über  die 
Skelettgräber  aus  der  Jüngern  Steinzeit  bei  Gross  Morin  in  Cujavien 
mit,  Untersuchungen,  welche  ausführlich  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie 
veröffentlicht  werden  sollen. 

[Danz.  Ztg.  v.  G.Decbr.  1877.  No.  10691.] 

Alterthumsgesellschaft  in  Elbing  1877. 

In  der  am  11.  October  abgehaltenen  General-Versammlung  wurde 
nach  einer  kurzen  Begrüssung  der  erschienenen  Mitglieder  durch  den 
Vorsitzenden  die  Kechnung  gelegt  und  dechargirt  und  der  bisherige 
Vorstand  durch  Acclamation  wiedergewählt.  —  Es  gehören  demnach 
zum  Vorstande  die  Herren:  Dr.  Anger  (Vorsitzender),  Rechtsanwalt 
Hörn  und  Gerich tsrath  Kaninski  (Stellvertreter  des  Vorsitzenden), 
Lieutenant  v.  Schack  (Schriftführer),  Buchhändler  Meissner  (Kassen- 
führer), Hauptlehrer  Straube  (Bibliothekar),  Lehrer  Kapeller  (Con- 
servator). 

In  der  darauf  eröffneten  ordentlichen  Sitzung  machte  der  Vorsitzende 
eingehende  Mittheilungen  über  mehtere  Fundstellen  bei  Elbing  und  ent- 
wickelte, welche  Aufgaben  damit  der  Alterthumsgesellschaft  gestellt  wor- 
den seien.  Die  Vorzeigung  und  Besprechung  der  bei  Dambitzen  und  auf 
dem  Neustädterfelde  gemachten  Funde  wurde  auf  die  nächsten  Vereins- 
abende verschoben.  Ausführlicher  besprach  der  Vorsitzende  die  ihm 
von  Gutsbesitzer  Quassowski  in  Kickelhof  bei  Elbing  übergebenen 
Gegenstände:  1)  drei  eiserne  Lanzenspitzen,  2)  eine  Urne,  3)  Ohrringe 
aus  Broncedraht,  4)  einen  broncenen  Gewandhalter,  5)  Stücke  eines 
7  mm  dicken  broncenen  Armringes.  Sämmtliche  Gegenstände,  sowie 
ein  Schädel,  welchen  der  Vorsitzende  an  Prof.  Virchow  geschickt  hat, 


Alterthumagesellschaft  in  Elbing.  635 

sind  auf  dem  Acker  des  Gutsbesitzer  Quassowski  gefunden.  Die  Bronce- 
gegenstände  dürften  der  eigentlichen  Broncezeit,  während  die  vor  einiger 
Zeit  bei  Kickelhof  gefundenen  silbernen  Armbänder  einer  späteren  Zeit, 
der  sogenannten  älteren  Eisenzeit  angehören.  Viele  Anzeichen  sprechen 
dafür,  dass  die  Kickelhöfer  Feldmark  noch  andere  interessante  Gegen- 
stände birgt.  —  Sodann  berichtet  der  Vorsitzende  über  die  von  Mit- 
gliedern der  Alterthumsgesellschaft  unternommene  Ausmessung  des  See- 
teiches bei  Dambitzen,  an  dessen  Rande  interessante  Alterthümer 
gefunden  seien  (ausfuhr!.  Bericht  nach  der  „Elb.  Post"  s.  Altpr.  Mtsschr. 
XIV,  S.  503—505).  Die  grösste  gemessene  Tiefe  des  nur  100  Meter 
breiten  Teiches  betrug  gut  15  Meter.  Die  Möglichkeit,  an  dem  Rande 
des  Seeteiches  noch  andere  Alterthümer,  vielleicht  gar  Reste  von  Pfahl- 
bauten zu  finden,  ist,  zumal  in  unserer  Provinz  Pfahlbauten  z.  B.  bei 
Werder  am  Aryssee  aufgefunden  sind,  nicht  ausgeschlossen.  Die  am 
Rande  des  Seeteichs  gefundene  und  von  Gutsbesitzer  Hering  geschenkte 
Kanne  (22  cm  hoch)  wurde  vorgezeigt.  Die  Technik  der  aus  Lehm 
mit  eingemengten  Quarzbrocken  vielleicht  auf  einer  Drehscheibe  gear- 
beiteten, im  Ganzen  gut  geformten  grauen,  ungebrannten  Kanne  zeigt 
eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  derjenigen  Behandlungs weise,  welche 
an  manchen  Gefassen  aus  den  bei  Dambitzen  aufgefundenen  Heerdstellen 
bemerkbar  ist.  —  Ausserdem  wurden  vorgezeigt:  1)  ein  Sporn,  gefunden 
bei  Steinort  (Geschenk  von  Stadtrath  Martens),  —  2)  von  Gerichtsrath 
Taureck  eine  sogen.  Pyrmonter  Quellennadel,  Nachahmung  einer  von 
den  vielen  bei  Pyrmont  gefundenen  Fibeln,  —  3)  ein  Merkur  aus  Bronce, 
vorgezeigt  von  Kaufmann  Lorenz,  —  und  4)  von  Lieutenant  v.  Schack 
eine  Uebersetzung  des  Polybius  mit  Anmerkungen  des  Ritters  Follard 
aus  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts;  das  Werk  enthält  viele  inter- 
essante Abbildungen. 

Am  1.  November  hielt  der  Vorsitzende  Dr.  Anger  einen  Vortrag 
über  die  auf  dem  Spittelhöfer  Felde  bei  Dambitzen  aufgedeckten  Heerd- 
stellen eines  alten  Dorfes  aus  heidnischer  Zeit  und  über  die  in  den- 
selben aufgefundenen  Alterthümer.  —    Nach  einer  kurzen  Uebersicht 

über  die  Resultate  früherer  Ausgrabungen  in  Wöcklitz  und  Meislatein, 

41* 


636  Kritiken  und  Referate. 

veranstaltet  im  Jahre  1822  von  dem  Landrath  Abramowski,  gib   der 
Vorsitzende  auf  Sadowski's  Arbeit  gestützt,  die  Stationen  von  Etrurien 
bis    zum   bernsteinreicheu   Samlande,    und    mit  zu  Gnindelegung  von 
Wulfstan's  Bericht  die  Stationen  des  von  Dänemark  über  die  See  bis 
hierher  führenden  Handelsweges  an.   Aus  dem  lebhaften  Handelsverkehre 
ist  es  allein  zu  erklären,  dass  die  Beigaben  in  den  Gräbern  aus  heid- 
nischer Zeit  so  zahlreich  sind.     Der  Vortragende  versprach,  die  Re- 
sultate seiner  Ausgrabungen  auf  dem  Gräberfelde  bei  Elbing  in  der 
nächsten  Sitzung  vorzulegen.     Danach  wendete  er  sich   seiner  eigent- 
lichen Aufgabe  zu  und  beschrieb  die  von  ihm  untersuchten  Heerdstellen. 
Dieselben    befinden   sich    an    der    Chaussee    zwischen    Dambitzen    und 
Weingrundforst  au  der  Stelle,  wo  der  Spittelhöfer  Weg  von  der  Chaussee 
abgeht.    Das  dem  Gutsbesitzer  Baerecke  auf  Spittelhof  gehörige  Terrain 
enthält  ein  Kieslager,  welches  Maurermeister  Schmidt  unter  der  Auf- 
sicht des  Aufsehers  Plath   ausbeutet.     Durch  einen  glücklichen  Zufall 
wurde   der  Vortragende  gerade  zu  einer  Zeit  an  den  Ort  geführt,  als 
mehrere  an  dem  senkrechten  Abstiche  der  6—10  in  tiefen  Kiesgrube 
deutlich  erkennbare  Heerdstellen  zu  sehen  waren.     Dieselben  zogen  sich 
ziemlich  parallel  mit  der  Chaussee  hin,  etwa  20 — 30  Schritte  von  ein- 
ander entfernt.    Jede  Heerdstelle  lag  unmittelbar  unter  der  Huraus- 
schicht, war  etwa  1  m  lang,  0,75  m  breit  und  etwa  ebenso  tief.     Da 
sie  ganz  mit  Kohlen  gefüllt  waren,  so  hoben  sie  sich  von  der  Kies 
bedeckenden  Lehmschicht  scharf  und  bestimmt  ab.    Der  Vortragende 
hat  mindestens  30 — 40  solcher  Heerdstellen  selbst  gesehen  und  auf- 
decken lassen.     Eine  weit  grössere  Zahl  dagegen  wurde  von  den  Ar- 
beitern in  seiner  Abwesenheit   aufgedeckt,   mitunter   zehn  Stellen  an 
einem  Tage.     Gewiss  sind  noch  jetzt,  nachdem  die  Kiesgruben  ausge- 
füllt  und   das   Terrain   wieder   planirt  ist,   in  dem  innersten  Winkel 
zwischen  der  Chaussee  und  dem  Spittelhöfer  Weg  viele  Heerdstellen 
vorhanden.  —  Gefunden  wurden  in  diesen  Kohlengruben  viele  Topf- 
scherben, aus  Lehm  oder  Thon  mit  eingemengten  gröberen  oder  feineren 
Quarzbrocken  gearbeitet,  zum  Theil  auf  höchst  einfache  Art,  z.  B.  mit- 
telst Eindrücken  eines  Fingernagels,  verziert,  mitunter  gebrannt;  ferner 
ziemlich  grosse  durch  die  Einwirkung  des  Feuers  mürbe  gemachte  oder 


Altertbumsgeselltfcbäft  in  Elbing.  937 

an  der  Oberfläche  geschmolzene  Steine,  Stücke  der  rothgebrannten  Heerd- 
platten,  Knochen  von  Thieren,  besonders  zahlreich  Zähne  (von  Schaf, 
Schwein,  Rind,  Pferd,  Bär),  Fischschuppen,  eiserne  Geräthe  (Messer, 
Trense,  Hufeisen,  Riemenbeschläge,  Sichel),  ein  aus  Knochen  gear- 
beiteter Doppelkamm,  ein  knöchernes  Messerheft  und  ein  grösseres 
Stück  eines  thönernen  roh  gearbeiteten  Siebes,  welches  die  Gestalt  eines 
Kelchglases  gehabt  haben  muss.  Auffallend  ist  es,  dass  dieses  Sieb 
auf  dem  Boden  ein  Loch  gehabt  hat,  von  1,8  cm  Durchmesser.  Viel- 
leicht hat  in  'demselben  einst  ein  hölzerner  Stiel  gesteckt.  Der  Scherben 
ist  10,5  cm  lang,  10  cm  breit  und  0,5  bis  1,5  cm  dick.  Ebenso  inter- 
essant ist  der  Doppelkamm  (6  cm  lang,  3,7  cm  breit,  in  der  Mitte 
0,4  cm  dick).  Derselbe  besteht  aus  drei  an  einander  gelegten  recht- 
eckigen, an  ihren  schmalen  Seiten  ausgezahnten  Knochenplatten,  welche 
auf  beiden  Seiten  mittelst  schmaler  durch  eiserne  Stifte  festgenieteter 
Knochenleisten  zusammengehalten  werden.  Auf  jedem  der  0,7  cm 
breiten  Leisten  sind  merkwürdiger  Weise  wieder  die  uralten  Kreis- 
verzierungen (Kreis  mit  Punkt  in  der  Mitte)  angebracht,  und  zwar  vier 
Kreise  auf  jeder  Seite.  Der  Kamm  hat  auf  der  einen  Seite  19,  auf 
der  andern  32  Zähne.  Er  steht  in  Beziehung  auf  künstlerische  Aus- 
führung weit  hinter  den  Kämmen  zurück,  welche  der  Vortragende  auf 
dem  Neustädterfelde  gefunden  hat.  Die  auf  dem  knöchernen  Messer- 
hefte angebrachte  Verzierung  ist  mit  der  auf  einem  silbernen  bei  Kickel- 
hof gefundenen  Armbande  befindlichen  fast  identisch,  nämlich  eine 
Zickzacklinie,  die  auf  jeder  Seite  von  drei  parallelen  Einschnitten  ein- 
gefasst  ist.  —  Die  nähere  Bestimmung  der  Zähne  und  Thierknochen 
hat  Prof.  Benecke  in  Königsberg  gütigst  übernommen. 

[Elbinger  Post  v.  8.  Novbr.  1877.  No.  261.] 
Sitzung  am  G.  Dezember.  Die  erfreulich  zahlreich  besuchte  Sitzung 
wurde  durch  Dr.  Anger  mit  der  Vorlesung  eines  Berichtes  eröffnet,  welchen 
Professor  Dr.  Virchow  in  Berlin,  nach  Briefen  des  Herrn  Dr.  Anger, 
der  anthropologischen  Gesellschaft  über  die  Alterthumsfunde  auf  dem 
Neustädterfelde  bei  Elbing  und  in  Kickelhof  bei  Cadinen  abgestattet 
hat.  Das  Neustädterfelder  Gräberfeld  liegt  nahe  bei  der  Stadt  Elbing; 
die  daselbst  gehobenen  Funde  bestehen  in  Glasperlen,  Schmucksachen 


638  Kritiken  und  Referate. 

aus  Bronce  und  Silber,  Glaskugeln,  Knochen,  Schädeln,  unzusammen- 
hängendeil Skeletten,  Spinnwirteln  u.  s.  w.  Alle  diese  Funde,  welche 
Herrn  Virchow  zur  Ansicht  und  Beurtheilung  zugeschickt  waren,  sind 
wieder  hier  angelangt  und  lagen,  wiohlgeordnet,  der  Versammlung  zur 
Ansicht  vor.  Dass  das  Neustädterfeld  vor  Jahrhunderten  theilweise 
eine  Begräbnissstätte  gewesen,  ist  unzweifelhaft,  weniger  fest  steht,  wie 
weit  dasselbe  sich  erstrekt  hat,  doch  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  anzu- 
nehmen, dass  es  bis  in  die  Nähe  der  Stadt  Elbing  gegangen  ist,  we- 
nigstens wurden  auf  Aeussern  St.  Georgendamm  beim  Bau  des  Hospitals 
ähnliche  Knochenreste  und  alte  Bronce-  und  Eisenstücke,  wie  auf  dem 
in  Rede  stehenden  Fundorte  zu  Neustädterfeld  aufgefunden.  Es  könnten 
dort  jedenfalls  noch  zahlreiche  Gräber  aufgedeckt  werden  und  läge  es 
im  Interesse  der  Wissenschaft,  die  Aufdeckungen  in  möglichst  grossem 
Umfange  vorzunehmen.  Das  Resultat  der  im  März  d.  J.  vorgenommenen 
Ausgrabungen  war  das  reichhaltigste,  das  auf  Neustädterfeld  seither 
vorgekommen.  Es  lieferte  Urnen,  Kämme,  Perlen,  Broncesachen,  nament- 
lich 13  Stück  Schmucksachen,  die  fibulae  der  Römer,  ein  zerbrochenes 
Armband,  zwei  alte  Münzen,  deren  Gepräge  leider  unkenntlich  u.  s.  w. 
Aehnliche,  wenn  auch  weniger  reichhaltige  Funde  wurden  in  Kickelhof 
gemacht.  —  Die  aufgefundenen  Schädel  hält  Prof.  Virchow  nicht  für 
der  lettischen,  vielmehr  eher  der  finnischen  Race  angehörig,  doch  räumt 
er  ein,  dass  die  genaue  Bestimmung  darüber  sehr  schwierig  sei.  Die 
aufgefundenen  Thonscherben  scheinen  theils  aus  dem  frühen  Mittel- 
alter zu  stammen,  theils  aber  einer  noch  früheren  Periode  anzugehören. 
Die  aufgefundenen  fibulae,  sowie  die  Kämme,  scheinen  jedenfalls  aus 
sehr  alter  Zeit  herzurühren;  letztere  sind  um  so  werthvoller,  als  sie 
sich  sehr  selten  finden,  so  dass  beispielsweise  die  Alterthumsgesellschaft 
Prussia  in  Königsberg  kein  Exemplar  besitzt;  ebenso  sind  auch  die  auf- 
gefundenen Perlen  eine  Rarität.  Nach  Virchow  stammen  diese  letzt- 
aufgeführten Funde  wohl  aus  der  älteren  Eisenzeit,  welche  bekanntlich 
von  Christi  Geburt  bis  etwa  ins  7.  Jahrhundert  geht,  während  die  früheren 
Perioden  mit  Steinzeit  und  Bronce-Zeit  bezeichnet  werden.  —  Einge- 
schickt sind  der  Gesellschaft  in  letzter  Zeit  von  Herrn  Quintern  ein 
Bronce- Armband  und  eine  Perle,  von  Herrn  Voigt -Neueichfelde  das 


Alterthumsges  eil  schuft  in  Elbing.  6Sd 

Skelett  eines  Riesenhochtes,  10  Fuss  unter  der  Erde  gefunden,  und  von 
Baumeister  Kummer  zwei  Stücke  Metall,  auf  denen  noch  Rudera  von 
Wappen    befindlich,    gefunden    beim   Aufgraben    des    Fundaments    zur 
Kirche  in  Reichenbach.  —  Nach  der  Pause  hielt  der  Vorsitzende  einen 
Vortrag  „Ueber  die  wahrscheinliche  Lage  von  Truso  und  über  die  Mög- 
lichkeit, dieselbe  genauer  zu  bestimmen."     Der  alte  Seefahrer  Wulfstan 
sagt  in  der  Beschreibung  seiner  Reisen,  die  ihn  auch  nach  dem  Ufing- 
(Blbing-)Flusse  führten:  „Dann  kommt  man  auf  den  Elbing,  an  dessen 
Gestade  der  verkchrreicho  Markt  Truso  liegt."  —  Der  verstorbene  Stadt- 
rath  Neumann  hierselbst,  ein  tüchtiger  Alterthumsforscher,  nahm  an, 
Truso  habe  da  gelegen,  wo  heute  das  Kirchdorf  Preuschmark,  welches 
früher  allerdings  Preuschmarkt  hiess,  gelegen;  dies  bleibt  jedoch  sehr 
zweifelhaft,  da  Preuschmark  niemals  am  Gestade  des  Drausen  gelegen 
haben  kann,  weil  sich  eben  auf  dem  Neustädterfeld  die  zu  Truso  jeden- 
falls   gehörigen    Leichenfelder  finden    und  man  doch   nicht  annehmen 
kann,  dass  die  alten  Preussen  ihre  Leichen  ins  Wasser  begrabeu  haben 
werden.     Gegen  Preuschmark  spricht  auch  der  Umstand,  dass  man  dort 
keine  Alterthümer,  namentlich  keine  alten  Heerdstellen  findet  wie  sie 
bei  allen  umfangreicheren  und  reicheren  Orten  häufig  gefunden  werden. 
Andere  veröffentlichte  Muthmassungen  über  die  Lage  von  Truso  sind 
ebenso  haltlos  und  dieselbe  mit  Bestimmtheit  aufzufinden  ist  nur  mög- 
lich, wenn  die  Ausgrabungen  in  der  Gegend  des  Drausens  und  Elbings 
fleissig  und  mit  Aufmerksamkeit  fortgesetzt  werden  und  man  besonders 
darauf  achtet,  wo  sich  eine  grössere  Anhäufung  von  Heerdstellen  zeigt. 
Möglieherweise  lag  Truso  da,  wo  beute  die  Dörfer  Meislatein,  Bart- 
kamm, Wöcklitz  liegen*;  dort  sollen  bei  Gelegenheit  des  Chausseebaues 
nach  Pr.  Holland  Heerdstellen  gefunden    sein;  leider   liegen  darüber 
positive  Berichte  nicht  vor.  —  Wünschenswerth  wäre,  wenn  die  dortigen 
Besitzer  im  Interesse  der  Wissenschaft  sich  bemühten,   auch  ihrerseits 
Forschungen  vorzunehmen;  jede  Mittheilung  wird  der  Elbinger  Alter- 
thumsgesellschaft  höchst  willkommen  sein.  — -  An  den  Vortrag  knüpfte 
sich  dann  noch    eine  interessante  Diskussion  und  wurde  die  Sitzung 
ziemlich  spät  geschlossen.      [Altpr.  Ztg.  v.  8.  Dezbr.  1877.  No.  287.] 


640  Kritik eu  und  Referate. 

Alterthnmsgesellschaft  Prussia  1877. 

Sitzung  den  22.  Juni.  Cand.  bist.  Rob.  Müller,  welcher  eingehende  Studien 
und  Arbeiten  in  der  Provinzialgeschichte  aus  dem  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  ge- 
macht hat  und  im  Laufe  derselben  auch  auf  Johann  George  Scheffner  und  auf  dessen 
Autobiographie  gekommen  war,  entwarf  von  diesem  Manne  ein  kulturhistorisches 
Bild,  indem  er  die  Wandelung  der  Ansichten,  Meinungen,  ja  auch  der  Moden  an 
den  Lebensschicksalen  und  Aeusserungen  dieses  unseres  Landsmannes  zur  Anschauurg 
brachte,  der  die  Zeiten  von  dem  siebenjährigen  Kriege  bis  auf  das  zweite  Jahrzehnt 
unseres  Jahrhunderts  mit  ihren  wechselvollen  Ereignissen  urtheilsvoll  betrachtete. 

Freiherr  v.  Bönig k  berichtet  zur  prähistorischen  Karte  Ostpreussens.  Beide 
Gesellschaften,  sowohl  die  physikalisch-ökonomische  als  die  Prussia,  haben  Professor 
Fr  aas  in  Stuttgart  ihre  Bereitwilligheit  zur  Ausführung  dieser  Arbeit  erklärt.  Von 
Seiten  der  Prussia  sind  für  die  genannte  Karte  die  Sammlungen  der  Gesellschaft, 
ferner  die  des  Oberlehrer  Gisevius  in  Tilsit,  des  Bittergutsbesitzer  Blell  auf  Tüngen 
und  Hauptmann  v.  Kall  auf  Lenkeningken,  wie  die  Arbeiten  der  Mitglieder  der  Ge- 
sellschaft in  Betreff  der  Burgwälle,  die  Publikationen  in  den  ,N.  Pr.  Pr.  Blättern*, 
der  »Altpreussischen  Monatsschrift'  u.  a.  Schriften,  endlich  private  Mittheilungen  ver- 
bürgter Art  benutzt.  Wenn  der  erläuternde  Katalog  für  die  Fundobjekte  auch  noch 
eine  beträchtliche  Arbeit  erfordert,  indem  der  Charakter  der  Funde  nach  ihren  ver- 
schiedeneu Epochen  sicher  festgestellt  werden  muss,  so  ergiebt  die  von  ihm  nach 
den  genannten  Nachrichten  über  prähistorische  Stationen  ausgefüllte  Karte  Ost- 
preussens,  welches  700,  D Meilen  gross  ist,  ca.  500  prähistorische  Stationen.  Dieselben 
vertl« eilen  sich  in  folgender  Art:  130  fallen  auf  Samlaud,  37  auf  die  Kreise  Tilsit 
und  Bagnit,  je  10 — 17  auf  die  Kreise  Gumbinnen,  Friedland,  Preuss.  Eylau,  Inster- 
burg,  Heiligenbeil,  Lötzen,  Memel  und  Darkehmen,  je  5 — 7  auf  die  Kreise  Gerdauen, 
Pr.  Holland,  Rastenburg,  Angerburg,  Johannisburg,  Lyck  und  Sensburg,  je  3  auf 
die  Kreise  Oletzko  und  Pillkallen,  je  2  auf  die  Kreise  Osterode,  Stallnpönen  und 
Goldap,  je  1  auf  die  Kreise  Neiden  bürg,  Orteisburg  und  Niederung.  Ermland  mit 
77  DMeilen  zeigt  7  Stationen.  Bei  diesen  für  einzelne  Gegenden  so  spärlichen  Nach- 
richten wird  dem  Vorstand  der  Gesellschaft  jede  Notiz  über  noch  unbekannte  Funde 
prähistorischer  Art  sehr  erwünscht  sein  und  derselbe  sie  mit  Dank  aufnehmen.  Zur 
prähistorischen  Karte  Deutschlands  sind  diese  Fundorte  nur  in  die  Sektionen  der 
Beymannschen  Karte  einzutragen.  Der  Vortragende  weist  aber  mit  Recht  auf  das 
Interesse  hin,  welches  die  Einzeichnung  der  bisher  ihm  bekannten  500  Stationen  in 
eine  physische  Karte  Ostpreussens  in  vergrössertem  Massstab  für  die  Vorgeschichte 
unserer  Provinz  erregen  muss.  Er  selbst  legt  zur  Probe  eiue  Karte  Samlands  mit 
überaus  grosser  Zeichnung  der  Höhenzüge  und  Flussläufe  vor,  in  welcher  die  Zeichen 
menschlichen  Anbaus  von  der  Zeit  vor  Christi  Geburt  bis  ins  13.  Jahrhundert  ein- 
getragen sind. 


,  Alterthumsgesellschaft  Prussia«  641 

Eine  Beschreibung  des  Schlossberges  bei  Hinzenhof,  Kreis  Rastenbnrg,  wurde 
aus  einem  Bericht  des  Dr.  Tribukait  in  Rastenburg  verlesen.  In  dem  Munde  des 
Volkes  haben  sich  von  diesem  Wohnsitz  aus  heidnischer  Zeit  noch  folgende  Sagen 
erhalten:  Auf  ihm  wandeln  zwei  schwarz  gekleidete  Frauen  umher  und  aus  der 
Mitte  des  Bergplateaus  strömt  Blut  hervor,  wenn  ein  Loch  in  Manneshöhe  hinein- 
gestochen wird.  Bis  vor  wenigen  Jahren  trug  der  Schlossbeig  drei  denkwürdige 
Kiefern,  zwischen  denen  der  Bär  des  Kastenburger  Stadtwappens  von  einer  Lanze 
durchrannt  am  Fortlaufen  gehindert  sein  soll.  Der  Berg  hat  eine  so  hohe  Lage, 
dass  von  ihm  der  Quedencr  Schlossberg  und  der  auf  dem  Gebiet  von  Schäferei 
bei  Eichmedien  gesehen  werden  kann.  Von  einer  Wiese  umgeben,  ist  er  unzugäng- 
lich, nur  auf  der  Westseite  steht  er  mit  Ackerland  in  Verbindung.  Hier  war  auch 
der  Aufgang;  der  steilste  Abfall  und  der  höchste  Punkt  liegt  nach  Osten.  Der 
ganze  Berg  ist  erst  seit  wenigen  Jahren  beackert;  das  Plateau  misst  von  Osten  nach 
Westen  70  Schritte  und  von  Norden  nach  Süden  45  Schritte.  Nahe  dem  Fuss  der 
Abhänge  ist  rings  um  den  Berg  ein  Gürtel  hellerer  Erde  zu  erkennen,  der  vielleicht 
von  dem  eingepflügten  ringförmigen  Wall  herrührt.  An  einer  Stelle  fand  sich  ein 
Fuss  tief  eine  weit  sich  ausdehnende  Kohlenschicht,  ebenso  an  mehreren  Stellen  Scher- 
ben von  irdenem  Geräth  aus  heidnischer  Zeit,  jedoch  nirgends  in  erheblicher  Menge. 

Die  Aufdeckung  eines  Ganggrabens  bei  Teistimmen,  Kreis  Bössei,  zu  welcher 
Rittmeister  v.  Schlcussner  auf  Teistimmen  die  Gesellschaft  aufgefordert  und  zu 
welcher  Dr.  Tribukait  von  Rastenburg  hinübergekommen  war,  wurde  ebenfalls  nach 
des  Letzteren  Bericht  beschrieben  und  die  daraus  aufgenommenen  Gefässe  wie  die 
spärlich  aufgefundenen  Bronzen  der  Versammlung  vorgezeigt. 

Der  in  der  Mai- Sitzung  d.  J.  beschriebene  Grabhügel  liegt  etwa  1000  Schritte 
von  dem  sogenannten  Teistimmer  oder  königlichen  See  und  einige  hundert  Schritte 
von  einem  ehemaligen  kleineren  See  auf  der  Feldmarke  des  zu  Teistimmen  gehörigen 
Vorwerks  Ludwigsmühle;  50  Meter  nördlich  befindet  sich  das  neu  geöffnete  Gang- 
grab, genau  von  derselben  Form  und  denselben  Massen,  wie  jenes,  jedoch  weniger 
beschädigt.  Das  Südende  mit  dem  Eingang  war  zerstört,  die  Kiste  ergab  eine  Länge 
von  3  Met.,  eine  Breite  und  eine  Tiefe  von  je  0,70  M.  Zwei  der  grossen  Stein- 
platten, die  als  Decke  gedient  hatten ,  waren  aus  ihrer  früheren  Lage  verschoben, 
aber  fanden  sich  noch  vor;  auch  die  Seitenwände  am  Südeingang  fehlten;  wo  der 
Gang  erkennbar  wurde,  war  ein  Stein  nach  innen  gedrückt.  Es  wurden  21  Gefässe 
theils  ganz,  theils  in  grösseren  unversehrten  Stücken,  theils  Scherben  mit  Mustern 
herausgehoben.  In  der  Erde  um  die  Urnen  und  in  den  Gelassen  lag  zerstreut  eine 
Menge  von  Bronzestücken,  herrührend  von  beschädigten  Arm-,  Fingerringen  und 
Gewand  nadeln.  Der  Boden  des  Ganges  hatte  ein  Steinpflaster  und  unter  demselben 
befanden  sich  auch  Umenscherben  und  verbrannte  Knochen.  Die  Asche  der  hier 
zahlreich  Verbrannten  wurde  theils  in  den  Gefässcn,  theils  am  Fuss  derselben  ge- 
funden.   Ein  Fingerreif  in  3  Spiralen  und   ein  Zierstück   einer  Gewandnadel  aus 


642  Kritiken  und  Referate. 

Bronzedraht  zu  einer  Schlinge  zusammengebogen  und  an  den  Enden  in  2  Spiralen 
aufgerollt  ist  noch  im  Besitz  des  Herrn  v.  Schleussner.  Zur  Charakteristik  der 
Formen  der  aus  feinem  Thon  gearbeiteten  Ge fasse  bemerken  wir,  dass  alle  einen 
halbkugelförmigen  Boden  haben.  Eins  hat  Tassenform  mit  Henkel  (10,5  cm  hoch), 
in  der  Höhe  von  6  cm  ist  die  grösste  Ausbauchung  in  einem  Durchmesser  von 
15  cm,  die  Halsöffnung  hat  einen  Durchmesser  von  9  cm  und  ist  eyl  in  drisch.  Drei 
grössere  Gefässe  ohne  Henkel  haben  keinen  cylinderischen,  sondern  einen  allmäiig 
sich  verengenden  Hals.  Von  Schalen  ist  nur  eine  vollständig  erhalten,  dieselbe  hat 
9  cm  Höhe  und  20,5  cm  Durchmesser  an  der  weiten  Oefihung;  dieselbe  ist  voll- 
ständig glatt,  eine  andere  sehr  schön  verzierte  hat  am  Boden  eine  kleine  kreisrunde 
Oeffnung.  Die  Verzierungen  bei  der  zuletztgenanutcn  Schale  bestehen  in  zusammen- 
hängenden Linien.  Der  Band  und  die  kreisrunde  Oeffnung  am  Boden  ist  mit  con- 
centrischen  Kreislinien  verziert,  zwischen  diesen  laufen  im  rechten  Winkel  schneidend 
gerade  Linien  und  die  Zwischenfelder  sind  von  Zickzacklinien  eingenommen,  die  auch 
radienartig  nach  dem  Bande  von  dem  Boden  aus  sich  heraufziehen.  Bei  einem 
19  cm  hohen  Gefäss  wechseln  der  Halsöffnung  parallel  laufende  Linien  3  Mal  mit 
Zickzacklinien.  Auf  andern  Urnenscherben  ist  das  Muster  hergestellt  durch  je  vier 
horizontal  laufende  Linien  und  kleinere  Liniengruppen  zu  je  4,  welche  die  obere 
wagrechte  Linie  im  Winkel  von  00°  treffen.  Andere  Urnenscherben  zeigen  eine  Ver- 
zierung mit  Punkten  oder  kurzen  Strichen  in  horizontaler  Bichtung  oder  in  dieser 
und  senkrechter  Bichtung  oder  in  beiden  und  mit  Zickzack-Motiven. 

Dr.  Bujack  macht  Mittheilung  über  eine  Ausgrabung  bei  Polennen,  Kr.  Fisch- 
hausen. Nachdem  Herr  Budolf  Kosmack  die  Freundlichkeit  gehabt  hat,  als  bei  Be- 
stellung eines  Ackers  dicht  an  dem  Kiuge  von  Polennen  eine  Urne  gefunden  wurde, 
davon  dem  Vorstande  Nachricht  zu  geben,  ergaben  Untersuchungen  neben  der  Fund- 
stelle der  Urne,  dass  2  Meter  von/  derselben  nordwestlich  entfernt  zwei  conccntrische 
Steinkreise  mit  einem  Steinhaufen  in  der  Mitte  sich  befanden.  Die  Schwärze  der 
Steine,  Asche  und  Knochensplitter  Hessen  bestimmt  darauf  schliessen,  dass  hier  die 
Verbrennung  von  Leichen  stattgefunden  habe,  deren  Knochen  an  der  beschriebenen 
Stelle  in  einer  Urne  beigesetzt  wurden.  Der  Durchmesser  des  äusseren  Steinkreises 
betrug  10  Meter,  der  Steinhaufe  in  der  Mitte,  der  als  Brandstelle  diente,  hat  nach 
den  Dimensionen  der  Breite  und  Länge  1  Meter,  der  Tiefe  0,60  Meter,  der  äussere 
Steinkreis  war  durch  2  bis  3  Keinen  Steine  übereinander  hergestellt  und  die  Steine 
massen  durchschnittlich  0,50  cm  Länge  und  33 — 35  cm  Dicke  und  Breite.  Der 
innere  Steinkreis  war  von  dem  äusseren  nur  1  Meter  entfernt  Die  Beigaben  für 
die  Ueberreste  von  Knochen  lagen  in  der  Urne  oben  auf  und  bestanden  in  folgen- 
den Gegenständen  von  Bronze:  in  einem  Gewandhalter  ohne  Nadel;  einem  haken- 
förmigen Bügel  eines  Gewandhalters,  einer  kleinen  Zange  und  2  kleinen  Plättchen, 
G  mm  im  Quadrat  Die  Form  des  Gewandhalters  vgl.  in  genauer  Wiedergabe  »Ar- 
chiv für  Anthropologie«  Bd.  X.  Taf.  H.  Fig.  8.  u.  Verhandig.  Estn.  Ges.  Bd.  VI. 


K 


Alterthumsgesellschaft  Prussi«.  643 

Taf.  8  Fig.  11.  Grewiugk  nennt  in  seinem  Aufsatz  »Das  Ost-Balticum  etc.*  diesen 
Gewandhalter  Hakenfibel.  Ans  einem  Stück  sind  Bügel,  Spirale  zum  Federn  und 
Nadel.  Grewiugk  spricht  von  der  grossen  Verbreitung  dieser  Nadel  auch  ausserhalb 
unserer  Provinz.  Für  diese  können  ausser  Polennen  noch  5  Fundorte  derselben  an- 
geführt werden:  Sacberau  und  Dolkeim  Kreis  Fischhauseu,  Keimkallen  Kreis  Heili- 
genbeil, der  Galgenberg  bei  Lötzen  und  Willkassen  Kreis  Lötzen. 

Der  Rittergutspächter  Herr  v.  Monlowt  auf  Sacherau  schenkt  2  Exemplare  der 
eben  beschriebenen  Gewandnadel  und  ferner  noch  folgende  Schmuckgegenstände  aus 
Bronze:  das  Schlussstück  einer  Kette,  gebildet  aus  einem  rechteckigen  Rahmen,  die 
Seite  6  cm  lang  und  5,3  cm  breit.  Der  innere  Kaum  desselben  wird  durch  vier 
stärkere  Stäbe  in  4  kleinere  rechteckige  Felder  getheilt;  aber  auch  diese  rechteckigen 
kleinen  Felder  zerfallen  wieder  in  je  zwei  rechtwinklige  Dreiecke,  indem  von  den 
Ecken  des  grossen  Rahmens  nach  dem  Schnittpunkt  der  Diagonalen  je  ein  2  Milli- 
meter dicker  und  breiter  Stab  läuft.  Der  äussere  Rahmen  5  Millimeter  breit  und 
2  Millimeter  dick  ist  an  jeder  Ecke  und  in  der  Mitte  jeder  Seite  mit  einem  Löchel- 
chen versehen,  damit  derselbe  vermöge  einer  Niete  auf  eine  bronzene  Platte  aufge- 
heftet werden  konnte.  An  der  Mitte  der  einen  kürzeren  Seite  des  Rahmens  sitzt 
zur  Aufnahme  eines  bronzenen  Ringes  (mit  einem  lichten  Raum  von  2  cm  im  Durch- 
messer) ein  in  der  Fläche  des  Rahmens  stehender,  durch  eine  Niete  geschlossener 
Haken,  im  Ganzen  3,4  cm  lang  und  an  dem  Ansatz  1,2  cm  breit.  Aehnlicho  Schluss- 
stücke einer  Kette  oder  Gürtelhaken  sind  in  Keimkallen  Kreis  Heiligenbeil  bei  einem 
Skelett  und  in  Liekeim  Kreis  Friedland  gefunden  worden,  haben  aber  Motive  in 
einem  mehr  zusammengesetzten  Muster,  der  Rahmen  ist  auch  rechteckig,  6,2  cm  und 
7  cm  bei  dem  ersten;  5,9  cm.  und  9  cm.  bei  dem  andern  die  Breite  und  Länge  der 
Seiten.  An  derselben  Stelle  wurde  eine  ringförmige  Fibula  mit  einem  lichten  Raum 
von  3,8  cm  im  Durchmesser  gefunden  (die  Nadel  ist  nur  an  ihrer  Oese  erhalten, 
die  sich  nicht  vorschieben  läset  und  nur  in  vertikaler  Richtung  zum  Ringe  bewegt 
werden  kann),  ferner  eine  Bernsteinperle  in  kugelförmiger  Gestalt  Die  Fundstätte 
dieser  interessanten  Gegenstände  ist  der  Angabe  nach  die  heidnische  Schanze  bei 
Ellernliaus,  dem  Vorwerk  von  Sacherau.  Dieselbe  ist  viereckig,  auf  3  Seiten  von 
Sumpf,  auf  der  vierten  zugänglichen,  von  drei  mit  der  Quadratseite  parallel  laufen- 
den Längswällen  geschützt.  Die  Funde  von  Gewandhaltern  und  Schmuckgegen- 
ständen auf  Heidenschanzen  oder  Wallbergen  werden  in  Ostpreussen  im  Ganzen 
selten  gemacht,  die  Sammlung  der  Prussia  besitzt  solche  nur  noch  aus  der  Peluckies. 
bei  Staneit sehen,  Kr.  Gumbinnen,  und  dem  Pillberg  bei  Skumbern,  Kr.  Ragnit. 

Kaufmann  Plink  schenkte  eine  bronzene  Schnalle  und  eine  flache  kugelförmige 
Bernsteinperle.  Beide  Stücke  wurden  auf  der  Feldmarke  von  Linkau,  Kreis  Fisch- 
hausen gefunden.  —  Ferner  gingen  als  Geschenke  ein:  Von  Studiosus  Bramann 
ein  Feuersteinkeil  mit  concav  geschliffener  Schneide,  beim  Graben  2  Fuss  unter  der 
Oberfläche  im  Sandboden  bei  Szameitschen,  Kreis  Darkehmen,  gefunden.    Vom  Real- 


644  Kritiken  und  Referate. 

schü'ier  Prot h mann  ein  Schleifstein- Fragment  aus  Schiefer,  gefunden  hei  Wehlau. 
Von  Major  Weyl  eine  römische  Bronze-Münze  des  4.  Jahrhunderts. 

Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind  der  Kreishaumeister  v.  d.  Gundel  und 
Administrator  Rud.  Kosmack.        [Ostpr.  Ztg.  v.  21. Sept.  1877.  Nr.  220.  Beil.] 

Sitzung  den  21.  September.  Die  Sitzung  wird  von  Dr.  Bujack  mit  der  Mit- 
theilung eröffnet,  dass  Professor  Virchow  die  werthvollen  Sammlungen  der  Gesell- 
schaft mit  einem  Besuche  beehrt  und  einen  Bericht  über  den  Pfahlhau  bei  Werder 
am  Arys-See,  dessen  Untersuchung  einen  in  unserer  Provinz  allein  dastehenden 
Fund  der  Sammlung  zuführte,  für  den  archäologischen  Gongress  in  Constanz  freund- 
lichst übernommen  hat.  Hierauf  erfolgte  die  Vorlage  mehrerer  geschlossener  Funde 
und  dann  eine  grosse  Reihe  von  Einzelfunden.  Rentier  Douglas,  noch  im  vorigen 
Jahr  Besitzer  von  Trömpau,  Kreis  Königsberg,  hatte  von  dem  Urnenfeld  daselbst, 
genannt  ,der  Kurrenberg*  (Kurenberg),  aus  welchem  er  in  früheren  Jahren  werth- 
volle  Bronzefun  de  der  Gesellschaft  geschenkt,  eine  35  cm  hohe,  eimerförmige  Urne 
aus  rohem  Thon,  mit  Erde  gefüllt,  eingesandt.  Bei  der  Entfernung  der  Erde  fand 
Dr.  Bujack  ein  aus  feinem  Thon  gearbeitetes  Gefass,  12,8  cm  hoch,  fast  kugel- 
förmiger Gestalt,  mit  c)  linderischem  Halse  und  an  der  grössten  Ausladung  mit 
einem  Z;ckzackmustcr  versehen.  Unter  diesem  nur  mit  Holzasche  gefüllten  Gelasse 
fand  sich  ein  halbkugelförmiger  Schildbuckel  aus  Eisen,  fest  anliegend  an  den  Ueber- 
resten  eines  eisernen  Schwertes  oder  einer  Lanzenspitze.  Während  diese  Gegen- 
stände dicht  auf  der  einen  Seite  der  Wandung  des  Gefässes  in  verbrannten  Knochen, 
Asche  und  Erde  lagen,  ragte  an  der  gegenüber  liegenden  eine  13,8  cm  .lange 
Knochennadel  hervor.  Dieselbe  läuft  in  eine  Spitze  zu  und  hat  in  ihrem  untersten 
Drittheil  eine  Breite  von  18  mm.  Fa*:t  könnte  sie  für  eine  Nachbildung  eines  bron- 
zenen Schwertes  mit  Parirstange  und  Schildblattklinge  gelten.  Dicht  daneben  be- 
fand sich  eine  bronzene  sogenannte  römische  Fibula. 

Der  Grundbesitzer  Preuss  zu  Kekitten,  Kreis  Rössel,  hatte  durch  Ritt- 
meister v.  Schleussner  auf  Teistimmen  den  Vorstand  zur  Oeffnung  eines  3,5  ui 
hohen  Grabhügels  aufgefordert,  dessen  Grundfläche  in  der  Länge  ca.  6  m  und  in 
der  Breite  2,50  m  mass.  Rittmeister  von  Schleussner  bot  freundliche  Unter- 
stützung und  Dr.  Tribukait  leitete  die  Aufdeckung.  Es  war  ein  Ganggrab,  aus 
gespaltenen  Steinplatten  zusammengesetzt  und  zugedeckt:  nur  4  Steine  in  Pfeiler- 
form, welche  sich  je  an  einer  Ecke  des  rechteckigen  Ganggrabes  befanden,  schienen 
unbearbeitet,  sie  standen  an  dem  Süd-  und  Nordende  des  Ganges.  Derselbe  hatte 
5,5  m  Länge,  0,80  m  Breite,  0,72  m  Tiefe.  Auffallend  war  es  aber,  dass  hinter  den 
Eckpfeilern  des  Südendes  sich  eine  Lücke  von  1,50  m  an  den  Seiten  wänden  fand. 
Dr.  Tribukait  ist  der  Ansicht,  dass  der  Bau  für  den  Urnenvorrath  zum  Andenken 
an  die  Verstorbenen  zu  gross  angelegt  war  and  deshalb  der  Gang  schon  auf  4  m 
geschlossen  wurde,  indem  man  den  projektiven  Eingang  zwischen  den  Pfeilern  am 
Südende  unbenutzt  stehen  liess.    Die  Platten  für  diesen  5  m  langen  Gang  hatten 


Alterthumsgesellschaft  Prussia.  645 

durchschnittlich  1  m  Breite,  1,29  ra  Läng-'  und  0,13  m  Dicke.  Der  Boden  des 
Ganges  war  aus  kleinen  flachen  Steinen  hergestellt  und  darüber  Lehm  gegossen, 
aber  nicht  so,  dass  die  Ebene  genau  horizontal  gebildet  war,  sondern  Erhebungen 
und  Vertiefungen  je  nach  den  Formen  der  Steine  hatte,  eine  Anordnung,  die  zum 
Aufstellen  der  Gefässe  getroffen  war,  da  sie  sammtlich  einen  Boden  mit  einer  Kugel- 
fläche hatten.  Das  Kckitter  Ganggrab  hat  35  Ge fasse  enthalten,  die  meisten  neben 
einander,  einige  über  einander  und  einige  in  einander.  Die  verbrannten  Knocben- 
tiberreste  lagen  hauptsächlich  unter  den  Töpfen,  zu  einem  geringen  Theil  in  den 
Töpfen;  letztere  waren  sammtlich  mit  Aschen-Erde  noch  so  gefüllt  dass  nicht  an 
zufalliges  Zuschütten,  indem  Erde  in  den  Gang  drang,  sondern  an  ein  absichtliches 
Zufüllen  gedacht  werden  muss,  auch  der  Raum  des  Ganges  über  den  Gefässen  war 
dicht  mit  Erde  gefüllt.  Von  Bronce  sind  nur  Spuren  gefunden,  so  dass  die  me- 
tallenen Beigaben  geradezu  interesselos  und  unwichtig  sind;  desto  bedeutender  sind 
die  Beigaben  ans  Thon.  Die  Gefässe  sind  sammtlich  aus  feingeschlemmten  Thon 
und  von  den  vorhanden  gewesenen  35  im  Ganzen  29  in  den  Samminngen  aufgestellt: 
vielleicht  lassen  sich  aus  den  vorhanden. n  Scherben  noch  einige  Gefässe  zusammen- 
setzen. Die  grössten  Gefässe,  7  an  der  Zahl,  haben  die  Höhe  von  19  bis  20  cm. 
Eines  dieser  Gefässe  ist  halb  kugelförmig,  die  Form  der  anderen  6  ist  die  einer 
flacheren  oder  tieferen  Schale  mit  aufsitzendem,  sich  allmäiig  verengendem,  im  oberen 
Theil  fast  cylinderischein  Halse.  Eines  dieser  Gefässe  hat  auch  einen  Henkel 
zwischen  der  Halsöffnung  und  der  grössten  Ausladung;  4  derselben  haben  an  der 
grössten  Ausladung  und  dem  aufsitzenden  Halse  Verzierungen  durch  horizontale, 
senkrechte  und  durch  schräge  gerichtete,  sich  bisweilen  schneidende  Linien  und 
Punkte.  Bei  einigen  Gefässen  entstehen  dadurch  Rhomben,  wieder  bei  einem  sind 
zwischen  horizontalen  Reihen  von  Punkten  kleine  Kreisverzierungen  um  den  ganz  mi 
Hals  der  Urne  angebracht.  Dieselbe  Verzierung  ist  auch  an  einem  12,7  cm  hohen 
Gefäss  vorhanden,  gleich  ihr  wiederholt  sich  die  vorher  beschriebene  Form  auch 
bei  kleineren  Gelassen  bis  zur  Höhe  von  10  cm.  Dreizehn  Gefässe  sind  schalen- 
förmig gestaltet,  und  zwar  4  davon  so,  dass  die  grösste  Ausladung  auch  die  grösste 
Halsöffnung  ist;  ihre  Höhe  schwankt  zwischen  12  cm  und  5,2  cm,  8  Schalen  haben 
nach  einem  ein  wenig  über  der  grössten  Ausladung  zurücktretenden  Rand,  eine  in 
der  Gesammthöhe  von  8  cm  hat  4  cm  hoch  eine  kleine  Einschnürung.  Eine  von 
diesen  Schalen  ist  mit  einem  Henkel,  eine  andere  mit]  2  kleinen  Löcholchen  ver- 
sehen. Der  Dnrcjimesser  der  Oeflhung  der  kleinsten  Schalen  betrug  9  cm,  ihre 
grösste  Ausladung  im  Durchmesser  11  cm,  befand  sich  2,50  cm  hoch.  Keine  dieser 
als  Schalen  beschriebenen  Gefässe  diente  als  Deckel,  sie  standen  alle  mit  der  Öff- 
nung nach  oben  nnd  fast  alle  in  den  grösseren  vorher  beschriebenen  Gelassen. 

Hierauf  folgte  die  Verlesung  einer  Beschreibung,  welche  der  Gymnasiast  Un- 
gewitter  von  einem  durch  Herausnahme  von  Steinen  zum  Theil  zerstörten  Urnen- 
felde bei  Friede nau  in  der  Nähe  von  Barten,  Kreis  Rastenburg,  entworfen.    Er  fand 


646  Kritiken  und  Referate. 

auf  einer  Fläche ,  die  16  Meter  Länge  und  15  Meter  Breite  hat,  an  sechs  Stellen 
pyramidenartig  zusammengefügte  Steine  in  der  Erde,  aber  nichts  unter  ihnen,  als 
einige  Scherben;  au  einem  anderen  Platz,  20  cm  tief  10  Steine  neben  einander,  so 
dsss  sie  ein  Viereck  bildeten,  unter  einem  eine  22  cm  hohe  Urne  mit  Stehfläche  in 
kugelähnlicher  Gestalt.  Die  Knochenmasse  in  der  Urne  zeugte  von  der  stattgehabten 
Verbrennung.  In  4,5  m  Entfernung  von  dieser  Stelle  fanden  sich  vier  Steinkreise; 
2  (jerselben  enthielten  Urnenscherben,  unter  ihnen  einen  Doppelhenkel.  Besonders 
auffallend  war  ein  leeres  Grab  in  einem  Bau  folgender  Art:  31  cm  tief  lag  eine 
grosse  Stein pflasterung,  unter  derselben  1  m  tief  Sand  mit  einigen  Scherben,  dann 
wieder  Steine.  Nach  diesen  Fundberichten,  denen  die  beschriebenen  Gegenstände 
als  Geschenke  beigefügt  waren,  zeigte  der  Vorsitzende  folgende  eingegangene  Ge- 
schenke und  angekaufte  Stücke  vor: 

Zur  Sammlung  von  Geräthen  aus  Knochen,  Geweih  oder  Stein  als  Einzelfunden 
schenkten  Pfarrer  As  ticker  in  SchOnau  bei  Schlochau  eine  Speerspitze  aus  Knochen 
oder  Geweih,  21,5  cm  lang,  scharf  zugespitzt,  an  der  dicksten  Stelle  (9  cm  von  der 
Spitze  entfernt)  9  mm  im  Durchmesser,  das  Schaftende  zeigt,  wie  dasselbe  an  einem 
hölzernen  Schaft  befestigt  war,  gefunden  in  einem  Torfbruch  neben  einem  Elch- 
schädel. —  Gutsbesitzer  Hellmuth  auf  Salzbach,  Kr.  Bastenburg,  einen  9,6  cm 
langen  Keil  aus  muschligcm  Hornstein,  daselbst  gefunden.  —  Landschaftsrath  Heide* 
mann  auf  Pinnau  eine  durchlochte  Axt  aus  Hirschgeweih,  24  cm  lang,  gefunden  in 
einem  Moor  (>ei  Wangnick,  Kr.  Pr.  Eylau.  —  Kaufmann  Honig  einen  Reibstein  aus 
Granit,  gefunden  auf  den  Hufen.  —  Graf  v.  Klinkowstroem  auf  Korklack  ein 
durchlochtes  Beil  aus  Amphibolit  mit  überhängender  Schneide  und  Bahn,  von  der 
Mitte  der  Schneide  läuft  auf  jeder  Seite  eine  scharfe  Kante  nach  der  Mitte  der  in 
eine  Kante  ausgehenden  Bahn;  und  ein  durchlochtes  Beil  mit  viereckiger  Bahn  aus 
Diorit,  beide  gefunden  auf  einem  Urnen-  und  Bestattungsfeld  zu  Heinriettenfeld, 
Kreis  Gerdauen.  —  Majoratsherr  v.  Kunheim  auf  Juditten  2  zu  Prauerschitten, 
Kreis  Friedland,  ausgepflügte  Keile,  einen  aus  muscheligem  Hornstein,  in  Feuerstein 
übergehend,  9,5  cm  lang,  den  anderen  aus  feldspathreichem  Diorit,  17  cm  lang,  an 
der  Bahn  3,7  cm,  an  der  concav  ausgeschliffenen  Schneide  7,6  cm  breit.  —  Freiherr 
v.  Bomberg  auf  Schloss  Gerdauen  ein  durchlochtes  Beil  aus  feinkornigem  Diorit 
elegantester  Form,  daselbst  gefunden;  die  verstärkten  äusseren  Wandungen  des  Bohr- 
lochs laufen  in  eine  vierkantige  Spitze  aus;  und  einen  durchlochten  Doppelhammer 
aus  feldspathreichem  Diorit,  gefunden  auf  der  Feldmarke  der  Stadt  Gerdauen,  die 
verstärkten  äusseren  Wandungen  des  Bohrlochs  haben  dieselben  vorher  beschriebenen 
vierkantig  zulaufenden  Spitzen.  —  Gymnasiast  Botho  von  Steegen:  ein  durch- 
lochtes Beil  aus  Norit,  103  mm  lang,  die  Bahn  35  mm,  die  Schneide  55  mm  Hohe, 
gefunden  zu  Gr.  Steegen,  Kreis  Pr.  Eylau.  —  Rittergutsbesitzer  Wennmohs  auf 
Laserkeim,  Kreis  Fischhausen,  eine  daselbst  ausgepflügte  Pfeilspitze  aus  Feuerstein, 
5  cm  lang.  —  Major  von  Wernsdorf  auf  Truntlack,  Kreis  Gerdauen,  einen  da- 


Altertbumegesellschaft  Prnssia.  g47 

selbst  gefundenen,  20  cm  langen  unduTchlochten  Hammer  ans  Diorit.  —  Professor 
Zaddach  einen  in  Masurcn  gefundenen  cyiindrischen  Zapfen  aus  Amphibolit,  23,5  mm 
hoch,  mit  14  und  16  mm  Durchmesser  an  der  oberen  und  uuteren  Kreisfläche,  ver- 
möge eines  Bohrcylinders  aus  Metall  aus  einem  Steingeräth  behufs  Durchlochung 
ausgebohrt.  —  Angekauft  wurde  ein  Keil  aus  muscheligem  Hornstein,  11,5  cm  lang, 
gefunden  bei  Rhein,  Kreis  Lötzen. 

Zur  Sammlung  von  geschlossenen  Graberfunden  und  Eiuzelfunden  aus  Bronce, 
Eisen,  Bernstein,  Thon  und  Glas  schenkten  Gutsbesitzer  Behrendt  auf  Drengfurts- 
hof,  Kreis  Bastenburg,  ein  kleines  Gefass  aus  Thon  mit  Stehfläche,  4,2  cm  hoch  in 
Schalenform  und  eine  Perle  aus  Terracotta,  daselbst  auf  einem  Urnenfelde  gefunden. 
Apotheker  Kascheike  in  Drengfurt  3  Perlen  aus  Terracotta,  in  Drengfurtshof  ge- 
funden. Graf  von  K 1  in kow ström  auf  Korklack  eine  eiserne  Trense,  eine  bronzene 
Kappenfibula  mit  einer  eisernen  Verzierung  am  Bügel,  gefunden  in  einer  Urne,  in 
deren  Nähe  eine  bronzene  Münze  der  Lucilla,  Schwester  des  Kaisers  Commodus,  lag, 
und  3  broncene  kleine  Beschlagstücke.  Der  Fundort,  die  Feldraarke  von  Henrietten- 
feld,  Kreis  Gerdauen,  enthält  ein  Urnen feld  und  eineu  Bestattungsplatz.  Hier  sind 
Skelette  nicht  nur  von  Menschen,  sondern  auch  von  Pferden  gefunden.  Die  erstereu 
lagen  bisweilen  in  Baumstämmen  oder  waren  mit  Steinen  umgeben.  Dr.  A.  Hennig 
fand  hier  auf  dem  Urnenfeld  bei  flüchtigem  Besuch  in  einer  roh  gearbeiteten  Urne 
2  bronzene  Gewandhalter,  eine  Kappenfibula  und  eine  scheinbar  der  Zeit  des  Kaisers 
yespasian  angehörige  mit  glattem  Bügel.  Gutsbesitzer  Krause  auf  Sielkeim,  Kreis 
Labiau,  einen  daselbst  beim  Pflügen  gefundenen  bronz.  Hohl-Celt  mit  Oehr,  10  cm 
lang  und  feinster  Arbeit.  —  Frau  Liedemann  7  schöne  gemusterte  Glasperlen 
und  Perlen  von  Terracotta,  ohne  nachweisbaren  Fundort.  —  Freiherr  von  Bomberg 
auf  Schlo8ss  Gerdauen  einen  bronzenen  Halsring  in  7  Spiralen,  gefunden  daselbst 
bei  Anlage  der  Bartener  Chaussee.  Der  Halsring  aus  3  Dräthen,  je  3,5  mm  dick, 
zusammengewunden,  ist  an  dem  Endstück  der  grösseren  Oeffnung  mit  einer  einfachen 
bronzenen  Hülse,  an  dem  der  kleineren  Oeffnung  unter  dem  Kinn  mit  einer  Hülse 
versehen,  die  in  einen  11,8  cm  langen  bandartigen,  mit  Rhomben  und  Punkten  ge- 
musterten gewundenen  Schnabel  ausläuft;  ferner  eine  bronzene  Armspirale  in  dreizehn 
Windungen,  auf  dem  Gerdauenschen  Vorwerk  Döhring  gefunden.  —  Partikulier 
Scherhans  in  Drengfurt  einen  in  Drengfurtshof  gefundenen  geschlossenen  broncenen 
Bing;  derselbe  ist  cylinderisch  und  hat  die  Höhe  von  1,4  cm.  —  Rittergutsbesitzer- 
von  Sehe  ff  er  auf  Schonklitten,  Kreis  Pr.  Eylau,  3  durchlochte  Stücke  Bernstein- 
schmuck, in  einem  Torfbruch  unter  einer  alten  Eiche  in  grosser  Tiefe  daselbst  ge- 
funden, eines  in  Form  eines  Dreiecks,  die  andern  in  Stabform.  Die  Bohrlöcher  sind 
bei  jedem  Stück  von  der  Vorder-  und  Rückseite  aus  konisch  gearbeitet  Das  kleinere 
Stabstück  hat  eine  Punktverzierung  in  horizontalen  Reihen.  —  Partikulier  Seil  wie k 
in  Rastenburg  folgende  6  Schmuckgegenstande  aus  Bronce  als  Urnen-Inhalt,  gefunden 
bei  Willkassen,  Kreis  Lötzen:  eine  Hakenfibula;  den  unteren  Theil  eines  kleinen  Ge- 


ß48  Kritiken  und  Referate. 

wandhalters,  bestehend  in  breitem  Bügel  und  Nuht  für  die  Nadel;  einen  geschlossenen 
bronzenen  Ring,  seine  Verzierung  besteht  an  6  Stellen  in  je  3  vertikal  an  der 
äusseren  Ringfläche  aufgesetzten  kleinen  Kü gelchen;  2  Glieder  einer  Kette,  8  cm 
und  7,6  cm  lang,  aus  dünnem  Draht  gewunden,  so  dass  eine  Oese  mit  3,5  mm  lichtem 
Durchmesser  an  jedem  Ende  gebildet  wird,  und  eine  7,5  cm  lange  Pincette,  die 
Zangenenden  stehen  zum  Griff  rechtwinkelig  und  greifen  in  einander.  —  Haupt- 
mann von  Streng  auf  Rostek  folgende  Stücke  aus  Liekeim,  Kreis  Friedland:  vier 
bronzene  Gewandnadeln,  darunter  eine  Hakenfibula  und  2  Arrabrustfibulen;  3  broncene 
uugeschlossene  Armringe,  deren  Endstücke  durch  Abschnürungen  verziert  sind,  einen 
vierten  auf  dem  Bande  mit  gestricheltem  Muster,  das  sich  in  Rhomben  schneidet; 
2  Endstücke  eines  Armringes  aus  Bronce,  einen  Armring  aus  gewundenem  Bronce- 
draht  mit  in  einander  greifenden  Haken;  2  bronzene  Schellen  und  4  broncene  Ringre 
mit  einem  lichten  Durchmesser  von  1,7  cm,  welche  je  in  einem  1,5  cm  langen 
Draht  hängen,  dessen  anderes  Ende  mit  einer  Oese  an  einem  Halsring  angehängt 
wurde;  2  broncene  Schnallen:  2  broncene  Schlnssstücke  eines  Gürtels  in  rechteckigem 
Rahmen,  die  Seiten  5,9  cm  und  9  cm,  die  Verzierung  in  durchbrochener  Arbeit  be- 
steht in  2  Reihen  von  je  6  rhombischen  Blättern,  deren  Mittelrippe  parallel  den 
Langseiten  des  Rahmens  liegt;  ein  Gürtelstück  hat  einen  beweglichen  Ring  und 
einen  festen  Dorn  zum  Durchstechen  des  durchzuziehenden  Lederriemens;  ferner 
2  halbkugelförmige  Schildbuckel,  eine  eiserne  Lanzenspitze  mit  Tülle  und  rhombi- 
schem Blatt;  3  eiserne  Messer  mit  Angel,  deren  Ansatz  auf  beiden  Seiten  kürzer 
als  die  Breite  der  Klinge  ist;  eine  eiserne  Schcere  in  Form  der  heutigen  Schaf- 
scheeren  von  seltener  Grösse,  die  Zangen  9,5  cm,  der  Griff  K»,t>  cm  lang;  der  halb- 
kreisförmige Griff  eines  Kammes,  aus  drei  Knochenplatten  gebildet,  deren  mittlere 
die  Auszahnung  erhielt,  leider  sind  aber  die  Zähne  nicht  mehr  erhalten.  Die  Ver- 
zierung der  Deckplatten,  welche  den  Griff  bilden,  besteht  in  einer  Guirlande  von 
Würfelaugen  längs  dem  Rande  und  in  einem  Kreuz  von  Würfelaugen  in  der  Mitte. 
Ferner  schenkte  Hauptmann  von  Streng  von  Gräberfunden  aus  Dagutschen,  Kreis 
Goldap:  eine  eiserne  gebrochene  Trense,  einen  eisernen  Steigbügel,  dadurch  eigen- 
tümlich, dass  da,  wo  der  Bügel  an  dem  Tritt  ansitzt,  sich  auf  jeder  äussern  Seite 
ein  eiserner  Stachel  befindet;  einen  eisernen  Sporn  mit  vierkantigem,  pyramiden- 
förmigem Dorn,  welcher  einen  im  Durchschnitt  kreisförmigen  kurzen  Hals  hat  nnd 
denselben  mit  den  Kanten  seiner  Grundfläche  überragt;  eine  eiserne  Lanzenspitze 
mit  einer  G  cm  langen  Tülle  nnd  einem  11  cm  langen  Blatt  in  rhombischer  Form; 
aus  Komatzko,  Kreis  Lötzen,  2  Perlen  von  Terrracotta,  einen  ungeschlossenen  bron- 
zenen Armring  in  Bandform,  1,6  cm  breit,  das  Band  ist  nicht  cyündrisch,  sondern 
concav  ausgebogen  und  hat  an  den  Endstücken  ein  gestricheltes  Muster;  ein  eisernes 
Messer;  aus  Eckersberg,  Kreis  Johannisburg,  ein  eisernes  Messer  mit  concav  aas- 
geschliffener Klinge,  ferner  von  dort  einen  eisernen  Bolzen  mit  Dorn;  aus  Werder 
am  Arys-See  aus  der  Nähe  des  Schlossberges  eine  bronzene  Gcwandnadel  im  Charakter 


Alterthnmsgesel  lach  äffe  Prüssia.  649 

der  Zeit  des  Kaisers  Vcspasian,  vergl.  Sadowski,  die  Handelsstrassen  der  Griechen  etc. 
Tafel  IV.  Figur  54,  aus  Schönberg,  Kreis  Lötzen,  ein  Fragment  eines  alten  heidni- 
schen eisernen  Vorlegeschlosses  mit  Federn;  aus  Kotzek,  Kreis  Johannisburg,  eine 
kleine  bronzene  Fibula  in  Armbrustform  und  mit  einem  Bügel  versehen,  der  durch 
Umbicgung  die  Nuth  zur  Aufnahme  der  Nadel  bildet,  einen  bronzenen  oralen  un- 
geschlossenen Bing  mit  verschieden  verstärkten  Endstücken;  1  Perle  aus  Terracotta, 
1  kleine  Glasperle  in  Scheibenform,  13  Perlen  aus  Bernstein,  2  von  ihnen  in  Pauken* 
form,  2  cylinderische,  1  in  Wirtelform,  die  übrigen  in  Scheibenform,  sie  zeichnen 
sich  sämmtlich  durch  ihre  Kleinheit  und  zum  Thci)  durch  ihre  feine  Bearbeitung 
aus,  und  1  Thon perle  in  Wirtelform.  Gekauft  wurde  ein  14,8  cm  langer  broncener 
Hohlcelt  mit  Oehr,  er  wurde  freiliegend  auf  dem  Galgenberg  bei  Rastenbuxg  gefunden. 
Der  Durchmesser  der  lichten  Oeffuung  der  Tülle  beträgt  29  mm  und  der  der  Schneide 
5,2  cm,  die  Gussnath  am  Oehr  und  an  der  gegenüberliegenden  Seite  stehen  noch  da. 

Zur  Sammlung  mittelalterlicher  Waffen  schenkten:  Majoratsherr  v.  Kunheim 
auf  Juditten,  Kreis  Friedland,  eine  beim  M orgelfahren  daselbst  gefundene  wuchtige 
Speerspitze  eines  deutschen  Ordensritters  um  1220,  der  Schaft  mit  Tülle  ist  acht- 
kantig und  hat  die  Länge  von  13,5  cm,  das  Blatt,  19  cm  lang,  lanzettförmig,  hat 
die  grösste  Breitenausdehnung  in  13,6  cm  Entfernung  von  der  Spitze,  die  grösste 
Breite  der  Klinge  beträgt  5,5  cm.  Die  Tüllo  ist  leider  nicht  ganz  erhalten.  —  Frei- 
herr von  Romberg  auf  Schloss  Gerdauen  einen  im  Walde  Damerau  bei  der  Wald- 
arbeit gefundenen  vierkantigen  Panzerstecher  genannt  Pörschwert  (von  Bohner)  um 
1380,  (cfr.  Lebar,  Wiens  kaiserliches  Zeughaus.)  Die  vierkantige  Klinge  ist  92  cm 
lang  und  verjüngt  sich  allmälig,  sie  hat  an  der  Parierstange  2,5  cm  und  an  der 
Spitze  5,5  mm  Durchmesser.  Die  Parierstange,  völlig  gerade,  ist  über  den  Griff  ge- 
zogen und  hat  eine  Gesammtlänge  von  26,5  cm,  der  Griff,  am  Ende  durch  einen 
Knauf  (2  cm  dick)  in  kreisförmiger  (Durchmesser  4,9  cm)  Scheibenform  geschmückt, 
hat  zwischen  Knauf  und  Parierstange  eine  Länge  von  22,5  cm  und  ist  am  Knauf 
1  cm  und  an  der  Parieretange  2  cm  breit  und  einen  im  Park  von  Schloss  Gerdauen 
gefundenen  Sporn  des  14.Jahrhunderts.  Das  Hackenstück  ist  verbreitert,  der  Bügel 
kurz,  aber  geschweift  und  der  Dorn  wird  durch  die  Spitzen  eines  in  der  Mitte  aus- 
geschnittenen Eisens  in  Bandform  ersetzt.  —  Dr.  Tribukait  einen  bei  der  Stadt 
Bhein,  Kreis  Lötzen,  gefundenen  vierkantigen,  8,3  cm  langen  eisernen  Bolzen  mit 
Tülle,  deren  lichter  Durchmesser  1,4  cm  stark  ist. 

Zur  Sammlung  von  Gegenständen  neuerer  Zeit  schenkten  Lieutenant  von 
Pressentin  genannt  von  Baut  her  auf  Kanoten  ein  grosses  Schloss  der  Kirche  von 
Gerdauen.  —  Maurermeister  Kade  eine  75  Pfd.  nach  altem  Gewicht  wiegende  Ka- 
minplatte mit  der  Unterschrift  »Josua  Kap.  10.  1610*  und  mit  der  bildlichen  Dar- 
stellung zu  den  Worten  »Josua  liess  henken  5  Könige.4  Dies  Stück  wurde  beim 
Bau  des  Hauses  zwischen  dem  Anfang  der  Koggenstrasse  und  dem  Gesekus- Platz 
gefunden  und  hat  viele  Jahre  mit  der  umgekehrten  Seite  als  Heerdplatte  gedient»  -— 

▲Hpr.  MoDUtoffohrift  Bd.  XIV.  Bft.  7  u.  8.  42 


650  Kritiken  und  Referate. 

Gekauft  wurde  vom   Löbnichtschen  Hospital  eine  grössere  Anzahl  von  Kelch-  nnd 
Pultdecken,  Altar- Vorsteckscl  und  Umhängsei. 

Zur  Münzsammlung  schenkten  Major  von  Wernsdorfauf  Truntlack,  Kreis  Ger- 
dauen, vier  daselbst  gefundene  abgeriebene  bronzene  römische  Kaisermünzen  und 
einen  Schilling  von  Paul  von  Russdorf,  ebenfalls  dort  gefunden.  —  Partikulier  Böhn- 
hard  ein  5-Sousstück  von  1792.  —  Rittergutsbesitzer  von  Montowt  auf  Kirpefenen, 
Kreis  Fischhausen,  einen  daselbst  gefundenen  grossns  sextuplex  von  Job.  Kasimir  1661. 

Von  anonymen  Gebern  wurden  der  Sammlmig  verehrt  2  Gärtner- Lehrbriefe 
v.  J.  1694  u.  1717  und  das  Modell  des  Königsberger  Doms  mit  der  abgebrochenen 
alten  Albertina  und  den  Nebengebäuden  in  Pappe. 

Zur  Bibliothek  schenkten  Partikulier  Böhnhard:  Memorabilia  Germaniae,  ge- 
druckt bei  Hubert,  Breslau,  1726,  und  eine  persianische  und  ostindische  Reisebe- 
echreibung  1687;  Direktor  Priederici:  Preusische  Blumenlese  für  das  Jahr  1782, 
herausgegeben  von  G.  F.  John;  Rittergutsbesitzer  von  Montowt:  Aufzeichnungen 
des  Landrath  von  Auer  über  Alterthümer  des  Fischhauser  Kreises ,  in  den  zwanziger 
Jahren  dieses  Säculums  verfasst  und  eine  alte  Karte  von  Lochstädt  vom  Jahre  1643, 
auf  welcher  die  Angabe  bemerkenswerth  ist,  dass  auf  der  kleinen  Fläche  von  250  Hek- 
taren 2  Hektare  mit  Hopfen  bestellt  wurden;  Professor  Grewingk  in  Dorpat: 
Einen  Separatabzug  seiner  Abhandlung  »Zur  Archäologie  des  Balftcum  und  Russ- 
lands*, aus  dem  Archiv  für  Anthropologie  Band  X.;  die  Kaiserlich  russische  archäo- 
logische Gesellschaft  ihren  Bericht  pro  1874;  der  historische  Verein  für  Steiermark 
seine  Mittheilungen,  25.  Heft,  und  Beitrage  zur  Kunde  Steiermärkischer  Geschichts- 
quellen, 14.  Jahrgang;  Unger  in  Christiania:  die  Heilagra  Manna  Sögur.  Ferner 
wurden  die  Tauschexemplare  der  Vereinsschriften  vorgelegt. 

Hierauf  hielt  Professor  Heydeck  folgenden  Vortrag  über  die  von  ihm  gemachten 
und  vorgelegten  Funde. 

Bericht  über  Ausgrabungen  bei  Wiskiauten  und  Wikiau  im  Samlande 

von  J.  Heydeck. 

Das  Gräberfeld  bei  Wiskiauten  im  nördlichen  Samlande,  von  den  Bewohnern 
jener  Gegend,  wahrscheinlich  nach  der  Altpreussischen  Bezeichnung  Kapis  (Begräb- 
nissplatz) noch  heute  die  Kaup  genannt,  hat  bereits  in  früheien  Jahren  für  unsere 
Sammlung  so  reiche  und  interessante  Funde  ergeben,  dass  wir  auch  in  diesem  Jahr 
uns  veranlasst  sahen,  die  Untersuchungen  dort  fortzusetzen.  Professor  Dr.  Schneider, 
Bildhauer  Eckhard  und  ich  unternahmen  Anfangs  August  d.  J.  eine  Expedition  dorthin, 
welche  durch  die,  vorliegenden  Funde  in  reichster  Weise  belohnt  wurde. 

Das  Gräberfeld  liegt  in  einem  Wäldchen,  welches  dem  Herrn  von  Batocki  in 
Bledau  gehört.  Herr  von  Batocki  hatte  das  Unterholz  in  sehr  dankenswerther  Weise 
Im  vorigen  Jahr  beseitigen  lassen,  dennoch  war  das  Gehölz,  welches  aus  zum  Theil 
lehr  alten  Eichen  besteht,  die  oft  auf  den  Grabhügeln  selbst  gewachsen  Bind,  durch 


Alterthumsgesellschaft  Prussia.  651 

neuen  Aufschlag  so  unzugänglich  geworden,  dass  wir  uns  nur  sehr  schwer  nach 
einer  von  mir  aufgenommenen  Gräberkarte  zurecht  finden  konnten.  In  früheren  Jahren 
war  vorzugsweise  der  mittlere  Theil  der  östlichen  Seite  des  Gräberfeldes  untersucht 
In  diesem  Jahr  sollte  mehr  der  südliche  Theil  aufgedeckt  werden. 

Die  Grabhügel  der  Raup  liegen  mehr  oder  minder  aneinander,  einige  so  nahe, 
dass  die  Hügel  aneinander  grenzen.  Sie  sind  durchschnittlich  60  cm  hoch  und  haben 
in  ihrer  Grundfläche  einen  Durchmesser  von  6  m,  also  ziemlich  flach  und  sind  zum 
grossen  Theil  wenigstens  in  der  Mitte  des  Hügels  durch  einen  grösseren  oder  kleinem 
Stein  bezeichnet.  Die  grössten  diesor  Steine  waren  über  1  m  lang  und  ca.  50 — 60  cm 
breit.  Es  wurden  dieses  Mal  im  Ganzen  13  Hügel  aufgedeckt.  Mit  wenigen  Aus- 
nahmen findet  man  in  der  Mitte  unter  dem  Hügel,  auf  dem  gewachsenen  Boden 
eine  Brandstätte,  welche  selten  über  1  m  im  Durchmesser  hat  Auf  dieser  Brand- 
stätte ist  der  gewachsene  Boden,  der  in  der  Kaup  besonders  im  südlichen  Theil  aus 
strengem  Lehm  besteht,  7,  auch  10  cm  tief  bis  zu  einer  gewissen  Härte  gebrannt 
Auf  dieser  Stelle  finden  sich  nun  Kohlen,  gebrannte  Knochenreste  und  gewöhnlich 
am  Rande  zusammengehäuft  Bronceschmuck,  Perlen,  Trense,  Schcere  und  Messer. 
Andere  Gräber  zeigten  Schwerter  und  Lanze  nebst  andern  £isengeräthen  mit  Bronce- 
resten  in  der  Mitte  der  Brandstätte,  dagegen  Urnen  mit  gebrannten  Knochenresten 
und  sonstigem  Inhalt  fanden  sich  immer  nur  etwas  seitwärts  von  der  Brandstätte. 
Darüber  ist  dann  der  Hügel  geschüttet.  In  einigen  Fällen  finden  sich  in  der  Mitte 
auch  kleinere  Steinpackungen  von  einigen  Kopfsteineu.  Schliesslich  ist  der  Mark- 
stein darauf  gelegt,  welcher  oft  bis  über  die  Hälfte,  häufig  auch  nur  mit  seiner 
Spitze  Über  den  Hügel  hervorragt. 

Da  nun  in  der  Kaup  kein  grösserer  Heerd  zum  Verbrennen  eines  Körpers  in 
horizontaler  Lage  bis  jetzt  gefunden  ist,  dagegen  alle  bisherigen  Ausgrabungen  da- 
rauf hinweisen,  dass  der  Körper  des  zu  Bestattenden  auf  der  erst  beschriebenen  Brand- 
stätte selbst  verbrannt  worden  ist,  so  müssen  wir  wegen  der  geringen  Ausdehnung 
dieser  Brandstätten  zu  dem  Schluss  kommen,  dass  die  Körper  entweder  in  stehender 
oder  sitzender  Stellung  verbrannt  worden  sind,  wobei  der  Holzstoss  keiner  so  grossen 
Grundfläche  bedurfte. 

Wenden  wir  uns  jetzt  den  Funden  selbst  zu,  so  finden  wir,  dass  sich  die  früher 
gemachte  Bemerkung,  dass  kaum  die  Hälfte  der  aufgedeckten  Gräber  bedeutendere 
Funde  enthalten,  auch  jetzt  bestätigt.  Von  den  13  Gräbern  liegen  nur  7  Grabfunde 
vor.  In  manchen  anderen  Gräbern  waren  wohl  Metallspuren  vorhanden,  aber  nicht 
so,  dass  bestimmte  Formen  daraus  zu  ersehen  waren.  Allerdings  wiegen  diese 
7  Funde  die  gehabte  Mühe  reichlich  auf.  Dieselben  gehören  ohne  Ausnahme  alle 
dem  jüngeren  Eisenalter  an,  wie  es  von  den  Skandinaviern  begrenzt  wird,  also  etwa 
dem  5.  bis  10.  Jahrhundert  nach  Chr.  Geburt.  Unsere  Funde  geben  uns  ein  herr- 
liches Bild  einer  ausschliesslich  nordischen,  speciell  gothländischen  Metallarbeit 
dieser  Zeit.   Vergl.  Hildebrand :  »Das  heidnische  Zeitalter  in  Schweden*,  Hamb.  1873« 

42* 


652  Kritiken  and  Referate. 

Der  erste  Fand  ist  ein  reicher  gothländischer  Schmuck,  wie  wir  schon  zwei 
eben  der  Art  ans  der  Kaup  in  unserer  Sammlung  besitzen.  Er  besteht  in  zwei 
schalenförmigen  Fibeln  (mit  der  Abbildung  Hildebrand  Seite  33,  Figur  13  genau 
übereinstimmend),  den  dazu  gehörenden,  offenbar  nicht  vollständig  erhaltenen  Ketten- 
gehängen, verschiedenen  Zierrathen  ans  Silber  von  sehr  feiner  Arbeit  (s.  Hildebrand 
Seite  190,  Figur  36—42),  einigen  in  Facetten  geschliffenen  Perlen,  die  leider  im 
Feuer  sehr  gelitten  haben,  einigen  Fragmenten  mit  zierlicher  Ornamentirung,  deren 
ursprünglicher  Zweck  nicht  mehr  bestimmt  werden  kann,  und  einigen  kleinen  Silber- 
klümpchen,  welche  wohl  bei  der  Verbrennung  aus  den  silbereingelegten  Fibeln  ge- 
flossen sein  können,  wie  wir  es  an  einer  ahnlichen  Fibel  der  Eaup  vom  Jahre  1874 
sehen,  ferner  in  eiserner  Trense,  Scheere  und  Messer,  den  gewöhnlichen  Beigaben 
dieses  Schmuckes,  der  wegen  des  Pferdegebisses  wohl  einem  Manne  angehört  hat. 

Der  zweite  Fund  besteht  in  Steigbügelfragmenten,  an  denen  man  noch  eine 
sehr  feine  Arbeit  erkennen  kann,  in  Eisenfragmenten  von  Trense,  Speer  und  einem 
Bügel,  dann  in  2  Broncesporen  ältester  Form  mit  ganz  kurzem  Stachel  und  haken- 
förmig nach  innen  gebogenen  Bügelenden,  wahrscheinlich  zum  Befestigen  an  einem 
Hackleder,  einer  Perle  aus  Terracotta  und  einer  Urne,  welche  noch  nicht  auf  der 
Drehscheibe  gefertigt  ist 

Dritter  Fund.  Eine  schnallenartige  Fibel  von  Bronce  mit  körperlich  heraus- 
tretenden Thierköpfen  der  schönsten  Arbeit,  so  wie  wir  sie  noch  nicht  besitzen,  da- 
beiliegend ein  eisernes  Messer  gewöhnlicher  Form. 

Vierter  Fund.  Ein  einschneidiges  Schwert  Scramasazus,  zusammengebogen 
nnd  in  3  Stücke  gebrochen,  die  Klinge  von  Damascenerarbeit,  Fragmente  von  zwei 
Speeren.    In  diesem  Grabo  fand  sich  keine  Bronce. 

Fünfter  Fund.  Ein  zweischneidiges  Sckwert,  Spata,  sehr  zerstörte  Klinge,  so 
dass  die  Länge  nicht  festzustellen  ist,  2  Lanzenspitzen  sehr  fragmentarisch,  an  der 
einen  Tülle  sieht  man  lanzettartige  Verzierungen.  Mehrere  Stücke  Schleifsteine  von 
versteinertem  Holz.    Keine  Bronce. 

Sechster  Fund.  Ebenfalls  ein  Schwert  Spata,  Lanzenspitze,  Streitäxte  und 
Steigbügelfragment  und  einige  Stücke  Bronce,  vermuthlich  von  einer  kleinen  Wagschale. 

Siebenter  Fund,  Eine  Urne  ohne  Anwendung  der  Drehscheibe  gefertigt,  ent- 
hielt Knochenasche  und  eine  Perle  von  Terracotta. 

Die  drei  Schwertknäufe  und  Parierstange  tragen  alle  den  Charakter  des  jüngeren 
Eisenalters.  Knauf  nnd  Stange  des  Scramasaxus  zeigen  noch  deutlich  fadenartig 
eng  an  einanderliegende  Silbereinlagen  in  der  Richtung  der  Längsaxe  des  Schwertes. 
Ihre  Form  siehe  Hildebrand  Seite  43,  Figur  28.  lieber  die  beiden  Schwertarten 
sagt  Lindenscbmidt  in  seinen  Alterthümern  zu  Sigmaringen  Seite  6  und  8:  »In  den 
Gräbern  merovingischer  Zeit  findet  sich  das  Schwert  in  zwei  verschiedenen  Arten, 
das  eine  mit  langer  zweischneidiger  Klinge  und  kurzem  Griff,  das  andere  mit  kurzer 
einschneidiger  Klinge  und  langem  Griff.*    Ferner:  »Die  Grösse  der  8pata  wechselt 


Alterthumsgesellsehaft  Prussia.  653 

zwischen  2f/2  Fuss  und  3V2  Fuss,  ihre  Breite  zwischen  2  und  3  Zoll.  Dem  zwei« 
schneidigen  grossen  Schwert  (der  Spata)  stellt  sich  gegenüber  das  Kurzech  wert  mit 
einschneidiger  Klinge,  der  Scraroasaxus.  Obgleich  von  verschiedenen  Massen  nnd 
Verhältnissen,  zeigt  sich  dasselbe  in  den  Gräbern  doch  nur  im  Ganzen  in  zwei  wenig 
verschiedenen  Arten.  Es  finden  sich  die  schmälern,  messerartigen  meist  V/%  bis  2  Fuss 
Länge  und  bis  V/2  Zoll  breit  und  diejenigen,  welche,  ungleich  schwerer,  2 Vi  Fuss 
in  der  Länge,  2  Zoll  in  der  Breite  haben  nnd  mit  einem  bis  zu  vier  Linien  starken 
Rücken  sowohl  für  den  Stoss,  als  vorzüglich  für  den  Hieb  eine  besonders  nachdrück- 
liche Wirkung  verbürgen.* 

In  den  alten  Dichtungen  führen  die  Helden  zwei  Schwerter,  neben  der  zwei- 
schneidigen Spata  das  einschneidige  Hiebmesser,  den  sah6.  Waltari  rüstet  sich,  im 
Begriff  die  Hiltgund  zu  entführen  und 

»Gürtet  die  Hüfte  links  mit  dem  doppelschneidigcn  Schwerte, 
»Und  nach  pannonischem  Brauch  die  Recht1  zugleich  mit  dem  zweiten, 
»Welches  mit  einer  der  Seiten  nur  schlägt  die  tödlichen  Wunden. 
Als  im  Kampf  mit  den  Franken  sein  Schwert  zersplittert  und  Hagen  ihm  die 
wehrlose  Rechte  abhaut,  heftet  er  den  Schild  an  den  verwundeten  Arm, 
»Mit  der  gesunden  Hand  entreisst  er  der  Scheide  das  Halbschwert, 
Das  an  der  rechten  Seit1  er  gegürtet* 
und  schlägt  Hagen  die  Wunde,  welche  den  Kampf  beendet. 

Unserer  heutigen  Annahme  nach  müssen  wir  auch  die  früheren  Funde  unserer 
Sammlung,  welche  diesen  ganz  gleichen,  in  diese  Zeit  vom  5.  bis  10.  Jahrhundert 
rechnen,  also  früher  als  die  von  C.  Bahr  beschriebenen  Livischen  Alterthümer,  welche 
in  ihren  Ornamenten  eine  viel  einfachere  organischere  Entwicklung,  wie  sie  einer 
späteren  Zeit  eigen  sind,  zeigen.  Siehe  Tafel  VII.  Figur  4  und  Tafel  X.  Figur  3. 
Auch  die  Gefässc,  welche  wir  in  diesen  Gräbern  gefunden,  sind  noch  ohne  Anwen- 
dung der  Drehscheibe  hergestellt,  worauf  nicht  geringes  Gewicht  zu  legen  ist 

In  einem  der  Hügel  fanden  sich  unter  und  zwischen  Steinen  Knochen  eines 
Hundes.  Der  Schädel,  von  dem  ein  grosser  Theil  erhalten  ist,  misst  10  cm.  Von 
einer  Brandstätte  war  keine  Spur,  auch  sonst  finden  sich  keine  Beigaben.  Es  muss 
bezweifelt  werden,  dass  dieser  Fund  in  irgend  welchem  Zusammenhang  mit  den 
vorigen  steht. 

Als  nächste  Aufgabe  hatten  wir  uns  die  Aufnahme  eines  Grabes  gestellt, 
welches  ich  schon  seit  mehreren  Jahren  kannte.  Es  befand  sich  im  Kunterstrauch 
nahe  der  See,  zwischen  Wikiau  und  Wargenau  als  Einzelgrab  von  grosserem  Umfang 
und  grösserer  Höhe.  Wir  deckten  es  mit  Hülfe  unserer  6  Arbeiter  in  einem  Tage  auf 
und  wurden  durch  den  besten  Erfolg  belohnt.  Dieses  Grab  war  ebenfalls  durch  ein 
Wäldchen  mit  den  herrlichsten  Buchen  und  Eichen  und  seinem  oft  undurchdringlichen 
Unterholz  seither  den  Bücken  Neugieriger  gänzlich  entzogen  worden,  und  wir  können 
Herrn  v.  Batocki  nicht  genug  danken,  dass  er  uns  die  Erlaubniss  gab,  auch  dieses 


£54  Kritiken  und  Referate, 

so  unberührte  Grab  zu  Offnen.- —  Der  Fund  liegt  nun  liier  vor,  genau  iu  der  Lage, 
in  der  wir  ihn  gefunden,  und  in  der  ich  ihn  jetzt  für  unsere  Sammlung  aufgestellt 
habe,  noch  näher  erläutert  durch  meine  Zeichnung,  die  ich  an  Ort  und  Stelle  nach 
den  richtigen  Massen  aufgenommen  und  zu  Hause  etwas  mehr  ausgeführt  habe.  Die 
venigen  erklärenden  Worte,  die  ich  meiner  Zeichnung  beigefügt,  lauten:  Der  Hügel 
im  K  unterfit  rauch  1,12  Meter  hoch,  ca.  8  Meter  Durchmesser  in  seiner  Grundfläche, 
enthielt  auf  dem  gewachsenen  Boden  iwei  Skelett«  unter  einer  Steinpacknng,  welche 
bis  zur  Oberfläche  des  Hügels  reichte,  so  dass  einige  Steine  in  der  Mitte  des  Hagels 
hervorragten.  Nur  das  hier  vorliegende  Skelet  II.  war  vorzugsweise  an  der  Südseite 
mit  gespaltenen  dünnen  Steinplatten  umsetzt,  sonst  lies  sich  keine  regelmässige 
Stein  packung  erkennen.  In  der  rechten  Augenhöhle  von  Skelet  I.  fand  sich  die 
Hälfte  einer  arabischen  Münze.  In  der  Gegend  des  Mondes  von  Skelet  II.  lagen 
zwei  ganze  Münzen.  An  dem  rechten  Unterschenkel  von  Skelet  II.  ist  eine  Ver- 
wundung durch  einen  Hieb  sichtbar,  welcher  das  Wadenbein  durchschlagen  und  noch 
tief  in  das  Schienhein  gedrungen  ist.  Eine  ähnliche  Verwundung  zeigt  sich  am 
linken  Oberarm. 

An  dieser  Stelle  muss  ich  bemerken,  dass  ich  das  Blasslegen  der  Skelette 
selbst  übernehme  und  niemals  den  Arbeitern  überlasse.  So  wie  sich  beim  sebichten- 
weisen  Abdecken  des  ganzen  Hügels  oder  Grabfeldes  die  geringste  Spur  eines 
Knochens  zeigt,  suche  ich  danach  die  Stelle  des  Körpers,  und  seine  ganze  Lage  zu 
bestimmen,  umstecke  in  angemessener  Entfernung  den  Körper  mit  kleinen  Holz- 
pflöcken und  lasse  von  den  Arbeitern  nur  ausserhalb  dieser  Pflöcke  die  Erde  in  an- 
gemessener Tiefe  entfernen.  Nun  beginnt  die  Arbeit  für  mich  allein.  Zuerst  wird 
Fühlung  von  den  Seiten  her,  an  den  gewöhnlich  am  besten  erhaltenen  Röhrenknochen 
der  Oberschenkel  und  Oberarme  gesucht,  welche  nach  bekannten  Proportionen  leicht 
gefunden  sind.  Dann  wird  ebenso  von  den  Seiten  weiter  der  ganze  Utnriss  des 
Körpers  blossgelegt,  selbstverständlich  sehr  vorsichtig,  damit  die  seitwärts  liegenden 
Beigaben  nicht  verschoben  werden;  der  grösseren  Sicherheit  wegen  werden  dieselben, 
auch  wenn  sie  zu  Tage  treten,  mit  kleinen  hakenförmigen  Pflocken  an  ihrer  Stelle 
befestigt.  Nnn  erst  beginnt  das  eigentliche  Abdecken  der  Erde,  Vielehe  auf  dorn 
Körper  und  den  Fanden  liegt.  Hierzu  gebrauche  ich  gewöhnlich  nur  kleine  Holz- 
werkzenge,  die  sich  leicht  aus  jedem  Ast  fertigen  lassen,  Bürste,  kleine  Strauchbesen 
und  Pinsel,  nnd  zum  Fortschaffen  der  Erde  die  Hände.  Wenn  nun  das  Ganze  als 
Hautrelief  blossgelegt  ist,  zeichne  ich  dasselbe  und  trage  die  Masse  ein,  und  dar- 
auf beginnt  erst  das  Herausnehmen,  wobei  ich  die  Erde  aus  dem  Innern  des  Sei) äd eis 
durch  das  foramen  m.ignum  zu  entfernen  suche,  weil  dieselbe  durch  ihre  Schwere 
den  Schädel  leicht  ausenander  drückt.  Zu  Hanse  wird  nun  das  Ganze  genau  so, 
wie  es  dort  im  Grabe  lag,  für  die  Sammlung  aufgestellt  Es  muss  allerdings  bei 
allen  diesen  Arbeiten  eine  genaue  Kenntnis«  des  menschlichen  Skeletts  vorausgesetzt 
werden,  ohne  die  sich  kaum  sichere  Erfolge  erreichen  lassen.   In  verschiedenen  Museen 


Alterthumsgese  lisch  atft  Prusaia.  655 

hatte  ich  Gelegenheit,  ähnliche  Fände  zn  sehen,  welche,  da  sie  mit  der  ganzen  sie 
umgebenden  nnd  theilweise  verhüllenden  Erde  herausgehoben  dort  aufgestellt  sind, 
einen  sehr  unklaren  Eindruck  machen.  Sie  sind  für  die  genauere  UnterBuchung 
z.  B.  des  Skelets  geradezu  unbrauchbar  und  werden  wahrscheinlich  durch  den  Zu- 
tritt der  Luft  sehr  bald  zerfallen. 

Bei  der  Blosslegung  des  letzten  Fundes  hatte  ich  die  sehr  dankenswerthe  Hilfe 
der  Herren  Professor  Dr.  Schneider,  Dr.  Conrad  und  Bildhauer  Eckart.  Die 
Skelette  lagen  dicht  nebeneinander,  nur  durch  einige  Steine  geschieden,  mit  dem 
Kopf  nach  Osten,  mit  den  Füssen  nach  Westen.  Von  dem  auf  der  Nordseite  liegen- 
den Nr.  I.  war  nur  die  Lage  festzustellen,  die  Knochen  selbst  aber  nicht  mehr  voll- 
ständig zu  erhalten.  Nur  ein  Stück  Oberkieferbein,  welches  den  Oxydabdruck  der 
beigelegten  Münze  ans  Silber  im  innern  Augenhöhlenrande  tragt,  ist  erhalten.  Die 
Sibermünze  scheint  einen  arabischen  Typus  zu  haben,  so  viel  nach  dem  sehr  abge- 
riebenen Gepräge  und  der  nur  vorhandenen  Hälfte  geartheilt  werden  kann.  Ob  der 
nur  vorhandenen  Hälfte  der  Münze  ein  besonderes  Gewicht  beigelegt  werden  niuss, 
indem  die  Münze  nach  irgend  einem  feierlichen  Gebrauch  zwischen  zwei  Personen 
getheilt  wurde,  lässt  sich  erst  nach  ähnlichen  Funden  vielleicht  entscheiden.*) 
Die  Beigaben  des  Skelets,  welche  aus.  Eisen  gearbeitet  sind,  bestehen  in  einer 
Lanzenspitze,  einem  Messer,  einem  Stück  Bügel  mit  zwei  •  daranhängenden  kleinen 
Platten,  zwei  Sporen  mit  deutlich  bemerkbarer  Einlage  eines  anderen  Metalls.  Sie 
haben  4!/2  cm  lange,  steil  aufwärts  gerichtete  Dome  und  gehören  dem  13.  Jahr- 
hundert an.  Ferner  zwei  Sporenschnallen,  an  denen  man  auch  Versilberung  erkennen 
kann.  Skelet  II.,  welches  ich  genau  in  der  Lage,  in  der  wir  es  gefunden,  mit  all' 
seinen  Beigaben  für  die  Sammlung  der  »Prussia*  aufgestellt  habe,  giebt  ein  deutliches 
Bild  der  damaligen  Bestattung.  Die  Lanze,  welche  an  der  linken  Seite  liegt  und 
mit  der  Spitze  bis  zum  Scheitel  des  Kopfes  reicht,  hat  eicher  nicht  viel  über  Manns- 
länge gehabt,  wie  sie  bis  zur  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  sowohl  als  Wurf-  als  auch 
als  Stosswaffe  üblich  wer.  Ueber  den  Speer  sagt  Lindenschmit:  »Alterthümer  zu 
Sigmaringen4,  Seite  17:  »Wio  bei  allen  Völkern,  so  erscheint  auch  bei  den  germani- 
schen Stämmen  der  Speer  als  die  einfachste  und  älteste  Waffe.  Seine  aus  den  ent- 
legensten Zeiten  stammende  symbolische  Bedeutung  als  Zeichen  königlicher  Macht, 
welche  später  in  den  einfachen  Herrscherstab,  das  seeptrum,  überging,  gilt  noch  bei 
den  Franken  und  Longobarden,  bei  welchen  mit  der  Uebergabe  des  Speeres  Königs- 
gewalt ertheilt  wird.  Er  wird  zugleich  mit  dem  Schilde  in  den  Gesetzen  der  deut- 
schen Völker,  als  eine  von  jedem  Freien  geführte  Waffe  angenommen,  und  dies 
findet  durch  die  Gräberfunde  eine  zutreffende  Bestätigung,  dass  die  Lanzenspitzen 

*)  Nesselmann  beschreibt  Altpr.  Mtsschr.  III,  374  einen  im  Frühjahr  1866  bei 
Storchnest,  Kreis  Pr.  Holland,  gemachten  Fund  von  123  halben  Khalifenmünzen  und 
bemerkt,  dass  bei  Zahlungen  behufs  Gewichtsausgleichung  einzelne  Stücke  zerschnitten 
wurden.  B. 


ß56  Kritiken  und  Referate. 

als  die  zahlreichsten,  nirgends  fehlenden  Wallen  gelten,  welche  das  Grab  des  ärmsten 
wie  des  reichsten  Kriegers  kennzeichnen.*  Ferner  sagt  Lindenschmit  Seite  2G:  »Dass 
in  den  angelsachsischen  Gräbern  die  Lanzenspitze  zumeist  aufwärts  gerichtet  bei  dem 
Kopfe,  in  den  fränkischen  aber  umgekehrt  und  zu  den  Füssen  gelegt  erscheint.4 

Die  Verzierungen  des  Gürtels  an  unserem  Slfalct  bestehen  in  zierlich  gearbei- 
tetem Eisen  mit  feiner  Einlage,  wahrscheinlich  von  Silber.  Am  linken  Handgelenk 
befindet  sich  ein  Broncearmring.  Die  weitere  Ausstattung  besteht  in  Bronceschnallen 
und  perlartigem  Bronccdrathgeröll.  Etwa  30 — 40  cm  über  den  Skeletten  lagen  zwischen 
der  Steinpackung  Scherben  eines  Gefässes,  das  auf  einer  Drehscheibe  gefertigt  und 
wahrscheinlich  bei  dein  Todtenmahle  gebraucht  worden  ist.  Ich  habe  es  so  weit 
als  möglich  zusammengesetzt. 

Ueber  die  Verwundungen  des  vorliegenden  Skelets  hat  Professor  Dr.  Schneider 
die  Güte  gehabt,  nachstehendes  Urtheil  abzugeben:  »Die  Beschaffenheit  der  Knochen- 
Wunden  (ganz  glatte  Oberfläche,  ganz  glatte  scharfe  Ränder,  ohne  Splitterung)  spricht 
mit  Sicherheit  dafür,  dass  sie  von  einem  scharfen  schneidenden  Werkzeuge  von 
grösserem  Volumen  und  Masse,  welches  mit  grosser  Kraft  und  Schnelligkeit  geführt 
ist,  erzeugt  sind.  Ein  grobes  Beil  würde  Splitterung  in  dem  Knochen  hervorgerufen 
haben.  Sodann  finden  sich  in  der  Umgebung  der  genannten  Knochenwunden  noch 
keine  Veränderungen  in  den  Knochen,  wie  sie  nach  Verletzungen  durch  die  eintretende 
Entzündung  oder  Eiterung  hervorgerufen  werden.  Der  Betreffende  muss  daher  sehr 
bald  nach  dieser  Verletzung  gestorben  sein.  Die  Verletzung  am  Unterschenkel  Ut 
überhaupt  als  eine  tödtliche  anzusehen,  da  durch  dieselbe  auch  eine  grosse  Arterie 
des  Unterschenkels  nothwendig  mit  durchschlagen  sein  musste,  also  eine  tödtliche 
Blutung  eintrat.*  — 

Es  ist  das  erste  Mal,  dass  ich  Münzen,  welche  uns  die  Zeit  des  Begräbnisses 
angeben  können,  mit  so  unzweifelhafter  Sicherheit  als  zum  Skelet  gehörend  konsta- 
tiren  kann.  Die  eine  dieser  Münzen  von  Skelet  IL  ist  nach  Vossberg  hier  in  Kö- 
nigsberg vermuthlich  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  vom  Orden  geprägt. 
Es  ist  ein  Bracteat,  auf  dem  man  deutlich  eiue  Krone  und  Kreuz  erkennen  kann. 
Sie  ist  gut  erhalten  und  nicht  abgelaufen.  Bis  zur  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
hat  der  Orden  keine  anderen  Münzen  als  Bracteate  (von  einer  Seite  geprägte  dünne 
Silbermünzen)  schlagen  lassen,  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  kommen 
andere  Münzen  vor.  Die  beiden  anderen  Münzen  des  Grabes  sind  nicht  einheimisch 
und  müssen  noch  aus  einer  früheren  Zeit  herrühren.  In  Vossberg's  Pr.  Münzkunde 
finden  wir  Seite  89:  »Alle  Ordens- Bracteaten  mit  krönen  ähnlicher  Darstellung  und 
zwischen  den  Seitenwänden  mit  einem  Kreuze  versehen,  gehören  vermuthlich  nach 
Königsberg,  da  es  das  Wappen  der  Altstadt  Königsberg  ist.*  Siehe  Abbildungen 
No.  82—87. 

Vielleicht  fällt  ein  Licht  auf  die  Zeit  der  Bestattung,  wenn  wir  die  Nachrichten 
erwägen,  dass  der  Orden  seit  1251  Münzen  der  gefundenen  Art  in  Preussen  prägen 


AUerthumsgesellschaft  Prussia.  657 

Hess,  dass  nach  Voigt's  Geschichte  Preussens,  Band  3  p.  514.  »schon  in  einer  Ver- 
schreib ung  des  Vogts  von  Samland  vom  Jahre  1262  wirklich  auch  Dcnarii  Königs- 
bergensis  moneta  vorkommen*,  and  dass  der  1261  begonnene  grosse  Aufstand  der 
Preussen  im  Samlande  erst  im  Jahre  1264  vollständig  unterdrückt  wurde.  —  Hier- 
nach liegt  die  Wahrscheinlichkeit  nahe,  dass  die  Bestattung  in  der  Zeit  der  Befrei- 
ungskämpfe stattgefunden  hat.  Dass  keine  Verbrennung,  sondern  eine  Bestattung 
erfolgt  ist,  könnte  allerdings  schon  auf  eine  christliche  Beerdigung  schiiessen  lassen; 
aber  es  fehlt  die  Nähe  der  Kapelle  oder  der  Kirche;  es  ist  kein  gemeinsamer  Be- 
stattungsplatz für  viclo:  einsam  erhebt  sich  der  Hügel,  die  alte  heidnische  Kapurne. 
Oben  liegt  das  Gefäss,  vielleicht  zur  Erinnerung  daran,  dass  hier  eigentlich  die  Asche 
beigesetzt  werden  sollte.  Nicl  t  mit  einer  Erdschicht  allein  sind  die  Skelette  bedeckt, 
sondern  sie  liegen  umschlossen  in  starker  Steinpackung,  so  dass  der  Bestattete  nicht 
wie  zum  Schlaf  und  zur  dereinstigen  Auferstehung  gebettet  war;  sondern  wie  die 
Vorfahren,  ehe  eine  Verbrennung  üblich  wurde.  Vielleicht  war  es  einer  der  letzten 
Vertheidiger  von  Samlands  Freiheit,  der  es  vorzog,  lieber  den  Heldentod  zu  sterben, 
als  sich  dem  fremden  Joch  zu  unterwerfen,  und  den  seine  Angehörigen  bei  Todes- 
strafe nicht  wagen  durften,  zu  verbrennen,  während  die  Ordensbesatzung  von  Königs- 
berg das  Land  durchstreifte.  [Ostpr.  Ztg.  1877.  No.  241  (Beil.)] 

Wenige  Bemerkungen  zur  Vergleichung  und  Beschreibung  der  Fundobjekte  sind 
noch  hinzuzufügen. 

Zu  dem  Wiskiauter  2.  Fund:  Die  Steigbügel  zeigen  einen  7  cm  breiten  Tritt, 
die  Ansatzstelle  des  Bügels  an  den  Tritt,  ein  Fünfeck  bildend,  ist  mit  Bippen,  die* 
den  Seitenrändern  parallel  laufen,  versehen  und  in  der  Mitte  ä  jour  gearbeitet.  Ein 
eben  solcher  versilberter  Steigbügel  ist  bei  Fürsten walde,  Kr.  Königsberg,  gefunden.  — 
Das  eiserne  Bügelstück  gehört  zu  einem  offenen  Halsring,  der  zum  Anhängen  einer 
Brustkette  diente,  vgl.  Bahr:  Gräber  der  Liven,  Taf.  V.  Fig.  13.  —  Die  bronzenen 
Sporen  sind  nicht  die  römischen,  vergl.  Montelins  antiquites  suedoises  No.  26?*, 
sondern  sie  haben  einen  kurzen  dünnen  Stachel  ohne  Hals,  nur  13  mm  lang,  welcher 
in  den  Bügel  eingesetzt,  also  nicht  mit  diesem  aus  demselben  Stück  ist,  ferner  sind 
die  Enden  des  Bügels  umgebogen,  um  eine  Schnur  durchzuziehen.  —  Die  Urne  ist 
eimerförmig,  mit  Stehfläche  versehen,  deren  Durchmesser  14  cm  beträgt,  und 
25,2  cm  hoch. 

Zu  dem  Wiskiauter  3.  Fund:  Die  Gewandnadel  ist  ein  geschlossener  ovaler 
King  mit  den  lichten  Durchmessern  von  4,1  cm  und  3  cm.  Die  Nadel,  deren  oberer 
breiter  Theil  zu  einer  Oese  aufgerollt  ist,  hat  man  in  der  Bichtung  des  kurzen  Durch- 
messers angebracht:  sie  hängt  zwisohen  zwei  körperlich  heraustretenden  Thierköpfen, 
die  auf  dem  Hinge  rechtwinklig,  stehen,  jeder  dieser  Thierköpfe  ist  1  cm  hoch  und 
2,5  cm  lang,  die  Oese  der  Nadel  hat  zwischen  den  Thierköpfen  einen  Spielraum 
von  1,8  cm.  Die  Dicke  des  an  dieser  Stelle  im  Durchschnitt  kreisförmigen  Ringes 
ist  die  schwächste  an  dem  ganzen  Rahmen,  sie  beträgt  nur  6  jnm.    Die  Spitze   der 


658  Kritiken  und  Referate. 

Nadel  fallt  an  der  gegenüberliegenden  breitesten  Stelle  des  Rahmens  in  eine  Nnbt 
ein.  Der  Ringrabmen  ist  hier  13  mm  breit  und  mit  einem  Wulst,  der  8  Rippen 
trägt,  versehen.  Dieselben  Wulste,  aber  kleiner,  finden  sich  in  der  Mitte  zwischen 
dem  beschriebenen  grossen  Wulst  und  je  einem  Thierkopf.  Der  Ringrahmen  selber 
zwischen  den  Wülsten  ist  nicht  ganz  glatt,  sondern  mit  Borten  -  Mustern ,  darunter 
mit  drei  Reihen  liegender  Krouze,  verziert  Die  eben  beschriebene  Nadel  ist  das 
erste  in  Altpreussen  gefundene  Exemplar  dieser  Art.  Das  dabei  gefundene  eiserne 
Messer  hat  eine  7,9  cm  lange  Klinge  und  eine  5,5  cm  lange  Angel.  Die  Schneide 
und  die  eine  Seite  der  Angel  liegen  in  gerader  Linie,  die  andere  Seite  der  Angel 
tritt  um  4  mm  aus  der  Richtung  des  Rückens  der  Schneide  zurück. 

Zu  dem  Wiskiauter  4.  Fund:  Das  hier  gefundene  einschneidige  Schwert  vgl. 
in  Bezug  auf  Knauf,  Parierstange  und  Griff  mit  Moutelius  antiquites  suedoises  No.  505. 
Der  Damast  im  Muster  eines  Tannenbaumes  tritt  an  der  Spitze  und  in  der  Mitte 
der  Klinge  deutlich  hervor.  Der  Knauf  zeigt  einen  feinen  Belag  mit  Silberfäden. 
Die  Lange  der  Klinge  betragt  77,5  cm,  die  Breite  der  Klinge  von  der  Parierstange 
aus  bis  18  cm  von  der  Spitze  entfernt  ist  40  mm,  die  Dicke  des  Rückens  8  mm. 

Zu  dem  Wiskiauter  5.  Fund:  Das  sehr  zerstörte  Schwert  muss  mindestens 
70  cm  lang  gewesen  sein,  auf  den  Ueberresten  der  Klinge  ist  noch  eine  Blutrinne 
sichtbar;  vgl.  Montelius  antiquites  suedoises  No.  507.  Die  Kappe  des  Knaufes  fehlt 
Die  feinen  Reifen  an  der  Parierstange  lassen  vermnthen,  dass  eine  Bronceeinlage  vor* 
handen  gewesen  ist.    Die  beigegebenen  stabförmigen  Schleifsteine  sind  aus  Tbonschiefer. 

Zum  Wiskiauter  6.  Fund:  Das  hier  gefundene  Schwert  misst  von  der  Spitze 
des  Knaufes  bis  an  den  Ansatz  der  mit  einer  Blutrinne  versehenen  Klinge  an  der 
Angel  14  cm,  genau  dasselbe  Mass  zeigt  sich  bei  einem  eben  so  gestaltetem  Schwert 
das  Montelius  antiquites  suedoises  No.  506  abbildet  —  Die  von  Professor  Heydeck 
als  Stück  eines  Wagebalkens  bezeichnete  Bronce  hat  die  Gestalt  einer  Stangenperle 
und  ist  mit  Würfelaugen  verziert.  Das  bei  Montelius  abgebildete  Schwert  hat  einen 
versilberten  Knauf  gehabt,  vielleicht  ist  Versilberung  hier  auch  vorhanden  gewesen, 
aber  bei  dem  durch  das  Feuer  sehr  zerstörten  Knauf  nicht  mehr  erkennbar. 

Zum  Wiskiauter  7.  Fund:  Die  Urne  ist  eimerförmig,  ihre  Höhe  16  cm,  der 
Durchmesser  des  Bodens  betragt  9  cm,  der  der  Halsöffhung  14  cm.  Die  einzige 
Verzierung  der  Urne  besteht  in  einem  an  der  äusseren  Seite  bandartig  verstärkten 
Rande,  welcher  schräge  Einkerbungen  erhalten  hat. 

Zu  der  zwischen  Wiekiau  und  Wargenau,  Kreis  Fischhausen,  im  Kunterstrauch 
liegenden  Kapurne  setzen  wir  folgende  Notizen  über  die  Beigaben  des  nicht  erhal- 
tenen 1.  Skeletts:  Das  eiserne  Messer  mit  gekehltem,  gradlinigem  Rücken  misst  an 
der  Klinge  80  mm,  an  der  Angel  16  mm.  Zur  Beschreibung  der  Sporen  ist  zuzu- 
fügen: Der  Stachel  hat  einen  Hals  1,3  cm  lang  und  einen  Dorn  3,2  cm  lang,  welcher 
letzterer  eine  vierseitige  Pyramide  bildet.  Die  Bügel  der  Sporen  sind  geschweift 
und  erweisen  dadurch,  dass  sie  einem  Deutschen  angehört  haben;  denn  der  heidnische 


Alterthumsgesellschaft  Prussia«  659 

Sporn  scheint  immer  einen  gradlinigen  Bügel  gehabt  zu  haben.  —  Die  eiserne 
Lanzenspitze,  deren  Schaft  mit  Tülle  1*2  cm  und  deren  lanzettförmige  Klinge  18  cm 
lang  ist,  hat  ein  ähnliches  Aussehen  wie  die  bei  Lindenschmit  A.  u.  h,  V.  Bd.  I. 
Heft  6  Fig.  26  abgebildete. 

Zu  den  Beigaben  des  wohlerhaltenen  und  zusammengesetzten  2.  Skeletts:  Für 
die  Lanzenspitze,  vgl.  Nordiske  Oldsager  No.  498,  Form  und  Verhältnisse  der  soge- 
nannten Alt -Preu 88i sehen  stimmen  genau  mit  dem  Dänischen,  nur  fehlt  der  aufge- 
setzte Reif  zwischen  Klinge  und  Schaft.  Die  Lanze  misst  im  Ganzen  35  cm,  sie 
hat  20  cm  von  der  Spitze  entfernt  ihre  grösste  Blattbreite,  welche  5,5  cm  beträgt. 
Während  die  Klinge  von  der  genannten  Stelle  aus  nach  der  Spitze  zu  geradlinig 
verläuft,  ist  der  Band  nach  der  Tülle  zu  bis  14  cm  von  dem  Ende  derselben  ent- 
fernt sanft  geschweift,  so  dass  sich  der  Breitendurchmesser  der  Lanze  bis  auf  3  cm 
verkleinert,  welcher  dann  bis  zum  Ende  der  Tülle  derselbe  bleibt  —  Die  krefe- 
förmigen  Zierstücke  des  Gürtels  (6,5  cm  im  Durchmesser)  haben  einen  kleinen  halb- 
kugelförmigen Buckel  in  der  Mitte,  von  welchem  wie  bei  einem  Bade  10  Speichen 
an  den  Band  der  Peripherie  führen,  die  lichten  Ausschnitte  sind  an  dem  Peripherie- 
rande kreis-,  nach  dem  Mittelpunkte  zu  radienförmig.  Das  rechteckige  Stück  Gürtel- 
beschlag  hat  die  Seiten  von  9,5  cm  und  5  cm.  —  Der  Broncereif  zum  Schmuck  des 
linken  Handgelenks  hat  nur  eine  Verzierung,  nämlich  an  seinen  Endstücken  ein  kleines 
Köpfchen,  von  denen  eines  erhalten  ist. 

Das  über  den  Skeletten  in  Steinpackung  gefundene  Gefass,  das  auf  einer  Dreh- 
scheibe gearbeitet  ist,  hat  eine  Stehfläche.  Die  Höhe  des  Gefässes  beträgt  24  cm, 
die  äusserste  Hak  Öffnung  stimmt  mit  der  grössten  Ausbauchung  in  ihren  Durch- 
messern (19  cm),  unter  der  Oeifnung  tritt  aber  eine  unbedeutende  Einschnürung  des 
Halses  ein,  deren  Durchmesser  sich  gegen  die  vorhergenannten  nur  um  3  cm  ver- 
ringern dürfte.  Die  Verzierung  ist  an  der  oberen  Hälfte  des  Gefässes  angebracht 
worden  und  zwar  durch  ein  drei  zahniges  Instrument,  das  einmal  horizontal  bei  der 
Arbeit  des  Gefässes  auf  der  Drehscheibe  eingesetzt  wurde  und  das  andere  Mal  in 
solcher  Weise,  dass  eine  dem  Tremulirstich  ähnliche  Borte  hergestellt  wurde.  Vier 
Mal  wechseln  die  horizontalen  Linien  mit  den  Mustern  des  Tremulierstichs,  unter 
der  dritten  Borte  des  letzteren  ist  an  jeder  heruntergehenden  Spitze  ein  schräger 
kurzer  Strich  angebracht.  Der  Band  des  Gefässes  an  der  horizontalen  Fläche  ist 
eingekerbt. 

Professor  Heydeck1  s  nicht  allein  glückliche,  sondern  genau  und  mühsam  ge- 
führte Untersuchungen,  wie  seine  nachfolgenden  Arbeiten,  den  Fund  für  die  Daner 
zu  erhalten,  haben  der  Prussia-Sammlung  den  ersten  grossen  geschlossenen  Fund 
aus  dem  dreizehnten  Jahrhundert  zugeführt,  der  in  unserer  Provinz  noch  keine 
Parallele  hat. 

Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind:  Partikulier  von  Anerswald,  Forst- 
meister von  Binzer,  Bauinspektor  Le  Blanc  in  Gerdauen,  Stud.  juris  Le  Blanc 


N. 


66Q  Kritiken  und  Referate. 

in  Tübingen,  Landrath  Brunn  er  in  Bischofsburg,  Bürgermeister  Eckert  in  Ger- 
danen, Apotheker  Hermany  ebenda;  Pfarrer  Hinz  in  Pobethen,  Rittergutsbesitzer 
von  Jungschultz  auf  Langgarben,  Maurermeister  Ka  d  e,  Graf  von  Klingkowström  I 

auf  Korklack,  Rittergutsbesitzer  Lorek  auf  Popelken,  Rentier  Löffler  in  Gerdauen,  1 

Geriebtsrath  Mau  ebendaselbst,  Kreis»  Physikus  Dr.  Passauer  ebendaselbst,  Ritter- 
gutsbesitzer von  Pressentin  gen.  von  Rauther  auf  Kanoten,  Rittmeister  von  ) 
Schleussner  auf  Teistimmen,  Professor  Schmidt,  Oberpräsidial-  und  Regierungs- 
Rath   Singelmann,  Generalpächter  der  Arklit'schen   Güter  Sucker,  Partikulier 
Wallner  und  Dr.Zacharias.    [Ostpr.Ztg.  1877.  No. 244.  248 (Beil.)  249 (Beil.)] 

Sitznng  den  19.  Oktober.  Der  Vorsitzende  Dr.  Bujack  machte  folgende  Mit- 
theilungen: Die  zur  Generalversammlung  der  deutschen  anthropolog.  Gesellschaft 
nach  Constanz  gesandten  Fundobjekte  und  Zeichnungen  aus  dem  Pfahlbau  bei  Werder 
am  Arys-Sec  haben  nach  Benachrichtigung  des  Professor  Virchow  grosses  Interesse 
erregt.  —  Rittergutsbesitzer  Bl eil  auf  Töngen,  der  in  den  Michaelsferien  die  Samm- 
lungen der  Gesellschaft  besuchte,  gab  für  ein  Paar  seltene  Schwertor  des  14.  und 
15.  Jahrh.  ein  Paar  wichtige  Bestimmungen  und  erklärte  sich  bereit,  einige  Waffen 
christlicher  Zeit,  wie  ein  Paar  Geräthe  ans  dem  j fingeren  Eisenalter  durch  richtige 
Behandlung  vor  einer  Verrostung  schützen  zu  wollen.  —  Dr.  Anger  aus  Elbing, 
der  gleichfalls  um  Michael  die  Sammlung  besuchen  kam,  zeigte  die  Hälfte  eines 
Thon-Siebes,  10,5  cm  hoch,  das  an  seinem  Boden  ein  grösseres  Loch  (1,8  cm  im 
Durchmesser)  hat,  vor.  Weil  in  den  Sammlungen  der  Prussia  nur  kleine  thönerne 
Siebfragmente  vorhanden  waren,  wie  aus  einem  Urnenfriedhof  auf  dem  Arklitter  See, 
Kreis  Gerdauen,  war  dies  von  Dr.  Anger  bei  Dambitzen,  Kreis  Elbing,  gefundene 
Stück  von  grosser  Wichtigkeit.  Die  von  Dr.  Anger  bei  Elbing  gefundenen  Kämme 
aus  Knochen,  von  denen  Zeichnungen  vorgelegt  wurden,  haben  zu  einem  Theil  grosse 
Aehnlichkeit  mit  den  bei  Nydam  in  Schleswig  gemachten  Moorfunden  (vergl.  Engel- 
hard t:  Nydam-Mosefund,  Taf.  V.,  Fig.  9).  —  Der  Ministerialdirektor  Greiff  hat  den 
15.  Oktober  die  Sammlungen  der  Gesellschaft  besichtigt  und  durch  seinen  hohen 
Besuch  einen  Ausdruck  dein  Interesse  gegeben,  welches  er  schon  lange  für  die  Be- 
strebungen der  Gesellschaft  hegte. 

Zum  Vorzeigen  waren  freundlichst  geliehen:   Ein  schwerer,  geschlossener  golde- 
V  ner  Fingerring  in  Bandform,  gefunden  bei  Bischwerder,  Kreis  Löbau,  auf  dem  Heiden- 

berge beim  Kartoffelgraben ;  er  ist  in  einfacher  Bandform  gearbeitet,  und  zwar  ge- 
schmiedet, das  Band  ist  8  mm  hoch  und  1,5  mm  dick,  der  lichte  Durchmesser  be- 
trägt 21  mm.  Die  einzige  Verzierung  der  äusseren  Seite  des  Bandes  besteht  in 
18  Kanten,  die  von  dem  oberen  Bandrande  nach  dem  unteren  und  wieder  entgegen- 
gesetzt laufen,  so  dass  18  Dreiecke  entstehn,  deren  Oberfläche  jedoch  nieht  in  der 
Kreiskurve,  sondern  in  der  Ebene  der  begrenzenden  Kanten  liegen.  Dieses  interessante 
Stück  gehört  wahrscheinlich  dem  jüngeren  Eisenalter  an. 

Ferner  wurden  als  Geschenke  vorgelegt:  von  Lieutenant  Behr  auf  Wiskianten 


Alterthamsgesellschaft  Prussta,  ßßj 

8  daselbst  beim  Kiesfahren  gefundene  Gegenstände  aus  Eisen,  ein  zwei  Mal  gebroche- 
nes Gebiss  ohne  Querstangen,  ein  Steigbügel,  ähnlich  dein  bei  Bahr  Gräber  der  Liven 
Taf.  XVI.  Fig.  G  abgebildeten  und  eine  Streitaxt  mit  dem  Schaftloch  in  der  Mitte 
zwischen  dem  niedrigen  Bahnende  und  der  hohen  Schneide.  —  Von  Gutsbesitzer 
Fink  zu  Godnicken:  ein  bronzener  Bing  zum  Federn  daselbst  gefunden;  die  Mitte 
zwischen  den  sich  verjüngenden  Endstücken  ist  mit  schrägliegenden  Kerben  verziert.  — 
Von  Stud.  Schreiber  ein  durchloch  teß  Beil  aus  Diorit,  gefunden  am  Wisskiter-See 
auf  derFoldmarke  von  Bornischken  in  Polen,  an  welchem  besonders  interessant  ist, 
dass  der  Bohrcylinder,  nachdem  er  schon  3  mm  tief  in  den  Stein  gearbeitet  hatte, 
eine  veränderte  Richtung  erhielt  und  4  mm  weiter  nach  der  Schneide  gerückt  wurde, 
wo  dann  auch  die  Bohrung  vollendet  ist  —  Von  Eberhard  v.  Statterheim  folgende 
Fundstticke  aus  3  verschiedenen  Stellen  in  Gr.  Waldeck,  Er.  Pr.  Eylau:  aus  der 
ersten,  aus  welcher  schon  früher  bronzene  Stangen  eines  Pferdegebisses  der  Samm- 
lung übergeben  sind,  Urnenscherben  mit  Lintenvertiefungen,  Kohlenreste  und  ein 
bronzener  Armiing,  in  Form  eines  kantigen  Gewindes  und  eine  seltene  bronzene 
Gewandnadel.  An  den  Rückseiten  zweier  völlig  gleichen  durch  einen  kurvenartig 
sich  biegenden  Bügel  verbundenen  Platten  sind  an  der  einen  ein  Ring  für  die  Nadel, 
an  der  andern  die  Naht  zum  Einlegen  der  Spitze  der  Nadel  angebracht  An  der 
äusseren  Seite  jeder  Platte  ist  ein  kleiner  Einschnitt  Vgl.  ähnliche  Nadeln  Archiv 
für  Anthropologie  Bd.  X.  Taf.  II.  Fig.  7.  Aus  einer  zweiten  Stelle,  in  welcher  schon 
früher  eine  flaschcnformige  Thonurne  gefunden  wurde,  drei  Stücke:  ein  bronzener 
Armring  der  eben  beschriebenen  Art,  ein  bronzener  Fibula-Bügel  und  ein  Stück  einer 
geradlinigen  Bronze-Nadel  mit  Kopf  und  einem  herauf  und  herunter  zu  ziehendem 
kleinem  Ringe.  Aus  einer  dritten  Stelle  ein  Fragment  eines  durchlochten  Beils  aus 
Felsit-Porphyr,  welches  neben  einer  eiserner  Lanzenspitze  mit  Tülle  lag. 

Angekauft  wurden  als  Funde  auf  dem  Felde  nahe  dem  Wäldchen  Kaup  sieben 
ringförmige  Perlen  aus  Bol,  eine  ringförmige  Thonperle,  eine  scheibenförmige  Bern- 
steinperle, eine  wirteiförmige  Bernsteinperle;  eine  bronzene  Schnalle  aus  dem  nörd- 
lichen Samlaud,  der  Rahmen  derselben  fast  rechteckig  mit  abgestumpften  Ecken  ist 
27  mm  lang  und  20  mm  breit,  der  Stift,  in  einer  Oese  hängend,  ist  nahe  derselben 
mit  einem  zu  beiden  Seiten  ausladenden  Querbalken  versehen,  vgl.  Engelhardt 
Thorsjerg  Mosefund  1863.  PI.  11  Fig.  65.  Ferner  folgende  Alterthümer,  die  wahr- 
scheinlich auch  bei  Wiskiauten  Kreis  Fischhausen  gefunden  sind:  22  Bernsteinperlen, 
von  denen  17  roh  5  dagegen  smit  Kunst  bearbeitetet  sind,  4  derselben  sind  Scheiben-, 
1  wirteiförmig;  5  bronzene  Gewandnadeln  in  Armbrustform,  eine  10,3  cm.  lange 
Nadel  aus  Bronze,  welche  im  unteren  Theil  gradlinig,  in  dem  oberen  in  der  Ebene 
der  Nadel  halbkreisförmig  gebogen  und  durch  sechs  heraufgezogene  Glasperlen  ge- 
schmückt ist;  eine  hufeisenförmige  bronzene  Gewandnadel  von  seltener  Grösse;  der 
Längendurchmesser  des  eingeschlossenen  Ovals  beträgt  7,2  cm;  die  Endstücke  mit 
würfelförmigen  Aufsätzen,  deren  Ecken  abgestumpft  sind,  geschmückt,  erbeben  sich 


6ß2  Kritiken  und  Referate. 

über  der  Grundfläcbo  des  Hufeisens  3,3  cm  hoch,  vgl.  Bahr  Gräber  der  Liren 
Tafel  XVII.  Fig.  16a.,  das  Hufeisen  der  Preuss.  Nadel  ist  platt;  den  Köpfen  der 
Endstüke  ist  am  ähnlichsten  Estn.  Verh.  Bd.  VI.,  Heft  3  und  4,  Tafel  7,  Figur  7; 
eine  hufeisenförmige  Gewandnadel  aus  vier  Bronzedrähten  geflochten,  der  Längen- 
durchmesser des  ungeschlossenen  Ovals  beträgt  6,2  cm,  solche  Nadeln  wurden  in 
Altpreussen  noch  im  13.  Jahrhundert  getragen. 

Ein  schwerer  bronzener  Ring  in  der  Grosse  eines  Armrings,  der  Durchmesser 
des  lichten  Raumes  beträgt  5,6  <Jm.  Der  Ring  ist  nicht  geschlossen,  sondern  seine 
Endstücke  sind  1  mm  von  einander  entfernt,  so  dass  er  in  die  Reihe  der  sogen. 
Bogenspanner  gezählt  werden  könnte.  Der  Durchschnitt  des  vollen  Ringes  ist  gleich 
einem  gleichschenkligen  Dreieck,  dessen  Grundlinie  (2  cm)  nach  dem  Arm  gerichtet 
ist  und  dessen  Höhe  1,1  cm  beträgt  Die  der  Grundlinie  gegenüberliegende  Spitze 
des  Dreiecks  ist  aber  abgestumpft.  In  Bezug  auf  das  Profil  ist  am  ähnlichsten 
Bahr  Gräber  der  Liven  Tafel  XIII.  Fig.  11;  ein  ungeschlossener  Ring  von  Bronze 
in  Bandform.  Die  Endstücke  sind  mit  gestricheltem  senkrechtem  Muster,  der  Mittel- 
raum mit  horizontalen  Linien  und  Gnirlanden  von  kleinon  Kreisen  verziert.  Ein 
bronzener  Ortband  vgl.  Bahr  Gräber  der  Liven  Tafel  XV.,  Fig.  4.  Nur  ein  Gegen- 
stand kann  dem  sog.  Bronzealter  zugerechnet  werden,  es  ist  ein  10  cm  langer  Hohl- 
celt  mit  Oehr,  dessen  Tülle  einen  2,8  cm  langen  lichten  Durchmesser  hat. 

Zur  Münz-Sammlung  schenkte  Lehrer  Frischbier  eine  silberne  Denkmünze  auf 
die  Hinrichtung  Ludwigs  XVI.  von  Frankreich,  gearbeitet  von  Hof-Medailleur  Loos, 
zur  Bibliothek  Buchhändler  Nürmberger  eine  grosse  Serie  Bücher  als  Prussica,  zur 
Sammlung  von  Raritäten  Frau  Berdau  einen  Roccoco-Fächer  aus  dem  13.  Jahrhundert 

Hierauf  hielt  Hauptmann  v.  Boenigk  den  folgenden  Vortrag: 

lieber  die  Urnenfelder  des  Germauer  Beckens. 

Die  so  bezeichnete  Mulde  liegt  südlich  des  grossen  Hausenberges,  3  bis  4  Kilo- 
meter vom  samländischen  Westrande  entfernt,  und  diesem  ungefähr  parallel  Der 
Rand  des  Beckens  wird  markirt  durch  Bodenerhebungen,  welche  nur  im  .Süden  nach 
Fischhausen  zu  eine  Oeffhung  frei  lassen;  in  früherer  Zeit  schloss  ausserdem  noch 
ein  breiter  Waldsaum  die  Mulde  nach  allen  Seiten  ab,  welcher  nach  dem  Thale  des 
Thierenberger  Fliesses  hin  ziemlich  erhalten,  sonst  aber  und  meist  in  jüngster  Zeit 
der  Axt  zum  Opfer  gefallen  ist.  Die  projicirte  Fläche  deckt  etwa  den  Raum  von 
3000  Hektaren  =  ya  Quadratmeile  und  trägt  14  Ortschaften  mit  1569  Köpfen  Be- 
völkerung (aus  dem  Schluss  d.  J.  1868).  Von  diesen  Bewohnern  zählt  603  Seelen 
das  grosse  Kirchdorf  Germau,  der  Rest  vertheilt  sich  auf  4  Rittergüter,  kleinere 
Güter  und  Vorwerke.  Hervorzuheben  ist  ein  verhältnissmässig  reicher  Bestand  an 
Wiesen,  welche  der  Umgegend,  namentlich  nach  West  und  Nord,  gänzlich  fehlen 
und  auch  wohl  südlich  gefehlt  haben,  bis  eine  energische  Entwässerung  den  alten 
sumpfigen  Bruch  der  Fischhauser  Niederung  zu  brauchbarem  Wiesenland  verwandelt. 


Altorthumsgesellsehaft  Prussia.  ßßß 

Bei  den  Vorarbeiten  für  die  prähistorische  Karte  der  Provinz  stellte  sich  nun 
heraus,  dass  sämratliche  Ortschaften  der  Germauer  Mulde  durch  prähistorische  Funde 
in  der  Sammlung  der  Prussia  vertreten  sind.  Besonders  auffallend  war  es  indessen, 
dass  der  Vortragende  theils  auf  eigene  Wahrnehmung  hin,  therte  auf  Grund  der 
durch  Einsendung  von  Fundobjekten  unterstfitzten  Berichte  der  Mitglieder  Dr.  Hennig, 
Kaufmann  Plink  und  B.  Kosmack,  vor  Allem  aber  gestützt  auf  die  Funde  und  An- 
gaben des  bald  40  Jahre  auf  Kirpehnen  ansässigen  Ehrenmitgliedes  von  Montowt, 
die  frühere  Existenz  von  nicht  weniger  als  acht  Urnenfriedhöfen  nachweisen  konnte. 
Die  Plätze  derselben  —  die  Friedhöfe  selbst  sind  heute  zum  grosseren  Theile  zer- 
stört —  liegen  auf  den  Feldmarken  der  heutigen  Güter  Kirpehnen,  Sacherau-Corjeiten, 
Gauten,  Godnicken,  Polennen,  Nopkeim,  Linkau  und  des  Vorwerks  El  leinhaus,  so 
dass  ein  Gang  von  10 — 30  Minuten  hinreicht,  um  voo  einem  Platze  zu  dem  nächst- 
liegenden zu  gelangen,  wie  dies  der  Vortragende  auf  einer  Karte  nachweist.  Aus 
der  Anschauung  ergiebt  sich  weiter,  dass  die  (Jrnenfelder  vorzugsweise  die  westliche 
Hälfte  und  das  Gentrum  der  Mulde  einnehmen,  während  auf  der  westlichen  der  Platz 
Ellernhaus  bis  jetzt  allein  als  Urnenfeld  konstatirt  ist  Der  Vortragende  vermuthet 
indessen,  dass  auch  hier  noch  Urnenfelder  vorhanden  oder  vorhanden  gewesen  sind, 
da  einmal  hier  noch  Strecken  Waldes  vorkommen,  andererseits  Funde  derselben  Epoche 
beispielsweise  aus  Krattlau  vorliegen.  Nur  fehlt  zu  diesen  Funden  der  begleitende 
Bericht,  was  auch  im  Süden  bezüglich  des  Platzes  Bohnau  leider  der  Fall  ist.  Endlich 
hat  der  verstorbene  Kantor  Prenss  in  Germau  eine  grosse  Masse  prähistorischer 
Gegenstände  aus  der  Zeit  der  Urnenfelder  zusammengebracht,  dass  wenigstens  die 
Vermuthung  nicht  unberechtigt  ist,  er  habe  aus  weiter  nicht  bekannten  Fundstellen 
geschöpft.    Hoffentlich  werden  fortgesetzte  Ermittelungen  hier  noch  Resultate  ergeben 

Dass  Händler  mit  römischen  Fabrikaten  aus  der  Zeit  der  Urnenfelder  das 
Becken  von  Germau  wirklich  erreicht  haben,  erweist  ein  auf  freiem  Felde  gemachter 
Fund,  über  welchen  das  Unterlassene  Manuskript  des  Vorbesitzers  von  Kirpehnen, 
Landrath  v.  Auer,  berichtet.  Beim  Ziehen  eines  Grabens  kam  ein  Haufen  von  Hefteln 
(wohl  Fibeln),  Schnallen  und  Ringen  zu  Tage,  begleitet  von  25—30  römischen  Münzen, 
von  Imperatoren,  wie  aus  einer  anderen  Stelle  der  Handschrift  hervorgeht  —  sämmt- 
liche Objekte  aus  Bronce.  Man  wird  nicht  irren,  wenn  man  dies  Depot  einem 
Händler  zuschreibt,  welches,  in  der  Stunde  der  Gefahr  gemacht,  von  ihm  später  nicht 
mehr  gehoben  werden  konnte.  Auch  auf  Feldmark  Gauten  ist  eine  Bronzemünze, 
und  zwar  mit  dem  Bilde  des  Trajan,  gefunden  worden  und  in  Besitz  der  Prussia 
übergegangen,  während  der  grosse  Kirpehner  Fund  durch  Franzosen  bei  ihrer  An- 
wesenheit in  den  Jahren  1807—1813  entfährt  wurde.  Die  Art  und  Weise,  wie  die 
Urnen  beigesetzt  wurden,  zeigt  Verschiedenheiten  zwischen  und  auf  den  einzelnen 
Feldern.  In  Kirpehnen  scheint  durchweg  über  den  Urnen  ein  kleiner  Kreis  von  Kopf- 
steinen gewesen  zu  sein,  meist  mit  Weiserstein  in  der  Mitte.  In  Sacherau-Corjeiten 
fehlten  äussere  Kennzeichen  gänzlich,  ebenso  in  Linkau,  wo  indessen  die  Möglichkeit 


664  Kritiken  und  Referate, 

einer  früheren  Entfernung  der  Steine  nicht  ausgeschlossen  ist.  Godnicken  and  Gaaten 
zeigen  selbst  Steinpackungen  neben  und  über  den  Urnen,  während  andere  Urnen 
daselbst  einfach  in  die  Erde  versenkt  worden  sind.  Aehnlich  scheinen  die  Verhält- 
nisse in  Nopkeinr,  Polennen  und  Ellcrnhaus  gewesen  zu  sein,  doch  sind  die  Nach* 
richten  hierüber  noch  nicht  genügend  aufgeklärt.  Dagegen  zeigen  die  gefundenen 
und  im  Besitz  der  Prussia  befindlichen  Gegenstände  durchweg  und  übereinstimmend 
den  Charakter  der  römischen  Fabrikate  aus  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeit- 
rechnung. Dass  die  Urnen  stellenweise  sehr  reiche  Beigaben  enthielten,  weisst  der 
Vortragende  in  zwei  Fällen  des  Kirpehner  Feldes  nach.  In  einer  Urne,  welche  Herr 
von  Auer  vor  dem  Jahre  1807  ausgrub,  fanden  sich:  eine  Silbennünze,  fünf  römische 
Bronzemünzen,  das  Stück  eines  Helmes  (wohl  Schildbuckel),  ein  Paar  Steigbügel, 
ein  Zaum,  Sporn,  mehrere  Speerspitzen,  zwei  Streitäxte,  wovon  eine  aus  Stein,  ein 
rautenförmig  gearbeitetes  kleines  Schild,  ähnlich  dem  frühereu  Ringkragen  der  In- 
fanterieoffiziere, ein  Gewandhalter  aus  Bronze  mit  Silber  eingefasst  und  ein  Trau- 
ring —  nach  den  Waffen  zu  schliessen,  die  Beigaben  für  einen  Mann.  Leider  ist 
auch  dieser  Fond  verloren  gegangen,  nur  von  der  Silbermünze  sagt  Herr  von  Auer, 
dass  er  sie  einem  Konsistorialrath  Riemann  zu  Königsberg  geschenkt  habe.  Dagegen 
fand  der  Vortragende  selbst  noch  in  diesem  Sommer  den  unteren  Theil  einer  Urne 
mit  folgenden  Beigaben:  Zwei  Fibeln  von  Bronze  mit  Eisenbelag,  cioe  Haken- 
fibel und  einen  geschlossenen  Bing,  unsern  Trauringen  ähnlich,  Fragmente  von 
Schmuck  und  Beschlag  zu  Biemeu,  alles  gleichfalls  von  Bronze,  ferner  ein  Messer, 
ein  Pfriem  und  eine  Schnalle  von  Eisen,  endlich  ein  anscheinend  nicht  bearbeitetes 
Stück  Bernstein.  Sämmtliche  Sachen  wohl  die  Beigaben  einer  Frau  —  sind  im  Be- 
sitz der  Prussia;  wie  denn  Herr  v.  Montowt  von  je  an  uurch  sein  Beispiel  dahin 
gewirkt  hat,  dass  die  Funde  der  Gegend  nicht  vereinzelt  verloren  gehen,  sondern 
durch  ihre  Ueberweisung  an  unsere  Sammlung  erhalten  bleiben.  Münzen  sind  ausser 
dem  oben  erwähnten  Falle  auf  dem  Kirpehner  Platz  noch  zweimal  gefanden  worden, 
leider  nicht  mehr  kenntlichen  Gepräges,  auf  den  andern  Urnenfeldern  aber  überhaupt 
nicht,  so  dass  auf  diese  sichersten  Leiter  für  die  Bestimmung  des  Alters  unserer 
Urnenfriedhöfe  verzichtet  werden  muss.  Dagegen  war  der  Vortragende  in  der  Lage, 
aus  den  Publikationen  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  Abbildungen  der 
in  Bosenau  und  Tengen  gemachten  Fundobjekte  vorlegen  und  mit  diesen  die  zur 
Stelle  befindlichen  Beigaben  aus  den  Urnenfeldern  des  Germauer  Beckens  vergleichen 
zu  können.  Es  zeigte  sich,  dass  fast  jedes  Stück  aus  der  Germauer  Gegend  dort  sein 
Parallelstück  fand,  beispielsweise  die  Sprossenfibeln  aus  Bronze  mit  Eisenbelag,  die 
der  Zeit  des  Trajan  zugeschriebenen  Fibeln,  die  Hakenfibeln;  selbst  der  dort  er- 
wähnte eiserne  Celt  lag  aus  Godnicken  in  ähnlicher  Form  vor.  Die  Aehnlichkeit 
bei  zahlreichen  Fibeln  steigerte  sich  sogar  bis  zur  völligen  Conformität,  selbst  der 
kleinsten  Details,  so  dass  unbedenklich  für  diese  Stücke  dieselbe  Fabrik,  selbst  die- 
selbe Gussform  angenommen  werden  konnte.    Auf  diese  Uebereinstimmung  gestützt. 


Alterthiimsgeseüschaft  Prussia.  665 

schliesst  der  Vortragende  auf  das  ungefähr  gleiche  Alter  der  Germauer  Urnenfelder 
mit  denen  von  Rosenau  und  Tengen.    Dort  sind  aber  bestimmbare  Münzen  gefanden 
worden,  specieU  in  Grab  31  von  Tengen  eine  Bronze  der  Lucilla  zusammenliegend 
mit  zwei  Exemplaren  der  charakteristischen  Fibeln  mit  Eisenbelag,  ferner  in  anderen 
Urnen  1  Trajan,  1  Domitian,  1  Faustina,  1  Stadtmünze  von  Marcianoplis.    Die  Münzen 
reichen  vom  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung  bis  zum  Beginne 
des  dritten  —  in  diesen  Zeitraum  ist  also  auch  das  Alter  der  Germauer  Urnenfelder 
zu  verlegen.    Weisen  bei  diesen  einzelne  Anzeichen  auf  ein  ZurÜkreichen  in  noch 
ältere  Zeit  hin,  so  glaubt  der  Vortragende  doch,  eine  desfallsige  Erörterung  vorbe- 
halten zu  müssen,  kommt  aber  nunmehr  zu  dem  allgemeinen  Schlüsse,  dass  zur  Zeit 
der  höchsten  Blüthe  des  Verkehrs  zwischen  dem  romischen  Beiche  und  den  preussischen 
Küsten>  also  etwa  zum  Schlüsse  des  zweiten  Jahrhunderts  zahlreiche  Urnenfelder  im 
Bereiche  des'Germauer  Beckens  thatsächlich  und  gleichzeitig  bestanden  haben.    Hieran 
knüpft  der  Vortragende  die  auf  den  constatirten  acht*  Urnenfeldern  Übereinstimmend 
gemachte  Beobachtung,  dass  in  der  Umgebung  der  Urnen  entweder  gar  keine  Brand- 
erde vorkommt  oder  in  den  selteneren  Fällen  nur  in  ganz  spärlichen  Mengen,  so  dass 
angenommen  werden  muss,  dass  dann  die  eigentliche  Beisetzungsurne  zur  Aufnahme 
der  Reste  nicht  hingereicht  hat,  in  Folge  dessen  eine  zweite  gefüllt  und  ihres  In- 
haltes in  die  Grube  entleert  wurde.    Die  Verbrennung  der  Leichen  selbst  hat  in 
keinem  Falle  auf  dem  Urnen-Friedhofe  selbst  stattgefunden.    Die  Ermittelung  der 
Leichenbrandplätze  wurde  dem  Vorstande  der  Gesellschaft  im  Frühjahre  durch  das 
dankenswerthe  Entgegenkommen  des  Herrn  B. Kosmack- Polinnen  ermöglicht.   Aus 
dem  Grunde  der  Mulde  steigt  zwischen  dem  Germauer  und  Ell  ern  haus  er  Fliesse  der 
Boden  sanft  zur  Längenaxe  der  Mulde  an;  der  letzte  Theil  der  Erhebung  ist  jedoch 
stärker  gebOscht  und  bildet  einen  dachförmigen  Bücken,  welcher,  auf  Gauter  Feld- 
mark beginnend,  gegenüber  Linkau  in  einer  kleinen  Platte   endigt.    Die  nördliche 
Hälfte  dieses  Rückens  bis  zur  Königsberg-Fisch  hauser  Kunststrasse  ist  schnurgerade, 
der  südliche  biegt  sich  nach  Ost;  die  Gesammtlänge  beträgt  über  2 Kilometer.    Der 
First  des  Rückens  ist  nun  in  seiner  ganzen  Länge  mit  kegelförmigen  Erhöhungen 
besetzt,  welche  an  der  Basis  etwa  10  Meter  Durchmesser  haben,  aber  nicht  über 
iy2  Meter  hoch  sind.    Rings  um  die  Basis  traf  der  Pflug  häufig  auf  Steine,  welche 
Herr  Kosmack  entfernen  wollte,  hiervon  aber  dem  Vorstande  der  Prussia  Nachricht 
gab  und  die  Ausgrabungen  in  einer  dem  wissenschaftlichen  Interesse  entsprechenden 
Weise  vornehmen  Hess  in  Gegenwart  des  Vorstandes.    Es  waren  im  Ganzen  sechs 
solcher  Hügel,  welche  ganz  oder  theilweise  aufgedeckt  wurden;  drei  bei  dem  Guts- 
hofe Polennen,  drei"  auf  der  kleinen  Platte  gegenüber  Linkau.    Uebereinstimmend 
zeigten  sich  nach  Entfernung  der  Erde  zwei  concentrische  Steinkreise  oder  Stein* 
mauern  von  Über  y2  Meter  Hohe,  gebildet  aus  grossen  Steinen,  getrennt  durch  einen 
etwa  einen  Meter  breiten  Gang.    Genau  in  der  Richtung  der  untergehenden  Sonne 
blieb  eine  Oeffnung  von  1  Meter  Breite  in  beiden  Ringen  frei  und  an  die  Oeffhung 

AJtpr.  ICoutMohrift  B4.  XIV.  Hft,  7  n.  6.  43 


ggg  Kritiken  und  Referate. * 

des  äusseren  schloss  sich  rechts  und  links  eine  1  Meter  lange  Maner  nach  aussen 
gerichtet  an,  so  einen  Eingang  deutlich  darstellend  mit  der  Mittellinie  nach  West. 
Genau  im  Centrum  fand  sich  eine  Pflasterung  aus  Kopfsteinen,  1  Meter  lang  und 
breit,  nicht  ganz  so  tief  in  die  Erde  reichend  und  in  der  oberen  Fläche  mit  der 
Basis  des  Kegels  abschneidend,  auf  welcher  die  äusseren  Steinringe  aufgesetzt  waren. 
Diese  Steinpflasterung  im  Gentrum  und  ihre  nächste  Umgebung  zeigten  nun  die 
deutlichen  8puren  stattgehabter  Verbrennungen,  Kohlen,  Asche  und  ganz  feine 
Knochensplitter;  dagegen  wurden  [innerhalb  der  Steinkreise  überhaupt  weder  Scherben, 
noch  irgend  welche  Beigaben  aufgefunden.  Ausserhalb  eines  Kegels  in  der  Nähe 
des  Gutshofes  Polennen  wurde  eine  Urne  mit  Fibeln  und  Pincette,  getreu  dem  Charakter 
der  Zeit  der  Urnenfelder,  ausserdem  zahlreiche  Scherben  gefunden,  bei  allen  übrigen 
Kegeln  blieb  die  Durchsuchung  des  umliegenden  Terrains  ganz  ohne  Resultat,  trotz-, 
dem  der  Pflug  hier  schon  Jahre  lang  gearbeitet  hatte.  Es  ergiebt  sich  daraus,  dass 
die  Steinkreise  der  untersuchten  Kegel  keine  Begräbnissstätten,  sondern  Brandaltäre 
einschliessen,  während  die  Beisetzung  der  Reste,  Polennen  ausgenommen,  in  weiterer 
Entfernung  erfolgte.  Für  die  nicht  untersuchten  nimmt.'  der  Vortragende  gleiche  oder 
ganz  ähnliche  Beschaffenheit  an.  Denn  diese  liegen  mit  jenen  in  fortlaufender  Reihe, 
haben  denselben  Durchmesser,  dieselbe  äussere  Form  und  lassen  ebenfalls  noch  die 
Steinumkränzung  wahrnehmen ,  zudem  liegen  betreff  wenigstens  eines  zerstörten 
Kegels  in  der  nördlichen  Hälfte  Mittheilungen  vor,  welche  den  gleichen  innern  Be- 
fund bestätigen. 

Der  ganze  dachförmige  Rücken  ist  bis  vor  etwa  40  Jahren  noch  mit  Wald  be- 
standen gewesen,  und  es  lässt  sich  um  so  weniger  eine  Entblössung  desselben  zur 
Zeit  der  Leichenverbrennung  annehmen,  als  die  Flammen,  um  gleiohmässig  zu  wirken, 
eines  Schutzes  gegen  den  Wind  bedürfen,  welch  letzterer  hier  bei  der  Nähe  der  See 
selten  ganz  fehlt  Auch  die  durch  kurze  Mauern  gebildeten  Eingänge  zu  den  Stein- 
kreisen erhalten  erst  rechten  Sinn  und  Bedeutung,  wenn  man  sich  in  ihrer  Ver- 
längerung einen  durch  Wald  gehauenen  engen  Pfad  denkt,  endlich  lag  auch  wohl 
den  Bewohnern  daran,  den  zur  Leichenverbrennung  notwendigen  sehr  bedeutenden 
Holzbedarf  in  der  Nähe  zu  haben.  Alles  in  Allem  mag  hier  also  ein  heiliger  Hain 
gestanden  haben,  welcher  in  kreisförmigen  Lichtungen  die  Steinkreise  mit  ihren  Brand- 
altären enthielt,  zu  denen  schmale  Zugänge  durch  das  Holz  führten.  Nicht  unwahr- 
scheinlich ist  es  ferner,  dass  diese  Zugänge  aus  einer  grösseren  Strasse  heraustraten, 
deren  durch  das  Terrain  gebotenen,  wahrscheinlich  uralten  Zug  die  heutige  Chaussee 
Fischhausen-Gennau  einnimmt  An  dieser  setzt  die  steile  Böschung  des  Kammes 
ab,  bis  an  sie  würde  sich  etwa  der  Wald  erstreckt  haben,  während  der  Raum  zwischen 
Chaussee  und  dem  Germauer  Fliess  von  Polennen  nördlich  nicht  mit  Holt  be- 
standen war. 

Eine  andere  Frage  ist  die,  weshalb  die  Brandaltäre  und  dis  Steinkreise  in  so 
sorgfaltiger  Weise  und  so  regelmässiger  Form  mit  Erde  bedeckt  wurden.    Ais  dem 


Alterthumsgesellschaft  Prussia.  QQJ 

Umstände,  dass  zwei  Steinkreise  den.  Brandaltar  umgeben,  lässt  sich  ohne  Zwang 
folgern,  dass  der  innere  znr  Begrenzung  der  eigentlichen  heiligen  Statte,  der  Gang 
zwischen  beiden  zum  Aufenthalt  für  die  Angehörigen  während  der  Cereraonie  bestimmt 
waren,  wahrend  der  äussere  Steinkreis  als  Sitz  für  dieselben  diente.  Die  Annahme, 
dass  die  geweihte  Statte,  nm  sie  vor  Entweihung  zu  schützen,  nach  jeder  Verbrennung 
mit  Erde  bedeckt  wurde,  ist  sehr  wohl  möglich,  nur  würde  nicht  zn  begreifen  sein, 
warum  die  Beschüttung  auch  den  äussern  Gang  und  die  äussere  Steinmauer  umfasste, 
wie  es  that&ächlich  der  Fall  ist,  wodurch  aber  eine  bedeutende  Ausdehnung  der  an 
sich  nicht  geringen  Arbeit  herbeigeführt  wurde.  Nehmen  wir  an,  dass  dasselbe  Volk 
in  Folge  einer  Aenderung  seiner  religiösen  Gebräuche  die  Brandaltäre  aufgab,  so  er- 
scheint eine  solche  Aufgabe  nicht  leicht  anders  erklärlich,  als  in  Folge  mächtiger 
äusserer  Einwirkung,  etwa  durch  die  zwingende  Bestimmung  eines  eindringenden 
erobernden  Volkes.  Wollte  der  neue  Einzögling  aber  die  alten  Bewohner  von  dei 
Ausübung  ihres  eigenen  Kultus  an  gewohnter  Stätte  abhalten,  so  empfahl  sich  dafür 
eher  die  leichter  zu  bewirkende  Zerstörung  der  Altäre  und  Kreise  durch  Auseinander- 
werfen der  Steine,  als  deren  mühseligo  und  doch  leichter  wieder  zu  bewirkende  Be- 
schüttung mit  Erde. 

Vielleicht  am  meisten  für  sich  hat  die  dritte  Annahme,  dass  der  Stamm  dieser 
Kultusstätten  vor  einem  langer  Hand  geplanten  völligen  Abzüge  aus  der  Gegend 
die  Brandplätze  in  ihrem  ganzen  Umfange  pietätvoll  mit  Erde  überdeckte  —  am 
höchsten  über  dem  Altar,  abnehmend  an  Stärke  nach  der  Peripherie,  aus  welcher 
Arbeit  die  heute  vorliegende  Form  des  flachen  Kegels  sich  dann  ergab. 

Die  zahlreichen  Brandaltäre  mit  den  gleichfalls  zahlreichen  Urnenfeldern  der 
Germauer  Mulde  in  Verbindung  zu  bringen,  liegt  nun  ausserordentlich  nahe,  da  für 
die  Urnenfelder  die  Brandplätze  sonst  ja  durchweg  fehlen  würden«  Dass  die  Brand- 
altäre einer  späteren  Zeit  nicht  angehören,  dafür  spricht  der  Umstand,  dass  der 
Vortragende  unweit  der  Reihe  auf  dem  zu  Kirpehnon  gehörigen  Galgenberge  einen 
wohl  400  DMeter  umfassenden  Brandplatz  aufgefunden  hat,  dessen  Beigaben  durch- 
weg die  charakteristischen  Merkmale  des  jüngeren  Eisenalters  zeigen.  Wollte  man 
umgekehrt  annehmen,  dass  die  Brandaltäre  zur  Zeit  der  Urnenfelder  schon  ausser 
Benutzung  gewesen  seien,  so  würde  in  Polennen  doch  wenigstens  eine  Urne  nicht 
neben,  sondern  schon  auf  dem  Saume  der  Erdkegel  beigesetzt  worden  sein,  was 
augenscheinlich  nicht  der  Fall  gewesen  ist.  Es  bleibt  somit  nur  Übrig,  die  Brand- 
altäre der  Reihe  als  zu  den  Urnenfeldern  zugehörig  zu  erklären.  Es  ist  femer  nicht 
anzunehmen,  dass  einem  Urnenfelde  mehrere  Brandaltäre,  etwa  zwei,  je  für  Männer 
und  Frauen  einer,  gedient  haben.  Wäre  dem  so,  so  würden  sie  paar-  oder  gruppenweise 
geordnet  liegen,  thatsächlich  krönen  sie  aber,  lediglich  den  Erhebungen  des  Kammes 
folgend,  diesen  in  den  allerunregelmässigsten  Abständen.  Andererseits  ist  auch  nicht 
iu  vermuthen,  dass  ein  Brandaltar  für  mehrere  Urnenfelder  bestimmt  gewesen  ist, 
denn  Raum  und  Steine  sind  genügend  vorhanden,  um  die  Zahl  derselben  bei  Inne- 

43* 


ßgg  Kritiken  und  Referate. 

haltung  der  Reihe  zu  verdoppeln.    Spricht  man  somit  jedem  Brandaltar  je  einen 
Urnenfriedhof  zu,  so  muss  weiter  aus  den  nahen  Abstanden  der  letzteren  von  ein- 
ander gefolgert  werden,  dass  jeder  einzelne  auch  nur  von  je  einer  menschlichen  Wohn- 
statte aus  benutzt  worden  ist  und  weiter,  dass  die  Zahl  der  Brandaltäre  sowohl  für 
die  Zahl  der  einst  vorhandenen  Urnenfelder,  wie  Niederlassungen  dieser  Gemeinde 
bestimmend  ist.    Dafür,  dass  wenn  auch  nicht  alle,  so  doch  die  meisten  Ansiedelun- 
gen jener  Zeit  im  Bereiche  des  Beckens  gelegen  haben,  spricht  die  Fundkarte,  welche 
auf  der  breiten  alten  Waldzone,   welche  das  Becken  umkränzte,  keinen  weiteren 
Urnenfriedhof,  selbst  nicht  die  Spuren  eines  solchen  ergiebt.    Das  aber  weist  darauf 
hin,  dass  mindestens  das  Gros  des  Volkes  jener  Urnenfelder  sich   in  dem  Becken 
selbst  zusammengedrängt  hat,  während  die  ans toss ende  Höhe  wenig  oder  gar  nicht 
besiedelt  war.    Der  Grund  für  diese  Erscheinung  ergiebt  sich  von  selbst  aus  der 
Thatsache,  dass  das  Becken  zahlreiche  Wiesen  enthält,  während  diese,  wie  im  Ein- 
gange erwähnt,  in  der  Umgebung  so  sehr  fehlen,  dass  noch  heute  Bauern  der  Strand- 
dörfer bis   auf  15  Kilometer  Entfernung  Wiesen  des  Kirpehner  Areals   zu   hoben 
Preisen  pachten.    Ein  Naturvolk  unseres  Klimas  musste  aber  im  Wesentlichen  auf 
die  erwärmende  Fleischnahrung  angewiesen  sein  und  fand  wiederum  die  Möglichkeit, 
Heerden  während  eines  langen  Winters  zu  ernähren,  nur  im  Besitze  von  Wiesen. 
Die  gegen  die  Zahl  der  Brandaltäre  fehlenden  Urnenfelder  werden,  wie  schon  erwähnt, 
grösstenteils  an  den  Wiesen  der  Osthälfte  zu  suchen  sein.    Aber  auch  selbst  bei 
den   wirklich  konstatirten   Urnenfeldern  genügt  die   Erwägung   ihrer  so  geringen 
räumlichen  Entfernung,    um  folgern   zu   können,   dass   die   zugehörigen  Wohnsitze 
unmöglich   von  irgend  einer  irgend  wie   zahlreichen  Bevölkerung  besetzt  gewesen 
sind.    Die  vorhandenen  Wiesen  sind  zwar  ausgedehnt,  zum  grossen  Theile  aber  erst 
durch  Entwässerung  aus  Bruch  dazu  gemacht  worden.    Die  auch  in  alten  Zeiten 
guten  und  brauchbaren  Wiesen  genügten  aber  nicht,  um  diejenige  Menge  von  Futter 
hervorzubringen,  welche  für  die  Winterernährung  eines  bedeutenderen  Viehstandes 
noth  wendig  war,  selbst  wenn  man  neben  der  Heugewinnung  einen  doch  immer  nur 
geringfügigen  Anbau  von  Hafer  annimmt.    Es  wird  deshalb  kaum  irrig  sein,  die  an 
Bich  so  zahlreichen  Niederlassungen  jener  Zeit  lediglich  als  Einzelhöfe  aufzufassen, 
bewohnt  von  einer  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Familie,  aber 'immer  nur  einer 
Familie,  etwa  in  der  Weise,  wie  Tacitus  die  Wohnsitze  der  Germanen  beschreibt. 
Wie  dem  aber  auch  sei,  jedenfalls  prägt  sich  in  den  abgesonderten  Höfen,  deren 
jeder  einen  Urnenfriedhof  für  sich  in  Anspruch  nahm,  ein  lebhafter  Sinn  für  Unab- 
hängigkeit aus,  welcher  so  weit  ging,  dass  auch  an  der  gemeinsamen  Stätte  des 
Kultus,  in  dem  gemeinsamen  heiligen  Walde  jede  Familie  sich  noch  einen  geson- 
derten Brandaltar  errichtete.   Für  denselben  Geist  sprechen  die  Verschiedenheiten  in 
Form  und  Verzierung  der  Urnen,  die  verschiedene  Art  der  Beisetzung,  während  die 
Beigaben  doch  evident  auf  dieselbe  Zeit  hinweisen.   Deutet  desshalb  der  gemeinsame 
heilige  Wald  darauf  hin,  dass  nur  ein  Priester  für  alle  Angehörigen  des  Stammes 


AlterthumsgeselUchaft  Prussia.  669 

die  religiösen  Ceremonien  leitete,  so  dürfte  doch  schwer  anzunehmen  sei*,  dass  dieser 
oder  ein  rein  weltlicher  Häuptling  wirkliche  Herrschaft  über  die  Gemeinde  ausübte. 
Da  nun  innerhalb  des  Germauer  Beckens  zwei.  Burgwälle,  einer  bei  Godnicken, 
der  andere  bei  Germauer  Mühle  belegen  sind,  so  wird  es  zunächst  nicht  anzunehmen 
Bein,  dass  dieselben  der  Periode  der  Urnenfelder  angehören.    Die  Halbinselform  der- 
selben, mit  aufgesetztem  Waldkranz,  welcher  auf  der  Landbrücke  am  höchsten  ge- 
schüttet ist,  ferner  das  Fehlen  von  Giäben,  Vorwällen,  Vorburgen  und  gedeckten 
Aufgängen  lassen  sie  derjenigen   Zeit  zugehörig  erscheinen,  in   welcher  der  Däne 
Wulfstan  um  das  Jahr  800  »mannig  Bargen*  fand  und  in  jeder  Burg  einen  »Kunig*. 
Der  Besitz   einer  solchen  Wohnbuig  musste  aber   einer  Familie,   bezüglich  deren 
Haupte  derselben,  eine  gewisse  Präponderanz  vor  andern  Stammesgliedern  verleihen, 
welche,  wie  angegeben,  nicht  im  Charakter  des  Volkes  der  Urnenfriedhöfe  lag.    Ein 
direkterer  Beweis  für  die  Nichtexistenz  der  Burgwälle  zu  jener  Zeit  ist  aus   der 
örtlichen  Lage  des  Burgwalles  Godnicken  zu  dem  Urnenfelde  dieser  Ortschaft  her- 
zuleiten.   Beide  sind  räumlich  nur  durch  eine  Entfernung  von  etwa  500  Meter  ge- 
trennt, es  fliesst  aber  zwischen  ihnen  der  Germauer  Bach,  welcher  hier  schon  nicht 
mehr  leicht  überhaupt,  bei  den  Wasseranschwellungen  des  Frühjahrs  aber  nur  auf 
der  heutigen  Chausseebrücke  zu  passiren  ist.    Hätte  die  Godnicker  Wohnburg  schon 
zu  Zeiten  der  Urnenfelder  existirt,  so  würden  die  Bewohner  ihren  Friedhof  auf  der 
Seite  der  Burg  angelegt  haben  und  von  diesem  würden  immerhin  einige  Scheiben 
noch  heute  Kenntniss  geben.    Das  ist  aber  nicht  der  Fall;  es  dürfen  die  Burgwälle 
also  auch  hier  einer  späteren  Zeit  und  wohl  auch  einem  andern  Volke  zugeschrieben 
werden,  welches  vielleicht  eine  sesshafte  Bevölkerung  unterjochte,  vielleicht  mit  den 
zurückgebliebenen  Besten  einer  solchen  sich  verschmolz,  vielleicht  aber  auch  ein  völlig 
verlassenes  Land  neu  besiedelte. 

Schliesslich  bemerkt  der  Vortragende,  dass  abgesehen  von  dem  schon  erwähnten 
Brandplatze  des  Kirpehner  Galgonberges  auch  die  umkränzenden  Höhen  des  Ger- 
mauer Beckens  zahlreiche  Hügel  aufweisen,  welche,  so  weit  sie  geöffnet  sind,  einer 
früheren  und  auch  der  späteren  Zeit  angehören,  als  die  Epoche  der  Urnenfelder. 
Weitere  Untersuchungen  stehen  mit  Hilfe  des  Herrn  v.  Montowt  in  Aussicht,  sowohl 
in  Bezug  auf  die  Urnenfelder  selbst,  als  auf  deren  Verbindung  mit  den  vor-  und 
zurückliegenden  Zeiträumen,  für  welch  letztere  bereits  ziemlich  umfangreiches  Mate- 
rial vorliegt.  [Ostpr.  Ztg.  1877.  No.  265  (Beil.)  u.  266  (Beil.)] 

Zum  Schluss  sprach  Dr.  Bujack  über  die  Kirche  zu  Gr.  Wolfsdorf,  Kreis 
Raötenburg,  und  das  ehemalige  Schloss  im  Werder  zu  Gr.  Wolfsdorf.  Die  Kirche 
hat  noch  eine  Befestigung  durch  eine  Ziegelmauer,  obwohl  sie  erst  im  Beginn  des 
Jahres  1590  zu  bauen  begonnen  wurde,  ebenso  der  Wirthschaftshof  des  Werders  von 
Gr.  Wolfsdorf,  welcher  jetzt  Dönhofstedt  heisst  Letztere  besteht  allerdings  nur  aus 
Erdwällen  mit  Courtinen,  Facen  und  Flanken  hinter  einem  Graben  Das  in  Form 
eines  Kreuzes  erbaute  alte  Schloss,  das  hinter  einem  zweiten  Graben  und  Zugbrücke 


670  Kritiken  nnd  Referate. 

geschützt  war,  ist  nur  noch  in  einem  Tbeile  seiner  Fundamente  erhalten  and  steht 
auf  ihnen  jetzt  das  Haus  des  Administrators.  Ueber  den  Erbauer  der  Kirche  und 
des  Schlosses  geben  die  vom  Pfarrer  Zwicker  1718  verfassten  Wolfsdorfer  Annalen, 
welche  dem  Archiv  von  Düuhofstedt  gehüren,  ausführliche  Auskunft  Es  ist  Ludwig 
von  Kantor.  Derselbe  1542  geboren,  zuerst  von  seiner  froh  verwittveten  Muttor  er- 
zogen, empfangt  seine  Jugendbildung  als  Pago  am  Hof  des  Herzogs  Albrecht.  Nach- 
dem er  schon  früh  wichtige  Botschaften  an  den  Kaoig  von  Polen  zn  bringen  hatte, 
schlieft  er  sich  im  Jahre  1567  mit  Erlaubniss  seines  fürstlichen  Herrn  einer  polni- 
schen Gesandtschaft  nach  Konstantin opel  an.  Der  preussische  Edelmann  fahrt  ein 
Tagebuch,  aus  dem  der  Verfasser  der  Wolfsdorfer  Annalen  noch  1718  die  Reise- 
route  und  die  Erlebnisse  des  Reisenden  genau  aufnimmt.  Da  ihm  in  Konstantin  opel 
Kunde  von  dem  Tode  des  Herzogs  Albrecht  zukommt,  darf  er  nicht  zurückkehren, 
sondern  sucht  das  gelobte  Land,  Arabien  nnd  den  Berg  Sinai  auf.  Auf  der  Rück- 
reise strandet  sein  Schiff  bei  Cypern,  aber  er  rettet  sich  mit  wenigen  Passagieren.' 
Ueber  Kreta,  Sicilien,  Malta  geht  sein  Weg  nach  Venedig.  Von  da  durchreist  er 
noch  einmal  Italien  zu  Lande.  Nach  Deutschland  kommend,  schliesst  er  sich  einer 
kaiserlichen  Gesandtschaft  nach  Frankreich  an  und  lernt  dies  Land  kennen,  von  da 
reist  er  weiter  nach'  England.  Durch  Holland  kommt  er  zum  zweiten  Hai  nach 
Deutschland  und  kehrt  nun  nach  fünfjähriger  Heise  erst  nach  Preussen  zurück  (1572), 
wo  er  Oberkammer-Junker  bei  Herzog  Albrecht  Friedrich  wird  nnd  alsbald  mit  der 
Einholung  der  Braut  seines  Fürsten  aus  Cleve  betraut  wird.  Auch  er  vermählt  sich 
bald  und  zwar  mit  einem  Hoffränlein  der  Herzogin.  Das  Amt  der  Oberkammer- 
Junkerschaft  bekleidet  er  fünf  Jahre,  dann  ist  er  5  Jahre  Hauptmann  zn  Neuhausen 
nnd  wird  nach  4  Jahren  Ober- Hauptmann  und  Landesdirektor  auf  Brandenburg,  in 
welchem  Amt  er  23  Jahre  verbleibt  Die  Verwaltung  seiner  Erbgüter,  darunter 
Wolfsdorf,  hat  er  nach  seiner  Rückkehr  von  der  grossen  fünfjährigen  Reise  ange- 
treten nnd  denkt,  indem  er  sich  bei  seinem  Aufenthalt  in  Wolfsdorf  mit  der  Woh- 
nung in  einem  anspruchslosen  Hause  begnügt,  zuerst  an  den  Bau  der  Kirche  nnd 
zwar  aus  eigenen  Mitteln,  erst  nachdem  dieser  vollendet  ist,  geht  er  zum  Schluss 
des  Jahrhunderts  an  den  Aufbau  des  Schlosses.  Was  der  preussische  Edelmann  auf 
seinen  weiten  Reisen  gesehen,  das  wendet  er  bei  der  Ausstattung  beider  Bauten 
auch  in  Bezng  auf  die  Befestigung  an,  leider  aber  hat  der  Verfasser  der  Annalen, 
der  Pfarrer  Zwicker,  nicht  die  architektonische  Bildung,  um  eine  deutliche  Beschrei- 
bung des  Schlosses,  das  er  auch  nur  als  eine  Ruine  kannte,  zn  gehen.  — 

Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind  Studiosus  Jungmann,  Chef-Bedakteur 
Ferd.  Michels,  Professor  Schneider,  Major  von  Seemen.  Zum  Ehren-Mitglied 
wurde  Rittergutsbesitzer  von  Montowt  auf  Kirpehnen  ernannt. 

[Ostpr.  Ztg.  1877.  No.  268  (Beil.)] 


Mittheilnngen  und  Ankang. 


Vorläufige  Mittheilng  Aber  eine  Preuseafahrt  des  Ffirstea 

?m  Henaegau  im  14.  Jahrhaadert 

Von  hochgeschätzter  Hand  geht  uns  folgende  dankenswerthe  Notiz  zu;  wir 
beeilen  uns,  dieselbe  ihres  hohen  Interesses  wegen  ansern  Lesern  wörtlich  mitzu- 
theilen  und  sehen  dem  freundlichst  in  Aussicht  gestellten  ausführlichen  Bericht  er- 
wartungsvoll entgegen. 

Göttingen,  15.  Novbr.  1877. 

»Eine  hansische  Archivreise  durch  die  Niederlande,  die  ich  in  den  letzten 
Monaten  ausgeführt,  hat  mich  gelegentlich  auf  einen  unbekannten  Beitrag  mr  älteren 
Preussischen  Geschichte  aufmerksam  gemacht,  den  ich  Ihnen  and  den  Lesern  der 
,  Altpreussischen  Monatsschrift4  heute  wenigstens  ankündigen  will. 

Wie  das  in  Deutschland  nicht  gekannte  oder  doch  nicht  beachtete  Werk: 
»Notice  sur  le  depöt  des  archives  de  Te'tat  ä  Mona  par  Llop.  Devillers*  p.  34  aus- 
weist, bewahrt  das  alte  gräflich  Hennegauische  Archiv  zu  Mons  (Bergen)  n.  a.  eine 
lange  Pergamentrolle  aus  dem  Jahre  1336  mit  der  Aufschrift: 

»Chest  li  comptes  del  argent  rechut  par  Johannes  de  Leyden  environ  le 
saint  Martin  en  jvier  lan  XXXVI  pour  le  voie  monsigneur  de  Zeelande 
en  Prasse.* 

Die  Totalsumme  beläuft  sieh  auf  1983  Pfand  Groschen.  Die  Rechnung  fuhrt 
die  ganze  kriegerische  Begleitung  des  Grafen  namentlich  auf,  verfolgt  die  Heise  der 
Hennegauer  nach  den  einzelnen  Stationen  und  bietet  so  reichen  Stoff  zur  Ausfüllung 
des  Bildes,  das  man  sich  von  den  Preussen-Fahrten  hoher  Herren  im  14.  Jahrhundert 
vorzustellen  hat 

DerWerth  des  Dokuments  leuchtet  ein.  Ich  bemühte  mich  um  eine  Abschrift, 
erhielt  aber  von  Herrn  Leopold  Deviilers,  Direktor  des  genannten  Staatsarchivs,  die 
Nachricht,  dass  er  selbst  das  Dokument  in  nächster  Zeit  zu  veröffentlichen  gedenke. 
Herr  D.  versprach  mir  ein  Exemplar  des  Abdrucks  zuzusenden.  Erweist  sich  dann 
aus  dem  Text  die  zu  erwartende  Bedeutung  der  Beiserechnung  für  die  Preussische 


672  Mittheil ungeu  und  Anhang. 

Geschichte,  so  halte  ich  mich  für  verpflichtet  den  Lesern  Ihrer  Zeitschrift  neue  Mit- 
theilung <}avon  zu  machen.    Eventuell  wäre  ich  bereit  den  Text,  der  in  einer  unzu- 
gänglichen französischen  Zeitschrift  veröffentlicht  werden  soll,  wieder  abzudrucken 
und  mit  geographisch -historischen  Erläuterungen!  auszustatten.     So  erhielte  unser 
Publikum  die  Kunde  von  einem  Aktenstück,  das  neue  geschichtliche  Thatsachen  über- 
liefert und  durch  seinen  Bericht  über  die  Heise  des  Grafen  von  Hennegau  interessant 
sein  muss.      —    —    —     —    —    —    —     —    —    —     —    —    —     —    —    — 

Dr.  Konst.  Höhlbaum/ 


Die  Partitar  zu  Georg  Simon  Löhleiu's  „Todtenfeier". 

Einen   interessanten  Fund  hat  in   diesen  Tagen  Herr  Organist  Jankewitz 
gemacht.     Durch  einen   Zufall  gelangte   derselbe  in   das   verfallene   Uhrwerk   der 
St.  Marienkirche  und  fand  dort  in  einem  entlegenen  Winkel  die  General-Partitur 
eines  bedeutenden  musikalischen  Werkes,  nämlich  die  Trauer- Cantate  zum  Gedächtniss 
der  Verstorbenen  für  Soli,  Chöre  und  Orchester,  betitelt  „Todtenfeier"  von  Georg 
Simon  Löhlein.    Löhlein  wurde  geboren  im  Jahre  1727  zu  Neustadt  an  der  Haide 
(in  Sachsen-Coburg)   und  war   in   Leipzig  als    ausgezeichneter  Compouist,   fertiger 
Ciavier-  und  Violinspieler  bekannt.    1779  wurde  er  als  Capellmeister  an  St.  Marien 
nach  Danzig  berufen,  wo  er  1782  starb.    Er  hinterliess  diverse  Ciavier-  und  Violin- 
Concerte  und  Sonaten,  eine  Ciavierschule,  die  von  1705  bis  1797  in  fünf  Auflagen 
erschien   und   neuerdings   wieder  von   Czerny   bearbeitet   und   herausgegeben  ist, 
ferner  eine  Violinschule,  welche  drei  Auflagen  erlebte  und  zuletzt  von  Eeichardt 
revidirt  und   herausgegeben  ist.    Unter  den  geistlichen  Compositionen  nimmt  die 
Trauer-Canlate,  benannt  »Todtenfeier*,  neben  mehreren  Motetten  den  hervorragend- 
sten Platz  ein.     Löhlein  hat   dieselbe   laut  vorhandenen  Notizen   bereits   1770  in 
Leipzig  componirt  und  es  gelangte  dies  Werk  1771,  1773  und  1775  in  Leipzig,  1776 
in  Berlin,   1777  in  Dresden  und  1780  in  Danzig  zur  Aufführung;   weitere  Notizen 
fehlen.    Das  Werk  existirt  nur  im  Manuscripte  und  verschwand  mit  dem  Tode  des 
Componisten.    Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  Neid  oder  Ungunst  es  in  den  Winkel 
verbannte,  aus  dem  es  erst  jetzt  wieder  zum  Vorschein  gekommen  ist.    Nach  ein- 
gezogenen Erkundigungen  ist  in  den  Städten,  in  welchen  es  früher  zur  Aufführung 
gelangte,  keine  Copie  vorhanden,  sondern  es  wurde  stets  leihweise  im  Manuscripte 
zur  Auffuhrung  überlassen.   Das  Werk  selbst,  a  la  Graun  durchflochten  mit  Chören, 
Recitativ'8  und  Arien,  steht  ebenbürtig  den  besten  Schöpfungen  der  damaligen  Com- 
ponisten zur  Seite.    Einer  der  hervorragendsten  Verleger  hat  sich  bereit  erklärt,  es 
in  Verlag  zu  nehmen  und  der  Gemeinde-Kirchenrath  an  St.  Marien  hat  bereitwillig 
die  Veröffentlichung  genehmigt,  auch  Aufführungen  des  Werkes  mit  dem  Vorbehalt 
gestattet,   dass   dasselbe  nach  der  Benutzung  der  Bibliothek  der  St.  Marienkirche 
überwiesen  werde.    Die  Todtenfeier- Cantate  wird  nun  bereits  von  Herrn  Jankewitz 


Zu  Job.  Gottl.  Fichte's  erstem  Aufenthalt  in  unserer  Provins.  673 

mit  dem  »St.  Marien  a  capella-Kirchencbore*  e;nstudirt  und  sie  soll  ihrer  ursprüng- 
lichen Bestimmung  gemäss  am  diesjährigen  Todtenfeste  in  einem  Concerte  zur  Auf- 
führung gelangen.  [Danz.  Ztg.  y.  21.  Sept.  1877.  No.  10561.] 


Zu  Job.  Gottl.  Fichte's  erstem  Aufenthalt  in  unserer  Provinz. 

(Aus  einem  von  dem  Prediger  S.  Hartmann  in  Krockow  (gräfl.  Gut  bei  Neustadt 
in  Westpr.)  an  den  Superintendenten  Wisselinck  in  Elbing  gerichteten  Schreiben 

vom  14.  Januar  1817.) 

»Fichtes  »Versuch  einer  Kritik  aller  Offenbarung*  nahm  ich  auch  jetzt  wieder 
in  die  Hand.  Dieses  Exemplar  ist  ein  Geschenk  von  ihm.  Er  war  hier  des  jetzigen 
Herren  Patronus  Grafen  von  Krockow  Lefirer.  Hieher  wurden  ihm  einige  Exemplarien 
vom  Verleger  zugeschickt,  unter  denen  sein  Name  »von  Johann  Gottlieb  Fichte* 
gedruckt  war;  unter  allen  übrigen  Exemplarien,  die  ausgegeben  worden  sind,  war 
sein  Name  ausgelassen.  Die  Recensenten  liielten,  w'e  Ew.  Hochehrwürden  wohl  be- 
kannt sein  wird,  Kanten  für  den  Verfasser.  Diese  Schrift  wurde  nachher  bald,  wo 
ich  mich  recht  erinnere,  in  Wien  verboten;  —  nun  ich  wünschte  ihm  Glück  dazu.  — 
Fichte  hat  auch  hier  ein  paar  Mal  gepredigt;  —  ich  erinnerte  ihn  aber  an  Popula- 
rität. —  Er  gab  mir  Kant's  Critiken  mit  den  Worten:  »machen  Sie  sich  fürs  erste 
damit  bekannt;  ich  werde  Ihnen  alsdann  ausführlich  Collegia  darüber  lesen.*  Allein 
dies  Vorhaben  kam  nicht  zur  Ausführung;  er  wurde  bald  darauf  weggerufen.**) 


Ein  Gedieht  von  Schiller  in  littaiiischer  Uebersetung, 

mitgetheilt  als  literarisches  Vermächtniss  eines  theuern  Verstorbenen 

von  G.  H.  F.  Nesselmann. 

Bei  Gelegenheit  eines  so  eben  vorgenommenen  Wohnungswechsels  ist  mir  ein 
Blatt  von  der  Hand  des  verstorbenen  Superintendenten  K.  A.  Jordan  in  Bagnit 
in  die  Hände  gefallen,  welches  in  Berücksichtigung  der  hohen  und  vielseitigen  Ver- 
dienste, weiche  der  Verstorbene  sich  um  die  Klarlegung  preu6sisch-littauischen 
Sprach-  und  Volksthums  erworben  hat,  einen  Platz  in  diesen  Blättern  unbedingt 
beanspruchen  zu  dürfen  scheint.  Es  ist  eine,  wie  ich  dafürhalte,  höchst  gelungene 
Uebertragung  des  Schiller'schen  Gedichtes  »Das  Mädchen  aus  der  Fremde*  in  das 
Littauische.  Wörtliche  Wiedergabe  des  Originaltextes  ist  bei  Arbeiten  der  Art  be- 
kanntlich weder  möglich,  noch  erwünscht  Jeder  Kenner  aber  wird  zugeben,  dass 
der  Uebersetzer  alle  charakteristischen  Züge  der  schönen  Schiller'schen  Dichtung 
durchweg  treffend,  ja  genial  wiederzugeben  gewusst  hat.  Ich  gebe  hier  Jordan 's 
Handschrift  buchstäblich  ohne  jede  Aenderung  der  Orthographie  wieder. 


*j  Das  hier  Erzählte  fallt  in  das  Jahr  1792.  Ausführlich  handelt  hierüber 
Bud.  Beicke  in  s.  Aufsatz:  »Fichte's  erster  Aufenthalt  in  Königsberg*  im  Deutschen 
Museum  hrsg.  v.  Bob.  Prutz.  1805.  Bd.  I.  S.  ?2l— 736  u.  767—785. 


674 


rfitthei  langen  und  Anhang. 


Dauboj'  tarp  Kerdziu  wagdienüjfi 
Koinanie  roett  rodijoa 
Tarp  Wytnrt  wjt'rojanomJD 
Hergä  Groijbes  djwinos. 

Ji  dauboj"  gimmtui  ne  buwo, 
Nej  wi«na  paiinno  Job  Nammna, 
Ir  Pedai  jos  skubrej  sudznwo, 
Jei  dawus  Pasweüinnimi}a. 

Ii  atgaiwinno  jfla  Artnmmaa 
Duszelias  nnaitiklrfncziaa. 
Bot  jös  Salowe  ir  jo*  Aukaztummaa 
Fadare  jaa  ir  bijancrias. 


Ji  Kwietkaa  an  sawim  tnrajo 
Ir  W&Isqs  czia  li'isinokusiua, 
Bet  kor  Sanle  graiaue  fibbeja 
Dfldama  eawo  Spindolias. 

Ir  koinam  sule  DoWMlAe, 
Tara  d&we  Kwietkaa,  tarn  Waisoa. 
Ir  janns  kaip  se'nas  an  Laidele 
Parejö  linkemi  \  Nammna. 

Wiasns  Sweczius  mielaj  prieme. 
Bet  kad  Jaunikkis  au  Herga 
Atejo,  tat  jiem  Kwietka  lerne 
Gerauaa,  raiela.  Dowana, 


Ueberaicht  der  bei  dem  Landheer  and  der  Marine  ii  des  Ersatx- 

jahrei  1874/75,  1875/76  und  1878/77  ei-gestellte»  Preassisek« 

Mannschaft«  nit  Beiug  auf  ihre  Sclnübildug. 

(pro  1871—74  a.  Altpr.  Mtanehr.  XI,  1874.  8.682.) 


Eingestellte 

Er«  n t  Ein  a  n  n  nc  U  a  fle  1 1 

Segiernngs-Bezirk. 

mit  Schulbildung 

-ohne 

Schul- 
bildung 

Proon*. 

in  der 

deutschen 
Sprache 

in  der 
Mntter- 

aprache 

10.- 
aauimen 

ftber- 

hanpt 

bildong 
pro  cent 

Königsberg  .  .  1X74/75  . 
1875/76  . 
1876/77  . 

8924 
3863 

862 
303 
206 

4286 

41*5 
4058 

372 
358 

283 

4658 
4383 
4341 

7.„ 
5.1« 

6,«. 

G  um  binnen  .  .  1874/76  . 
1876/76  . 
1876/77  . 

2346 
2105 
2857 

361 
407 
311 

2707 
2512 
2568 

266 
268 
260 

2973 
2780 
2818 

94« 

Daiirig 1874/75  . 

1875/76  . 
1876/77  . 

1429 
1619 
1700 

121 

169 
189 

1660 
1788 
1939 

233 
19J 

209 

1783 
1980 

3148 

13«, 

9..M 

».IM 

Marionwerder  .  1874/76  . 
1876/76  . 

1876/77  . 

2037 
1977 
2106 

398 
324 
363 

2486 
2301 

2468 

380 
315 
306 

2865 
2616 
2774 

13,« 

12h,.! 

11»» 

Praune«  .  .  .  1874/76  . 
1875/76  . 

1876/77  . 

»786 
»533 
»»«4 

1242 
1303 
1069 

liest 

10796 
11983 

1251 
1933 
1948 

1227» 
1175» 
13981 

l»«l 

8*. 

Unterricht«- Verwaltung  in  Pnuasen. 
693.  1876  S.  646.  1877  S.  427.] 


Topographische  Karte  von  Preussen,  675 

Topographische  Karte  von  Preassen 

herausgegeben  von  der  Kartogr.  Abtheilung  der  Königl.  Preuss.  Landea-Aufnahme. 

Die  Provinz  Preussen  and  der  nördlich  vom  53.  Grad  gelegene  Theil  der 
Provinz  Posen  entbehrten  bis  zum  Jahre  1859  einer  sogenannten  Generalstabskarte, 
unter  welchem  Namen  die  in  1 :  100,000  publicirten  Blätter  der  topographischen 
Aufnahme  verstanden  werden.  Nachdem  man  in  jenem  Jahre  mit  der  Aufnahme 
begonnen,  sind  seit  1863  von  den  circa  90  Sektionen,  die  auf  das  genannte  Gebiet 
entfallen,  70  erschienen,  —  zuletzt  im  Januar  1877  die  Blätter:  102.. Neuenburg, 
121.  Poln.  Crone  und  143.  Thorn,  so  dass  man  sich  der  Hoffnung  hingeben  darf, 
längstens  bis  Ende  1878  im  Besitz  der  ganzen  Aufnahme  zu  sein.  Schon  jetzt  lässt 
sich  constatiren,  dass  die  Topographie  der  Provinz  Preussen  durch  diese  Generalstabs- 
karte ein  wesentlich  verändertes,  von  bisherigen  Vorstellungen  stellenweise  ganz 
verschiedenes  Aussehen  gewinnt.  Die  gerade  dort  ungemein  schwierige  Terrain- 
Aufnahme  hat  an  vielen  Stellen,  namentlich  auch  hinsichtlich  der  Verbindung  und 
des  Abflusses  der  zahlreich  vorhandenen  Seen,  ganz  neae  Daten  zu  Tage  gefördert, 
und  es  sind  Höhenzahlen  an  Bergen  und  Hügeln  bis  zu  313  Meter  an  Stellen  ge- 
messen worden,  wo  bisher  alle  Landkarten  entweder  nur  flaches  Land  oder  phan- 
tastische Bergstriche  sehen  Hessen.  Nicht  minder  lassen  die  Figuren  der  Gewässer 
und  an  der  sonstigen  Situation  oft  recht  beträchtliche  Abweichungen  erkennen.  Die 
8ämmtlichen  erschienenen  und  uns  vorliegenden  Blätter  überragen,  gleichwie  die- 
jenigen über  den  Begierungsbezirk  Wiesbaden,  hinsichtlich  ihrer  Richtigkeit,  Brauch- 
barkeit und  hohen  Technik  (Kupferstich),  bei  weitem  Alles,  was  vorher  in  Preussen 
nach  dieser  Richtung  geleistet  worden  ist,  und  können  sich  in  ihrer  jetzigen  Gestalt 
—  Seen  und  grössere  Flüsse  nebst  Kreisgrenzen  sind  kolorirt  —  mit  allen  anderen 
Generalstabskarten  in  Europa  messen.  Es  bleibt  noch  zu  bemerken,  dass  die  seit  1876 
dem  Vertrieb  übergebenen  Blätter  die  absolute  Höhe  der  Objekte  über  dem  Meeres- 
spiegel in  Metern,  statt  wie  vorher  in  Preuss.  Duodez -Fuss  geben,  und  dass  unter  den 
vorhandenen  Massstäben  nunmehr  auch  der  Kilometer  seine  Vertretung  gefunden  hat 
[Mittheilungen  aus  Just  Perthes*  geogr.  'Anstalt  von  Dr.  A.  Petermann. 

23.  Bd.  1877.  IV.  «.  132.] 


DüivcrsitÄts-Chronik  1877. 

9.  Nov.  Lectiones  cursor.  quas  .  .  .  Hermann  Mueneter  med.  Dr.  Ueber  den  gegen« 
wältigen  Stand  der  Puerperalfieberlehre.  ad  docendi  facult  rite  impetr.  .  .  . 
habebit  indicit  Max.  Jaffe  med.  Dr.  P.  P.  0.  ord.  Med.  h.  t  Decanus. 

Nro.  97.  Amtliches  Verzeichniss  des  Personals  u.  der  Studirenden  .  .  .  f .  d.  Winter- 
Semester  1877/78.  (25  S.  8.)  [85  Doc.  —  6  theol.,  7  jur.,  96  med.,  39  phil.,  S  Leotor., 
6  Sxerdtienmeist  —  n.  668  (41  etul.)  8tud.,  davon  49  Theol.,  174  Jur.,  1S4  Med.,  106  PhiL, 
8  m.  ipec  Genehm,  d.  seit  Protect  (Prot  Dr.  Fe].  Dehn).] 


ß7ß  Mittheilangen  and  Anhang. 

4.  Dec.  Med.  Doctordiss.  v.  Franz  Kahlweiss  (aus  Kreuzdorf,  Er.  Braunsb.),  prakt  Arzt, 
Ueber  d.  Veränderg.  d.  Uterus-Schleimhaut  wahrend  d.  Gravidität  und  deren 
Neugestaltg.  im  Wochenbette.    (32  S.  8.) 

8.  Dec.  Phil.  Doctordiss.  v.  Julias  Jacobson  (aus  Königsberg^,  Ueb.  die  Beziehungen 
zwischen  Kategorien  und  Urthcilsfonnen.  Erster  Theil  einer  demnächst  er- 
scheinend. Schrift:  Ueber  die  metaphys.  Deduction  der  Kategorien.  (131  S.  8.) 

18.  Dec.  Lectiones  cursorias  quas  .  .  .  Julius  Schreiber  med.  chir.  et  art  obst  Dr. 
Ueber  die  Beziehungen  der  Ophthalmologie  zur  internen  Medicin  ad  docendi 
facuü  rite  impetr.  .  .  .  habebit  indicit  Max.  Jafife  med.  Dr.  P.  P.  0.  ord. 
medic.  h.  t.  Decan.  ± 


Altpreassische  Bibliographie  1876. 

(Fortsetzung.) 

Kaut's,  1mm.,  Prolegomena  zu  e.  jed.  künftig.  Metaphysik  .  .  .  hrsg.  u.  erläut.  von 
J.  H.  v.  Kirchmann.  2.  Aufl.  Leipzig-.  Koschny.  (VII,  152*  S.  8.)  [Philos. 
Bibliothek  .  .  .  hrsg.  v.  J.  H.  v.  Kirchmann.    Lfg.  53.  M.]     1.— 

Logik.    Ein  Handbuch  z.  Vorlesgn.   hrsg.  v.  Gl.  Benj.  Jäsche.    Erläut.  von 

J.  H.  v.  Kirchmann.    2.  A.    (Vit  164  S.  8.)     1.- 

SSon  Der  Wacbt  be*  ©t-mütbä  ...  18.  Derb.  ».  Seipj.  Okibef.  (786.  8.)  1.20. 

Anthropology  (translation  A.  E.  Kroeger).    [The  Journal  of  specul.  philos.  ed. 

by  W.  Harris.     Vol.  X.  Nr.  3.] 

Ethics,  VI:  Ethical  Worehip.    J.  Edmunds.    [Ebd.  Nr.  4.] 

Alexander,  Beruh.,  Kant's  Lehre  vom  Erkennen.  IV.  Capifc.  Die  transscendentale 

Deduktion  der  Kategorien.    (Leipz.  Inaug.-Diss.)   Budapest.   (40  8.  8.) 
AvenarillS,  Dr.  Kich.,   Philosophie  als  Denken  der  Welt  gemäss  d.  Princip  d. 
kleinsten  Kraftmasses.    Prolegomena  z.  ein.  Kritik  d.  reinen  Erfahrung. 
Habilitationsschrift.     Leipzig.     Fues's  Verl.    (XIII,   82  S.   gr.  8.)    2.— 

[Vgl.  Fr.  Pauken  in  d.  Ztaehr.  f.  Vftlkerpsych.  X,  104—112.] 

Battemfdnb,  Dr.  Giottbolb,  me  t>fyilt  ftcb  in  Haute  *Heüflion$lc&rc  bog  tfceorei. 

Clement  3.  praftifd)  ?    3.*.    töoftoc!  1875.    (60  6.  8.) 
Setter,  3ob.  ftatl,  bie  (gMije  $tt>.  $bifoi.  u.  eract.  ©iffenfeb.    SBcrf.  2öetbemann. 

(63  S.  8.)  1. —   [Vertheid.  a.  a.  Kante  Theorie  d.  Mathem.  geg.  Hob.  Zimmermann.] 

Biese,  Dr.  Reinhold,  die  Erkenntnis* lehre  d.  Aristoteles  u.  Kaut's  in  Vgleich?. 

ihrer  Grundprincipien  hist.-krit.  dargest    Berlin.    W.  Weber.    1877  (76). 

(74  S.  gr.  8.)    l.bO. 
Bridel,  Philippe,  La  philosophie  de  la  relig.  de  Imman.  Kant.   Etüde  pres.  a  la 

Faculte  de  theol.  de  reglise  libre  du  canton  de  Vaud.  Lausanne.  Imprim. 

Georg.  Bridel.      (222  S.  gr.  8.)      £*&   **  critique  philoaoph.  49.   and  Beurier  in 
Revue  philo»,  de  la  France  .  .  .  1R77.  No.  2] 

Bring,  Gustaf,  Imm.  Kant  sasom  mctafysiker  och  religionsfilosof.  I.  IL  Akademisk 

afhandling.    Lund.    (233  S.  8.) 
Cantonl,  C,  i  precursori  di  Kant  nella  filosofia  critica.   [La  tilosofia  della  scuole 

Italiane.    Anno  VIII.   Vol..  XV.   Disp.  I.  2.1 
Caspari,  Otto,  die  Grundprobleme  der  Erkenntnissthätigkeit  beleucht  v.  psychol. 

u.  krit  Gesichtspunkte.    Als  Einleitg.  in  d.  Stud.  d.  Naturwissenschaften. 

I.  Bd.  Die  philosophische  Evidenz  m.  Bücks.  auf  die  krit.  Untersuchg.  d. 

Natur  d.  lntellects.   Berlin.  Grieben.   (XVIII,  251  S.  gr.  8.)    [Bibliothek 

f.  Wissensch.  u.  Lit   1.  Bd.   Philos.  Abthlg.  1.  Bd.]    5.— 
Classen,  Dr.  Aug.,  Physiologie  d.  Gesichtssinnes  z.  erstenmal  begründ.  auf  Kant's 

Theorie  d.  Erfahre.   Braunschw.  Vieweg  u.  Sohn.  (XIX,  202  S.  gr.  8.)  6. — 

[Vgl.  Ueberhorat  in  d.  GÖtting.  gel.  Ajii.  1877.  No.  26.] 


Altpreussische  Bibliographie  1876.  677 

Dieterich,  Dr.  Konr.,  Kant  u.  Newton.  Tübing.  Laupp.  (XIV,  294  S.  gr.8.)  5.60. 
UBgi.  Sufttfa.  «flg.  3tg.  1877.  »eil.  ju  27.  nnb  tibm.  $flcibem  in  bct  $totcft.  Kirnen* 
3tg.  1877.  Hr.  17.] 

Erdmann,  Dr.  Benno,  Martin  Enutzen  u.  seine  Zeit.  Ein  Beitrag  z.  Gesch.  der 
Wolfisch.  Schale  u.  insbes.  zur  Entwickelangsgesch.  Kant's.   Leipz.  Voss. 

( K,  148  S.  gT.  H.)  4.—  [Vgl.  Paulien  in  d.  Jen.  Lit.-Ztg.  1876.  Mo.  26.  Zeller  in 
d.  Dtach.  Rundschau  1876.  10.  Hft.  llicheüs  im  Theol.  Litblatt  1877.  Mo.  1.  Schaanchmidt 
in  d.  Philoa.  Monatahftn.   13.  Bd.    7/8.  Hft.     Riehl  in  d.  Viertel} ahrsacbrlft  f.  wtos.  Phil. 

1.  Jahrg.  2.  Hft.] 

©n  9ta*travi  3u  flantS  fflerfen.     HJrerfc  3abrbü*er.  37.  55b.  2.  £ft. 

6.  210-214.] 
Folohert,  Alb.,  Ueber  Kant's  Kategorien-Lehre.    Gohrau.    (10.  Jahresbericht  d. 

höh.  Bürgerschule.)    (16  S.  4.) 
fftieblänber,  £.,  Äant  in  feiner  etcüuna  3.  $olitiL  [Stfcbe  $Runbfd>au.  3.  3a&r<j. 

2.  6ft.    9to*.  1876.   S.  241—255.] 

Göring,  Dr.  Karl,   System  d.  krit.  Philos.    I.  Tbl    Leipzig  1874.    Veit  &  Co. 

(Vni,  314  S.  gr.  8.)  4.50.    II.  Thl.  187:».   (3  BI.,  283  S.)  4.50. 
Göring,  Dr.  Wilh.,  Baum  und  Stoff.    Ideen  zu  einer  Kritik  der  Sinne.    Berlin. 

C  Duncker.  (XIII,  330  S.  gr.  8.)  7.—  [Vgl.  Liter.  Centralblatt  18J7.  No.  87. 
Jen.  Lit.  Ztg.  Mo.  36.    Selbstans.  in  d.  Viertel  jschr.  f.  wiss.  Phil.   L  9.   8.  318  f.] 

Harms,  Prof.  Dr.  Friedr.,  die  Philosophie  seit  Kant.  Berlin.  Grieben.  (XV, 
603  S.  gr.  8.)    [Bibliothek  f.  Wissen  seh.  u.  Lit.    8.  Bd.   Philos.  Abthlg. 

y.  Bd.]     12.    tv6l*  Bücken  in  d.  Jen.  Lit.-Ztg.  1876.  Mo.  50.] 

Jacobson  jun.t  Jul.,  üb.  d.  Auffindung  des  Apriori.  Bede.  Berlin.  G.  W.  F.  Müller. 

(24  S.  gr.  8.)    —60. 

3oel,  Dr.  Tl.  (S8re$lau),  SReltai63*vbilofotob.  äettfraaen  in  jufammbüb.  Sluffäfcen 

befprotben.  SBreelau.  Scbletterfcbe  99ud)b.  (89  6.  ar.  8.)  1.80.  [<Snt*tit: 
111.  ftant  u.  b.  ttelia.  6.  30—86.  JV.  örcurö  üb.  Äant  6.  37—55.  V.  ftant  nnb  bc« 
ftanttancr'f  66)oycnpauet  ©teuft.  }.  b.  Blfar.  ftettaioBcn.  €>.  56—71.} 

3fufr,  Dr.tf.6.,  bte  goitbübuna.  *er  ftantifd).  8t|>t!  bur*  £erbart.  ©efrönte  $rci$s 

fdmft.    ©Jena*,    ©aemeifter.    U  »l.,  39  6.  ar.  8.)    —90.    [$äbaäOfl. 

6tubhn  br$«.  t>cn  Dr.  28üb.  SHrin.    5.  ßftj   »or^er  al«  3namv2)tffert. 

u.  b.  £.:  3n  roel*.  aSbäitnip-  ftefct  fcerbart'S  ©earünbuna  ber  (Stbif  bureb  b. 

fie&re  n.  b.  »ract.  3*wn  $u  Äant'8  ©rbleßfl.  *.  wtcipfr.  b.  Sitten?    ficipjtfl. 
Immanuel  £ant.    9Mt  $ottr.  (Orin-3eid?nö.  b.  &  Äolb.)    [^Quftr.  G&tom!  ber 

3eit.    3abrg.  1877.  oft.  9.    Stutta.    6.  178—179.  4°1 
Kirchmann,  J.  H.  v.,  Erlautergn.  zu  Kant's  Kritik  d.  pract.  Vernunft.    2.  Aufl. 

(68  S.  8.)    [Philos.  Bibliothek.  26.  Hft  [8.  Bd.]   Leipz.  Koschny.]  —50. 
&Uppt,  SJeraleidmnfl  beä  enanflel.  99eu,riff$  b.  ©laubenä  m.  bem  be3  sBbtloforf>cn 

Äant.    iWorbbaufen.    [$roflr.  b.  SRealfcbuIe  1.  Orbnß.    (S.  3—12.  4°) 
Krebs,  Lic.  theol.  Gymn.-L.  Alb.,  Geschichte  der  Beweise  t  d.  Dasein  Gottes  v. 

Cartesius   bis  Kant.     Jen.  phil.   Promotionsschrift.    Wiesbaden.    (Jena. 

Deistung.)    (21  S.  gr.  4.)  baar  —60.  [auch  als  Gymn.-Progr.] 
MtuH,  Äarl  <orb.  &br.  an  b.  SHealf*.  1.  Orbn.  *u  ©o$lat),  $om  fnnt&et  Urt&eü. 

ftoftöder  3s3)rflcrt.    @o*lar.    (24  6.  8.) 
Laas,  Ernst,  Kants  Analogien  d.  Erfahrung.    Eine  krit  Studie  üb.  d.  Grdlagen 

d.  theoret.  Philosophie.  Berlin.  Weidmann.  (VIII,  364  S.  gr.  8.)  8.— 
[Col.  Sieimann'«  Rec  n.  b.  £.:  „©a^tfere  «antrriti!,#  in  &ia)tc'«  3tf$r.  f.  $BtL  70.  ©b. 
2.  $ft.  €>.  258—268.  —  C.  Sebaanchmidt  in  d.  Jen.  Lit.-Ztg.  1877.  Mo.  5.1 

Lange,  Friedr.  Alb.,  Gesch.  d. Materialismus  u.  Krit.  seiner Bedeutg.  Ind. Ggwart. 

Mit  d.  Portr.  cLVerf.  nebst  Angaben  üb.  sein  Leben.  I.  Buch.   Iserlohn. 

Baedeker.  (XVIII,  334  S.  gr.  8.)  9.—  II.  Buch.  1877.  (XIII,  673  S.  gr.  8.) 

12.- 
Luguet,  Henry,   Etüde  sur  la  notion  d'espace  et  de  temps,  d'apres  Descartes, 

Leibniz  et  Kant;  these  pour  le  doctorat  .  .  .  Paris.    Durand  et  Pedone- 

Lauriol.      \^Rec-  *•  La  Crltique  philos.  1877.  Mo.  35.] 

Mamlani,  Terensdo,  Compendio  e  sintesi  della  propria  filosofia,  ossia  nuovi  pro- 
legomeni  ad  ogni  presente  e  futura  metafisioa.  Libro  uno.  Torino,  tipogr. 
Paravia  e  Compagni.  (298  S.  8.)  &*c-  ••  Ntt0TÄ  Antoiogia.  Mano  1877.  p.  704— 7? 

Revue  philo«.    JoiU.  1877.  p.  84—102.] 

(htermann,  Wilh.,  üb.  Kant's  Critik  d.  rational.  Theol.  L-D.  Jena.  (Deistung.) 
(37  S.  gr.  8.)    baar  —60. 


ß78  Mlttheilungeii  und  Anhang. 

Wetbeter,  Otto,  Aant  unb  ber  StotionaHSmuS.  [3m  neuen  ffleid).  SVr.  22.  $b.  I. 
S.  861-73.] 

Rehorn,  Pfir.  Emil,  Darstellg.  u.  Beurthlg.  der  Ansichten  Kant's  üb.  d.  Religions- 
unterricht.   Jen.  I.-D.    Wetzlar.  (Jena.  Deistung.)  (56  S.  gr.  8.)  baar  1. — 

Renouvler,  dtudes  esthe'tiques:  le  principe  de  Testhe'tiqne  chez  Kant,  Schiller  et 
M.  Herbert  Spencer.  [La  Critique  philos.  No.  10.]  Les  Labyrinthes  de 
la  me*taphysique.  —  Les  an  tinomies  Eantiennes  de  Tinfini  et  de  continu, 
[Ebd.  82.]  un  passage  de  Kant  snr  le  cercle  vicieui  de  la  libertä  polit 
[Ebd.  46j 

Miftter,  $rof.  Dr.  Slrtb.,  Äant  als  Heftbetifer.  Fortran.  [3eüf*r.  f.  $&üof.  u. 
tfilof.  flritit.   !R.  3.  69.  »b.    1.  fcft.   6.  18-43.] 

RleM9  Prof.  A.,  der  philos.  Kriticismns  u.  seine  Bedentg.  f.  d.  posit.  Wissensch. 
1.  Bd.   Gesch.  n.  Methode  d.  philos.  Kriticismns.    Leipzig.    Engelmann. 

(Xu,  447  S.  gT.  8.)  9. —  [Vgl.  Rec.  von  B.  Erdmann  in  <L  Jen.  Ltt-Ztg.  1876.  No.  47. 
Selbansetge:  "YiertelJfthrtachT.  f.  wies.  Philo«.  I,  319.  Rec.  v.  C.  T.  Michalik :  Ztschr.  L 
VSlkerpsyeh.  u.  Sprachwissensch.  IX,  434—458.] 

Sobenke,  Gust.,  die  logisch.  Voraussetzungen  n.  ihre  Folgerungen  in  Kant's  Er- 

kenntnisalehre.    I.-D.    Halle.    (53  S.  gr.  8.) 
Swolte,  Dr.  Leo,  Kant's  Erkenntnisstheorie  v.  psychol.  Standpuncto  aus  betracht 

Znaim.  [Progr.  d.  k.  k.  Gymn.]  (Pournier  &  Haberler.)  (4t  S.  gr.  8.)  b.  —75. 
Stadler,  Dr.  Aug.,  die  Grundsätze  d.  reinen  Erkenntnisstneorie  in  d.  Kantisch. 

Philos.    Kritische  Darstellg.    Leipz.  Hirzel.    (X,  158  S.  gr.  8.)    4. — 
Steffen,  Stob.,  ÄantS  Sefcre  nom  S>inge  an  fid>.    3.*$.    Seipiu]  o.  3.  (1876). 

(103  6.  8.) 
StomMl.  Cuno,  die  Differenz  Kant's  n.  Hegels  in  Bezug  aui  die  Erklärung  der 

Antinomien.    L-D.    Halle.    (29  S.  gr.  8.) 
Thetdor,  J.,  der  Unendlichkeitsbe^riff  bei  Kant  und  Aristoteles.  Eine  Vgleichg. 

d.  Kantisch.  Antinomien  mit  d.  Abhandig.  d.  Aristoteles  üb.  das  anuow. 
(Phys.  HI,  c  4-8.)  (Thl.  I.)    Kgsbg.  I.-D.    Breslau.    (68  8.  8.) 

Thiele,  Dr.  Günther,  Kant's  intellektuelle  Anschauung  als  Grundbegriff  seines 
Kriticismus  dargest.  u.  gemessen  am  kritisch.  Begriffe  der  Identität  vom 
Wissen  und  Sein.    Halle.  Lippert'sche  Buchh.    (IV,  804  S.  gr.  8.)    6.— 

[rec   ▼.  B.  Brdmann:  Jon.  Lit-Ztg.  1877.  No.  3.] 

Vidieret,  E.,  de  antlcldents  de  la  philos.  critique.  De  l'antiquite'  jusqu'  a  Locke. 

I— III.    [Revue  philos.  de  la  France  et  de  l'ltrang.  1876.  I.  S.  248—66.1 

De  Condfflac  a  Kant    [Ebd.  167—380.] 
Vftlhinger,  Hans,  Hartmann,  Dühring  u.  Lange.    Zur  Gesch.  d.  dtech.  Philos.  im 

XIX.  Jahrh.  Ein  krit.  Essay.  Iserlohn.  Baedecker.  (XII,  236  S.  gr.  8.)  4.80. 

[Rec  ▼.  O.  Caspar! :  da«  Ausland.  1876.  No.  44.  t.  A.  Lasson:  Philos.  Monatshefte.  Xin, 
8.  S18-431.  ▼.  Hngo  Sommer:  GStÜnger  gel.  Ans.  1877.  Mo.  19.  t.  Jons.  Volkelt:  Jen. 
Lit-Ztg.  1877.  Ho.  ».    VgL  auch  Lit  Centrale!.  1877.  No.  27.] 

Zur  modernen  Kantphilologie:  »Laas,  Kants  Analogien  der  Erfahrung.4 

Shilos.  Monatshefte.  XII,  448—463.] 
lim,  Fritz  Frh.  v.,   Vertheidigung  Kants  gegen  Fries.     L-D.  Halle. 
(80  S.  gr.  8.)    Berlin.    Bud.  Gaertner.    1.60. 

Wtife,  Josef,  Kant's  Lehre  von  Baum  u.  Zeit  (Leipziger  I.-D.)  Budapest  o.  J. 
fl875r1    (26  8.  gr.  8.) 

Wüte,  tfr.  Jons.  H.,  Vorstudien  z.  Erkenntniss  des  unerfahrbaren  Seins.  Philos. 
Abhdlgn.  sneknlat-  n.  hist-kritisch.  Inhalts.  1.  Heft:  I.  Die  Aufg.  der 
Philo«,  n.  der  Werth  der  Gesch.  d.  Philos.  ü.  Die  vorkantische  neuere 
Philos.  u.  der  krit  Gesichtspunkt.  Bonn.  Max  Cohen  &  S.  (VIII,  88  8. 
gr.  8.)    1.80. 

©alomon  SJtaimon.    2)ie  mertofirbta..  Stfcidfale  u.  b.  n>iffenfä>aftl.  fiebeuta. 

e.  jübif*.  Senferf  au*  b.  Äanrifcfcen  6a>ule.    »erltn.  SKedlenbura.    (93  6. 

8r.  8.)    1.50. 
iur  Erkenntusstheorie  u.  Ethik.   Drei  philos.  Abhdlgn.    Ebd.  1877  (76). 
(XIV,  126  S.  gr.  8.)    2.50. 

Karte9  topogr.  v.  preuss.  Staate  .  .  .  bearb.  in  d.  topogr.  Abth.  des  König!.  Preuss. 
Generalstabes.  1:100,000.  BerL  Schropp.  Sect  103.  Marienwerder.  83.Stuhm, 
122.  Kulm.    121.  Crone  a.  d.  Brahe.    ä  nn.  1.— 


Altpreussische  Bibliographie  1876.  679 

Karte  des  Stadt-  u.  Landkreis.  Danzig  i.  Reg.-Bez.  Danzig.    1 :  100,000.  Hrsg.  v.  d. 

kartogr.  Abth.  d.  K.  pr.  Landesaufnahme.    Berlin.  (Schropp.)    Lith.  u.  color. 

Imp.-Fol.  —  ...  des  Kr.  Fischhansen  ...  —  ...  d.  Kr.  Goldapp  .  .  .  — 

.  .  .  d.  Kr.  Heiligenbeil  ...  —  .  .  .  d.  Kr.  Insterburg  ...  —  ...  d.  Kr. 

Labiaa  ...  —  .  .  .  d.  Kr.  Niederung  ...  —  ...  Tilsit  ...  —  ä  nn.  2. — 
Kaslskl,  Major  a.  D.,  Ber.  üb.  die  im  J.  1874  fortgesetzt.  Untersnchgn.  v.  Altthüm. 

in  d.  Umgegd.  von  Neustettin.    [Aus  »Schriften  d.  natnrf.  Ges.  in  Danzig/] 

Danzig  1875.  (Anhnth.)    (19  S.  Lex.-S.  m.  eingedr.  Holzschn.)    —80. 
&at(olit,  Der.    6onntan*blatt  für  b.  dmjtl.  ©emeinben  frcrauSß.  n.  Pfarrer  ©tunert. 

5.  3abra.    M  1—13.    Jtatfbfl.   SBraun  &  ©eher  in  Comm.    33ierteIiA&rl.  1.60. 

Bfftttgef.  a.  b.  S.:  gfttttfttttote» 

itatttier,  ßtroart,  bte  bnitfebe  Sprache  in  b.  $ron.  $reu&cn.    [$ie  ©renjboten.  41.1 
Kavier,  E.,  akustische  Stadlern  am  Klavier.   1.  Abth.   [Aus  »Schriften  d.  natnrf.  Ges. 

in  Danzig*]    Danzig  1875.  (Anhuth.)    (17  S.  Lex.-«,  m.  1  (lith.)  Taf.    —60. 
KttrzytokJ,  Dr.  W.,  o  Jablonowskich  herbu  Prns  III.    [Przewodnik  naukowy  i  lite- 

racki.    Novbr.] 
KlrchhofT,  Prof.  Dr.  Gast.,  Vorlesungen  über  mathem.  Physik,  Mechanik.    Leipzig. 

Teubuer.    (X,  466  S.  gr.  8.)    13.— 
—  —  üb.  d.  Reflexion  n.  Brechung  d.  Lichts  an  der  Grenze  krystallinisch.  Mittel. 

[Aus  »Abhdlgn.  d.  K.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin*»]    Berlin.    Dümmler's  Verl. 

in  Comm.    (28  S.  gr.  4.)    1.50. 


Klebs.  Archiv  f.  experiment.  Pathol.  u.  Pharmakol.  hrsg.  v.  Dr.  Edwin  Klebs,  Dr. 
B.  Nannyn,  Dr.  0.  Schmiedeberg.  Bd.  V.  VI.  Leipzig.  Vogel.  (IV,  472  8. 
m.  4  Taf.;  IV,  462  S.  gr.  8.)    a  15.- 


Beiträge  z.  Ktniss  d.  pathogenen  Schistomyceten.   [Archiv  f.  experim.  Pathol. 

.  .  .  Bd.  V.  S.  350  -  77  m.  1  Taf.]    Eine  Schneidemaschine  zur  Anfertigung 

mikroskop.  Präparate,  nebst  Bemcrkgn.  üb.  mikrosk.  Schneiden.  [Ebd.  Bd.  VI. 

S.  205 — 15.]    Einige  Bemerkgn.,  betr.  d.  Publication  wissensch.  Arbeiten  in 

der  Form  von  Dissertationen  nnd  Jonrnalartikeln.   [Ebd.  S.  279—82.]    Ueber 

Hydro-  nnd  Mikro-Anencephalie.     [Oesterreich.  Jahrb.  f.  Pädiatrik.    N.  F. 

7.  Jahrg.  1.  BdJ 
Prager  medic.  Wochenschrift  .  ,  .  Red.:  Prof.  Ritter«  Prof.  Edw.  Klebs  .  .  . 

1.  Jahrg.    52  Nrn.  gr.  8.    Prag.    Dominicas.    12.— 
Kleb*,  Elim.  (ans  Braunsberg),  De  scriptoribns  aetatis  Sullanae.    Diss.  inang.  hißt. 

Berlin.    (66  S.  8.) 
Äöölet,  8.,  anbete  fiebert,    [ffieftermann,$  iOuftr.  btfi&e  9Ronat*6efte.  XL,  473—78.] 
Kdnlg,  Dr.  Rnd.  (in  Paris),  Ueber  den  Zusammenklang  zweier  Töne.    [PoggendcrfTs 

Annalen  d.  Physik.    Bd.  157.   S.  177—237.  französ.:  Biblioth.  nmvers.  .  .  . 

Archives  des  scienc.  phm  et  natnr.  Nonv.  Pe'r.  T.  56.  p.  369—373  von  E.  W.] 

Stimmgabel  mit  ver&nderl.  Tone.    [Ebd.  S.  621—628.] 
ASttift,  Dr.  ftob.,   Safcim.    Gin  btfd?eiS  gamüienblatt  m.  Süuftv.  br«fi.  n.  Dr.  Stob. 

flöntfl.    13.  Qabrg.    Dct.  1876  bt*  Sept.  1877.    Setpg.  (gjpebit.    Siertelj.  1.80. 
.ftoniaftberger,  $cmmer,  Sdjlefter  u.  3)eutfoJc,  ber  aemütbliaV.    Gin  Jlaienbet  auf  b. 

5}.  1877.    SRit  3üuftr.    3um  freunbl  u.  nü&H*.  ©ebrauebe  f.  ^ebermann  ton 

ß.  8.  Stautenberß.  [2.  S)om.l    3Jlobrunfl.  Stoutenbera.  (120  6.  fir.  16.)  —40. 
Stbpft,  5Hub.,  Äaifer  Otto  ber  ©rofie.    Soüenbet  ».  @mft  Tümmler.   Seipj.  Sunder  & 

fcumbfot.    (XUI,  611  6.  or.  8.)    14.— 
ÄPlbeta,  Sofepb,  S.  J.,  3ta*  eeuabor.    Meifebilber.  9Rit  Dielen  3fluftr.  tu  3  Zonbilb. 

ftretbura  i.  ®r.    Berber.    (XVm,  327  6.  (00)  4.)    9.— 
IMIerg,  ©ubrea..  Dr.,  SBulfftanä  6eeturS  f.  b.  §abrten  0.  Sdjleömia  nad)  Xrufo  an 

b.  »anrnf*.  Äüftc  d.  ijfceufc.  im  9.  3a&r&.  [»u*  „SnnWnb.3eitfa>r.*]  »raun*b. 

frroe.    (80  6.  ßr.  8.)    1.— 
Äolfmamt,  Jtrei*ri*t.  Dr.  3of.,  bte  ftefeUfcfeaftL  Steife,  ber  3uben.    Sbbau.  ©trjeoet. 

(V,  34  6.  flr.  8.)    —60.    2.  Aufl.    gbenfo. 
Die  Königl.  Prenasische  Staatsanwaltschaft  n.  die  freie  Rede.  Ebd.  (VI,  37  S. 

gr.  8.)    —75. 

Star  Obfouet  6acTament**6treit.    [3)anj.  Ätfl.  9783.1 

Koraalewski,  Joach.,  zur  Casuistik  der  congenitalen  Sacralgeschwülste.   I.-D.  Kgsbg. 

(Leipz.  Kessler.)    (29  S.  gr.  8.)    baar  n.  1.20. 


680  Mittheilungen  und  Anhang. 

Kofttka  (Insterburg),  üb.  d.  Bestimmg.  v.  syrometr.  Functionen  d.  Wurzeln  e.  algebr. 

Gleich g.  durch  deren  Coefficienten.  [Crelle's  Journ.  f.  d.  r.  u.  angew.  Mathem. 

81.  Bd.   S.  281 — 289.  vgl.  Bepertor.  d.  liter.  Arbeit  auf  d.  Gebiete  d.   rein, 

u.  angew.  Mathem.   I,  158—169.] 
Krause,  Gott],  (aus  Egsbg.),  Beziehen,  zwisch.  Habsburg  n.  Burgund  bis  z.  Ausgang 

cL  Trierer  Zusammenkunft  i.  J.  1473.    Götting.  I.-D.    Graudenz.    Druck  v. 

Gust  Röthe.    (76  S.  8.) 
Ärei$3-©ruen»e(>r.  ©en.*Setret.  ©.,  e.  SBeitrag  jur  (Sifenba&ntartfsföeformfraße  t?ont 

urirttMaftl.  ©tantyunfte  au«.  [Äuä  „Sanb*  u.  forftu).  3tfl.  f.  b.  norböftl.  SDtfcWb."] 

ÄaSba.    Slcab.  *8u4b.  in  (Somm.    (3G  6.  ar.  8.)     -75. 
Kreyssia,  F.,  trois  siecles  de  la  litterature  franc.,  illustr.  par  des  morceauz  choisis 

de  leurs  meilleurs  au  teure  .  .  .  Anthologie  franc.  destinee  ä  l'usage  des  class. 

supe'rieures  de  nos  e'coles  secondaires.    Tome  I.    2.  öd.    Berlin.    G.  Reimer. 

(X,  341  S.  gr.  8.)    3. 
-feeiter,  £einr.,  SJerfudj  ein.  Sbeorie  b.  Romano  unb  ber  CrgftWhmft.    SWit  ein. 

orientirenb.  Sorro.  n.  ft.  Itrenffiq.  $aberborn.  Scb&nuuib.  (VII,  224  6.  8.)  2.  - 
Krieg,  Prof.  Heinr.,  Schlüssel  zu  d.  Lehrbuch  der  Stenograph.  CorrespondenzschrifL 

Uebertragung  d.  sammtl.  im  Lehrbuche  enthalt.  Aufgaben.    Dresden.  Dietze. 

(35  S.  gr.  8.  wovon  7  autogr.)    —  tfO. 
Katechismus  d.  Stenographie.  Ein  Leitfad.  f.  Lehrer  u.  Lernende  d.  Stenogr. 

im  Allgemein,  u.  d.  Systems  v.  Gabelsberger  im  Besond.    Leipzig.    Weber. 

(VIII,  205  8.  8.)    2.— 
Stenograph.  Schreibheft  m.  Vorschriften  ...  2.  Hft.    3.  Aufl.    Dresd.  Dietze. 

(S.  49—112.  8.)    —90. 
Kries,  Aug.  de  (aus  Boggenhausen  bei  Graudenz),  de  delictis  Universitatam.    Dis*. 

inaug.    Berl.    (54  S.  8.) 
Ätefta,  g.,  £ilfebu*  f.  b.  Unterriebt  in  b.  ©ef*.  an  böb.  Xöcfeterfcfeul.  1.  Xbl  3.  »uff. 

Äß*b«.  Slcab.  93u4b.  (V,  103©.  ßr.8.)  1.—   3.  ZW.  2.  ttuH.  (Vr  148  6.)  1  — 
Ärüger,  fcauptlebr.  ßari  31.,  ©efdritfetäbüber  f.  Soltefcbulen.    (Sraäblan.  auä  b.  Sllttb., 

b.  bifd).  u.  branbenbo.'preufe.  ©ef*.  .  .  .  2)anjia  1877  (76).  ilafemann.    (Vm, 

84  6.  gr.  8.  m.  (einflebr.  $olifön.*)  SlbbUban.)    cart.  —50. 
®iblif(be  ®efd)icbten,  erjflblt  nach  b.  $ert  b.  fiutberbibel,  it.  Silber  aue  b.  Hinten: 

aefd)i*te  für  Scbulen.    Stonjtrt.  ©errlina.    (VIII.  142  6.  ar.  8.)  —55. 
Kroeger.    Codex  Justinianus  recogn.  Paul.  Erueger.    Fac.  IV.   Libri  9 — 11.    Berlin. 

Weidmann.    (S.  801— 960  Lex.-8.)    5.— 
Corpus  juris  civilis.    Ed.  ster.  Fase.  VIII.    Cod.  Justin,  üb.  VIII— X.    Ebd. 

(VoL  II.  S.  321-432.)    1.60. 
Kühnel,  Lehr.  P.,  Thomas  Moore's  »Irish  Melodies.«    [Progr.-Abhdlg.]    Gumbinnen. 

Sterzel  in  Comm.    (14  S.  gr.  4.)    1.20. 
KÜ86I,  Dr.  E.  (Gumbinn.),  Schiller  u.  seine  Sehnsucht  nach  d.  Natur.    [Archiv  f.  d. 

Stud.  d.  neuer.  Sprachen.    Bd.  55.   S.  91—101.] 
Kujat    Eronika  Pclpliriska.     Szkic  bibliograficznj  napisal  Es.  E.[ujot]    (Odhitka  z 

»Warty«.)    Poznaii.  Nakladem  »Ws/ty«.    (64  S.  8.) 
Opactwo  Pelpliriskie  napisal  Esis/lz  Eujot.    Pelplin  1875.    Nakladem  autora. 

(XI,  496  S.  8.  m.  4  Taf.) 
Kurtchat,  Prof.  Dr.  Fiiedr.,  Grammatik  der  littau.  Sprache.    Mit  e.  Karte  d..  littau. 

Sprachgebiets  u.  e.  Abhandig.  üb.  littau.  Volkspoesie  neb6t  Musikbeilage  von 

25  Dainosmelodien.    Halle.  Buchh.  d.  Waisenh.  (XXIV,  476  S.  gr.  8.)   10.— 

[rec  v.  Dr.  AI.  Brückner  (Leipz.)  in  Archiv  f.  sIät.  Philol.  II,  661—68.] 

gewann,  $farr.  Dr.,  ein  »cfu*  auf  b.  Äarlfiein  in  SB&bmen.  2.  IbifL  St&bQ.  Oftpr. 


ata.    (15  6.  ftr.  8.) 
>,Plat 


Lehre,  rlatonica.    (Becensionen.)    [Wissenschaft!.  Monats-Blatt,  herausg.  v.  Schade. 

IV.  Jahrg.  No.  9.   S.  130— 141.] 
&ei<6tn'$tebigten  %.  Sotlefen  burefc  ben  Setter  nebft  ©ebeten  ...  von  e.  i'cmbpaftar. 

1.  3*1.  5.  *b.  u.  nm.  SufL    Sborn  1877  (76).    gambeef.    (VI,  310  6.  (jr.  8.) 

2.  2*1.  2.  nm.  u.  nb.  Slufl.    (VIII,  256  6.)    ä  3.— 

ßecnborbt  (ÄaSbß.),  üb.  b.  ffiafierlcitan.  ÄöniaSberöS.  OBortraa.)  [ÜRittbeüan.  au*  b. 
Simmlan,  b.  Oftpr.  3naen.*  u.  ttafcUeften«Serem$  au*  b.  3.  1874—76,  &$&$. 
6.  33—54.  4.   m.  Saf.  I-VL] 


Altprenssische  Bibliographie  1876.  ß81 

Saoalb,  Sannb,  Die  Stimme  beS  SBIute^.    [2Beftermann'*  ittuftr.  beutfaV  3Ronat*Wte. 

zlpril  1876.] 
Sentit,  $rof.  Dr.  §.,  2Ba$  bie  3ranjofen  t»on  $eutfd)fonb  fagen.    [ÄaSbfl.  Öattftfdpe 

3tfl.  Worfl..NuSfl.  au  M  271.  272.  276.  277.] 
Serben,  @ufl.  (^feubon.  f.  Sua.  ftef^eC),  f4U*te  ©eoicbte.  2.»u*.  3ürtd?  1877(76). 

»erbSMaflaa.    (VIII,  40  6.  8.)    1.—    (U2:  1.60.) 
Leyden,  E.,  Gedächtnissrede  auf  Ludw.  Traube  .  .  .  Berlin.  Hirschwald.  (36  S.  gr.  8. 

m.  lith.  Portr.)    2. — 
Klinik  d.  Rückenmarks-Krankhtn.  2.  Bd.  2.  Abth.  Mit  12  z.  Thl.  fcrb.  (Uth.) 

Tai.    Ebd.    (VII  u.  8.  301—600  gr.  8.)   15.—    (cplt.  44.—) 
Ueber  Hydromyelus  u.  Syringomyelie.    [Virchow's  Archiv  f.  pathoL  Anatom. 

68.  Bd.  S.  1—26  m.  Tat  I.]    Zwei  Fälle  v.  acuter  Bulbär-Paralyse.    [Archiv 

f.  Psychiatrie  etc.    VII,  44-61  m.  Tal  IV.  Fig.  2—3.] 
Llohtensteln,  J.,  neues  prakt.  Lehrbuch  d.  doppelt  Buchführung.  ...  2.  Aufl.  .  .  . 

umgearb.  v.  C.  A.  Sehers.    Kpbg.  Akad.  Buchh.    (VIII,  208  S.  gr.  8.)    3.— 
Liedtke,  Ed.,  die  physiolog.  Wirkg.  d.  Brucin.    I.-D.  Kgsbg.  (Leipz.  Kessler.)  (62  S. 

gr.  8.)    2.60. 
ßief,  ©uft.,  geftwünfcbc  f.  ©dmle  u.  faul    3»tt  Orifl.s9}eitraA.  i>.  £.  3rif*bier  .  .  . 

Sfipj.    31.  Jtrüoer.    (IV,  92  6.  8.)    1.— 
@tn  ftefucb  b.  ScblacbtfelbeS  bei  Sannciiberg.  [ffiie'$  bicr  jupebt.  kleine  Blatt* 

u.  ßanbjta.  f.  b.  Äret«  fiöbau  i.  SBeffpr.    3.  ffabrfl.  M  78.  80.] 
„eitern  jieb.  nemcinißl.  ibre  Jtinber  nur  fo,  bap  fie  in  b.  flawärt  SBelt  gaffen . . ." 

tfant.    f$er  &olf*Ubulfreunb.    40.  3abrfl.  M  9.] 
Lipeohftz,  R.,  Ge'neralition  de  la  throne  du  rayon  osculateur  d'une  surface  (Eztr.  des 

Comptes  rend.  de  l'Acad.  des  sc.  de  Par.)    [Crelle's  Journ.  f.  d.  r.  u.  angew. 

Mathem.  81.  Bd.  S.  295—300.]    Beitrag  zu  d.  Theorie  d.  Krümmung.   [Ebd. 

S.  230—242.  vgL  Bepert.  d.  lit  Arbeit  auf  d.  Geb.  d.  r.  u.  angew.  Mathem. 

I,  277—282.1 
Ltoatter,  Dr.,  drei  Burgwälle  bei  Deutsch-Eylau.  [Aus  »Schriften  d.  naturf.  Qea.  in 

Danzig.«  IV.  Bd.  1.  Hft.]    (7  S.  Lex.-8.) 
Hygienische  Studien  üb.  Bodenabsorption.    [Deutsche  Vierteljahrsschr.  f.  off. 

Gesundheitspflege.    8.  Bd.  S.  569—600.] 
Loebell,  Rieh,  (aus  Grünheide  b.  Insterbg.),  Quaestiones  de  perfecti  Homerici  forma 

et  usu.    Diss.  inaug.  Lips.    (74  S.  8.) 
Beobachten,  üb.  d.  griech.  Perfect,  beeond.  d.  homerische.     [WissenschaftL 

Monats-Blätt.    IV.  Jahrg.  No.  10.] 
2©ner,  $o[tbtr.  Garl  (aus  Stonjifl),  bie  flfbeinfcbifffabrt  StraMmra*  in  (ruberer  3«t  u. 

b.  Strafebar.  6dnffleut*3unft.    IRacb  arebitf.  u.  anb.  CtueU.  bearb.  Webft  e.  ehü. 

Sibpbla.:  ©a«  aunftwef.  u.  b.  Stabtufaffa.  b.  alt.  fteiebeftabt  6trafeba.  ».  (Suft. 

Dr.  @.  Srauttroeui  t>.  tti'Ue.  6trafcbtj.  1877 (76).  Xrübner.  (VII,  310  S.  ßr.  8.)  5.— 
2)a3  Sotenroefen  u.  b.  Anfänge  ber  s4Jofteinri(btfln.  im  ©fajj,  mebef.  in  o.  frei. 

3U>»ftabt  Strabbura.  fflrcfeto  f.  $oft  u.  $dear.  1876.  M  7.  8.]    SWart.  3eilier. 

b.SSerf.  be*  erft.  btfeb.  äieifcbudrf.  [ßbb.  10.]   $ie  Seitunaen  u.  D.$oft.  [13. 14.] 

$ie  SKömerftrafren  in  @il)a^£otbr.  [24.] 
London,  Ernst  Ludw.  Paul,  quaestiones  4c  historia  juris  familiae,  qnod  in  lege  Visi- 

gothorum  inest.    Diss.  inaug.    Kgsbg.  1875.   (Hübner  &  Matz.)    (VIII,  72  S. 

gr.  8.)  baar  1.20.    (Leipz.  Kessler.)  baar  2.— 
Lorenz,  Rud.,  Beiträge  z.  Kritik  der  Geschichtsschreibung  üb.  d.  Schmalkald.  Krieg. 

I.-D.    Kgsbg.    (Leipz.  Kessler.)    (68  S.  gr.  8.)  baar  2.— 
LowMiaki  (Dt.-Rrone),  De  emendando  loco  Horatiano,  [carm.  I.  13, 16.]  [Neue  Jahr- 
bücher t  Philol.  113.  Bd.  10.  Hft.  S.  679.]    Zur  Kritik  des  Aeschylos  [Sieben 

v.  Th.  545  ff.]    [Ebd.  S.  680.] 
Ludwioh,  A.,  Friedr.  Anton  Riglers  lezic.  Nonuianum.  [Ebd.  113.  Bd.  1.  Hft.  S.  29—32.] 

Zum  Epiker  Musaios.    [11.  Hft  S.  751— 767.J 
Die  häschriftl.  Ueblieferg.  der  Batrachomyomachie.    [Wissenschaftl.  Monats- 
Blätt  IV,  S.  164—169.] 
Staat,  Dr.  <Dl„  bie  feciale  ©tclhmfl  ber  3uben  in  2)tf<bU>.  u.  b.  @urilebe<<g>efefe.    Mt 

33egua  auf  bie  @d)tift  bed  iperrn  Dr.  3.  äoltmann.    Sbbau  9B.«$r.    @trjecset 

(86  S.  flr.  8.)    1.— 

Aitpr.  MoutMObrlfl  Bd.  XIV.  Hft.  7  «.  8«  44 


682  Mittheilungen  und  Anhang. 

Mannhardt,  Wilh.,  Wald-  u.  Feldkulte.    2.  Thl.  a.  u.  d.  T.:  Antike  Wald-  u.  Feld- 

kulte  aus  nordeurop.  Ueberlieferg.  erläut.    Berlin  1877  (76).    (XLVI1I,  359  S. 

gr.  8.)    10.— 
ftlbtia.  (52  ©.  ar.  8.)  [Sammln,  aemeinfcftänbl.  miRcnfcijaftL  SSorträae  bräa.  fc. 

Sird>on>  -  u.  D.  äolfcenbortf.    239.  £ft.  (10.  Serie  23.  J&eft.)    Berlin.    öabeLJ 
SRaremoroöft,  SHea.*Sftatb/  bie  Reform  b.  3lcrienflefefca,ebfl.    Sortraa  im  faufm.  herein 

ju  flaebß.  oeb-    2.  Slufl.  Jiaeba,.  (Sraun  &  ätteber.)  (28  6.  ar.  8.)  baar  —75. 

2>ie  Sörbera.  b.  gifcbjucbi.  I— HJ.    [8anN  u.  forftro.  ijtq.  17.  18.  22.] 

3Rafc,  3u!.,  3mmcrtellen.  ©in  Srinncraäfranj  f.  b.  @rab  un|r.  ßefaU.  trüber  1870/71. 

flßsba.    Eon.    (32  6.  16.)    —50. 
Stafeat,  £cinr.,  ©eoflrapbie  ».  SBeftaRen  u.  b.  oriedb.  $a(binfe(.  3n  fcfeulmfifc.  $eMj. 

nad)  e.  geidjnenb.  ÜKetbobe.    6ovau.    ($rcßr.  b.  ©omn.  6.  3—30.    4.) 
3um  gpracbunterridjt  an  ben  Sanbnnrtbfciwtefaulen.    [2btt>irtWd?aftf.  3abrbü<b. 

V,  S.  777-784.[ 
Mendthal  (Kbg.),  Beiträge  zur  Losung  einiger  bekannt,  geometr.  Aufgaben.    [Archiv 

d.  Math.  u.  Physik.'  59.  Thl.   S.  39—49.] 
Menge,  A.,  preuss.  Spinnen.    8.  Forts.    Mit  5  Taf.    [Aus  »Schriften  d.  naturf.  Ges. 

z.  Danzig\]    Danzig.  (Anhuth.)    (S.  423—454.  Lex.-8.)  1.60. 
Scelet  des  breitköpngen  Finnwalls  Pterobalaena  latieeps.    Mit  4  Taf.    [Aas 

»Schriften  etc.*]    Ebd.    (29  S.  Lex.-8.)     l.<>0. 
Merguet,  H.,  Lexikon  zu  den  Reden  des  Cicero  m.  Angabe  sämmtl.  Stellen.    Bd.  I. 

Lfg.  2—15.    Jena  1873—76.    Mauke.     (S.  41—600.)    a  2».— 
Ber.  üb.  d.  von  Neuj.  1874  bis  Mich.  1875  veröffentl.  auf  d.  latein.  Qrammat. 

bezügl.  Arbeiten.   [Jahresber.  üb.  d.  Fortschr.  d.  class.  Altthsw.  2.  a.  3.  Jahrg. 

1,  S.  119—162.    II,  S.  145.] 

Ueber  d.  Einfluss.  d.  Analogie  u.  DifFerenzirung  auf  d.  Gestaltung  d.  Sprach- 
formen.   Kgsbg.    (Nürmberger's  Sort.)    (16  S.  4.)    —75. 
Michalski,  Ldw.  (aus  Culm  i.  Westpr.),  Experimentelle  Beiträge  z.  Frage  üb.  d.  Be- 

dentg.  d.  nalbzirkelförm.  Kanäle  d.  Ohrlabyrinths.  I.-D.  Greifswald.  (30  S.  8.) 
Michelle,  Prof.  Dr.  Fr.,  Haeckelogonie.    Ein  akadem.  Protest  geg.  HäckeFs  a,Anthro- 

pogenie.*    2.  m.  e.  krit.  Abrechng.  als  Vorwort  verseh.  Aufl.   Bonn.  *  Neusser. 

(106  S.  gr.  8.)  3.—  die  »krit.  Abrechnung«  apart  (34  S.)  baar  1.20. 
$iec0Wmf,  25L  bie  „Sieltßion  ber  (Srienntnifc"  u.  £err  $rof.  g.  2Jiia>li$.  SBieS* 
baben.    Simbartb.    (40  6.  8.)    —35. 
9tU4'3ctittttg*    Organ  f.  b.  ßcfammte  ^oltereimefen  einfdjlie&l.  5Bie&bl*ß.    SBeßriinbet 

».  SBenno  2Kartinü  .  .  .  brSß.  ü.  G.  $etcrfen.  5.3aferß.  529tat.  (a  1—  l'ASÖß, 

ßr.  4.)    Sanjiß.    Jfafemann.    Ijalbj.  7.50. 
3Hitt$etlungen  au*  b.  SBfammlßn.  b.  oftpr.  ^ngemeur*  u.  Slrdjiteftemäkreinä  auä  b- 

3.  1874  u.  75/76.    Äß$ba.    (67  6.  4.  m.  Taf.  I— VI  in  jftol.) 
Weiler,  $rof.  S)ir.  Dr.  *Rub„  UebunßSftücfe  g.  Ueberfefc.  am*  b.  SDeutfcb.  in§  £atetn.  f. 

Quarta  u.  Serrta  b.  ©omnaf.    «krlin.  SBeibmann.  (VIII,  176  6.  ßr.  8.)   1.60. 
Mojean,  Gymn.-Lehr.,  Städtische  Kriegseinrichtungen  im  14.  u.  15.  Jahrb.  Stralsund. 

Gymn.-Progr.    (23  S.  4.) 
Monate-Blätter,  wissenschaftl.;  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Osk.  Schade.  4.  Jahrg.  (12  Nrn.  (B.) 

gr.  8.)    Kgsbg.    Härtung.    4.— 
Monatsschrift,  altpreuss.,  d.  neuen  preuss.  Prov.-Bl.  4.  Folge  hrsg.  von  R.  Reicke 

u.  E.  Wiehert.    Der  Monatsschrift  13.,  d.  Prov.-Bl.  79.  Bd.    Kgsbg.    Beyer. 

(II,  700  S.  gr.  8.)    9.- 
9Sottat$fc$tfft  für  b.  gefammte  beutfebe  2Räbcbtnf(bufo>efen  .  .  .  Mß.  n.  Dr.  CSdjratb. 

3abrfl.  1876.  [$er  Sierteija&r$f«r.  ...  10.  3a&rßJ  12  £fte.  Sftorn.  fiambed. 

(VII,  522  6.  ar.  8.)    10.— 
Stifter,  didt  @.,  $ülf$bü#lem  bei  b.  Unterriebt  in  b.  toaterlänbif*.  ©eoßratfne  .  .  . 

2.  üb.  u.  »m.  2lufl.  OHit  1  (cbromelitb.)  ^retötavte  b.  $ro».  \tn  qu.  4.)  HaSbß. 
1877  (76).    «Beper.    (47  6.  ar.  8.)    -50. 

9titt*erftf bt,  3lr<tt*ft.  ©eo.  Slbalb.  x>.,  üb.  b.  ^ünjttef.  ber  @b(en  Öenen  t>.  SIebura 
.  .  .  ÜKaabeburfl  1875.    @.  »aenfeb  jun.    (23  6.  ar.  8.) 

Regesta  Archiepiscopatus  Magdeburgensis.    Sammlfl.  t>.  SIuSiug*  au^  Urrunb. 

u.  Slnnalift.  j.  ©efeb.  b.  ^rgfrtftg  u.  öerjog^.  ättagbebura..  1.  %#.  ^te  3.  iobe 
b.  @rabii4  S53ia)mann  (1192).  ...  in  ©emeinjefeaft  mit  ...  Dr.  (Sb.  3acob$  ... 


AHprenssische  Bibliographie  1876.  683 

Dr.  it.  Qamde  ...  Dr.  g.  ©etefreim  .  .  .  u.  Dr.  $.  Cattlet  .  .  .  fcerauSß.  p. 

©eo.  Slbalb.  t).  9Rü(»trftebt  .  .  .  ©bb.    (XL  765  6.  ar.  8.) 
Müfverstedt    Siebmacher's  gr.  o.  allgem.  Wappenbuch  .  .  .  neu  hrsg.  v.  Archiv- R. 

v.  MOlveretedt  . . .  Lfg.  135—146.  Nürnberg.  Bauer  &  Raspe,  a  6.—  einz.  7.50. 
Mflttrich.    Beobachtungs-Ergebnisse  der  im  Kgr.  Preuss.  u.  in  d.  Reichslanden  ein- 

gericht  forstl.-meteorol.  Stationen  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  A.  Müttrich.    2.  Jahrg. 

12  Nrn.  (ä  XU — 3/4  B.  gr.  8.)    Berlin.    Springer,    baar  2. — 
Naunyn,  Prof.  B.,  Entgegnung  an  Herrn  Dr.  Schieferdecker  (Rostock).    [Virchow's 

Archiv  ...  68.  Bd.  S.  633—34.]  Nekrolog.  Otto  Schnitzen.  [Archiv  f.  ezperim. 

Pathol.  u.  Pharmak.  V.  S.  397—400.] 
Steffelmann,  $fr.  Sic.  9i.,  bie  aua*buraiia>e  (Sonfef  jion  erWitt.  ©Sieben,  (grifft,  herein. 

(IV,  206  6.  8.)     -  90. 
£au&  u.  sJJrebifltbud).    ßbriftl.  $rebiflten  auf  alle  Sonn:  u.  3efttafle  b.  3afre$. 

(3n  ca.  20  £ftn.)    1—3.  £ft.    JfaSba.  »fab.  ®ud)&.    (160  6.  Qr.  8.)    a  -50. 
Neumann,  Carl,  das  Webersche  Gesetz  bei  Zugrundelegg.  d.  unitarisch.  Anschauungs- 
weise.   [Aus  »Abhandlgn.  d.  k.  sächs.  Gesellscn.  d.  Wiss.*]    Leipzig.  Hirzel. 

(19  S.  hoch  4.)    1.— 
Mathem.  Annafen  .  .  .  hrsg.  v.  Prof.  Carl  Neumann,    9.  u.  10.  Bd.  &  4  Hfte 

gr.  8.    Leipzig.  Teubner.    a  20. — 
Ueb.  d.  stationär,  elektrisch.  Strömgszustand  in  e.  gekrümmt,  leitend.  Fläche. 

f Mathem.  Annalen.    X.    S.  569—571.]     Ueb.  d.  Anzahl  der  elektr.  Materien. 

[PoggendoifTs  Annalen.   Bd.  159.   S.  301—312.]    Zwei  Sätze  üb.  correspond. 

Flächenelemente.  [Berichte  Üb.  d.  Vhdlgn.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  z.  Leipz. 

Mathera.-phys.  Cl.  1876.    1.  II.    S.  253—255.]    Ueb.  d.  Ampere'sche  Gesetz. 

[Ebd.  S.  256—67.] 
Neumann,  Prof.  E.  (Kgsbg.),  üb.  flimmernde  Eiterzellen.    [Centralblatt  f.  d.  medic. 

Wissenschaftn.  No.  24.] 
Steutnann,  $rof.  Dr.  grbr.  ^ul.,  (SrtraaSfteuern  ob.  petfönl.  Steuern  oom  (Sinfommen 

unb  SSermöfleu?    @tn  ffiort  jur  Steuerreform.    Sreiburfl  L  SBr.  Söaflner.    (VII, 

130  6.  flr.  8.)    2.— 
Nordt,  Max  (aus  Kgsbg.),  Zur  Statistik  d.  Typhus  abdominalis.  I.-D.  Berl.  (36  S.  8.) 
JDbenroalb,  Kant,  Sebr.  2$eob.,  ©efäiifle  f.  ©pmnaf.,  SRealfdwlen  u.  Seminarien  .  .  . 

3  2*le.  <S>era.  Jtamfc  i.Gomm.  (VIII,  63;  ¥111,92  u.  VIIL168S.  8.)  baat  3.90. 
Ohlert,  Dir.  Bernh.,  Laplaces  Hypothese  üb.  d.  Entferne,  uns.  Planetensystems.  [Aus 

»Schriften  d.  naturf.  Ges.  in  Danz.']  Danz.  1875.  (Anhuth.)  (16  S.  Lex. -8.)  —40. 

[8.  auch:  ®aea.  V2.  3abtfl.  7.  £ft.] 
&(lett,  Dr.  (Sonr.,  SBeitrÄfle  j.  £eroenlefete  b.  ©rieben.  2. 3)1.  Sauban.  (©pmn.^roQr.) 

(29  6.  4.) 
Oppenheim,  Dr.  H.,  Planeten-Beobachtungen  angestellt  am  Repsold'schen  Meridian- 
kreise zu  Kgsbg.    [Astronom.  Nachrichten.  No.  2101.] 
$aftoralblatt  f.  b.  2)i5ceie  (Srmlanb  berauäfl.  n.  Dr.  g.  feipler.    8.  3abtö-    12  ÜRrn. 

(a  iy8  SB.  flr.  4.)    $raun%.    fieipjfl.  $eter  in  <£omm.    3  — 
Paukstadt,  Kud.  (aus  Goldap),  de  Martiale  Catulli  imitatore.   I.-D.  Halle.  (36  S.  8.) 
Pfitzer,  E.,  üb.  d.  Geschwindigk.  der  Wasserbewegg.  in  d.  Pflanze.  [Botan.  Ztg.  5.J 
Pfuhl,  Ed.  (aus  Berszienen),  üb.  d.  zur  Zeit  übL  Methoden  d.  Wundbehdlg.    I.-D. 

Berlin.    (32  S.  8.) 
«Pierfon.    Stauet'«,  @b.,  ©ef*.  b.  btf*.  SolteS,  bearb.  u.  fortflef.  0.  $tof.  Dr.  SDiüiam 

Sierfon.    6.  ber.  Stuft    $tacbta*gß.   2  $be.    »erlin.  $aeteL  1877  (76).  (HI, 

404  u.  472  S.  £ep8.)    9.—  aeb.  12.— 
Plan,  neuester,  u.  Wegweiser  v.  Königsberg.    2.  Aufl.    Kgsbg.  Akad.  Buchh.    Lith. 

Imp.-Fol.    Mit  Text.  (4  S.  8.)    baar  —75. 
$oty'd  3ui.,  iliuitr.  £au&Äalenber  f.  b.  totboL  33olf  ...  21.  3afrfl.    fieipjifl.  $eter. 

tXXXlI,  111  6.)    —50. 
$reftmg,  6em.»2)tt.  SB.,  meine  ©ebanten  üb.  b.  beib.  tmdjtiflft.  3ö>dfl*  b.  fteliovllnterr. 

in  b.  SSoItSfdmle  .  .  2Roer$.    Spaarmann.    (32  6.  flr.  8.)    —50. 
*reu§.  2>ir.  21.  &,  u.  Oberl.  3.  21.  Leiter,  >4Sreu6ifcbet  Ätnberfreunb  .  .  .  214.— 217. 

(101.-104.  ber.)  2lufl.    rtßSbfl.  8011.    —80. 
breiige  u.  ©eutfcbe,  ber  rebl.  (Sin  Üalenb.  f.  b.  3.  1877  beatb.  . . .  »,  6. 8.  Slautenberfl. 

[£.  IBom.]  46.  3abrfl.  Wo^runfl.  IHautenbetfl.  Sluäfl.  1-3.  1  M.,  80  u.  50  f. 

44* 


684  Mittheilungen  und  Anhang-, 

Preussen,  Polen,  Littauen  etc. 

Akta  grodzkie  i  ziemskic  z  czasöw  Bzeczypospolitej  polskiej  Tom  VI.  (hrsg.  y. 
X.  Liske.)    We  Lwowie.    (VI,  Ü02  S.  gr.  4.) 

Acta  Tomiciana.  Tomas  IX.  Epistolarum,  Legationaro,  ßesponsorum,  Aetionam 
et  Herum  gestarum  Serenissimi  Principis  Sigismundi  Primi  . . .  per  StanisL 
Gorski  ...  A.  D.  MDXXVII.  Editio  altera.  Posnaniae.  Sumptious  Biblio- 
thecae  Kornicensis.  (V,  362  S.  Fol.)  18.—  I— IX.:  157.50.   [Die  erste  Ausg., 

bereits  1863  fortig  gedruckt,   kam  nicht  in  den  Buchhandel,  s.  X.  L.(iske)  Histor.  Ztschr 
N.  F.  II,  533—536.] 

Archiv  f.  slavische  Philologie.  Unter  Mitwirkung  v.  A.  Leskien  u.  W.  Nchring 
hrsg.  v.  V.  Jagic.   1.  Bd.   Berlin.  Weidmann.   (VIII,  644  S.  gr.  8.)  16  — 

Besma&ki,  Jos.,  Notatki  do  dziejow  i  historyi  ostasnich  98  lat  Rzpltej  polskiej. 
Thorn.    (VIII,  542  S.  8.)    Cef.  Poiybibiion  xvm,  472.1    , 

Blhlioteca  Ordynacyi  Krasiriskich:  Muzeum  Koustantego  Swidzinskiego.  War- 
schau 1875  u.  76.    Bd.  I.  193  S.    Bd.  iL  421  S.    4. 

Bobrzynski,  Mich.,  Historia  prawa  niemieckiego  w  zarysie  wraz  z  historya  tego 
prawa  w  Polsce.    1.  Lfg.    Krakau.    (184  u.  LXXiX  S.  £.) 

Briefe  u.  Urkunden  zur  Gesch.  Livlands  in  d.  J.  1558 — 1562  . . .  hrsg.  v.  Frdr 
Bienemann.  Bd.V.  156!.  62.  Nehst  Nachtrag.  Riga.  Kymmel.  (L,  539  S^ 

gr.  8.)  13*50.    (1—5:  45. — )    [s.  Rec.  v.  W.  v.  B.  Augsb.  Allg.  Z.  1876.  223  (Beil.)] 

Brock.  Jul.,  de  contro versus,  quae  post  pacem  Thorunensem  seeundam  inter 
Casimirum  IV.,  reg.  Polon.,  et  terras  Prussiae  exortae  sunt.  Diss.  inaug. 
Bresl.  1871.  (Aderholz.)  (47  S.  gr.  8.)  baar  —75.  [im  Buchhdi.  seit  Jan.  i«76j 

Chlendowski,  Kasim.,  Krolowa  Bona;  obrazy  czasa  i  luazi.  2  Bde.  Warschau. 
Gehethner  &  Wolff.    (207  u.  240  S.  8.) 

Chylläskl,  M.,  Hugo  Koftajaj  w  obec  Targowicy.    Lemberg  1875.    (.^2  S.  8.) 

Codex  diplomaticus  Monasterii  Tynecensis.  Kodeks  dyplomatyczny  klasztoru 
Tynieckiego.  Z  polecenia  i  nakladem  zakladu  narodowego  imienia  Ossolins- 
kich  wydali  Dr.  Wojciech  K^trzyAski  i  Dr.  Stanislaw  Smolka.  We  Lwowie. 
1875.  [auf  d.  Umschlag:  1876.]  (XL1,  183,  XXIX  u.  S.  185-561,  LXX  S.  u. 
3  Bl.  Lex  -8.) 

Denkmäler,  niederdeutsche,  hrsg.  vom  Verein  f.  niederdeutsche  Sprachforschung. 
1.  Bd.  Bremen.  Kühtmann  &  Co.  Inh.:  Das  Seebuch.  Von  Karl  Kopp- 
mann. Mit  e.  nautisch.  Einleitung  v.  Arth.  Breusing.  Mit  Glossar  von 
Christoph  Walther.    (LII1,  130  S.  gr.  8.)    4.— 

Diugofz,  Joannis,  Senioris  Canonici  Cracoviensis  opera  omnia.  Cura  Alex. 
Przezdziecki  edita  Tom.  X— -XII.  [a.  u.  d.  Tit.:]  Joannis  Dhgossii  seu 
Longini  Canonici  Cracoviensis  historiae  Polonicae  libri  XII.  Ad  veterri- 
morum  libror.  msc. .  fidem  recensuit,  variis  lectionibus  annotationibusque 
instruiit  Ignatius  Zegota  Pauli,  cura  et  impensis  Alexandri  Przezdziecki. 
Tom.  I.  Libri  I— IV.  Cracoviae  1873.  (3  BL,  XII,  565  S.  4.)  Tom.  IL 
Libri  V— VIII.  1873.  (2  Bl.,  545  S.)  Tom.  III.  Libri  IX.  X.  1876. 
(2  EL,  595  S.) 

flMatM,  3ul.,  fiinlanb  im  18.  3abr&unb.  Umrifie  ju  e.  Itolänb.  ©ef*.  1.  8b. 
bis  g.  $.  1766.    Seipgiö.  iBrodbauS.    (XVI,  595  6.  ur.  8.)    10.— 

Ergebnisse,  Die  vorläufigen,  der  Volkszahlg.  v.  1.  Dec.  1875  im  Egr.  Preussen. 
[Ztschr.  d.  k.  Preuss.  stat.  Bur.  XVI.  Jahrg.  Hft.  I.  IL  Besond.  Beil. 
(HO  S.  gr.  4.)] 

Ergebnisse  d.  Beobachtgsstationen  an  d.  dtseh.  Küsten  Üb.  d.  phvsikal.  Eigen- 
schaften d.  Ostsee  u.  Nordsee  u.  d.  Fischerei.  Veröfftl.  v.  d.  Ministerial- 
Kommission  z.  Untersuchg.  d.  dtsch.  Meere  in  Kiel.  Jahrg.  1875  u.  76. 
ä  12  fiftc  qu.-Fol.   Berlin.  Wiegand,  Hempel  &  Parey.   baar  ä  Jahrg.  12.— 

Fontes  rerum  Bohemicarum.  Tom.  IL  Cosmae  chronicon  Boemorum  cum  con- 
tinuatoribus.  Fase  IV— VI.  Frag  1876.  Gregr  k  Dattel.  (S.  295—570 
gr.  4.)    9.60. 

Gedeonow,  S.,  die  Wariagen  u.  d.  Land  der  Russen.  Geschieht].  Untersuchung. 
2  Thle.    St.  Petersbg.   (in  russ.  Spr.)    (CXVI,  569  S.  8.)    30.— 

deschlchtsblätter,  Hansische,  hrsg.  v.  Verein  f.  Hansische  Gesch.  V.  Jahrg.  1875. 
Leipz.  Doncker  &  Humblot.    (266  u,  XXXIV  S.  gr.  8.)  6.80. 


Altprenssiscbe  Bibliographie  1876.  6g5 

©melin,  Uvfuubenbucb  bet  S)eutfcborb*n$s<5ommenbe  Beilagen.  [3tftb*-  f*  b.®efc&. 

beä  OberrbdnS.    28.  <8b.    6.  78—127.  376-384.  6.  385—438.    29.  SBb. 

6.  163—256.] 
Griinhagen,  C,  Wegweiser  durch  d.  schles.  Geschichtsquellen  bis  zum  J.  1559. 

Namens  d.  Yeins  f.  Gesch.  u.  Altth.  Schles.  hrsg.   Bresl.  Jos.  Max  &  Co. 

(IV,  40  S.  gr.  8.)    —60. 
Hanserecesae.  2.  Äbth.  hrsg.  v.  Verein  f.  hansische  Gesch.    1.  Bd.  a.  n.  d.  T.: 

Hanserecessse  v.  1431—1476.  Bearb.  v.  Goswin  Frhr.  v.  d.  Ropp.   1.  Bd. 

Leipzig.  Duncker  &  Humblot.   (XXIV,  595  S.  hoch  4.)  18.—  (I,  1—3  n. 

II,  1:  58.—) 
Has&encamp,  Dr.  B.,  üb.  d.  Zosammenhg.  des  lettoslav.  o.  germ.  Sprachstammes. 

[Preisschriiten  gekrönt  u.  hrsg.  v.  d.  furstl.  Jablonowskfscnen  Gesellsch. 

zu  Leipz.  XX.1    Leipzig.  Hirzel.    (64  S.  Lex.-8.)    3. — 
Hefte,  livländ.-deutsche.    Der  Dörptsch.  Ztg.   88.  Jahrg.    unt.  verantw.  Bedact. 

von  W.  H.  Chr.  Gläser  in  Lübeck.    Lübeck.  W.  Glaser.    1.  u.  2.  Stück. 

(132  S.)  ä  1.— 
Hirschberg,  Dr.  Aler.r  o  zyciu  i  pißmach  Justa  Ludwika  Decyusza.  Lembg.  1874. 

Selbstverl.    (II,  132  S.  8.) 
Hube,  R..  Prawo  polskie  w  wieku  XIII.   Warschau  1870.   (XV,  271  S.  8.) 

Statuta  Nieszawskie  z  r.  1454.    Warschau  1875.    (54  S.  8.) 

Statut  wartski  Wladysiawa  Jagieüy.   [Warschauer  Biblioth.  1874.   Bd.  II. 

S.  438—445.] 

Roty  przysiajj  Krakowskich  z  koiica  w.  XIV.    Warschau  1876.   (28  S.  8.) 

Jahrbuch  d.  Vereins  f.  niederdeutsche  Sprachforschung.    Jahrg.  1875.    Bremen. 

Kühtmann.    (2  Bl.,  131  S.  gr.  8.) 
Kae8tner,  Geo.,  das  refundirte  Bisthum  Reval.    Untsuchgn.  z.  Gesch.  v.  Harrien 

u.  Wirland  im  13.Jahrh.   I.-D.   Götting.  Peppmüller.   (80  S.  gr.8.)   1.80. 
Karlowlcz.    0  jezyku  litewskim  napisal  Dr.  Jan  Karlowicz.    (In  d.  Äbhdlgn.  u. 

Sitzgsbor.  d.philol.  Cl.  d.  Krakauer  Akad.  d.  W.  Bd.  II.  1875.  8. 135—376.) 
Leeder,  Lehr.  E.,  Wandkarte  d.  Prov.  Preussen.   Für  den  Schulpebrauch.   6  Bl. 

Chromolith.  Imp.-Fol.  Essen.  Baedeker.  4. —  auf  Leinw.  in  Mappe  10.50. 

m.  ßollstäb.  12. — 
Leopold.   Van  de  Scheide  tot  de  Weichsel.   Nederduitsche  dialecten  in  dicht  en 

ondicht,  uitgekozen  en  opgehelderd  door  Job.  A.  Leopold  en  L.  Leopold. 

1.  Aufl.    Groningen,  tyj  J.  B.  Wolters. 
Leakien,  Prof.  A.,  die  Declination  im  Slavisch- Litauisch,  u.  Germanisch.   (XXIX, 

158  S.  hoch  4.)   [Preisschriften  gekrönt  u.  hrsg.  v.  d.  fürst.  Jablonowski- 

schen  Ges.  z.  Leipz.  XIX.]    Leipz.  Hirzel.    5. — 
Lleke,  X.,  Cudzoziemcy  w  Polsce.    Lemberg.    (II,  341  S.  gr.  8.) 
fiitcraturberidjt  üb.  6d)riUen  b.  ttrafaner  Slfab.    [fciftor.  3tf4r.   18. 3a&rfl. 

3.  fcft.  25b  36.  6  259—266.]    3)e$fll.  üb.  6*riftcn  j.  poln.  ®ef*.  a.  b. 

3.  1873  ff.    [Gbb.  6.  266— i77.] 
Lukaszewicz,  J.,  Krötki  historyczno-statystyczny  opis  miast  i  wsi  w  dzisiejszyra 

powiecie  Krotoszyriskim  od  najdawniejszych  czasöw  ai  po  r.  1794.  $ofen 

1875.    (XXXII,  2»i3  S.  8.) 
Maciejowski,  w.  A.,  Historya  wlos'cian  .  .  .  w  Polsce  od  czasöw  najdawniejszych 

az  do  grugiej  polowy  XIX  w.    Warschau  1874.    (469  S.  8.) 
Matuazewicz.  Pamietniki  Marcina  Matuszewicza,  Easztelana  brzeskiego-litewskiego 

1714—1765  wydal  A.  Pawiriaki.     Warschau.    (Bd.  I.  XL,  267  S.    Bd.  H. 

317  S.   Bd.  IU.  220  S.   Bd.  IV.  318  u.  XXXVI  S.  8.) 
Mer  Baltique.  Cöte  de  Prusse.  De  Memel  a  Darserort.  Public  par  le  Service  des 

instructious  .  .  .  Paris.  Challamel  alne.  (XII,  77  p.  8  et  3  pl.)  2  fr.  50  c. 
Mickiewioz,  Adam,  Vie  de  saint  Adalbert,  apötre  du  Nord  et  patron  de  la  Po- 

logne.    Paris.    Libr.  du  Luxembourg.    (16  p.  8.) 
Mleroslawski,  L.,   Historya  powstania  narodu  polkskiego,  w  1830  i  1831  roku. 

T.  VII.    Ebd.    (820  S.  8.)     10  fr. 
Mttthellungen  aus  d.  Gebiete  d.  Gesch.  Liv-,  Est-  u.  Kurlands,  hrsg.  v.  d.  Ges. 

f.  Gesch.  u.  Altthskde  d.  Ostsee-Provinz.  Busslds.   12.  Bd.  2.  Hft    Riga. 

Kymmel.    (S.  221-396  gr.  8.)    (ä)  n.  3.— 


Hittbeihmgen  und  Anhang. 

.. ...  ii  aevi  historica  res  geatas  Poloniae  illnstrantia.  Tom.  III.  continet: 

Codice  m  diplomaticnm  Poloniae  Minoris  1178— 1386  (ed.  Pr.  Piekoairiski). 

Cracoviae.    |XIV,  552  S.  gr.  8.) 
■pleraky,  J.  G.  L.,   die  Quellen  des  Eibischen  Stadtrecht«  bis  I.  J.  1673  hrsg. 

Mit  2  Schriftproben.     Biga.    J.  Deubner.    (CXXXIV,  348  8.  gr.  ü.)  10.10. 
Itto,  Sari,  bie  gamilie  fialdflcm.    ©ridjidrtl.  Srauerfpid  in  5  Slufjünen.    «erlin. 

©ebiirib«  &  So.    (155  6.  8.)    2.40. 
lots  du  seigneur  de  Sarvantikar   avec  les  Chevaliers  de  l'ordre  Tentonique. 

Document  armc'nien   de  l'an   1271.     Tratluction  et  uotes.     Venisa   in  -8. 

Imyrimerie  arrae'nieiine  da  Saint-Lazare.  1873.    [An«ige  »,  h,  l.  in:  Bibiioth. 

d(  l'dcolo  des  cbvttl.    XXXV II,  M7  f.] 

amletnlk  zakonu  WW.  00.  Bernardynöw  w  Polsecze  ulozyl  ks.  Sadoc  Barac*. 
Lemberg  1874.     (Selbatverl.) 

erwolf,  J.,  die  Germanisation  der  baltisch.  Klaren,  (mssiich.)  St.  Petersburg. 
(2(50  S.  8.)    9.  - 

rawa  polskie  Kazimierza  Wilkiogo  i  Wladyslawa  Jagielly.  (Lois  polon.  de  Ca- 
simir le  Grand  et  de  Ladisl.  Jagelion ;  tradoites  en  polon.  par  Swientoslaw 
deWocieszyn  en  1449;  re-impreasion  homographique  de  A.  Pilinski.  Edit 
de  la  bibiioth.  de  Komik.)     In  fol.,  40  p.  avec  gravurea  coloriees.    '25  fr. 

[er.  PulybiWioo  XXI,  9}.] 

raohntks,  A.,  Dhigosz  o  Elxbiecie  traeciej  zonie  JagieHy.   Lemberr.  (65  S.  8.) 
»feiten  mr  schlesisch.  Gescb.    Namens  d.  Vereius  f.  Gesch.  u.  Altth.  Schles. 

hrsg.  t.  Dr.  C.  Grtmhagen.    3.  Ana.  1.  Lfg.   Breslau.  Hai  &  Co.  (2  Bl., 

60  S.  gr.  4.)    2.— 
eglsirtnde  der  geogr.-stat.  Abth.  d.  gross.  Generalstabea.    6.  Jahrg.  .  .  .  Beil. 

'  Mittler  &  Sohn.     (XIV,  384  S.  gr.  8-)     a— 
elmohronlk,  Livländische,   mit  Anmerkgn.,  Naitiensverzeichmas  n.  Glossar  hrsg. 

v.  Leo  Meyer.    Paderborn.    Schttningb.    (ä  BL,  418  S.  gr.  8.)    8.— 
enner's  Job-,  livland.  Historien  hrsg.  t.  Rieh.  Hausmann  u.  Sonst.  Hflblbaum. 

Göttingen.  Vandanhoeck  &  Ruprecht.     (XXXV,  427  S.  gr.  8.)     9.- 
6mr,  Caaim.,  de  Jodoci  Ludovici  Decü  vita  scriptisqne.    Dias,  inang.   Breslau 

1874.    (52  S.  8.) 
opp,  G.  Frhr.  v.  ä.,  zur  deutsch- skandinavisch,  Geschichte  des   15.  Jahrhnnd. 

Leipz.  Duncker  &  Homblot,    (IV,  187  S.  gr.  8.)    4.— 
•MB,  Baron  Andr.,  Skizze  zu  e.  Familien -Gesch.  der  Frhm.  u.  Grafen  v.  Rosen 

992—1876.  St.  Petersburg.  (Reral.  Wassermann.)  (63  S.  gr.  8.  m.  1  Tab. 

in  qo.  gr.  Fol.)    4. — 
chlemann,  Dr.   Theod.,   die   Regimentsformel  u.  die   kurland.  Statuten  v.  1617. 

Nach  d.  Orig.  hrsg.  u.  m.  Einlcifcg.  verseh.   Mitau.    Behre.  (XVIII,  38  S. 

gr.  8.)     1.6>r. 
crlptores  rerum  Polonicarum.   Tom.  III.  Stephani  Francisci  Hedeksia  coramen- 

tarium   rerum   ab  anno  1654  ad  a.  1H68  in  I.ithuania  gestarum   edid. 

WI.  Seredynski.    Cracoviae  1875.    (XXV,  636  S.  gr.  8.) 
Itzwig  »berichte  d.  Gesellsch.  f.  Gesch.  u.  Alttbakdc.  der  Ostseeprovinzen  Russ- 

landa  ans  d.  J.  1875.    Riga.  (Kymmel.l    101  S.  gr.  8.)    1.— 
Hbunasbetidjie  Der  iielebrl.  ettiiii*.  (Sef.  ju  Hurpat.  1875.    Eorpat.    ®rtr.  bei 

6.  Sloffiefen.    (183  6.  8.) 
Itzunps-Berichte  der  Kurland.  Ges.  f.  Literatur  u.  Kunst  aus  d.  J.  1875.  Riga. 

(2  BL,  62  S.  gr.  8.) 
prawozdanle  z  czynnos'ci  zakladn  uarodowego  imienia  Ossoiiriskisch  za  rok  1875. 

Lemberg.    (221  S.  8.) 
tstut  wialieki  w  polskim  pzzckladzie  iTraduction  polonaise  dn  atatut  de  Wislitu, 

Eubl.  en  1460;   reimpression  homographiqne  de  A.  Pilinski.    Edition  de 
i  bibiioth.  de  Komik.)     In  -4.     VI,  34  p.     13  fr.    fei.  poijMbi   xsi.  ss.] 
nyskl,  Jos.,  Roztrzasania  i  spowiadania  historycxne.    Krakau.    (405  S.  8.) 
Dzieje  Polski  od  abdykacyi  Jana  Kazimierza  do  trweiego  pudzialu.   Lem- 
berg.   Wild.    (XI,  752  S.  gr.  8.)  8  fr. 
urkawsM,  M.  A.,  Spicimir  herba  Lebiwa,  kaaztelan  Krakowsti.  Ebd.  (II,  48  S.  8.) 
-  —  Spytko  z  Mebiztyna,  wrrjewoda  Krakowski.    Ebd.    (77  S.  8.) 


Altpreussische  Bibliographie  1876.  687 

UHcundenbuch,  Bremisches.  Im  Auftrage  d.  Senats  d.  freien  Hansestadt  Bremen 

hrsg.  v.  Dr.  K.  Ehmck  u.  W.  v.  Bippen.    Bd.  IL  4.  (Schl.-)Lfg.   Bremen. 

C.  Ed.  Müller.    (XV,  S.  627—707.) 

Urkundenbuch,  Hansisches,  hrsg.  v.  Verein  f.  Hansische  Gesch.   Bd.  I.  Bearb.  v. 

Konstant.  Höhlbaum.    Halle.  Buchh.  d.  Waisenh.  (XVfll,  524  S.  4.)  15  — 

Urkunden-Buch  der  Stadt  Lübeck;   hrsg.  v.  d.  Verein  f.  Lübeckische  Gesch.  u. 

Altthskde.    V.  Thl.  Lfg.ö— 8.   Lübeck.  Grautoff.  (S.  321—640.  4.)  a  3.— 

»erfcanblitbgen  oer  ariebrt.  @}tniid).  ©ef.  ^u  $oröat.  8. 33b.  3.  oft.  Wit  3  Mfr.  $af. 

$orpat.    Seppe  in  Q'.omm,  (Seipj.  flöbler.)    (96  6.  ar.  8.) 
Walewski,  A.,  Dzieje  Bezkrolewia  po  skonie  Jana  111.    Krakau  1874.    (Bd.  L: 
XLIV,  375  u.  XXXII  S.  8.) 

Filozofia  dziejöw  polskich  i  metoda  ich  badania.    Krakau  1875.    (LXXV. 

429  u.  XVI  S.  8.) 
Walewski,  Cypryan,  Marcin  Kromer.    Warschau  1874.    Selbstverl.    (162,  22  u. 

14  S.  8.) 
Weyl,  Adph.,  die  Paul  Henckel'sche  Sammig.  Brandenburg-Preuss.  Münzen  und 
Medaillen.  Mit  4  (lith.)  Taf.  Berlin.  (Stargardt.)  (VII,  287,  140  n.  104  S. 
gr.  8.)    baar  n.  5.— 
Wiedemann,  Dr.  F.  J.,  aus  d.  inneren  u.  äusseren  Leben  der  Ehstcn.   St.  Peters- 
burg. (Leipz.   Voss.)    (VII,  495  S.  er.  8.)    6.30. 
Wyatt,  Capt.,  history  of  Prussia.    Vol.  I.  Ü.    London.  Longmans.    TEnth.  auch 

e.  Gesch.  d.  Prov.  Preuss.  bis  z.  J.  1525.  cf.  The  Academj  No.  230.] 
Zaleakl,  Bronislaw,  z  zycia  Litwinski   1827—1874  z  listöw  i  notatek   zlozyi. 

Posen.    Zupanski.    6. — 
Zyohlinski  (Theod.)  Zywot  Tadeusza  Kosciuszki.   Posen.  Leitgeber.   (95  S.  8.) 
^totofotte  üb.  b.  Si&ö.  o.  ätoultaöraft*  o.  Oftpr.  lanbm.  (kntralncreine  (t>.  3.  ftebr. 

bisJ  21.  3)ec.  1876.)  tfa*ba.  SaltoiüÄfi.   (19,  13,  14,  11  u.  49  6.  4.) 
$ro»e,  2)ir.  Dr.  2lb.,  3otm  Dfaiuatomie  SBroron,  ber  9ießerbeilaub.    [geftfebr.  *.  elften 
«Bätularfeier  b.  SBerein.  €-taut.  p.  DbSlmetifa.    SBraimfdtfD.  SBracfe  jun.  (148  S. 
ar.  8.)    2.— 

Seb.  u.  £ob  in  Sonftantinopel.  [$a*  neue  ffllatt.  1876.  M  42.  43.]   SBanberan. 

u.  aöanbelan.  in  b.  6übbonau(änb.  [45.  46.]  galten  u.  (geballten  in  b.  6üb* 
bonaulänbern.  [1876/77.  M  8.  9.] 
Protz,  Dr.  Hans,  Quellen  beitrage  z.  Geschichte  d.  Kreuzzüge  hrsg.    Hft.  1.   Danzig. 

Kafemann.  (VH,  1C8  S.  gr.  8.)  3.— 
Przoewoski,  Bomuald  (aus  Wygoda  i.  Westpr.),  üb.  d.  Einfluss  des  iuducirt.  u.  con- 
stant  electr.  Stromes  auf  vasoraotor.  Nerven  u.  Üb.  d.  thermische  Verhalten 
thätig.  Muskeln.  I.-D.  Greifswald.  #(43  S.  8.) 
9tobau,  !K.,  bie  Sebre  wrni  6d)all.  (Senieinfa&L  Starfteüimfl  ber  SUuftit.  2.  «ufL 
Sflünd?.  1875.  Olbcnbourtf.  (IV,  290  6.  8.)  [Sie  StaturMfie.  (Mne  natum 
$oltebtbliotfcef.  ob.  I.]    3.— 

Actualites  scientifiques.    Les  observations  de  montagne.  Les  nouveaux  obser- 

vatoires  meteorologiques  du  Puy-de-Dome  du  Pic-du-Midi  de  Bigorre.   Paris. 
Gauthier- Villars.    (71  S.  8.) 

La  Constitution  physique  da  soieil  d'apres  de  rezentes  recherches.  [Revue  des 

deux  mondes    15.  mai  1876.]    La  produetion  houilliere.    [Ebd.   15.  oct.]    La 
fabrication  de  la  biere.    [Ebd.  15.  novbr.] 
ttttbomSft,  &br.  $.,  9tat(mebei  f.  ©Item  u.  SKabnruf  an  fiebrer,  Steift!.,  SBebörben  u. 
aüc  üftenjcbenjreunbe,  betreff,  b.  Xaubftummen.    3.  Stufl.    SRarienburg.    £empel 
in  6omm.    (44  6.  8.)       40.  .. 

$Heh\nonebü<blein  .  .  .  gunäcbft  f.  fatbol.  Xaubftumme.  2flarienbfl.  SBrettfcfeneiber 

in  (Somm.    (64  6.  16.)  —40. 

®ebetbü<bldn  junaebft  für  iatbol.  Saubftumme.    (Sbb.    (32  S.  16.)  -40. 

Radtke,  Adf.,  Reductions-Tabello  d.  Getreide-  u.  Waarcn-Preise  im  dtsch.-russ.  Verkehr. 

[Cours  250— J00.]  2.  Aufl.  Kbg.  Braun  &  Weber  in  Comm.  (19  S.  8.)  baar  1.— 

Rausohnlng,  Otto  (aus  Taukitten  bei  Kbg),  de  latinitate  L.  Annaei  Senecae  philosophi. 

Diss.  philol.  Jenensis.    Regimonti  Pr.    (Jena.   Leistung.)    (74  S.  gr.  8.)  1. — 

9tei$enau,  Stob»  bie  Altern    fiepte  Silber  avß  unf.  mer  äöänben.    Seivj.    (Bruno». 

(VI,  fe8  6.  at.  16.)  cart.  3.—  ßeb.  4.— 


ggg  Mittheilungen  und  Anhang. 

ftetitftf,  Hob.,  8WSe«©uo$  f.  Heine  u.  ßro&e  Äinber,  ae^eicfcn.  ü.  3)re8bn.  ffflnftlern. 
9Rit  örgäbla.  u.  fiiebern,  u.  6tnötueif.  r>.  fterb.  fctller.  4.  Slufl.  (?ra*t*3lu$ä.) 
Seüpaia.  21.  Dürr.    (158  6.  4.  m.  27  äoljfdmtaf.)  ßeb.  6.— 

Rebe-Karte  d.  Prov.  Preussen,  enth.  sammtl.  Post-Anstalt,  nebst  all.  Post-  n.  Eisenb.- 
Vbdgn.,  sowie  Angabe  d.  Entfernungen  zwisch.  d.  einz.  Station.  In  Kilometern. 
Nach  amtl.  Quell.  4.  u.  5r  Aufl.  Imp.-Fol.   Lith.   Kbg.   Braun  k  Weber.  —60. 

Riehelot  L.  Koenlgaberger,  Referate  aus  d.  hinterlassenen  Papieren  v.  F.  Riehelot. 
[Repertor.  d.  liter.  Arbeit,  auf  d.  Gebiete  d.  rein.  u.  angew.  Mathem.  I.  Bd. 
S.  191-200.1 

9H<$ter,  SBeter.*2lflefior,  3)e*.«Sbierargt  Dr.,  ber  ganbtmrrt  als  Xbierarjt  .  .  .  ?fg.  3. 
Berlin.    SBiepanM,  feemnel  &  $arep.    (6.  145—208.)    1.— 

Rrtthaitsen,  H.,  üb.  Vicin.  Bestandtheil  der  Samen  von  Vicia  sativa.  [Berichte  der 
dtsch.  ehem.  Ges.  zu  Berlin.    9.  Jahrg.  No.  4.   S.  301—304.] 

ttoenett,  ftict,  Xbeopban  Seontotoitf*,  9lbt  b.  Äloftcrö  ber  re<&t;\läubia.  ©afilianer  tri 
SBüna.    [epbel'ö  biftor.  3tf*r.  XXXV.  ©b.   I.  fcft.  6.  64-87.1 

Ruppel.  7ter  Jahresber.  d.  grossherzogl.  badisch,  meteorol.  Centralstat  Carlsruhe  f. 
d.  1875  bearb.  v.  Ose.  Kuppel.    Carlsrohe.    Braun.    1.50. 

Salkowski,  Prof.  Dr.  EM  üb.  d.  Quelle  d.  Indicans  im  Harn  der  Fleischfresser.  [Be- 
richte d.  dtsch.  ehem.  Ges.  zu  Berlin.  9.  Jahrg.  8.  138—140.]  Ueb.  d.  Ver- 
halt, schwefelhaltiger  Substanzen  im  Thierkörp.,  Abhängigk.  d.  Wirkg.  v.  d. 
Constitution.  TS.  140—141.]  Ueber  die  Bildung  des  Indols  im  Thierkorper. 
('S.  408—409.]  ßildg.  v.  AUantoin  ans  Harnsäure  im  TbierkOrper.  [S.  719-21.] 
Ueb.  Wirkg.  u.  Verhalt,  einiger  schwefelhaltig,  organ.  Verbdgn.  im  thier.  Or- 
ganismus. 1.  Thl.  [Virchow's  Archiv  f.  path.  Anat  66.  Bd.  3.  Hft.  S.  315—29.] 
Kleinere  Mittheilunyen  phjsiol-cbem.  Inhalts.  (III.)  [Ebd.  68.  Bd.  3.  Hft 
S.  399—412.  Pbysiol.  Chemie.  [Jahresber.  üb.  d.  Leistungn.  u.  Fortschr.  in 
d.  ges.  Med.  Ber.  f.  d.  J.  1875.  l.Bd.  l.Abth.  S.  178-242.]  Phenolbildende 
Substanz  im  Harn  bei  Heus.  (Vorlauf.  Mitthlg.)  [Centralblatt  t  d.  med.  Wiss. 
No.  46.] 

Salkowski,  H.,  üb.  e.  Doppelsalz  der  Benzoesäure  u.  Paranitrobenzoesäure.  [Berichte 
d.  dtsch.  ehem.  Ges.  zu  Berlin.    9.  Jahrg.  S.  24—26.] 

$anttttlttttß  werftimm.  SKorflenlieber  f.  ©nmnaf.  u.  böb.  fiebranftalt  6.  tlufL  ©raun** 
bera  1877  (76).    feune.    (16  6.  ßr.  8.)    nn.  —30. 

Samter,  Hbolnb,  ®efe(ifd>aftl.  w.  $rbat»6igentbum  als  ©tunbfoße  ber  Socialpolitit 
geipj.  1877.  (76).    Stander  &  {mmblot.    (XIV,  204  6.  «r.  8.)  4.80. 

Samuel.  Prof.  Dr.  S.,  üb.  d.  Entstehg.  d.  Eigenwärme  u.  d.  Fiebers.  Experimental- 
Untsuchg.    Lpz.    Vogel.    (138  S.  gr.  8.)    3.— 

SchlefTerdecker,  Dr.  Paul,  üb.  Regeneration,  Degeneration  u.  Architectur  d.  Bücken- 
markes. [Virchow's  Archiv  ...  67.  Bd.  4.  Hft.  S.  542—614  m.  Taf.  XXI 
bis  XXIIl.j  Auch  als  Rostocker  Habilitationsschrift.    Berlin.   (76  S.  gr.  8.) 

®dMettiQUn,  $.,  neues  Sebrbud)  ber  einfad),  u.  boppelt.  Italien,  iöudrfübrunfl  .  .  .  2.  & 
Äuabß.  1877  (76).  «Bener.    (VI,  172  6.  ßr.  8.)    baar  nn.  3.— 

C4inma$er.  Briefe  u.  Suten  ju  b.  ©efd?.  b.  Melißionäßefpracbe*  m  Warbura  1529 
ii.  b.  SRcicfo&taßeS  au  Slußäburg  1530,  nacb  b.  £bfd?r.  b.  3ob.  »urifaber  nebft  b. 
SBeridjten  b.  ©efbten  ?hrantf.  a.  3Ä.  u.  b.  SKeßeft.  j.  ©efd>.  rief.  SReicbStae..  brSß. 
t>.  $rof.  5rbr.  SBtlb.  edirrmacber.  ©otba.  ^entee.  (XIII,  5756.  ßr.8.)  12.— 

SehMid.  Sammlung  Shakespeafe'scher  Stücke.  Für  Sohulen  herausg.  v.  E.  Schmid. 
7—9.  Bdch.  Danzig.  Saunier.  7.  King  John.  (79  S.  gr.  8.)  8.  Romeo  and 
Juliet  (96  S.)    9.  Twelfthnight;  or,  what  you  will.  (80  S.) 

<3djmibt.  SRcere1«,  £bwn.,  SaUa  Stotb.  $euifd)  ton  Dr.  Hier.  6cbniibt.  2.  «uff. 
»erlin.  Werfer.    (298  6.  ar.  16.)    3.60.    geb.  m.  Gtolbfdm.  4.60. 

Ädjmibr,  Julian,  ^einrieb  u.  Dfterbinßen  t?on  Renalis  ßriebiub  t>.  ftarocnberal.  3)Ut 
©nleiftf.  u.  »ntnerfßn.  braß.  t>.  Julian  6d?mibt.  Jeipaiß.  »todbau«.  (XXIV, 
144  8.  8.)  [IBibüotbel  b.  btf*.  »ationaüiterarur  b.  18.  u.  19.  3febr&.  38.  »b. 
l.2(>.  ßeb.  2.— 

©uWon'd  SRüdbltde  auf  fein  geben.    Flteufe.  3abrbü*.  37.  SJb.  S.  127—132.] 

^eti}  über  neue  3(u3aaben  ©oetbed.  [6bb.  6.  327—333.]  Serb.  ^reUidratb. 
6. 408—416.]  SRoti*  üb.  6u»ban'g  tritifdje  ©efaramtau*a.  fierber«.  [6. 566—68.] 
ßeinr.  t>.  üleift.  [6.  593—607.]    Hu«  unf.  mer  Sßünben.  [6bb.  38.  93b,  2.  «oft. 


AHpreustische  Bibliographie  1876.  689 

6.  202-208.]  ©rtefoedrfel  jtoif*.  6d>Wer  u.  Gotta.  [6.  230-235.]  3K*arb 
Söaaner.  [4.  oft.  6.  414-435.]  3<*.  fcetnr.  ©o&.  [6.  oft.  6.  628—649.1 
Sbacferan.  pBeftermann'S  tüuftr.  btfcbe  5Ronat*befte.  SRftn.  ©b.39.  6. 578-91.] 
Sorb  ©nron  in  friftor.  ©eleu*tunfl.  [<Sbb.  3uli.  ©b.39.  6.357-379.]  fiubmta 
geuerba*.  [<Sbb.  9lon.]  ©eorfle  Sanb.  [3>eutfcbe  IRunbfAau,  3.  3abrß.  2.  £ft 
Üftott.  6.  203—225.]  ©ertbolb  2luerba*  unb  fein  ©odaborator.  [HuflSbß.  Mq. 
$t$.  ©eil.  ju  M  28.]  2C. 
Sohnaase,  Dr.  Carl,  Gesch.  d.  bildend.  Künste.  8.  Bd.  1.  Abth.  hrsg.  v.  W.  Lübke, 
unter  Mitwirkg.  v.  0.  Eisenmann.  Mit  zahlreich,  in  d.  Text  gedr.  Holzschn. 
Düsseldorf.  Buddeus.  (268  8.  gr.  8.)  9.—  (I— VIII.  1.:  93.—) 
ScMnborn,  Erankhtn.  d.  Beweggsappar.,  Orthopädie,  Gymnastik.    [Jahresber.  üb.  d. 

Leistgn.  n.  Fortsein,  in  d.  ges.  Med.  X.  Jahrg.   Bd.  II.  8.  366 — 411.] 
Schopenhauer.  Arth.,  Essai  sur  le  libre  arbitre,  tradnit  en  francais  ponr  la  premiere 
fois.    Paris.     Bailliere.    (VIII,  212  S.  12.)    2  fr.  50  c. 
Adamaon,  R.,  Schopenhauers  Philosophy.    [Mind.  No.  IV.  Oct.  p.  491—509.] 
£*  Slottt,  (Smericb,  b.  3ortfd?ritt  im  Siebte  ber  fiefcren  ©{bonenbauer'*  u.  $ar* 

urin'*.  geinj.  ©rodbau«.  (X,  189  6.  ar.  8.)  4.— 
$artmamt,  @b.  n.,  grauenftäbt'S  UmbilDfl.  ber  6*open&auer'f(b.  $fritof.  [Unfere 
3«t  XII.  «Bd.  S.  241—259.  348—362.]  6a>opeiibaueriani3m.  u.  $eöeliant*m. 
in  ibr.  6teüfl.  3.  b.  pWof.  Slufeab.  b.  ©coenro.  [$ie  ®eaenroart.  ©b.  X. 
M  28.  30.  32.]  Schopenhauer  et  son  disciple  Frauenstaedt  [Revue  phi- 
losophique  de  la  France  etc.  L  annee.  T.L  p.  529— 61.  T.  IL  p.  34— 48.] 
Hellenbach,  L.  B.,  eine  Philosophie  d.  gesund.  Menschenverstandes.  Gedanken 
üb.  d.  Wes.  d.  menschl.  Erscheinung.    Wien.    Braumüller.  (VIII,  289  8. 

gr.  8.)  4. —    [Verf.  bozeioho.  seine  Philo«,  als  eine  Abzweigung  der  8chopenhauerMhen.} 

Kneifer,  Fr.,  Arthur  Schopenhauer.  [The  fortnightly  Review.  New  Series.  Vol.  XX. 

p.  773—792.1 
Äatfdjer,  Seop.,  <Sna.lifcbe  ©ücfrei  ab.  $etne  u.  Sa>open&auer.  [ÜJtaaajin  f.  b.  Sit. 

b.  ftuälanbe*.  M  28.] 
Zimmern,  Helen,  Arthur  Schopenhauer  his   life  and  his  philosophy.    London 
Longmans.    (250  S.  8.)  7  sh.  6^. 
Schrader,  Ernst,  Beitrage  z.  Ortsbestimmung  in  der  Benzolveihe.  I.-D.  Kgsbg.  (Lpz. 

Kessler.)    (60  S.  gr.  8.  m.  1  Tat)  baar  1.  50. 
fcdjraber,  ©e&.  fte«.*  u.  $roi>.:6a)ulr.  Dr.  3BUb.,  @uieb^-'  u.  Untem4t*lefcre  f.  @bmn. 

u.  SRealfcbul.    3.  Aufl.    »erlin.    öempel.    (XIV,  560  S.  ar.  8.)    10.50. 
$ie  au&erorb.  ©eneralfmtobe  b.  altpreufs.  SanbeStircbe  u.  b.  preufe.  6taat<Mefefc 

üb.  b.  cDanfl.  Äirdjeiwfajfo.  [Deutfdwnanfl.  ©lätter.  3^4t.  f.  b.  flefmt.  ©eteieb 

b.  btfd).  $rotcftantiemu3.    1.  3Mrö.  6.  7-28.] 
Treiber,  Gm.,  bie  irbifAe  2Rajeftöt  gleicht  ber  frimmliftfcen.    geftprebißt.    (Slbinß. 

(8  6.  8.)  —50. 
Schriften  der  naturforschd.  Gesellsch.  in  Danzig.  N.  F.  3.  Bd.  3.  Hft.   Danzig  1875. 

Anhuth  in  Gomm.    (138  S.  Lex.-8.  m.  eingedr.  Holzschn.,   1  Steintaf.  u.  9 

Phototyp.  nebst  5  S.  Erklär.)  6.—  (I— HI.:  64.20.) 
der  kgl.  physikaL-ökon.  Gesellsch.  zu  Königsberg.    17.  Jahrg.  2  Abth.   Kgsbg. 

Koch  in  Comm.   (1.  Abth.  VIII,  101  S.  gr.  4.  mit  2  z.  Theil  color.  Steintaf.) 

baar  n.  6. — 
Schröter.    Steiner's,  Jac.,  Vorlesungen  üb.  synthet.  Geometrie.    2.  Tbl.  a.  u.  d.  T. : 

Die  Theorie  der  Kegelschnitte,  gestützt  auf  proiect.  Eigschftn.  .  .  .  bearb.  v. 

Prof.  Dr.  Heinr.  Schröter.    2.  Aufl.    Leipzig.    Teubner.    (XVI,  535  S.  gr.  8. 

m.  107  Holzschn.  im  Text  (XVI,  535  S.  gr.  8.)  14.— 
—  —  Zur  Construetion  e.  äquianharmonisch.  Systems.  [Math.  Annalen.  X,  420 — 30.1 
Schröter,  Paul  (aus  Braunsb.g),  zur  Dioptrik  d.  Auges.  l.-D.  Berl.  (42  S.  8.  m.  ITafJ 
Schröter,  Beinhold  (aus  Braunsbg.),  de  draconibus  Graecarum  fabuiarum.  Particula  I. 

Diss.  inaug.  mythol.    Vratisl.    (58  8.  8.) 
Schubert,  B.,  das  Archontat  des  Diokles.    [Hermes.  10.  Bd.  8.  447—450.] 
04ult,  Dr.  fyranj,  ©ei*i*te  ber  6iabt  u.  b.  ttreife*  Äulm.  1.  3*1.  ©i3  *.  &  1479. 

Sfd.  1.    2)anjt0.    Jtofemann.    (4  ©l.  160  6.  ar.  8.)    2.- 
0$uffef  $rof.  Dr.  ©erm.,  bie  Stetig,  b.  dyriffcL  Glaubend  j.  beil.  6<btift.    2  apotoaet. 

©orrraße.    ©raunSbetß.    $eter  in  Gomm.    (47  6.  gr.  8.)    —75. 


690  Mittheilungen  und  Anhang« 

C$u(j,  Dr.  SBernfr.,  SRea..*  u.  Sdmlr.  in  üWarienmerber,  bie  betitfcfre  ©rammati!  in  ifrr. 

©runbjüaen.   (Sin  fieitfab.  beim  Unterriajt  in  b.  ÜRtttterfpraä>.  5.  3lufL  $aber* 

born.    6d)öninab.    (176  S.  ar.  8.) 
Schulz,  Fritz,  die  englische  Gregorlegende  nach  dem  Auchinleck  Ms.  mit  Anmerkgn. 

u.  ansführl.  Glossar  neu  hrsg.  Kbg.  Hartang  in  Comm.  (IV,  127  S.  gr.  8.)  4. — 
Schulze,  Frdr.,  üb.  die  Oscillation  zweier  nach  dem  Newton'schen  Gesetze  einander 

abstossend.  Punkte,  welche  auf  d.  Peripherie  ein.  Kreis,  zu  bleib,  gezwungen 

sind.    Dies,  inang.   Gedani.  (Jena.  Deistung.)    (34  S.  gr.  4.)  baar  ].— 
Schwedler,  Geh.  Ob.-Baur.  J.  W.,  u.  Geh.  Reg.-B.  H.  Löffler,  der  Bau  d.  Eisen- 
bahnbrücke üb.  d.  Weichsel  bei  Thorn.    Ausgeführt  in  d.  J.  1870—73.    Mit 

17  Kpftaf.  u.  viel,  (eingedr.)  Holzschn.    Berlin.  Ernst  &  Korn.    (18  S.  Fol.) 

cart.  24.  — 
ff<$»eicbel,  dlob.,  ber  SBiibfcbni&er  von  2l*«nfee.  Montan.    3.  Slujl.    3  2Me  in  1  9b. 

SBerlin.    3anfe.    (460  6.  8.)    3.  — 

3talienifd?c  Blätter.    Gbb.  1877  (76).    (366  6.  8.)  5.— 

Ceemantttorbttimg  bom  27.  $ec.  Ib72.    ©efefc,  betr.  b.  $erpjli<fetfl.  btf<&.  äauffabrtek 

fdjiffe  sur  9Jtitnabme  fcülfSbebürft.  Seeleute.  SBom  27.  £)ec.  1872.  Gängig,  Sinbufo. 

(32  6.  8.)  —50. 
«ettegaft,  £.,  bie  £anbnrirtbf*aft  u.  it?r  ^Betrieb.    3n  3  SBbn.  4.  u.  5.  £fß.  Breslau. 

'      flow.    (2.  SBb.  6,  1-128.)    a  2.— 
6ieffett,  $rof.  griebr.,  bie  iübildje  Smiaaoae  gut  Qext  3efu.    Vortrag.    [$er  Beweis 

be*  ©lauten«.   12.  93b.   6.  1—11.  225-23».! 
Siegfried,  R.,  die  englischen  Exchequer  Bills.    [Zeitechr.  f.  Kapital  u.  Rente.  1876. 

S.  535>— 540.1 
Sierofca,  Otto  (Lyck),  Zu  YergUius  Aeneis  III,  506—520.   [Neue  Jahrbuch,  f.  Philol. 

113.  Bd.  S.  77—78.] 
Cimfon,  Bernb.,  3abrbücber  be3  gränlifcfren  <Reid>3  unt.  ßubro.  b.  grommen.  33b.  II: 

831—840.    Seip*.  Wunder  &  fcumblot.  (VII,  321  6.  pr.  8.)  7.—  (cplt.  15.40.) 
Skerlo,  Oberl.  J.  H.t  Homerische  Verba  erläut.  1.  Hft:  l.oüwfu.  2.<matfr.  3.  nopeft'. 

Grandenz.   Gaebel  in  Comm.    (38  S.  gr.  8.) 
Skrzeczka,  Prof.  Dr.,  Sanitatspolizei  und  Zoonosen.    [Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u. 

Fortschr.  in  d.  gesammt.  Med.    X.  Jahrg.   1.  Bd.  3.  Abth.   S.  577—623.] 
Scmtenbiirg,  2)ir.  Dr.  JH.,  bie  franjöf.  Konjugation.  Slnleita.  $v.  e.  metbob.  (Srlernung 

ber  franjöf.  Serben.    SRebft  metyob.  georbn.  Uebü$.*Muffl.    2.  bb.  ftufl.  Stanaifl. 

3iemffen.    (52  6.  ar.  8.)  —60. 
Comten&iirß,  gerb.,  ber  Bannerberr  »on  3)anaia.    (Sine  btfefee  Stäbteqefcbtcbte.  9Rit  8 

fcoliftin.^af.)    Bieiefelb  1877  (76).  Belbaaen  &  Älaftnß.  (268  6.  ar.  16.)  4.— 
Gtepljany,  2)ir.  Dr.  &.,  bie  Bebeuta.  ber  SanbroirtWdjaftäfcbule  u.  ibre  Steüa.  im  3"* 

fammenfcana  b.  aüß.  6d?uU5ieformfraflen.  2)an$.  Äafemann.  (2  Bl.,  32  6.  ar.  8.) 
Ctiemet,  Steuer^nfp.  £.,  üb.  b.  Dtotbroenbiafrit  ber  (Sinricbta.  t>.  JtontrobStationen  j. 

Uebertoacbfl.  b.  £anbel3  mit  lanb*  u.  forftnrirtbfcbaftl.  Sämereien.    Referat  in  ber 

©eneral-Bfmlfl.  b.  Dftrr.  Ibroirtlrfd).  (SentraUBeremä  ju  Äa$ba..  am  16. 3)ej,  1875. 

(Äaöba.)    (5  81.  4.) 
«robbe,  Otto,  fcanbbu*  be$  beutf*en  $rumtrea>t3.    2.  93b.  2.  Slbtfr.    Berlin.    fcerfc. 

(IV  u.  6.  360—645.)  5.60.  (I— II,  2:  20.60.) 

ffiilb.  dbuarb  Sllbrecbt.  f$lu$  „3m  neu.  SHeiaV']  fieity.  £irjel.  (33  6.  ar.  8.)  —75. 

Reurecht  u.  Vertragsschluss  nach  älterem  deutsch.  Recht    (2.  Tbl.)    Leipzig. 

(Ankündigung  der  Feier  des  Andenkens  an  Dr.  Bernh.  Frdr.  Rud.  Lauhn  ?m 

3.  Mai  1876.)    (33  S.  8.) 
Strehike,  Dr.  Wilh.,  de  commentario  anonymo  in  Aristotelis  de  anima  libros  con- 

scripto.    Diss.  inaug.  Heidelbergensis.   Gedani.  (Berlin.  Calvary  &  Co.)  (80  S. 

gr.  8.)    1.60. 
Strausberg,  Dr.,  u.  sein  Wirken,  von  ihm  geschild.    Mit  e.  Photogr.  (in  qu.  4.)  u. 

e.  (lith.)  Eisenbahn-Karte  (in  qu.  Fol.).  Berlin.  Guttentag.  (VIII,  486  S.  gr.  8.) 

6.—    2.  u.  3.  Abdr.    Ebenso. 
CuesqüirifT,  $robft  $ec.  3oiapI>at  eplbefter,  3>cnff*tift.    Aaftß.    SBraun  &  3öeber. 

(54  6.  ar.  8.)    baar  —50. 
TOMaszeweki,  Ant,  de  Iliadis  libro  vicesimo  quarto.  Pars  prior.  Diss,  inang.  Jenensis. 

Thorn.  (Jena.  Deistung.)    (18  S.  4.)    baar  —60. 


AHpreuseisehe  Bibliographie  1876.  691 

Totelhftefer,  Paul  (aus  Korellen  i.  Ostpr.),  über  den  Krebs  der  Wirbelthiere.    L-D, 

Jena.   (Deistuug.)    (36  S.  8.)    baar  —60. 
Treltel,  Dr.  Tb.  (aus  Kgsbg.),  Beiträge  zur  pathol.  Anatomie   des  Auges.    [Gräfe's 

Archiv  f.  Ophthalmol.   22.  Jahrg.  Abtb.  2.   S.  204—254  m.  Taf.  II  u.  HL] 
fcHebel,  6em.*$ir.  %,  ÄateaViSmuSftelien,  ©prüdje  u.  Steberüerfe  ju  Söoife'jS  bibltfa. 

•JMftorien.    tlbbr.  au$  b.  36.  SlufL    fteue  cr^ebl.  »erftnb.  u.  »m.  SluSfl.    tföaba,. 

»on.    (39  S.  8.)    —20. 
Ueberweg'8  Friedr.,  Grundriss  d.  Geschichte  d.  Philosophie.   I.  Thl.  Das  Alterthum. 

5.  Aull.  bearb.  u.  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Max  Heinze.    Berlin.    Mittler  &  Sohn. 

(IX,  331  S.  gr.  8.)    4.80. 
ttpftiie*,  Dr.  ©arl,  Äritit  b.  (SrtennenS.    äBüroiöuna.  bet  ßrfenntnifetfreorie  an  @b. 
».  öartmüim'ö,  Ueberroeft'd  u.  ber  alt.  u.  neu.  Scbolaftif.  Wünfter.  Srunn. 
(VIII,  199  S.  AT.  8.)    2.50. 
Unterhartunpsblätter,  Danziger.     Red.  v.  stenogr.  Kränzchen  zu  Danzig.    1.  Jahrg. 

12  Nrn.  (y2  B.  gr.  8.  autogr.)    Danzig.    Saunier  in  Coram.    3.— 
»erbt)  bu  Sernot*,  %  ».,  Oberft  u.  Gpef  b.  ©eneralftabä  b.  L  »rmee=äotpg  in  «ba. 

»eitraß  gum  JtneatftrifL    Sffit  c.  $lane.    Merlin.  Mittler  &  Softn.  (IX,  80  S. 

gr.  8.)    1.50. 
»eitraa  ju  b.  flabaUerie:Ueba$.*9leifen.    ftebft  c.  (litb.)  Äarte.  @bb.   (XI,  64  6. 

ftr.  8.)    1.50. 
SSerftanblmtaen  be$  22.  $romnjial*Sanbtaöe$  b.  $romn3  $reu&en-    H&ba..  Wartung. 

(480  6.  4.) 
—    bie,  be3  XVIU.  GongveffeS  f.  innere  SRiffion  gu  2>an3ia,  D.  5.  bid  7.  Sept.  1876. 

.  .  .  ©amburfl,    Slaentur  b.  föaub.  &auje&    (152  S.jflr.  8.)    1.50. 
»oelfel,  2Rar.  3-  21 .,  u.  SUfr.  SbomaS,  Oberlebr.  au  b.  9tcalf*.  I.  Orbn.  $u  Silfit, 

Safcbenroörterbucb  b.  2lu$fpracbe  fleoan  u.  biftor.  Kamen  f.  b.  aflfl.©Uba$bebürfn. 

jfoeftelit.    öribelbera..    Söinter.    (XII,  175  6.  !l.  8.)    cart  2.40. 
»oiflt,  ©eo.,  3)tori&  r>.  6a*fen  1541—1547.  3Mt  $ortr.  (in  6taWft.)  Seipj.  $au*ni|. 

(XU,  444  6.  öt.  8.)    9.— 
Ueb.  d.  kurbrandenburg.  Politik  im  schmalkaldisch.  Kriege.    [Berichte  üb.  d. 

Vhdlgn.  d.  kgl.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Leipzig.    Philol.-histor.  Cl.  1875.  II. 

S.  149—204.] 
5)er  95unb  beä  fcerjooa  SRorife  ö.  Sadrfen  mit  b.  ßabSburQern  1546.   [Htdbfo  f. 

b.  6dd?f.  ©ef*.  %  8-  3.  Sb.  1.  oft.  ©.  1-104.] 
Voigtgast,  Kataster-Secret.  Heinr.,  Tafel  z.  Angabe  des  Wochentages  vom  1.  Jan., 

vom  Jahre  525  ab  bis  z.  J.  19*5  n.  Chr.  Geb.;  sowohl  nach  d.  Julianischen 

als  auch  nach  d.  Gregorianisch,  beziehgsweise  dem  verb.  Kalender,  nebst  e. 

Anleitg.  z.  schnell.  Bestimmg.  des  Wochentages  von  jedem  beliebig.  Kalender- 
tage.   Kgsbg.    Nürmberger  in  Comtn.    (16  S.  gr.  8.)  baar  —75. 
»olf&.Äalenber,  oft.-  u.  toefrpr..  auf  b.  &  1877.  . . .  Äbfl.  fcartunß.  (120  8.  8.)  —75. 
BolfäFülenbet  f.  b.  ^roüinjen  ^reufeen,  Sommern,  $ofen  u.  Sdblejien  auf  b.  &  1877. 

9.  3abirt-    Xty>rn.    i'ambed.    (196  6.  8.)    —75. 
Bolfd'&ircjjenseitimg,  ebangel.  SHeb.  u.  $r$g.:  $farr.  Dr.  Seemann.  2.  Qa&rß.  52  3trn. 

(ä  y2— l  ö.  ar.  4.)    ÄaSbß.    fieijifl.  fceinetäborf  in  Gomm.    SBicrtelj.  1.25. 
BoWSföiilfreunb,  ber.  (Sine  3eitföbr.,  begrünb.  n.  6em.s$)ir.  X.  <5.  $rcuf$,  .  .  .  brSfl. 

d.  ftect.  ®.  Wutter.    40.  3abrg.  26  9hn.  (33.  qr.  4.)    flaSbß.    »on.    3.— 
Soüfiaum,  3.,  bie  fößentbum&glnfprücbe  b.  ^irebenaemeinbe  3ut  tfßl.  5!apeQe  auf  bem 

$farrbof  ju  6t.  Marien  in  S)an3tfl.  ©ne  ^Introort  auf  b.  6*rift  b.  ötn.  $farr, 

Dr.  ^ReDner:  Stilen  aud  b.  2)angia.  Itircbenftefdi.  2C  u.  ^aebtrao  3.  b.  reebtäbift. 

©tubie:  „3)er  ^farrbof  D.  6t.2Rarien  suS)anjifl  u.  feine  5Be»obner  tc."   3)anjifl. 

1877  C<6).    Äafemann.    (23  6.  ar.  8.)    —50. 
Wagner,  Max,  e'tude  sur  Tusage  syntazique  dans  »La  Semaine*,  poeme  epique  de 

Du  Bartas.    I.-D.    Kgsbg.  Härtung.    (59  S.  gr.  8.)    baar  1. — 
Sßalb,  Dr.  tbeol.  2Mb.,  ©ebAdjtniBprebiat  auf  b.  $xn.  @romunb  9l(er.  6onbermann, 

Rwl  Gonfifr.<9t.  .  .  .  Äa^bg.    Oftpr.  3ta$.*  u.  83(a«.^r.    (14  6.  gr.  8.) 
SBalearobc,  S.,  ein  (Sbaraftertopf.  (gerb.  Sreiligratb.)  [©artenlaube.  45.]  gerb,  gceilißs 

ratb'*  Iefet.  Xrbeit^immer.    [lieber  2anb  u.  »Uleer.  35.] 
Weber,  Prof.  Dr.  Heinr.,  Theorie  a.  Abelschen  Functionen  vom  Geschlecht  3.  Berlin. 

Reimer.    (IV,  184  S.  gr.  4.)    6.— 


692  Mittheilungen  und  Anhang, 

Weber.   Bernh.  Riemann's  gesamm.  mathem.  Werke  n.  Wissenschaft!  Nachlass,  hrsg. 
unt.  Mitwirkg.  v.  R.  Dedekind  von  H.  Weber.   Leipz.  Teubner.   (VIII,  526  S. 

f.  8.)   16. —    [cf.  Repertor.  d.  liter.  Arb.  aas  d.  Gebiete  d.   rein.  u.  angew.  Mathem.   I.  Bd. 
Hfl.    S.  145—154.] 

Ueb.  d.  Transcendenten  zweiter  u.  dritter  Gattung  bei  den  hyperelliptischen 

Functionen  1.  Ordng.    [Crelle's  Journal  f.  d.  rein.  u.  angew.  Mathem.  82.  Bd. 

2.  Hft   S.  131—144.] 
Weehsel-Stempel-Tarff,  -neuer  dtsch.,  nach  Reichswährg.  f.  in-  und  ausländ.  Valuten« 

Danzig.    Anhuth.    (qu.  gr.  Fol.)    — 30. 
Weiss,  Reg.-  u.  Med.-R.  Dr.,  Zwei  gerichtärztl.  Gutachten.    [Archiv  f.  Psychiatrie  u. 

Nervenkrkhtn.    VI.  Bd.   3.  Hft.  S.  852—858.1 
Weiss,  Prof.  Dr.  Bernh.,  üb.  d.  Bedeutg.  d.  geschichtl.  Betrachtg.  f.  d.  neuere  Theol. 

Rectoratrede.    Kiel.  Univ.-Buchh.    (21  S.  gr.  4.)     1.— 
Das  Matthäusevangelium  u.  seine  Lucas- Parallelen  erklärt    Halle.  Buchh.  d. 

Waisenh.    (VHI,  584  S.  Lex.-8.)    15.— 
»etiler,  3a*.,  SWartin  Sutber  ob.  bie  SBeibe  bec  Äraft.    W\t  ©tnleitß.  u.  »nnterffln. 

Mfl.  t).  Sultan  ©cbmibt.    (XVI,  192  6.  8.)    [©tbltotfcef  b.  btfd>.  ftationaliirer. 

b.  18.  u.  19.  3a&rb-    39.  33b.    Ceipjig,.  93rod(>au$.]  1.20.  aeb.  2.— 
99Mä)ert,  ßrnft,  ©dnifter  £anae.    Störungen,    ©efammelte  9loüeüen.    1.  93b.    3ena. 

Sojtenoble.    (2  931.,  216  6.  8.)    (Sin  HeineS  93tlb.    ©efamm.  StoaeOen.  2.  93b. 

(2  931.   243  ©.)    4.50. 
$ie  3rau  für '  bic  gBrit    ©cbaufpiel  in  5  ?luf j.    (92  ©.  a.r.  16.)  Setpjifl.   $0. 

Dtelam  jun.    [UnfoerfaP-Bibl.  M  736.]  —20. 

$er  Karr  be*  ®lüd$.    £uft|p.  tu  5  Slufe.  (91  6.  ßt.  16.)  [6bb.  M  746.]  —20. 

$tc  ©timme  ber  Matur.    ©dpaufp.  in  4  Siufe.  (Sübneii'SRic.)  .  .  .  Än*bfl.  3>r. 

v.  tt.  3.  Saltofoefi.    (76  6.  ar.  8.) 
9tor  2L!abrbeit.  Noüeüe.  [3)eutfd>e  9iunbf*au.  2. 3abtö.  6ft.  4.  3an.  ©.  1—36.] 

$te  Zbeatrrfraae.    Ulm  neuen  Meid).  M  51.  IL  ©.  961—975.] 
2Si<$ett,  Dr.  Jb.  %  IL,  Sbeiträfle  3.  tfritif  b.  Gueüen  f.  b.  ©efeb.  Äatf.  2ubtt>.  b.  Satan. 

[Sorfcbunaen  g.  beuttd).  (^efebtebte.  16.  #b.   1.  oft.  6.  27—82]    Ueb.  b.  9öaW 

i'otbar*  HI.  jum  beutfeb.  Äontße.    [(*bb.   2.  oft.  6.  374—382.]    Die  Annaien 

Hermanns  von  Nieder-Altaich,  eine  quellenkritiscbe  Untsuchg.   [Neues  Archiv 

d.  Gesellsch.  f.  alt.  dtsche  Geschichtskunde  ...  I.  Bd.  2.  Hft.  S.  369—394.] 
SSinfelmann,  $rof.  6b.,  üb.  bie  £crfunft  3>ipolb3  beS  trafen  0.  Skerra  u.  derjoa* 

r.  epoleto.    rSorfcbfln.  *.  btieb.  ©efeb.  16.  93b.  1.  $|t.  6.  159—163.] 
Wisniewski.  Thom.  (aus  Skurcz  i.  Westpr.),  Beiträge  zur  Lehre  vom  Aufguss.    I.-D. 

Marburg.    (46  S.  8.) 
Wittloh,  Prof.  Dr.  v.,  u.  Prof.  Goltz,  Hämodynamik  u.  specielle  Nerven-Physiologie. 

[Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  in  d.  ges.  Medic.    X.  Jahrg.    1.  Bd. 

1.  Abth.  S.  262—273.] 
2&o(nuttg&9n3eißer,  neuer,  nebft  aQgem.  ©efd)äft&2lnjeia.er  &.  Sangiß  u.  beff.  $or* 

ftäbten  f.  1876.    $anaw.    Jtafanann.    (VHI,  168,  94,  42  u.  24  6.  ßr.  8.  mit 

lirb.  J&raterplan.)  cart.  baar  8.— 

eibinaer  f.  1876.    Glbina,    attei&ner.    (87  6.  Ser.*8)    3.50. 

SBetfe,  9leß.<  u.  ©cbußR.  <L  $,  aweimal  48  bibl.  Siftorien.  36.  Bufl.  fteue  erbebl.  wränb. 

u.  nm.93earbtß.  &i$A.  »-  ©env.$ir.  Di-Stiebel.  ßbfl.  93on.  (IV,  176©.  8.)  —50. 
Wolfsohn,  Salom.,  üb.  d.  Wirkg.  d.  Salicylsäure  u.  d.  salicylsauren  Natrons  auf  den 

Stoffwechsel.    I.-D.    Kgsbg.  (Leipz.  Kessler.)    (34  S.  gr.  8.)    baar  1.20. 
WutzdorfT,  Edgar  (aus  Darkehm.),  Beiträge  z.  Aetiologie  der  Psoriasis  vulgaris.  I.-D. 

Berlin.    (28  S.  8.) 
3eitmijL  ßrmldnbifcbe.  9Rit  b.  ^Bocbenbeilaae:  6t.  SIbalbertSHatt.  V.  3afrtß.  Web.  u. 

Sßcrl.  2)onu>ifar  3ul.  <JSol>l.    ÜDraundbera.    8Hevtetj.  1.75. 
fianb«  u.  forflmirtbfcb.  f.  b.  norböflf.  2)tf«lb.    $r*fl.  v.  ©.  JUeif*.    12.  3abrrt. 

Äfl«lbö.    2lcab.  93ucbb-  in  60mm.    3.— 
Zlppel,  Gust.,  quaestionum  illyricarum  speeimen.   Diss.  inaug.   Regimonti  Pr.  (Leipz. 

Kessler.)    (36  S.  gr.  8.)    baar  1.50. 
3u  Scbufc  u.  Ivnid  am  ©rabe  Scbön^.  93Uber  a.  b.  3eit  b.  6cbma<b  u.  b.  drfcba..  ^reufeen^. 

»on  e.  Oftpreufeen.  ßffl.  1-4.  Berlin.  3rj.  Shmtfer.  (VIII,  741  ©.  flt.  8.)  12.— 


■fj 


Periodische  Literatur  1876/77.  ß93 

Periodische  Literatur  1876/77. 

äeitförtft  für  bie  QSeföiftte  imb  WterttwinSfiinbe  Cttnlanb*.    3m  Manien  b*S 

biftor.  SBnemS  für  @rm(anb  bv$fl.  *>•  Dr.  £•  Stiel,  3>ombcrr  u.  ©enerafoitar. 

3abr«.  1875  u.  1876.  (6.  $b.   1.  ti.  2.  oft.   $er  flanjen  ftolfle  17.  u.  18.  $ft 

reft.  3abra.>   Skoun^bera  u.  £fip*fo  1877.   SBerl.  n.  <Sb.$etcr,  (2798.  ar.8.) 

1.  Wulfstans  Seekurs  für  die  Fahrten  von  Schleswig  nach  Tmso  an  der  wanni- 

schon  Küste  von  Preussen  im  9.  Jahrh.   Von  Subregcns  Dr.  Kolberg  in  Braunsberg. 

5.  1—75.  2.  Nachtrag  üh.  die  Damerauen.  Von  demselben.  S.  76— 80.  3.  Christi. 
Lehre  and  Erziehung  im  Ermland  und  im  preußischen  Ordensstaate  während  des 
Mittelalters.  Von  Prof.  Dr.  Franz  Hipier.  S.  81—183.  4.  Wehrverfassung  u.  Wehr- 
verhältnisse des  alt*»!)  Ermland.  Musterungs-Ordnung  u.  Musterzettel  desselben  vom 
Jahre  1587,  Von  Generalvikar  Dr.  A.  Thiel;  S.  1*4—1:27.  5.  Leben  des  Direktor 
Prof.  Dr.  Lilienthal  (t  8.  Novbr.  1875).  Von  Generalvikar  Dr.  Thiel.   S.  228—239. 

6.  Chronik  des  Vereins.  (1.  Vereinssitzgen.  «9— 82.  Sitzg.  S.  240—265.  2.  Personal- 
bestand. S.  265— 271.    3.  Vereinssammlgn.  8.  271—279.)   S.  240—279. 


Schriften  der  Natarforsehenden  Gesellschaft  iu  Danzig.  Neue  Folge.  Vierten 

Bandes  erstes  Heft.    Danzig.    Auf  Kosten  der  Naturforschenden  Gesellschaft. 

Comm.- Verlag   von   Theod.  Anhuth   in   Danzig.    Druck  von  F.  A.  Haiich  in 

Marienwerder.    1876.   Lex.-8. 

l.Jahresber.  f.  1875  erstatt.  vorn  Direct.  derselb.,  Prof.  Dr.  Ball,  am  133.  Stiftgs- 

feste,  den  2.  Jan.  1876.  (8  S.)    2.  Mitglieder- Vera.  (6  S.)    3.  Vera.  d.  durch  Tausch 

erworb.,  d. .  angekauft,  u.  geschenkt.  Werke.  (12  S.)    4.  Ber.  d.  naturf.  Ges.  zu  Danz. 

über  d.  Entstehg.  n.  Thätigk.  ihrer  Scction  f.  Anthropol.,  Ethnologie  etc.   Umfaest 

die  Zeit  vom  1.  Mai  1872  Dis  22.  Nov.  1876.  (73  S.)    5.  Die  wichtigst.  Neuerungen 

in  d.  Krankenbehandlg.  von  Dr.  Abegg.  (11  S.)   6.  Drei  Burgwälle  bei  Deutsch-Eylau 

von  Dr.  Llssauer.  (7  §.  m.  1  Taf.)    7.  Die  Untsuchungen  von  vaterländ.  Alterthüm. 

in  der  Umgegend  von  Neustettin  im  Jahre  1875.   Von  Kasiski,  Major  a.  D.   (13  S. 

ra.  1  Taf.)    8.  Ueb.  Brandgräber.  Von  demselben.  ( '3  S.  m.  87  Abbildgn  auf  5  Taf.) 

9.  Einige  auf  die  Danziger  Canalisations-Anlagen  bezügl.  chemische  Analysen.  Vortrag 

von  Otto  Helm.  (6  S.)     10.  Preussische  Spinnen  von  Prof.  A.  Menge.   IX.  Fortsetzg. 

S.  455—494  m.  PI.  76—81  in  photogr.  Druck.) 


Schriften  der  physikalisch  -  ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg. 
17.  Jahrg.  1876.  Abth.  2.  Königsberg  187<'.  In  Comm.  bei  Wilh.  Koch. 
(2  Bl.,  8.  77—181  u.  S.  25—53.  gr.  4.) 

Beobachtungen  der  Station  zur  Messung  der  Temperatur  der  Erde  in  verschiedenen 
Tiefen  im  botanischen  Garten  zu  Kgsbg.  i.  Pr.,  Jau.  bis  Dec.  1875  hrsg.  v.  Dr. 
Ernst  Dorn,  Prof.  extr.  in  Breslau.  S.  77—91.  Ueb.  d.  Lagern ngs Verhältnisse  der 
bernsteinfuhren d.  Schicht  am  samländ.  Weststrande.  Von  Begierungsrath  Mareinowski 
zu  Kgsbg.  S.  93 — 100.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Bernsteinformation.  Von  Dr. 
A.  Jentzsch.  I.  S.  101-108  (m.  Taf.  HI.  u.  IV.)  Die  geognost.  Durchforschg.  der 
Prov.  Preussen  im  Jahre  1876.  "Von  Dr.  Alfred  Jentzsch.  S.  109—170  (m.  Taf.  V.) 
Die  Makrolepidopteren  der  Prov.  Preussen.  Erster  Nachtrag  von  Roh.  Qrentzenberg 
in  Danzig.  S.  171—175.  Das  Relief  der  Prov.  Preussen.  Begleitworte  zur  Höhen- 
schichtenkarte. Von  Dr.  A.  Jentzsoh.  S.  176—181  (m.  Taf.  VI.)  -  Sitzgsberichte 
v.  Oct.  —  Dec.  1876.  S.  25—36.  Ber.  für  1876  üb.  d.  Biblioth.  der  phys.-ökon. 
Ges.  von  0.  Tischler.    S.  37—53. 

18.  Jahn.  1877.  Abth.  1.  Ebd.  1877.   (VIII,  111  u.  29  S.)    Die  Erhöhung 

der  Widerstandsfähigkeit  eines  Trägers  durch  horizontale  Spannung.  Von  Prof.  Dr. 
Saalschutz.  S.  1—26.  Karl  Ernst  von  Baer.  Gedächtnissrede  von  Prof.  Q.  Zaddaoh. 
S.  27 — 48.  Bericht  üb.  d.  15.  Versammig.  d.  preuss.  botanisch.  Vereins  zn  Königb. 
i.  Pr.  am  2.  Oct.  1876.  Vom  Vorstande.  S.  49—99.  Uaber  die  grosse  indische 
Volkszählung  von  1872  von  Prof.  Dr.  Hermann  Wagner.  S.  100—111.  —  Sitzgsbe- 
richte v.  Jan.  bis  Juni  1877.    S.  1—29. 


694  MiUhei langen  and  Anhang. 

Seitförift  für  ¥reufiif$t  ®ef«t<$re  uitb  £anbe*!unbe  unter  SRitmirfung  uon 
S)ropfen,  Wunder,  S.  u.  Se^ebur  unb  S.  r».  diank  b^(t.  t.  (Eonfrantm  ftogler. 
14.3abrfl.  San*  bis  $ecbr.*öft.  iM  1-1*2.)  Berlin  1877.  G.  6.  Mittler  &  6o&n. 
1/2.  Der  Dichter  Günther  v.  Göcking  üb.  Berlin  u.  Preuss.  unt  Priedr.  Wilh.  III. 
Helnr.  Pröhle.  S.  1—89.  Casparis  Peuceri  Apologia.  Dr.  Hermann  Mflller.  90—135. 
Schluss:  3/4.  S.  145—191.  —  3/4.  Friedr.  d.  Gr.  im  Kampf  mit  Seinem  „Scelen- 
futteral.«  Von  E.  Gr.  Lippe.  192  -204.  Zu  Schatz  und  Trutz  am  Grabe  Schön's. 
Von  Delbrück.  205—217.  Die  erst.  Lebensbeschreibgn.  Friedr.  d.  Gr.  Von  Dr.  Koser. 
218—255.  Aus  e.  alt  Kircheubuche.  Von  Dr.  M.  Krummaoher.  250—258.  Bemerkgn. 
259—260.  —  5/6.  Die  Aenderg.  d.  Regierungsvfassg.  in  Magdeburg  im  J.  1630.  Dr. 
Holstein.  261—293.  Frdr.  d.  Gr.  u.  d.  Erbprinz  Carl  v.  Braunschweig,  v.  Botiin. 
294—310.  Brandenburgische  Politik  1689.  Hans  Pruiz.  311  -334.  —  7/8.  Der  Bei- 
tritt d.  Markgrafen  Johann  von  Küstrin  zur  Reformation.  Christian  Meyer.  341 — 371. 
Das  preuss.-russ.  Bündniss  v.  J.  1764.  Eduard  Reimann.  37* — 407.  Der  Ber.  d. 
brandenbg.  geh.  Räthe  üb.  d.  Huldigg.  Wallensteins  zu  Güstrow  29.  März  (8.  Apr.) 
1628.  Dr.  Friedr.  KatL  408—412.  Leibnitz  als  Förderer  der  preuss.  Justizreform- 
Bestrebgn.  v.  1698.  S.  Isaacoohn.  413—410.  Bemerkg.  üb.  Joh.  Frdr.  v.  Carrach.  Georg 
Hille.  417—418.  Die  alte  Bchdruckerei  zu  Mecklenburg.  J.  B.  Nordhoff.  419—421. 
Nachtrag  9/10.  S.  639—640.  —  9/10.  Günther  Heilers  Pommerische  Chronik.  Dr. 
Heirmann  Müller.  437—638.  —  11/12.  Einiges  zum  Feldzuge  v.  1815.  Dr.  Delbrück. 
644—680.  Zwei  märkische  Urkunden.  Dr.  Götze.  681—689.  Zur  Gesch.  d.  Preussisch. 
Beamtenthums.  S.  Isaacsohn.  690—717.  —  Neuere  Forschgn.  z.  pr.  Gesch.  —  Aus 
d.  Veröfftlichgn.  d.  dtech.  Geschichtsvereine. 


Schriften  der  Krakauer  Akademie.  X.  L(iske)  giebt  in  der  Histor.  Ztschr.  hrsg. 
v.  Sybel  N.  F.  Bd.  II.  Hft.  2.  1877  S.  360—364  ein  kurzes  Referat  über  folgende 
fünf  Schriften,  welche  die  seit  1872  bestehende,  aus  der  K.  K.  Krakauer  Gelehrten- 
gesellschaft hervorgegangene  Akademie  für  d.  Jahr  1875  veröffentlicht  hat:  1.  Pa- 
mlejnik  akademii  umiejeniosol  w  Krakowie  Wydzialy:  filologiszny  i  bistoryczno-filo- 
zoficzny  (Denkschriften  der  krakauer  Akad.  d.  Wissenschaften.  Philolog.  u.  hist- 
philos.  Klasse)  Bd.  II.  (284  S.  4.)  Krakau  1875;  enthält  drei  grössere  Arbeiten,  eine 
rein  philologische;  eine  literar.-histor.  von  Aug.  Bielowski  (f  12.  Okt  1876  in  Lem- 
berg)  Szymon  Szymonowic  S.  105 — 213  (Biographie  und  Würdigung  des  gewöhnl. 
unt.  d.  Nam.  Simon  Simonides  bekannten  poln.  Dicnters  l.r>68 — 1629)  u.  eine  geschicht- 
liche von  M.  Graf  Dziedufzycki  Abriss  einer  Gesch.  der  Kathol.  Kirche  in  Schweden 
S.  214—284  (Schluss  aus  Bd.  I.).  —  2.  Rozprawy  i  sprawozdania  wydz.  hist-filoz. 
(Abhandlungen  n.  Berichte  d.  histor.-philos.  Klasse)  Bd.  111.  (350  u.  LXXXIV  S.) 
Bd.  IV.  (464  u.  XXXVIU  S.  8.)  Krakau  1876.  Bd.  III.  enthält  folgende  histor.  je 
Aufsätze :  K.  Graf  Stadnickl,  die  Söhne  Gedimins  (S.  1—75  u.  86—139).  Anonym, 
d.  älteste  Krakauer  Landgerichtsbuch  u.  drei  ältere  aus  dem  14.  u.  dem  Anfange 
des  15.  Jahrh.  (S.  76—86).  Dr.  Pet.  Burzynekl  üb.  die  nach  d.  polnisch.  Rechte  den 
nnehel.  Kindern  zustehenden  Berechtigungen  (S.  140—189).  Dr.  Xav.  Liske,  die 
Tagfahrt  zu  Posen  im  J.  1510  (S.  190—350).  Verf.  hat  in  einer  Hds.  der  oesolinski- 
sehen  Bibliothek  zn  Lemberg  den  von  Seiten  d.  poln.  Bevollmächtigt,  in  latein. 
Sprache  abgefaßten  Originalrezess  der  posener  Tagfahrt  von  1510  aufgefunden,  welcher 
sich  wesentlich  von  dem  von  Schütz  und  Pole  (Scriptor.  rer.  Pruss.  V.)  in  deutscher 
Uebersetzung  gegebenen  unterscheidet;  die  Abhandlung  gehört  also  ebenso  der  preussi- 
schen,  wie  der  polnischen  Geschichte  an.  —  Bd.  IV.  enthält  im  Ganzen  zwei  grössere 
hist  Arbeiten:  Dr.  M.  Bobrzynski  Über  die  Gründung  des  höheren  u.  höchsten  Ge- 
richtshofs deutschen  Rechts  auf  dem  Krakauer  Schlosse  (S.  1—169).  Dr.  St  Smolka, 
die  Archive  im  Grossherzogthum  Posen  u.  in  Ost-  und  Westpreussen  (S.  170—464)« 
Der  Verf.  hat  im  J.  1874  im  Auftrage  der  histor.  Kommission  der  Krakauer  Akad. 
die  posener  u.  preussischen  Archive  bereist;  er  giebt  hier  einen  ausführlichen  u.  mit 
Sachlcenntniss  und  Gründlichkeit  abgefassten  Bericht  über  die  in  diesen  Archiven  für 
die  polnische  Geschichte  enthaltenen  Materialien.  Beschrieben  sind  hier  folgende 
Archive  und  Bibliotheken:  das  posener  Kapitelarchiv,  das  gnesner  Kapitelarchiv,  das 
gnesner  Konristorialarchiv  u.  die  gnesner  Kapitelbibliothek,  das  Archiv  der  Abtei  der 
canonicorom  regularium  in  Trzemeszno,  das  posener  Staatsarchiv,  —  in  Thorn:  das 
Stadtarchiv,  das  tabularium  terrarom  Pruasiae  n.  endlich  das  Danziger  Stadtarchiv. 


Nachrichten.  £95 

Die  Beschreibung  der  Königsberger  Archive  ist  für  den  nächsten  Band  versprochen.  — 
3.  Scriptores  rerum  polonicarum  Tom.  III.  continet:  Stephani  Francis«  Medeksza 
commentarium  rerum  ab  anno  16.54  ad  annum  16(58  in  Lithuania  gestarum  edid. 
Wl.  Seredyiiski.  Cracoviac  1875.  (XXV,  526  S.  8.)  4.  Monumenta  medli  aevi  historica 
res  geatas  Poloniae  illustrantia.  Tom.  III.  continet:  Codicem  diplomaticum  Poioniae 
Minoris  1 178— 1386  (ed.  Fr.  Piekosiiiski).  Cracoviae  1873.  (XIV,  552  S.  Imp.  8.) 
5.  Statuta  synodalia  episcoporum  cracoviensium  XIV  et  XV  saecnli  c  codieibns  manu- 
scriptis  typis  mandata,  additis  statutis  Vielunii  et  Calissii  a.  1420  conditis,  edid. 
Udalricus  Heyzmann.    Cracoviae  1875.   (XVI,  290  S.  4.) 


Nach  den  »Nivellements  und  Höhenbestimmungen  der  leg).  Preussisch:  Landes- 
Aufnahme  von  Morozowicz,  Gen.-Lieut.  u.  Chef  der  Kgl.  Preuss.  Landes- Aufnahme, 
Berlin  März  1877*  hat  sich  eine  ganz  andere  Höhenbeschaffenheit  der  Provinz 
Preussen  östlich  der  Weichsel  herausgestellt,  als  nach  älteren  Annahmen  erwartet 
werden  musste;  diesen  entsprechend  sollte  der  höchste  Punkt  jenes  Landestheiles 
mit  etwa  600  Par.  Fuss  in  der  Gegend  des  Dorfes  Lahna  nördlich  Neidenburg,  in 
der  Nähe  der* Quellen  der  Alle  und  Passarge  zu  finden  sein;  es  ergab  sich  aber,  dass 
der  höchste  Theü  der  Provinz  in  einem  förmlichen  Gebirgsstock  besteht,  der  bis 
1000  Fuss  zwischen  Löbau  und  Gilgenburg  aufsteigt. 

[Petermann's  Mitthlgn.  23.  Bd.  VII,  249  ff.] 


y.  Schwetz,  20.  Septbr.  Der  Schwetzer  Kreis  ist  bekanntlich  reich  an  Denk- 
mälern der  Vorzeit.  Neuerdings  ist  dem  AI  terthums- Verein  in  Marienwerder  von 
hier  ein  Bericht  über  den  sogenannten  »Teufelstein*  zugesandt  worden,  der  im 
Hauptsächlichsten  nicht  uninteressant  sein  dürfte.  Das  merkwürdigste  Denkmal  aus 
der  Zeit  des  Heidenthums  ist  uns  wahrscheinlich  in  dem  gewaltigen  Granit  block  auf- 
bewahrt, der  in  der  Königl.  Forst  zwischen  der  uralten  Burgstätte  Groddek  und  dem 
Rittergut  Bellno  auf  einem  Hügel  liegt.  Der  Stein  misst  28  Schritt  im  Umfange 
und  8  Fuss  in  der  lichten  Höhe,  hat  nach  Osten  und  Süden  die  Gestalt  eines  Würfels, 
und  die  Gleichmässigkeit  der  Fläche  lässt  auf  künstliche  Bearbeitung  schliessen.  Nach 
Norden  ist  die  ursprüngliche  Form  durch  Absprengung  eines  ansehnlichen  Stückes, 
das  auf  dem  Boden  liegt,  zerstört.  Die  Westseite  ermöglicht  durch  einen  stufen- 
artigen Absatz  die  Besteigung  des  Scheitels,  der  etwa  8  Fuss  im  Quadrat  und  Ein- 
höhlungen  bat,  welche  an  Opfersteine  erinnern;  rund  umher  bilden  einzelne  hervor- 
ragende kleine  Steine  einen  ziemlich  vollständigen  Kreis.  Auffallend  ist  der  lichte 
Streif  an  der  Westseite,  wo  der  sonst  bemooste  Granit  in  hellem  Roth  schimmert. 
Generationen  von  Hirtenkindern  haben  diesen  Streifen  polirt,  indem  sie  den  Stein  erst 
erstiegen  und  dann  vergnüglich  herabrutschten.  Das  Volk  kennt  aber  den  alten  Block 
nur  als  »Tenfesltein«.    [Neue  Westpr.  Mittheilgn.  v.  22.  Sep.  1877.  No.  148  (Beil.)] 

X  Thorn,  13.  Dezbr.  1877.  Vorgestern  hielt  die  archäologische  und  historische 
Abtheilung  des  hiesigen  polnischen  wissenschaftlichen  Vereins  eine  Versammlung  ab. 
Es  eröffnete  sie  der  Vorsitzende  dieser  Abtheilung  Herr  Sigismund  v.  Dzialowski- 
Mgowo,  der  zuerst  einige  heisse  Worte  zum  Ged&cntniss  an  die  in  letzter  Zeit  ge- 
storbenen Mitglieder  sprach  und  dann  den  Verlust  erwähnte,  den  die  Literatur  durch 
den  Tod  des  Mauricius  Mann,  August  Bielowski,  Prälat  Johann  Kozmian,  Podczas- 
zynski  und  besonders  durch  Lucian  Siemienski  erlitten  hat.  Um  die  Verdienste  des 
Letzteren  anzuerkennen,  wird  der  Vorsiteende  auf  eigene  Kosten  eine  Marmortafel 
im  Verein&local  aufstellen  lassen.  Die  Versammlung  wählte  zwei  Mitglieder  aus  ihrer 
Abtheilung  in  die  Commission,  welche  die  Jahrbücher  des  Vereins  redigiren  soll. 
Hierauf  verlas  Dr.  Rozvcki  aus  Thorn  eine  Abhandlung  über  das  häusliche  Leben 
in  der  Türkei  und  Professor  Kiyot  aus  Pelplin  eine  Abhandlung  über  die  Gründung 
des  Klosters  Carthaus,  an  dessen  Beschreibung  der  Vorleser  gegenwärtig  arbeitet 
Geistlicher  Gapinski  aus  Nawra  berichtete  über  die  Lage  von  Wyszogrod  und  bewies, 
dass  dessen  Ruinen  nicht  zwischen  derBrahe  und  Fordon,  sondern  bei  dem  heutigen 


696  Mittheilungen  und  Anhang. 

Strzelde  liegen.  Schliesslich  sprach  der  Russe  Ossowski  über  die  Öffentlichen  und 
Privat-Museen  in  Westpreussen :  über  das  Danziger  Museum,  das  Mnseura  des  Coper- 
nikus- Vereins  in  Thorn  und  über  das  Museum  des  historischen  Vereins  in  Marien- 
werder. Das  letzte«  obgleich  das  jüngste,  ist  musterhaft  geordnet  und  bezeugt  sehr 
gut  die  Kenntniss  des  gegenwärtigen  dortigen  Vorsitzenden.  Wegen  der  vorgeschritte- 
nen Zeit  musste  der  weitere  Vortrag  dieses  Berichts  für  später  verlegt  werden. 

[Neue  Westpr.  Mitthlgn.  v.  15.  Dec.  1877.  No.  196]. 

Soldau,  13.  Decbr.  1877.  Durch  ein  Schreiben  des  Oberpräsidenten  an  den 
Magistrat  erhalten  wir  die  erfreuliche  Aussicht,  dass  die  seit  geraumer  Zeit  nöthige 
Reparatur  des  hiesigen  alten  Ordcnsschlosses  demnächst  erfolgen  und  der  Stadt  und 
Provinz  das  ehrwürdige  Bauwerk  erhalten  werden  wird.    (6.) 

[Danz.  Ztg.  v.  15.  Dec.  1877.  No.  10,708.] 

Das  Buchhändler  Börsenblatt  v.  2l>.  Nov.  1877.  No.274  berichtet:  »Im  Laufe 
des  Decemb.  c.  erscheint  im  Verlage  der  gräflichen  Komiker  Bibliothek  der  erste 
Band  eines  Codex  diplomaticus  Majori*  Poloniae  hrsg.  durch  die  Gesellschaft  der 
Freunde  der  Wissenschaften  zu  Posen.  Derselbe  umfasst  in  ca.  80  Bog.  Lex.-Format 
theils  schon  gedruckte,  theils  neu  gesammelte  616  Documente  aus  den  Jahren 
984 — 1287.  Gegen  Franco-Einsendung  des  nur  bis  zum  15.  Januar  1878  andauernden 
Pränumerationsbetrages  von  8  Mark  wird  das  Werk  sofort  nach  Fertigstellung  ver- 
sendet von  der  J.  J.  Kraszewski'schen  Buchdruckerei  (Dr.  W.  tebiriski)  in  Posen.4 

Bei  Emil  Wlebe  in  Lyck  erschien  und  ist  in  allen  Buchhandlungen  zu  haben 
„Handbuch  der  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  zugleich  ein  Wegweiser  für  die 
Lektüre  auf  dem  Gebiete  des  Lyrischen  und  Lyrisch-Epischen.  Von  W.  C.  Gortzitza, 
Professor  am  Gymnasium  zu  Lyck.*  (35  Bogen  gr.  8.)  Preis  7  Mk.  50  Pf.  Das 
Werk  berücksichtigt  vorwiegend  die  neuere  und  neueste  Litteratur  und  zeichnet  sich 
durch  Freisinnigkeit,  Unparteilichkeit  nnd  acht  deutsche  Gesinnung,  sowie  durch 
Uebersichtlichkeit  und  relative  Vollständigkeit  aus.  Wir  behalten  uns  ausführlichere 
Mittheilung  darüber  vor.  

Qne  Reliquie  von  Herder.  Unter  diesem  Titel  veröffentlicht  Hermann  Uhde 
in  den  »Hamburger  Nachrichten  eine  Bede,  welche  zu  Neujahr  1802  in  der  Ham- 
burger Loge  gehalten  wurde.  Der  Redner  war  der  berühmte  Tragöde  Friedrich 
Ludwig  Schröder;  er  wählte  als  Thema  „die  Bedeutung  der  Ehe"  und.  wandte  sich 
an  den  ihm  befreundeteu  Herder,  der  ebenfalls  Freimaurer  war,  mit  der  Bitte,  ihm 
das  Manuscript  einer  Bede  oder  Predigt  über  denselben  Gegenstand  zu  überlassen. 
Herder  besaas  ein  solches  Manuscript  nicht,  entwarf  aber  bereitwilligst  eine  Bede. 
Diese  hat  Schröder  augenscheinlich,  wie  Uhde  bemerkt,  unverändert  benutzt  und  nur 
etwa  Einleitung  und  Schluss  hinzugefügt.  Die  Danziger  Zeitung  v.  5.  Jan.  1878 
No.  10737,  der  wir  diese  Notiz  entnehmen,  theilt  die  Bede  ausführlich  mit 


Berichtigungen  und  Zusätze« 

Ergänzende  Bemerkung  zu  Altpr.  Monatsschr.  Bd.  XIII,  S.  688.  Ueber  Denkmünzen 
auf  den  König  Friedrich  IL,  auf  denen  derselbe  als  FBED.  III  bezeichnet  wird, 
ist  in  Bd.  VI.  S.  553  ausführlich  gehandelt  worden.  N. 

Bd.  XIV.  S.  172  Z.  9 — 6  v.  u.  muss  es  heissen:  »In  864  erhalten  wir  die  erste 
Verbindung  einer  preussischen  Stadt  mit  der  Hansa,  es  ist  Thorn,  das  am 
21.  Septbr.  1280  sein  Bedauern  ausspricht,  sich  den  Beschlüssen  des  deutschen 
Kaufmanns  in  Flandern  nicht  anschliessen  zu  können/ 


I.  Autoren-Register. 


Auger,  Dr.  Gvmnasialoberlehrer  in  Elbing,  Ueber  die  Lage  von  Truso  und  über 
die  Möglichkeit,  dieselbe  wieder  aufzufinden.    613— ''»22. 

Betaelm-Schwarzbach,  Dr.  Max,  Director  am  Pädagogium  in  Ostrowo  bei  Filehne, 
Colonisatorisches  ans  Ostpreussen.    1—37. 

Bezzenberger,  Dr.,  Adalbert,  Privatdocent  in  Göttingen,  Eine  neugefundene  litauische 
Urkunde  vom  Jahre  1578.    459—475. 

Bobrik,  Dr.  Benno,  Stabsarzt  in  Königsberg,  Immanuel  Kant's  Ansichten  über  das 
weibliche  Geschlecht.    5*J3— 612. 

Curtze,  Maximilian,  Gymnasiallehrer  in  Thorn,  Neue  Gopernicana  aus  Upsala.  Vor- 
trag, gehalten  im  Copernicus- Verein  zu  Thorn  am  4.  Juni  1877.    476—482. 

Dabo,  Dr.  Felix,  Universit&tsprofessor- in  Königsberg,   Heoension.    626—629.  < 

Esca,  (Pseudon.)  Recension.    483—484. 

Ewald,  Dr.  Albert  Ludwig,  Universitätsprofessor  in  Halle.  Zu  Drnmann's  Bio- 
graphie.   600—503. 

Heyer,  Dr.  Franz,  Gymnasialoberlehrer  in  Bartenstein,  Zwei  Masurische  Volkslieder. 
188—189. 

Hölilbaani,  Dr.  Konstantin,  Privatdocent  in  Göttingen,  vorläufige  Mittheilung  aber 
eine  Preussenfahrt  des  Fürsten  von  Henne^au  im  14.  Jahrhundert.    671—672. 

HoflVnanii,  Dr.  Hermann,  Lehrer  an  der  Pro vinzial- Gewerbeschule  in  Königsberg, 
Der  ländliche  Grundbesitz  im  Ermlande  von  der  Eroberung  Preussens  durch 
den  deutschen  Ritterorden  bis  zum  Jahre  1375.    51 — 100.  193—250. 

Hoppe,  Ferdinand,  Gymnasialoberlehrer  in  Gambinnen,  Ortsnamen  der  Provinz 
Preussen.  IV.  38—46.    V.  399—418. 

Jordan,  K.  A.,  wei.and  Superintendent  in  Ragnit,  ein  Gedicht  von  Schiller  in  li- 
tauischer Uebersetzung.    673—674. 

Kefrzynski.  Dr.  Wojciech.  Direktor  des  Ossolinskfschen  Nationalinstituts  in  Lern- 
berg,  Ueber  die  Verleihung  Poinmerellens  an  Herzog  Przemysiaw  von  Gross- 
Polen  1*2.    567-571. 

Lohmeyer,  Dr.  Carl,  Universitätsprofessor  in  Königsberg,  Zwei  den  preussischen 
Geschichtsschreiber  Lucas   David  betreffende  Briefe.    372—375. 

Zu  Drumann's  Biographie.   Nach  Mittheilung  des  Prof.  A.  Ewald.    500—503. 

Maller,  Robert,  Privatgelehrter  in  Berlin,  Urkunden  zur  Geschichte  der  ständischen 
Versammlungen  in  Königsberg  im  Januar  und  Februar  1813,  betreffend  die  Er- 
richtung der  Landwehr.  Nach  den  Akten  der  Ostpreussischen  General- Land- 
schaft und  des  Oberpräsidiums  der  Provinz  Preussen  herausgegeben.  (Fortsetzung.) 
101—161.  318  -)3W. 

Nessel  mann.  Dr.  Georg  Heinr.  Ferd.,  Universitätsprofessor  in  Königsberg,  ein  Ge- 
dicht von  Schiller  in  littauischer  Uebersetzung  mitgetheilt  als  literarisches  Ver- 
mächtniss  eines  theuren  Verstorbenen.    673—674. 

Neu  mann.  F.,  weiland  Stadtältester  in  Elbing.  Die  älteste  litauische  Chronik.  Aus 
dem  Russischen  übersetzt.    Herausgegeben  von  Dr.  M   Toppe u.    419—458. 

Perlbach,  Dr.  Max,  Bibliotheks-Custos  in  Greifawali,  Der  Verein  für  hansische 
Geschiebte  und  die  Bedeutung  seiner  Publikationen  für  die  Provinz  Preussen. 
Von  M.  P.     168—176. 

Becensionen.    340—349.  354—355. 


698  H*  Sach-Register. 

Reusen,  Dr.  Albert,  Gymnasialprofessor  in  Elbing,  Johann  Arnos  Comonius  in  Elbing. 

47—50. 
Rogge,  Adolf,  Pfarrer  in  Darkemen,   UrpreuBsen  (das  erste  Bach  aas   dem  Mann- 

script  einer  Kirchengeschichte    der  Provinz   Prenssen   probeweise   mitgetheilt). 

251—296. 

Recension.    352—353. 

Schalte,  Dr.  Franz,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Culm,  Zu  Herrn  Dr.  Perlbach's  Kritik. 

515—516. 

Einiges  über  Torstädtische  Gerichtsbarkeit.    521—535. 

Strebitaki,  Dr.  Johannes,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Neustadt  i.  Westpr.,  Der  grosse 

Aufruhr  zu  Danzig  im  Jahre  1525.    536—566. 
Saphan,   Dr.   Bernhard,    Oberlehrer  am  Friedrichs -Werderschen   Gymnasium   in 

Berlin,  Friedrich  der  Grosse,  »ein  Mehrer  des  Reichs*  im  Osten.    572—584. 
Toeppen,  Dr.   Max,  Gymnasial -Director  in  Marienwerder,  Die  älteste  litauische 

Chronik.     Ans  dem  Rassischen   übersetzt  von  F.  Neumann  herausgegeben. 

Recension.    623—625. 

Wiehert,  Dr.  Theodor,  Privatdocent  in  Königsberg,  Aus  der  Correspondenz  Herzog 
Albrechts  von  Prenssen  mit  dem  Herzog  Christoph  von  Wirtemberg.    385—398. 


n.  Sach-Eegister. 


Albrecht  —  Aas  der  Correspondenz  Herzog  A — s  von  Preussen  mit  dem  Herzog 
Christoph  von  Wirtemberg.    385—398. 

Alterthumsgesellschaft  in  Elbing.  363—365.  634—639.  —  A.  Prussia  in  Königs- 
berg.   176—187.  365—371.  4ö8— 499.  640-670. 

Alterihumskunde  —  Bestrebungen  aaf  dem  Gebiete  der  A.  der  Provinz  West- 
preassen.    484—488. 

Altpreussische  Bibliographie  1876.    506-515.  676-692. 

Anthropologische  Gesellschaft  zu  Danzig.    484—488.   629—634. 

Allerewald  —  Der  24.  Janaar  1813  in  Königsberg.  Nach  den  Papieren  des 
Ministers  Theodor  von  Schön  and  dem  Tagebach  des  Landhofmeisters  von  A. 
297—317. 

Aufruf  Kant's  Rahestatte  betreffend.    384. 

Aufruhr  —  Der  grosse  A.  in  Danzig  im  Jahre  1525.    536—566. 

Berichtigungen  and  Zusätze.    696. 

Bibliographie  —  Altpreussische  B.    506—515.  676—692. 

Biographie  —  Zu  Drumann's  B.  500-503. 

Braunsberg  —  Lyceum  Hosianum  in  B.    506. 

Briefe  —  Zwei  den  preussischen  Geschichtsschreiber  Lucas  David  betreffende  B. 
372-375. 

Briefkasten  der  Redaction.    520. 

Chronik  —  Die  älteste  littauische  C.  419-458.  —  Üniversitats-C.  1877.  189. 
505-506.    675—676. 

Colon!  satorisehes  aas  Ostprcussen.    1—37. 

Comenius  —  Johann  Arnos  C.  in  Elbing.    47—50. 

Copernicana  —  Neue  C.  aas  Upsala.    476—482. 

Correspondenz  —  Aus  der  C.  Herzog  Albrechts  von  Prenssen  mit  dem  Herzog 
Christoph  von  Wirtemberg.    385—398. 

Dauibttzen  —  Mittheilungen  über  eine  Ausmessung  des  Seeteiches  bei  D.    503 — 505. 

Danzig  —  Der  grosse  Aufruhr  in  D.  im  Jahre  1525.  536—566.  —  Anthropolo- 
gische Gesellschaft  zu  D.    484—488.  629—634. 

David  —  Zwei  den  preussischen  Geschichtsschreiber  Lucas  D.  betreffende  Briefe. 
372—375. 


EL  Saea-Kegietor.  $99 

Dramann  —  Zu  D— 8  Biographie.    500—503. 

Elbing  —  Jobann  Arnos  Comenius  in  £.  47—50.  —  Alterthumsgesellschaft  in  E. 
363—365.    634—639. 

Entgegnung  von  Voelkel  and  Thomas.    517—520. 

Ermland  —  Der  ländliche  Grundbesitz  im  E— e  von  der  Eroberung  Preussens  durch 
den  deutschen  Kitterorden  bis  zum  Jahre  1375.    51 — 100.  193 — 250. 

Fichte  —  Zu  Joh.  Gottl.  tf— s  erstem  Aufenthalt  in  nnserer  Provinz.    673. 

Friedrich  der  Grosse,  »ein  Mehrer  des  Reichs4  im  Osten.    572 — 584. 

Gerichtsbarkeit  —  Einiges  über  vorstädtische  G.    521—535. 

Grandbesitz  —  Der  ländliche  G.  im  Ermlande  von  der  Eroberung  Preussens  durch 
den  deutschen  Bitterorden  bis  zum  Jahre  1375.    51—100.  193 — 250. 

Gesellschall  —  Alterthumsg.  in  Elbing.  363—365.  634-639.  —  Alterthumsg. 
Prussia  in  Königsberg.     176—187.  365—371.  488—499.  640—6T0. 

Hansisch  —  Der  Verein  für  h— e  Geschichte  und  die  Bedeutung  seiner  Publicationen 
für  die  Provinz  Preussen.    168— 17ti. 

Hennegaa  —  Vorläufige  Mittheilung  über  eine  Preussen&hrt  des  Fürsten  von  H. 
im  14.  Jahrhundert.    671—672. 

Hosianum  —  Lyceum  H.  in  ßraunsberg.    506. 

Jahresbericht  des  Vereins  für  die  Geschiente  der  Provinz  Preussen  für  das  Ver- 
einsjahr von  Ostern  1876  bis  Ostern  1877,    360-3>>2. 

Janaar  —  Der  24.  J.  1813  in  Königsberg.  Nach  den  Papieren  des  Ministers 
Theodor  v.  Schön  und  dem  Tagebuch  des  Landhofmeisters  v.  Auerswald.  297—817. 

Kant  —  Immanuel  K — s  Ansichten  über  das  weibliche  Geschlecht  593 — 612.  — 
K— s  Ruhestätte  (Aufruf).    384. 

Karte  —  topographische  K.  von  Preussen.    675. 

Kirchengeschichte  —  Urprenssen  (das  erste  Buch  aus  dem  Manuscript  einer  K. 
der  Provinz  Preussen  probeweise  mitgetheilt.)    251—296. 

Königsberg  —  Urkunden  zur  Geschichte  der  ständischen  Versammlungen  in  K.  im 
Januar  und  Februar  1813,  betreffend  die  Errichtung  der  Landwehr.  101—161. 
318—339.  —  Der  24.  Januar  1813  in  K.  297-317.  —  Alterthumsgesellschaft 
Prussia  1876.  176—187.  365—  .71.  488-499.  640—670.  —  Universitäts-Chronik 
1877.    189.  —  50ü—  506.  —  675—676. 

Landberg  —  Der  preussische  L.,  das  älteste  Komowe.    585 — 592. 

Landwehr  —  Urkunden  zur  Geschichte  der  ständischen  Veraammlungen  in  Königs- 
berg im  Januar  und  Februar  1813,  betreffend  die  Errichtung  der  L.  101 — 161. 
318—339. 

Litauisch  —  Die  älteste  1  -e  Chronik.  419—458.  —  Eine  neugefundene  1— e  Ur- 
kunde vom  Jahre  1578.  459 — 475.  —  Ein  Gedicht  von  Schüler  in  1— er  Ueber- 
setzung.    673—674. 

Literatur  —  Periodische  L.  1876/77.    190—192.   376—384.    693—695. 

Lölilein  —  Die  Partitur  zu  Georg  Simon  L— s  »Todtenfeier«.    672—673. 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1876/77.    506. 

Masurisch  —  Zwei  M— e  Volkslieder.    188—189. 

Nachrichten.    376.    515.    695—696. 

Ortsnamen  der  Provinz  Preussen.  IV.  V.    38-46.  399—418. 

Ostpreussen  —  Colonisatorisches  aus  0.    1—37. 

Periodische  Literatur  1876/77.    190—192.   376—384.  693—695. 

Polen  —  Ueber  die  Verleihung  Pommerellens  an  Herzog  Przemyslaw  von  Gross-P. 
1282.    567—571. 

Pommerellen  —  Ueber  die  Verleihung  P— s  an  Herzog  Przemyslaw  von  Gross- 
Polen  1282.    S.  567—571. 

Preussen  —  Aus  der  Correspondenz  Herzog  Albrechts  von  P.  mit  dem  Herzog 
Christoph  von  Wirtemberg.  385—898.  —  Urpreussen  (das  erste  Buch  aus  dem 
Manuscript  einer  Kirchengeschichte  der  Provinz  P.  probeweise  mitgetheilt). 
251—296.  —  Topographische  Karte  von  P.  675.  —  Ortsnamen  der  Provinz  P. 
IV.  V.  38—46.  399 — 418.  —  Jahresbericht  des  Vereins  für  die  Geschichte  der 
Provinz  P.  für  das  Vereinsiahr  von  Ostern  1876  bis  Ostern  1877.    360—362. 

Preussenfahrt  —  Vorläufige  Mittheilung  über  eine  P.  des  Fürsten  von  Hennegau 
im  14.  Jahrhundert.    671—672. 


700  D*  S*ch-Begister, 

Prenssisch  —  Der  p — e  Landberg,  das  älteste  Bomowe.    585 — 592 

Prussia  —  Alterthums- Gesellschaft  P.    176—187.   365—37!.   488—499.  640—670. 

Przemysfaw  —  Ueber  eie  Verleihung  Pommerellens  an  Herzog  P.  von  Gross- 
Polen  1282.    S.  567—571. 

Rezensionen:  Dr.  Franz  Hipler,  Christliche  Lehre  und  Erziehung  in  Ennland 
und  im  ureussischen  Ordensstaate  während  des  Mittelalters.  162 — 165.  —  Der- 
selbe, die  Cholegraphie  des  Joachim  Rheticus.  166 — 167.  —  F.  Hoppe,1,  Orts- 
namen des  Regierungebezirks  Gumbinnen.  Von  Adolf  Rogge.  352—353.  — 
Carl  A.  Krüger,  Geschichtsbilder  für  Volksschulen.  Von  Es  ca.  483—484.  — 
Wilh.  Mannhardt,  Wald-  und  Feld-Kulte.  Theil  1.  2.  626—629,  —  G.  A. 
von  Mülverstedt,  geschichtliche  Nachrichten  aus  dem  Geschlecht  von  Gau- 
decker.  623 — H25.  —  Dr.  Hans  Prutz,  Quellenbeiträge  zur  Geschichte  der 
Kreuzzüge.  Von  M.  Perlbach.  354—355.  —  Prof.  A.  Keusch,  Wilhelm 
Gnapheus,  der  erste  Rector  des  Elbinger  Gymnasiums.  349 — 352.  —  Dr.  Fran  z 
Schultz,  Geschichte  der  Stadt  und  des  Kreises  Kulm.  Von  M.  Perl ba eh. 
340-  349.  —  Voelkel  und  Thomas,  Taschenwörterbuch  der  Aussprache  geogra- 
phischer und  historischer  Namen.    Von  })    355 — 300. 

Romowe  —  Der  preussische  Landberg,  das  älteste  R.    5*5—59*2. 

Schiller  —  Ein  Gedicht  von  S.  in  littauischer  Uebersetzung.    673—674. 

Schön  —  Der  24.  Janaar  1813  in  Königsberg.  Nach  den  Papieren  des  Ministers 
v.  S.  und  dem  Tagebuch  des  Landhofmeisters  v.  Auerswald.    297 — 317. 

Schulbildung  —  Uebei sieht  der  bei  dem  Landheer  und  der  Marine  iu  den  Ersatz- 
jahren 1374 — 77  eingestellten  Preussischen  Mannschaften  mit  Bezug  auf  ihre  S. 
674. 

Seeteich  —  Mittheilungen  über  eine  Ausmessung  des  S — s  bei  Dambitzen.    503—505. 

Ständisch  —  Urkunden  zur  Geschichte  der  8— en  Versammlungen  in  Königsberg 
im  Januar  und  Februar  1813,  betreffend  die  Errichtung  der  Landwehr.  101 — 161. 
318—339. 

Topographische  Karte  von  Preusseu.    675. 

Truso  —  Ueber  die  Lage  Ton  T.  und  über  die  Möglichkeit  dieselbe  wieder  auf- 
zufinden.   613—622. 

UnlversitÄts-Chronik  1877.    189.  505— 50<i.  675-676. 

Upsala  —  Neue  Copernicana  aus  U.    476 — 182. 

Urkunde  —  Eine  neugefundeue  litauische  U.  vom  Jahre  1578.  459 — 475.  — 
U-  n  zur  Geschichte  der  ständischen  Versammlungen  in  Königsberg  im  Januar 
und  Februar  1813,  betreffend  die  Errichtung  der  Landwehr.     101—161.  318—339. 

Urpreusaen  (das  erste  Buch  aus  dem  Manuscript  einer  Kirchengeschichte  der  Pro- 
vinz Preussen  probeweise  mitgetheilt).    251 — 296. 

Verein  —  Der  V.  für  hansische  Geschichte  und  die  Bedeutung  seiner  Publicationen 
für  die  Provinz  Preussen.  168 — 176. —  Jahresbericht  des  V — s  för  die  Geschichte 
der  Provinz  Preussen  für  das  Vereinsjahr  von  Ostern  1876  bis  Ostern  1877. 
360—362. 

Versammlungen  —  Urkunden  zur  Geschichte  der  ständischen  V.  in  Königsberg  im 

Januar  und  Februar  1813,  betreffend  die  Errichtung  der  Landwehr.    10  t — 161. 
31g 339. 

Volklieder  —  Zwei  Masurische  V.    188—189. 

Vor^tftdtisch  —  Einiges  Über  v — e  Gerichtsbarkeit.    521 — 535. 

Westpreussen  —  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Alterthumskunde  der  Provinz 

W.    484 — 488.  —  Friedrich  der  Grosse,    »ein  Mehror  des  Reiche*  im  Osten. 

572-584. 
Wirteuiberg  —  Aus   der  Correspondenz  Herzog  Albrechts  von  Preussen  mit  dem 

Herzog  von  W.    385—398. 
Znsfttze  —  Berichtigungen  und  Z.    696. 


Gedruckt  in  der  Albert  Rotbaoh'eohen  Bnehdraekerei  in  Königsberg.